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Inklusive Ausschreibung „Wettbewerb um die besten Geschäftsmodelle“ – Bewerbungsschluss: 15. März 2004 – Hochschulen im Weiterbildungsmarkt Oktober 2003 Positionen
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Impressum2

Stifterverband • Positionen, Oktober 2003

Impressum

HerausgeberStifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V.Barkhovenallee 145239 EssenTelefon: (02 01) 84 01-0Telefax: (02 01) 84 01-3 01E-Mail: [email protected]: www.stifterverband.de

AutorenBeate Herm, Claudia Koepernik M. A., Verena Leuterer, Katrin Richter M. A., Prof. Dr. Andrä Wolter, Technische Universität Dresden

VerantwortlichDr. Angela Lindner

Redaktion/AnsprechpartnerDr. Volker Meyer-Guckel,Michael Sonnabend M. A.

LayoutGestaltmanufaktur GmbH, Dortmund

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Inhalt3

Stifterverband • Positionen, Oktober 2003

Inhalt

I. Einleitung 4

II. Lebenslanges Lernen und Hochschulweiterbildung 6Stand und Perspektiven

1. Ziele, Fragestellungen und Methoden der Untersuchung 6

2. Entwicklung und Wandel der Hochschulweiterbildung 8

3. Strategische Bedeutung der Hochschulweiterbildung 93.1 Weiterbildungsengagement und Weiterbildungsstrategien der Hochschulen 93.2 Defizite und Ursachen 113.3 Weiterbildung und neue Steuerungskonzepte 133.4 Profil der wissenschaftlichen Weiterbildung 15

4. Management der Hochschulweiterbildung 164.1 Organisation und Zuständigkeit 164.2 Marketing und Bedarfsermittlung 174.3 Finanzierung 18

5. Weiterbildende Studienangebote 185.1 Aktive Fakultäten bzw. Fachbereiche 185.2 Angebots- bzw. Realisierungsformen, Zielgruppen 195.3 Abschlüsse, Rolle des Masters 205.4 Schwerpunkte, Defizite, Bedarf 205.5 Nutzung neuer Medien 21

6. Qualitätssicherung und Akkreditierung 22

7. Kooperation, Vernetzung, Technologie-Transfer 23

8. Hochschulweiterbildung und lebenslanges Lernen als Reformkonzept 25

9. Zukünftige Entwicklung der Hochschulweiterbildung – fünf Argumente 27

III. Hochschulen im Weiterbildungsmarkt 32Ausschreibung des Wettbewerbs um die besten Geschäftsmodelle für Hochschulweiterbildungsangebote

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Trotz des gesetzlichen Auftrags zur Entwicklung vonWeiterbildungsangeboten durch die Hochschulen ha-ben bislang nur wenige Hochschulen strategisch aufdiese Herausforderung reagiert. Dabei steigt der Bedarfan solchen Angeboten ständig, sowohl bei den Unter-nehmen als auch bei den Beschäftigten. Hintergrundsind die rasanten Veränderungen in der Arbeitswelt, diedie kontinuierliche Sicherung der Beschäftigungsfä-higkeit („employability“) durch ein lebens- und be-rufsbegleitendes Lernen notwendig machen.

In einem im Frühjahr 2003 erschienenen Empfeh-lungspapier der Bundesvereinigung der Deutschen Ar-beitgeberverbände, des Industrie- und Handelskam-mertages und der Hochschulrektorenkonferenz habenHochschulen und Wirtschaft die Defizite und Hand-lungsfelder in diesem Bereich noch einmal in Forde-rungen und Thesen zusammengefasst. Sie richten sichan Politik und Hochschulen gleichermaßen. So gilt es,noch vorhandene haushalts-, dienst- und besoldungs-rechtliche Restriktionen abzuschaffen und Anreizsys-teme für ein Engagement von Dozenten zu entwickeln,Netzwerke und Dialogforen zwischen Wissenschaft undUnternehmen zu etablieren, kundenorientierte Service-stellen an den Hochschulen einzurichten und die Qua-litätskontrollen für Weiterbildungsangebote zu syste-matisieren.

Mit dem Aktionsprogramm „Hochschulen im Weiterbil-dungsmarkt“ möchte der Stifterverband die Aktivitäten

der Hochschulen in diesem Bereich fördern. In einemWettbewerb, der mit der vorliegenden Publikation aus-geschrieben wird (S. 32-34), werden „best-practice“-Ge-schäftsmodelle für die Entwicklung und Vermarktungvon Hochschulweiterbildungsangeboten gesucht, diedurch eine Jury aus Unternehmens- und Hochschul-vertretern prämiert und anschließend durch den Stif-terverband öffentlich präsentiert werden. Aus den Ge-schäftsplänen soll hervorgehen, welche Zielgruppendurch welche Produkte angesprochen werden, wie dasGeschäftsfeld rechtlich und organisatorisch an derHochschule verankert ist und wie die Finanzierung, dasMarketing und die Qualitätssicherung erfolgen. Der Sie-gerhochschule winkt nicht nur ein Preisgeld, sondernauch eine Strategieberatung durch ein Team vonMcKinsey & Company.

Als Hintergrund zur Ausschreibung dokumentiert dasHeft eine im Auftrag des Stifterverbandes von einemForschungsteam an der Technischen Universität Dres-den unter der Leitung von Professor Dr. Andrä Wolterdurchgeführte Untersuchung zum gegenwärtigen Standder strategischen Entwicklung von Weiterbildungs-programmen an deutschen Hochschulen. Sie beschreibtdie Entwicklungspotenziale in diesem Bereich ebensowie die noch bestehenden strukturellen Defizite undgibt Hinweise für eine professionelle Weiterentwicklungder Angebote – weg von einer individuellen und punk-tuellen Zusammenarbeit einzelner Hochschullehrer mitUnternehmen, zu denen mehr oder weniger zufällige

Einleitung4

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I. Einleitung

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Kontakte bestehen, hin zu einer hochschulweiten, be-darfs-, zielgruppen- und marktorientierten Angebots-struktur.

Mit dem Ausbau von Weiterbildungsmodulen und -stu-diengängen sollen die Hochschulen nicht nur verstärktihrer gesetzlichen Verpflichtung nach Angeboten in die-sen Bereich nachkommen. Auch geht es nicht allein da-rum, sich neue Geschäftsfelder und damit Einnahme-quellen zu erschließen. Hochschulweiterbildung und le-benslanges Lernen müssen vielmehr begriffen werdenals wesentliche Elemente eines grundlegenden pro-grammatischen Erneuerungsprozesses der Hochschu-len, die nicht losgelöst von anderen Reformschritten be-trachtet werden dürfen. So verspielt z.B. die augenblick-lich an vielen Hochschulen mit Nachdruck betriebeneEinführung der neuen konsekutiven Studiengangsmo-delle viele Chancen, wenn sie nicht in ein Konzept deslebensbegleitenden Lernens eingebettet wird, dasselbstverständlich Rückwirkungen auf die Studien-gangs-, Curriculums- und Modulstrukturen auch in dergrundständigen akademischen Ausbildung haben muss.

Auch andere Bereiche der Hochschulentwicklung sinddurch die Themen Weiterbildung und lebenslanges Ler-nen direkt berührt: Das gilt für Fragen des Manage-ments und des betriebswirtschaftlichen Controllingsebenso wie für die Felder Marketing und Kunden-orientierung bis hin zur Entwicklung von leistungs-orientierten Vergütungs- und Anreizsystemen zur bes-

seren Abstimmung zwischen persönlichen Interessendes Lehrkörpers und den institutionellen Interessen ei-ner Hochschule.

Die Entwicklung von Weiterbildungsangeboten ist al-so eine strategische Herausforderung für eine neue wett-bewerbsorientierte Profilbildung der Hochschulen in ei-nem von vielen Anbietern umkämpften Produktseg-ment des Bildungsmarktes. Mit dem Aktionsprogramm„Hochschulen im Weiterbildungsmarkt“ bietet der Stif-terverband dabei Unterstützung.

Dr. Volker Meyer-GuckelStifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Einleitung5

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Lebenslanges Lernen und Hochschulweiterbildung

Hochschulweiterbildung: Stand und Perspektiven6

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1. Ziele, Fragestellungen und Methodender Untersuchung

Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hatdie Technische Universität Dresden im Juni 2002 be-auftragt, in einer explorativen Studie der Entwicklungund Situation, den Schwierigkeiten und den Perspek-tiven der Hochschulweiterbildung und dabei insbe-sondere auch der Implementation lebenslangen Lernensinnerhalb des deutschen Hochschulsystems nachzuge-hen. Im Zentrum steht dabei die akademische Weiter-bildung, d.h. solche Weiterbildungsangebote und -leis-tungen, die sich mit wissenschaftlichem Anspruch pri-mär – wenn auch nicht ausschließlich – an Berufstäti-ge wenden, die über einen Hochschulabschluss verfü-gen. Außer Betracht bleibt dabei die interne Weiterbil-dung für das administrative und technische Hoch-schulpersonal.

In den nächsten Jahren dürfte sich ein schnell wach-sender Bedarf an Weiterbildung für Personen bzw. Er-werbstätige mit einem Hochschulabschluss zeigen, derauf einen stark kompetitiven Markt an Weiterbil-dungsangeboten trifft, auf dem die Hochschulen le-diglich als ein Anbieter unter anderen auftreten, aufdem sie aber zurzeit dem Anschein nach nur begrenztfunktionstüchtig agieren. Gleichzeitig zeichnet sich je-doch ab, dass die Weiterbildung zu einer zentralenAufgabe und einem immer wichtigeren Handlungsfeldder Hochschule wird, nicht nur durch das in allen Be-rufen mehr und mehr unabweisbare Erfordernis le-benslangen Lernens, sondern auch durch die Verbin-dung, die in der Hochschul- und Studienreformdebatteimmer wieder zwischen der Reform der Erstausbil-dung und dem Ausbau der Weiterbildung hergestelltwird.

Die Vorgehensweise der Untersuchung bestand darin,das bei Experten weitgehend schon vorhandene Wis-sen zur Rolle der Hochschulen auf dem Weiterbil-dungsmarkt so zu bündeln und zu strukturieren, dasszentrale Entwicklungslinien, Aufgaben, Problem- undHandlungsfelder identifiziert werden können. Dem ent-

spricht die gewählte methodische Vorgehensweise, dieUntersuchung im Wesentlichen mit zwei Typen von Ex-pertenintensivinterviews durchzuführen.

• Zum einen sind 18 Hochschulen ausgewählt wor-den, die in den letzten Jahren als besonders aktiveoder innovative Anbieter von Weiterbildung aufge-fallen sind und als solche von Experten empfohlenwurden. An diesen Hochschulen sind dann in derRegel die jeweils für Weiterbildung verantwortlichenAkteure mit einem umfangreichen Interviewleitfa-den befragt worden. Die Fragen bezogen sich im ein-zelnen darauf:

• wie das Management der Weiterbildung innerhalbder Hochschule organisiert ist, wer die zentralen Akteure sind und wie die Weiterbildung finanziert wird,

• welche Strategien und Ziele die jeweiligen Hoch-schulen im Bereich der Weiterbildung und des le-benslangen Lernens verfolgen,

• mit welchen Maßnahmen sie diese in der Erstaus-bildung und in der Weiterbildung zu realisierenversuchen,

• welche entsprechenden Studienangebote in wel-chen Realisierungsformen (mit welchen Ziel-gruppen) dort vorhanden sind,

• welche Marketingstrategie (einschließlich Be-darfsermittlung) die Hochschulen im Bereich derWeiterbildung verfolgen,

• in welchem Umfang die neuen Medien (in welcherWeise) genutzt werden,

• in welcher Weise externe Kooperation mit ande-ren Weiterbildungsträgern oder -institutionenvorhanden und wie sie organisiert ist,

• welche Bedeutung Qualitätssicherung und Zerti-fizierung haben und welche Verfahren dabeipraktiziert werden und

• worin die Schwierigkeiten, aber auch die Perspek-tiven für ein intensiveres Engagement der Hoch-schulen in der Weiterbildung bestehen.

• Zum anderen sind diese hochschulzentrierten Inter-views um insgesamt neun Gespräche mit solchen

II.Stand und Perspektiven

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Hochschulweiterbildung: Stand und Perspektiven7

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Experten (z. B. aus politischen Institutionen, For-schungseinrichtungen oder aus dem ArbeitskreisUniversitäre Erwachsenenbildung) ergänzt worden,die über einen breiten Gesamtüberblick über denEntwicklungsstand und die Entwicklungsproblemeder wissenschaftlichen Weiterbildung in der Bun-desrepublik verfügen. Mit diesen Interviews solltendie Ergebnisse der hochschulbezogenen Gesprächein einen breiteren Kontext eingeordnet werden.Auch hierfür wurde ein Leitfaden mit insgesamt 60Fragen entwickelt. In diesen Interviews standen un-ter anderem die bisherige und die zukünftige Ent-wicklung der Hochschulweiterbildung in derBundesrepublik, deren Infrastruktur, Organisationund Finanzierung, die notwendigen Reformen derakademischen Erstausbildung im Zeichen des le-benslangen Lernens, eher ungünstige und eher för-derliche Rahmenbedingungen der Hochschul-weiterbildung, deren zukünftige Entwicklungspo-tenziale und -chancen und andere Fragen im Mittel-punkt.

Aufgabe der Studie sollte es auch sein, über eine Be-schreibung des generellen Entwicklungsstandes der

Hochschulweiterbildung und der Analyse ihrer Rah-menbedingungen hinaus einige Beispiele für „goodpractice“ in diesem Handlungsfeld zu gewinnen, um aufdiese Weise exemplarisch einige Möglichkeiten aufzu-zeigen, wie sich Hochschulen produktiv der Aufgabeder Weiterbildung und des lebenslangen Lernens an-nehmen können. In dem vorliegenden Bericht wird dar-auf nur insoweit eingegangen, als „best/good-practice“-Beispiele der Sache nach verarbeitet worden sind, diejeweilige Hochschule aber nur in Ausnahmefällen ge-nannt wird, da die Auswahl der in die Studie einbezo-genen Hochschulen von vornherein bewusst selektivwar und die Darstellung positiver Beispiele nur analy-tische Ziele verfolgt, den Anforderungen eines Wett-bewerbsverfahrens oder Benchmarking aber nicht ge-nügt.

Die ausgewählten Hochschulen und Interviewpartner-sind in der nachfolgenden Übersicht aufgelistet. ErsteErgebnisse des Projektes wurden auf einem Workshopdes Stifterverbandes am 21. November 2002 in Berlinvorgestellt und diskutiert. Die Ergebnisse dieses Works-hops sind in die hier folgende Darstellung eingearbei-tet worden.

• RWTH Aachen• Universität Augsburg• FHTW Berlin• TU Berlin• Universität Bielefeld• Universität Bochum• TU Darmstadt• Universität Frankfurt/Oder (Viadrina)• FU Hagen• HWP Hamburg• HAW Hamburg• Universität Hamburg• Universität Hannover• Universitäten Heidelberg/Mannheim• Universität Kaiserslautern• FH Lausitz• TU München• Universität Oldenburg

• M. Fries, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bayerischen Staatsinstitutfür Hochschulforschung und Hochschulplanung, München

• U. Paffhausen da Cruz, Referatsleiterin Studentische Angelegenheiten/Hochschulforschung, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn

• Dr. A. Hopbach, stv. Generalsekretär, Hochschulrektorenkonferenz, Bonn• Prof. Dr. P. Faulstich, Vorsitzender des Arbeitskreises Universitäre

Erwachsenenbildung, Universität Hamburg• Dr. I. Lischka, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Hochschulfor-

schung der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg, Wittenberg• Prof. Dr. E. Schäfer, Fachhochschule Jena• Dipl. Päd. U. Strate, Vizepräsidentin der TU Berlin• Dipl. Päd. H. Vogt, Leiter der Arbeitsstelle für wissenschaftliche Weiterbildung

der Universität Hamburg, Geschäftsführer des Arbeitskreises Universitäre Erwachsenenbildung

• Dipl. Ing. B. Christmann, Leiter des Weiterbildungszentrums der Universität Bochum

Hochschulen Interviewpartner

Interviewübersicht

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Hochschulweiterbildung: Stand und Perspektiven8

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2. Entwicklung und Wandel der Hochschulweiterbildung

Die Entwicklung der Hochschulweiterbildung seit derzweiten Hälfte der achtziger Jahre steht im Zeichen derExpansion, der Diversifizierung und der Pragmatisierungder Weiterbildung. Teil dieser Entwicklung ist auch dieweitere Institutionalisierung der Weiterbildung an denHochschulen, die unter anderem darin zum Ausdruckkommt, dass die Novellierung des Hochschulrahmen-gesetzes aus dem Jahr 1998 die Weiterbildung nebender Forschung und dem Studium bzw. der Lehre nun-mehr als dritte Aufgabe (oder – je nach Zählweise – alsvierte) im gesetzlichen Aufgabenkatalog der Hoch-schulen verankerte.

Heute verfügen etwa 100 Hochschulen in der Bundes-republik – unter verschiedenen Bezeichnungen – übereigene Einrichtungen zur Planung und Durchführungvon Weiterbildungsangeboten. Neben anderen statis-tischen Indikatoren lässt sich die Expansion derHochschulweiterbildung auch im Angebotsvolumenund den Teilnehmerzahlen erkennen, die viele Kontakt-oder Zentralstellen in ihren regelmäßigen Weiterbil-dungsberichten dokumentieren. Leider werden Ange-bot und Reichweite der Hochschulweiterbildung inDeutschland weder in der amtlichen Hochschul- nochin der Weiterbildungsstatistik überhaupt erfasst undausgewiesen, so dass eine empirisch belegbare Aussa-ge zur quantitativen Entwicklung über alle Hoch-schulen hinweg kaum möglich ist. Auch die von derHochschulrektorenkonferenz veröffentlichte Über-sicht1 über weiterführende Studienangebote an denHochschulen in der Bundesrepublik Deutschland – zurZeit werden dort insgesamt 1.546 Studienangebote aus-gewiesen – belegt diese Angebotsexpansion. Allerdingswird hier der Begriff „weiterführend“ sehr extensivinterpretiert und schließt auch solche Angebote ein, dieunmittelbar nach dem ersten Studienabschluss – alsoganz ohne berufliche Praxiserfahrungen – studiert wer-den können.

Innerhalb der untersuchten Hochschulen ist erkenn-bar, dass die Vielfalt der zielgruppenspezifischen undallgemeinen Angebots- und Realisierungsformen deut-lich zugenommen hat, mithin eine Art Diversifizierungstattgefunden hat, die zu unterschiedlichen Angebots-und Programmprofilen geführt hat (vgl. dazu Abschnitt5.2). Gerade im letzten Jahrzehnt setzten mehr undmehr Hochschulen aber auch als „Hilfskonstruktio-

nen“2 auf externe privatrechtliche Ausgründungen, inerster Linie, um den bürokratischen Zwängen des öf-fentlichen Haushaltsrechts oder des Arbeitsrechts zuentkommen und um eine größere Kunden- undMarktnähe flexibler realisieren zu können. Eine ganzeReihe der untersuchten Hochschulen – z.B. die RWTHAachen, TU München, Universität Oldenburg, Uni-versität Heidelberg/Mannheim, Universität Bochum, FHLausitz oder die Technische Universität Dresden – ver-folgen diese Strategie.

