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Entwerfen Architektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts Geschichte – Theorie – Praxis Ralph Johannes (Hg.)
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EntwerfenArchitektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts Geschichte – Theorie – Praxis

Ralph Johannes (Hg.)

EntwerfenArchitektenausbildung in Europa

von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts

Jo09 001-008:RaJoh 07.05.09 10:40 Seite 1

Jo09 001-008:RaJoh 07.05.09 10:40 Seite 2

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EntwerfenArchitektenausbildung in Europa

von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts

Geschichte · Theorie · Praxis

Herausgegeben von Ralph Johannes

Jo09 001-008:RaJoh 16.06.09 11:28 Seite 3

Gedruckt mit Unterstützung der Universität der Künste Berlin

Entwerfen. Architektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Geschichte, Theorie, Praxis. Hrsg. von Ralph Johannes

Junius Verlag GmbH, Stresemannstraße 375, 22761 Hamburgwww.junius-verlag.de

© 2009 by Junius Verlag GmbHDie Rechte für die Texte und Abbildungen liegen bei den Autorenund Fotografen. Alle Rechte vorbehalten.

Gestaltung & Satz: thielenVERLAGSBÜRO, HannoverDruck und Bindung: Druckhaus Dresden GmbH, DresdenPrinted in Germany

ISBN 978-3-88506-441-1

1. Auflage 2009

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Jo09 001-008:RaJoh 16.06.09 11:28 Seite 4

Gedruckt mit Unterstützung der Universität der Künste Berlin

Entwerfen. Architektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Geschichte, Theorie, Praxis. Hrsg. von Ralph Johannes

Junius Verlag GmbH, Stresemannstraße 375, 22761 Hamburgwww.junius-verlag.de

© 2009 by Junius Verlag GmbHDie Rechte für die Texte und Abbildungen liegen bei den Autorenund Fotografen. Alle Rechte vorbehalten.

Gestaltung & Satz: thielenVERLAGSBÜRO, HannoverDruck und Bindung: Druckhaus Dresden GmbH, DresdenPrinted in Germany

ISBN 978-3-88506-441-1

1. Auflage 2009

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Jo09 001-008:RaJoh 16.06.09 11:28 Seite 4

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Teil 1 – Architektenberuf und soziale Ordnung

Stefan Amt Von Vitruv bis zur Moderne – Die Entwicklung des Architektenberufes . . . . . . . . 10

Michael Lingohr ›Architectus‹ – Überlegungen zu einem vor- und frühneuzeitlichen Berufsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Teil 2 – Berufsbildung und Entwurfslehren

Ralph Johannes Vitruv – Römischer architectus. Vater der Architekturtheorie und Entwurfslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Jörg Schnier Entwurfsstile und Unterrichtsziele von Vitruv bis zum Bauhaus . . . . . . . . . . . . . 82

Adrian von Buttlar Entwurfswege in der Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Harmen H. Thies Proportion und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Frank Zöllner Vitruvs Proportionsfigur – Eine Metapher für Maß und Geometrie . . . . . . . . . 145

Christian Gänshirt Zur Geschichte der Werkzeuge des Entwerfens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Barbara Schock-Werner Die Ausbildung der Architekten im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . 186

Ulrich Coenen Architekturtheorie und Entwurfslehre im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Hubertus Günther Der Beruf des Architekten zu Beginn der Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Hermann Heckmann Barockarchitektur im deutschen Sprachraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

Wilfried Hansmann Balthasar Neumann – Genie der Barockbaukunst . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

Ingrid Leonie Severin Architekt – Amateur – Autodidakt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

Teil 3 – Ausbildung in Europa – Entwerfen lehren und lernen

Hermann Schlimme Die frühe Accademia et Compagnia dell’ Arte del Disegnoin Florenz und die Architekturausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

Angela Cipriani Die Accademia di San Luca in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

Jörg Biesler Maß und Gefühl – Die frühe Architektenausbildung in Deutschland und die Erfindung der Architektur als Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

Wolfgang Schöller Jacques-François Blondel, die Ecole des Artsund die Ecole d’Architecture der Académie Royale d’Architectureim Kontext der Architektenausbildung im 18. Jahrhundert in Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

Jörn Garleff Die Ecole polytechnique und die Ecole des beaux-arts in Paris . . . . . . . . . . . . . 392

Inhalt

Jo09 001-008:RaJoh 16.06.09 11:28 Seite 5

Ulrich Pfammatter Die Erfindung des modernen Architekten und Ingenieurs – Die École Centrale des Arts et Manufactures in Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434

Michael Bollé Akademien und Kunstschulen im deutschsprachigen Raum . . . . . . . . . . . . . . 450

Jürgen Lecour Bauschulen, Baugewerkschulen, Polytechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

Rand Carter Educating the Young Architect in the 1830’s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500

Frank Hassenewert Deutsche Lehrbücher des Entwerfens im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . 511

Rudolf Redtenbacher Wie lernt und wie lehrt man die Baukunst? (Nachdruck aus: »Deutsche Bauzeitung«, 1879) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

Stefan Amt »Nicht Architekten und Künstler wollen wir ausbilden …« Ausbildung im Bauwesen an der Baugewerkschule Nienburg von 1830–1933 . . . . . . . . . . . 544

Manfred Delling Unterrichtsmodell Fernunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

Frank Hassenewert Friedrich Ostendorf: »Sechs Bücher vom Bauen« (1913–1920) . . . . . . . 562

Julius Posener In Deutschland 1904 bis 1933 (Aus der Autobiographie »Heimliche Erinnerungen«, 2004) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573

Rainer K. Wick Kunstschulreform 1900–1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586

Klaus-Jürgen Winkler Bauhaus 1919–1933 – Baulehre und Entwerfen . . . . . . . . . . . . . . . . 614

Barbara Kreis Zwischen »Lebendiger Klassik«, Rationalismus und Konstruktivismus. Die »Höheren Künstlerisch-Technischen Werkstätten« WCHUTEMAS in Moskau 1920–1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656

Sid Auffarth Architektenausbildung in Deutschland 1933–1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683

Teil 4 – Das historische und kulturelle Umfeld

Klaus Bringmann Rom in spätrepublikanischer und augusteischer Zeit (63 v. – 14 n. Chr.) . . 702

Uta Lindgren Das Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722

Hubertus Günther Die Zeit der Renaissance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743

Stephan Hoppe Die Barockzeit (1600–1760) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769

Klemens Klemmer Der Klassizismus (1770–1830) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784

Dieter Dolgner Zeittafel 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812

Irmtraud Götz v. Olenhusen Das »lange 19. Jahrhundert« und die Ambivalenz der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818

Sigrid und Wolfgang Jacobeit Das 20. Jahrhundert bis 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840

Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867

Ausbildungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877

Inhalt6

Jo09 001-008:RaJoh 16.06.09 11:28 Seite 6

Ulrich Pfammatter Die Erfindung des modernen Architekten und Ingenieurs – Die École Centrale des Arts et Manufactures in Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434

Michael Bollé Akademien und Kunstschulen im deutschsprachigen Raum . . . . . . . . . . . . . . 450

Jürgen Lecour Bauschulen, Baugewerkschulen, Polytechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

Rand Carter Educating the Young Architect in the 1830’s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500

Frank Hassenewert Deutsche Lehrbücher des Entwerfens im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . 511

Rudolf Redtenbacher Wie lernt und wie lehrt man die Baukunst? (Nachdruck aus: »Deutsche Bauzeitung«, 1879) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

Stefan Amt »Nicht Architekten und Künstler wollen wir ausbilden …« Ausbildung im Bauwesen an der Baugewerkschule Nienburg von 1830–1933 . . . . . . . . . . . 544

Manfred Delling Unterrichtsmodell Fernunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

Frank Hassenewert Friedrich Ostendorf: »Sechs Bücher vom Bauen« (1913–1920) . . . . . . . 562

Julius Posener In Deutschland 1904 bis 1933 (Aus der Autobiographie »Heimliche Erinnerungen«, 2004) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573

Rainer K. Wick Kunstschulreform 1900–1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586

Klaus-Jürgen Winkler Bauhaus 1919–1933 – Baulehre und Entwerfen . . . . . . . . . . . . . . . . 614

Barbara Kreis Zwischen »Lebendiger Klassik«, Rationalismus und Konstruktivismus. Die »Höheren Künstlerisch-Technischen Werkstätten« WCHUTEMAS in Moskau 1920–1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656

Sid Auffarth Architektenausbildung in Deutschland 1933–1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683

Teil 4 – Das historische und kulturelle Umfeld

Klaus Bringmann Rom in spätrepublikanischer und augusteischer Zeit (63 v. – 14 n. Chr.) . . 702

Uta Lindgren Das Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722

Hubertus Günther Die Zeit der Renaissance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743

Stephan Hoppe Die Barockzeit (1600–1760) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769

Klemens Klemmer Der Klassizismus (1770–1830) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784

Dieter Dolgner Zeittafel 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812

Irmtraud Götz v. Olenhusen Das »lange 19. Jahrhundert« und die Ambivalenz der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818

Sigrid und Wolfgang Jacobeit Das 20. Jahrhundert bis 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840

Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867

Ausbildungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877

Inhalt6

Jo09 001-008:RaJoh 16.06.09 11:28 Seite 6

Dieses Buch richtet sich an angehende und gestan-dene Architekten, aber auch an den kultur- und bau-geschichtlich interessierten Laien. Es hat die Archi-tektenausbildung im Entwerfen in Europa zum Ge-genstand, und zwar von der augusteischen Zeit biszur Mitte des vergangenen Jahrhunderts. In Ergän-zung dazu erhält der Leser einen Überblick über diejeweils behandelten Zeitepochen.

Ein Blick auf die einschlägige Literatur zeigt,dass diese Thematik punktuell nur gelegentlich auf-gegriffen, systematisch und umfassend bisher über-haupt nicht dargestellt worden ist. Das brachte denHerausgeber vor einigen Jahren auf den Gedanken,mit Hilfe von Fachkollegen einen solchen Gesamt-überblick in Angriff zu nehmen.

Entstanden ist nach nunmehr rund zehn Jahrenein umfangreicher Band, der Beiträge von vierzigFachautorinnen und -autoren versammelt.1 Da dieVorgaben an die Autoren nur den Rahmen und diegrundsätzliche Intention umfassten, bietet der Sam-melband folglich formal und inhaltlich sehr unter-schiedliche Beiträge, die die Fragestellung mitunterzentral angehen, mitunter aber auch nur streifen.Überschneidungen waren nicht zu vermeiden, auchdass der eine oder andere Aspekt – aufgrund derForschungslage – nicht aufgegriffen werden konn-te, muss in Kauf genommen werden. In seiner Ge-samtheit kommt der Band dennoch dem gestecktenZiel sehr nahe:

Die Ausbildung von Architekten im Entwerfenwird in ihrem Stellenwert sowie in ihrer geschichtli-chen Dimension greifbar. Mit anderen Worten: Wieund wo über die Jahrhunderte hinweg Architekturgelehrt bzw. gelernt wurde, sei es in Betrieben desBaugewerbes, an Schulen und Hochschulen oder imFernstudium, wird ebenso deutlich wie die Abhän-gigkeit der Lernziele und Inhalte von den kulturel-len Strömungen der jeweiligen Zeit. Kreativität undhandwerk liches Können, künstlerische Freiheit undbauliche Umsetzung als die Pole, zwischen denender Spannungsbogen zwischen Baukunst und Bau-handwerk verläuft, kommen vor allem im Entwer-fen zum Tragen. Der Entwurf ist sozusagen dasKunst-Werk des Architekten.

Das ursprünglich gedachte Konzept einer chrono-logischen Abfolge der Beiträge wurde zuletzt auf-gegeben zugunsten einer systematischen Struktur,die durch thematische Bündelung des Materials invier Teile einen besseren Zugang zum Stoff und eingezielteres Handhaben des Buches ermöglicht.

Teil 1 behandelt Berufsstand und Berufsbild desArchitekten, zum einen in einem entwicklungsge-schichtlichen Gesamtüberblick (Stefan Amt), zumanderen exemplarisch, bezogen auf die frühe Neu-zeit (Michael Lingohr).

Teil 2 fasst die Beiträge zur Ausbildung von Architekten im Allgemeinen und zur Lehre im Entwerfen im Speziellen zusammen. Den Anfang

Einführung

»Im Grunde aber sind wir alle kollektive Wesen, wir mögen uns stellen wie wir wollen. Dennwie Weniges haben und sind wir, das wir im reinsten Sinne unser Eigentum nennen! Wir müs-sen alle empfangen und lernen, sowohl von denen, die vor uns waren, als von denen, die mituns sind. Selbst das größte Genie würde nicht weit kommen, wenn es alles seinem eignen In-nern verdanken wollte. Das begreifen aber viele sehr gute Menschen nicht und tappen mit ih-ren Träumen von Originalität ein halbes Leben im Dunkeln. Ich habe Künstler gekannt, diesich rühmten, keinem Meister gefolgt zu sein, vielmehr alles ihrem eignen Genie zu danken zuhaben. Die Narren! Als ob das überall anginge!«

Johann Wolfgang von Goethe: Gespräche mit Eckermann, 17. Februar 1832

1 Die Veröffentlichung eines ursprünglich geplanten zweibändigen Werks über die Zeit von Vitruv bis zum Bologna-Prozess, mit Beiträgen von 93 Autoren, erwies sich als nicht realisierbar. Trotz Jahre währender Bemühungen ge-lang es nicht, dafür einen Sponsor zu finden. Alternativ kam die Überlegung, das Ganze als CD herauszubringenoder es ins Internet zu stellen. Beides entsprach nicht meinen Vorstellungen; nur das Buch schien mir das dem Ge-genstand angemessene Medium. Dass nun zumindest der vorliegende (sozusagen der erste) Band erscheint, freutmich ganz besonders. Die Hoffnung, auch noch einen zweiten Band, »Von Mitte des 20. Jahrhunderts bis zum Bo-logna-Prozess«, für den die Beiträge vorliegen, eines Tages herauszugeben, habe ich noch nicht aufgegeben.

