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B. Glasbrenner1 · C. Güthner1 · C. Röcken2 · T. Mattfeld3 · W. Hetzel4 · G. Adler1
1 Medizinische Klinik und Poliklinik, Abteilung Innere Medizin I, Universität Ulm2 Institut für Pathologie, Otto-v.-Guericke-Universität Magdeburg3 Pathologisches Institut, Universität Ulm4 Praxis für Innere Medizin und Endokrinologie, Ulm
56jähriger Patient mit segmental florider Colitis und Colonamyloidose
rismus, 2–3 breiigen Stuhlentleerungenpro Tag, zum Teil mit deutlicher Blutbei-mengung und galligem Erbrechen. Un-ter der Verdachtsdiagnose eines schwe-ren akuten Schubes einer chronisch ent-zündlichen Darmerkrankung erfolgtedie stationäre Einweisung in die Medi-zinische Klinik und Poliklinik der Uni-versität Ulm.
Befunde
Klinischer Untersuchungsbefund
Bei Aufnahme war der 56jährige Patientin altersgemäßem Allgemeinzustandund gutem Ernährungszustand (Größe181 cm, Gewicht 88 kg). Herz und Lungephysikalisch unauffällig, Herzfrequenz79/min, Blutdruck 170/80 mmHg.Abdo-men weich, Druckschmerz im gesamtenUnterbauch, Leber und Milz nicht tast-bar vergrößert, keine Resistenzen tast-bar. Lebhafte, nicht hochgestellte Darm-geräusche über allen 4 Quadranten. Un-auffälliger Puls- und Reflexstatus.
Laboruntersuchungen
Leukozyten 14,6 G/l, Granulozyten 9,2G/l, Hb 13,1 G/dl, Thrombozyten 187 G/l,MCV und MCH im Normbereich. BSG29/48 mm n.W., CRP 147 mg/l, Norm-
KasuistikInternist1999 · 40:668–672 © Springer-Verlag 1999
RedaktionK.Werdan, Halle
Fallbericht
Anamnese
Bei dem 56jährigen Patienten tratenEnde 1996 erstmals linksseitige Unter-bauchschmerzen mit 2–3 breiigen Stuhl-entleerungen pro Tag auf; vereinzelt wa-ren Blutbeimengungen vorhanden. Inder Familienanamnese war keine chro-nisch entzündliche Darmerkrankung be-kannt.An Vorerkrankungen des Patien-ten bestanden eine arterielle Hypertonie(Erstdiagnose 1976), ein insulinpflichti-ger Diabetes mellitus Typ 2 b (Erstdia-gnose 1987), eine Hyperlipoproteinämieund eine Hyperurikämie. Auslandsauf-enthalte in den letzten Jahren wurdenverneint. Die Stuhlkulturen waren un-auffällig, der Yersinientiter negativ.
Eine im Januar 1997 ambulantdurchgeführte Coloskopie zeigte bei un-auffälligem terminalen Ileum mit unauf-fälliger Rektumampulle eine segmentalfloride Colitis mit Schleimhautulzera-tionen. Im histologischen Befund wur-den eine Kryptendistorsion, ein ge-mischtes lymphoplasmozytäres Infiltratund herdförmige Granulozyteninfiltra-tionen beschrieben. Unter der Verdachts-diagnose einer chronisch-entzündlichenDarmerkrankung erfolgte eine Thera-pie mit 3×1 g 5-ASA, die innerhalb von3–4 Wochen zu einer kompletten klini-schen Remission führte. Eine Erhal-tungstherapie wurde zunächst nichtkonsequent eingehalten. Im Juni 1997erkrankte der Patient mit jetzt stärke-ren diffuseren Bauchschmerzen, Meteo-
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Prof. Dr. K.WerdanKlinikum Kröllwitz, Innere Medizin IIIMartin-Luther-Universität, Halle-WittenbergErnst-Grube-Str. 40D-06097 Halle/Saale
Fax 03 45/5 57 24 [email protected]
Priv.-Doz. Dr. B. GlasbrennerKlinik für Gastroenterologie, Hepatologie und
Infektiologie der Otto-v. Guericke-Universität,
Leipziger Straße 44, D-39120 Magdeburg&/fn-block:&bdy:
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werte für Gesamteiweiß, GOT, Biliru-bin, Kreatinin, Harnstoff, Natrium, Kali-um. Serumamyloid A (SAA) 2,9 mg/dl(Normbereich bis 1,5 mg/dl). In derProteinelektrophorese Gammaglobuli-ne mit 5,6 g/l leicht erniedrigt, sonstunauffällig. Kein monoklonales Prote-in im Serum, kein Nachweis von Käl-teagglutininen, direkter Coombstestnegativ. Yersinientiter weiterhin nega-tiv. Hämoccult und Urinstatus unauf-fällig. Im 24h-Sammelurin Eiweißaus-scheidung <150 mg/l. Kreatininclear-ance mit 0,4 ml/s erniedrigt. Im Urinkein monoklonales Protein, kein Ben-
sten M. Crohn des Colons) oder isch-ämische Colitis.