Zur interinstitutionellen Diversifizierung kann auch ge-rechnet werden, dass sich der Markt an beruflicher (undz. T. auch allgemeiner) Weiterbildung für Hochschul-absolventen/-absolventinnen inzwischen durch deutlichstärkeren Wettbewerb zwischen noch mehr verschie-denen Anbietern auszeichnet, als das schon immer derFall gewesen ist. So sind neben den traditionellen Trä-gern beruflicher Weiterbildung für Hochschulabsol-venten/-absolventinnen wie den Berufsverbänden, denKammern, einer Vielzahl von Akademien, innerbe-trieblichen Formen und eben den Hochschulen undneuerdings ihren Ausgründungen in den letzten Jahrenzwei weitere Anbieter aufgetreten: nämlich so genann-te Corporate Universities (z.T. auch unter anderen, be-scheideneren Namen geführt) – d. h. firmeninterneWeiterbildungseinrichtungen mit wissenschaftlichemAnspruch, insbesondere für Managementnachwuchsund Führungskräftetraining (u. a. bei DaimlerChrysler,SAP, Bertelsmann, Lufthansa, neuerdings die VW-Auto-Uni) – sowie in zunehmendem Umfang internationaleAnbieter, insbesondere amerikanische Universitäten, dieauf einen globalen Weiterbildungsmarkt drängen, häu-fig in Netzwerken mit anderen Hochschulen oder Soft-ware-Anbietern.

Das institutionelle Bild der wissenschaftlichen Weiter-bildung ist inzwischen also sehr vielfältig geworden.Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Formen,hochschulinterne und hochschulexterne, betrieblicheund überbetriebliche Organisationsformen stehen –z. T. unverbunden, z. T. in unterschiedlichen Koope-rationsformen – nebeneinander. Diese Vielfalt spiegeltnicht nur die divergierenden rechtlichen Rahmenbe-dingungen (und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile)und die insgesamt eher zerklüftete Weiterbildungs-landschaft in der Bundesrepublik, sondern auchUnterschiede in den Zielsetzungen und im Aufgaben-verständnis der verschiedenen Einrichtungen wider –z. B. Vorrang der Praxisnähe oder des Wissenschafts-und Forschungsbezuges; curriculare Orientierung am

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Modell von Studiengängen oder flexible bedarfsorien-tierte Angebote. Von daher kann davon ausgegangenwerden, dass die jeweiligen Stärken und Schwächen derverschiedenen Organisationsmodelle von akademi-scher Weiterbildung in erster Linie als Ergebnis einerfunktionalen Differenzierung – in Abhängigkeit von jespezifischen Organisationsinteressen und -zielen – zusehen sind.

In der Folge der Expansion und Diversifizierung vonWeiterbildung geht es den Hochschulen heute nichtmehr nur oder primär darum, einen eigenständigenuniversitären Bildungs- und Wissenschaftsauftragnach außen zu tragen. Eher versuchen sie mit diesenStrategien, neue Märkte und Zielgruppen zu er-schließen, strategische Partnerschaften zu etablieren,mit marktgängigen Angeboten auf vorhandenen Bedarfzu reagieren (gelegentlich auch solchen überhaupt erstbewusst zu machen und jede sich ihnen bietende Ge-legenheit zum Ausbau ihrer Weiterbildungsangebotezu nutzen. In einem nicht-abwertenden Sinne könn-te man diese Strategie der Hochschulen als „opportu-nistisch“ (von „opportunities“ abgeleitet) bezeichnen.Dadurch ist die Ausrichtung der Hochschulweiterbil-dung im letzten Jahrzehnt insgesamt deutlich prag-matischer und bedarfsorientierter geworden; die klas-sischen Angebote universitärer Erwachsenenbildungsind inzwischen weitgehend in den Hintergrund ge-treten. Die Hochschulen bemühen sich, in stärkeremUmfang und sicher mit unterschiedlichem Erfolg„maßgeschneiderte“ oder „passgenaue“ Angebote zuimplementieren, ohne dass sich ihre Aktivitäten dar-in erschöpfen.

Zwar dominieren in der deutschen Hochschulland-schaft und Hochschulverfassung insgesamt gesehentrotz aller Umsteuerungsanstrengungen der Bundes-länder und der Hochschulen immer noch sehr ein-deutig – im Sinne des von Burton Clark entworfenenSchemas des „triangle of coordination“3 – die Kräfte derstaatlichen Regulierung und der akademischen Oli-garchie, zunehmend ergänzt um die des Hochschul-managements, gegenüber den Kräften eines institu-tionellen Wettbewerbs zwischen den Hochschulen. Vordiesem Hintergrund kann man aber sagen, dass derMikrokosmos der Hochschulweiterbildung in gewisserWeise zum Vorreiter einer stärkeren Markt- und Wett-bewerbsorientierung innerhalb des deutschen Hoch-schulsystems geworden ist und zurzeit möglicherweiseden – von der Forschung mit ihrem eher individuel-len Reputationswettbewerb abgesehen – am stärksten

wettbewerblich verfassten Sektor innerhalb des deut-schen Hochschulsystems darstellt.

Zentrale Themen in der aktuellen und zukünftigen Ent-wicklung von Hochschulweiterbildung sind die Reformvon akademischer Erstausbildung und der Ausbau derWeiterbildung als eine integrierte – oder jedenfalls auf-einander abgestimmte – Strategie zur Förderung lebens-langen Lernens. Sicher ist: Die deutschen Hochschulenwerden vor tiefgreifenden Veränderungen angesichtsder strukturellen Herausforderungen stehen, die mit derImplementation lebenslangen Lernens in das Hoch-schulsystem verbunden sind.

Es handelt sich dabei nicht mehr um eine kurz- odermittelfristige Krisenreaktion (auf stagnierende Hoch-schulbudgets oder Probleme in der Erstausbildung),sondern um eine langfristige, grundsätzliche Neudefi-nition der Funktion von Hochschulbildung im Kontexteines gesellschaftlichen Wandels, in dem die Hoch-schule immer mehr zur prototypischen Infrastruktur-einrichtung der „Wissensgesellschaft“ wird. Lebens-langes Lernen bedeutet dann keineswegs allein, dass dieWeiterbildung innerhalb oder außerhalb der Hoch-schulen ausgebaut werden muss. Vielmehr steht damitdie traditionelle Differenzierung zwischen der Erstaus-bildung und Weiterbildung selbst zur Disposition, in-sofern die Bedeutung – und die „Schneidung“ – vonErstausbildung und Weiterbildung als aufeinander ab-gestimmte Sequenzen innerhalb eines lebensübergrei-fenden Lernprozesses neu reflektiert und beide als Be-standteile eines übergreifenden Konzeptes von wissen-schaftlicher Qualifizierung neu gestaltet werden müs-sen.

3. Strategische Bedeutung der Hochschulweiterbildung

3.1 Weiterbildungsengagement und Weiterbil-dungsstrategien der Hochschulen

Weiterbildung ist heute – anders als noch vor etwa zweiJahrzehnten – als Regelaufgabe der Hochschule hoch-schulpolitisch oder hochschulrechtlich nicht mehr um-stritten und ist inzwischen nicht nur im Hochschul-rahmengesetz, sondern auch in den Länderhochschul-gesetzen allgemein verankert. Aber nicht nur in denHochschulgesetzen, sondern in nahezu jeder hoch-

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schulpolitischen Proklamation wird die neue Rolle derWeiterbildung als eines der zentralen zukünftigen Auf-gaben- und Handlungsfelder der Hochschulentwick-lung hervorgehoben. Der Wissenschaftsrat, die Hoch-schulrektorenkonferenz und die Bund-Länder-Kom-mission für Bildungsplanung und Forschungsförderunghaben in z.T. wiederholten Empfehlungen Anregungenzur Intensivierung und zur Organisation von Weiter-bildung ausgesprochen. Trotz dieses Bewusstseins-wandels weichen Praxis und Realität von dieser zu-mindest rhetorischen Übereinstimmung jedoch immernoch mehr oder minder weit ab. In besonderer Weisegilt dies für die Unterschiede, die sich im Weiterbil-dungsengagement der einzelnen Hochschulen beob-achten lassen.

Entgegen diesen hochgesteckten Erwartungen und trotzder unbestreitbaren Fortschritte in der Entwicklung derwissenschaftlichen Weiterbildung an den Hochschulenin den letzten 10 bis 15 Jahren ist es ihr bisher nochnicht gelungen, ihr doppeltes Nischendasein abzu-streifen: Zum einen stellt die Weiterbildung innerhalbdes gesamten Spektrums der Hochschulaktivitäten ehereine Nische dar, keine – zumindest keine tatsächliche– Kernfunktion der Hochschule. Und zum anderenscheinen die Hochschulen mit ihrem Weiterbildungs-angebot auf dem gesamten Markt der Weiterbildungeher eine Nische, wenn auch keine ganz kleine, zu be-setzen. Trotz des Mangels an halbwegs gesichertenhochschul- und weiterbildungsstatistischen Indikato-ren für den Anteil der Weiterbildung am gesamten Leis-tungsumfang der Hochschulen einerseits und für denAnteil der Hochschulen am gesamten Weiterbildungs-angebot andererseits stimmt die Mehrzahl der Inter-viewpartner in dieser Einschätzung überein.

Eine der wenigen hierzu verfügbaren Quellen, das Be-richtssystem Weiterbildung4, schätzt den Anteil derHochschulen am gesamten Weiterbildungsangebot mitverschiedenen Kennziffern (Teilnahmefälle, Weiterbil-dungsvolumen) in den neunziger Jahren auf 4 Prozentim Durchschnitt, auf 4 bis 5 Prozent bei der allgemei-nen Weiterbildung und auf 2 bis 8 Prozent bei der be-ruflichen Weiterbildung. Damit rangieren die Hoch-schulen zwar weit hinter anderen im BerichtssystemWeiterbildung ausgewiesenen Trägern, insbesondereden Betrieben, privaten Instituten und den Kammern,aber ihr Anteil entspricht immerhin ungefähr dem derBerufsverbände und der Akademien. Das Berichtssys-tem Weiterbildung schlüsselt diese Durchschnittsan-gaben leider nicht qualifikationsspezifisch auf, so dass

sich kaum etwas über den Anteil der Hochschulen amWeiterbildungsmarkt für Hochschulabsolventen sagenlässt. Frühere Studien beziffern diesen auf etwa 10 Pro-zent. Diese Zahlen beziehen sich immer auf die Hoch-schulen als Institution, nicht auf das individuelleWeiterbildungsengagement. Es ist hinlänglich bekannt,dass zwischen individuellem und institutionellem En-gagement eine tiefe Diskrepanz besteht.

Große Unterschiede zeigen sich zwischen weiterbil-dungsaktiven und weniger aktiven Hochschulen. Estritt deutlich hervor, dass für den Umfang und das Pro-fil der Weiterbildungsaktivitäten von Hochschulen vorallem das ausschlaggebend ist, was unter dem Begriff„institutional policy“ zusammengefasst werden könn-te. Dieser Begriff soll die Bemühungen der einzelnenHochschule umgreifen, innerhalb des gesetzten Rah-mens staatlicher Steuerung, rechtlicher Vorgaben undanderer regulierender externer Einflüsse eine eigene or-ganisationale Identität („Profil“) zu entwerfen, inner-halb der weitgehend standardisierten und relativ ho-mogenen Strukturen des (deutschen) Hochschulsys-tems eigene Pfade der institutionellen Differenzierungzu finden, auf dieser Basis eine aktive Hochschulent-wicklungspolitik zu formulieren und sich im Wettbe-werb der Hochschulen entsprechend zu platzieren.Hochschulen sind dynamische Institutionen, die ihreinternen und externen Beziehungen eher reaktiv-pas-siv und strukturkonservativ oder die neue Herausfor-derungen eher innovativ-aktiv gestaltend managen kön-nen. Entsprechend unterscheiden sich Hochschulen be-trächtlich danach, in welchem Umfang sie eine solche„institutional policy“ entwickeln und umzusetzen ver-suchen. Eine solche aktive prospektive Entwicklungs-strategie kommt dem „Modell“ einer so genanten „ent-repreneurial university“ sehr nahe, wie es von BurtonClark auf der Grundlage mehrerer Fallstudien be-schrieben worden ist5.

Immer wieder tritt das Muster hervor, dass Besonder-heiten der jeweiligen Hochschule – etwa in den An-geboten, den vorhandenen Forschungsschwerpunktenoder in der regionalen Ausrichtung – mit personalenFaktoren des Hochschulmanagements zusammenwir-ken. Dazu gehört sowohl die Bereitschaft der Hoch-schulleitungen, eine offensive Weiterbildungspolitik zubetreiben und die Weiterbildungsaktivitäten der eige-nen Hochschule auszubauen, als auch das Engagementund der politische Einfluss der für die Weiterbildunginnerhalb der Hochschule zuständigen Stellen oderPersonen. In mehreren der von uns untersuchten Fäl-

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le hat es sich z. B. für die Weiterbildung als günstig er-wiesen, wenn die für Weiterbildung innerhalb der Uni-versität zuständigen Führungskräfte als Prorektorenoder Vizepräsidenten an der Universitätsleitung be-teiligt waren. Nicht in jedem Einzelfall schließt eineaktive „institutional policy“ jedoch auch automatischdie Weiterbildung ein; sie ist aber gewiss eine förder-liche, unterstützende Rahmenbedingung, um derWeiterbildung innerhalb der Aktivitäten der Hoch-schule ein besonderes Augenmerk zu verschaffen. „In-stitutional policy“ beinhaltet nicht, dass sich eineHochschule mehr oder weniger zwangsläufig für einbestimmtes Organisationsmodell von Hochschulwei-terbildung entscheiden muss. Es handelt sich vielmehreher um einen mentalen und strategischen Faktor, dieWeiterbildung als eine zentrale Aufgabe der Hoch-schule tatsächlich ernst zu nehmen, unabhängig da-von, ob hochschulinterne, hochschulexterne oder ko-operative Formen der Institutionalisierung bevorzugtwerden.

3.2 Defizite und Ursachen

In der Mehrzahl der durchgeführten Interviews wird dieSituation der Weiterbildung innerhalb der Hochschu-len jedoch immer noch weitgehend randständig als„Aschenputtel-Existenz“6 beschrieben. Auch wennvielfach eine Art „Aufbruchstimmung“, ein neuer Re-formimpetus zu spüren ist, nicht zuletzt durch die inter-nationale Debatte über lebenslanges Lernen, so ist esdoch bisher nicht gelungen, die Weiterbildung tat-sächlich als dritten, gleichwertigen Pfeiler in den Hoch-schulen neben Forschung und Erstausbildung zu ver-ankern. Offenkundig haben sich bislang – insgesamt ge-sehen – weder der generelle gesellschaftliche Bedeu-tungszuwachs von Weiterbildung, insbesondere auchder von Hochschulabsolventen/-absolventinnen alsder mit Abstand weiterbildungsaktivsten Gruppe in dererwerbstätigen Bevölkerung, noch die Debatte über le-benslanges Lernen in dem erwarteten Ausbauschub derWeiterbildung niedergeschlagen.

Die Gründe und Ursachen dafür sind bereits vielerortsbehandelt worden. Zwei Erklärungen werden in dieserDebatte immer wieder angeführt, die beide nicht falsch,aber allein wohl nicht hinreichend sind.

Die eine Erklärung verweist auf die ungebrochen ho-he Auslastung der Hochschulen infolge des anhalten-den Nachfrageüberdrucks. Diese Situation verlangt –

so ist zu hören – die volle Konzentration der An-strengungen auf die Lehre in der Erstausbildung, aufdie Überwindung des inzwischen von den achtzigerJahren in das neue Jahrtausend hinein gewandertenStudierendenberges, nicht zuletzt auch angesichts dereher stagnierenden Personalentwicklung an den Hoch-schulen. Dieses Argument ist deswegen nicht hinrei-chend, weil ein Blick in die Hochschulstatistik zeigt,dass sich Überlastung und Nachfrageüberdruck zwi-schen den Hochschulen und den Studienfächern sehrunterschiedlich verteilen. Weder sind alle Hochschu-len noch alle Studienfächer in gleicher Weise betrof-fen. Und außerdem gibt es keinen direkten Zusam-menhang zwischen kapazitativer Auslastung undWeiterbildungsaktivitäten. Häufig sind es gerade diestark nachgefragten Hochschulen oder Studienfächer,die besonders weiterbildungsaktiv sind, während um-gekehrt viele wenig ausgelastete Hochschulen oder Fä-cher sich keineswegs überdurchschnittlich in derWeiterbildung engagieren.

Die zweite Erklärung bezieht sich auf die restriktivenformalen Rahmenbedingungen der Hochschulweiter-bildung, von haushaltsrechtlichen Barrieren – hier ha-ben die Hochschulen inzwischen eine gewisse Flexi-bilität gewonnen – und arbeits- bzw. dienstrechtlichenHemmnissen über fehlende Anreize bis hin zu vielfäl-tigen organisatorischen Schwierigkeiten. Die Hoch-schulen haben in den letzten zehn Jahren einige Fan-tasie bewiesen, solche bürokratischen Barrieren zu um-gehen (z. B. durch Ausgründungen), ohne sie indesganz aufheben zu können. Und doch hat dies bislangnicht den Durchbruch in ihrem Weiterbildungsenga-gement gebracht. Vielmehr lassen sich auch hier viel-fältige Unterschiede zwischen den einzelnen Hoch-schulen erkennen, die innerhalb des im Wesentlichenfür alle Hochschulen gleichen oder zumindest sehr ähn-lichen formalen Handlungsrahmens differenzierte, jasogar divergierende Entwicklungs- und Aktivitätspo-tenziale auf dem Gebiet der Weiterbildung entfalten,abhängig wiederum vorrangig von ihrer „institutionalpolicy“.

Dies führt zu dem nur scheinbar paradoxen Ergebnis,dass sich auf der einen Seite zwar eine Reihe restrikti-ver struktureller bzw. institutioneller Rahmenbedin-gungen für die Entwicklung der Hochschulweiterbil-dung identifizieren lassen, diese aber auf der anderenSeite durch die konkrete Weiterbildungspolitik derHochschule in ihren Auswirkungen und in ihrerWirksamkeit gestalt- und veränderbar sind. Dass sich

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die deutsche Hochschule, insbesondere die Universität,bis heute mit der Weiterbildung so schwer tut, hat aberüber die beiden genannten Gründe – das Kapazitäts-und Auslastungsargument sowie das Argument derstrukturellen Hindernisse und Hemmnisse – hinausnoch Ursachen, die tiefer liegen und in der historischgewachsenen und lange Zeit ja durchaus bewährtenund international erfolgreichen Gestalt der deutschenUniversität zu suchen sind. Auf zwei Aspekte soll hierhingewiesen werden.