Jo09 001-008:RaJoh 07.05.09 10:40 Seite 7

macht Vitruv als der »Vater der Architekturtheorieund Entwurfslehre« (Ralph Johannes), gefolgt vonzwei Beiträgen (Jörg Schnier und Adrian von Butt-lar), die das Entwerfen in seinen Grundlagen, seinerVermittelbarkeit sowie in seinen verschiedenen sti-listischen Ausprägungen eingehender analysieren.Wichtigen Prinzipien des Entwerfens – wie Propor -tion und Struktur – gehen die Arbeiten von HarmenThies und Frank Zöllner nach. Konkret und ganzpraxisbezogen behandelt Christian Gänshirt Entste-hung und Entwicklung der verschiedenen Entwurfs-Werkzeuge. Epochenbezogen sind die sich an-schließenden Untersuchungen von Barbara Schock-Werner und Ulrich Coenen zum Mittelalter sowiedie von Hubertus Günther (Renaissance) und Her-mann Heckmann (Barock). Wilfried HansmannsDar stel lung des Barockbaumeisters Balthasar Neu-mann und Ingrid Leonie Severins Beitrag, der denAmateuren und Autodidakten unter den bedeutend-sten Architekten nachgeht, runden diesen Teil ab.

Den Arbeiten in Teil 3 gemeinsam ist ihre Aus-richtung auf die Institutionalisierung der Architek-tenausbildung durch Schulen, Akademien und Un-terrichtsformen unterschiedlichster Art. Analog zurhistorischen Entwicklung macht hier Italien mit derAccademia et Compagnia dell’ Arte del Disegno inFlorenz (Hermann Schlimme) und der Accademiadi San Luca in Rom (Angela Cipriani) den Anfang.Die Situation in Deutschland im 17./18. Jahrhundertschildert Jörg Biesler, bevor dann die für die weite-re Entwicklung entscheidenden Einrichtungen inFrankreich ins Blickfeld rücken: Ecole des Arts undEcole d’Architecture der Academie Royale d’Ar-chitecture (Wolfgang Schöller), Ecole polytechni-que und Ecole des Beaux-Arts (Jörn Garleff) sowiedie Ecole Central des Arts et Manufactures (UlrichPfammatter). Die Entwicklung im deutschsprachi-gen Raum im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert– die klassizistische Phase – behandeln MichaelBollé, Jürgen Lecour und Rand Carter. Im Zusam-menhang der schulischen Ausbildung wichtige Ein-zelaspekte – wie Lehrbücher des Entwerfens, Un-terrichtsmethoden, die Praxis an einer TechnischenHochschule und einzelnen Baugewerkschulen so-wie die Vermittlung durch Fernunterricht – kommenin den Aufsätzen von Frank Hassenewert, RudolfRedtenbacher, Julius Posener, Stefan Amt und Man-fred Delling zur Sprache. Die jüngere Entwicklungvom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des

Zweiten Weltkriegs mit ihren Auswirkungen auf dieGegenwart wird in den Untersuchungen zur Kunst-schulreform (Rainer K. Wick) und zum Bauhaus(Klaus-Jürgen Winkler) nachvollziehbar. Von be-sonderem Stellenwert sind der Blick auf die Verhält-nisse in der jungen Sowjetunion mit der Darstellungder »Höheren Künstlerisch-Technischen Werkstät-ten« (WCHUTEMAS) in Moskau (Barbara Kreis)und auch die Überlegungen zur nationalsozialisti-schen Ausrichtung architektonischen Denkens undHandelns im Bereich der Lehre von Sid Auffarth.

Als Abrundung ist der letzte, der 4. Teil gedacht.Die sieben, auch für die Architekturentwicklungwesentlichen Epochen sind hier unter besondererBerücksichtigung der kulturgeschichtlichen Ent-wicklung in Grundzügen dargestellt, und zwar vonausgewiesenen Kulturhistorikern wie Klaus Bring-mann (Römische Antike), Uta Lindgren (Mittel -alter), Hubertus Günther (Renaissance), StephanHoppe (Barock), Klemens Klemmer (Klassizis-mus), Dieter Dolgner und Irmtraud Götz v. Olen -husen (19. Jahrhundert) sowie Sigrid und WolfgangJacobeit (20. Jahrhundert bis 1945). Allen diesenEpochendarstellungen sind synoptische Zeit tafelnmit den politisch und architektur-/kunstgeschicht-lich relevanten Daten vorangestellt.

Die Texte sollen als eine Art »Lesekolleg« ver-standen werden, das der Leserschaft ermöglicht,sich selbst ein Urteil zu bilden und darüber hinauseventuelle Anregungen zu erhalten für möglicheneue Konzepte in der Architektenausbildung. Auf-grund der Stoffmenge kann vom Leser zwar nichtdie Behandlung aller Aspekte dieses Lehrgebietesin Europa erwartet werden, jedoch ist ein Anfanggemacht!

An dieser Stelle möchte ich allen herzlich danken,die dazu beigetragen haben, das vorliegende Ge-meinschaftswerk zu realisieren, speziell den Auto-ren, die ihre Beiträge ausnahmslos unentgeltlich zurVerfügung gestellt haben und trotz der langen Zeit,die über die Verwirklichung des Projekts verstrichenist, nicht ungeduldig geworden sind. Auch sei jenengedankt, die finanziell, redaktionell oder verlege-risch dieses Werk unterstützt haben. Nur durch dieengagierte Mitarbeit aller Beteiligten war es mög-lich, das hier ausgebreitete Thema möglichst umfas-send zu präsentieren.

Ralph Johannes, April 2009

Einführung8

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macht Vitruv als der »Vater der Architekturtheorieund Entwurfslehre« (Ralph Johannes), gefolgt vonzwei Beiträgen (Jörg Schnier und Adrian von Butt-lar), die das Entwerfen in seinen Grundlagen, seinerVermittelbarkeit sowie in seinen verschiedenen sti-listischen Ausprägungen eingehender analysieren.Wichtigen Prinzipien des Entwerfens – wie Propor -tion und Struktur – gehen die Arbeiten von HarmenThies und Frank Zöllner nach. Konkret und ganzpraxisbezogen behandelt Christian Gänshirt Entste-hung und Entwicklung der verschiedenen Entwurfs-Werkzeuge. Epochenbezogen sind die sich an-schließenden Untersuchungen von Barbara Schock-Werner und Ulrich Coenen zum Mittelalter sowiedie von Hubertus Günther (Renaissance) und Her-mann Heckmann (Barock). Wilfried HansmannsDar stel lung des Barockbaumeisters Balthasar Neu-mann und Ingrid Leonie Severins Beitrag, der denAmateuren und Autodidakten unter den bedeutend-sten Architekten nachgeht, runden diesen Teil ab.

Den Arbeiten in Teil 3 gemeinsam ist ihre Aus-richtung auf die Institutionalisierung der Architek-tenausbildung durch Schulen, Akademien und Un-terrichtsformen unterschiedlichster Art. Analog zurhistorischen Entwicklung macht hier Italien mit derAccademia et Compagnia dell’ Arte del Disegno inFlorenz (Hermann Schlimme) und der Accademiadi San Luca in Rom (Angela Cipriani) den Anfang.Die Situation in Deutschland im 17./18. Jahrhundertschildert Jörg Biesler, bevor dann die für die weite-re Entwicklung entscheidenden Einrichtungen inFrankreich ins Blickfeld rücken: Ecole des Arts undEcole d’Architecture der Academie Royale d’Ar-chitecture (Wolfgang Schöller), Ecole polytechni-que und Ecole des Beaux-Arts (Jörn Garleff) sowiedie Ecole Central des Arts et Manufactures (UlrichPfammatter). Die Entwicklung im deutschsprachi-gen Raum im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert– die klassizistische Phase – behandeln MichaelBollé, Jürgen Lecour und Rand Carter. Im Zusam-menhang der schulischen Ausbildung wichtige Ein-zelaspekte – wie Lehrbücher des Entwerfens, Un-terrichtsmethoden, die Praxis an einer TechnischenHochschule und einzelnen Baugewerkschulen so-wie die Vermittlung durch Fernunterricht – kommenin den Aufsätzen von Frank Hassenewert, RudolfRedtenbacher, Julius Posener, Stefan Amt und Man-fred Delling zur Sprache. Die jüngere Entwicklungvom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des

Zweiten Weltkriegs mit ihren Auswirkungen auf dieGegenwart wird in den Untersuchungen zur Kunst-schulreform (Rainer K. Wick) und zum Bauhaus(Klaus-Jürgen Winkler) nachvollziehbar. Von be-sonderem Stellenwert sind der Blick auf die Verhält-nisse in der jungen Sowjetunion mit der Darstellungder »Höheren Künstlerisch-Technischen Werkstät-ten« (WCHUTEMAS) in Moskau (Barbara Kreis)und auch die Überlegungen zur nationalsozialisti-schen Ausrichtung architektonischen Denkens undHandelns im Bereich der Lehre von Sid Auffarth.

Als Abrundung ist der letzte, der 4. Teil gedacht.Die sieben, auch für die Architekturentwicklungwesentlichen Epochen sind hier unter besondererBerücksichtigung der kulturgeschichtlichen Ent-wicklung in Grundzügen dargestellt, und zwar vonausgewiesenen Kulturhistorikern wie Klaus Bring-mann (Römische Antike), Uta Lindgren (Mittel -alter), Hubertus Günther (Renaissance), StephanHoppe (Barock), Klemens Klemmer (Klassizis-mus), Dieter Dolgner und Irmtraud Götz v. Olen -husen (19. Jahrhundert) sowie Sigrid und WolfgangJacobeit (20. Jahrhundert bis 1945). Allen diesenEpochendarstellungen sind synoptische Zeit tafelnmit den politisch und architektur-/kunstgeschicht-lich relevanten Daten vorangestellt.

Die Texte sollen als eine Art »Lesekolleg« ver-standen werden, das der Leserschaft ermöglicht,sich selbst ein Urteil zu bilden und darüber hinauseventuelle Anregungen zu erhalten für möglicheneue Konzepte in der Architektenausbildung. Auf-grund der Stoffmenge kann vom Leser zwar nichtdie Behandlung aller Aspekte dieses Lehrgebietesin Europa erwartet werden, jedoch ist ein Anfanggemacht!

An dieser Stelle möchte ich allen herzlich danken,die dazu beigetragen haben, das vorliegende Ge-meinschaftswerk zu realisieren, speziell den Auto-ren, die ihre Beiträge ausnahmslos unentgeltlich zurVerfügung gestellt haben und trotz der langen Zeit,die über die Verwirklichung des Projekts verstrichenist, nicht ungeduldig geworden sind. Auch sei jenengedankt, die finanziell, redaktionell oder verlege-risch dieses Werk unterstützt haben. Nur durch dieengagierte Mitarbeit aller Beteiligten war es mög-lich, das hier ausgebreitete Thema möglichst umfas-send zu präsentieren.

Ralph Johannes, April 2009

Einführung8

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Teil 1

Architektenberufund

soziale Ordnung

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EinleitungNach dem heute noch allgemein gültigen Verständnissind Architekten mit der Planung und Leitung vonBauaufgaben betraut. Sie nehmen im Bauprozess, alsfachliche Vermittler zwischen dem Bauherren undden ausführenden Unternehmen, eine umfassendeKontrollfunktion wahr. Diese im Vergleich zu ande-ren Ingenieurdisziplinen relativ weite Definition ih-rer Tätigkeit ist eindeutig aus der Tradition des Be-rufsstandes abzuleiten.

Momentan zeichnen sich jedoch durch die Inter-nationalisierung des Marktes, die Verschärfung desWettbewerbs durch eine desolate Auftragslage so-wie technische und strukturelle Umwälzungen desPlanungs- und Bauprozesses Umstrukturierungenab, die das Berufsbild wahrscheinlich in absehbarerZeit verändern werden. Bereits heute fallen Ar -chitekten Aufgaben zu, die bisher nicht zu ihremBerufsfeld gerechnet wurden, und aus neuen Kon-zeptionen der Baurealisierung sowie verändertenOrganisationsformen im Planungs- und Bauvor-gang resultieren. Zugleich verändert sich die Auf-traggebersituation, die den Architekten nicht mehrfür private oder öffentliche Auftraggebern planenlässt, sondern ihn zunehmend Projektplanungsge-sellschaften und Investorengruppen gegenüberstellt.Diese Veränderungen des tradierten Aufgabenfeldesdeuten an, dass die ganzheitliche Verantwortung desArchitekten für den Bauvorgang möglicherweise inabsehbarer Zukunft grundsätzlich aufbrechen wird.Außerdem wird befürchtet, dass die Architektenihre Position als entwerfende Baukünstler endgültigverlieren und ihr Arbeitsfeld zu einer reinen Dienst-

leistung werden wird, deren Schwerpunkte in derbetriebswirtschaftlich orientierten Realisierung vonBauvorhaben sowie der Bauunterhaltung gesehenwird. Diese Besorgnis um die zukünftige Entwick-lung des Berufes hat eine Diskussion über zukünfti-ge Kompetenzen des Architekten, Erschließungneuer Aufgabenfelder und die Definition eines neu-en Selbstverständnisses des Berufes aufkommenlassen. Intensiv wird momentan jedoch vor allemdie Anpassung der Ausbildung durch strukturelleund inhaltliche Reformen erörtert.