Histologie (Pathologisches Institut der Univer-
sität Ulm und Institut für Pathologie der Otto-
von-Guericke-Universität Magdeburg): Regel-rechte Ileumschleimhaut ohne entzünd-liche Veränderungen. Im Colon chroni-sche Entzündung mit gemischt lympho-plasmozytärer Infiltration, herdförmigfloride mit fokalen Granulozytenan-reicherungen, ein einzelner Krypten-abszess. Keine typischen bandförmigenNekrosen oder Kapillarthromben imSinne einer ischämischen Colitis, kei-ne Epitheloidzellgranulome. MassiveAmyloidose der Dickdarmwand mitAmyloidablagerungen im Bereich klei-ner Gefäße, der Submukosa und derMuskularis mukosae. In der Kongo-rotfärbung charakteristische apfelgrü-ne Doppelbrechung (Abb. 2a).
Immunhistologie (Institut für Pathologie der
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg):Die Amyloidablagerungen verhalten sichimmunnegativ für AA-Amyloid (Abb.2b), Transthyretin, Beta2-Mikroglobu-lin, Lambda- und Kappa-Leichtketten.Auch nach Mikrowellenvorbehandlungkeine Immunreaktion. Alle gleichzeitigdurchgeführten Positiv-Kontrollen ver-halten sich immunreaktiv.
Weitere apparative Diagnostik
Die Gastroskopie ergab einen short-seg-ment Barrettösophagus mit intestina-
ce-Jones-Eiweiß. Stuhlkulturen unauf-fällig.
Koloskopie vom 27.06.1997
Unauffällige Schleimhaut von 0 bis 35 cmab ano sowie im terminalen Ileum. Zwi-schen dem Zökalpol und 35 cm ab anofanden sich mehrere Schleimhautarealemit fibrinbelegten Ulzerationen (Abb.1a), zum Teil auch kleineren aphthoidenLäsionen, fleckförmig verteilt zwischengesunder Schleimhaut.Vom endoskopi-schen Aspekt Verdacht auf chronisch-entzündliche Darmerkrankung (am ehe-
a b
Abb. 1 m a Charakteristische Läsion bei der Coloskopie vom 27.06.1997: Areal mit ödematöserSchleimhautschwellung und Fibrinbelag. Die Colitis war diskontinuierlich mit segmentalem Befall,dazwischen unauffällige Schleimhautareale, b Singuläre aphthoide Läsion im Colon ascendens bei der Coloskopie vom 16.12.97. Weitere Erosionen oder Ulzerationen wurden nicht aufgefunden.Stattdessen fanden sich mehrere Areale mit kleinen Pseudopolypen
a b
Abb.2 m a Ausgeprägte Amyloidose im Kolonbiopsat (submukös), erkennbar an der charakteristischenapfelgrünen Doppelbrechung (Kongorotfärbung, polarisationsoptisch), b Negative Immunhistologieauf AA-Amyloid im Kolonbiopsat (methodische Details in [13]). Die Immunfärbungen auf Transthyre-tin-, Beta2-Mikroglobulin, sowie Lamda- und Kappa-Leichtketten-Amyloid waren ebenfalls negativ.Alle gleichzeitig durchgeführten Positivkontrollen verhielten sich immunreaktiv
ler Metaplasie, jedoch histologisch keinAmyloid-Nachweis. Der Xyloseabsorp-tionstest lag im Normbereich. In densonographischen Untersuchungen fandsich eine leichtgradige Hepatomegalie,die Nieren stellten sich unauffällig dar.Es zeigte sich eine Darmwandverschwel-lung vom Colon ascendens bis in dasSigma von 6–9 mm. Es lag kein Rest-harn vor. Das EKG war unauffällig. Inder Herzechokardiographie fand sicheine leichte linksventrikuläre Wand-hypertrophie bei guter Kontraktilität.Die Röntgen-Thorax-Untersuchung unddie Lungenfunktion waren unauffällig.Die Schilddrüsenuntersuchungen erga-ben eine euthyreote Struma ohne Kno-ten. Die neurologische Konsiliarunter-suchung ergab eine diskrete Polyneuro-pathie.
