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4.1II Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und...

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31
114 Erzeugung Ünd Eigenschaften von Röntgenstrahlen lung" der Anodenatome herrührt. Die Mindestspannung für die Erregung einer Eigen- strahlung, auf die in Abschnitt 4.IIIb näher eingegangen wird, ist verschieden je nach der Art des Elementes. Bei 35 kV Spannung tritt z. B., wie Abb. 4.37 zeigt, die K- Eigenstrahlung einer Molybdänanode auf, dagegen noch nicht die einer Wolframanode. 4.1II Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie a) Schwächung und Sekundärstrahlung Zum Nachweis der Schwächung der Röntgenstrahlen beim Durchgang durch eine Materieschicht dient der in Abb. 4.38 angegebene Grundversuch. Es wird angenom- men , daß alle Strahlen des Bündels die gleiche Wellenlänge haben, und ferner, daß sie parallel zueinander verlaufen, was sich durch großen Abstand der Schicht vom Röhrenfokus verwirk- lichen läßt. In K befinde sich ein Meßgerät für relative Intensitätsmessungen. Zwischen den Blen- den B1 und B2 ist die schwächende Schicht der Dicke d, z. B. ein Aluminiumblech, eingeschoben. K Abb. 4.38 Experimentelle Anord- nung zum Nachweis der Schwä- chung der Röntgenstrahlen beim Durchgang durch Materie Ohne Schicht wird die Intensität Io, mit Schicht die kleinere Intensität I gemessen. Das Verhältnis I/Io nimmt mit Erhöhung der Schichtdicke stark ab. Zwischen I, Io und der Schichtdicke d besteht der Zusammenhang (4.3) Die Größe I"' heißt Schwächungskoefjizient und hat die Dimension cm-1. Ersetzt man die Aluminium- schicht durch eine aus Kupfer oder Blei, so findet man, daß das Schwächungsvermögen mit steigen- der Ordnungszahl zunimmt. Andert man die Rönt- genweUenlänge, so wird die Intensitätsabnahme im allgemeinen bei gleichem Material und bei gleich- bleibender Dicke kleiner, wenn die Strahlung kurz- welliger wird. Doch sind hier Ausnahmen möglich. Der Schwächungskoeffizient der in Abschnitt A.8 genauer definiert ist, hängt somit von der chemischen Zusammensetzung der schwächenden Substanz und der Wellenlänge ab. Da die Schwächung durch die Zahl der Atome in der von der Röntgenstrahlung durchsetzten Schicht bestimmt wird und um so größere Werte an:irimmt, je dichter die Verteiluna der Atome ist , 0 ergibt sich für I"' bei gleicher Atomart auch noch eine Abhängigkeit von der Dichte. Um diese auszuschalten, dividiert man den linearen Schwächungskoeffizienten !"' durch die Dichte e und nennt den Quotienten 1"'/ e Massenschwächungskoefjzient. 1"'/ e gibt die relative Schwächung der auffallenden Röntgenintensität in einer Schicht- dicke von 1 gfcm 2 wieder (vgl. Abschnitt A.8). Das entspricht dem Bruchteil der Röntgenstrahlenintensität, der . einem Strahlenbündel von 1 cm2 Querschnitt von 1 g Materie entzogen wird. Zahlenangaben für 1"'/ e finden sich in Tab. 4.3. Bei leicht-
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114 Erzeugung Ünd Eigenschaften von Röntgenstrahlen

lung" der Anodenatome herrührt. Die Mindestspannung für die Erregung einer Eigen­strahlung, auf die in Abschnitt 4.IIIb näher eingegangen wird, ist verschieden je nach der Art des Elementes. Bei 35 kV Spannung tritt z. B. , wie Abb. 4.37 zeigt, die K­Eigenstrahlung einer Molybdänanode auf, dagegen noch nicht die einer Wolframanode.

4.1II Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie

a) Schwächung und Sekundärstrahlung

Zum Nachweis der Schwächung der Röntgenstrahlen beim Durchgang durch eine Materieschicht dient der in Abb. 4.38 angegebene Grundversuch. Es wird angenom­men, daß alle Strahlen des Bündels die gleiche Wellenlänge haben, und ferner, daß sie

parallel zueinander verlaufen, was sich durch großen Abstand der Schicht vom Röhrenfokus verwirk­lichen läßt. In K befinde sich ein Meßgerät für relative Intensitätsmessungen. Zwischen den Blen­den B1 und B2 ist die schwächende Schicht der Dicke d, z. B . ein Aluminiumblech, eingeschoben.

:: ~1 ~~~~~~~ s2~=rn=~

K

Abb. 4.38 Experimentelle Anord­nung zum Nachweis der Schwä­chung der Röntgenstrahlen beim

Durchgang durch Materie

Ohne Schicht wird die Intensität Io, mit Schicht die kleinere Intensität I gemessen. Das Verhältnis I/Io nimmt mit Erhöhung der Schichtdicke stark ab. Zwischen I, Io und der Schichtdicke d besteht der Zusammenhang

(4.3)

Die Größe I"' heißt Schwächungskoefjizient und hat die Dimension cm-1. Ersetzt man die Aluminium­schicht durch eine aus Kupfer oder Blei, so findet man, daß das Schwächungsvermögen mit steigen­der Ordnungszahl zunimmt. Andert man die Rönt­genweUenlänge, so wird die Intensitätsabnahme im allgemeinen bei gleichem Material und bei gleich­bleibender Dicke kleiner, wenn die Strahlung kurz­welliger wird. Doch sind hier Ausnahmen möglich. Der Schwächungskoeffizient ~"'• der in Abschnitt

A.8 genauer definiert ist, hängt somit von der chemischen Zusammensetzung der schwächenden Substanz und der Wellenlänge ab. Da die Schwächung durch die Zahl der Atome in der von der Röntgenstrahlung durchsetzten Schicht bestimmt wird und um so größere Werte an:irimmt, je dichter die Verteiluna der Atome ist,

0

ergibt sich für I"' bei gleicher Atomart auch noch eine Abhängigkeit von der Dichte. Um diese auszuschalten, dividiert man den linearen Schwächungskoeffizienten !"'

durch die Dichte e und nennt den Quotienten 1"'/ e Massenschwächungskoefjzient. 1"'/ e gibt die relative Schwächung der auffallenden Röntgenintensität in einer Schicht­dicke von 1 gfcm2 wieder (vgl. Abschnitt A.8). Das entspricht dem Bruchteil der Röntgenstrahlenintensität, der .einem Strahlenbündel von 1 cm2 Querschnitt von 1 g Materie entzogen wird. Zahlenangaben für 1"'/ e finden sich in Tab. 4.3. Bei leicht-

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Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 115

atomigen Stoffen und kurzwelligen Röntgenstrahlen sinkt ft/ e weit unter 1, während (. bei langwelligen Röntgenstrahlen und Atomen hoher Ordnungszahl, z. B. Blei, Werte von mehreren 1000 erreicht werden. ·

Ein anschauliches Maß für das Durchdringungsvermögen einer Röntgenstrahlung ist die Halbwertsschicht. Sie ist definiert als diejenige Schichtdicke eines Stoffes, welche die Intensität gerade auf die Hälfte schwächt. Die Größenordnung der Halbwerts­schichten im Wellenlängenintervall zwischen 0,1 und 0,01 A beträgt für Luft 40 bis 100 Meter, für Wasser 4 bis ll Zentimeter und für Kupfer 3 bis 15 mm. Wellenlängen größer als 1 A treten aus den üblichen Röntgenröhren, wenn sie nicht besonders durch­lässige Fenster besitzen, nicht mit merklicher Intensität aus. Genaue Angaben über Halbwertsschichten homogener Röntgenstrahlen in Luft, Wasser, Aluminium, Kupfer und Blei enthält Tab. l.l. Halbwertsschichten technischer Röntgenstrahlungen sind

Tab. 4.3 Massen-Schwächungskoeffizienten ft/e verschiedener Elemente in Abhängigkeit von der Wellenlänge (nach Messungen von ALLEN, READ u. CuYKENDALL)

ÄA I c I 0 Al I Fe I Cu I Zn I Ag I Pb

1,93 8,8 22 94 71 96 ll5 410 420 1,54 4,5 ll,2 49 328 50 59 225 230 1,00 1,37 3,15 14,1 101 130 147 73 77 0,71 0,61 1,22 5,22 38,5 51 58 27 140 0,63 0,47 0,90 3,73 27,5 37 42 20 98 0,50 0,315 0,52 1,90 14,0 19,0 21 10,5 53 0,42 0,256 0,372 1,18 8,5 ll,4 12,4 40,5 32 0,26 0,188 0,210 0,40 2,30 3,25 3,55 ll,4 10,0 0,20 0,175 0,183 0,270 1,10 1,59 1,76 5,40 4,9 0,16 0,163 - 0,213 - 0,83 - - -0,12 0,151 - 0,168 - 0,434 - 1,36 5,15 0,09 0,137 - 0,144 - 0,259 - 0,715 2,49 0,06 0,120 - 0,121 - 0,160 - 0,283 0,90

in Abhängigkeit von der Röhrenspannung und der Filterung in Tab. 8.2 angegeben. Den Zusammenhang zwischen Halbwertsschicht H und Schwächungskoeffizient ft gibt die Gleichung

(4.4) . Aus der Kurve in Abb. 4.39 kann das Intensitätsverhältnis I /Io für jede Dicke deiner beliebigen Substanz abgelesen werden, wenn deren Halbwertsschicht H bekannt ist. Für die Schichtdicke d = 6,0 mm einer Substanz mit einer Halbwertsschicht von H = 4,5 mm ist d/H = 1,33 und somit nach Abb. 4.39 I /Io = 0,40. Bei einer Verdop­pelung derSchichtdicke-wird d /H = 2,66 und I /Io = 0,16.

Bei einem zweiten Grundversuch (Abb. 4.40) wird das Strahlungsmeßgerät K außerhalb des primären Röntgenbündels, das eine Wellenlänge von 1 A besitzen möge, aufgestellt und seitlich durch einen Bleischirm S abgedeckt. Die Materieschicht ist nur auf der Einfallsseite der Röntgenstrahlung mit einer Blende B1 bedeckt. Obwohl das Meßgerät nicht von der primären Röntgenstrahlung getroffen wird, zeigt es einen Ausschlag. Das beweist, daß von der durchsetzten Materieschicht, z. B. Aluminium,

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116 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

eine Strahlung ausgeht, die sich auch seitlich ausbreitet. Diese Sekundärstrahlung des Aluminiums hat im Bereich der Diagnostikstrahlungen die gleiche Qualität wie die

~0

qg ~ 0

0,4

1\ \

""' '\ ~

'

~ ~ 1

0,8

f-

0 0 1

------r---

J

Abb. 4.39 Relativänderung der Strahlungsintensität als Funktion der auf die Halb­wertsschicht bezogenen Dicke einer beliebigen Substanz

J

Abb. 4.40 Experimentelle Anordnung zum Nachweis der sekundären Rönt­

genstrahlung

auffallende Röntgenstrahlung. Sie entsteht durch Ablenkung der primären Röntgenstrahlen und wird Streustrahlung genannt. Ersetzt man das Aluminium z. B. durch Kupfer, so beobachtet man noch eine zweite Sekundärstrahlung, deren Qualität für das Kupfer charakteristisch ist und die "charakteristische Eigenstrahlung" genannt wird. Daß man bei der Aluminiumschicht nur eine mit der Primärstrahlung übereinstimmende Streustrahlung beobachtet, hat seine Ursache darin, daß die entstehende Aluminiumeigen­strahlung sehr langwellig ist und daher in Luft außerordentlich stark absorbiert wird.