• Von ihrer Tradition und ihrem Selbstverständnis herist die klassische deutsche Universität immer eine ein-deutig angebotsorientierte und nicht etwa eine nach-frage- oder bedarfsorientierte Institution gewesen. DieDurchsetzung ihres – fachspezifisch variierenden –forschungsorientierten Wissenschafts- und Bil-dungsverständnisses hatte stets Vorrang vor der prak-tischen Vorbereitung auf die Ausübung eines Beru-fes oder vor Nachfrage-, Bedarfs- oder Marktanfor-derungen. An drei zentralen Prinzipien lässt sich die-se Dominanz der Angebotsorientierung ablesen:

• an der Bedeutung der Fachdisziplinen als den zen-tralen Organisations- und Handlungseinheiten der Hochschule, nicht zuletzt an dem Primat wissen-schaftsinterner Regulative vor externen Anforde-rungen,

• an der Verankerung der Forschung als Basis der Universität und des gesamten akademischen Kar-riere- und Reputationssystems und

• an der ausgeprägten Einheitlichkeit bzw. der ge-ringen Differenzierung des Hochschulsystems undder akademischen Ausbildung – z. B. nach unter-schiedlichen Ausbildungszielen, berufspraktischenAnforderungen oder den Voraussetzungen und be-sonderen Bedürfnissen der Teilnehmer/innen.

Weiterbildung erfolgt dagegen – innerhalb wie außer-halb des Hochschulsystems – wesentlich stärkernachfrage- und bedarfsbezogen und steht insofern ineinem latenten Spannungsverhältnis zur dominieren-den Angebotsorientierung der deutschen Universität.Hierin ist wahrscheinlich eine wesentliche Ursache da-für zu suchen, dass es immer wieder zu Spannungenzwischen von außen kommenden Praxisanforderun-gen und der Wissenschaftsorientierung der Hochschulekommt. Gerade die Studienreform und – in diesemKontext – auch die Verankerung der Weiterbildung istein Beispiel für diesen latenten Konflikt und die an-haltenden Schwierigkeiten der Hochschule, angemes-

sene Lösungen und Antworten für praxisnahe Anfor-derungen und Bedarfe zu finden. Insbesondere aus derSicht der Wirtschaft erweisen sich die Hochschulendeshalb häufig gegenüber deren Anforderungen alswenig flexibel und stellen immer wieder ihre unver-kennbaren Schwierigkeiten unter Beweis, „passgenaue“Angebote zu entwickeln. Und wenn überhaupt, so istdies noch eher in der Weiterbildung als in der uni-versitären Erstausbildung, eher an den Fachhoch-schulen als in den hauptsächlich von der Wissen-schaftsorientierung geprägten Universitäten gelungen.

• Die zweite Ursache liegt in einer spezifischen Ausle-gung der Hochschulautonomie. Historisch gesehenumfasst die Idee der Hochschulautonomie bekannt-lich zwei wesentliche Komponenten: die inhaltlicheUnabhängigkeit der Wissenschaft als Aussagensystem(Zensurfreiheit) mit dem individuellen Recht zurfreien Lehre und Forschung, also die Unabhängigkeitdes einzelnen Wissenschaftlers in seiner wissen-schaftlichen Arbeit, und die institutionelle Autono-mie der Universität als Körperschaft gegenüberstaatlichen Eingriffen und staatlicher Kontrolle. Dasich in Deutschland das Verhältnis zwischen Staat undUniversität historisch seit Beginn des 19. Jahrhun-derts recht eindeutig zugunsten eines immer ausge-prägteren staatlichen Interventionismus und damitzuungunsten der institutionellen Autonomie der Uni-versität verschoben hat, ist die ursprünglich viel brei-ter gefasste Idee der Autonomie über weite Streckenauf die Autonomie des einzelnen Wissenschaftlersgegenüber der Institution und gegenüber dem Staatgeschrumpft, eingeschränkt nur durch die Ver-pflichtung auf das geltende Recht.

Dies hat unter anderem zur Folge, dass ein Wandelin der institutionellen Aufgabenzuschreibung derHochschule, wenn dieser am überlieferten akademi-schen und beruflichen Selbstverständnis der Wis-senschaftler/innen vorbeigeht oder dieses gar bedroht,von diesen gleichsam unterlaufen werden kann oderdass es zumindest sehr lange Zeit, manchmal eineganze Generation dauert, bis sich das Berufsrollen-verständnis der Organisationsmitglieder auf die neu-en Anforderungen eingestellt hat. Die Erweiterung desAufgabenkatalogs der Hochschulen um die wissen-schaftliche Weiterbildung ist sicher ein gutes Beispiel,wie der Wandel in der institutionellen Aufgabenzu-schreibung der Veränderung der akademischen Be-rufsrolle bzw. des Berufsrollenverständnisses derHochschullehrer/innen weit vorauseilt.

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Ein anderer Aspekt ist, dass die deutsche Universitätihre Autonomie häufig auch als eine solche gegenübergesellschaftlichen Zumutungen und Ansprüchen, alsAutonomie der Universität in der Gesellschaft ver-standen hat. Anders ausgedrückt: Die deutsche Hoch-schule hat erst sehr spät und bis heute noch längstnicht durchgängig so etwas wie eine kommunitaristi-sche, gemeinschaftliche Orientierung oder Verpflich-tung entwickelt mit der Einsicht, dass mit ihren in-stitutionellen Rechten auch gewisse gesellschaftlichePflichten gegenüber der Gemeinschaft korrespondie-ren („accountability“). Ohne Zweifel ist es aber für dieWeiterbildung förderlich, wenn sich die Hochschuleals eine gesellschaftliche Dienstleistungseinrichtung,als eine soziale Infrastruktureinrichtung begreift, dieneben der Wissensproduktion durch Forschung aucheine wesentliche Aufgabe als Institution zur Qualifi-zierung des Humanpotenzials und als Institution desWissenstransfers unter Einschluss der Weiterbildunghat. Die Akzeptanz der Weiterbildung – nicht nur rhe-torisch, sondern durch praktisches Engagement –hängt deshalb auch davon ab, in welchem Maße diedeutschen Hochschulen tatsächlich dem Leitbild einergesellschaftlichen Dienstleistungseinrichtung nach-kommen.

Beide Faktoren, die starke Angebots- und die geringeDienstleistungsorientierung, hängen offenkundig mit-einander zusammen – gleichsam als zwei Seiten der-selben Medaille. Beide Bewusstseinsmuster sind erst inden letzten Jahren durch die sich krisenhaft verschär-fende Hochschulentwicklung, die sich zuspitzendehochschulpolitische Umbruchsituation und die diesebegleitende intensive Hochschulreformdebatte massivherausgefordert worden, haben sich aber noch längstnicht aufgelöst. Beide Aspekte machen deutlich, wie dieFrage der Verankerung und der Zukunft der Hoch-schulweiterbildung mit der generellen Frage nach demAuftrag, der Organisation und dem gesamten Steue-rungssystem der deutschen Hochschulen unauflösbarverknüpft ist.

3.3 Weiterbildung und neue Steuerungskonzepte

An den untersuchten Hochschulen ist der Prozess derHochschul- und Studienreform, insbesondere der Eta-blierung der so genannten neuen Steuerungsformenbzw. Steuerungsinstrumente (z. B. Leitbildentwick-lung, Globalhaushalt, Budgetierung, Zielvereinbarun-gen, Kosten-/Leistungsrechnung, Qualitätsmanage-

ment) zur Förderung der Selbststeuerungsfähigkeit undzur Stärkung der institutionellen Autonomie der Hoch-schule, im einzelnen unterschiedlich weit vorange-schritten. Während einige wenige Hochschulen auf die-sem Wege schon recht weit vorangekommen sind, hatan anderen die Reformdebatte gerade erst eingesetzt.Große Unterschiede zwischen den Hochschulen lassensich auch hinsichtlich der Einbeziehung der Weiter-bildung in die neuen Steuerungsmechanismen bzw. hin-sichtlich deren Konsequenzen für die Steuerung derWeiterbildung beobachten.

Viele – aber nicht alle – der befragten Hochschulen ha-ben bereits ein eigenes Leitbild als Instrument der Pro-filbildung und des Marketings entwickelt. In der Regelhat die Förderung und Intensivierung der Weiterbil-dung, ihr Ausbau als dritte Säule der Hochschule dannauch in das Leitbild Eingang gefunden. Häufig ist diesim Zusammenhang mit dem Begriff des lebenslangenLernens und dem Ziel, in größerem Umfang multime-diale Vermittlungsformen für die Lehre zu nutzen, derFall gewesen. Es wird aber auch kritisiert, dass solcheLeitbilddebatten häufig sehr programmatisch und nor-mativ ausgefallen sind und an der großen Mehrzahl derHochschulangehörigen eher vorbei gegangen sind.Auch wird die Funktion der Weiterbildung in solchenLeitbildern eher vage in Form allgemeiner Absichtser-klärungen beschrieben, ohne dass dies zu konkretenoperativen Konsequenzen führt bzw. bislang geführthat.

Je verbindlicher die neuen SteuerungsinstrumenteAufgaben und Konsequenzen für die einzelnen Ebeneninnerhalb der Hochschule festlegen, desto unverbind-licher ist in der Regel die Rolle der Weiterbildung de-finiert. Auch wenn die Hochschule der akademischenWeiterbildung einen zentralen Platz in ihrem Leitbildoder Entwicklungskonzept zumisst, so ist dieser „nichtbis in alle Niederungen verankert“7. Während dort, wobereits Zielvereinbarungen zwischen Land und Hoch-schule abgeschlossen worden sind, fast immer die aka-demische Weiterbildung Berücksichtigung gefundenhat, ist dies bei den hochschulinternen Zielvereinba-rungen – insbesondere solchen zwischen der Hoch-schulleitung und den einzelnen Fachbereichen bzw. Fa-kultäten – nur noch ausnahmsweise der Fall. Zielver-einbarungen zwischen der Hochschulleitung und denfür Weiterbildung zuständigen Stellen – als zentrale Ein-richtungen oder als Teil der Verwaltung – finden sichkaum. In internen Zielvereinbarungen verschieben sichdie hochschulpolitischen Prioritäten recht eindeutig auf

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die traditionellen Aufgabenfelder der Lehre, der Stu-dienreform, der Forschung und der Förderung des wis-senschaftlichen Nachwuchses, die Weiterbildung geräteher in den Hintergrund und ist von einer Gleichwer-tigkeit mit Forschung und Lehre noch weit entfernt.

Für die Weiterbildung deutet sich hier trotz ihrer weitverbreiteten verbalen Hochschätzung ein strukturellesDilemma an. Je stärker die Hochschulen gezwungensind, Strategien zur institutionellen Profilierung undDifferenzierung zu entwickeln, um sich in einem stär-keren Wettbewerb der Hochschulen behaupten zu kön-nen, desto stärker sind sie geneigt, solche Pfade der Pro-filierung und Differenzierung primär in der Forschung(mit eher weltweiten Wettbewerbs- und Vergleichs-maßstäben), in der Internationalität, überhaupt in derExzellenz ihrer Angebote und Kriterien zu suchen. DieWeiterbildung kann aber solche Anforderungen undKriterien wahrscheinlich auch in Zukunft nur schwererfüllen und droht deshalb, hier ein weiteres Mal „un-ter die Räder zu kommen“.

Grundsätzlich könnte die Implementierung solcherKonzepte wie mehr Autonomie, Wettbewerb, Differen-zierung oder Profilbildung natürlich auch dazu führen,die Weiterbildung als ein hierfür geeignetes Instrumentzu entdecken. Bislang sind aber kaum (mit den im Ab-schnitt 3.1 genannten Ausnahmen) Anzeichen in die-se Richtung zu erkennen. Und es steht zu befürchten,dass der bei stärkerem Wettbewerb auf den Hoch-schulen lastende Druck, gleichsam in der ersten Ligamitspielen zu müssen und zu wollen, nicht nur die tra-ditionellen großen Forschungsuniversitäten, sonderngerade auch die kleineren, regionalen Hochschulenzwingt, sich denselben Kriterien zu unterwerfen undsich der Logik des „upward academic drift“ zu fügen.„Unsere Vizepräsidentin sagt: Bei uns kommt For-schung, Forschung, Forschung und dann noch wis-senschaftlicher Nachwuchs und für andere Aufgabenhaben wir keine Zeit. Und das ist klar, wir werden ge-messen an unseren Forschungsleistungen und da kannich dann nicht sagen, dass ich da eine Weiterbil-dungsveranstaltung gemacht habe“8.

Profilbildung und Wettbewerb zwischen Hochschulenkönnen zwar die Weiterbildung einbeziehen, könnenaber mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eben auchdazu führen, dass eine Hochschule ihre Schwerpunk-te anders setzt. Dass dieser strukturelle Zwang, sich imWettbewerb eher auf den traditionellen Feldern der For-schung und vielleicht noch der Erstausbildung zu pro-

filieren, keineswegs nur zwischen, sondern auch inner-halb der Hochschulen besteht, kann unter anderem dar-an abgelesen werden, dass mit ganz wenigen Ausnah-men aus nahezu allen Hochschulen, die bereits eine leis-tungs- oder indikatorenorientierte interne Mittelver-teilung eingeführt haben, berichtet wird, besondere Ak-tivitäten oder Angebote in der Weiterbildung als Bei-trag zum Wissenstransfer würden als Leistungsindika-toren nicht berücksichtigt. Wie bei den Zielvereinba-rungen stehen hier vielmehr Forschung, Lehre in derErstausbildung und die Qualifizierung des wissen-schaftlichen Nachwuchses im Vordergrund. Die Praxis,die wissenschaftliche Weiterbildung auszugründen, ver-stärkt diese Tendenz darüber hinaus.

Anreizsysteme zur Stimulierung oder Verstärkung desWeiterbildungsengagements sind nur in begrenztemUmfang vorhanden. Ihre Notwendigkeit – monetärerwie nicht-monetärer Art – wird allgemein erkannt, dieRealisierbarkeit aber eher zurückhaltend beurteilt.Zum überwiegenden Teil bestehen Anreize aus mo-netären Leistungen, die entweder direkt den Dozen-ten als persönliches Honorar oder als Sachmittel denjeweiligen Kostenstellen (Professuren, Institute) zu-gewiesen werden. Letzteres wird zwar bislang nur anwenigen Hochschulen praktiziert, stößt aber offenbarauf großes Interesse, weil dann die aus Weiterbil-dungstätigkeiten erwachsenen Einnahmen wiederumder wissenschaftlichen Arbeit gleichsam als Drittmit-tel zugeführt werden können. Eine Änderung desNebentätigkeitsrechts zugunsten der Weiterbildungwird von vielen Hochschulen gefordert. Eine kapazi-tätswirksame Anrechnung von Lehrleistungen in derWeiterbildung auf das Lehrdeputat erfolgt an den meis-ten Hochschulen nur dann, wenn es sich um aner-kannte weiterbildende Studiengänge handelt, nichtaber bei Angebotsformen unterhalb der institutiona-lisierten Studiengangsebene. Eine Anrechnung wäre insolchen Fällen in der Regel überhaupt nur möglich,wenn ein Deputatsüberhang vorhanden ist, was ange-sichts der hohen Auslastung in den meisten Studien-gängen, die auch tatsächlich weiterbildungsrelevantsind, nicht gegeben ist.

Insofern besteht zur Zeit zwischen der gesetzlichenVerpflichtung der Hochschulen zur Weiterbildung undden Verfahrensregeln der Kapazitäts- und Deputatsbe-wirtschaftung ein Widerspruch. Im Falle freier Depu-tate wäre gegenwärtig an vielen Hochschulen die Wahr-scheinlichkeit groß, dass diese nicht der Weiterbildungzugute kämen, sondern wegrationalisiert würden. Im

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Übrigen sind freie Deputate zumeist lediglich in sol-chen Bereichen verfügbar, die schon in der Erstaus-bildung kaum nachgefragt werden und die auch für dieWeiterbildung nur von begrenztem Interesse sind. In-soweit wird die Deputatsanrechenbarkeit von Weiter-bildung von einigen Gesprächspartnern als ein äußerstambivalentes Instrument bezeichnet. Eine Verrechnungmit dem Lehrdeputat, aber auch die Zuweisung vonSachmitteln können auch nicht erfolgen, wenn dieWeiterbildungsleistungen in externen, rechtlich selbst-ständigen Einrichtungen erbracht werden. In vielenInterviews wird hervorgehoben, dass ein wichtiger An-reiz für das Weiterbildungsengagement von Hoch-schullehrern und -lehrerinnen in erster Linie aus einerArt sachbezogener subjektiver Selbstlernmotivation be-steht, die sich z. B. aus der Kommunikation mit qua-lifizierten und erfahrenen Berufspraktikern, aus Kon-takten zu Firmen, überhaupt aus den über Weiterbil-dung in die Hochschule transferierten Praxiserfah-rungen ergeben kann.

3.4 Profil der wissenschaftlichen Weiterbildung

Unter den Bedingungen einer stärkeren Diversifizie-rung und der wachsenden Konkurrenz zwischenunterschiedlichen Anbietern für wissenschaftlicheWeiterbildung innerhalb und außerhalb des Hoch-schulsystems stellt sich die Frage, über welche Vor-züge und besonderen Leistungsmerkmale gerade dieHochschulen in dieser zunehmend unübersichtlichenund vielgestaltigen Weiterbildungslandschaft verfü-gen. Als besondere Stärken oder als profilbestimmendeMerkmale von wissenschaftlicher Weiterbildung wer-den in den Interviews immer wieder drei Aspeckte an-geführt:

• der enge Forschungs- und Wissenschaftsbezug, dendie Hochschule in die Weiterbildung einbringenkann,

• das abschlussorientierte weiterbildende Studium,für das die Hochschule de facto (noch) ein Monopolbehauptet, wie überhaupt die Vergabe von akademi-schen Graden und

• die Rolle der Hochschule als eine Art gesellschaftli-ches Kompetenzzentrum.

In nahezu allen Interviews werden Forschungsnähe undForschungsbezug sowie wissenschaftliche Aktualität,gerade auch in Verbindung mit disziplin- und grenz-überschreitenden innovativen Forschungsansätzen, als

die besondere Stärke universitär organisierter wissen-schaftlicher Weiterbildung genannt. Die „Diffusion“ vonWissen bzw. Wissenschaft erfolgt in enger Verbindungmit der „Produktion“ von Wissen9, zugleich verbundenmit einer Art „selbstreflexiven Schleife“10, d.h. einer me-thodenkritischen Reflexion des zu weiterzugebendenWissens. Danach vermittelt wissenschaftliche Weiter-bildung nicht nur – fachlich noch so aktuelles – Wis-sen, sondern zugleich ein Problembewusstsein hin-sichtlich der Generierung und der distanzierten Refle-xion von Wissen. Ferner kann Weiterbildung dynami-scher und flexibler – sei es auf neue forschungs- bzw.wissenschaftsbasierte Entwicklungen, sei es auf neueAnforderungen und Bedarfe – reagieren, als dies im Be-reich der akademischen Erstausbildung mit seinen we-sentlich komplizierteren Mechanismen der Studien-gangsgestaltung der Fall ist.