Diagnose
Colonamyloidose bei V.a. chronisch-entzündliche Darmerkrankung, am ehestenMorbus Crohn des Colons.
Therapie und Verlauf
Wegen der Schwere des akuten Krank-heitsschubes (starke Abdominalschmer-zen, Erbrechen, Entzündungsparame-ter) entschlossen wir uns zu einer Glu-kokortikoidtherapie mit Prednisolon(1. Woche 60 mg, wöchentliche Dosisre-duktion um zunächst 10 und später5 mg). Hierunter konnte innerhalb we-niger Wochen wieder eine kompletteklinische und laborchemische Remissi-on erreicht werden. Überlappend wur-de der Patient wieder auf 3×1 g 5-ASAeingestellt. Unter der Monotherapie mit5-ASA ist der Patient seitdem beschwer-defrei. In einer Kontroll-Koloskopie vom16.12.1997 konnte im Colon ascendensnoch eine isolierte Erosion nachgewie-sen werden (Abb. 1b). Im übrigen Kolonfanden sich mehrere Areale mit klei-nen Pseudopolypen. Die Amyloidosewar histologisch weiterhin nachweisbar,ließ sich immunhistochemisch aber er-neut nicht differenzieren. Bei beschwer-defreiem Patienten wurde zuletzt am22.07.1998 zur Verlaufskontrolle derAmyloidose eine Rektosigmoidoskopiedurchgeführt. Bei endoskopischem Nor-malbefund waren histologisch in Rek-tum und Sigma noch Amyloidablage-rungen vorhanden,wobei tendenziell derEindruck einer Regredienz entstand.
vermuteten chronisch-entzündlichenDarmerkrankung vorliegt, schließt ei-ne Amyloid-Colitis ebenfalls nicht völligaus [9, 14].
Die Diagnosestellung einer Amylo-idose erfolgt über die histologischeAufarbeitung von Gewebeproben befal-lener Organe. Das Amyloid imponiertals extrazelluläres, amorphes, homoge-nes, eosinophiles Material, das in derKongorotfärbung im polarisierten Lichteine grüne Doppelbrechung zeigt. DieKolonbiopsien unseres Patienten zeig-ten Amyloidablagerungen überwiegendin der Submukosa und in der Nähe klei-nerer Gefäße. Während das Amyloidauch in Proben makroskopisch unauf-fälliger Kolonschleimhaut nachweisbarwar (insbesondere auch in Rektumbi-opsien), fand sich kein Nachweis vonAmyloidablagerungen im Ileum, Duo-denum, Magen oder Ösophagus. Wirgehen derzeit bei unserem Patientenvon einer isolierten Colonamyloidoseaus. Für einen Befall weiterer Organsy-steme besteht derzeit kein sicherer An-halt. Ob die geringgradige Hepatome-galie und die Struma des Patienten Hin-weise für eine Amyloidose dieser Or-gansysteme sind, muß offen bleiben, dabei klinischer Beschwerdefreiheit undunauffälligen Laborwerten eine histo-logische Abklärung bisher nicht erfolg-te. Auch für eine Kardiomyopathie odereine Nephropathie fand sich bisher keinAnhalt.