Hierzu will auch die vorliegende Publikation einen Beitrag leisten. In der Einsicht, dass die Zukunft als Funktion der Vergangenheit verstandenwerden kann, richtet sie den Blick auch auf die histo-rische Entwicklung der Ausbildung im Bau we sen.Da eine solche Betrachtung ohne die Berücksichti-gung der Korrelation zu den kontemporären Ansprü-chen an den Beruf jedoch unvollständig sein muss,richtet diese einleitende Darstellung den Blick aufeine zusammenfassende Darstellung der sukzessi-ven Entwicklung des Berufsbildes. Dabei sollen Ver-änderungen in den Tätigkeitsfeldern der Architekten,deren sozialer Stellung, die wechselhaften Bezie-hungen zur Auftraggeberschaft und das beruflicheSelbstverständnis im Vordergrund stehen, aber auchEinblicke in den Wandel der theoretischen Grund -lagen, der Entwurfs- und Baupraxis sowie des Bau-betriebs gegeben werden. Mit dem vorgegebenenZeitraum, der von der römischen Antike bis in unse-re annähernde Gegenwart reicht, wird dabei eineZeitspanne von rund 2 000 Jahren betrachtet, in de-ren Verlauf sich das heutige Verständnis vom Beruf

Stefan Amt

Von Vitruv bis zur Moderne – Die Entwicklung des Architektenberufes

■ Einleitung■ Antike■ Mittelalter■ Renaissance

■ Barock■ 19. Jahrhundert■ 20. Jahrhundert■ Ausblick

Struktur

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EinleitungNach dem heute noch allgemein gültigen Verständnissind Architekten mit der Planung und Leitung vonBauaufgaben betraut. Sie nehmen im Bauprozess, alsfachliche Vermittler zwischen dem Bauherren undden ausführenden Unternehmen, eine umfassendeKontrollfunktion wahr. Diese im Vergleich zu ande-ren Ingenieurdisziplinen relativ weite Definition ih-rer Tätigkeit ist eindeutig aus der Tradition des Be-rufsstandes abzuleiten.

Momentan zeichnen sich jedoch durch die Inter-nationalisierung des Marktes, die Verschärfung desWettbewerbs durch eine desolate Auftragslage so-wie technische und strukturelle Umwälzungen desPlanungs- und Bauprozesses Umstrukturierungenab, die das Berufsbild wahrscheinlich in absehbarerZeit verändern werden. Bereits heute fallen Ar -chitekten Aufgaben zu, die bisher nicht zu ihremBerufsfeld gerechnet wurden, und aus neuen Kon-zeptionen der Baurealisierung sowie verändertenOrganisationsformen im Planungs- und Bauvor-gang resultieren. Zugleich verändert sich die Auf-traggebersituation, die den Architekten nicht mehrfür private oder öffentliche Auftraggebern planenlässt, sondern ihn zunehmend Projektplanungsge-sellschaften und Investorengruppen gegenüberstellt.Diese Veränderungen des tradierten Aufgabenfeldesdeuten an, dass die ganzheitliche Verantwortung desArchitekten für den Bauvorgang möglicherweise inabsehbarer Zukunft grundsätzlich aufbrechen wird.Außerdem wird befürchtet, dass die Architektenihre Position als entwerfende Baukünstler endgültigverlieren und ihr Arbeitsfeld zu einer reinen Dienst-

leistung werden wird, deren Schwerpunkte in derbetriebswirtschaftlich orientierten Realisierung vonBauvorhaben sowie der Bauunterhaltung gesehenwird. Diese Besorgnis um die zukünftige Entwick-lung des Berufes hat eine Diskussion über zukünfti-ge Kompetenzen des Architekten, Erschließungneuer Aufgabenfelder und die Definition eines neu-en Selbstverständnisses des Berufes aufkommenlassen. Intensiv wird momentan jedoch vor allemdie Anpassung der Ausbildung durch strukturelleund inhaltliche Reformen erörtert.

Hierzu will auch die vorliegende Publikation einen Beitrag leisten. In der Einsicht, dass die Zukunft als Funktion der Vergangenheit verstandenwerden kann, richtet sie den Blick auch auf die histo-rische Entwicklung der Ausbildung im Bau we sen.Da eine solche Betrachtung ohne die Berücksichti-gung der Korrelation zu den kontemporären Ansprü-chen an den Beruf jedoch unvollständig sein muss,richtet diese einleitende Darstellung den Blick aufeine zusammenfassende Darstellung der sukzessi-ven Entwicklung des Berufsbildes. Dabei sollen Ver-änderungen in den Tätigkeitsfeldern der Architekten,deren sozialer Stellung, die wechselhaften Bezie-hungen zur Auftraggeberschaft und das beruflicheSelbstverständnis im Vordergrund stehen, aber auchEinblicke in den Wandel der theoretischen Grund -lagen, der Entwurfs- und Baupraxis sowie des Bau-betriebs gegeben werden. Mit dem vorgegebenenZeitraum, der von der römischen Antike bis in unse-re annähernde Gegenwart reicht, wird dabei eineZeitspanne von rund 2 000 Jahren betrachtet, in de-ren Verlauf sich das heutige Verständnis vom Beruf

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Von Vitruv bis zur Moderne – Die Entwicklung des Architektenberufes

■ Einleitung■ Antike■ Mittelalter■ Renaissance

■ Barock■ 19. Jahrhundert■ 20. Jahrhundert■ Ausblick

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des Architekten herauskristallisierte und die nochheute geltenden Ausbildungsformen entwickelt haben.1

AntikeIn den frühen Hochkulturen der Antike zwischenEuphrat und Tigris und im Niltal übernahm die Ar-chitektur vor ungefähr 5 000 Jahren zunehmend re-präsentative Funktionen. Sie entwickelte sich damitzu einer der zentralen kulturellen Aufgaben und alsFolge davon setzte die Überwindung der Anonymi-tät ihrer Schöpfer ein. So ist in ägyptischer Zeit mitImhotep (um 2600 v. Chr.), dem Erbauer der Stufen-pyramide im Djoser-Komplex in Sakkara, der erstenamentlich überlieferte Architekt der Menschheits-geschichte fassbar.

Aus der griechischen Antike sind Baumeister undihre Werke vor allem durch Publikationen nachfol-gender Zeiten überliefert.2 Bekannt wurden dadurchz. B. Hippodamos von Milet (geb. um 510 v. Chr.),der Planurheber des Wiederaufbaus von Milet, derals Begründer einer bewussten und regelhaftenStadtplanung gilt, Kallikrates und Iktinos, die mitdem Bau des 449 v. Chr. begonnenen Parthenon aufder Akropolis in Athen in Zusammenhang gebrachtwerden, sowie Mnesikles, der bis 432 v. Chr. dieAthener Propyläen errichtete.

Trotz einer intensiven Bautätigkeit und umfang-reicher schriftlicher Überlieferungen wird dieQuellenlage zu Bauschaffenden der römischen An-tike gegenüber den vorherigen Epochen nicht be-deutend dichter. Die ersten namentlich überliefer-ten Architekten aus römischer Zeit sind Cossu tius,der um 174 v. Chr. mit dem Bau des Olym pieion inAthen beauftragt war,3 Mucius, der den Honos-Vir-tus-Tempel errichtete,4 und Hermodoros von Sala-mis, der um 130 v. Chr. in Rom tätig war und denJupiter-Stator-Tempel erbaute.5 Die erhaltenenQuel len beziehen sich zumeist auf Architekten ingehobenen Positionen und dokumentieren unterge-ordnete Strukturen des Bauwesens nur ansatz -weise. Die weitgehende Ausdifferen zierung der

Hierarchie ist inzwischen jedoch nachgewiesen. Solassen sich in Kollegien zusammengeschlosseneBauunternehmer (redemp tores) belegen, die viel-fältige Aufgaben im Bauwesen übernommen undzumindest in den Provinzen eine gewichtige Rollegespielt haben. Außerdem waren wahrscheinlichauch entsprechend ausgebildete Angehörige desMilitärs mit vielfältigen Bauaufgaben betraut.Corps dieser Art sind für die Zeit Caesars (100–44v. Chr.) und Hadrians (reg. 117–138 n. Chr.) durchQuel len überliefert.

Die Aufgabengebiete der Architekten, die für dieZeit der späten römischen Republik und der Kaiser-zeit recht eindeutig belegt werden können, warenausnehmend vielfältig. Neben dem Entwurf vonKultgebäuden, öffentlichen und privaten Bauten je-der Hierarchiestufe sowie militärischen Bautenwurden die Baumeister auch mit ingenieurtechni-schen, infrastrukturellen und stadtplanerischen Auf-gaben betraut und hatten Lösungen für technischeGroßaufgaben zu erarbeiten. Ein solches Projekt istz. B. mit der Versetzung der um 64 n. Chr. von Neroin Rom aufgestellten Kolossalstatue literarischüberliefert. Die Aufsicht über die Bauausführungwurde ebenfalls von Architekten wahrgenommen;es existieren jedoch auch Belege, die eine getrennteVergabe von Entwurf und Bauausführung nachwei-sen. Darüber hinaus galten als Aufgaben von Archi-tekten auch Arbeiten, die heute nicht mehr mit die-sem Beruf in Verbindung gebracht werden. Hierzusind z. B. die Konstruktion und der Bau von Ma-schinen für das Militär (Belagerungsgeräte), derSteinabbau und -transport wie auch die Reinhaltungvon Hafenbecken und Kanälen, die Konstruktionund Reparatur von Schiffen sowie der Bau und dieInstandhaltung von Uhren zu zählen. Diese Vielfaltder Aufgabengebiete erforderte eine weitgehendeUniversalität der Architekten der römischen Antike,die die meisten erhaltenen Quellen nachweisen; zu-gleich waren aber auch Möglichkeiten für intensiveSpezialisierungen gegeben, für die ebenfalls Hin-weise existieren.

1 Aufgrund des zusammenfassenden Charakters dieser 2000 entstandenen Darstellung ist zur Vermeidung einesausufernden wissenschaftlichen Apparates auf detaillierte Nachweise zugunsten einer besseren Lesbarkeit ver-zichtet worden. Grundlegende und weiterführende Publikationen sind in der anhängenden Literaturliste zusam-mengestellt.

2 Z. B. in Vitruvs De architectura: Plinus d. Ä. (23–79 n. Chr.) Naturalis historia und Pausanias um 180 n. Chr. ent-standene Reisebeschreibung Griechenlands.

3 Vitruv: Buch VII, Vorrede, 15, 17.4 Vitruv: Buch III, II, 5; Buch VII, Vorrede, 17.5 Vitruv: Buch III, II, 5.

Stefan Amt · Von Vitruv bis zur Moderne 11

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Eine der wichtigsten Quellen, die Einblick in dasBerufsbild der Architekten der römischen Antikegewährt, ist das von Vitruv ( geb. um 84 v. Chr.) um14 v. Chr. herausgegebene Werk »De architectura li-bri decem«. Dieses Traktat ist jedoch keinesfalls dieerste architekturtheoretische Schrift der Antike,denn solche entstanden auch bereits in der grie-chischen Antike und der römischen Zeit vor Vitruv.Diese sind jedoch ausnahmslos verloren und nur inihren Titeln und ausschnitthaften Inhalten überlie-fert. Vitruvs Publikation stand also in einer ausge-prägten fachliterarischen Tradition und gewinnt ihreexorbitante Bedeutung vor allem aus der Tatsache,dass sie – wohl auch durch Zufall – als einziges ar-chitekturtheoretisches Werk des Altertums erhaltengeblieben ist. Die zehn Bücher dieses Werkes be-handeln folgende Themen: Ausbildung des Bau-meisters und ästhetische Grundbegriffe (I), Stadt-planung (I), Baustoffe (II), Tempelbau (III, IV), Proportionslehre und Säulenordnungen (IV), öf-fentliche und private Bauten sowie Innenausbau(V–VII), Wasserversorgung (VIII), Messverfahren(VIII), geometrische und astronomische Themen(IX) und mechanische Vorrichtungen (X). Mit die-ser Themenbreite dokumentiert das Werk die ge-samte Breite der Aufgabenbereiche von Architektender römischen Antike. Dabei ist jedoch zu berück-sichtigen, dass das Traktat zu einer Zeit verfasstworden ist, in der die Entwicklung der römischenArchitektur ihren Höhepunkt noch nicht erreichthatte und somit das Berufsbild noch nicht bis zu sei-ner höchsten Entwicklungsstufe ausgebildet war.Einen zentralen Punkt der Abhandlung bildet dieBeschreibung der für einen Architekten unverzicht-baren Wissensgebiete.6 Neben intensiven Sprach-kenntnissen forderte Vitruv ausgeweitete Fähigkei-ten in der Zeichenkunst und der Geometrie, einegründliche Vertrautheit mit der Geschichte, der Phi-losophie, der Musik und der Heilkunde und darüberhinaus auch juristische und astronomische Kennt-nisse. Auch wenn diese Ansprüche wahrscheinlichnicht der Realität entsprachen, sondern eine Maxi-malforderung definierten, ist hiermit die Idealvor-stellung vom universellen Selbstverständnis des Be-rufsstandes dokumentiert. Allerdings sah VitruvGrundkenntnisse der entfernteren Disziplinen als