Im Zentrum wissenschaftlicher Weiterbildung stehtnoch immer das weiterbildende Studium. Hochschu-len haben zurzeit noch einen besonderen Statusvor-teil als Anbieter weiterbildender Studiengänge, die zuanerkannten akademischen Abschlüssen führen. IhreAttraktivität als Anbieter wissenschaftlicher Weiter-bildung beruht zu einem erheblichen Maße geradedarauf, dass hier eben auch akademische Grade er-worben werden können. Diesen Vorteil können sienicht bei anderen, kurzfristigen, stärker bedarfs-orientierten („maßgeschneiderten“) Fortbildungsan-geboten ausspielen, in denen andere Träger den Hoch-schulen im Wettbewerb mindestens gleichkommenoder sogar überlegen sind. Deshalb ist bei solchen An-geboten die Hochschule einer viel stärkeren Konkur-renz ausgesetzt.

In den Interviews sind eine Reihe weiterer Merkmalefür die Stärke oder das besondere Profil von wissen-schaftlicher Weiterbildung in der Trägerschaft derHochschule genannt worden, die z.T. exklusiv sind, z.T.aber durchaus auch auf andere Anbieter zutreffen kön-nen. Dies gilt z. B. für die internationale Kooperationbzw. die internationale Ausrichtung von Weiterbil-dungsangeboten, ein Kriterium, das inzwischen ange-sichts der deutlichen Internationalisierung der akade-mischen Weiterbildung keineswegs mehr allein ein spe-zifisches Leistungsmerkmal von (deutschen) Hoch-schulen darstellt. Dagegen können und müssen Hoch-schulen als – überwiegend – öffentliche Einrichtungenauch solche Zielgruppen ansprechen, die für private,insbesondere wirtschaftsnahe Anbieter von geringemoder sogar ganz ohne Interesse sind (z.B. Senioren, Bür-

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geruniversität etc.). Das ebenfalls genannte Argumentder günstigeren Preisgestaltung bzw. des Preisvorteilsvon Hochschulen wird aus der Sicht konkurrierenderAnbieter sicher eher als eine Art Wettbewerbsverzer-rung wahrgenommen.

Schließlich profitiert die Hochschulweiterbildungauch davon, dass sie gesellschaftlich immer noch weit-hin als eine Art wissenschaftliches Kompetenzzentrumwahrgenommen wird, auch wenn offen ist, in welchemUmfang die Hochschule dabei ist, diesen Vorteil an-gesichts ihrer unübersehbaren Modernitäts- und Ef-fektivitätsdefizite zu verspielen. Dies mag zunächstnur ein imagebildender Faktor sein, der aber ohneZweifel auf die Weiterbildung ausstrahlt, insofern dieHochschule gemeinhin als eine Institution gilt, die se-riöse Angebote, Qualitätsstandards und hohe An-sprüche gewährleistet und gleichsam ein „Qualitäts-siegel“11 für weiterbildende Angebote darstellt. DieseBedeutungszuschreibung umfasst jedoch mehr als nurImage oder Reputation, sie umschreibt auch eine tat-sächliche Funktion der Hochschule als ein aus ihremwissenschaftlichen Fundus schöpfender öffentlicherOrt des Diskurses über die Entwicklung, die Voraus-setzungen, Folgen und Probleme der wissenschaftlich-technischen Zivilisation. In der Hochschule als einerunabhängigen Institution können eben auch solcheFragen und Probleme wissenschaftlich erörtert wer-den, die nicht zum Interessen-, Aufgaben- und Kom-petenzfeld anderer Anbieter mit anderen Zielsetzun-gen zählen.

Auf der anderen Seite hat die „opportunistische“ (imoben definierten Sinne) Expansionsstrategie der Hoch-schulweiterbildung auch dazu geführt, eine Vielfalt vonAngeboten und Leistungen bereitzustellen und in man-nigfaltige Bereiche hinein auszudehnen, die mehr oderweniger weit von diesem besonderen Profil entferntsind. An vielen oder sogar den meisten Hochschulenwerden die vorhandenen und für Weiterbildung durch-aus geeigneten Forschungspotenziale aus unter-schiedlichen Gründen für die Weiterbildung kaum ge-nutzt oder gar nicht erkannt. Wenn auch in der RegelWeiterbildungsaktivitäten an den „Stärken“ einerHochschule ansetzen, so ist doch so etwas wie „Pro-filtreue“ eher selten zu erkennen. Unter (wissen-schaftlicher) Weiterbildung läuft an den Hochschulenauch manches, was zwar marktgängig ist, aber mit Wis-senschafts- und Forschungsbezug häufig nur sehr in-direkt zu tun hat.

4.Management der Hochschulweiterbildung

4.1 Organisation und Zuständigkeit

Die wissenschaftliche Weiterbildung ist von Hoch-schule zu Hochschule unterschiedlich organisiert. Inden jeweiligen Landeshochschulgesetzen sind hierzuentweder keine oder nur sehr allgemein formulierteVorgaben enthalten. Im Wesentlichen lassen sich diefolgende Formen der zentralen Organisation unter-scheiden:

• als Referat des Rektors/Präsidenten,• als Abteilung innerhalb der Verwaltung oder• als zentrale (wissenschaftliche) Einrichtung oder Be-

triebseinheit.

Eine gewisse Präferenz für zentrale wissenschaftlicheEinrichtungen ist vor allem bei den Hochschulen zu er-kennen, die in den siebziger und achtziger Jahren des20. Jahrhunderts Organisationseinheiten für wissen-schaftliche Weiterbildung gegründet haben. Die zentralewissenschaftliche Einrichtung, an der Schnittstelle zwi-schen Hochschulverwaltung einerseits und Forschungund Hochschullehre andererseits angesiedelt, schien derintermediären Funktion der wissenschaftlichen Weiter-bildung am besten zu entsprechen. Heute lässt sich fest-stellen, dass die Vor- und Nachteile der unterschied-lichen Organisationsformen stark von den lokalen Ge-gebenheiten an den jeweiligen Hochschulen abhängigsind. Eine für alle Hochschulen geltende Ideallösunggibt es nicht.

Viele Hochschulen, aber auch einzelne Hochschulleh-rer/innen haben sich in den vergangenen Jahren pri-vatrechtliche Einrichtungen (GmbHs, Vereine) zur Or-ganisation und Vermarktung von Weiterbildungsange-boten geschaffen. Gesellschafter dieser Firmen oder an-deren Einrichtungen sind in der Regel Fördervereineder jeweiligen Hochschulen. Die Hochschulen selbersind selten unmittelbar rechtlich an den Unternehmenbeteiligt. Grund dafür ist, dass die gesetzlich notwen-dige Zustimmung des jeweiligen Finanzministeriums inder Regel erst nach langwierigen Verhandlungen odergar nicht zu erwarten ist.

Frei von den Reglementierungen des ÖffentlichenDienstes sollen die Weiterbildungsfirmen schneller aufdie Bedürfnisse des Marktes reagieren können. Zur

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weiteren Erhöhung der Flexibilität sind im Umfeld ei-ner Hochschule vereinzelt sowohl gemeinnützige alsauch gewinnorientiert arbeitende Einrichtungen ge-gründet worden. Die Zusammenarbeit zwischen denexternen Weiterbildungsunternehmen und den je-weiligen Hochschulen, insbesondere das Aufgabenfeldder Zusammenarbeit sowie die Nutzung der Infra-struktur betreffend, wird in Kooperationsvereinba-rungen geregelt.

Die inhaltliche Ausrichtung umfasst entweder das ge-samte Fächerspektrum der jeweiligen Hochschuleoder ist auf das Fachgebiet eines Lehrstuhls oder einesInstituts bzw. Kompetenzzentrums konzentriert. DieWeiterbildungsmaßnahmen selber werden in der Regelvon Hochschulmitgliedern durchgeführt, die in denWeiterbildungsunternehmen in Nebentätigkeit arbeiten.Dank solcher privaten Einrichtungen kann so für dieHochschulmitglieder ein finanzieller Anreiz geschaffenwerden, sich zumindest universitätsnah in der Weiter-bildung zu engagieren. Innerhalb der Hochschule an-gebotene Weiterbildung gehört zur Hauptaufgabe derHochschullehrer/innen und wissenschaftlichen Mitar-beiter/innen und kann nicht gesondert vergütet werden.In einigen Bundesländern (z. B. in Bayern) sind Geset-zesänderungen geplant, die eine zusätzliche Bezahlungauch innerhalb der Hochschule angebotener Maßnah-men ermöglichen sollen.

Einige der befragten Hochschulen haben sich bewusstgegen eine Ausgründung im Bereich der wissenschaft-lichen Weiterbildung entschieden. Weiterbildung alsoriginäre Aufgabe der Hochschule soll auch von dieserselbst und unmittelbar erfüllt werden. Ein privatwirt-schaftliches Unternehmen vergrößert zwar die Hand-lungs- und Kooperationsmöglichkeiten, birgt nach An-sicht dieser Hochschulen aber die Gefahr in sich, dassdie Angebote zu sehr auf Marktgängiges beschränktwerden. Das Bemühen aller Verantwortlichen sollte da-her darauf gerichtet sein, die bestehenden haushalts-,arbeits- und dienstrechtlichen Hemmnisse innerhalbder Hochschulen abzubauen.

Ein solcher Prozess wird jedoch langwierig sein. Dabeibesteht die Gefahr, dass ein qualitativer und quantita-tiver Ausbau der Weiterbildung verzögert wird. DieNutzung eines externen, universitätsnahen Unterneh-mens zur Förderung der Weiterbildung kann daherdurchaus zweckmäßig sein. Es muss jedoch berück-sichtigt werden, dass dies im Interesse der Angebots-vielfalt und der unterschiedlichen Zielgruppen nur bei

Beibehaltung der vollen Verantwortung der Universitätfür ihren bildungspolitischen Auftrag in der Weiterbil-dung geschieht.

4.2 Marketing und Bedarfsermittlung

In der Regel existiert an den befragten Hochschulenkein tatsächliches Marketingkonzept für den Bereichder Weiterbildung. Marketing wird zwar als notwendigangesehen, aber es findet nur im Rahmen von einzel-nen Maßnahmen statt, z. B. als:

• Veröffentlichung der Angebote im Internet (Anmel-dung wird zurzeit nur vereinzelt online genutzt, dadie potentiellen Teilnehmer/innen häufig noch nichtüber die notwendigen technischen Voraussetzungenverfügen), in eigenen Printmedien, in Zeitungsinse-raten oder

• Corporate Design (z. B. einheitliche Gestaltung vonPublikationen).

Eine Voraussetzung für die Erstellung eines Marke-tingkonzeptes wäre die Entwicklung eines Leitbil-des/Selbstverständnisses für die wissenschaftlicheWeiterbildung. Dabei sollte ein wichtiges Element dieQualitätssicherung sein. Die Zielrichtung eines Kon-zeptes müsste sowohl nach außen (potenzielle Kunden)als auch nach innen (Motivation der Hochschulmit-glieder, sich in der Weiterbildung zu engagieren) ge-richtet sein. Im Rahmen des inneruniversitären Mar-ketings für die Weiterbildung ist insbesondere den wis-senschaftlichen Mitarbeitern/innen und Hochschul-lehrern/innen zu vermitteln, dass Weiterbildung nichtnur eine zusätzliche Belastung darstellt, sondern dasssie Rückkoppelungsprozesse für die Forschung undgrundständige Lehre in Gang setzen kann.

Wesentlicher Bestandteil des Produktmarketings ist dieBedarfsorientierung der Weiterbildungsangebote. Er-klärtes Ziel der meisten der befragten Einrichtungen istes, zielgruppenspezifisch bedarfsorientierte Maßnah-men anzubieten. Die Bedarfsermittlung erfolgt jedochin fast allen Fällen eher spontan und unsystematisch.Beispiele für angewandte Ermittlungsmethoden sind:

• schriftliche Abfrage von Unternehmen mittels Fra-gebögen,

• Veranstaltung von Gesprächsforen mit Vertretern derWirtschaft und der Wissenschaft; Einrichtung einesPraxisbeirats,

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• schriftliche Befragung der Absolventen und Absol-ventinnen,

• Befragung von Kursteilnehmern,• Kontakte zu Unternehmen über die Fakultäten (z. B.

im Rahmen von Drittmittelvorhaben),• Sichtung der Angebote anderer Weiterbildungsan-

bieter; Teilnahme an Veranstaltungen, in denen„best-“ bzw. „good-practice“-Beispiele vorgestelltwerden, oder

• einfach nur „aus dem Bauch heraus“12.

Folgende Probleme zeigen sich hierbei: Große Unter-nehmen haben häufig ihre eigenen Weiterbildungs-zentren und sehen als Institution keinen Bedarf anakademischer Weiterbildung durch Hochschulen.Mittelständische Unternehmen sind zwar eher zur Ko-operation bereit, ähnlich wie bei kleinen Unternehmenbesteht aber oft Unkenntnis über den Bedarf desUnternehmens bzw. der Mitarbeiter/innen, insbeson-dere an wissenschaftlicher Weiterbildung. Der in ei-nem Unternehmen erhobene Bedarf gibt meistens kei-ne Auskunft über die tatsächlichen Bedürfnisse der po-tenziellen Teilnehmer/innen einer Weiterbildungs-maßnahme.

4.3 Finanzierung

Die Finanzierung der Angebote erfolgt grundsätzlichüber die Erhebung von Teilnehmergebühren. Gebüh-renfreie Maßnahmen werden so gut wie nicht mehr an-geboten. Vereinzelt werden Weiterbildungsmaßnahmenüber Drittmittel finanziert (z.B. über die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsför-derung, EU-Programme). Soweit es die jeweiligen Lan-desgebührenordnungen zulassen, bemühen sich dieHochschulen nach einem bestimmten Schema kosten-deckend zu kalkulieren. In die Kalkulation werden je-doch oft nur die durch das Angebot zusätzlich entste-henden Kosten, nicht die tatsächlichen Kosten incl. deshaushaltsfinanzierten Personals miteinbezogen. Darüberhinaus gibt es Angebote, für die zwar Gebühren erho-ben werden, bei denen die Einnahmen jedoch weder dietatsächlichen noch die zusätzlichen Kosten decken. Sol-che Angebote werden, wenn sie aus hochschulpolitischenGründen gewollt sind, zusätzlich aus Haushaltsmittelnfinanziert.

Der überwiegende Teil der hochschulinternen Weiter-bildungseinrichtungen ist auf die Haushaltsfinanzierungeiner Mindest-Grundausstattung angewiesen. Ange-

sichts immer knapper werdender Hochschulbudgetssind für einen weiteren Ausbau der Hochschulweiter-bildung neue Finanzierungsmodelle gefragt.

Bei den Teilnehmern sind vor allem drei Finanzie-rungsquellen zu unterscheiden:

• Bezahlung aus eigenen Mitteln, • durch den Arbeitgeber und • durch das Arbeitsamt.

In einzelnen Bundesländern (z. B. Rheinland-Pfalz,Nordrhein-Westfalen) ist zur Zeit die Einführung so ge-nannter Bildungskontenmodelle in Vorbereitung oderDiskussion.

5. Weiterbildende Studienangebote

5.1 Aktive Fakultäten bzw. Fachbereiche

Die Weiterbildung an deutschen Hochschulen lebt we-niger von festen Strukturen als vom Engagement ein-zelner Hochschullehrer/innen, Institute und Fakultäten.Trotzdem sind ein quantitativer Ausbau in der Hoch-schulweiterbildung sowie ein Zuwachs an Angebotenzu verzeichnen. Dabei lässt sich Folgendes feststellen:

• An kaum einer der befragten Hochschulen existiertein hochschulübergreifendes Konzept zum Ausbauder Hochschulweiterbildung. Lediglich einige der fürWeiterbildung zuständigen Stellen haben interne Stra-tegiepapiere erstellt. Damit wird deutlich, dass dieHochschulweiterbildung bisher kaum zur Profilie-rung und Entwicklung der einzelnen Hochschulengenutzt wird.

• Auch die meisten Fakultäten/Fachbereiche verfügenüber keine eigene Weiterbildungspolitik. Die aktiveMitarbeit in der Hochschulweiterbildung beschränktsich eher auf einzelne Institute oder Hochschulleh-rer/innen, die in den Interviews häufig plakativ als„Leuchttürme“ bezeichnet werden.

Die Eigeninitiative und Mitarbeit der Fakultäten/Fach-bereiche bzw. Hochschullehrer/innen wird von denHochschulleitungen und den zuständigen Weiterbil-dungseinrichtungen der jeweiligen Hochschulen ge-wünscht und unterstützt, teilweise besteht sogar einesehr enge Zusammenarbeit. Allerdings müssen dabei die

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unterschiedlichen Fachkulturen beachtet werden, dasich die Arbeits- und Denkweisen der naturwissen-schaftlich-technischen von denen der sozial- und geis-teswissenschaftlichen Fächer erheblich unterscheiden,woraus sich auch Unterschiede in der Zusammenarbeitund in der Erstellung von Angeboten ergeben können.

Daneben gibt es eine Vielzahl von Professorinnen undProfessoren sowie wissenschaftlichen Mitarbeitern/in-nen, die sich außerhalb ihrer Hochschule in derWeiterbildung engagieren. Demgegenüber steht dieAnwerbung von Fachkräften aus anderen Universitä-ten oder Einrichtungen durch die an der Universitätfür Weiterbildung zuständigen Stelle. Zwei zukünfti-ge Aufgaben der Hochschule müssen daher sein, dieWeiterbildung endlich als integralen Bestandteil desGesamtsystems Hochschule zu begreifen sowie dasWeiterbildungsengagement der Hochschullehrer/innenan der eigenen Hochschule durch adäquate Anreiz-systeme zu erhöhen.

Auch zwischen den einzelnen Fachrichtungen werdenUnterschiede im Weiterbildungsengagement deutlich.So zählen besonders die Wirtschaftswissenschaften(hier sind bereits eine Vielzahl von MBA-Studiengän-gen eingerichtet), einige Naturwissenschaften (Infor-matik, Biologie, Chemie, Physik), der medizinische Be-reich sowie die Ingenieur- und Rechtswissenschaften zuden weiterbildungsaktiveren Fächern. In den Sozial-und Geisteswissenschaften sind es vor allem die Päda-gogik, Teile der Sprachwissenschaften und die Sozio-logie, in denen das Weiterbildungsengagement stärkerausgeprägt ist. Die intensiveren Weiterbildungsakti-vitäten der Wirtschafts-, Natur- und Ingenieurwissen-schaften lassen sich auch dadurch erklären, dass sichderen Angebote besser vermarkten lassen als viele so-zial- und geisteswissenschaftliche Angebote.