Eine primäre systemische Amylo-idose halten wir bei unserem Patientenfür sehr unwahrscheinlich. Dagegensind im Zusammenhang mit dem vor-liegenden Fall 2 andere Kasuistiken vonInteresse, in denen über den Nachweisisolierter Amyloidablagerungen in Ko-lon und Rektum ohne Nachweis einersonstigen Grunderkrankung berichtetwird. Im Fall einer 51jährigen Patientinmit einem isolierten „Amyloid-Ulkus“im Sigma kam es im Verlauf zu einerSpontanheilung, wobei die Nachbeob-achtungsdauer zum Zeitpunkt der Pu-blikation 9 Monate betrug [6]. Ein weite-rer Fallbericht beschreibt eine 79jähri-ge Patientin mit blutenden Ulzeratio-nen im Sigma auf dem Boden isolierterAmyloidablagerungen in diesem Darm-abschnitt.Unter einer Therapie mit Sala-zosulfapyridin kam es innerhalb einesBeobachtungszeitraumes von 10 Mona-ten zwar zu einer Verringerung des ente-ralen Eiweißverlustes, nicht jedoch zu
In der Zwischenzeit wurden dieBiopsate der ersten Koloskopie (1/97)noch einmal aufgearbeitet und an zu-sätzlichen Paraffinschnitten weitereFärbungen durchgeführt. Retrospektivließ sich auch in diesen Biopsaten be-reits die Colonamyloidose zweifelsfreinachweisen.
Die hausärztlich-internistische Über-wachung ergab bis zuletzt keinen Anhaltfür eine generalisierte Amyloidose, füreine Enteropathie mit Malabsorptions-syndrom, für eine progrediente Nephro-pathie (bis 10/98 keine Verschlechterungder Nierenfunktion, keine Proteinurie)oder eine Kardiomyopathie.
Diskussion
Differentialdiagnose
Amyloidosen treten überwiegend se-kundär auf dem Boden verschiede-ner Grunderkrankungen auf; primäreAmyloidosen sind vergleichsweise sel-ten [1,4,7].Anhand verschiedener Litera-turangaben kommt es bei 0,9–6% allerPatienten mit Morbus Crohn zu einersekundären Amyloidose [1, 3–5, 7, 8].Ausunserer eigenen klinischen Erfahrungscheinen uns diese Zahlen sehr hochangesetzt zu sein. Als Zeitraum zwi-schen Erstmanifestation eines MorbusCrohn und Entwicklung einer Amylo-idose werden zwischen 3 Monaten und51 Jahren angegeben [1, 3–5, 8]. Im vor-liegenden Fall, bei dem wir vor allemaufgrund des endoskopischen Aspektesund des diskontinuierlichen Befalls-musters am ehesten von einem MorbusCrohn des Kolons ausgehen, ließ sichretrospektiv die Amyloidose bereitszum Zeitpunkt der Erstmanifestationder vermuteten chronisch-entzündli-chen Darmerkrankung nachweisen. Diehistologischen Charakteristika der Co-litis sind im vorliegenden Fall für dieZuordnung der Erkrankung in Rich-tung Morbus Crohn oder Colitis ulce-rosa nicht eindeutig wegweisend. Ei-ne Amyloidose bei Colitis ulcerosakann aber als Rarität betrachtet wer-den [2–4, 10, 11]. Als weitere sehr selte-ne Differentialdiagnose kommt eineprimäre Colonamyloidose in Betracht[6, 9, 14]. Die Tatsache, daß im vorlie-genden Fall sowohl kurzfristig („aku-ter Schub“) als auch langfristig („Re-missionserhaltung“) ein sehr gutes An-sprechen auf die Standardtherapie der
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Das aktuelle Therapiekonzept beiunserem Patienten besteht in der kon-sequenten Therapie seiner Grunder-krankung. Es gibt Fallberichte, die auf-zeigen, daß die sekundäre Amyloidosebei optimaler Unterdrückung der Akut-Phase-Reaktion manchmal rückläufigund selten sogar völlig reversibel ist [2].Therapieziel ist bei unserem Patientendeshalb die konsequente Behandlungder chronisch-entzündlichen Darmer-krankung. Eine Einstellung des Patien-ten auf Azathioprin wurde diskutiertund prinzipiell auch für sinnvoll erach-tet, in Anbetracht des günstigen Verlau-fes unter 5-ASA aber bisher nicht einge-leitet. Sollte es unter 5-ASA-Therapieerneut zu einem akuten Schub der Er-krankung kommen, werden wir demPatienten die immunsuppressive The-rapie mit Azathioprin empfehlen. Obim weiteren Verlauf eine Ausbreitungder Amyloidose auf andere Organsyste-me verhindert und möglicherweise so-gar eine Rückbildung der Colonamyloi-dose erreicht werden kann, bleibt abzu-warten. Im Vergleich zu den verfügba-ren Literaturangaben schätzen wir diePrognose in diesem ungewöhnlichenFall einer isolierten Nicht-AA-Amylo-idose des Colons bei V.a. chronisch-ent-zündliche Darmerkrankung aber ehergünstig ein.
einer vollständigen Abheilung derSchleimhautdefekte [9].