ausreichend an und postulierte, dass diejenigen die»Geometrie, Sternkunde, Musik und die übrigenWissenschaften voll und ganz beherrschen« überden Beruf des Architekten hinauswachsen und zuMathematikern würden.7 Da er dies als bewussteGegenposition zu anderen Theoretikern formu -lierte – er selbst führte z. B. Pytheos (tätig 353–334v. Chr.) an – kann auf eine bereits zu dieser Zeitkont rär geführte Diskussion zur Definition des Ar-chitektenberufes geschlossen werden. Diese doku-mentieren sich auch in weiteren Ausführungen Vi-truvs, z. B. seiner Differenzierung der Tätigkeit desArchitekten in »fabrica«, dem praktischen Hand-werk, und »ratiocinatio«, der intellektuellen Arbeitdes Entwerfens.8 Hiermit stellte er sich nochmals indirekten Gegensatz zur Auffassung Pytheos: »Alsoscheint in diesem Punkt Pytheos geirrt zu haben,weil er nicht bemerkt hat, daß die einzelnen Künstesich aus zwei Faktoren zusammensetzen, aus Aus-führung und ihrer Konzeption, wovon das erstere,nämlich die Ausführung der Arbeit, eine eigene Sa-che derer ist, die auf speziellen Gebieten ausgebil-det sind, das zweite aber Gemeingut aller wissen-schaftlich Gebildeten ist, das ist die bewußte ver-nünftige (theoretische) Überlegung …«.9

Zunehmend gelangte die von Vitruv noch pro-gressiv formulierte Sicht auf den Beruf jedoch zurAllgemeingültigkeit, was z. B. ein Handbuch desLandvermessers Pappus von Alexandria (um 320 n.Chr.) belegt, in dem die Mechanik bereits ganzselbstverständlich in einen theoretischen (Geome-trie, Arithmetik, Astronomie, Physik) und einenpraktischen Teil (Metallarbeiten, Bau- und Holz-konstruktion, Malerei und praktische Ausführungdieser Dinge) unterteilt wird. Als »mechanikos« be-zeichnet Pappus denjenigen, der die gesamte »me-chanike theoria« beherrscht, während der »architek-ton« nur in Teilgebieten bewandert zu sein habe.

Nur rudimentär erhalten sind Überlieferungenzum Sozialprestige der Architekten der römischenAntike und als eine der hauptsächlichen Informa -tionsquellen hierzu gelten Grabinschriften, die aufeine solche Tätigkeit hinweisen. Einen der weni-gen unmittelbaren Einblicke gibt wiederum Vi-truv: »Die übrigen Architekten bitten und umwer-ben [die Bauherren], um Bauaufträge zu bekom-

6 Vitruv: Buch I, I, 3–5.7 Vitruv: Buch I, I, 17. Zitiert nach Fensterbusch 1976, S. 35.8 Vitruv: Buch I, I, 1.9 Vitruv: Buch I, I, 15. Zitiert nach Fensterbusch 1976, S. 35.

Architektenberuf und soziale Ordnung12

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Eine der wichtigsten Quellen, die Einblick in dasBerufsbild der Architekten der römischen Antikegewährt, ist das von Vitruv ( geb. um 84 v. Chr.) um14 v. Chr. herausgegebene Werk »De architectura li-bri decem«. Dieses Traktat ist jedoch keinesfalls dieerste architekturtheoretische Schrift der Antike,denn solche entstanden auch bereits in der grie-chischen Antike und der römischen Zeit vor Vitruv.Diese sind jedoch ausnahmslos verloren und nur inihren Titeln und ausschnitthaften Inhalten überlie-fert. Vitruvs Publikation stand also in einer ausge-prägten fachliterarischen Tradition und gewinnt ihreexorbitante Bedeutung vor allem aus der Tatsache,dass sie – wohl auch durch Zufall – als einziges ar-chitekturtheoretisches Werk des Altertums erhaltengeblieben ist. Die zehn Bücher dieses Werkes be-handeln folgende Themen: Ausbildung des Bau-meisters und ästhetische Grundbegriffe (I), Stadt-planung (I), Baustoffe (II), Tempelbau (III, IV), Proportionslehre und Säulenordnungen (IV), öf-fentliche und private Bauten sowie Innenausbau(V–VII), Wasserversorgung (VIII), Messverfahren(VIII), geometrische und astronomische Themen(IX) und mechanische Vorrichtungen (X). Mit die-ser Themenbreite dokumentiert das Werk die ge-samte Breite der Aufgabenbereiche von Architektender römischen Antike. Dabei ist jedoch zu berück-sichtigen, dass das Traktat zu einer Zeit verfasstworden ist, in der die Entwicklung der römischenArchitektur ihren Höhepunkt noch nicht erreichthatte und somit das Berufsbild noch nicht bis zu sei-ner höchsten Entwicklungsstufe ausgebildet war.Einen zentralen Punkt der Abhandlung bildet dieBeschreibung der für einen Architekten unverzicht-baren Wissensgebiete.6 Neben intensiven Sprach-kenntnissen forderte Vitruv ausgeweitete Fähigkei-ten in der Zeichenkunst und der Geometrie, einegründliche Vertrautheit mit der Geschichte, der Phi-losophie, der Musik und der Heilkunde und darüberhinaus auch juristische und astronomische Kennt-nisse. Auch wenn diese Ansprüche wahrscheinlichnicht der Realität entsprachen, sondern eine Maxi-malforderung definierten, ist hiermit die Idealvor-stellung vom universellen Selbstverständnis des Be-rufsstandes dokumentiert. Allerdings sah VitruvGrundkenntnisse der entfernteren Disziplinen als

ausreichend an und postulierte, dass diejenigen die»Geometrie, Sternkunde, Musik und die übrigenWissenschaften voll und ganz beherrschen« überden Beruf des Architekten hinauswachsen und zuMathematikern würden.7 Da er dies als bewussteGegenposition zu anderen Theoretikern formu -lierte – er selbst führte z. B. Pytheos (tätig 353–334v. Chr.) an – kann auf eine bereits zu dieser Zeitkont rär geführte Diskussion zur Definition des Ar-chitektenberufes geschlossen werden. Diese doku-mentieren sich auch in weiteren Ausführungen Vi-truvs, z. B. seiner Differenzierung der Tätigkeit desArchitekten in »fabrica«, dem praktischen Hand-werk, und »ratiocinatio«, der intellektuellen Arbeitdes Entwerfens.8 Hiermit stellte er sich nochmals indirekten Gegensatz zur Auffassung Pytheos: »Alsoscheint in diesem Punkt Pytheos geirrt zu haben,weil er nicht bemerkt hat, daß die einzelnen Künstesich aus zwei Faktoren zusammensetzen, aus Aus-führung und ihrer Konzeption, wovon das erstere,nämlich die Ausführung der Arbeit, eine eigene Sa-che derer ist, die auf speziellen Gebieten ausgebil-det sind, das zweite aber Gemeingut aller wissen-schaftlich Gebildeten ist, das ist die bewußte ver-nünftige (theoretische) Überlegung …«.9

Zunehmend gelangte die von Vitruv noch pro-gressiv formulierte Sicht auf den Beruf jedoch zurAllgemeingültigkeit, was z. B. ein Handbuch desLandvermessers Pappus von Alexandria (um 320 n.Chr.) belegt, in dem die Mechanik bereits ganzselbstverständlich in einen theoretischen (Geome-trie, Arithmetik, Astronomie, Physik) und einenpraktischen Teil (Metallarbeiten, Bau- und Holz-konstruktion, Malerei und praktische Ausführungdieser Dinge) unterteilt wird. Als »mechanikos« be-zeichnet Pappus denjenigen, der die gesamte »me-chanike theoria« beherrscht, während der »architek-ton« nur in Teilgebieten bewandert zu sein habe.

Nur rudimentär erhalten sind Überlieferungenzum Sozialprestige der Architekten der römischenAntike und als eine der hauptsächlichen Informa -tionsquellen hierzu gelten Grabinschriften, die aufeine solche Tätigkeit hinweisen. Einen der weni-gen unmittelbaren Einblicke gibt wiederum Vi-truv: »Die übrigen Architekten bitten und umwer-ben [die Bauherren], um Bauaufträge zu bekom-

6 Vitruv: Buch I, I, 3–5.7 Vitruv: Buch I, I, 17. Zitiert nach Fensterbusch 1976, S. 35.8 Vitruv: Buch I, I, 1.9 Vitruv: Buch I, I, 15. Zitiert nach Fensterbusch 1976, S. 35.

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men. Mich aber haben meine Lehrer gelehrt: manmüsse Bauaufträge übernehmen, nachdem mandarum gebeten ist, nicht nachdem man darum ge-beten hat … Wird nämlich jemand gebeten; Ausga-ben, die aus seiner Tasche gemacht werden sollen,dem Belieben eines Bittstellers auf Treu und Glau-ben zu überlassen, was muß er da wohl anderesargwöhnen, als daß dies um des Profits und Vor-teils des Bittstellers getan werden soll?«10

Diese Äußerung spiegelt die hohe Anerkennungdes Architektenstandes zur Zeit Augustus’ (reg. 31v. Chr.–14 n. Chr.) wieder und legt darüber hinausnahe, dass auch bereits ein Berufskodex entwickeltwar. Ein rund 500 Jahre später entstandenes Doku-ment der besonderen Würdigung eines einzelnenArchitekten stellt ein Brief dar, den Theoderich(reg. 493–526 n. Chr.) an seinen Hofarchitektenrichten ließ: »Wir freuen uns, wenn wir die Größeunseres Königtums in der Herrlichkeit unseres Pa-lastes verbildlicht sehen […] Siehe zu, daß DeinWerk gut mit dem alten harmoniert. Studiere Euklid – begreife seine Diagramme gut; studiereArchimedes und Metrobius. Wenn wir daran den-ken, eine Stadt wiederaufzubauen, eine Festung zugründen oder ein Hauptquartier, werden wir aufEuch bauen, daß Ihr Eure Ideen auf Papier aus-drückt. Die Erbauer der Wälle, die Marmorbild-hauer, die Erzgießer, die Gewölbemaurer, die Stuk-kateure, die Mosaikarbeiter, alle kommen wegenAnweisungen zu Euch und man erwartet von Eucheine weise Antwort an jeden. Dann aber, wenn Dusie richtig leitest, dann haben sie Arbeit und Deinist der ganze Ruhm. Vor allem teile redlich aus,was Wir Dir für alle Arbeitsleute als Lohn gege-ben; denn der Arbeiter, der es hinsichtlich seinerVerpflegung angenehm hat, arbeitet besser. AlsZeichen Deiner hohen Würde trägst Du einen gol-denen Stab und inmitten Deiner zahlreichen ScharDeiner Diener gehe vor dem König voran, weil ge-rade durch Deine Nähe zu unserer Person gesehenwerden kann, daß Du der Mann bist, dem Wir dieSorge um unseren Palast anvertraut haben«.11

Neben der hohen Wertschätzung des Architek-ten, die auch dieses Dokument belegt, werden hiernochmals einige weitere Aspekte deutlich. So wirddie wissenschaftliche Fundierung der Entwurfs -arbeit ausdrücklich betont und ausschnitthaft dasTätigkeitsfeld und die Verantwortlichkeit des

Architekten beschrieben. Diese umfasste demnachüber den Entwurf und die Bauleitung hinaus mitder Abrechnung der Bauarbeiten und der Entloh-nung der Arbeiter auch Aufgaben der finanziellenOrganisation des Baues.

Aufschluss gibt dieses Dokument möglicherwei-se auch über die Attribute, die den spätrömischenArchitekten auszeichneten, da der erwähnte golde-ne Stab eventuell als Schmuckform eines Messsta-bes gedeutet werden kann. Gestützt wird dies durchein Mosaik im Bardo-Museum in Tunis, das einePerson abbildet, die durch einen Messstab in derHand als Baumeister gekennzeichnet ist. Als weite-re Insignien der Profession sind ein Winkelmaß so-wie ein Lot dargestellt (Abb. 1).