5.2 Angebots- bzw. Realisierungsformen,Zielgruppen

Es lässt sich nicht nur inhaltlich, sondern auch derForm nach ein weit gefächertes Angebotsspektrum anden Hochschulen feststellen. Dieses reicht von weiter-bildenden Studiengängen (in einigen Universitäten wer-den diese Kontaktstudiengänge genannt, sie stehen ne-ben den Zusatz-, Ergänzungs- und Aufbaustudiengän-gen) mit einer Laufzeit von zwei bis vier Semestern,über Seminarkurse unterschiedlicher Länge bis hin zuWochenendkursen und Tagesveranstaltungen.

Vor allem mit den längerfristigen Angeboten werden gu-te Erfahrungen gemacht. Sie zeichnen sich durch einesorgfältigere Planung und Entwicklung aus. Eine Viel-zahl von Angeboten kann berufsbegleitend besucht wer-den.

Der überwiegende Teil der befragten Einrichtungen bie-tet keine eigenen Fernstudienangebote an, nur verein-zelt ist das Fernstudium bereits historisch gewachsenoder in den letzten Jahren neu etabliert worden. DreiHochschulen ragen hier mit einem breiten Angebotoder besonderen Einrichtungen heraus: Natürlich dieFernUniversität Hagen, dann die Universität Kaisers-lautern sowie die FHTW Berlin. Allerdings wollen ein-zelne Hochschulen in Zukunft verstärkt auf Fernstu-dienangebote setzen. Andere Hochschulen fungierenbereits als regionales Zentrum der FernUniversität Ha-gen und haben z. T. über diese Kooperation hinaus ei-gene weitere Fernstudienangebote entwickelt.

In den meisten befragten Einrichtungen sind dieWeiterbildungsangebote nur z.T. modularisiert. Es gibtnur wenige, die bereits alles in Form von Modulen an-bieten. Vor allem die längerfristigen Angebote liegenhäufig in modularer Form vor. Es ist auch möglich, ein-zelne Module nach einer Art Baukastensystem zu be-legen. Die überwiegende Zahl der Angebote ist berufs-bezogen angelegt und disziplinär ausgerichtet. Dennochwird von allen Hochschulen eine größere Interdiszi-plinarität angestrebt. So vereinen vor allem die (weiter-bildenden) Masterprogramme bis zu drei verschiedeneFachrichtungen. Es finden sich aber an fast allen Hoch-schulen auch allgemeine Angebote unterschiedlicherArt (z. B. Seniorenangebote, Bürgeruniversität, Fremd-sprachen und ähnliches). Einige wenige Hochschulenbieten einen Karriereservice für wissenschaftliche Mit-arbeiter/innen als Teil der wissenschaftlichen Weiter-bildung an.

Die Weiterbildungsangebote richten sich an unter-schiedliche Teilnehmergruppen. Die wichtigste Ziel-gruppe sind aber nach wie vor Hochschulabsolventenund -absolventinnen. Ein Teil der Angebote wird imRahmen von Absolventenarbeit und der Aktivitäten sogenannter career-centers durchgeführt, die an einigenHochschulen in den letzten Jahren gebildet wordensind. Obwohl sich viele Hochschulen für neue Ziel-gruppen öffnen, wie z. B. Schüler/innen, Studierende,Mitarbeiter/innen aus Unternehmen sowie Personenohne Hochschulzugangsberechtigung, gibt es aber aucheinige Einrichtungen, die ihr Angebot bewusst auf

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Hochschulabsolventen/-absolventinnen beschränken.Dies wird vor allem damit begründet, dass Veranstal-tungen für Personen ohne Hochschulabschluss in-haltlich und methodisch anders gestaltet werdenmüssten. Gelegentlich wird die Erfahrung berichtet,dass sich eine Mischung von Weiterbildungsteilneh-mern/innen mit und ohne Hochschulabschluss nega-tiv auf den Weiterbildungserfolg beider Teilnehmer-gruppen ausgewirkt habe. Im Gegensatz dazu wurdevon anderen Hochschulen genau diese Konstellation alssehr befruchtend und anregend für den Lernprozess be-schrieben.

Die meisten der befragten Hochschulen bieten mittler-weile ein Senioren- und/oder Gasthörerstudium an. Ei-ne weitere spezielle Zielgruppe neben den Senioren istdie Gruppe der Frauen. Die hochschulinterne Weiter-bildung von wissenschaftlichen Mitarbeitern/Mitarbei-terinnen und Dozenten/Dozentinnen in wissenschafts-nahen, aber fachübergreifenden Bereichen wie z. B.Fremdsprachen, Computernutzung, Multimedia etc.nimmt eine immer größere Rolle ein.

Die Zugangsvoraussetzungen für die Weiterbildungs-programme sind jeweils angebotsabhängig. So sind fürmanche Angebote keine Zugangsanforderungen zu er-füllen, besonders bei solchen Weiterbildungen, die le-diglich mit einem Zertifikat (also keinem Hochschul-grad) abschließen. Bei anderen Angeboten bedarf es ent-weder eines Hochschulabschlusses oder einer ver-gleichbaren (Berufs-)Qualifizierung.

5.3 Abschlüsse, Rolle des Masters

So vielfältig wie die Weiterbildungsangebote sind auchdie zu vergebenen Abschlüsse. Sie reichen von einfa-chen Teilnahmebescheinigungen über spezielle Zerti-fikate bis hin zu IHK-, Bachelor-, Magister-, Diplom-und Masterabschlüssen. Einige Hochschulen stellen sogenannte qualifizierte Teilnahmebescheinigungen/Zer-tifikate aus, die nicht nur die Inhalte der besuchtenWeiterbildung, sondern auch die erbrachte Eigen- undPrüfungsleistung des Teilnehmers dokumentieren. Ge-nerell legen die Teilnehmer/innen sehr hohen Wert aufdie Vergabe von Zertifikaten und Abschlüssen, von de-nen ein (kleinerer) Teil sogar bereits akkreditiert ist.Hier liegen auch die Stärken der Hochschule im Ver-gleich zu anderen Weiterbildungsanbietern. Denn die-se kann staatlich anerkannte Abschlüsse vergeben unddarüber hinaus hat das „Siegel“ einer Hochschule eine

hohe Anziehungskraft (Imagegewinn), weil es für Qua-lität und Seriosität steht.

Eine zunehmende Anerkennung der Abschlüsse wis-senschaftlicher Weiterbildung durch Berufsverbändeoder Kammern und die Zusammenarbeit mit diesen wä-ren von sehr großer Bedeutung, um die Attraktivitätund die Akzeptanz der Abschlüsse zu steigern („um alsprofessionell zu gelten und beruflich weiterzukom-men“13). In manchen Bereichen ist dies sogar unerläss-lich (z. B. in Gesundheits- oder psycho-sozialen Beru-fen). Problematisch dabei ist, dass Berufsverbände dieZusammenarbeit mit Hochschulen eher meiden, da siehäufig über eigene Akademien verfügen und selbstWeiterbildung anbieten.

Die Frage, ob der konsekutive Master auch als Weiter-bildung angeboten werden sollte, ist in vielen Hoch-schulen noch nicht abschließend geklärt. Es wird zu-meist zwischen dem konsekutiven und dem weiterbil-denden/postgradualen Master unterschieden, wobeiletzterer auf Diplom- oder Magisterabschlüssen aufbautund nicht auf dem Bachelorgrad. Keine der befragtenEinrichtungen bietet bislang einen konsekutiven Mas-ter als weiterbildendes Studium (etwa als Teilzeitstu-dium mit multimedialer Organisation) an, doch gibt esan verschiedenen Hochschulen durchaus Überlegun-gen, das Angebot in diese Richtung auszubauen. Diesist insofern nicht ganz unproblematisch, als der Mas-ter-Abschluss damit durchgängig zu einer zweiten Pha-se – wenn auch auf einem „advanced level“ – der aka-demischen Erstausbildung wird, während in Ländernmit konsekutiver Studienorganisation ein nicht uner-heblicher Teil der postgradualen Studierenden ihre Mas-ter-Phase berufsbegleitend als Weiterbildung absolviert.Allerdings äußern einige Hochschulen auch Bedenken,Veranstaltungen, die für die Erstausbildung konzipiertsind, einfach für die Weiterbildung zu öffnen, da die-se unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und ver-schiedene Zielgruppen ansprechen. Außerdem ergibtsich ein weiteres, finanzielles Problem. Während dieAngebote der Erstausbildung (noch) gebührenfreisind, müssen für Master-Angebote als Weiterbildungs-studium Gebühren gezahlt werden.

5.4 Schwerpunkte, Defizite, Bedarf

Betrachtet man die unter 5.1 genannten aktiven Fach-richtungen, so wird deutlich, wo die Hochschulen ih-re Schwerpunkte setzen, nämlich vor allem in den an-

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gewandten Wissenschaften wie z.B. den Bereichen Bio-technologie/-informatik oder moderne Energietechni-ken sowie in der Medizin und den Ingenieur- und Wirt-schaftswissenschaften. Im sozialwissenschaftlichen Be-reich liegen die Schwerpunkte eher in solchen Feldernwie Mediation und Beratung, also solchen Bereichen,die an gesellschaftliche Probleme und Konflikte an-knüpfen. Das gilt ähnlich auch für die Psychologie. Beider Angebotserstellung orientieren sich die Hochschu-len naturgemäß meist an ihrem eigenen Profil.

Defizite werden vor allem in der Vernachlässigung derSozial- und Geisteswissenschaften, teilweise aber auchin den theoretischen Naturwissenschaften gesehen. Be-sonders hier, aber auch in allen anderen Fachbereichengilt es, das Weiterbildungsangebot weiter auszubauen.Darüber hinaus sollten sich die Hochschulen noch stär-ker in ihrer Region verankern und regionalspezifischeAngebote erstellen. Dazu zählen vor allem passgenaueAngebote für kleine und mittlere Unternehmen. Einweiteres Defizit, auf das hingewiesen wurde, liegt in denmangelnden Angeboten für das wissenschaftliche Per-sonal. Zwar gewinnt die interne Mitarbeiterweiterbil-dung zunehmend an Bedeutung, jedoch bleiben dieseAngebote meist auf die Bereiche Sprachen, EDV und –gelegentlich – Hochschuldidaktik begrenzt. Hier soll-te sich das Angebot für weitere Themen wie Projekt-management, Personalentwicklung und Karrierepla-nung öffnen.

Bedarfe für neue Weiterbildungsangebote lassen sichdemnach zunächst aus den genannten Defiziten ablei-ten. Des Weiteren wird ein Ausbau des Gesundheits-und Pflegebereichs befürwortet, mit dem sich auch neueZielgruppen erschließen ließen. Allerdings werden hierzweierlei Probleme gesehen. So erweist es sich zum ei-nen als schwierig, einen solchen Bereich wie den derPflege auf ein akademisches Niveau zu heben. Zum an-deren müssen gesellschaftliche und verbandspolitischeInteressen beachtet werden, „denn die bereits Eta-blierten, in dem Falle die Mediziner, haben nur ein ge-ringes Interesse, dass dadurch Konkurrenz auf-kommt“14.

5.5 Nutzung neuer Medien

Die neuen Informations- und Kommunikationstech-nologien (IuK-Technologien) werden von allen befrag-ten Hochschulen in unterschiedlichem Ausmaß ge-nutzt. Das Internet wird dabei zum einen als Marke-

tinginstrument gesehen, in dem die eigenen Weiterbil-dungsangebote online präsentiert werden und die po-tenziellen Teilnehmer/innen sich nicht nur darüber in-formieren, sondern auch direkt anmelden können. Zumanderen dient das Internet als Kommunikationskanal,in dem Betreuer und Lerner per E-Mail oder Chatroomsin Kontakt treten können, so dass auch während derSelbstlernphasen eine kontinuierliche Betreuung mög-lich ist. Außerdem nutzen die Einrichtungen die IuK-Technologien zur Abwicklung ihrer internen Ge-schäftsprozesse, um die eigene Arbeit rationeller zu ge-stalten und für alle Beteiligten transparenter zu machen.Die Vorteile der neuen IuK-Technologien werden un-ter anderem in folgenden Punkten gesehen:

• in der schnellen und kostengünstigen Kommunika-tion zwischen Lehrenden und Lernenden, aber auchjeweils der Lehrenden und Lernenden untereinander,womit eine stärkere Kundenbindung hergestellt wer-den kann,

• in der Schnelligkeit der Datenverarbeitung,• in der Ortsunabhängigkeit des Bildungsangebotes,• in den Recherchemöglichkeiten und dem Rückgriff

auf Datenbanken sowie• in der Einbeziehung von Bild- und Tonmaterialien.

Trotz der positiven Aspekte lässt die Euphorie der ers-ten Jahre hinsichtlich der (faszinierenden) Möglich-keiten und der Durchsetzung von E-Learning-Ange-boten langsam nach. Von allen befragten Hochschulenwurde übereinstimmend geäußert, dass die neuen Me-dien das traditionelle Lehr-Lern-Angebot zwar erweitertund bereichert haben, dennoch aber lediglich eine er-gänzende und keine ersetzende Funktion einnehmen.Es bestehen daher auch Zweifel, ob sich E-Learningüberhaupt in dem großen Maße durchsetzen wird, wienoch vor ein paar Jahren in sehr optimistischen Sze-narien angenommen wurde. Die Gründe dafür sind:

• die kostenintensive Entwicklung geeigneter Lern-plattformen und -programme,

• die aufwändige besondere Aufbereitung von Lern-material zur multimedialen Nutzung,

• der erhöhte Betreuungsaufwand, der sich währendder Selbstlernphasen ergibt,

• die Pflege dieser Programme und der Internetpräsenzaufgrund von Zeit- und Personalmangel,

• so dass damit insgesamt der Arbeitsaufwand für dieDozenten und die Kosten für vollelektronische An-gebote z. T. weitaus höher sind, als dies für traditio-nelle Angebote gilt.

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Die Infrastruktur zur Nutzung und Erstellung multi-medialer Angebote wird zwar im Großen und Ganzenals gut, aber als weiterhin durchaus ausbaufähig be-schrieben. So mangelt es vor allem an geeigneten Com-puterarbeitsräumen und -plätzen, aber auch an ausrei-chendem Personal. Überwiegend stehen den Einrich-tungen hochschulinterne und/oder -externe Unter-stützung bei der Erstellung, Aufbereitung, Wartung undFinanzierung von multimedialen Angeboten zur Ver-fügung – z. B. in Form von Rechenzentren, Media-De-sign-Zentren, audiovisuellen Medienzentren oder me-diendidaktischen Zentren. Teilweise werden Drittmit-telprojekte genutzt, um E-Learning-Angebote weiterauszubauen. Dagegen nutzen nur einige der befragtenHochschulen die Ressourcen von so genannten Multi-media-Verbünden. Ähnlich sieht es auch in Bezug aufdie Vermarktung von multimedialen Lernangebotenaus. Hier existieren kaum Konzepte, geschweige dennfertige und damit vermarktungsfähige Produkte. Nurvereinzelt werden Module, dann aber meist in Zu-sammenarbeit mit einer außeruniversitären Einrichtungoder GmbH vermarktet.

6.Qualitätssicherung und Akkreditierung

Von punktuellen Formen der Evaluation (z. B. durchTeilnehmerbefragungen) abgesehen, werden systema-tische Formen der Qualitätssicherung ebenso wie dasInstrument der Akkreditierung – entweder von Stu-diengängen oder der zuständigen/anbietenden Institu-tionen – bislang kaum genutzt. Zugleich ist das Be-wusstsein weit verbreitet, dass hier eine vordringlichezukünftige Aufgabe des Weiterbildungsmanagements anden Hochschulen – in erster Linie wohl im Rahmen vonVerbünden zwischen Hochschulen oder den für Weiter-bildung zuständigen Stellen – liegt. Dies setzt allerdingsdie Formulierung eines hochschulspezifischen Weiter-bildungsleitbildes mit fixierten Zielvorgaben und An-forderungskriterien für wissenschaftliche Weiterbildungvoraus. Insofern ist die Frage nach der Qualitätssiche-rung unmittelbar mit einem produktiven Zwang ver-bunden, sich innerhalb der Hochschulen über den Stel-lenwert und die Standards von Weiterbildung zu ver-ständigen.

Ein zentrales Qualitätskriterium ist darüber hinaus, in-wieweit ein Weiterbildungsangebot tatsächlich dazu

beiträgt, aktuelle Innovations- oder Transferproblemeder Weiterbildungspartner – insbesondere derjenigenaus der Wirtschaft – bzw. der Teilnehmer/innen zu lö-sen und deren Problemlösungskompetenz zu erhöhen.So gesehen wäre die Etablierung einer systematischenQualitätssicherung ein wichtiges Instrument zur Ent-wicklung bedarfsgerechter Weiterbildung durch in-tensivere Kommunikation zwischen „Abnehmer“ undAnbieter. Qualitätssicherung und Akkreditierung kön-nen im Rahmen der Hochschule auch als Instrumentder Organisationsentwicklung eingesetzt werden, ein-schließlich der Belange der Personalentwicklung undMitarbeitermotivation. Die Qualitätssicherung mussdabei sowohl die Leistungen der Weiterbildungsein-richtung als auch die der Hochschule insgesamt um-fassen.

Erste Akkreditierungserfolge für einzelne Grund- undAufbaustudiengänge zeigen, dass sich die Hochschulendurchaus auf diesem Markt positionieren können. Ausder Sicht der Akteure sollten Studiengänge, nicht ein-zelne Kurse oder kurzfristige Angebote akkreditiert wer-den. Etliche Hochschulen sind dabei, ihre grundstän-dige Lehre zu modularisieren und schaffen damit zu-gleich gute Anknüpfungspunkte und Qualitätsaspektefür Weiterbildung und E-Learning. Teilweise gibt es be-reits „Modularisierungsstrategien“ für das gesamteLehrangebot, auch wenn der Zusammenhang zwischenErstausbildung und Weiterbildung unmittelbar eher sel-ten berücksichtigt wird. Auf Landesebene finden sichpartiell Ansätze zu Qualitätsverbünden und zur Schaf-fung bzw. Vereinheitlichung einer Weiterbildungssta-tistik.

Die Weiterbildungsanbieter sind sich darin einig, dasshochschulspezifische Qualitätskriterien und entspre-chende Zielvereinbarungen das Qualitätsbewusstseinder Lehrenden fördern und – damit verbunden – ei-genes Weiterbildungsengagement stimulieren können.Darüber hinaus stehen die Weiterbildungseinrich-tungen dem AUE-Projekt „Qualitätsmanagement inder Hochschulweiterbildung“15 aufgeschlossen gegen-über. In diesem Programm wollen sich die Hoch-schulen in der Bundesrepublik verpflichten, eigeneKriterien für die Prozessorganisation in den Weiter-bildungseinrichtungen zu schaffen. Mittels einesQualitätssicherungssystems für die Weiterbildung anjeder Hochschule und in Hochschulverbünden könn-te auch die Konjunkturabhängigkeit des Weiterbil-dungsangebotes zugunsten größerer Kontinuität über-wunden werden.