Bei Wiederholung der beschriebenen Ver­suche im Vakuum wird ferner gefunden, daß aus der Materieschicht auch Elektronen nach allen Richtungen hin austreten. Diese besitzen je nach Meßrichtung verschieden große Energien und werden als Sekundärelektronen bezeichnet. Die sekundäre Röntgenstrahlung und die emit­

tierten Sekundärelektronen werden beide unter dem Sammelbegriff Sekundärstrah-lu,ng zusammengefaßt. Nur ein Bruchteil der in einer Materieschicht abgegebenen Röntgenstrahlenenergie findet sich jedoch als Energie der Sekundärstrahlung wieder. Der größte Teil verbleibt in der Schicht und wird dort absorbiert.

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Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 117

Nach dieser qualitativen Einführung sollen nun die einzelnen Faktoren genaurr besprochen werden, die die Schwächung der Röntgenstrahlen bedingen. Einen Über­blick über die verschiedenen möglichen Prozesse gibt das Schema in Tab. 4.4. Danach setzt sich die Schwächung aus drei Anteilen, der Photoabsorption, der Streuung und der Paarbildung zusammen. Dementsprechend läßt sich der Schwächungskoeffizient p,

in einen Photoabsorptionskoeffizienten T, einen Streukoeffizienten a* und einen Paar­bildungskoeffizienten ~ aufspalten (vgl. Abschnitt A.8):

~~ = r + a* + ~ (4.5)

Tab. 4.4 Übersicht über die verschiedenen Prozesse bei der Schwächung von Röntgenstrahlen durch Materie

Photoabsorption

I

Eigenstrahlung Photoelektron

Schwächung

I

Streuung

I

klassische Streuung

CaMPTON­

Streuung

langwelligere Streustrahlung

I

CaMPTON­

Elektron

Paarbildung

I

Elektron Positron

Vernichtungs­strahlung

Bei allen drei Prozessen können sowohl Röntgenstrahlen als auch freie Elektronen als Sekundärstrahlung auftreten. Welcher Prozeß überwiegt, hängt von der Energie der Röntgenquanten und der schwächenden Substanz ab. Bei der Photoabsorption über­trägt das Röntgenquant seine ganze Energie auf ein Elektron der Atomhülle und ver­schwindet. Das Elektron wird vom Atom losgelöst und das Atom dadurch ioni~iert. Die anschließende Umgruppierung der Elektronenanordnung in der Elektronenhülle führt zur Emission einer für das betreffende Atom charakteristischen Röntgen trah­lung. Beim Streuprozeß erleidet das Röntgenstrahlungsquant entweder eine Rich­tungsänderung ohne Energieverlust (klassische Streuung) oder eine solche mit Abgabe eines Teilbetrages seiner Energie an ein freies Elektron (CoMPTON-Streuung) . Im letz­teren Falle ist die Wellenlänge der Streustrahlung größer als die der Primärstrahlung. Bei der Paarbildung schließlich verwandelt sich ein Strahlungsquant in ein Elektron und ein Positron. Die Einzelheiten und die Existenzbereiche dieser drei Wechselwir­kungsarten der Röntgenstrahlen mit Materie werden in den nächsten Abschnitten

behandelt.

b) Photoabsorption

Zur quantitativen Erfassung der bei der Schwächung der Röntgenstrahlen auftre­tenden Absorptionsprozesse dient der Absorptionskoeffizient T. Er ist analog zum Schwächungskoeffizienten definiert (vgl. Abschnitt A.8). Der Massenabsorption -

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118 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

koeffizient •/ f! gehorcht einer überraschend einfachen Gesetzmäßigkeit. Mit guter Näherung gilt

(4.6)

wenn ;. die Wellenlänge, Z die Ordnungszahl und C eine materialunabhängige univer­selle Konstante ist. Es genügt also die Kenntnis von Dichte und Ordnungszahl, um das Absorptionsverhalten einer Atomart für eine bestimmte Wellenlänge angeben zu können.

Die Wellenlängenabhängigkeit der Massenabsorptionskoeffizienten von Kupfer u~d Silber ist für den Wellenlängenbereich von 0,1 bis 1,0 A in Abb. 4.41 dargestellt!. Dw

ß e

1

uo.----.-----r----,-----r-~~

OL_~~~--~--~----~--~ 0 0,2 0,4 0,8 0, 8

-A(AJ Abb. 4.41 Wellenlängenabhängigkeit der Massenabsorptions-

koeffizienten von Kupfer und Silber

für Kupfer gültige Kurve steigt gemäß GI. 4.6 sehr rasch mit zunehmender Wellen­länge an. Die Kurve für Silber dagegen zeigt bei 0,49 A einen Sprung, der Absorp­tionskante genannt wird. Vor und hinter dieser Absorptionskante gehorcht der Ab­sorptionskoeffizient der GI. 4.6, wobei der Zahlenwert der Konstanten C sich je­doch an der Sprungstelle ändert. Der Mehrbetrag an Energie, den Silber bei Wellen­längen kürzer als 0,49 A absorbiert, wird als Eigenstrahlung emittiert. Diese Eigen­strahlungsemission läßt sich mit Hilfe des Atommodells von RuTHERFORD und BoHR leicht verstehen.

Bei der Absorption eines Röntgenquants durch ein Atom wird dessen Energie hv auf ein Elektron der Atomhülle übertragen. Das Elektron wird aus dem Atomverband herausgelöst und läßt ein ionisiertes Atom zurück. Zur Entfernung des Elektrons aus dem Kraftfeld des Atomkernes muß ein Teil der Energie des Strahlungsquantes auf­gewendet werden. Die nach Abzug dieser Ablösearbeit A verbleibende Restenergie

E = hv - A (4.7) erhält das Elektron als kinetische Energie. In Analogie zum photoelektrischen Effekt des Lichtes wird das emittierte Elektron Photoelektron und der gesamte Vorgang PhotoalJsorption genannt. Meist wird einfach von Absorption gesprochen.

1 In Abb. 4.41 ist p.ff! zu ersetzen durch •/e

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Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 119

Der in der Atomhülle freigewordene Elektronenplatz wird sogleich von einem Elek­tron einer äußeren Schale aufgefüllt. Die Differenz der Energie W1 dieses Elektrons an seinem ursprünglichen Platz und der Energie W2 an seinem neuen Platz wird als charakteristische Eigenstrahlung der betreffenden Atomart emittiert (KossEL}. Man spricht auch von Fluoreszenz-Röntgenstrahlung. Die Frequenz und damit die Wellen­länge des ausgesandten Strahlungsquants ergibt sich aus

(4.8)

Da es bei jeder Atomart nur ganz bestimmte, für diese charakteristische Zahlenwerte der Energieniveaus W1, W2 .. . gibt, können nur einzelne Wellenlängen bestimmter Größe als Eigenstrahlung auftreten. Sie sind von Atomart zu Atomart verschieden.

Der Absorptionsvorgang ist in Abb. 4.42 sche-matisch skizziert. Das Elektron I wird bei der Absorption des Strahlungsquants aus dem Atom­verband entfernt. Der dadurch in der K-Schale freigewordene Platz wird z. B. von einem Elek­tron II der M-Schale wieder aufgefüllt unter gleichzeitiger Aussendung eines Röntgenquant;; hv, dessen Energie sich aus Gl. 4.8 ergibt. Im Gegensatz zur Lichtabsorption, die sich in den äußersten Elektronenschalen abspielt, findet die Röntgenstrahlenabsorption vorwiegend in den inneren Schalen statt.

Die Wiederbesetzung der durch Absorptions­prozesse freigewordenen Elektronenplätze kann auch stufenweise erfolgen. Im Beispiel der Abb.

00

Abb. 4.42 Schematische Darstellung des Photoabsorptionsvorgangs in der

Elektronenhülle

4.42 kann der leere Platz in der K-Schale z. B. von einem Elektron der L-Schale und der dadurch in der L-Schale freigewordene Platz von einem Elektron der M-Schale eingenommen werden. Es entstehen dann zwei Strahlungsquanten mit verschiedener Energie und damit verschiedener Wellenlänge. Die Häufigkeit, mit der die einzelnen Übergänge auftreten, ist unterschiedlich. Beim Herausschlagen eines Elektrons aus der K-Schale- man spricht in diesem Falle auch von einer K-Ionisation des Atoms­sind beispielsweise die Übergänge von der L- zur K-Schale sehr viel häufiger als die von der M- zur K-Schale. Alle Eigenstrahlungen, die durch Elektronenübergänge zur gleichen Schale entstehen, werden zu Gruppen zusammengefaßt. Für jedes Element gibt es demnach mehrere Gruppen von Eigenstrahlungen, die K- , L-, M-Serie usw. genannt werden. Erfolgen z. B. Ionisierungen in der L-Schale einer Atomart, so wird die L-, M- und N-Eigenstrahlungsserie beobachtet, vorausgesetzt daß diese Schalen von Elektronen besetzt sind. Erfolgen K-Ionisationen, so treten alle Eigenstrahlungsserien eines Elements auf. Die wichtigste Eigenstrahlungsserie ist die K-Serie, die immer die kurzwelligste und intensivste Liniengruppe eines Elements umfaßt. Die Spektrallinien der Eigenstrahlungsserien der Elemente ver­schieben sich in gesetzmäßiger Weise mit wachsender Ordnungszahl zu kürzeren

Wellenlängen. Zur Erregung der Emission einer Eigenstrahlungsserie muß nach Gl. 4.7 die Energie

der auffallenden Röntgenquanten größer sein als die zur Ablösung eines Elektrons aus

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der entsprechenden Schale notwendige Arbeit. Daraus folgt, daß die Wellenlänge der erregenden Strahlung gleich oder kleiner sein muß als ein bestimmter Mindestwert, der einer Absorptionskante AA der betreffenden Atomart entspricht. Bei dem in Abb.