Die Beschäftigungs- und Besoldungsverhältnis-se, unter denen Baumeister in der römischen Antikegearbeitet haben, können anhand erhal tener Aus-schreibungen und Abrechnungen in Einzelbeispie-len nachvollzogen werden. Verpflichtungen erfolg-

10 Vitruv: Buch VI, Vorrede, 5. Zitiert nach Fensterbusch 1976, S. 259 f.11 Zitiert nach Briggs 1927, S. 47.

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Abb. 1 Römisches Mosaik mit der Darstellung eines Architekten (Ausschnitt). – Aus: Kostof 1977, fig. 10

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ten demnach auch bei großen öffentlichen Bau -projekten hauptsächlich pro jektbezogen für die Zeitder Errichtung. Die Ausführung wurde von beauf-sichtigenden Kom missionen überwacht, denen dieBaumeister unterstellt waren. Ab dem vierten vor-christlichen Jahrhundert mehren sich jedoch die li-terarischen und epigraphischen Zeugnisse, die dau-erhafte Anstellungen bei Kommunen belegen. Ver-pflichtungen für private Bauvorhaben sind ebenfallsfassbar; ein außergewöhnliches Zeugnis hierfürstellt die im Zusammenhang mit seinen Villenbau-ten und dem Grabbau für seine Tochter Tullia ent-standene Korrespondenz Ciceros (106–43 v. Chr.)dar. Belegt ist außerdem die Existenz freischaffendarbeitender Bauunternehmer, deren Betätigungsfeldwahrscheinlich unbedeutendere Staatsbauten unddie große Menge der alltäglichen Architektur war.

Honorare wurden hauptsächlich als projektbezo-genes Fixum vereinbart und haben den Gehälternder Bauhandwerker offenbar ungefähr entsprochen.Eine gehobene soziale Anerkennung des Berufs-standes schlug sich demnach in der Besoldung nicht

nieder. Die Notwendigkeit einer weitgehenden öko-nomischen Unabhängigkeit der Architekten legt dieTatsache nahe, dass sie mit ihrem privaten Vermö-gen für ihre Arbeit in Haftung genommen und au-ßerdem die Honorare erst nach dem Abschluss derArbeiten ausgezahlt wurden.

Die Entwurfspraxis in der Antike dokumentiertsich nur an vereinzelt vorliegenden Funden undkonnte darum bis heute nur in Ansätzen geklärt wer-den. Bereits die griechische Architektur setzte vorallem in ihren komplexen Detailformen (Kurvatu-ren, Eckkonflikt) hohe intellektuelle Abstraktions-leistungen voraus, die größtenteils durch zeichneri-sche Vorarbeiten unterstützt wurden. Für die Festle-gung von Detailformen und -dimensionen dientenRitzzeichnungen in Originalgröße, die sich in eini-gen Beispielen erhalten haben.12 Aus der römischenAntike erhaltene Ritzungen in Wand und Boden -flächen dienten sicherlich dem gleichen Zweck.Grundrissabbildungen in verkleinertem Maßstab,die als Ritzungen in Marmorplatten und Mosaikenerhalten sind, wird dagegen keine Funktion im Pla-nungsprozess zugesprochen; man deutet sie viel-mehr als repräsentative Darstellungen (Abb. 2). Ent-würfe wurden zumeist auf Papyros erarbeitet, sodass aufgrund der geringen Dauerhaftigkeit diesesTrägers keine Beispiele erhalten, sondern nur durchschrift liche Überlieferungen bekannt sind. Auf einweit entwickeltes Planzeichnungswesen deutetauch hin, dass Vitruv in seinem Traktat bereitsGrund riss, Aufriss und Perspektive unterschied,13

und damit bereits alle heute noch üblichen Zeich-nungsarten erwähnte. Auch wenn hauptsächlichGrundrisszeichnungen erhalten sind, lassen Einzel-beispiele von Ansichtsdarstellungen und perspekti-vische Abbildungen, die allerdings zumeist nicht imPlanungszusammenhang stehen, vermuten, dass Vi-truv hier die gängige Praxis beschrieb und sich dieEntwurfsarbeit aller Darstellungsarten bediente.Dreidimensionale Modelle, deren Existenz litera-risch und durch Bauabrechnungen belegt ist, habensich jedoch nicht erhalten.

Die Anwendung aller Entwurfsmittel kann alsHinweis darauf gelten, dass sich der Beruf des Ar-

12 Z. B. am 313 v. Chr. begonnenen Apollo-Tempel in Didyma.13 Vitruv: Buch I, II, 2. Vitruv definiert Ichnographia als den unter »Verwendung von Lineal und Zirkel in verkleiner-

tem Maßstab ausgeführten Grundriß, aus dem (später) die Umrisse der Gebäudeteile auf dem Baugelände genom-men werden«; Orthographia als »das aufrechte Bild der Vorderansicht und eine den Maßstäben des zukünftigenBauwerks entsprechende gezeichnete Darstellung in verkleinertem Maßstab« und Scaenographia als die »per-spektivische (illusionistische) Wiedergabe der Fassade und der zurücktretenden Seiten und die Entsprechungsämtlicher Linien auf einen Kreismittelpunkt«. Zitiert nach Fensterbusch 1976, S. 37 f.

Architektenberuf und soziale Ordnung14

Abb. 2 Fragmente des Severischen Marmorplanes vonRom aus dem 2. Jh. n. Chr., Umzeichnung. – Aus: Mislin1997, S. 110

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ten demnach auch bei großen öffentlichen Bau -projekten hauptsächlich pro jektbezogen für die Zeitder Errichtung. Die Ausführung wurde von beauf-sichtigenden Kom missionen überwacht, denen dieBaumeister unterstellt waren. Ab dem vierten vor-christlichen Jahrhundert mehren sich jedoch die li-terarischen und epigraphischen Zeugnisse, die dau-erhafte Anstellungen bei Kommunen belegen. Ver-pflichtungen für private Bauvorhaben sind ebenfallsfassbar; ein außergewöhnliches Zeugnis hierfürstellt die im Zusammenhang mit seinen Villenbau-ten und dem Grabbau für seine Tochter Tullia ent-standene Korrespondenz Ciceros (106–43 v. Chr.)dar. Belegt ist außerdem die Existenz freischaffendarbeitender Bauunternehmer, deren Betätigungsfeldwahrscheinlich unbedeutendere Staatsbauten unddie große Menge der alltäglichen Architektur war.

Honorare wurden hauptsächlich als projektbezo-genes Fixum vereinbart und haben den Gehälternder Bauhandwerker offenbar ungefähr entsprochen.Eine gehobene soziale Anerkennung des Berufs-standes schlug sich demnach in der Besoldung nicht

nieder. Die Notwendigkeit einer weitgehenden öko-nomischen Unabhängigkeit der Architekten legt dieTatsache nahe, dass sie mit ihrem privaten Vermö-gen für ihre Arbeit in Haftung genommen und au-ßerdem die Honorare erst nach dem Abschluss derArbeiten ausgezahlt wurden.

Die Entwurfspraxis in der Antike dokumentiertsich nur an vereinzelt vorliegenden Funden undkonnte darum bis heute nur in Ansätzen geklärt wer-den. Bereits die griechische Architektur setzte vorallem in ihren komplexen Detailformen (Kurvatu-ren, Eckkonflikt) hohe intellektuelle Abstraktions-leistungen voraus, die größtenteils durch zeichneri-sche Vorarbeiten unterstützt wurden. Für die Festle-gung von Detailformen und -dimensionen dientenRitzzeichnungen in Originalgröße, die sich in eini-gen Beispielen erhalten haben.12 Aus der römischenAntike erhaltene Ritzungen in Wand und Boden -flächen dienten sicherlich dem gleichen Zweck.Grundrissabbildungen in verkleinertem Maßstab,die als Ritzungen in Marmorplatten und Mosaikenerhalten sind, wird dagegen keine Funktion im Pla-nungsprozess zugesprochen; man deutet sie viel-mehr als repräsentative Darstellungen (Abb. 2). Ent-würfe wurden zumeist auf Papyros erarbeitet, sodass aufgrund der geringen Dauerhaftigkeit diesesTrägers keine Beispiele erhalten, sondern nur durchschrift liche Überlieferungen bekannt sind. Auf einweit entwickeltes Planzeichnungswesen deutetauch hin, dass Vitruv in seinem Traktat bereitsGrund riss, Aufriss und Perspektive unterschied,13

und damit bereits alle heute noch üblichen Zeich-nungsarten erwähnte. Auch wenn hauptsächlichGrundrisszeichnungen erhalten sind, lassen Einzel-beispiele von Ansichtsdarstellungen und perspekti-vische Abbildungen, die allerdings zumeist nicht imPlanungszusammenhang stehen, vermuten, dass Vi-truv hier die gängige Praxis beschrieb und sich dieEntwurfsarbeit aller Darstellungsarten bediente.Dreidimensionale Modelle, deren Existenz litera-risch und durch Bauabrechnungen belegt ist, habensich jedoch nicht erhalten.

Die Anwendung aller Entwurfsmittel kann alsHinweis darauf gelten, dass sich der Beruf des Ar-

12 Z. B. am 313 v. Chr. begonnenen Apollo-Tempel in Didyma.13 Vitruv: Buch I, II, 2. Vitruv definiert Ichnographia als den unter »Verwendung von Lineal und Zirkel in verkleiner-

tem Maßstab ausgeführten Grundriß, aus dem (später) die Umrisse der Gebäudeteile auf dem Baugelände genom-men werden«; Orthographia als »das aufrechte Bild der Vorderansicht und eine den Maßstäben des zukünftigenBauwerks entsprechende gezeichnete Darstellung in verkleinertem Maßstab« und Scaenographia als die »per-spektivische (illusionistische) Wiedergabe der Fassade und der zurücktretenden Seiten und die Entsprechungsämtlicher Linien auf einen Kreismittelpunkt«. Zitiert nach Fensterbusch 1976, S. 37 f.

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Abb. 2 Fragmente des Severischen Marmorplanes vonRom aus dem 2. Jh. n. Chr., Umzeichnung. – Aus: Mislin1997, S. 110

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chitekten als Vermittler zwischen dem Bauherrenund ausführenden Handwerkern zunehmend alseigenständige Profession etablierte. Als weitererAnhaltspunkt hierfür muss auch der hohe Ent-wicklungsstand der Bautechnik gesehen werden,die mit standardisierten Backsteinen, präfabrizier-ten Bauteilen und Gussmauerwerk (opus cemen-titium) intensive logistische Vorplanungen be-dingte. Solche Aufgaben wurden auch von spe-ziell dafür eingerichteten Behörden übernommen.Unter Augustus entstand z. B. die »cura operumpublicorum«, die bei staatlichen Bauten für orga-nisatorische Aufgaben von der Errichtung bis zurBauunterhaltung zuständig war. Rückschlüsse aufdie hochgradig arbeitsteilige Struktur solcher Ab-teilungen lässt die zur gleichen Zeit gegründete»cura aquarum« zu, die über einen umfangreichenPersonalstamm aus Bau- und Verwaltungsbeam-ten verfügte.

Administrationen dieser Art wurden jedochhauptsächlich bei der Durchführung bedeutenderProjekte aktiv und die große Menge der alltäglichenBauvorhaben ist auch in der Spätphase des römi-schen Imperiums ohne Beteiligung von Architektenausgeführt worden. Ein wesentlicher Teil der römi-schen Architektur ist somit auch weiterhin durch dieAnonymität ihrer Urheber gekennzeichnet, und fürheutige Forschungen nur schwer zugänglich.

MittelalterDas Bauen im Mittelalter wurde lange als ein kol-lektiv ablaufender Prozess gedeutet, dem die Bau-meister untergeordnet waren. Dass diese Vorstel-lung vom anonymen Entwerfer, der allein in seinemWerk aufging, relativiert werden muss, belegt alleindie große Zahl namentlich überlieferter Werkmeis-ter. Neuere Forschungsergebnisse kristallisieren zu-nehmend heraus, dass der mittelalterliche Baumeis-ter weder nur ein biederer Handwerksmeister war,noch mit dem modernen freischaffenden Architek-ten verglichen werden kann.

Die Annäherung an ein realitätsnahes Bild vommittelalterlichen Baumeister wird jedoch durch eineuneinheitliche Verwendung der Titularien in denüberlieferten Quellen bedeutend erschwert. Grund-sätzlich unhaltbar ist die Gleichsetzung des in denQuellen genannten »architectus« mit unserem heu-tigen Architektenbild, da diese Titulierung auf denWerkmeister wie auch den Bauherren angewendetwurde. Eine genaue Abgrenzung ist somit oftmals

nicht fehlerfrei möglich und hat in der Forschungauch bereits zu Fehlinterpretationen geführt. ZumEnde des Frühmittelalters wird diese Bezeichnungfür einen Baumeister jedoch nur noch selten ver-wendet. Statt dessen wird dieser als Werkmeister(magister operis), Steinmetz (lapicida), Maurer(cae mentarius) oder auch Zimmermann (carpenta-rius) bezeichnet. Eine weitere Verunklarung wirddadurch hervorgerufen, dass die Baumeister auchmit Titularien bezeichnet wurden, die parallel eben-falls für Beschäftigte der Bauadministration galten.So wurde der erste Kölner Dombaumeister Gerhard(gest. vor 1271) als »rector fabricae« tituliert undPeter Parler (1330–99) in der Inschrift seiner Büsteim Prager Veitsdom als »magister fabricae« be-zeichnet. Erwin von Straßburg wird auf seinemGrabstein als »gubernator fabricae« und MatthäusEnsinger (um 1390–1463) auf seinem Grabmonu-ment im Ulmer Münster als »Kirchenmeister« be-zeichnet. Im Gebiet der Backsteingotik ist für denBaumeister darüber hinaus auch die Bezeichnung»murator« (Maurer) gebräuchlich.