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Ausgehend von den übergeordneten Zielvereinbarun-gen auf Landes- und Hochschulebene müssen die ein-zelnen Hochschulen neue Inhalte und Dienste für dieWeiterbildung entwickeln. Aus den vorliegenden„good-practice“-Beispielen lassen sich folgende Anfor-derungen an, bzw. Kriterien für ein qualitätvolles wis-senschaftliches Weiterbildungsangebot entwickeln:

• Die Weiterbildungseinrichtungen sind über Ziel-vereinbarungen und regelmäßigen Informations-austausch auf der Leitungsebene der Hochschule indie kontinuierliche Organisations- und Personal-entwicklung der Hochschule eingebunden. Sie leis-ten ihren Beitrag zum lebenslangen Lernen, zurinternen Mitarbeiterfortbildung sowie zur Entwick-lung der Didaktik-, Methodik- und Medienkompe-tenz der Lehrkräfte. Weiterbildungsdienste umfassenzudem „career-service“ für Hochschulabsolventen/-absolventinnen, vermitteln Informationen zur In-stitution Hochschule für neue Mitarbeiter/innen undsteigern so die Identifikation mit der Einrichtung. Sieleisten damit ihren Beitrag zur „corporate identity“und zur Marketingstrategie der Hochschule.

• Die Karrieremuster der Wissenschaftler/innen werdennicht nur mit Forschung und Lehre in der Erstaus-bildung, sondern auch mit Lehre in der Weiterbildungverbunden. Weiterbildungsaktive Wissenschaftler/in-nen erfahren interne und externe Anerkennung ihrerLeistungen, welche in die gesamte Entwicklungs-strategie der Hochschule, einschließlich Leistungs-indikatoren und Ressourcenzuweisung, eingebundensind – z.B. als Weiterbildungs-Award, Zeitäquivalenteoder ähnliches. Weiterbildung ist ein Berufungskri-terium, gesetzliche Regelungen ermöglichen eineAusübung im Hauptamt und Nebenamt bzw. als freierDozent bis dahin, dass Professuren auch explizit an-teilig der Weiterbildung gewidmet werden.

• Die Alumni erleben bereits während ihrer Studienzeitdas Weiterbildungsangebot der Hochschule, sie kön-nen dabei Teilnehmer sein, aber auch Dozenten. AlsGraduierungsleistungen können Studierende Modu-le für die Weiterbildung ausarbeiten, Studien- undWeiterbildungsangebote evaluieren und neue Bedar-fe erkunden. Sie arbeiten dadurch aktiv an der Ge-staltung des Bildungsangebotes mit.

• Alle Weiterbildungsabschlüsse sind regional, über-regional und international kompatibel auf der Basisentsprechender Vereinbarungen (bzw. einer Akkre-ditierung).

• Ausgründungen zum Weiterbildungsangebot und -management basieren auf fundierten, mit der Hoch-

schule abgestimmten Strategien und existieren in gu-ter Partnerschaft zwischen der Hochschule und derausgegründeten Einrichtung, die ihre Qualitätskrite-rien mit denen der Hochschule abstimmt.

• Die Qualität der Teilnehmerbetreuung beim E-Lear-ning ist gesichert, Interaktionen der Teilnehmer wer-den ebenso wie selbstgesteuertes Lernen gefördert.

• Praxisgerechte Weiterbildungsinhalte verknüpfenTransfer und Forschung, Weiterbildungsleistungensind Bestandteil in Drittmittelverbünden und Netz-werken und begleiten Transfer- und Forschungspro-jekte.

• Zur Erhöhung der Qualität der beruflichen Weiter-bildung arbeiten Weiterbildungseinrichtungen inNetzwerken mit Wissenschaft, Wirtschaft, Politik,Verwaltung zusammen. Weiterbildungsbedarfe wer-den systematisch und kontinuierlich erhoben undumgesetzt in passende Angebote – z. B. mithilfe re-gionaler Gremien (Weiterbildungskonferenzen oderPraxisbeiräte) und/oder von Fachprojekten. Dabeitritt die Hochschule als Moderator für den regiona-len Weiterbildungsdialog auf, Experten „fragen“ Be-darfe in die Wirtschaft „hinein“, die ihrerseits von derWeiterbildung eine strategisch-wissenschaftlichePerspektive erwarten kann. Dieser Bedarf wird in derLehre – sowohl in der Erstausbildung als auch in derWeiterbildung – aufgegriffen. Praktika, Diplomar-beiten, Forschungsaufträge, Lehreinheiten sowie ge-meinsam konzipierte Weiterbildungsprogramme ver-mitteln zwischen Bedarf und Angebot.

• Weiterbildungsteilnehmer/innen stärken mit derWeiterbildung ihre Selbstlern- und Problemlö-sungskompetenz, sie wissen um die Qualität wis-senschaftlicher Weiterbildung und setzen deren Er-gebnisse zielgerichtet in die Praxis um. So erkundensie zugleich neue Bedarfe und wirken damit wiede-rum auf Weiterbildungsangebote und -inhalte zu-rück.

7. Kooperation, Vernetzung,Technologie-Transfer

Aufgabe der Vernetzung ist es, im regionalen, nationa-len und internationalen Maßstab Kooperationsbezie-hungen auch auf dem Feld der wissenschaftlichenWeiterbildung sowohl auf der Angebotsseite (Koope-ration zwischen Anbietern) wie auf der Nachfrage- undBedarfsseite (Kooperation zwischen „Abnehmern“)

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und natürlich zwischen Anbietern und Abnehmern zuetablieren. Vernetzung beinhaltet dabei mehr als nur ei-ne lockere, gelegentliche Form der Kooperation, meinteher stabile und fester institutionalisierte Formen derZusammenarbeit und des Austausches zwischen in derRegel mehreren Partnereinrichtungen.

Regionale Kooperationen der Hochschulen existierenbereits an vielen Standorten, organisiert z. B. als „Re-gionale Agenda Netzwerk Wissenschaft, Wirtschaft, Po-litik, Verwaltung“, als langjährige Kooperation mit Ge-werkschaften, zur Lehrerfortbildung, zur Bildung in dernachberuflichen Phase oder zur Förderung der Allge-meinbildung in der Region. Weiterhin haben sich auchMitglieder des Arbeitskreises Universitäre Erwachse-nenbildung (AUE) in Landesgruppen verbunden, z. B.in Berlin/Brandenburg (diese organisiert Workshops fürWeiterbildner) oder im Nordverbund (dieser trägt eininternationales MBA-Angebot). Von allen Befragtenwird das Netzwerk des AUE als Basis für Erfahrungs-austausch und Fortbildung sowie für gemeinsame Pro-jekte sehr geschätzt.

Die Pflege solcher Kooperationen ist erfahrungsgemäßbislang stark personenbedingt. Ließe sie sich wiede-rum mit einer gewissen Verbindlichkeit in die Ziele,das Qualitätsmanagement und die Entwicklungsstra-tegie der Organisation Hochschule einbinden, könn-ten dafür zielgerichtet nicht nur Ressourcen bereitge-stellt werden, sondern vor allem ihr Stellenwerthochschulintern und -extern betont werden. Geradeauf dem Gebiet des E-Learning und der dafür erforder-lichen Investitionen sind Kooperationen über die di-rekte Kommunikation mit dem Nutzer hinaus unab-dingbar. Aus dieser Erkenntnis heraus existieren hierauch einige Landesverbünde, deren Nutzen für die ein-zelnen Hochschulen bislang aber noch nicht rechtsichtbar ist.

Internationale Kooperationen mit Hochschulen bezie-hen sich auf die Erprobung einzelner Studiengänge, teil-weise von E-Learning-Modulen und werden von denBeteiligten als sehr ausbaufähig eingeschätzt. Kontak-te zu Partnern in der EU werden vielfältig im Rahmender entsprechenden Programme genutzt, vereinzelt gibtes auch enge, wirtschaftlich orientierte Beziehungennach Osteuropa und Asien.

Mit der Ausweitung der Hochschulweiterbildung istauch die Kooperation zwischen Wirtschaft und Hoch-schule erweitert worden. Die Orientierung an Markt-

gängigkeit hat durchaus dazu geführt, „maßge-schneiderte“, bedarfsgerechte Angebote für einzelneZielgruppen oder Anforderungen zu entwickeln.Allerdings kann von einer systematischen Zu-sammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft inder Weiterbildung bislang kaum gesprochen werden.„Passgenaue“ Angebote gibt es, sie sind aber nicht dasdominierende Muster. Kooperation erfolgt eher punk-tuell und häufig informell (d. h. ohne vertragliche Re-gelung), gelegentlich in Projektform. (Die FernUni-versität Hagen ist eine der wenigen Hochschulen, diehier vertragliche Vereinbarungen pflegt.) Das hat sei-nen wichtigsten Grund nicht nur darin, dass die Aus-gangsbedingungen – vor allem regionalwirtschaftlich– der einzelnen Hochschulen sehr unterschiedlichsind; sondern auch darin, dass die Kommunikationzwischen Hochschule und Wirtschaft auf dem Feld derWeiterbildung oft von beiden Seiten als schwerfälligempfunden wird und gewiss verbesserungswürdig ist.Dies gilt z. B. für das erhebliche Defizit an systemati-scher, nicht nur punktueller Bedarfsermittlung, einerzu geringen Flexibilität der Hochschule oder der man-gelnden Transparenz der Leistungen bzw. der (vor-handenen und der potenziellen) Angebote der Hoch-schulen.

Beide Seiten kennen häufig weder die tatsächlichen Be-darfe noch die potenziellen Leistungen genau. Oft stehtder Qualifizierungsbedarf der Wirtschaft nicht im Ein-klang mit dem universitären Wissenschaftsverständnis,dem postgraduale Studiengänge eher als praxisnaheWeiterbildungsangebote entgegenkommen. Insbeson-dere Großunternehmen verfügen über eigene Mög-lichkeiten, ihrem wissenschaftlichen Weiterbildungs-bedarf nachzukommen, ohne institutionell mit Hoch-schulen zusammenzuarbeiten. Kleine und mittlereUnternehmen sind zwar meist kooperationsorientier-ter, haben dafür aber oft Schwierigkeiten, ihren Quali-fizierungsbedarf mit den Leistungen der Hochschulenabzustimmen und zu finanzieren. Integrierte Formender Zusammenarbeit, die betriebliche Innovation, For-schung und Entwicklung, Technologietransfer undWeiterbildung miteinander verknüpfen, sind äußerstselten. Der Kooperation mit der Wirtschaft mangelt esan langfristigen Zielen der Personalentwicklung. Hoch-schulen und ihre Weiterbildungseinrichtungen könn-ten hier einen umfassenden „career-service“ anbieten,ebenso Dienstleistungen für die Personalentwicklungin einem Unternehmen sowie fachspezifische Weiter-bildung und Problemlösung (in Kooperation mit demTechnologietransfer). Trotz vereinzelter „Lichtblicke“

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gibt es hier bislang aber wenig Kontinuität und Ver-bindlichkeit und keine ausgesprochene Kommunika-tionskultur.

Aspekte zur Entwicklung praxisgerechter Kooperatio-nen wären:

• Moderiert durch die Hochschule sollte ein Netzwerkinterner und externer Partner entstehen, die sichWeiterbildung für konkrete Branchen zur Aufgabemachen und damit am Markt Erfolg suchen. Dies um-fasst auch die Beratung vor Ort beim Kunden überdessen potenziellen Bedarf, damit Bedarfe rechtzeitigerkannt und aufgegriffen werden können und sichdaraus eine Kundenbindung entwickelt.

• Hochschulen müssen die Kooperation mit der Wirt-schaft als win-win-Strategie praktizieren und nichtmit hochschulspezifischen Bedingungen, Rücksich-ten und Bedenken belasten. Die durchaus vorhan-denen Finanzierungsprobleme für Hochschulan-gebote können als Chance für Sponsoring genutztwerden.

• Zu prüfen wäre, ob Hochschulen hochpreisige An-gebote weitgehend den privaten Weiterbildungsan-bietern mit entsprechenden Ressourcen und Voraus-setzungen überlassen oder ob dieses Marktsegmentauch von Hochschulen erschlossen werden sollte, diedann neben ihrer Marktpräsenz zugleich einen Bil-dungsauftrag erfüllen und sich regional verankernkönnen.

• Die Lehrerweiter- und -fortbildung hat sich als Dau-eraufgabe der Hochschule etabliert und kann auch ge-nutzt werden, um die Kooperation zwischen Schule,insbesondere dem Gymnasium, und Hochschule zumBeispiel bei der Studienvorbereitung und dem Hoch-schulzugang zu verbessern.

• PhD-Programme des DAAD können untersetzt wer-den mit Tutorials und interdisziplinären und inter-kulturellen Weiterbildungsleistungen. Das fördert dieinternationale Einbindung der Hochschule ebensowie studienvorbereitende Programme für Ausländerund den Austausch von Curricula mit Auslands-partnern. Dies ist ein eigenes Marktsegment derWeiterbildung.

• Hochschulen können Programme zur Personalaus-wahl für die Wirtschaft anbieten und diese gemein-sam mit den von Unternehmen beauftragen Perso-nalagenturen umsetzen.

• Die Weiterbildungskonzepte der Hochschulen wer-den gemeinsam mit Betriebsakademien, Personalab-teilungen von Unternehmen und Kompetenzzentren

der Hochschule erstellt und evaluiert. Damit werdendurchgängige Bildungsmöglichkeiten geschaffen undder Zugang zur wissenschaftlichen Weiterbildung ge-öffnet. Studierende und Senioren können als Evalu-atoren für Weiterbildungsangebote und für Vorhabendes Technologietransfers wirken und projektbezogen(z.B. über Graduierungsarbeiten) Weiterbildungsbe-darfe erschließen. Die Studierenden lernen dabei zu-gleich ein Berufsfeld kennen und können die Ergeb-nisse auch im Studium umsetzen.

• Weiterbildungsthemen müssen Inhalt von Veran-staltungen für Alumni sein, die mehrfach jährlichauch zur Weiterbildungsbedarfsermittlung und Kon-taktpflege genutzt werden.

8. Hochschulweiterbildung und lebens-langes Lernen als Reformkonzept

Der Begriff des lebenslangen Lernens ist in den letztenJahren auch von den meisten Hochschulen – etwa beider Leitbildentwicklung oder überhaupt in dem Zu-sammenhang mit der zukünftigen Hochschulentwick-lung – aufgenommen worden. Jedoch nur in sehr we-nigen Fällen ist dies nicht nur von programmatischer,sondern auch von operativer Bedeutung gewesen. Beider Mehrzahl der Gesprächspartner herrscht eher dieEinschätzung vor, dass dieser Begriff zumeist nur eine„Worthülse“ oder einen modischen „Slogan“ darstelltund die Hochschulleitungen in vielen Fällen den kon-zeptionellen Inhalt und die genaue Bedeutung diesesBegriffs gar nicht kennen und eine inneruniversitäreAuseinandersetzung damit nicht stattfindet. Deshalbkann auch an kaum einer Hochschule davon gespro-chen werden, dass hier eine eigene zielgerichtete Poli-tik des lebenslangen Lernens entwickelt oder imple-mentiert worden wäre, die diesen Namen tatsächlichverdient. Ausnahmen sind hier am ehesten wieder beiden beiden Hochschulen zu finden, deren studentischeZielgruppen das Prinzip des lebenslangen Lernensgleichsam paradigmatisch verkörpern (die FernUni-versität Hagen und die HWP Hamburg). Immerhin re-organisiert eine der befragten Hochschulen (die TUDarmstadt) ihre Weiterbildungsaktivitäten unter demDach eines „International Institute in Lifelong Lear-ning“ (I3L3) als einer zentralen Einrichtung.

Die Mehrzahl der Hochschulen scheint aber das The-ma eher mit „sehr spitzen Fingern“16 anzufassen. Über-

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dies wird lebenslanges Lernen im hochschulpolitischenKontext in vielen Fällen auf (wissenschaftliche) Weiter-bildung oder auf Entwicklung multimedialer Lehr- undLernformen (einschließlich E-Learning) reduziert. EinZusammenhang z. B. mit der Struktur des Hochschul-zugangs oder der akademischen Erstausbildung wird –so zumindest die Wahrnehmung der befragten Hoch-schulvertreter und Experten – kaum hergestellt. Häu-fig dient die Formel „lebenslanges Lernen“ auch nur derLegitimation von Plänen oder Maßnahmen, die ohne-hin anstehen, ohne dass mit dem Rückgriff auf diesenBegriff ein nachvollziehbarer „Mehrwert“ verbundenwäre. Insbesondere Reformen in der Erstausbildung derStudierenden, die durch eine Neuformulierung der Aus-bildungsziele der Hochschule im Kontext lebenslangenLernens motiviert wären, sind kaum zu erkennen.

Nun ist lebenslanges Lernen sicher ein schillernder Be-griff, der unterschiedlich definiert und ausgelegt wer-den kann. Wenn man aber auf die internationale De-batte – vor allem im Umfeld supranationaler Organi-sationen (u. a. OECD, UNESCO, EU)17 – blickt, dannhat sich mehr und mehr ein Verständnis entwickelt, wo-nach lebenslanges Lernen primär ein systemisches Kon-zept ist, das:

• erstens auf die Schneidung, die Koordination undDurchlässigkeit aufeinander folgender Bildungsstufenoder -sequenzen und auf die Auflösung institutionellvorgegebener, starrer Bildungswege zielt, die ehernach dem Laufbahnmodell organisiert sind,

• zweitens auf die Flexibilisierung des Lehrens und Ler-nens durch neue Lehr- und Lernformen, um eine bes-sere zeitliche und praktische Abstimmung unter-schiedlicher Lebensformen (wie z. B. Arbeiten, Ler-nen, Familie oder Freizeit) zu erreichen,

• drittens auf eine Neuverteilung von Lernzeiten überdie gesamte Lebensspanne hinweg, die sich vom tra-ditionellen Dreiphasenschema – Ausbildung, prakti-sche Arbeit, Ruhestand – verabschiedet und auf dieAusformung einer dafür erforderlichen über den gan-zen Lebenszyklus anhaltenden Weiterbildungsbe-reitschaft,

• viertens auf die Auflösung institutioneller Bildungs-monopole und eine größere Pluralität von Lernorten,deren jeweilige Angebote und Abschlüsse in einemstärkerem Maße, als dies heute der Fall ist, mitein-ander „verrechenbar“ bis hin zur wechselseitigen An-erkennung sind, sowie

• fünftens damit eng verbunden auf die Einbeziehungvielfältiger Lernerfahrungen, auch solcher außerhalb

des institutionalisierten Bildungssystems, durch neueVerfahren zur Evaluation, Zertifizierung und Aner-kennung informell erworbenen Wissens oder infor-mell erworbener Kompetenzen.