8

I V

I I

2

/ 0

_.". /

0

0,4 0,8 0,8 ?O 0

-JL (AJ Abb . 4.43 Intensität der Kupfereigen­strahlung in Abhängigkeit von der Wel­lenlänge der erregenden, gleichintensiven

Primärstrahlungen

K

1

4.41 wiedergegebenen Beispiel haben nur die Röntgenstrahlen mit Wellenlängen unterhalb 0,49 A eine die Ablösearbeit der K-Elektronen übersteigende Energie und können deshalb die K -Serie des Silbers, dessen intensivste Wellenlänge 0,56 A ist, anregen. Die erregende Wellenlänge muß also kurzwelliger ~ein als die kürzeste Wellenlänge der anzuregenden Serie. Die Eigenstrahlungsanregung ist am stärksten für Primärwellenlängen in unmit­telbarer Nähe der kurzwelligen Seite der Ab­sorptionskanten. Läßt man beispielsweise Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge, aber gleicher Intensität auf Kupfer auffallen, dessen K-Absorptionskante bei 1,38 A liegt, so mißt man deninAbb. 4.43 wiedergegebenen Intensitätsverlauf der Eigenstrahlung. Die Stärke der Erregung klingt ab, je weiter die erregende Wellenlänge von der Absorptions­kante entfernt ist. In Tab. 4.5 sind für einige Elemente Angaben über die K-Eigenstrahlung und die K-Kante zusammengestellt. Die Lage

0 0,2 0, 8 0,8 1,0 1,2 ----7 A (A)

Abb. 4.44 Lage der Spektrallinien der K- und L-Serie und derK-und L-Absorptionskanten von Wolfram

der K- und L-Serie und der zugehörigen K- und L-Kanten sind für w olfram aus Abb. 4.44 zu ersehen. Die L- und M-Kanten (in Abb 4 44 01· ht th lt ) · · . . . · · c en a en zmgen eme Femstruktur. D1e L-Kante besteht aus dre1 Absorptionsstur L L d L di M .ten 1, n un In, e -

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Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 121

Kante sogar aus fünf. Dies hat seine Ursache darin, daß die L- und M-Schale der Elek­tronenhülle in Wirklichkeit nicht ein einheitliches Energieniveau darstellen, sondern aus mehreren Teilniveaus mit etwas unterschiedlichen Energiewerten aufgebaut sind.

Erfolgt die Eigenstrahlungsanregung durch Elektronen, so müssen diese durch eine Mindestspannung U o beschleunigt werden, wenn eine bestimmte Eigenstrahlungs­serie erzeugt werden soll. Analog zu Gl. 4.1 besteht zwischen einer AbsorptionEkante ÄA und der notwendigen Röhrenspannung Uo zur Erzeugung der zugehörigen Eigen­strahlungsserie der Zusammenhang

(4.9)

wobei ÄA in A einzusetzen ist. Zur Anregung der M-Serie des Wolframs muß z. B. die Spannung an der Röntgenröhre mindestens 2,8 kV betragen. Überschreitet die Spannung 12,1 kV, so treten zusätzlich die Linien der L-Serie auf (vgl. Abb . 4.44). Erst bei Spannungen größer als 69 kV erscheinen auch die Linien der K-Serie. Nur bei Elementen mit hoher Ordnungszahl liegt die L-Serie noch im Bereich der in der Radiologie augewandten Röntgenwellenlängen. Die M-Serie ist dagegen praktisch ohne Bedeutung.

Tab . 4.5 Eigenstrahlung (K-Serie) verschiedener Elemente

Atom- Absorptions-Mindestspan- Intensivste Zugehörige

nung der Wellenlänge der Halbwerts-Element nummer kante Erregung Eigenstrahlung schicht

z A kV A Aluminium mm

Al 13 7,94 1,55 8,3 0,00064 Cu 29 1,38 8,9 1,54 0,064 Ag 47 0,49 25 0,56 1,0 w 74 0,18 69 0,21 9,1

Pb 82 0,14 88 0,165 11,8

Von dem Umstand, daß Röntgenwellenlängen auf der kurzwelligen Seite einer Ab­sorptionskante stärker absorbiert werden, wird bei der Herstellung praktisch homogener Röntgenstrahlungen Gebrauch gemacht. Man verwendet dazu eine Röntgenröhre mit einem Anodenmetall, das im gewünschten Wellenlängenbereich seine K-Eigenstrah­lung aussendet. In das emittierte Strahlenbündel bringt man als selektives Filter eine Schicht eines Elementes, dessen Absorptionskante gerade etwas kurzwelliger ist als die intensivste Wellenlänge der Eigenstrahlung der Anode. AlsBeispiel zeigtAbb. 4.45 das überlagerte Brems- und Eigenstrahlungsspektrum einer Molybdänanode. Die Eigenstrahlungskomponenten sind mit a und ß bezeichnet. Soll bevorzugt die bei 0,71 A liegende a-Komponente austreten, so wird eine einige hundertstel Millimeter dicke Zirkonschicht, die eine Absorptionskante bei 0,68 A hat , in den Strahlengang eingebracht. Ist das Filter so dick, rlaß die a-Komponente auf etwa 2/3 geschwächt wird, so wird die etwas weniger intensive ß-Komponente aufrund 1/7 reduziert. Auch die Schwächung der benachbarten Teile des Bremsspektrums ist , wie die gestrichelt.e Kurve in Abb. 4.45 zeigt, größer als die der a-Linie, so daß die gefilterte Strahlung mit überwiegender Intensität die a-Komponente mit einer Wellenlänge von 0,71 A ent-

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122 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

hält. Die Röhrenspannung darf bei selektiver Filterung nicht zu hoch gewählt werden, weil sonst die Bremsstrahlung so kurze Wellenlängenanteile enthält, daß diese weniger stark geschwächt werden als die gewünschte ß-Komponente. Für viele praktische Zwecke kann mit der vierfachen Erregungsspannung der K-Serie als Röhrenspannung gearbeitet werden, ohne daß die dann vorhandene Inhomogenität der Strahlung stö­rend wirkt. Bei hohen Anforderungen an die Homogenität der Strahlung darf jedoch für den Röhrenbetrieb die doppelte Erregungsspannung nicht überschritten werden. Tab. 4.6 enthält eine Zusammenstellung der Filterstoffe und Dicken, die bei bestimm­ten Anoden einzusetzen sind.

10

8 J

I

I 4

2

ßoc

N I

'"''• I\\

' /II ', ... ./ '~'

--/\ ][I

I I

I . ···i-'· ··· ····r ··· ..

. / lll ....

r \~ ' ... ~ I

/

0,8

Abb. 4.45 Erzeugung praktisch homogener Mo-K-Eigenstrahlung durch selektive Fil­

terung. (---) ohne Filter, (---) mit Filter (nach ULREY)

--Abb. 4.46 Änderung der Richtung der Photo­Elektronenemission mit der Wellenlänge der einfallenden Röntgenstrahlen (nach Ev ANS)

I) 0,62 A, II) 0,13 A, III) 0,024 A, IV) 0,004 A

Tab. 4.6 Erzeugung homogener Strahlung durch selektive Filterung

Mindest- Intensivste Anode spannung Wellenlänge Filterstoff

Dicke kV A mm

Chrom I 6 2,29 Vanadium 0,0084 Kupfer

I

9 1,54 Nickel 0,0085 Molybdän 20 0,71 Zirkon 0,037 Silber 25 0,56 Palladium 0,030

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Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 123

Nun zu den Eigenschaften der bei jedem Absorptionsprozeß emittierten Photoelek­tronen. Im allgemeinen ist die Ablösearbeit eines Elektrons sehr viel kleiner als die Energie des absorbierten Quants, so daß nach Gl. 4.7 die Photoelektronen praktisch die ganze Energie des Quants aufnehmen. Für eine absorbierte Röntgenwellenlänge ). A ist dann näherungsweise 1 die Energie des zugehörigen Photoelektrons

E = 12;40 [keV. (4.10)

Die entstehenden Photoelektronen haben demnach einheitliche Energie, wenn die auslösende Röntgenstrahlung nur eine Wellenlänge enthält. Dies ist jedoch bei den radiologisch benutzten Röntgenstrahlungen nicht der Fall, so daß die Photoelek­tronen dort ein breites Energieintervall überdecken.

Die Emission der Photoelektronen erfolgt keineswegs gleichmäßig in allen Richtun­gen. Wie die Kurven in Abb. 4.46 zeigen, treten bestimmte Vorzugsrichtungen auf, deren Lage von der Energie der Röntgenquanten abhängt. Bei relativ weichen Rönt­genstrahlen wird, wie die Kurven I und II für die Wellenlängen 0,62 und 0,13 A zeigen, der Hauptteil der Photoelektronen im Winkelbereich von 50° bis 80° gegen­über der Richtung der primären Röntgenstrahlen ausgesandt. Mit wachsender Energie der Quanten wird der Winkel gegenüber der Primärstrahlrichtung immer kleiner, und die Emission der Photoelektronen erfolgt in einem schmaleren Winkelbereich. Beson­ders deutlich geht dies aus Kurve IV hervor, die für ultraharte Röntgenstrahlen mit einer Quantenenergie von 2,8 MeV gilt. Die von Betatronröntgenstrahlungen ausge­lösten Photoelektronen werden praktisch alle in Richtung der Primärstrahlung emit­tiert.

Ergänzend ist noch zu bemerken, daß bei der Photoabsorption die Rückgruppie­rung der Elektronenanordnung in der Atomhülle auch ohne Aussendung von Eigen­strahlung vor sich gehen kann. Die sonst als Eigenstrahlung ausgesandte Energie wird zur Loslösung eines weiteren Hüllenelektrons benützt. Diese bei strahlungslosen Über­gängen aus der Atomhülle losgelösten Elektronen werden AuGER-Elektronen genannt. Sie besitzen je nach de1 Atomart diskrete Werte der kinetischen Energie. Der AUGER­Effekt tritt besonders häufig bei leichtatomigen Elementen auf (vgl. Abschnitt A.18).

c) Streuung

Während die charakteristische Eigenstrahlung nur unter den im letzten Abschnitt besprochenen Bedingungen entsteht, tritt Streustrahlung stets auf, wenn ein Stoff von Röntgenstrahlen getroffen wird. Streuung bedeutet immer die Ablenkung eines Strahlenquants aus seiner Flugrichtung durch Wechselwirkung mit den Atomen. Die zu beobachtende Streustrahlung hat zwei Ursachen, die klassische Streuung und die CoMPTON-Streuung. Bei der hl.assischen Streuung (kohärente Streuung) erfolgt nur eine Richtungsänderung der primären Röntgenstrahlung, während bei der CaMPTON­

Streuung (inkohärente Streuung) außerdem die Energie der gestreuten Quanten ge­genüber der der primär einfallenden verkleinert ist. Das bedeutet eine Wellenlängen-

1 Die 3. Spalte der Tab. 4.8 enthält die genauenWerte der Photoelektronenenergie unter Berücksichtigung der Ablösearbeit eines Elektrones der K-Schale.