Der Bauherr wird in den Quellen ebenfalls als»architectus« bezeichnet; das früheste Vorkommendieser Bezeichnung findet sich im Abtskatalog vonFulda, in dem Abt Ratger (802–817) als »sapiens ar-chitectus« bezeichnet wird. Da neben kommen aberauch die Titulierungen Gründer (fundator), Erbauer(constructor), Wiederherrsteller (reparator) oderWeihenden (dedicator) vor. Obwohl seine Betei -ligung am Bau häufiger auch aktiv umschrieben ist(fecit, aedificavit, construit, decoravit, ornavit, res-tauravit), sind dadurch keine konkreten Anhalts-punkte über den Grad seines Einflusses auf die Ge-staltung des Bauwerkes gegeben. Es ist jedochwahrscheinlich, dass der Bauherr Einfluss auf denBautyp, das Raumprogramm, die Raumkomposi -tion sowie die Festlegung der Abmessungen bis zurAufteilung des Grundrisses genommen und dieBauleute ausgewählt hat, womit er die typologischeund künstlerische Gestaltung des Bauwerkes nach-haltig bestimmte.

Gesteigert wird die unklare Abgrenzung der ver-schiedenen Positionen noch dadurch, dass auch fürden Bauverwalter, dessen Aufgaben zumeist in derOrganisation des Baubetriebes sowie der Finanzver-waltung lagen, und der damit kein Baufachmann zusein brauchte, ähnliche oder gleiche Titularien (ope-rarius, rector, procurator, magister fabrica, magisteroperis) verwendet wurden.

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Unsicherheit besteht auch hinsichtlich der genau-en Aufgabendefinition der Baumeister. Seit denSchriften des Augustinus (354–430) wurde der Ar-chitekt zumeist als Meister des Quadriviums –Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie – be-zeichnet und eindeutig vom Handwerker abge -hoben. Dagegen bezeichnete der Erzbischof vonMainz, Hrabanus Maurus (780–856), in seinerSchrift »De universo« die Baumeister als Maurer(caementarii), die die Fundamente anlegen, undweist ihnen damit eindeutig auch handwerklicheAufgaben in der Bauausführung zu. Diesem stehtjedoch wiederum eine Äußerung des Dominikaner-mönchs Nicolaus de Byard von 1261 entgegen:»Die Maurermeister, Meßstab und Handschuhe inden Händen, sagen zu den anderen: Schlage mir

dieses, und sie arbeiten nicht; dennoch erhalten siehöheren Lohn …«.14 Durch diese widersprüchli-chen Aussagen wird eine eindeutige Abgrenzungzwischen den Aufgaben der Planung und der Ausführung schwierig. Wahrscheinlich vereinte dermittelalterliche Baumeister die Funktionen eines Architekten, eines Bildhauers und eines Bauhand-werkers in sich. Seine Aufgabe bestand in der Zusammenführung der Einzelleistungen am Bau,die die Fähigkeit voraussetzte, aus dem gegebenenRaumprogramm eine konkrete Lösung zu erarbei-ten und deren Ausführung durch das Ausstecken desGrundrisses auf der Baustelle vorzubereiten. Hie-raus erklären sich auch die Attribute des Baumeis-ters im Mittelalter. Zumeist waren diese das Winkel-maß und der Zirkel und damit Werkzeuge, die fürden Aufriss aber auch zum Aufschnüren des Grund-risses auf dem Bauplatz gebraucht wurden (Abb. 3).Ein weiteres Aufgabengebiet der Baumeister wardie Anfertigung der Schablonen zur Herstellung vonDetailformen. Sie gehörte zu den vertraglich fixier-ten Aufgaben des leitenden Werkmeisters, wogegendas Anreißen der Steine Aufgabe des Poliers oderdes Steinmetzen war. Ab der Spätgotik lässt sicheine Zunahme der getrennten Vergabe von Ent -wurfs anfertigung und Bauausführung beobachten.So wurde beim Bau des Chores von St. Lorenz inNürnberg 1458 der ausführende Polier Hans Paurvon Ochsenfurt vertraglich an Anweisungen desMeisters Konrad Roritzer (gest. um 1475) gebundenund der Turm der Pfarrkirche von Bozen wurdenach einem Entwurf von Burkhard Engelberg(gest. 1512) unter der Leitung des SteinmetzenHans Lutz (geb. um 1473) errichtet.

Die großen Sakralbauten repräsentierten im Mit-telalter die schöpferische Tat Gottes und waren vonsymbolischen und allegorischen Bedeutungen be-stimmt. Sie waren selbst Teil der Liturgie und wur-den als Idealisierung des Salomonischen Tempelsund des Himmlischen Jerusalems interpretiert. Diezentralen Aufgaben des Baumeisters, das Gründen(fundare) und Erbauen (aedificare), waren dadurchwesentlich auch von theologischen Vorstellungenbestimmt und erforderten weniger einen Entwurf imheutigen Sinne, als vielmehr die Umsetzung dieseridealisierenden Idee in eine architektonische Form.Dabei war die Entwurfstätigkeit strengen geometri-schen Regeln unterworfen, in denen das Ordnungs-gesetz der Schöpfung Gottes gesehen wurde. Ge-

14 Zitiert nach Binding 2000, S. 59.

Architektenberuf und soziale Ordnung16

Abb. 3 König Offa mit seinem Baumeister (rechts),Buch miniatur aus dem 14. Jh. – Aus: Ricken 1990, Frontispiz

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Unsicherheit besteht auch hinsichtlich der genau-en Aufgabendefinition der Baumeister. Seit denSchriften des Augustinus (354–430) wurde der Ar-chitekt zumeist als Meister des Quadriviums –Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie – be-zeichnet und eindeutig vom Handwerker abge -hoben. Dagegen bezeichnete der Erzbischof vonMainz, Hrabanus Maurus (780–856), in seinerSchrift »De universo« die Baumeister als Maurer(caementarii), die die Fundamente anlegen, undweist ihnen damit eindeutig auch handwerklicheAufgaben in der Bauausführung zu. Diesem stehtjedoch wiederum eine Äußerung des Dominikaner-mönchs Nicolaus de Byard von 1261 entgegen:»Die Maurermeister, Meßstab und Handschuhe inden Händen, sagen zu den anderen: Schlage mir

dieses, und sie arbeiten nicht; dennoch erhalten siehöheren Lohn …«.14 Durch diese widersprüchli-chen Aussagen wird eine eindeutige Abgrenzungzwischen den Aufgaben der Planung und der Ausführung schwierig. Wahrscheinlich vereinte dermittelalterliche Baumeister die Funktionen eines Architekten, eines Bildhauers und eines Bauhand-werkers in sich. Seine Aufgabe bestand in der Zusammenführung der Einzelleistungen am Bau,die die Fähigkeit voraussetzte, aus dem gegebenenRaumprogramm eine konkrete Lösung zu erarbei-ten und deren Ausführung durch das Ausstecken desGrundrisses auf der Baustelle vorzubereiten. Hie-raus erklären sich auch die Attribute des Baumeis-ters im Mittelalter. Zumeist waren diese das Winkel-maß und der Zirkel und damit Werkzeuge, die fürden Aufriss aber auch zum Aufschnüren des Grund-risses auf dem Bauplatz gebraucht wurden (Abb. 3).Ein weiteres Aufgabengebiet der Baumeister wardie Anfertigung der Schablonen zur Herstellung vonDetailformen. Sie gehörte zu den vertraglich fixier-ten Aufgaben des leitenden Werkmeisters, wogegendas Anreißen der Steine Aufgabe des Poliers oderdes Steinmetzen war. Ab der Spätgotik lässt sicheine Zunahme der getrennten Vergabe von Ent -wurfs anfertigung und Bauausführung beobachten.So wurde beim Bau des Chores von St. Lorenz inNürnberg 1458 der ausführende Polier Hans Paurvon Ochsenfurt vertraglich an Anweisungen desMeisters Konrad Roritzer (gest. um 1475) gebundenund der Turm der Pfarrkirche von Bozen wurdenach einem Entwurf von Burkhard Engelberg(gest. 1512) unter der Leitung des SteinmetzenHans Lutz (geb. um 1473) errichtet.

Die großen Sakralbauten repräsentierten im Mit-telalter die schöpferische Tat Gottes und waren vonsymbolischen und allegorischen Bedeutungen be-stimmt. Sie waren selbst Teil der Liturgie und wur-den als Idealisierung des Salomonischen Tempelsund des Himmlischen Jerusalems interpretiert. Diezentralen Aufgaben des Baumeisters, das Gründen(fundare) und Erbauen (aedificare), waren dadurchwesentlich auch von theologischen Vorstellungenbestimmt und erforderten weniger einen Entwurf imheutigen Sinne, als vielmehr die Umsetzung dieseridealisierenden Idee in eine architektonische Form.Dabei war die Entwurfstätigkeit strengen geometri-schen Regeln unterworfen, in denen das Ordnungs-gesetz der Schöpfung Gottes gesehen wurde. Ge-

14 Zitiert nach Binding 2000, S. 59.

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Abb. 3 König Offa mit seinem Baumeister (rechts),Buch miniatur aus dem 14. Jh. – Aus: Ricken 1990, Frontispiz

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gründet war diese Vorstellung auf die Aussage »[…]du hast alles geordnet mit Maß, Zahl und Gewicht«des alttestamentarischen Buches der Weisheit,15 diezum Zentrum des mittelalterlichen Weltbildes wur-de und damit auch die Architektur dieser Maximeunterwarf. Die Beherrschung der Geometrie war so-mit eines der fundamentalsten Elemente der Quali-fikation eines Baumeisters. Da die praktische Plan-verwirklichung bei relativ geringem theoretischenWissen aber auch durch empirische Erfahrungenmit dem Material und der Bewältigung von Detail-problemen geprägt wurde, war die handwerklicheBefähigung in gleichem Maße bedeutend.

Die weitgehende Fixierung der Raumkompo si -tion und der Proportionierung durch festliegendeKonventionen erübrigte noch in der frühen Gotikdie zeichnerische Darstellung eines Entwurfes.Grundlage für die Errichtung auch komplexesterGebäude war vielmehr die Entwicklung einer Vor-stellung vom Bautyp und der Dimensionierung imGeist des Baumeisters (in mente conceptum). Ausdiesem Grund sind Entwurfszeichnungen für das11. und 12. Jahrhundert nicht zu belegen. Aus-schließlich Detailformen wurden im Verlauf desBaufortganges zeichnerisch festgelegt, wofür Ritz-zeichnungen in Originalgröße dienten. Insgesamtsind inzwischen 40 solcher Ritzzeichnungen inEuropa bekannt; das älteste Beispiel ist der um1250 entstandene Bodenriss einer Blendarkade undeines Maßwerkfensters in der Kathedrale von Sois-sons. Die Notwendigkeit einer zeichnerischen Dar-stellung der Planung entstand etwa in der erstenHälfte des 13. Jahrhunderts im Zusammenhang mitdem gotischen Gliederbau und der seriellen Vorfer-tigung von Bauteilen. Aus dieser Zeit stammenauch die ältesten erhaltenen Planrisse wie dieReimser Palimpseste und die Pläne von Straßburg,Köln (Abb. 4) und Wien. Erst im 15. Jahrhundertnimmt die Erwähnung einer »Vysierung« in denQuellen deutlich zu, die dann eine rechtsverbindli-che Werkzeichnung bezeichnet und die gestiegeneBedeutung von Planzeichnungen belegt. Als Teilder Meisterprüfung wurden Planzeichnungen erstin der Straßburger Meisterstücksordnung von 1516gefordert.

Neben den insgesamt rund 2 000 bekannten mit-telalterlichen Rissen sind auch die Lehr- und Mus-terbücher als Dokument der Entwurfstätigkeit zubewerten. Das bekannteste ist das Bauhüttenbuch

des Villard de Honnecourt (tätig 1225–50), das um1230 entstanden ist (Abb. 5). Beispiele aus der Spätgotik sind das 1435 entstandene MusterbuchHans Böblingers (1410–82), das 1486 publizierte»Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit« und dierund zwei Jahre später erschienene »GeometricaDeutsch« von Matthäus Roritzer (gest. 1492/95) so-wie das zur gleichen Zeit entstandene »Fialenbüch-lein« von Hans Schuttermayer.

15 Apokryphes Buch der Weisheit Salomons 11, 21.

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Abb. 4 Fassadenplan F der Westfassade des KölnerDoms, um 1300. – Aus: P. Clemens: Der Dom zu Köln.Düsseldorf 1938. S. 64

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Dreidimensionale Modelle sind südlich der Alpenbereits seit der Mitte des 14. Jahrhunderts im Pla-nungsprozess verwendet worden. In Nord europasind sie dagegen erst seit dem Beginn des 16. Jahr-hunderts nachzuweisen. Die ältesten bekanntenBeispiele sind die Modelle für den Luginsland-Turm der Augsburger Stadtbefestigung, die 1514 alsVorentwürfe angefertigt wurden.