Kern der Implementation lebenslangen Lernens in dasdeutsche Hochschulsystem wäre dann eine Art inte-grierte oder zumindest aufeinander abgestimmte Stra-tegie, die die Reform der akademischen Erstausbildungmit dem Ausbau von Weiterbildung im Rahmen einerneuen Definition des Ausbildungsauftrags der Hoch-schulen verbindet. Doch ein solches Gesamtkonzept,das eine inhaltliche Überprüfung und Neuordnunggrundständiger und weiterbildender Angebote im Zu-sammenhang sieht, bleibt weitgehend ein Desiderat.

Die Chancen, die die Studienreformdebatte potenziellauch für die Weiterbildungsaktivitäten der Hochschu-len enthält, werden bislang kaum genutzt, z. B. durchdie Einführung konsekutiver Studiengänge und der da-mit verbundenen neuen Abschlüsse, in denen die Mas-ter-Phase nicht nur als zweite Stufe der Erstausbildung,sondern auch als berufsbegleitende Weiterbildung or-ganisiert werden kann, oder durch eine Modularisie-rung, die die strikte Trennung zwischen grundständigund weiterbildend überwindet. Dies mag – neben derGebührenproblematik – den Grund haben, dass derkonsekutive Master zu selten als Chance der Weiter-bildung gesehen wird, sondern eher als forschungs-orientierte Vertiefung oder als fachliche Spezialisierungbzw. Ergänzung der akademischen Erstausbildung. DieMaßnahmen oder Debatten um die Einführung kon-sekutiver Studiengänge spiegeln mehr die Bemühungender deutschen Hochschulen um international kompa-tible Studienstrukturen und Studienabschlüsse wider alsdas Ziel, die Weiterbildung stärker zu verankern.

Auch wenn die deutschen Hochschulen in der Praxisvon solchen Visionen noch weit entfernt sind und inden meisten Interviews spürbar wurde, dass solche tief-greifenden Strukturreformen gar nicht im Blickfeld derHochschulen liegen und schon wesentlich bescheide-nere Reformansätze häufig schwierig genug durchzu-setzen sind, neigt die Mehrzahl der Gesprächspartnerkeineswegs dazu, deswegen den Begriff des lebenslan-gen Lernens pauschal zu verwerfen. Vielmehr erken-nen sie durchaus Impulse unterschiedlicher Art, die ausdieser Debatte hervorgehen (können) – bis hin zu kon-kreten Anregungen, wie dieses Konzept schrittweiseumzusetzen wäre. Zunächst wird vor allem von den fürWeiterbildung an den Hochschulen zuständigen Per-

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sonen mehrfach hervorgehoben, dass die Debatte überlebenslanges Lernen eine nützliche Argumentations-hilfe und Legitimation für die eigenen Aktivitäten undBemühungen um einen Ausbau der Weiterbildung bie-tet, auch dann, wenn an eine Realisierung weit aus-greifender Reformen nicht zu denken ist. Diese Debatteübt auf die Hochschulen gleichsam so etwas wie einenheilsamen Zwang aus, sich überhaupt mit dem ThemaWeiterbildung – in welcher Form auch immer – zu be-schäftigen.

Die Mehrzahl der Gesprächspartner registrierte durch-aus, dass mit dem Begriff des lebenslangen Lernens einfundamentaler Paradigmenwechsel einhergeht. Dieserlässt sich in verschiedenen Leitprinzipien beschreiben:

• Der Brennpunkt des Lehrens und Lernens verschiebtsich von der Vermittlung von Fachwissen hin zumselbstständigen problemorientierten Lernen – dem Er-werb einer Art Selbstlernkompetenz.

• An die Stelle der im deutschen Hochschulsystem im-mer noch vorrangigen Angebotsorientierung tritt ei-ne größere Nachfrage- und Bedarfsorientierung.

• Damit wird die Rolle des/r individuellen Lerners bzw.Lernerin deutlich gestärkt, der/die idealiter selbst be-stimmt, in welcher Lebensphase er/sie an welchenLernorten mit welchen Zielen welche Bildungsein-heiten/-abschnitte absolviert.

• Lebenslanges Lernen führt dann dazu, dass sich weit-gehend standardisierte Bildungsbiografien – erstSchule, dann Studium, dann Beruf und gelegentlicheFortbildung bis zum Ruhestand – zugunsten einergrößeren Flexibilität und Vielfalt auflösen.

• Eine Neugestaltung von Bildungsinstitutionen oderBildungsabschnitten im Sinne lebenslangen Lernenszwingt vor allem die Einrichtungen der Erstausbil-dung zu einer Besinnung und deutlichen Konzen-tration auf diejenigen grundlegenden Fähigkeiten undFertigkeiten, die die Basis für lebenslange Lernpro-zesse bilden. Für die Hochschule gilt dies in beson-derer Weise für die Vermittlung von Methoden-, The-orie- und Sozialkompetenz innerhalb des Fachstudi-ums.

Auch wenn die Implementierung lebenslangen Lernensnoch ganz am Anfang steht, lassen sich eine Reihe kon-kreter Vorschläge unterbreiten, die geeignet sind, die-ses Konzept umzusetzen oder die zumindest die Rich-tung für eine Realisierung verdeutlichen. In den Inter-views sind dazu unter anderem folgende Punkte ge-nannt worden:

• Von nahezu allen Gesprächspartnern ist die Modu-larisierung von Studiengängen als ein Ansatzpunktgenannt worden, auch wenn dieselben Module nichtfür Erstausbildung und Weiterbildung wegen derUnterschiedlichkeit der Voraussetzungen und Be-dürfnisse der jeweiligen Zielgruppen angeboten wer-den sollten.

• Wie bereits erwähnt, bieten konsekutive Studien-gangsstrukturen die Möglichkeit, Erstausbildungund Weiterbildung aufeinander im Rahmen eines Ge-samtkonzepts zur Neuordnung der Lehre bzw. desStudiums abzustimmen.

• Unverzichtbar ist dafür auch eine deutlichere Profi-lierung der Studiengänge im Sinne der Konzentrationauf die zentralen Ausbildungsziele.

• Neue Formen der Leistungsbewertung und -zertifi-zierung könnten diesen Prozess unterstützen. DieEinführung eines „credit-point“-Systems wird eben-so genannt wie die Errichtung von „assessment-cen-ters“, die insbesondere beim Hochschulzugang so et-was wie bildungswegunabhängige Kompetenzprü-fungen erproben und implementieren könnten.

• Alumni-Arbeit und Alumni-Programme werden alsein Bestandteil eines solchen Konzepts immer wie-der genannt, ebenso der Ausbau von „career-coun-selling“-Angeboten.

• Elektronisch gestützte multimediale Lernangebote zu-sammen mit einer stärkeren Flexibilisierung des Ler-nens (im Sinne einer gewissen Unabhängigkeit vonRaum und Zeit, die auch ein berufsbegleitendes Stu-dieren ermöglicht) sind ebenfalls ein unverzichtba-res Element.

9.Zukünftige Entwicklung der Hoch-schulweiterbildung – fünf Argumente

Die wissenschaftliche Weiterbildung, die in der Ver-gangenheit und über weite Strecken auch heute nocheher am Rande der Hochschule angesiedelt war bzw. ist,hat es in den letzten zehn Jahren immerhin geschafft,sich programmatisch, ja auch hochschulrechtlich fest imAufgabenverständnis der Hochschule als eine ihrerKernaufgaben zu etablieren. Zwar sind die Praxis derHochschulweiterbildung, ihre tatsächliche Bedeutungund Stellung innerhalb der Hochschule immer noch weitvon dieser ihr zugewiesenen Rolle entfernt. Es ist abernicht zu übersehen, dass der Prozess der Institutionali-sierung und Expansion der Hochschulweiterbildung in

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den neunziger Jahren kontinuierlich angehalten hat unddie Hochschulweiterbildung inzwischen vor einem er-neuten Ausbau- und Wachstumsschub steht. Zumindestist das Bewusstsein der hochschulpolitischen Akteure,welche Bedeutung der Weiterbildung an den Hoch-schulen eigentlich zukommen sollte, deutlich weiter-entwickelt als die Praxis. Und die Hochschulen geratenhinsichtlich ihres weiterbildenden Engagements mehrund mehr unter einen gewissen Legitimationsdruck.

Nach einem Jahrzehnt des programmatischen Über-schusses scheint sich unter vielen Akteuren die Einsichtzu verbreiten, wie groß der Handlungsbedarf auf demFeld der wissenschaftlichen Weiterbildung immernoch ist. Jedenfalls mehren sich die Anzeichen dafür,dass die Hochschulen und die Hochschulpolitik sichzurzeit in einer Phase des Übergangs zur Entwicklungund Implementation konkreter Programme und Stra-tegien befinden. Nahezu alle bildungspolitisch inDeutschland wichtigen Institutionen – Kultusminis-terkonferenz, Bund-Länder-Kommission für Bildungs-planung und Forschungsförderung, Wissenschaftsrat,Hochschulrektorenkonferenz und Arbeitgeberverbän-de – haben sich in den letzten Jahren mit den Zu-kunftsperspektiven der wissenschaftlichen Weiterbil-dung an den Hochschulen beschäftigt und hierzu Emp-fehlungen bis hin zu konkreten Förderprogrammenvorgelegt oder sind gerade dabei, sich entsprechend mitdiesem Thema auseinanderzusetzen. Die Chancen füreinen nachhaltigen Bedeutungszuwachs und Ausbauder wissenschaftlichen Weiterbildung an den Hoch-schulen sind gegenwärtig und in der nächsten Zukunftbesser als jemals zuvor in der Vergangenheit. Es kommtdarauf an, sie auch zu nutzen.

Fünf Argumente bzw. Aspekte sind hier hinsichtlich derzukünftigen Entwicklung der wissenschaftlichen Weiter-bildung wichtig.

Das NachfrageargumentDie Nachfrage nach wissenschaftlichen Weiterbil-dungsangeboten und Weiterbildungsleistungen wird inden nächsten Jahren voraussichtlich erheblich zuneh-men. Die Frage ist, wer die mit dieser expansiven Nach-frage nach beruflicher Weiterbildung von Hochschul-absolventen/-absolventinnen verbundenen Chancennutzt und in welchem Umfang die Hochschulen daranpartizipieren können. Folgende Indikatoren sprechenfür eine deutlich zunehmende Weiterbildungsnachfra-ge von Hochschulabsolventen bzw. -absolventinnen. DieZahl der Erwerbstätigen mit einem Hochschulab-

schluss (Universität oder Fachhochschule) hat in denneunziger Jahren allein in den alten Ländern um 1,5Millionen Personen zugenommen; dies entspricht imWesentlichen dem Erweiterungsbedarf des Beschäfti-gungssystems. Hinzu kommen weitere ca. 600.000 Per-sonen, die mit einem Hochschulabschluss neu in dasBeschäftigungssystem aufgrund des vorhandenen Er-satzbedarfes – hauptsächlich durch Verrentung oderPensionierung – eingetreten sind. Von 1978 bis 1999hat der Anteil der Erwerbstätigen mit Hochschulab-schluss an allen Erwerbstätigen von 8 Prozent auf 16,5Prozent zugenommen.18

Dieser recht eindeutige Trend zur Höherqualifizierungwird voraussichtlich auch zukünftig weiter anhalten.Prognosen deuten darauf hin, dass der Anteil der hoch-qualifizierten Arbeitskräfte (also solcher mit Hoch-schulabschluss) an allen Erwerbstätigen bis 2015 aufetwa 18 bis 20 Prozent ansteigen wird. Danach ist derakademische Beschäftigungssektor, vor allem im Bereichder sekundären Dienstleistungen, der „dynamischste“Sektor innerhalb des Arbeitsmarktes bzw. des Beschäf-tigungssystems überhaupt. Erwerbstätige mit Hoch-schulabschluss bilden daher allein quantitativ gesehenein beträchtliches Weiterbildungspotenzial und einenausgesprochenen Wachstumsmarkt. Da die Weiterbil-dungsbereitschaft mit der schulischen und beruflichenQualifikation ansteigt, sind sie zugleich eine derweiterbildungsaktivsten, wenn nicht sogar die weiter-bildungsaktivste Gruppe unter allen Erwerbstätigen.Die anhaltende Hochschulexpansion wird also voraus-sichtlich – phasenverschoben – in eine ähnlich starkeExpansion der Weiterbildungsnachfrage einmünden.

Das BedarfsargumentMit der steigenden Nachfrage ist auch ein zunehmen-der Bedarf an wissenschaftlicher Weiterbildung ver-bunden. Dies findet seinen wichtigsten Grund darin,dass die berufliche Qualifikation von Hochschulabsol-venten/-absolventinnen in besonderer Weise von derDynamik der Wissens- und Wissenschaftsentwicklungberührt wird. Lebenslanges Lernen und kontinuierlicheWeiterbildung sind nur die andere Seite einer perma-nenten und immer schnelleren Wissensproduktion undeiner damit einhergehenden „Historisierung“ ältererWissensbestände. Zugleich wird sich der Bedarf an wis-senschaftlicher Weiterbildung mit der steigenden Zahlder Arbeitsplätze, die mit Hochschulabsolventen/-ab-solventinnen besetzt sind oder werden, erheblich er-höhen, weil hochqualifizierte, akademisch ausgebilde-te Arbeitskräfte in der Regel in besonderer Weise als Ak-

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teure strukturellen Wandels und gesellschaftlicher, wirt-schaftlicher und technischer Innovation handeln.Hochschulabsolventen/-absolventinnen als den Trägernhumankapitalintensiver Dienstleistungen (wie For-schung, Entwicklung, Beratung, Information, Kom-munikation, Ausbildung und Management) kommt ei-ne Schlüsselfunktion für das Innovationspotenzial ei-ner Gesellschaft zu.

In akademischen Berufen sind stärker noch als in an-deren Berufsgruppen die Anforderungen lebenslangenLernens zu einem festen Bestandteil der Berufsrolle ge-worden, so dass sich ein wachsender Bedarf an berufs-bezogener wissenschaftlicher Weiterbildung in fast al-len Fachrichtungen und Tätigkeitsfeldern beobachtenlässt. Dieser Bedarf zeigt sich nicht nur in quantitati-ven Dimensionen, sondern auch in den qualitativen An-forderungen. Immer weniger lassen sich die beruflichenAnforderungen an Hochschulabsolventen und -absol-ventinnen allein im disziplinären Bezugsrahmen vonFachwissenschaften formulieren. Vielmehr spielen hiermehr und mehr auch so genannte Hybridqualifikatio-nen eine Rolle (z. B. interdisziplinäres Denken, Me-thodenkompetenz, Sozialkompetenz, Problemlösungs-fähigkeit etc.), die allein weder durch die Erstausbil-dung noch durch berufspraktische Bewährung, sonderndurch die ständige Konfrontation von berufs-praktischem Erfahrungs- und theoretischem Refle-xionswissen im Rahmen lebenslanger Lernprozesse aus-geformt werden können.

Das StrukturargumentDie hochschulpolitischen Rahmenbedingungen und in-stitutionellen Gestaltungsspielräume für einen Ausbauder Weiterbildung an den Hochschulen werden sich –jedenfalls grundsätzlich, als Chance – in der Folge deraktuellen hochschulpolitischen Reformdebatten ver-bessern. Im Zusammenhang mit der Etablierung neuerSteuerungsformen und Lenkungsmechanismen imHochschulsystem zählen hierzu vor allem der Trend zustärkerer Differenzierung und Profilbildung im Hoch-schulsystem als Ausdruck der neuen Wettbewerbsphi-losophie, der es den Hochschulen grundsätzlich ermög-licht, auch die Weiterbildung als Instrument inter- undintrainstitutioneller Differenzierung und Profilbildungzu nutzen. Da unter den Bedingungen eines schärferenWettbewerbs vermutlich nahezu alle Hochschulen – zu-mindest die forschungsorientierten Universitäten – ihreChance in der Konzentration auf ihre Stärken in der For-schung suchen werden und auch ihre Studienangebo-te und die Lehre dann in hohem Maße auf „Leuchttür-

me“ in der Forschung hin ausrichten werden, wird auchdie wissenschaftliche Weiterbildung primär an die je-weiligen Forschungsprofile und -leistungen der Hoch-schulen anknüpfen müssen, wenn sie nicht von vorn-herein mit mangelnder Reputation und Akzeptanz be-lastet sein will. Wie auch international zu beobachtenist, kann die wissenschaftliche Weiterbildung – nicht zu-letzt im Kontext von Regionalisierungsstrategien – aberauch solchen meist kleineren und mittleren Univer-sitäten eine Entwicklungschance bieten, die im For-schungswettbewerb nicht in der ersten Liga mitspielenkönnen.

Das Strukturargument trifft aber nicht nur aus der Per-spektive der strukturellen Differenzierung des Hoch-schulsystems, sondern auch aus dem Blickwinkel desWeiterbildungsmarktes zu. Der Markt an Weiterbildungfür Hochschulabsolventen und -absolventinnen wirdsich in Zukunft wohl noch stärker diversifizieren, alsdies bereits in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.Deshalb wird die Frage an Bedeutung gewinnen, wie sichdie Hochschulen auf diesem Markt platzieren werden.Es ist davon auszugehen, dass es mindestens fünf gro-ße Kategorien von Anbietern auf dem Markt für wis-senschaftliche Weiterbildung geben wird: (1) die Hoch-schulen, (2) privatrechtliche Ausgründungen der Hoch-schulen, z.T. in Kooperation mit anderen Trägern, (3)solche privaten oder öffentlichen Anbieter, die Weiter-bildung im Wesentlichen innerhalb der eigenen Orga-nisation anbieten (z.B. Corporate Universities, Akade-mien oder andere Einrichtungen von Berufsverbänden),(4) solche privaten Träger, die Weiterbildung offen zu-gänglich auf dem Markt anbieten, sowie (5) schließlichinternationale Anbieter, deren Bedeutung – etwa im Zu-sammenhang mit dem zu erwartenden neuen GATS-Ab-kommen – zunehmen wird. Die Hochschule kann da-her die Frage nach ihrem strategischen Ort in der wis-senschaftlichen Weiterbildung auf Dauer nur beant-worten, wenn sie ihre Rolle, ihre Stärken und Schwä-chen in diesem kompetitiven Gesamtsystem klärt, alsoauch in der Weiterbildung nicht einfach eine Strategieder Proliferation, sondern der Profilierung betreibt.