Primäre isolierte Colonamyloido-sen sind meistens vom Leichtkettentyp[9, 14]. Obwohl nicht völlig auszuschlie-ßen ist, daß auch unser Patient an einerisolierten primären Colonamyloidoseleidet, halten wir aufgrund der Klinik,des endoskopischen und des histologi-schen Befundes das Vorliegen einerchronisch-entzündlichen Darmerkran-kung für wahrscheinlich. Die Differen-tialdiagnose einer ischämischen Colitis,die sich vom endoskopischen Aspektund bei bestehenden Risikofaktoren an-bietet, ist ebenfalls nicht mit letzter Si-cherheit auszuschließen, wobei der kli-nische Verlauf und die Histologie aberals untypisch anzusehen sind. Auchdas sehr gute Ansprechen auf die topi-sche Therapie mit 5-ASA beziehungs-weise die Steroidbehandlung sprechennicht für eine primär ischämische Ge-nese der Erkrankung.
Immunhistologie
Bei den Amyloidablagerungen kannman immunhistologisch zwischen AA-Amyloid, Transthyretin, Beta2-Mikro-globulin, Lambda- und Kappa-Leicht-kettenamyloidosen unterscheiden [13].Vor Erhalt der Immunhistochemie ha-ben wir bei unserem Patienten eine se-kundäre AA-Amyloidose des Gastroin-testinaltraktes vermutet, da dies die ty-pische Art der Amyloidablagerung beiPatienten mit Morbus Crohn darstellt[3–5, 8]. Sekundäre AA-Amyloidosen tre-ten fast immer generalisiert auf, wobeider Gastrointestinaltrakt nach der Nieredas am zweithäufigsten betroffene Or-gansystem ist [3–5, 8, 12]. Überraschen-derweise fand sich dann immunhisto-chemisch aber für das Vorliegen einerAA-Amyloidose kein Anhalt. Die Erhö-hung des SAA ist bei unserem Patientenretrospektiv als unspezifische Akut-Pha-se-Reaktion zu werten. Die Differential-diagnose einer primären oder sekundä-ren AL-Amyloidose ließ sich immunhi-stochemisch ebenfalls nicht erhärten.
Unsere Hypothese lautet, daß nichtweiter klassifizierbare Amyloidosenwie im vorliegenden Fall wahrschein-lich dennoch am ehesten Leichtketten-amyloidosen sind, die mit den beidenuns verfügbaren Antikörpern gegenLambda- und Kappa-Leichtketten nichtreagieren [13]. Allerdings konnten wir
bei dem Patienten weder im Serumnoch im Urin ein monoklonales Proteinnachweisen. Für das Vorliegen einesPlasmozytoms, was als Grunderkran-kung bei einer Leichtkettenamyloidosein Frage kommt, haben wir bei dem Pa-tienten derzeit keinen Anhalt. Da sicheine AA-Amyloidose aber immunhisto-chemisch praktisch immer positiv nach-weisen läßt, halten wir den seltenen Falleiner immunhistochemisch nicht näherklassifizierbaren Nicht-AA-Amyloidosedes Kolons bei chronisch-entzündli-cher Darmerkrankung für gegeben.
Therapie und Prognose
Die Überlebenszeit nach Diagnosestel-lung der Amyloidose beträgt bei Pati-enten mit Morbus Crohn meistens nurwenige Jahre [3–5, 8]. Es ist aus mehre-ren Gründen anzuzweifeln, ob dieseungünstige Prognose auch für unserenPatienten gilt. Die genannte Berech-nung erfolgte für Patienten, bei denendie Erstdiagnose des Morbus Crohn imMittel fast 10 Jahre zurücklag und diebei Diagnosestellung der Amyloidosein der Mehrzahl der Fälle bereits an ei-ner Nephropathie erkrankt waren. Inder überwiegenden Mehrzahl der Fällehandelte es sich dabei wahrscheinlichum Patienten mit einer generalisiertenAA-Amyloidose.