Die spezifisch mittelalterliche Form der Orga -nisation der Bauarbeiten an den großen Kathedra-len waren die Bauhütten. Mit klösterlichen Ver-bänden baukundiger Laienbrüder existierten Vor-formen bereits seit dem 11. und 12. Jahrhundert;im 12. Jahr hundert übernahmen jedoch zuneh-mend weltliche Handwerker die Ausführung der

Bau arbeiten. Ihre volle Ausprägung erreichten dieBauhütten jedoch erst mit der Gotik. Sie stelltenWerkstattverbände der Steinmetze dar, die nichtden örtlichen Zünften angehörten und sich in ei-genständigen Ordnungen zusammenschlossen.Ursprünglich bezeichnete der Begriff Hütte nurden überdachten Arbeitsplatz der Steinmetzen, derals heizbarer Raum die Fortführung der Steinbear-beitung auch im Winter ermöglichte, und ging imLaufe der Zeit auf die Steinmetzbruderschaften alsKörperschaften über. Teilweise mit kaiserlichenPrivilegien ausgestattet, konnten sie sich eine rela-tiv weitgehende Eigenständigkeit gegenüber Lan-desfürsten und städtischen Magistraten bewahren,die sich z. B. in der Freizügigkeit ihrer Meister undGesellen sowie der eigenen Gerichtsbarkeit able-sen lässt. Ihre Bedeutung bestand in der Zusam-menführung der individuellen Leistungen für dienur durch kollektive Arbeit zu bewältigendenGroßbauten.

Die Hüttenordnungen manifestierten die Pflich-ten und Rechte des Meisters, des Poliers, der Ge -sellen und der Lehrlinge sowie die Inhalte und dieDauer der Ausbildung, das Verhältnis der Hüttenun tereinander und auch die Löhne. Die älteste be -kannte Hüttenordnung ist das Regius-Manuskriptaus England von 1390. Daneben haben sich weite-re Hüttenordnungen erhalten, die aber zumeistaus dem 15. und 16. Jahrhundert stammen. FürDeutsch land spielten die Ordnungen von Regens-burg und Straßburg bedeutende Rollen (Abb. 6),die auf den Hüttentagen in Regensburg (1459) undSpeyer (1464) erarbeitet wurden.16 Nach der Re-formation begann mit dem Rückgang der Kirchen-bauten und durch die zunehmende Kon kurrenzfreier Steinmetzen der allmähliche Rückgang derBauhütten, der sich bis zum 18. Jahrhundert hin-zog.17 Als privilegierte Korporationen wurden siejedoch erst im 19. Jahrhundert aufge hoben.

Arbeitsverträge zwischen Bauherren und Werk-meistern aus dem Mittelalter sind nur in geringerZahl erhalten. Die arbeitsrechtliche Situation vonBaumeistern dieser Zeit ist somit nur an Einzelbei-spielen fassbar, die allgemeingültige Aussagen nurunter großen Vorbehalten zulassen. Die Kontrakteenthielten grundsätzliche Regelungen über das zu

16 Weitere bekannte Hüttenordnungen sind die Rochlitzer oder Torgauer (1462), die Tiroler (1480), das AdmonterHüttenbuch (1480), die Baseler (1497), die Wiener (1564) und die Querfurter (1574).

17 1701 und 1727 erließ der deutsche Reichstag das Verbot, Straßburg als Haupthütte anzuerkennen. 1731 wurde au-ßerdem die Eigengerichtsbarkeit unterbunden und den Hütten somit die Grundlage ihres Bestehens entzogen.

Architektenberuf und soziale Ordnung18

Abb. 5 Äußerer und innerer Wandaufbau der Kathedralein Reims. Bauhüttennbuch des Villard de Honnecourt. –Aus: R. Hahnloser 1935, Taf. 62

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Dreidimensionale Modelle sind südlich der Alpenbereits seit der Mitte des 14. Jahrhunderts im Pla-nungsprozess verwendet worden. In Nord europasind sie dagegen erst seit dem Beginn des 16. Jahr-hunderts nachzuweisen. Die ältesten bekanntenBeispiele sind die Modelle für den Luginsland-Turm der Augsburger Stadtbefestigung, die 1514 alsVorentwürfe angefertigt wurden.

Die spezifisch mittelalterliche Form der Orga -nisation der Bauarbeiten an den großen Kathedra-len waren die Bauhütten. Mit klösterlichen Ver-bänden baukundiger Laienbrüder existierten Vor-formen bereits seit dem 11. und 12. Jahrhundert;im 12. Jahr hundert übernahmen jedoch zuneh-mend weltliche Handwerker die Ausführung der

Bau arbeiten. Ihre volle Ausprägung erreichten dieBauhütten jedoch erst mit der Gotik. Sie stelltenWerkstattverbände der Steinmetze dar, die nichtden örtlichen Zünften angehörten und sich in ei-genständigen Ordnungen zusammenschlossen.Ursprünglich bezeichnete der Begriff Hütte nurden überdachten Arbeitsplatz der Steinmetzen, derals heizbarer Raum die Fortführung der Steinbear-beitung auch im Winter ermöglichte, und ging imLaufe der Zeit auf die Steinmetzbruderschaften alsKörperschaften über. Teilweise mit kaiserlichenPrivilegien ausgestattet, konnten sie sich eine rela-tiv weitgehende Eigenständigkeit gegenüber Lan-desfürsten und städtischen Magistraten bewahren,die sich z. B. in der Freizügigkeit ihrer Meister undGesellen sowie der eigenen Gerichtsbarkeit able-sen lässt. Ihre Bedeutung bestand in der Zusam-menführung der individuellen Leistungen für dienur durch kollektive Arbeit zu bewältigendenGroßbauten.

Die Hüttenordnungen manifestierten die Pflich-ten und Rechte des Meisters, des Poliers, der Ge -sellen und der Lehrlinge sowie die Inhalte und dieDauer der Ausbildung, das Verhältnis der Hüttenun tereinander und auch die Löhne. Die älteste be -kannte Hüttenordnung ist das Regius-Manuskriptaus England von 1390. Daneben haben sich weite-re Hüttenordnungen erhalten, die aber zumeistaus dem 15. und 16. Jahrhundert stammen. FürDeutsch land spielten die Ordnungen von Regens-burg und Straßburg bedeutende Rollen (Abb. 6),die auf den Hüttentagen in Regensburg (1459) undSpeyer (1464) erarbeitet wurden.16 Nach der Re-formation begann mit dem Rückgang der Kirchen-bauten und durch die zunehmende Kon kurrenzfreier Steinmetzen der allmähliche Rückgang derBauhütten, der sich bis zum 18. Jahrhundert hin-zog.17 Als privilegierte Korporationen wurden siejedoch erst im 19. Jahrhundert aufge hoben.

Arbeitsverträge zwischen Bauherren und Werk-meistern aus dem Mittelalter sind nur in geringerZahl erhalten. Die arbeitsrechtliche Situation vonBaumeistern dieser Zeit ist somit nur an Einzelbei-spielen fassbar, die allgemeingültige Aussagen nurunter großen Vorbehalten zulassen. Die Kontrakteenthielten grundsätzliche Regelungen über das zu

16 Weitere bekannte Hüttenordnungen sind die Rochlitzer oder Torgauer (1462), die Tiroler (1480), das AdmonterHüttenbuch (1480), die Baseler (1497), die Wiener (1564) und die Querfurter (1574).

17 1701 und 1727 erließ der deutsche Reichstag das Verbot, Straßburg als Haupthütte anzuerkennen. 1731 wurde au-ßerdem die Eigengerichtsbarkeit unterbunden und den Hütten somit die Grundlage ihres Bestehens entzogen.

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Abb. 5 Äußerer und innerer Wandaufbau der Kathedralein Reims. Bauhüttennbuch des Villard de Honnecourt. –Aus: R. Hahnloser 1935, Taf. 62

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errichtende Gebäude, die Konstruktion sowie dieVorbereitungen und die Durchführung der Arbeiten.Besonders herausgehoben formuliert war zumeistdie Verpflichtung zur täglichen Anwesenheit. Biszum 15. Jahrhundert erfolgte eine vertragliche Bin-dung der Werkmeister fast ausnahmslos nur für einen Bau. Waren mehrere Bauten Inhalt eines Ver-trages, wurde dem Baumeister damit auch zugleichdie Position eines Stadtbaumeisters überantwortet,die zumeist auf Lebenszeit vergeben wurde. Die Be-soldung erfolgte im Wochen- oder Tagelohn undwurde durch jährliche Gratifikationen in Form vonGeld, Naturalien oder auch Vergünstigungen sowiePrivilegien ergänzt. In dem 1261 geschlossenenKontrakt zwischen der Leitung des Klosters St. Gil-les und dem Meister Martin de Lonay wurde z. B.neben einem Tageshonorar in Höhe von elf Solidieine jährliche Zahlung von 100 Solidi für ein Ge-wand und die Berechtigung des Werkmeisters zurTeilnahme an der Tafel des Abtes mit einer genauenAuflistung der ihm zustehenden Speisearten undMengen festgesetzt. Ähnliche Vereinbarungen ent-hält auch der 1286 für den Bau der Kathedrale vonNarbonne geschlossene Vertrag. Charakteristischsind die Regelungen zur Besoldung und Nebentä-tigkeit in dem 1253 geschlossenen Vertrag für denBau der Kathedrale in Meaux: »Bischof, Dekan undKapitel von Meaux […] machen bekannt, daß wirdem Meister Gautier de Varinfroy […] die Bauar-beiten unseres Kirchbaues übergeben haben unterfolgenden Verabredungen: er selbst soll für jedeseinzelne Jahr zehn Pfund bekommen, solange wirund unsere Nachfolger und das genannte Kapitel anbesagter Baumaßnahme zu arbeiten zustande brin-gen. Und wenn es sich fügt, daß ihn lange oder dau-ernde Krankheit befällt, so daß er nicht arbeitenkann, dann soll er die genannten zehn Pfund nichterhalten. Ebenfalls soll er drei Solidi für jeden Tagempfangen, an dem er an besagter Baumaßnahmearbeitet oder im Dienste der Baumaßnahme ge-schickt wird, und er soll ohne unsere Erlaubnis keinanderes Werk außerhalb unseres Bistums anneh-men. Ferner soll er das Bauholz haben, dem sie kei-ne Verwendung für die Baumaßnahme zuweisenkönnen, und darf nicht auf die Baustelle von Evreuxoder an einen anderen Ort außerhalb der Diözesevon Meaux mehr als zwei Monate gehen oder (dort)verweilen, es sei denn mit Erlaubnis des Kapitels.Und er ist verpflichtet, sich in der Stadt Meaux auf-

zuhalten, und er schwört, daß er treulich an deroben genannten Baumaßnahme arbeitet und der[…] Baumaßnahme treu sein wird«.18

Die Vergabe der Bauarbeiten wurde sehr unter-schiedlich gehandhabt. Bei städtischen Bauvorha-ben sind neben pauschalen Ausschreibungen, die anden günstigsten Bieter vergeben wurden, auch Ak-kordverträge und im Tagelohn ausgeführte Arbeitennachzuweisen. Die kirchlichen Administrationenbezahlten die Handwerker dagegen zumeist nachfestliegenden Tarifen.

Zeugnisse zum Leben und der wachsenden sozia-len Wertschätzung der Hüttenmeister mehren sichab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die zunehmende Bautätigkeit löste einen steigendenBedarf nach erfahrenen Baumeistern aus, deren so-ziale, aber auch finanzielle Stellung sich dadurchdeutlich verbesserte. Anschaulich wird die damitein hergehende zunehmende Hervorhebung einzel-

18 Zitiert nach Binding 2000, S. 58.

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Abb. 6 Siegel der Straßburger Bauhütte von 1524, Um-zeichnung. – Aus: Scheidegger 1990, S. 45

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ner Meister als schöpferische Persönlichkeiten vorallem durch die im Verlauf des Mittelalters zuneh-mende Zahl von Baumeisterbildnissen. BekannteBeispiele sind z. B. die Büsten von Matthias von Ar-ras (gest. 1352) und Peter Parler im Prager Veitsdom(Abb. 7) sowie die Darstellungen Konrad von Ein-becks in Halle, Ulrich von Ensingens (um 1350–1419) in Straßburg, Mattheus Böblingers (gest.1505) in Ulm und Anton Pilgrams (um 1460–1515)im Wiener Stephansdom (Abb. 8). Die soziale Stel-lung lässt sich am Meister Gerhard nachvollziehen,der ab 1248 den ersten Bauabschnitt des Kölner Do-mes leitete. Neben einem auffällig großen Grund-stück, das ihm 1257 vom Domkapitel wegen seinerVerdienste überlassen und von ihm mit einem Stein-haus bebaut wurde, ist auch weiterer Hausbesitznachweisbar und zeugt von einem gehobenen Rangdieses Hüttenmeisters.

In Anbetracht der inzwischen durch eine intensiveForschung erarbeiteten Erkenntnisse zum mittelal-terlichen Baumeister darf jedoch nicht übersehenwerden, dass sich diese zumeist auf herausgehobeneBaumeister beziehen und damit der große Teil deralltäglichen Architektentätigkeit auch weiterhin un-geklärt ist.

RenaissanceIn der Mitte des 14. Jahrhunderts kam in Italien dievon Gelehrten, Pädagogen und Literaten getrageneliterarisch-philosophische Bildungsbewegung desHumanismus auf. Gegründet vor allem auf das Stu-dium antiker Literatur, betonte dieser die geistigeFreiheit des Menschen und bahnte damit die Abkehrvon der bedingungslosen Anerkennung der kirchli-chen Autorität an. Dieser Bruch führte zu einemneuen Verständnis von Wissenschaft, das sich auchauf die Architektur auswirkte.