Das StudienreformargumentDie traditionelle, auch heute noch weithin dominie-rende Studienorganisation im deutschen Hochschul-system, im Wesentlichen am Bild eines mindestens fünf-jährigen Vollzeit- und Präsenzstudiums orientiert, warund ist kaum für die spezifischen Anforderungen derWeiterbildung geeignet. Andere, weiterbildungs-freundlichere Studienformen haben sich mehr oder we-

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niger nur in wenigen Nischen innerhalb des Hoch-schulsystems ansiedeln können. Die vor einigen Jahrenneu begonnenen Studienreformbemühungen hin zukonsekutiven und modularisierten Studiengängen bie-ten grundsätzlich auch die Chance, das Verhältnis zwi-schen grundständigen und weiterbildenden Studien neuzu definieren und beide Sequenzen als Teile eines alsEinheit verstandenen Qualifizierungsprozesses neu zugestalten. Andere Studienreformprojekte – wie z.B. Teil-zeitstudium, Ausbau der Fernstudienangebote, über-haupt stärkere Nutzung der elektronischen Medien,neue Formen der Leistungsbewertung und -dokumen-tation, offenere Formen des Hochschulzugangs, indi-viduelle Anerkennung von beruflichen Qualifikationenund Leistungen („assessment of prior experiential le-arning“) und anderes mehr – wären ebenfalls geeignet,nicht nur für die Erstausbildung, sondern auch für diewissenschaftliche Weiterbildung wesentlich flexiblereorganisatorische Strukturen des Lehrens und Lernensherzustellen.

Dieses ist auch noch aus zwei anderen Gründen er-forderlich. Zum einen haben steigende Bildungs- undberufliche Anforderungen, der mit einem schärferen in-dividuellen Bildungswettbewerb zwangsläufig verbun-dene permanente Höherqualifizierungsdruck, die da-mit einhergehende immer häufigere Wahl längerer Aus-bildungswege (insbesondere über Gymnasium undHochschulstudium) sowie der längere Verbleib in Bil-dungsinstitutionen zu einer kontinuierlichen Ausdeh-nung vorberuflicher Bildungs- und Ausbildungszeitengeführt. Eine ständige Verlängerung von Bildungs-wegen und Verbleibszeiten im Rahmen der Erstausbil-dung ist jedoch auf Dauer unproduktiv, da die krea-tivste oder jedenfalls ein großer Teil der kreativsten Le-benszeit außerhalb des Arbeits- und Berufslebens ver-bracht wird. Das Verhältnis von Erstausbildung undWeiterbildung bedarf daher gerade in dem Bereich derohnehin schon längsten Qualifizierungswege einergrundlegenden Neugestaltung („life-cycle-redistribu-tion“). Zum anderen stehen Bemühungen um ein stär-keres Engagement der Hochschulen in der Weiterbil-dung immer auch im Kontext der Bemühungen um ei-ne stärkere Praxisorientierung der akademischen Leh-re. Gerade die wissenschaftliche Weiterbildung hat ander Nahtstelle von Wissenschaft und Praxis eine wich-tige wechselseitige Austausch-, Vermittlungs- undTransferfunktion. Der Ausbau der Weiterbildung ist da-her auch eine Strategie, Praxisbezüge herzustellen undeiner zu starken fachlichen Segmentierung der Hoch-schullehre entgegenzuwirken. Wissenschaftliche

Weiterbildung ist immer auch ein Beitrag zum Wis-senstransfer – in dem doppelten Sinne des Transferswissenschaftlichen Wissens in praktische Anwen-dungszusammenhänge und des Rücktransfers prakti-scher Erfahrungen in wissenschaftliche Problemstel-lungen.

Das IntegrationsargumentDie Hochschulen werden mittelfristig, gerade unter denBedingungen eines schärferen Wettbewerbs und einergrößeren institutionellen Autonomie (auch in Finan-zierungs- und Haushaltsangelegenheiten), aus wohl-verstandenem Eigeninteresse ihre Vernetzung mit derGesellschaft und der Wirtschaft zu intensivieren suchenund sie werden sich deshalb in Zukunft auch stärkernachfrage- und bedarfsorientiert verhalten. Deutlicherals je zuvor wird sich deshalb die Hochschule in Zu-kunft als eine gesellschaftliche Dienstleistungseinrich-tung begreifen, die die Funktionen der Erkenntnisge-winnung und der Wissensproduktion (durch For-schung) mit der Funktion der Vermittlung wissen-schaftlichen Wissens und der Qualifizierung des Hu-manpotenzials (durch Lehre und Weiterbildung) unterdem Ziel verbindet, ihre Absolventen und Absolven-tinnen den gesellschaftlichen Anforderungen entspre-chend auf die weitgehend selbstständige Übernahmeund Ausübung kognitiv anspruchsvoller Berufsrollenvorzubereiten. Die Weiterbildung ist geradezu ein pa-radigmatisches Handlungsfeld, um die Hochschule stär-ker in der Gesellschaft zu verankern.

Die Bedeutung der Hochschule als Ausbildungsein-richtung, als Institution des Wissenstransfers innerhalbdes gesamten volkswirtschaftlichen Qualifizierungs-systems hat zwar kontinuierlich zugenommen, ables-bar an dem immer weiter steigenden Anteil der Er-werbstätigen mit Hochschulabschluss. Anders als imBereich der Forschung ist der Einfluss der Hochschu-le in der Ausbildung und Lehre aber im Wesentlichenimmer noch auf die jeweiligen Studierendengeneratio-nen, im Kern junge Erwachsene in der Altersspannezwischen 18 und 28 Jahren, beschränkt. Der weitausgrößte Teil der gesellschaftlich produktiven Lebenszeitund die gesamte Berufsbiografie ihrer Absolventen undAbsolventinnen, soweit sie nicht selber in der Wissen-schaft tätig sind, liegen dagegen außerhalb ihres Ein-fluss- und Kräftefeldes. Mit den absehbaren demogra-fischen Veränderungen in der Altersschichtung der Be-völkerung wird sich der Transfer wissenschaftlicher In-novation in Zukunft aber weniger über den Genera-tionenwechsel, den Austausch Älterer gegen Jüngere,

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Stifterverband • Positionen, Oktober 2003

vollziehen, sondern in erster Linie über die Weiter-qualifizierung aller aktiven Generationen von Arbeits-kräften.

Wenn die Hochschule angesichts dieser Veränderungenihre Position im gesellschaftlichen Qualifizierungssys-tem behaupten will, dann muss sie die Weiterbildungmit Forschung und Lehre (in der Erstausbildung) als ih-re dritte zentrale Aufgabe über rechtliche Normierun-gen hinaus anerkennen und auch tatsächlich ausüben.Die Hochschulen haben zu lange darauf vertraut, ihreRolle in der Gesellschaft hauptsächlich über ihr – in Zu-kunft wohl nicht mehr uneingeschränktes – Monopolzur Vergabe akademischer Abschlüsse wahrzunehmen.In dem Maße jedoch, in dem die Bedeutung des Erst-

abschlusses durch die Notwendigkeit lebenslangerLernprozesse relativiert wird, steht die Hochschule in derGefahr, als Institution der Qualifizierung an Bedeutungzu verlieren, wenn sie sich nicht stärker in der Weiter-bildung engagiert. Auch hier muss allerdings eingeräumtwerden, dass sich diese Entwicklungen keineswegs auto-matisch zugunsten der Weiterbildung vollziehen, son-dern lediglich eine Chance dafür bieten. Es kommt dar-auf an, aus Programmen Strukturen werden zu lassen.

Beate Herm, Claudia Koepernik,Verena Leuterer, Katrin Richter,

Andrä Wolter, Technische Universität Dresden

1 Hochschulrektorenkonferenz: Weiterführende Studienangebote

an den Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Auf-

baustudien, Zusatzstudien, Ergänzungsstudien, Weiterbildende

Studien. 16. neubearb. Auflage, Bad Honnef 2001.

2 Experteninterview Prof. Schäfer (FH Jena), 2002.

3 Burton R. Clark: The Higher Education System. Berkeley/Los

Angeles 1983, S. 143.

4 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Berichtssystem

Weiterbildung VII. Bonn 2000, Kapitel 9.

5 Burton R. Clark: Creating Entrepreneurial Universities – Orga-

nizational Pathways of Transformation. Oxford/New York 1998.

6 Ulrich Teichler: Wissenschaftliche Weiterbildung an Hochschu-

len. In: AUE (Hrsg.): Hemmnisse und Desiderata bei der Reali-

sierung wissenschaftlicher Weiterbildung durch die Hochschu-

len. Hannover 1990, S. 9-17, hier S. 10.

7 Interview TU Berlin, 2002.

8 Äußerung in einem Hochschulinterview (vertraulich).

9 Experteninterview Prof. Faulstich (Universität Hamburg),

2002.

10 Experteninterview Prof. Schäfer (FH Jena), 2002.

11 Interview Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, 2002.

12 Äußerung aus mehreren Hochschulinterviews (Quellen ver-

traulich).

13 Interview Universität Oldenburg, 2002.

14 Experteninterview Prof. Schäfer (FH Jena), 2002.

15 AUE = Arbeitskreis Universitäre Erwachsenenbildung e. V.

16 Experteninterview H. Vogt (Hamburg), 2002.

17 Vgl. hierzu D. Istance/H. Schuetze/T. Schuller (eds.): Interna-

tional Perspectives on Lifelong Learning. Buckingham 2002.

18 Gernot Weisshuhn: Zukunft von Bildung und Arbeit – Perspek-

tiven von Arbeitskräftebedarf und -angebot bis 2015, Bericht

der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und For-

schungsförderung (BLK) an die Regierungschefs von Bund und

Ländern, BLK. Bonn 2002.

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Ausschreibung32

Stifterverband • Positionen, Oktober 2003

Der HintergrundDie Nachfrage nach beruflichen Weiterbildungsange-boten steigt kontinuierlich, doch an diesem Markt ha-ben die Hochschulen derzeit nur einen geringen Anteil.Nach der Festschreibung des Weiterbildungsauftragesder Hochschulen in den Hochschulgesetzen fristet dieWeiterbildung innerhalb der Hochschule zwar häufignoch immer ein institutionelles Nischendasein oderwird unkoordiniert im Rahmen professoraler Neben-tätigkeiten angeboten, viele Hochschulen beginnen aberinzwischen, sich strukturell auf die neuen Bedingun-gen des lebenslangen Lernens und ihren Weiterbil-dungsauftrag einzustellen. Neue Diskussionen über ei-ne Akademisierung der beruflichen Weiterbildungmachen das Thema zusätzlich aktuell. Es geht vor al-lem darum, von der Angebots- zu einer Nachfrage-orientierung und damit auch zu einer besseren Zu-sammenarbeit mit der Wirtschaft zu gelangen. Zugleichgilt es, institutionelle Formen zu finden, mit denen dieInstitution Hochschule zugleich als Anbieter, Organi-sator und finanzieller Profiteur solcher Angebote auf-treten kann.

Schwächen gibt es aufseiten der Hochschulen vor allemin der Organisation und im Management von Weiter-bildungsaktivitäten. Auch ist festzustellen, dass bei derEntwicklung konsekutiver und modularisierter Stu-diengänge der Aspekt der berufsbegleitenden Weiter-bildung im Studiendesign kaum berücksichtigt wird. DieStärken der Hochschulen, ihre Nähe zur aktuellen For-schung und ihre Wissenschaftlichkeit, werden nur sel-ten zielgruppenspezifisch in praxisorientierte Angebo-te mit engem Berufsbezug umgesetzt.

Im kompetitiven Markt der Weiterbildungsangebotekönnen sich die Hochschulen auf Dauer nur dann pro-filieren, wenn sie ihre Stärken und Schwächen in die-sem System analysieren und daraus Strategien und Ge-schäftsmodelle entwickeln, die auf die Bedürfnisse po-tenzieller Zielgruppen zugeschnitten sind. Aus einerMcKinsey-Analyse zur Optimierung der Aus- undWeiterbildung in Unternehmen geht hervor, dassdurch eine verbesserte Ausrichtung des Corporate Trai-

nings an den Unternehmenszielen eine deutliche Qua-litäts- und Effizienzsteigerung erreicht werden kann.Dazu sei unter anderem eine stärkere Verknüpfung derWeiterbildungsangebote mit den zentralen Geschäfts-prozessen, die systematische Abstimmung einzelnerWeiterbildungsmodule und nicht zuletzt eine profes-sionelle Erfolgskontrolle notwendige Voraussetzung.1

Auch auf diese Herausforderungen müssen die Hoch-schulen Antworten finden.

Der WettbewerbMit dem Wettbewerb „Hochschulen im Weiterbil-dungsmarkt“ will der Stifterverband „best-practice“-Ge-schäftsmodelle für die Entwicklung und Vermarktungvon Hochschulweiterbildungsangeboten identifizie-ren, auszeichnen und öffentlich präsentieren.

Die Preisträger werden durch eine Jury des Stifterver-bandes aus Unternehmens- und Hochschulvertreternausgewählt.

Die PreiseDie drei besten Geschäftsmodelle werden mit folgen-den Preisen ausgezeichnet:

Erster Preis: 100.000 €Zweiter Preis: 50.000 €Dritter Preis: 25.000 €

Neben dem Preisgeld erhält die Siegerhochschule einezweiwöchige kostenlose Strategieberatung durch einBeraterteam von McKinsey&Company.

Die Preise werden im Rahmen einer öffentlichen Ver-anstaltung verliehen.

Das Verfahren Der Stifterverband erbittet mit dieser Ausschreibung dieEinreichung von Geschäftsplänen, in denen mindestensdie folgenden Punkte kommentiert und dokumentiertwerden müssen:

III. Hochschulen im WeiterbildungsmarktAusschreibung des Wettbewerbs um die besten Geschäftsmodelle

für Hochschulweiterbildungsangebote

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Idee/Geschäftsfeld• Welche Erfahrungen und Erfolge gibt es an Ihrer

Hochschule auf diesem Geschäftsfeld?• Welchem Leitbild folgt das Konzept?• Wie fügt sich das Angebot in das Konzept des lebens-

langen Lernens?• Welches Marktsegment soll besetzt werden?• Welche Entwicklungsschritte sind vorgesehen?• Wie verhält sich das Profil des Weiterbildungsangebo-

tes zum Gesamtprofil und zur Entwicklungsplanungder Hochschule?

Marktanalyse• Welche Mitbewerber gibt es im angestrebten Markt-

segment? • Was lernen Sie von deren Aktivitäten? • Welche Stärken und Schwächen haben Sie im Ver-

gleich dazu?• Wie unterscheidet sich das Angebot von dem der Mit-

bewerber?• Welche Zielgruppen sollen durch die Angebote erreicht

werden?• Welchen Bedarf haben Sie ermittelt? • Wie wird dieser ermittelt? • Welche Partner und Institutionen werden dabei einge-

bunden?• Gibt es Kooperationen/Netzwerke mit Anbietern oder

Abnehmern von Weiterbildungsangeboten?

Struktur/Management• Welche Rechts- und Organisationsform haben die

Weiterbildungsaktivitäten?• Wie ist die Weiterbildungsorganisation personell und

sachlich ausgestattet?• Wie ist sie in die Hochschule eingebunden?• Wie ist sie mit anderen Dienstleistungen der Hoch-

schule verknüpft?• Über welche Erfahrungen verfügen die

Mitarbeiter/Manager/Dozenten?• Wie sind die Lehrkräfte in Planung und Durchführung

der Angebote eingebunden?• Welche hochschulinternen Anreizsysteme gibt es zur

Einbindung von Fachbereichen und Lehrenden bei derEntwicklung von Weiterbildungsangeboten?

Produkt• Welche Weiterbildungsprodukte werden angeboten?• Wie werden die Angebote zertifiziert?

• Wie und von wem werden diese entwickelt bzw.weiterentwickelt?

• Welche Berufsrelevanz weisen die Angebote auf?• Wie ist das Weiterbildungsangebot in Forschung und

grundständiger Lehre an der Hochschule eingebunden?• Gibt es einen Zusammenhang zwischen Technologie-

transfer und Weiterbildungsprodukten?• Gibt es besondere Lehr- und Lernformen?• An welchen Orten wird das Produkt angeboten?• Welche Verknüpfungen werden zwischen den Weiter-

bildungsangeboten und den zentralen Geschäftspro-zessen von Unternehmen hergestellt?

• Wie werden die Angebote mit den Unternehmenszielenabgestimmt?

Qualitätsmanagement• Wie wird die Qualität der Angebote gesichert?• Wie wird bei den Nachfragern Transparenz über die

Qualität geschaffen?• Wie werden die Nachfrager in die Qualitätssicherung

der Angebote eingebunden?• Welche Informationen gibt es über den „Marktwert“

der zertifizierten Abschlüsse? • Gibt es Erkenntnisse über die beruflichen Werdegänge

von Absolventen der Weiterbildungsangebote?

Marketing• Wie werden Zielgruppen identifiziert und angesprochen?• Welche Vermarktungsstrategien gibt es?• Wie werden die Tranzparenz und die Kommunikation

über das Angebot hergestellt?• Welche authentischen Informationen gibt es für poten-

zielle Nachfrager?

Finanzierung/Budget• Wie stellt sich das Finanzierungsmodell der Hoch-

schulweiterbildung in den kommenden fünf Jahrendar?

• Welchen Finanzierungsanteil und welche Infrastruk-tur bringt die Hochschule in das Modell ein?

• Wie erfolgt das Controlling des Budgets?• Wie wird das Personal finanziert bzw. honoriert?• In welchem Verhältnis stehen Honorare und „institu-

tional overhead“?• Welche Gebühren werden für die Angebote erhoben?• Wofür werden die Gebühreneinnahmen verwendet? • Wofür soll das Preisgeld des Stifterverbandes verwen-

det werden?

Ausschreibung33

Stifterverband • Positionen, Oktober 2003

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Ausschreibung34

Stifterverband • Positionen, Oktober 2003

1 Die Ergebnisse der Untersuchung sind abrufbar unter:

[email protected]

Der Geschäftsplan soll durch eine einseitige Zusam-menfassung ergänzt von der Hochschulleitung einge-reicht werden. Er ist an keine besondere Form gebun-den, soll sich jedoch an Geschäftsplänen marktwirt-schaftlicher Unternehmensgründungen orientieren.Aus ihm muss hervorgehen, in welchem Stadium sichdie Aktivitäten, Produkt- und Organisationsentwick-lungen befinden.

Gegebenenfalls werden ausgewählte Wettbewerbsteil-nehmer zu einer anschließenden mündlichen Präsen-tation vor der Jury eingeladen, für deren Vorbereitungeine weitere Frist eingeräumt wird.

Die Wettbewerbsbeiträge sind (in 15-facher Ausferti-gung) bis zum 15. März 2004 zu richten an:

Stifterverband für die Deutsche Wissenschaftz. Hd. Herrn Dr. Volker Meyer-GuckelBarkhovenallee 145239 Essen

Telefonische Rückfragen unter:(02 01) 84 01-1 72

Fax:(02 01) 84 01-2 15

E-Mail:[email protected]

Diese Ausschreibung finden Sie auch im Internet unter:@www.stifterverband.de

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Stifterverband für die Deutsche WissenschaftBarkhovenallee 1 • 45239 EssenPostfach 16 44 60 • 45224 Essen

Telefon (02 01) 84 01-0 • Telefax (02 01) 84 01-3 01E-Mail: [email protected]

Internet: www.stifterverband.de


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