Die Niere ist bei AA-Amyloidosenmit 90% das am häufigsten betroffeneOrgan [3, 4, 7, 8]. Aufgrund der Häufig-keit der Nierenbeteiligung bei sekundä-rer Amyloidose ist die engmaschigeKontrolle der Nierenfunktion auch beiunserem Patienten von großer Bedeu-tung. Bisher ist lediglich eine erniedrig-te Kreatininclearance nachweisbar, dieaber bei vorbestehender arterieller Hy-pertonie und Diabetes mellitus erklär-bar erscheint. Bei einer Verschlechte-rung der Nierenfunktion und insbeson-dere bei Auftreten einer Proteinuriewürde sich die Indikation zur Nierenbi-opsie ergeben, zumal bei einer manife-sten Nierenamyloidose eine Therapiemit Kolchizin in Frage kommt [10, 11].Bei Patienten mit primärer Amyloidoseist dagegen eine Kombinationstherapieaus Melphalan und Prednison im Ver-gleich zu einer Kolchizintherapie über-legen [7]. Für Patienten mit sekundärerAmyloidose bei chronisch entzündli-cher Darmerkrankung liegen entspre-chende Daten nicht vor.
Zusammenfassung
Bei einem 56jährigen Patienten wird 1/97
die Erstdiagnose einer chronisch-entzünd-
lichen Darmerkrankung des Kolons gestellt,
die am ehesten einem Morbus Crohn ent-
spricht.Sechs Monate später wird histologisch
eine massive Colonamyloidose beschrieben,
die retrospektiv bereits bei der Erstmanife-
station der Erkrankung vorlag.Weitere Organ-
beteiligungen können nicht nachgewiesen
werden können. Die immunhistochemischen
Untersuchungen schließen eine AA-Amylo-
idose aus.Vermutlich liegt eine Leichtketten-
amyloidose vor. Unter Therapie mit 5-ASA
befindet sich der Patient seit über einem
Jahr in klinischer Remission. Die Amyloidab-
lagerungen persistieren, dagegen findet sich
weiterhin kein Anhalt für eine Beteiligung
anderer Organsysteme.
Schlüsselwörter
Colonamyloidose · Chronisch-entzündliche
Darmerkrankung · Ischämische Colitis
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Ausschreibung Richard-Merten-Preis 1999
Der mit insgesamt DM 40 000 dotierteRichard-Merten-Preis zur Förderungder Qualitätssicherung in der Medizinwird auch im Jahr 1999 ausgeschrieben.
Das Kuratorium Richard-Merten-Preis hat sich zum Ziel gesetzt, Arbeitenauszuzeichnen und zu würdigen, dieunter Nutzung der Informationstechno-logie (Computerprogramme) eine her-ausragende Verbesserung des Qualitäts-managements in der Humanmedizin er-möglichen oder schon nachweislich be-wirkt haben.
Die Stifter des Preises sind derÜberzeugung, daß es angesichts der ge-sundheitspolitischen Diskussion zumThema Qualitätssicherung in der Medi-zin geboten ist, die Methodik des Quali-tätsmanagements mit Hilfe modernerInformationstechnik zu fördern und dieEigeninitiative der Ärztinnen und Ärzteauf diesem Gebiet herauszustellen.
Die durch die Preisverleihung zuwürdigenden Arbeiten müssen inner-halb der letzten fünf Jahre vor Einrei-chung beim Kuratorium erarbeitet wor-den sein und in deutscher Sprache vor-gelegt werden.
Der Richard-Merten-Preis kann fürArbeiten verliehen werden, die bishernicht für eine andere Auszeichnung vor-geschlagen wurden oder anderweitig aus-gezeichnet oder abgelehnt worden sind.Es können sich Ärztinnen und Ärzte,Stu-dentinnen und Studenten der Medizinund/oder Medizininformatik als Einzelper-sonen oder als Arbeitsgruppe bewerben.
Fachnachricht
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oder der Bewerber
sowie einer Erklärung, daß die vorge-legte Arbeit bisher für keine andereAuszeichnung eingereicht worden ist.
Es können nur solche Arbeitenbewertet werden, die den vorgenann-ten formalen Bestimmungen uneinge-schränkt entsprechen.
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