Die akademische Beschäftigung mit den Bautender römischen Antike führte zur Wiederentdeckungder entwerferischen und konstruktiven Möglich -keiten dieser Epoche und sprengte den Kanon dermittelalterlichen Architekturformen auf. Aus derGleichstellung und später sogar höheren Bewer-tung der Theorie gegenüber der Praxis resultierteein neues Verständnis von Professionalität. DieEinheit von geometrischem Wissen und handwerk-lichem Können, die den mittelalterlichen Baumeis-ter ausgezeichnet hatte, sowie die bis dahin selbst-verständliche Herkunft des Werkmeisters aus demSteinmetzhandwerk begann ab dem 15. Jahrhun-

dert langsam aufzubrechen. Am Ende dieser Ent-wicklung hatte sich der universelle Baukünstler he-rausgebildet, der sich als Architekt betätigte, ohnetraditionsgemäß als Steinmetz ausgebildet wordenzu sein; vielmehr kam eine große Zahl der bedeu-tenden Architekten der Renaissance aus anderenBerufen. So war z. B. Filippo Brunelleschi (1377–1446) ein gelernter Goldschmied, Michelozzo(1396–1472) und Lorenzo Ghiberti (1378–1455)hatten die Bildhauerei erlernt, Antonio da Sangallo(1455–1534) war Zimmermann, Donato Bramante(1444–1514), Raffael (1485–1520) und BaldasarePeruzzi (1481–1536) kamen aus der Malerei undLeon Battista Alberti (1404–72) hatte eine weitge-fächerte akademische Ausbildung durchlaufen.Das früheste bekannte Beispiel für das Vertrauen indie Genialität des Künstlers ist die Ernennung desMalers Giotto (1266/76–1337) zum Dombaumeis-ter in Florenz im Jahre 1334, die eine prägnante Zä-sur in der Entwicklung des Architektenstandes dar-stellt und den Beginn der höheren Wertschätzungvon Wissenschaftlichkeit und Gelehrtheit gegen-über baupraktischen Erfahrungen deutlich mar-kiert. Weitere Beispiele dieser Veränderung sind dieum 1420 erfolgte Beauftragung Filippo Brunelles -chis mit der Ausführung der Kuppel des Domes inFlorenz und die Ernennung des in der Architekturrelativ unerfahrenen Malers Raffael zum Bauleitervon St. Peter in Rom, dem komplexesten Baupro-gramm des Jahrhunderts.

Grundlegend für diese Veränderung in der Wert-schätzung der architektonischen Leistung war diebeginnende wissenschaftliche Auseinandersetzungmit der Architektur, die sich in der sprunghaft anstei-genden Zahl von veröffentlichten Architekturtrakta-ten dokumentiert. Vor dem humanistisch und natur-wissenschaftlich geprägten Hintergrund wurden um-fassende Kunsttheorien entwickelt, die die Archi-tektur durch die Betonung ihrer Wissenschaftlichkeitund der ästhetischen Aspekte in eine den übrigenKünsten gleichwertige Stellung emanzipieren woll-ten. Am Anfang dieser Entwicklung stand die Entde-ckung des Vitruv-Kodexes in der St. Gallener Stifts-bibliothek im Jahre 1415. Dies lenkte das Interesseauf die römische Architekturtheorie und ließ die Dis-krepanz zwischen der mittelalterlichen Tradition undder Auffassung Vitruvs, der den Architekten als uni-versellen Gelehrten beschrieb, deutlich werden.

Die entscheidenden theoretischen Traktate derersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, sowohl über Ma-

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ner Meister als schöpferische Persönlichkeiten vorallem durch die im Verlauf des Mittelalters zuneh-mende Zahl von Baumeisterbildnissen. BekannteBeispiele sind z. B. die Büsten von Matthias von Ar-ras (gest. 1352) und Peter Parler im Prager Veitsdom(Abb. 7) sowie die Darstellungen Konrad von Ein-becks in Halle, Ulrich von Ensingens (um 1350–1419) in Straßburg, Mattheus Böblingers (gest.1505) in Ulm und Anton Pilgrams (um 1460–1515)im Wiener Stephansdom (Abb. 8). Die soziale Stel-lung lässt sich am Meister Gerhard nachvollziehen,der ab 1248 den ersten Bauabschnitt des Kölner Do-mes leitete. Neben einem auffällig großen Grund-stück, das ihm 1257 vom Domkapitel wegen seinerVerdienste überlassen und von ihm mit einem Stein-haus bebaut wurde, ist auch weiterer Hausbesitznachweisbar und zeugt von einem gehobenen Rangdieses Hüttenmeisters.

In Anbetracht der inzwischen durch eine intensiveForschung erarbeiteten Erkenntnisse zum mittelal-terlichen Baumeister darf jedoch nicht übersehenwerden, dass sich diese zumeist auf herausgehobeneBaumeister beziehen und damit der große Teil deralltäglichen Architektentätigkeit auch weiterhin un-geklärt ist.

RenaissanceIn der Mitte des 14. Jahrhunderts kam in Italien dievon Gelehrten, Pädagogen und Literaten getrageneliterarisch-philosophische Bildungsbewegung desHumanismus auf. Gegründet vor allem auf das Stu-dium antiker Literatur, betonte dieser die geistigeFreiheit des Menschen und bahnte damit die Abkehrvon der bedingungslosen Anerkennung der kirchli-chen Autorität an. Dieser Bruch führte zu einemneuen Verständnis von Wissenschaft, das sich auchauf die Architektur auswirkte.

Die akademische Beschäftigung mit den Bautender römischen Antike führte zur Wiederentdeckungder entwerferischen und konstruktiven Möglich -keiten dieser Epoche und sprengte den Kanon dermittelalterlichen Architekturformen auf. Aus derGleichstellung und später sogar höheren Bewer-tung der Theorie gegenüber der Praxis resultierteein neues Verständnis von Professionalität. DieEinheit von geometrischem Wissen und handwerk-lichem Können, die den mittelalterlichen Baumeis-ter ausgezeichnet hatte, sowie die bis dahin selbst-verständliche Herkunft des Werkmeisters aus demSteinmetzhandwerk begann ab dem 15. Jahrhun-

dert langsam aufzubrechen. Am Ende dieser Ent-wicklung hatte sich der universelle Baukünstler he-rausgebildet, der sich als Architekt betätigte, ohnetraditionsgemäß als Steinmetz ausgebildet wordenzu sein; vielmehr kam eine große Zahl der bedeu-tenden Architekten der Renaissance aus anderenBerufen. So war z. B. Filippo Brunelleschi (1377–1446) ein gelernter Goldschmied, Michelozzo(1396–1472) und Lorenzo Ghiberti (1378–1455)hatten die Bildhauerei erlernt, Antonio da Sangallo(1455–1534) war Zimmermann, Donato Bramante(1444–1514), Raffael (1485–1520) und BaldasarePeruzzi (1481–1536) kamen aus der Malerei undLeon Battista Alberti (1404–72) hatte eine weitge-fächerte akademische Ausbildung durchlaufen.Das früheste bekannte Beispiel für das Vertrauen indie Genialität des Künstlers ist die Ernennung desMalers Giotto (1266/76–1337) zum Dombaumeis-ter in Florenz im Jahre 1334, die eine prägnante Zä-sur in der Entwicklung des Architektenstandes dar-stellt und den Beginn der höheren Wertschätzungvon Wissenschaftlichkeit und Gelehrtheit gegen-über baupraktischen Erfahrungen deutlich mar-kiert. Weitere Beispiele dieser Veränderung sind dieum 1420 erfolgte Beauftragung Filippo Brunelles -chis mit der Ausführung der Kuppel des Domes inFlorenz und die Ernennung des in der Architekturrelativ unerfahrenen Malers Raffael zum Bauleitervon St. Peter in Rom, dem komplexesten Baupro-gramm des Jahrhunderts.

Grundlegend für diese Veränderung in der Wert-schätzung der architektonischen Leistung war diebeginnende wissenschaftliche Auseinandersetzungmit der Architektur, die sich in der sprunghaft anstei-genden Zahl von veröffentlichten Architekturtrakta-ten dokumentiert. Vor dem humanistisch und natur-wissenschaftlich geprägten Hintergrund wurden um-fassende Kunsttheorien entwickelt, die die Archi-tektur durch die Betonung ihrer Wissenschaftlichkeitund der ästhetischen Aspekte in eine den übrigenKünsten gleichwertige Stellung emanzipieren woll-ten. Am Anfang dieser Entwicklung stand die Entde-ckung des Vitruv-Kodexes in der St. Gallener Stifts-bibliothek im Jahre 1415. Dies lenkte das Interesseauf die römische Architekturtheorie und ließ die Dis-krepanz zwischen der mittelalterlichen Tradition undder Auffassung Vitruvs, der den Architekten als uni-versellen Gelehrten beschrieb, deutlich werden.

Die entscheidenden theoretischen Traktate derersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, sowohl über Ma-

Architektenberuf und soziale Ordnung20

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lerei und Skulptur als auch zur Architektur, stam-men von Leon Battista Alberti. Bereits in seiner1436 veröffentlichten Schrift »Delle pittura libritre« definierte er neben der Malerei und der Bild-hauerei auch die Architektur als eine der freienKünste. Von besonderem Einfluss war jedoch seinTraktat »De re aedificatoria«, das zwischen 1443und 1452 entstanden ist. Das Buch I enthält grund-legende Definitionen an die sich im zweiten unddritten Buch Ausführungen zu Baumaterialien undzur Baukonstruktion anschließen. Die Bücher IVund V befassen sich mit Funktion und Bautypo logieund die Bücher VI bis IX behandeln Dekor, sakrale,öffentliche und private Baugattungen sowie die Pro-portionslehre. Im Gegensatz zu dem formalen Auf-bau sowie den kategorialen Grundgedanken der»firmitas« (Festigkeit, Dauerhaftigkeit), »utilitas«(Nutzen) und »venustas« (Anmut, Schönheit), dieAlberti von Vitruv übernahm, unterscheidet sichsein Ansatz hinsichtlich der ästhetischen Grundbe-griffe jedoch fundamental. Die Summe der dreiHauptkriterien Zahl (numerus), Beziehung (finitio)und Anordnung (collocatio), bildet für ihn dasEbenmaß (concinnitas) und damit die Schönheit.Diesen zentralen Schlüsselbegriff der architektoni-schen Gestaltung stellte er einem Naturgesetzgleichwertig dar und muss somit als Begründer desarchitektonischen Ideals der Renaissance gelten.Nach dieser zeichnete sich die Harmonie dadurchaus, dass in einem Werk kein Detail verändert wer-den kann, ohne es in seiner Gesamtwirkung zu zer-stören.

Eine etwas anders gelagerte Ausrichtung hatte dieab 1537 erschienene Reihe »Regole generali di ar-chitettura« von Sebastino Serlio (1475–1554), de-ren wesentliche Zielrichtung die Unterweisung vonPraktikern war. Während der erste veröffentlichteBand die Säulenordnungen (toskanisch, dorisch, io-nisch, korinthisch, komposit) abhandelt (Abb. 9),befassen sich die folgenden Bände mit der antikenArchitektur, der Geometrie und Perspektivlehre,dem Sakralbau. Das letzte, erst 1575 posthum er-schienene Buch enthält eine Entwurfssammlung fürVillen und Paläste sowie Ausbaudetails. Mit diesenBänden wurde neben einer theoretischen Abhand-lung zur Architektur erstmalig auch ein brauchbaresMusterbuch vorgelegt, das anwendbare Regeln derGestaltung zur Verfügung stellte.

Andrea (di Pietro della Gondola) Palladio (1508–80) publizierte 1570 sein Traktat »Il quattro libri

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Abb. 7 (oben) Peter Parler, Büste im Triforium des Pra-ger Veitsdoms. – Abb. 8 (unten) Anton Pilgram, Büstein der Treppe der Kanzel im Wiener Stephansdom. – Bei-de aus: Gerstenberg 1966, S. 45, 208

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EntwerfenArchitektenausbildung in Europa

von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts

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Dieses Buch bietet die erste systematische Gesamtdarstellung der europäischen Architektenausbildung im Entwerfen von Vitruv bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Wo über die Jahrhunderte hinweg Architektur gelehrt wurde – ob in Betrieben des Bau­gewerbes, an Schulen und Hochschulen oder im Fernstudium –, macht dieser Band ebenso deutlich wie die Abhängigkeit der Lernziele von den kulturellen Strömungen der betreffenden Zeit, Kreativität und handwerklichem Können, künstlerischer Frei­heit und baulicher Umsetzung, kurz: Baukunst und Bauhandwerk bilden seit jeher ein Wechselverhältnis und den Spannungsbogen des architektonischen Entwurfs.

Die Themen: Berufsstand und Berufsbild des Architekten; Grundlagen, Prinzipien und Vermittelbarkeit des Entwerfens; Entwurfswerkzeuge; Institutionalisierung und Unterrichtsformen der Architektenausbildung an Schulen, Hochschulen und im Fern studium; Lehrbücher und Unterrichtsmethoden; Epochen: Augusteisches Zeit alter, Mittelalter, Renaissance, Barock, Klassizismus, 19. Jahrhundert, 20. Jahr­hundert bis 1945.

ISBN 978­3­88506­441­1