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124 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

zunahmedes Streuquants (vgl. Abschnitt A.S). Im langwelligen Röntgengebiet über­wiegt die klassische, im kurzwelligen die CaMPTON -Streuung. Der die Gesamtstreuung charakterisierende Streukoeffizient a* setzt sich dementsprechend zusammen aus

a* = a' + a (4.11)

wobei a' der Streukoeffizient für klassische, aderfür CaMPTON-Streuung ist. Die ein­zelnen Koeffizienten sind analog zum Schwächungs- und Absorptionskoeffizienten definiert (vgl. Abschnitt A.S). Durch Division mit der Dichte ergeben sich die Massen­streukoeffizienten.

Einige gemessene a*le-Werte sind nach einer Zusammenstellung von CoMPTO in Abb. 4.47 wiedergegeben. Abgesehen vom Wasserstoff, der eine Sonderstellung ein­

6*

Q 0} f----14--+-+---\--.,..----+---<

l o,s

nimmt, wächst a* I e mit der Ordnungs­zahl Z und der Röntgenwellenlänge J. an. Die Abhängigkeit von J. ist bei gro­ßem Z, z. B. bei Gold, stärker ausge­prägt als bei kleinem Z, z. B. bei Koh­lenstoff.

0,4

0,2

(} 0,2 0,4

Die klassische Streuung hat ihre Ur­sache darin, daß die Elektronen der Atomhülle durch die einfallenden Rönt­genstrahlen zu erzwungenen Schwin­gungen angeregt und dadurchAusgangs­punkt einer Wellenstrahlung werden. Primäre und gestreute Röntgenstrah­lung haben die gleiche Wellenlänge. Der

f,Z Vorgang ist ähnlich der Streuung des Lichtes an Atomen oder Molekülen, der sogenannten RAYLEIGH-Streuung. Die Intensitätsverteilung der an leicht­atomigen Substanzen klassisch gestreu-

Abb. 4.47 Experimentell bestimmte Massen­streukoeffizienten a*/e verschiedener Elemente in Abhängigkeit von der Wellenlänge (nach

COMPTON}

ten Strahlung ist nach THOMSON zu ZIA und (l + cos2 cp)l2 proportional, wobei cp der Winkel zwischen Primärstrahl und Streu­strahlungsrichtung, Z die Ordnungszahl und A das Atomgewicht ist. Für Wasser­stoff ist ZIA = l , für die anderen Elemente mit kleiner Ordnungszahl 0,5. Wasser­stoff streut also doppelt so stark wie diese. Auf der Grundlage der Theorie von THOMSON ergibt sich der Massenstreukoeffizient für leichte Elemente zu

für W assarstoff dagegen zu

a' - = 0,2 g- 1 cm2 e (4.12)

(4.13)

Die Erfahrung hat gezeigt, daß Gl. 4.13 sehr gut, GI. 4.12 dagegen praktisch nicht er­füllt ist. Dies geht auch aus Abb. 4.47 für große Wellenlängen hervor, wo die CaMP­TON -Streuung vernachlässigbar klein ist und a* I e fast ausschließlich durch a' 1 e be­stimmt ist. Wie man sieht, wird bei Wasserstoff ein von der Wellenlänge unabhängiger

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Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 125

a*Je-Wert von 0,4 beobachtet. Sauerstoff und Kohlenstoff besitzen dagegen kleinere Massenstreukoeffizienten, die mit wachsender Wellenlänge ansteigen. Zur Ermittlung genauer Zahlenwerte von a' f 12 können die auf Berechnungen von WmTE beruhenden Kurven in Abb. 4.48 dienen. Weitere Zahlenangaben für Luft und Wasser finden sich in der 4. und 10. Spalte der Tab. 4.7.

zo 40 llO 80

1J[ ---- J'fi[

0 100

Abb. 4.48 Abhängigkeit des Massenstreukoeffizienten der klassischen Streustrahlung a'/12 von der Ordnungszahl Z für verschieden energe­tische Röntgenquanten. I) 10 keV, II) 15 keV, III) 20 keV, IV) 40keV,

V) 60 keV, VI) 100 keV, VII) 200 keV, VIII) 300 keV

I

p

Wie erwähnt, erfolgt die Emission der klassischen Streustrahlung nicht gleich­mäßig nach allen Richtungen hin. Die in Abb. 4.49 für eine Primärwellenlänge von 2,4 A gezeichnete Verteilung ist typisch für klassische Streuung. Die Intensität der Streustrahlung in den verschiedenen Richtungen wird durch die Abstände zwischen den einzelnen Kurvenpunkten und dem Ursprung des Koordinatensystems angegeben. Die Streustrahlungsintensität ist am größ­ten parallel und entgegengesetzt zur Primärstrahlrichtung (rp = ± 180° und

Abb. 4.49 Richtungsabhängigkeit der Streu­strahlung leichtatomiger Stoffe bei verschie­

denen Röntgenwallenlängen. I) 2,4 A, II) 0,24 A, III) 0,024 A

0°). In der Richtung senkrecht dazu (rp = ± 90°) ist sie dagegen halb so groß. Auf die Streustrahlungsverteilungen der kurzwelligeren Primärstrahlungen in Abb. 4.49 kommen wir später zurück.

Bei der CaMPTON-Streuung tritt ein Strahlungsquant der Energie hv in Wechsel­wirkung mit einem lose gebundenen Atomelektron, überträgt einen Teil seiner Ener-

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126 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

gie auf dieses und fliegt mit einer geringeren Energie hv' weiter. Bei Vernachläs igung der relativ geringen Ablösearbeit äußerer Elektronen erhält das aus demAtomverband gelöste Elektron, das CoMPTON- oder Rückstoßelektron genannt wird, die Energie­differenz hv-hv' = E (4.14)

als kinetische Energie. In Abb. 4.50 ist der Prozeß schematisch gezeichnet. Da v'

kleiner als v ist, kommt dem Streuquant auf Grund von Gl. 1.1 eine größere Wellen­

lnr

Abb . 4.50 CoMPTON-Streuung schematisch

e länge zu. Der COMPTON-Effekt führt also zu einer "Erweichung der primä­ren Strahlung". Die Größe der Wellen­längenzunahme ist von der Streurich­tung abhängig und erreicht den größten Wert von 0,048 A entgegengesetzt zur Einfallsrichtung, unabhängig vom Ab­solutwert der primären Wellenlänge. Dies hat zur Folge, daß sich die relative Wellenlängenänderung um so stärker bemerkbar macht, je kürzer die pri­märe Wellenlänge ist. Die Streurich­

tung cp und die Emissionsrichtung e des CoMPTON-Elektrons sind voneinander abhängig Zu jedem cp-Wert gehört ein ganz bestimmter Winkel e (vgl. Abschnitt A.8c). Während cp alle Werte zwischen oo und ± 180° annehmen kann, ist e in seiner Größe auf den Winkelbereich zwischen oo und ± 90° beschränkt. Entgegen­

f-

0,1

~""'"'--) 10 MeV

gesetzt zur Primärstrahlrichtung werden also keine CaMPTON-Elek­tronen emittiert. Bei ultraharten Röntgenstrahlen haben alle CoMI'­

TON-Elektronen praktisch die Richtung des Primärstrahls. All­gemein gilt, daß unabhängig von der primären Quantenenergie, die in Primärstrahlrichtung ausge­sandten CoMPTON-Elektronen die größte Energie besitzen. Da die

Energieabgabe des primären Quants auf das Elektron von der

0,5 1 5 10 Streurichtung abhängt und diese Energie in MeV durch Wahrscheinlichkeitsgesetze

Abb. 4.51 Energieverteilung der ÜOMPTON-Elektronen geregelt wird, haben die Rück­bei einfallenden Strahlungsquanten von 1 und 10 MeV stoßelektroneu auch bei homoge-

ner Primärstrahlung alle mög­lichen Energien bis zu einem Höchstwert, der mit abnehmender Primärwellenlänge zunimmt (vgl. Gl. A.80). In der Praxis kann man mit einem mittleren Energiewert rechnen, der etwa die Hälfte dieses Maximalwertes ist.

Die Energieverteilung der COMPTON-Elektronen für einfallende Röntgenquanten einer Energie von 1 MeV und 10 MeV ist in Abb. 4.51 dargestellt. Die Ordinate gibt

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;. hv A MeV

2,0 0,0062

1,5 0,0083

1,0 0,0124

0,8 0,0155

0,6 0,0207

0,4 0,0310

0,3 0,0413

0,2 0,062

0,15 0,0827

0,10 0,124

0,08 0,0155

0,06 0,2066

0,05 0,2480

Tab. 4.7 Aufteilung des Schwächungskoeffizienten in Absorption und Streuung für Luft 1md Wasser (nach eigenen Berechnungen)

Luft Wasser

I I I I I T+GA

I I I ~-tle G'/e G/e T/(! GA/(! -- ~-t!e G'/e G/f! Tj(] GA/(! e

20,96 0,425 0,195 20,34 0,0023 20,34 21,88 0,425 0,217 21,23s 0,0025

9,110 0,285 0,194 8,631 0,0036 8,634 9,454 0,285 0,215 8,954 0,0041

2,879 0,150 0,191 2,538 0,0044 2,542 2,979 0,150 0,212 2,617 0,0049

1,575 0,104 0,189 1,282 0,0054 1,287 1,634 0,104 0,210 1,320 0,0060

0,7750 0,062 0,1855 0,527 0,0069 0,534 0,8099 0,062 0,206 0,5419 0,0077

0,3561 0,031 0,1792 0,1459 0,0096 0,155 0,3801 0,031 0,1989 0,1502 0,0107

0,2501 0,0172 0,1734 0,0595 0,0119 0,0714 0,2713 0,0172 0,1925 0,0616 0,0132

0,1862 0,0077 0,1632 0,015 0,0157 0,0310 0,2050 0,0077 0,1812 0,0161 0,0174

0,1643 0,0050 0,1546 0,0047 0,0186 0,0233 0,1819 0,0050 0,1716 0,0053 0,0206

0,1433 0,0027 0,1407 0 0,0227 0,0227 0,1591 0,0027 0,1562 0,0002 0,0251

0,1337 0,0019 0,1322 0 0,0245 0,0245 0,1486 0,0019 0,1468 0,0001 0,0272

0,1217 0,0009 0,1210 0 0,0267 0,0267 0,1353 0,0009 0,1343 0 0,0296

0,1136 0 0,1137 0 0,0278 0,0278 0,1263 0 0,1262 0 0,0309

(T~GA)w

I T+GA (T~GA)L --

e

21,24o 1,05

8,958 1,04

2,622 1,03

1,326 1,03

0,5496 1,03

0,1609 1,03

0,0748 1,05

0,0335 1,08

0,0259 1,11

0,0253 1,11

0,0273 1,11

0,0296 1,11

0,0309 1,11

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128 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

die relative Häufigkeit an, mit der die CaMPTON-Elektronen in den einzelnen Ener­giebereichen auftreten. Der horizontale Kurvenverlauf bedeutet, daß in diesem Energiebereich CaMPTON -Elektronen der verschiedensten Energien gleich häufig vor­kommen. Besonders zahlreich sind Elektronen vertreten, die den Höchstwert an kinetischer Energie mit sich führen. Die Kurvenanstiege bei 0,6 und 6 MeV zeigen dies deutlich. Die Höchstwerte der Energien der CaMPTON -Elektronen betragen bei den 1 MeV-Quanten 0,796 MeV, bei den 10 MeV-Quanten 9,78 MeV. Die Differenz zwischen der Maximalenergie der CaMPTON-Elektronen und der Energie des einfallen­den Röntgenquants wird mit wachsender Primärstrahlungsenergie immer kleiner.

Die Emission der Streuquanten erfolgt beim CoMPTON-Effekt mit abnehmender Primärwellenlänge immer mehr bevorzugt in Primärstrahlrichtung. Das geht deut­lich aus den Kurven II und III der Abb. 4.49 hervor. Bei der Kurve li für 0,24 A be­findet man sich in einem Wellenlängenbereich, in dem klassische Streuung und CaMP­TON-Streuung nebeneinander vorkommen. Die Vorwärtsrichtung wird von der auf­tretenden Streustrahlung deutlich bevorzugt Noch stärker ausgeprägt ist dies bei einer Primärwellenlänge von 0,024 A, die im reinen CüMPTON-Gebiet liegt. Bei weite­rer Abnahme der Wellenlänge der einfallenden Strahlung konzentriert sich die Streu­strahlenemissionimmer mehr auf die Primärstrahlrichtung und ihre nächste Umge­bung, was für die Therapie mit ultraharten Röntgenstrahlen von praktischer Bedeu­tung ist (vgl. Abschnitt 8.IV).

Der CaMPTON-Streukoeffizient a gliedert sich in einen Anteil für die inkohärente Streustrahlung as und einen Anteil aA für die CüMPTON-Elektronen. Für die entspre­chenden Massenkoeffizienten gilt dann

!!_ = ~+GA 12 12 12

(4.15)

Die Aufspaltung des CaMPTON-Streukoeffizienten in seine Teilbeträge geht aus Abb. 4.52 hervor. Die Kurven gelten streng für alle leichtatomigen Stoffe, bei denen Z/A = 0,5 ist, aber nur näherungsweise für schweratomige. Die Berechnung erfolgte nach den Formeln von KLEIN u. NrSHINA, denen die Wechselwirkung zwischen Röntgen­quanten und freien Elektronen zugrundeliegt. Für Wasserstoff sind die .in Abb. 4.52 angegebenen Werte zu verdoppeln. Die Kurven für a/12 und aA/I2 nähern sich bei kurzen Wellenlängen einander mehr und mehr. Das bedeutet, daß bei ultraharten Strahlen fast die ganze dem primären Röntgenquant beim CaMPTON-Prozeß entzogene Energie in Elektronenenergie umgesetzt wird. Der Koeffizient der Röntgenstreu­strahlung ergibt sich als Differenz der Ordinaten beider Kurven. Zur Ergänzung der Angaben in Abb. 4.52 sind Zahlenwerte für a/12 und aA/ 12 nach Berechnungen von LEA u. BmKs in Tab. A.9 zusammengestellt. Diegenaue Kenntnis von aA/ I2 ist für dosi­metrische Berechnungen erforderlich, weil für die Wirkung der Röntgenstrahlen in einem durchstrahlten Stoff die ausgelösten Elektronen maßgebend sind (vgl. Ab­schnitt 6.1 und A.14).

Aus Tab. 4.8 ist zu ersehen, wie sich bei einer gegebenen Röntgenwellenlänge die Sekundärelektronenenergie auf Photoelektronen und auf COMPTON-Elektronen ver­teilt. Während im langwelligen Röntgengebiet nur Photoelektronen erzeugt werden, treten im kurzwelligen nur CaMPTON-Elektronen auf. In der 3. Spalte von Tab. 4.8 ist die einheitliche Energie der Photoelektronen angegeben (vgl. GI. 4.7). Da die CoMP-

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Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 129

TON-Elektronen dagegen ein Energiespektrum aufweisen (vgl. Abb. 4.51), sind in der 4. und 5. Spalte der Tabelle die maximale und die mittlere Energie der CaMPTON­Elektronen angegeben. Diese beiden Energiewerte stehen in keinem konstanten Ver­hältnis zueinander, weil sich die Energieverteilung der CaMPTON-Elektronen etwas mit der Wellenlänge ändert.

Welchen Anteil die in Abschnitt 4.IIIb besprochene Absorption einerseits und die Gesamtstreuung andererseits an der Schwächung einer Röntgenstrahlung hat , hängt

O,J 6

~ 0,1 "' ~ 0,05 - ~

--r----z ·-

~ ~

-- --~ -~ ~

---~ !--- ..- 6A -- ~ ./ --~ Q ~ ~ 0,01 ""' ~

~ ~ 0,005

/ ....... /

"~ -

/ / -

/ ' ~ 0,0010,01 0,05 0,1 0,5 1 5 10 50 100

Energie in MeJI

Abb. 4.52 CoMPTON-Massenstreukoeffizient afe und der auf CoMPTON-Elektronen entfallende Anteil aA/Q für leichtatomige Stoffe (nach KLEIN u. NISIDNA}

Tab. 4.8 Energie von Photoelektronen und von Coli1J'TON-Elektronen in Wasser (nach LEA)

Energie der Energie der Energie der Anteil an der gesamten Wellen- Strahlungs- Photo- Co~IPTON-Eiektronen Elektronenenergie länge quanten elektronen I im Mittel

Photo- COMPTON·

A maximal elektroneu Elektronen

keV keV keV I keV % %

1,213 10,2 9,7 0,39 0,19 99,9 0,1

0,809 15,3 14,8 0,87 0,43 99,6 0,4

0,404 30,7 30,2 3,28 1,62 93 ,7 6.3

0,303 40,9 40,4 5,64 2,79 83.3 16.7

0,202 61,4 60,9 11,86 5,83 52,4 47.6

0,135 91,8 91,3 24,34 11.89 20,3 79,7

0,101 122,8 122,3 39,76 19,50 8,4 91.6

0,0735 168,7 168,2 67,02 32,93 3,0 97.0

0,0506 245,0 244,5 120,1 59,49 0,9 99.1

0,0404 306,9 306,4 167.2 83,55 0.4 99.6

0,0243 510,3 509,8 340,6 176.0 0.1 99,9

0,0121 1025 1024,5 817,3 452.6 0 100

9 Glocke•·/Macherauch, Röntgen- und K~mphy•ik. 2. Aufl .

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130 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

von der Wellenlänge und der Ordnungszahl der schwächenden Sub tanz ab. In Abb. 4.53 ist für Kupfer und Kohlenstoff der Verlauf von a*/f.L, also das Verhältnis ~on

Streuung und Schwächung, als Funktion

1.0 der Wellenlänge aufgezeichnet. Bei großen Wellenlängen bis hinunter zu 0,4 A macht die Streustrahlung von Kupfer nur einige Prozent der Schwächung aus, o daß dort die Absorption überwiegt. Im kurzwel­ligen Gebiet, etwa ab 0,03 A tritt der an­dere Extremfall auf, eine vernachlässig­bar kleine Absorption. Dort wird die ganze Schwächung praktisch durch Streu­ung verursacht; a* /f.L ist gleich 1. Die Wellenlänge 0,03 A ist die kürzeste, die in der Röntgenstrahlung einer 400 k V­Röhre vorkommt. Sie gehört zum Bereich der Tiefentherapiestrahlungen. Die Kurve für Kohlenstoff in Abb. 4.53 hat einen

0 01 L_ __ ..L_ __ -'-__ __J_ __ __. ähnlichen Verlauf. Das Überwiegen der ' 0 0,2 0,4 0,5 0,8 Streustrahlung tritt aber hier schon unter-

-----? Jv ( iJ halb 0,2 A, also im Bereich der Diagno­Abb. 4.53 Verhältnis von Gesamtstreuung zu Schwächung bei Kupfer und Kohlenstoff für

Röntgenwellenlängen von 0,025 bis 0,8 A

stikstrahlungen, auf.

d) Paarbildung

Bei Röntgenstrahlen, deren Strahlungs­quanten eine Energie haben , die größer als l ,02 MeV ist, tritt als weiterer Schwä­chungseffekt die Paarbildung auf. Bei dieser "Materialisation des Strahlungs­quants" entstehen im Felde eines Atom­kerns aus dem Quant, das verschwindet, ein Elektron und ein Positron. Der Vor­gang ist in Abb. 4.54 schematisch wieder­

Abb . 4.54 Paarbildungsprozeß schematisch gegeben. Wird ein solcher Prozeß in einer WILSON- oder Blasenkammer registriert,

so zeigt die Aufnahme zwei von einem Punkt ausgehende Teilchenspuren. Der Energiebetrag von 1,02 MeV entspricht nach Gl. 1.7 gerade der Energie, die der Ruhemasse des Elektron-Positron-Paares äquivalent ist. Hat das Strahlungsquant eine Energie hv größer als 1,02 MeV, so wird der Energieüberschuß

Eo = hv - 1,02 [MeV (4.16)

nach Wahrscheinlichkeitsgesetzen auf das Elektron und das Positron übertragen. Über die Energieverteilung, die von der Energie der primären Strahlungsquanten ab­hängt, gibt Abb. 4.55 Auskunft. Als Abszisse ist der Quotient E +/Eo aufgetragen, wo­bei E + die kinetische Energie der Positronen ist. Die Ordinate gibt die relative Häufig-

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Wechselwrrkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 131

keit der Positronen wieder. Bei Quantenenergien von 5 und 25 MeV sind die Fälle selten, in denen ein Positron die ganze Energie Eo oder die Energie 0 erhält. Daraus folgt , daß auch die Paarelektronen außerordentlich selten keine oder die ganze Energie E o aufnehmen. Eine solch ungleiche Verteilung der Energie Eo auf Positron und Elektron ist sehr unwahrscheinlich. Beide Teilchen erhalten meist nahezu gleiche Energiebeträge. Als Mittelwert der kinetischen Energie eines Paarbil­dungsteilchens kann daher derWert Eo/2 angenommen werden. Nur bei sehr großen Strahlungsenergien von einigen hundert MeV, wie sie in der kosmischen Strahlung vor­kommen, hat die Verteilungskurve eine andere Form (Kurve III in Abb. 4.55). E s treten dann Po i­tronen in der Nähe der Grenz­werte 1 und 0 besonders häufig auf, was bedeutet, daß sie bevor­zugt entweder die Gesamtenergie Eo oder gar keine Energie aufneh­men. Entsprechendes gilt für die Elektronen.

Das bei der Paarbildung entste­hende Positron hat nur eine sehr kurze Lebensdauer. Nach Abgabe seiner kinetischen Energie durch Stöße auf Atome vereinigt e sich

0 Q2 tO

Abb. 4.55 Energieverteilung der bei der Paarbildung entstehenden Positronen für primäre Strahlungs­quanten verschiedener Energie (nach H EITLER).

I) 5 MeV, Il) 25 MeV, III) 500 MeV

sehr rasch mit einem freien Elektron, wobei der umgekehrte Vorgang wie bei der Paar­bildung stattfindet. Beide Teilchen verschwinden und die ihren Ruhemassen äquiva­lente Energie von 1,02 MeV wird in y-Strahlungsenergie (Vernichtungs trahlung) um­gesetzt. Meist ent tehen zwei y-Quanten von je 0,51 MeV Energie mit zueinander entgegengesetzten Emissionsrichtungen. Seltener sind die Fälle, in denen die Energie

Tab. 4.9 Energieabhängigkeit der Massen -Paarbildungskoeffizienten von Aluminium und Blei (nach HEITLER)

E in. MeV 2 10 51 102 510 1020

Aluminium 0,0007 0,0087 0,019 0,02:3 0,027 0,029

Blei 0,0036 0,0410 0.088 0,103 0,117 0,122

von 1,02 MeV nur auf 1 oder auf 3 y-Quanten verteilt 'vird . Die entstehende y-Strah­lung hat eine relativ große R eichweite, o daß ihre Berücksichtigung bei dosimetri­sehen l!ragen, vor allem bei dünnen Objekten, gewis e chwierigkeiten bietet.

Der Paa1·bildungskoe(jzient x ist sinngemäß definiert. wie der Streu- bzw. der Ab­orptionskoeffizient.. Nach Berechnungen von HEITLER sind einige Zahlenwerte von

xfe füT Aluminium und Blei in Tab.4.9 angegeben. Die Tatsache, daßeine Paarbildung

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132 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

auch im F elde eines Atomelektrons stattfinden kann, ist dabei berücksichtigt (vgl. Abschnitt A.Sc). Da für die Röntgenstrahlenwirkung nur der Teil der Energie des primären Strahlenquants maßgebend ist , der in kinetische Energie von Elektron lmd Positron umgesetzt wird , definiert man einen korrigierten Paarbildungskoeffizienten

, _ (1-1,02) X -X -hv

(4.17)

Dabei ist die Energie hv des Röntgenquants in MeV einzusetzen. Zahlenangaben für den universellen Quotienten x'fx, der den in kinetische Energie der beiden Teilchen verwandelten Bruchteil der primären Strahlungsenergie angibt, finden sich in Tab. 4.10. Absolutwerte von x'fe für Luft und Wasser enthält die 4. bzw. 7. Spalte der Tab . 4.11.

Tab. 4.10 Verhältnis der Koeffizienten x' und x bei der Paarbildung in Abhängigkeit von der Energie

EMeV

x' fx

10

s

~ 1 ~

- ~ 0,5 \ ~ "" -~ 0,1 .i\i ~ qos ~

~ ~ ~ 0,01 ~ qoo5

2 5

0,49 0,80

0,1

Wasser

1

Energie /n MeV

10

0,90

10 100

20 50 100

0,95 0,98 0,99

Die prozentualen Anteile der bei der Schwächung von Röntgenstrahlen mit Ener­gien von 0,5 bis 100 MeV in Wasser entstehenden Energie von CaMPTON-Elektronen und Paarelektronen an der gesam­ten dort erzeugten Elektro­nenenergie sind aus den Spal­ten 5 und 6 der Tab. 4.12 zu ersehen. Angaben über die maximale Energie der CaMP­TON-und Paarelektronen (ein­schließlich Positronen) sind in den Spalten 2 und 4 enthal­ten. Bei der Röntgenstrahlung eines 30 MeV-Betatrons be­trägt die Energie der Strah­lungsquanten im Mittel 10 MeV. In diesem Falle rühren

Abb. 4.56 Energieabhängigkeit der v"erschiedenen Koeffi­zienten bei der Schwächung von Röntgen- und y-Strah-

lung in Wasser (nach EVANS) drei Viertel der in Wasser er-zeugten Elektronenenergie

vom CaMPTON -Effekt und nur ein Viertel von der Paarbildung her. Bei ultraharten Röntgenstrahlen von 20 MeV Energie sind beide Anteile etwa gleich. Bei diesen hohen Strahlungsenergien erfolgt die Emission der Elektronenpaare ebenso wie die der CaMPTON-Elektronen nahezu ausschließlich in Richtung der primären Röntgen­strahlung.

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Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlen und Materie 133

Tab. 4.11 Massenkoeffizienten zur Ermittlung der von ultraharten Röntgenstrahlen in Luft und Wasser erzeugten Sekundärelektronenenergie

El\1eV

0,50 1,0 2,0 5,0

10 20 50

100

J.A

0,0248 0,0124 0,0062 0,00248 0,00124 0,00062 0,000248 0,000124

Luft Wasser

I I aA+%'

I I aA+%'

UA/11 %'/e -- aA/e %'/e --e e

0,0297 0,0297 0,0330 - 0,0330 0,0280 - 0,0280 0,0311 - 0,0311 0,0234 0,0001 0,0235 0,0260 0,0001 0,0261 0,0156 0,0021 0,0177 0,0173 0,0021 0,0194 0,0105 0,0045 0,0150 0,0116 0,0045 0 ,0161 0,00662 0,0076 0,0142 0,00736 0,0076 0,0150 0,00338 0,0118 0,0152 0,00376 0,0118 0,0156 0,00196 0,0145 0,0165 0,00218 0,0145 0 ,0167

100 50

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' 0,01 0,1 1 Energie in Mt V

10 100

Abb. 4.57 Energieabhängigkeit der verschiedenen Koeffizienten bei der Schwächung von Röntgen- und y-Strahlung in Blei

(nach EvANS)

(aA:%')w

(aA:%')L

1,11 1,11 1,11 1,09 1,07 1,06 1,02 1,01

In den Abb. 4.56 und 4.57 ist die Aufteilung der Massenschwächungskoeffizienten von Wasser und Blei auf die besprochenen Einzelprozesse dargestellt. Der Absolut­betrag der einzelnen Koeffizienten und deren Wellenlängenabhängigkeit ist in beiden Fällen sehr unterschiedlich. Die Paarbildung, die im ultraharten Gebiet ein Wieder-

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134 Erzeugung und Eigenschaften von Röntgenstrahlen

ansteigen des Schwächungskoeffizienten bedingt, ist besonders ~usgeprägt bei_ Ele: . menten mit hoher Ordnungszahl. Das Minimum der Schwächung liegt deshalb bei Blei bereits bei etwa 3,5 MeV, bei Wasser dagegen erst bei 50 MeV Quantenenergie.

Tab.4.12 Energie von COMPTON-Elektronen und Paarelektronen bei der Schwächung ultraharter Röntgenstrahlen in Wasser (nach eigenen Berechnungen)

Strahlungs­quant

MeV

0,50 1,0 2,0 5,0

10,0 20,0 50,0

100

COMPTON-Elektronen Energie

maximal I im Mittel MeV MeV

0,33 0,80 1,77 4,75 9,75

19,74 49,8 99,8

0,17 0,44 1,06 3,12 6,80

14,60 38,8 80,0

Paarelektronen Anteil an der Gesamtelektronen-Energie

maximal MeV

0,98 3,98 8,98

17,98 48,98 98,98

energie

COMPTON- I Paar-Elektronen % elektroneu %

100 100 99,6 90,0 73,0 50,0 26,0 14,0

0 0 0,4

10,0 27,0 50,0 74,0 86,0

4.IV Reflexion, Brechung und Beugung

Die Feststellung von RöNTGEN, daß die von ihm entdeckten Strahlen keine Refle­xion, keine Brechung und keine Beugung am Spalt zeigen, ist auch heute noch nähe­rungsweise gültig. Erst drei Jahrzehnte nach der Entdeckung von RöNTGEN gelang mit extrem langwelligen Röntgenstrahlen der Nachweis der Totalreflexion an polier­ten Flächen (A. H. CoMPTON}, der Brechung in einem Glasprisma (LARSSON, SIEG­BAHN u. WALLER) und der Beugung an einem Spalt (W ALTER) . In allen Fällen handelt es sich, wegen der Kleinheit der Effekte, um sehr schwierig nachzuweisende Erschei­nungen. Die Brechungsexponenten für Röntgenstrahlen unterscheiden sich erst in der 6. Stelle nach dem Komma von der Zahl1,00000. Zuvor waren 1912 von VON LAUE, FRIEDRICH u. KNIPPING Be~~gungserscheinungen beim Durchgang von Röntgenstrahlen durch Kristalle gefunden worden, welche die biS dahin umstrittene Frage nach der Natur der Röntgenstrahlen einwandfrei zugunsten der Auffassung als elektromagne­tische Schwingungen entschieden. Die Größe der Wellenlängen konnte nunmehr be­stimmt werden, und ungeahnte Möglichkeiten eröffneten sich, den Aufbau der Materie aus Atomen zu ermitteln.

Läßt man ein eng ausgeblendetes Strahlenbündel einer Röntgenröhre auf eine dünne Platte eines Kristalls, z. B. ein Spaltstück eines Steinsalzkristalls, auftreffen, so entstehen auf einem in einigen cm Abstand hinter dem Kristall aufgestellten P lan­film außer einer von dem hindurchgegangenen Primärstrahl herrührenden Schwär­zung eine Reihe von Schwärzungsflecken in regelmäßiger Anordnung. Ein Beispiel zeigt Abb. 4.58. Diese Interferenzpunkte kommen dadurch zustande, daß die beim Durchgang durch den Kristall an den gesetzmäßig angeordneten Atomen abgebeugten Strahlen interferieren, in ähnlicher Weise wie Lichtwellen beim Durchtritt durch ein Strichgitter. Solche Interferenzen treten auf, weil die Abstände der beugenden Zen-

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toßionisation und Gasverstärkung 153

von 10 mm Durchmes er über treicht einen Meßbereich von 6 7 bis etwa 0,015 R. Mit einer argongefüllten Zylinderkammer von 45 mm Durchmesser sind maximal 0,04 R, minimal 0,001 R noch meßbar. Ein Vorteil des Gerät ist, daß gleichzeitig Messungen an mehreren Meßplätzen erfolgen können. Es eignet sich auch gut für Personendosismessungen bei Strahlenschutzüberwachungen.

5.11 Stoßionisation und Gasverstärkung

a) Grundlagen

teigert man bei einer Ionisation kammerdie Spannung mehr und meru:, so setzt nach Durchlaufen des Sättigungsbereiche (vgl. Abb. 5.2) bei höheren Spannungswerten ein erneuter Stromanstieg ein. Durch die hohe elektrische Feldstärke werden die von einem einfallenden ionisierenden Teilchen aus Gasmolekülen oder Gamtomen befrei­ten Elektronen so stark beschleunigt, daß sie selbst wieder beim toß auf Moleküle oder Atome Ionen und Elektronen erzeugen können. Diese Form der Ionisation wir­kung, die Stoßionisation, wird in Zählrohren zur Messung ionisierender Strahlungen ausgenützt.

Der prinzipielle Aufbau eines Zählrohres geht aus Abb. 5.1 hervor. Im Inneren eines dünnwandigen, zylindrischen Rohre aus Metall (z. B. Aluminium oder Kupfer) oder aus Gla bzw. Kunststoff mit leitenden Dberzügen (z. B. Graphit) ist ein dünner Draht aus Ei en, Wolfram oder Molybdän gespannt, der über einen Widerstancl W mit dem positiven Pol einer geerdeten Gleichspannungsquelle B verbunden ist. Die Zählrohrwand ist Kathode. Im allge­meinen wird mit Spannungen zwi chen 1000 und 2000 V gearbeitet. Eine häufig benutzte Ga füllung besteht aus Argon mit

K

« V

: 8 w

1 Abb. 5.18 Zäh.lrohr-Meßanordnung

einem Druck von 90 Torr und Äthylalkohol mit einem Druck von 100 Torr. Die im Zählrohrkrei fließenden Ströme ru:C n , wie aus Abb. 5.18 er ichtlich, am Hochohm. wider tand Weinen Spannungsabfall hervor, der verstärkt tmd registriert wircl.

Einen guten Dberblick über den Zu ammenbang zwischen Ionenzahl und Spanmmg bei Ioni ations- und Stoßionisationsvorgängen gibt Abb. 5.19 nach Messungen von MoNTGOMERY u. MüNTGOMERY. Die mit a bzw. ß bezeichneten Kurven gelten für a­

bzw. ß-Strahlen. Gelangt z. B. ein a-Teilchen in das Innere des Zähh·ohrs, so ist bei sehr nieehigen Spannungen die Zahl der bei einer Str.ommes ung erfaßten Ionen pro­portional zm· angelegten Spannung und bleibt zwischen A und B ü her einen größeren Spannungsbereich konstant. Der Kurvenverlauf ist derselbe wie in Abb. 5.2. Das Zählrohr arbeitet bis zur Spannung B al Ionisationskammer. Wird die Spannung über B hinaus erhöht, so setzt toßionisation ein und die gerne ene Ionenzahl steigt mit wach ender Zählrohrspannung steil an. ·wegen der ach ial ymmetrischen Anord­nung der Elektroden ist die Feld tärke in der Nähe de Zählrohrdrahtes sehr viel größer als nahe der zylinderförmigen Gegenelektrode. Die Stoßioni ation ist daher auf einen kleinen Volumenbereich rings um den Zählrohrdraht beschränkt. Di( Ent-

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154 Strahlenwirkung und Strahlenmessung

ladungen erfolgen in den verschiedenen Bereichen des Zählrohres völlig unabhängig voneinander. Von großer meßtechnischer Bedeutung ist die Tatsache, daß im Span­nungsbereich BO - Proportionalbereich genannt - die Ionenzahl streng proportional zur Zahl der primär erzeugten Ionen ist. Der Proportionalitätsfaktor, der mit der

m~ r--------------------------. D E

A B

ß

Spannung stark zunimmt, wird Gasverstär­kungsfaktor genannt. Er hängt, wie Abb. 5.20 zeigt, von der Art und vom Druck des Füllgases sowie von den Abmessungen des Zählrohrs ab. Zählrohre, die im Bereich BO der Abb. 5.19 betrieben werden, heißen Proportionalzählrohre; die Gasverstär kungs­faktoren liegen zwischen 103 und 105

.

Im Spannungsbereich zwischen 0 und D ist die Gasverstärkung nicht mehr unab­hängig von der Primärionisation. Die posi­tive Raumladung, die sich wegen der im Vergleich zu den Elektronen geringen Wan-derungsgeschwindigkeit der positiven Ionen um die Anode herum bildet, führt dazu,

t 0!:-~--~::---:-':-::----,l,..,----L___l____j daß keine Proportionalität zwischen ge-zoo 400 GOO 800 1000 messener und primärer Ionenzahl mehr

Spannunq in Volt besteht. Die Gasverstärkung wächst um so

Abb. 5.19 Gemessene Ionenzahl in Abhängig- langsamer an, je größer die primäre Ionen­keit von der Spannung an den Elektroden eines

zylinderförmigen Zählrohres zahl ist. Aus diesem Grunde münden die (nach MoNTGOMERY u. MoNTGOMERY) Kurven für ein stark ionisierendes a-Teil­

1000

100

10

chen und ein schwach ionisierendes ß-Teil­chen in ein und derselben Kurve. Daß im Spannungsbereich AG die für ein ß-Teil­chen gültige Kurve niedriger liegt als die des a-Teilchens, ist nach dem Gesagten leicht zu verstehen. Wegen seiner höheren Primärionisation liefert das a-Teilchen im Bereich AB eine um ungefähr 103 größere Ionenzahl als das ß-Teilchen. Im Propor-

t tionalitätsbereich bleibt das Ordinatenver-Joo 400 500 800 100 hältnis gleich dem Verhältnis der primären

:Spannung in Jlo!t Ionenzahlen. Mit Proportionalzählrohren Abb. 5.20 Gasverstärkung als Funktion der können daher Strahlungen verschiedener Zählrohrspannung bei verschiedenen Gasfül- Art auf Grund von Unterschieden ihrer lungen (nach RosE u. RAMSEY) 1) 60. Torr Energie getrennt nachgewiesen werden. Argon + 02, 2) 90 Torr CH4, 3) 320 Torr CH4 Bei Spannungssteigerungen über den

Punkt D in Abb. 5.19 hinaus ändert sich der Entladungsmechanismus des Zählrohres. Neben den Ionisationen erfolgen auch An-re~g~~ der g~stoßenen Gasmoleküle mit nachfolgender Emission von Lichtquanten. D1ese losen berm Auftreffen auf die Zählrohrwand Photoelektronen aus die dann ihrerseits auch in entfernteren Bezirken des Zählrohrs Ionisationen hervor~ufen. Auf

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Stoßionisation und Gasverstärkung 155

diese Weise breitet sich, ausgehend von primären Ionisationen, die Ionenbildung lawinenartig über das ganze Zählrohrvolumen aus. Zählrohre, die im Bereich DE arbeiten, werden Auslösezählrohre oder GEIGER-MÜLLER-Zählrohre genannt. Der Ent­ladungsvorgang ist bei diesen unabhängig von Energie und Art der Teilchen, die nur "auslösend" wirken. Zwischen der auftretenden Ionenzahl und der Zahl der primären Ionen besteht keinerlei Zusammenhang mehr. Die Verstärkungsfaktoren erreichen Werte zwischen 107 tmd 1010

• Die Zählrohrentladungen sind erheblich größer als im Proportionalitäts bereich.

Bei weiterer Steigerung der Zählrohrspannung erfolgt nach Überschreiten von E in Abb. 5.19 eine sehr starke Zunahme der Ladungsträger. Es setzt eine kontinuierliche, selbständige Entladung ein, die zur Zerstörung des Zählrohrs führt und daher ver­mieden werden muß.

Trägt man anstelle der Ionenzahl die Zahl der Impulse pro Zeiteinheit in Abhängig­keit von der Zählrohrspannung auf, so erhält man bei Auslösezählern den in Abb. 5.21 wiedergegebenen charakteristischen Kurvenverlauf Steigert man die Zählrohrspan­nung, so werden oberhalb eines bestimmten Spannungswertes, der Einsatzspannung Ue, Zählroru:entladungen registriert. Ue hängt nicht nur von der Bauart des Zählrohres, sondern auch von der Einstellung des Ver­stärkers und einer etwa vorhandenen Dis.lrri­minatorschwelle ab. Die Zählrohrentladungen müssen eine gewisse Mindestgröße haben, da­mit die elektrischen Folgegeräte ansprechen. Bei einer weiteren Steigerung der Zählrohr­spannung nimmt die Impulszahl rasch zu und

l iih!rohrspannung

ist dann in einem weiten Spannungsbereich, Abb. 5.21 Plateau eines Auslösezähh-ohres

Spannungsplateaul genannt, praktisch unab-hängig von-der Zählrohrspannung. Der nahezu horizontale Kurventeil erstreckt sich meist über einige hundert Volt. Die Änderung der Impulszahl pro hundert Volt Span­nungssteigerung beträgt innerhalb des Plateaus bei guten Zählrohren 1 bis 5%. Wählt man die Betriebsspannung eines Zählrohres so, daß sie auf dem Plateau liegt , so sind Netzspannungsschwankungen praktisch ohne Auswirkung auf das Meßergebni und es kann auf hochwertige Stabilisierungseinrichtungen verzichtet werden.

Der beschriebene Entladungsmechanismus im Auslösebereich eines Zählrohres würde zu einer Dauerentladung führen. Voraussetzung für die Regi trierung einzelner Teilchen ist jedoch, daß nach ihrem Durchgang durch das Zählvolumen die Entladung abreißt. Man muß also die Entladung löschen. Früher wurde dies durch geeignete elek­trische Schaltungen erreicht. Heute werden allgemein Zählrohre verwendet, bei denen ein Dampfzusatz die Löschfunktion übernimmt (TROST). Fügt man z. B. dem Füllgas Argon eine geringe Menge eines organischen Dampfes, z. B. Athylallwhol, hinzu, o absorbieren die Dampfmoleküle die durch Anregung des Füllgase entstehenden UV­Quanten, übernehmen im Austausch die Ladung der Füllgasionen und dissozüeren

1 Spannungsplateaus können unter bestimmten Bedingungen auch bei Proportionalzähl­rohren und bei den später zu besprechenden Szintillationszählern auftreten. Bei Auslösezählern sind sie immer vorhanden.

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156 Strahlenwirkung und Strahlenme~~ung

nach durchgeführtem Ladungstransport zu neutralen Atomen, so daß an der Kathode keine neuen Photoelektronen entstehen, die die Entladung aufrecht erhalten.

Die heute allgemein verwendeten selbstlöschenden Zählrohre enthalten daher immer Gemische aus einem leicht ionisierbaren Grundgas und einem Löschgaszusatz. Als Grundgas werden neben den Edelgasen Helium, Neon, Argon, Krypton und Xenon auch Kohlendioxyd, Bortrifl.uorid, Ammoniak sowie atomarer und molek?-larer Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff benutzt. Neben organischen Dämpfen (Athyl­alkohol, Methylalkohol. Propan u. a.) werden neuerdings auch Chlor und Brom als Zusatz verwendet. Damit die Löschgase, die bei der Zählrohrentladung entstehenden Lichtquanten absorbieren und die Ladung der Grundgasmoleküle übernehmen kön­nen, müssen ihre Moleküle eine geringere Ionisierungsenergie besitzen als die des · Grundgases (vgl. Tab. 5.2).

Grundgas

He Ne A N2 co2 Kr BFs

Tab. 5.2 Ionisierungsenergien von Zählrohrgasen (nach KoRFF)

Ionisierungsenergie eV

24,46 21,74 15,68 15,51 14,4 13,93 10,3

Löschgas

C4H90H Ch Br2 (CH)2 C2H50H NHa CH2COOC2C2H5

Ionisierungsenergie eV

13,6 13,2 12,8 ll,6 ll,3 ll,2 9,5

Bei einer Entladung werden etwa 109 bis 1010 Löschgasmoleküle verbraucht. Da der Dampfzusatz normalerweise ungefähr 1018 bis 1020 Löschgasmoleküle umfaßt, beträgt die Lebensdauer eines Auslösezählers etwa 109 bis 1010 Impulse, Bei den Halogengas­zusätzen rekombinieren die dissoziierten Moleküle wieder. Solche Zählrohre sind bis zu 1012 Impulsen brauchbar. Proportionalzählrohre haben wegen ihrer kleineren Ionenzahl pro Impuls eine bis zu 1012 Impulsen reichende Lebemdauer.

Mit zunehmender Benutzungsdauer stellen sich bei den Zählrohren allmählich Alterungserscheinungen ein: Die Einsatzspannung nimmt zu, das Spannungsplateau wird kürzer und steiler und der Nulleffekt wird größer.

Hat in einem Zählrohr eine Entladung stattgefunden, so vergeht eine gewisse Zeit, bis eine neue Entladung ausgelöst werden kann. Diese Mindestzeit zwischen zwei ge­trennt registrierbaren Impulsen heißt Auflösungszeit (tA in Abb. 5.22). Ionisierende Teilchen, die während der Zeit tA in das Zählrohr gelangen, entziehen sich der Mes­sung. Der Zählverlust ist um so größer, je höher die Zahl der Ereignisse ist.

In Abb. 5.22 ist der zeitliche Verlauf eines registrierten Zählrohrimpulses aufge­zeichnet und der Erholungsvorgang der folgenden Impulse schematisch dargestellt. Die Zeitdauer tT wird Totzeit genannt. Nach ihrem Ablauf können zwar wieder Impul e entstehen, ihre Höhe bleibt aber, je nach Zeitpunkt der Auslösung mehr oder weniger unter dem Normalwert. Zur Anzeige gelangen erst wieder solche Impulse, die eine von der Empfindlichkeit des Verstärkers abhängige Mindesthöhe (Horizontale AA' in Abb. 5.22) erreicht haben. Die Zeit tE. die zwischen wiederbegin-

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toßionisation und Gasverstärkung 157

neuder und vollständiger Impulsausbildung verstreicht, heißt Erholungszeit. Die meßtechnisch wichtige Auflösungszeit h beträgt bei Auslösezählern im Durchschnitt 2 · 10-4 sec, bei Proportionalzählrohren im günstigsten Fall1 · 10-6 sec. Die e Erschei­nungen sind bedingt durch die bei der Zählrohrentladung um den Zählrohrdraht ent­stehende positive Ionenwolke, die dort die elektrische Feldstärke so weit herabsetzt

'

Abb. 5.22 Totzeit tT, Auflösungszeit tA und Erholungszeit tE bei einem Auslösezählrohr

daß durch ein neu einfallendes Teilchen keine Stoßionisation mehr ausgelö t werden kann. Erst nachdem die positiven Ionen sich weiter zur Kathode bewegt haben, steigt die Feldstärke wieder an und erreicht bei t = h den zur Bildung einer Ionenlawine notwendigen Juitischen Wert. Aber erst nach t = tT + tE ist die Feldstärke wieder auf den normalen Wert angestiegen, der voll ausgebildete Impulshöhen liefert.

b) Zählrohre

Eine wichtige Kenngröße der Zähh·ohre ist ihre Ansprechwahrscheinlichkeit oder Ausbeute. Man versteht darunter das Verhältnis aus der Zahl der registrierten Quan­ten oder Korpuskeln zur Zahl der in das Zählvolumen gelangenden Quanten bzw. Korpuskeln. Bei Röntgen- und y-Strahlen wird dieses Verhältni vielfach auch Quan­tenausbeute genannt. Die Ansprechwahrscheinlichkeit hängt stark von Strahlungsart und Zählrohrtyp ab. Das Zählvolumen ist je nach der Feldverteilung nur ein Bruch­teil de gesamten Zählrohrvolumens.

Bei stark absorbierbaren Strahlungen, wie z. B. ß- und a-Teilchen sowie sehr weichen Röntgenstrahlen, können Zählrohrausbeuten bis zu 100% ohne chwierigkeiten er­reicht werden. Um die Ab orptionsverluste in die en Fällen sehr klein zu halten, wer­den die Zählrohre mit dünnen Glimmerfenstern (1 bis 3 mgfcm2

) ver ehen. Für nicht zu kurzwellige Röntgenstrahlen finden auch Aluminiumzählrohre mit 0,1 mm dicken

Wänden Verwendung. Bei y-Strahlen und ultraharten Röntgen trahlen ist die Zähh·ohrau beute klein und

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158 Strahlenwirkung und trahlenme ung

liegt in der Größenordnung von l %. Die Ausbeuteabhängigkeit von der Quant~n­energie bzw. von der Wellenlänge ist hier durch Dicke .~nd Art ~.e ~athode~atenals bestimmt und praktisch unabhängig von der Gasfullung. Für die An .. prechwahr­scheinlicbkeit ist der Bruchteil der in der Kathode erzeugten Sekundare~ektro~en maßgebend, der das Zählrohrvolumen erreicht. Als optimal kann die Dicke eme~ Zahl­rohrkathode gelten, die gleich der Reichweite der in ihr ent tehenden Sekundarelek-

2

~ ·~

<:::: .., '~ \:: ~ :"; 1 13 ~ ~ ~

{} IJ(lllfenenergie in MeV

Abb. 5.23 Ansprechvermögen von Zählrohren mit Blei- und Messingkathoden (nach BRADT u. Mitarb).

tronen ist. Zum Erreichen großer Ausbeuten arbeitet man mit Kathoden hoher Ord­nungszahl. In Abb. 5.23 sind nach Messungen von BRADT u . Mitarb. das Ansprech­vermögen von Zählrohren mit Blei- und Messingkathoden im Energiebereich bis maximal3 MeV wiedergegeben. Wegen der mit wachsender Ordnungszahl steigenden Photoabsorption liefert das Zählrohr mit der Bleikathode eine höhere Ausbeute als das Messingzählrohr.

Zwischen den bisher besprochenen Strahlungen mit sehr kleinem und sehr großem Durchdringungsvermögen liegen die Röntgenstrahlen der Diagnostik und der Ober­flächentherapie. Bei diesen Strahlungen hat neben dem Kathodenmaterial die Gas­füllung einen merklichen Einfluß auf die Ausbeute. Abb. 5.24 t>nthält die Absorption von Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge in mehreren Edelgasen. Wie zu erwarten, wächst die der Absorption direkt proportionale Ausbeute mit dem Gas­druck und mit der Wellenlänge an und ist bei Krypton wegen seiner höheren Ord­nungszahl größer als bei Argon. Die Angaben gelten für die ziemlich große Ga schicht­dicke von 10 cm. In der Praxis wird bei einer Wellenlänge von 0 ,7 A mit einem kryp­tongefüllten Zählrohr eine Ausbeute von etwa 80% erreicht. Dieselbe Ausbeute lie­fert ein Argonzählrohr erst bei einer Wellenlänge von I ,5 A.

Für die Dosimetrie der Röntgenstrahlen ist ein Zählrohr notwendig, das die gleiche Wellenlängenabhängigkeit besitzt wie die Luftionisation. Dazu müssen drei Bedin­gungen erfüllt sein (GLOCKER):

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Stoßionisation und Gasverstärkung 159

1. das Zählrohr muß im Proportionalbereich arbeiten, 2. die Kathode muß aus luftäquivalentem Material bestehen, 3. die Füllgasmischung muß luftäquivalent sein.

Ein Proportionalzählrohr mit 0,5 mm dicken, auf der Innenseite graphitierten Plexi­glaswänden und einer entsprechend abgestimmten Gasmischung aus Neon und Me­thanol zeigt die in Abb . 5.25 wiedergegebene Wellenlängenabhängigkeit der Empfind­lichkeit die im Intervall zwischen einer unge:filterten 16 kV- und einer mit 4 mm Cu gefilterten 230 kV-Röntgenstrahlung prak­tisch mit der der Luftionisation übereinstimmt (GLOCKER, FRoHN­MEYER, BERTHOLD u. TROST). Ein auf Grund dieser Untersuchungen

entwickeltes Zählrohrgerät für Strahlenschutzmessungen (vgl. Abb. 7.26) ist ab 10 kV-Röntgen­strahlen bis zm y-Strahlung des Radiums auf± 10% wellenlängen­unabhängig. Eine mit einer be­stimmten Wellenlänge vorgenom­mene Eichung des Gerätes in Rönt­geneinheiten gilt mit einer Genauig­keit von ± 10% auch für alle an­deren Wellenlängen des genannten Härtebereiches.

Hinsichtlich der auf den Verwen­dungszweck abgestimmten Bau­weise unterscheidet man Zylinder- , Glocken-, Doppelmantel-, Tauch­und Dmchfl.ußzählrohre. Hinzu kommen noch Zählrohre für Son-

...... ~ -~ ~

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1,25

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"" "" 25

0,8 1,2 2,0

Wel/enltinge inl

Abb. 5.24 Absorption von Röntgenstrahlen verschie­dener Wellenlänge in Edelgasen mit verschiedenem

Druck (nach FRIEDMANN)

a) Krypton 760 mm Hg d) Argon 760 mg Hg b) Krypton 200 mm Hg e) Argon 200 mm Hg c) Xenon 200 mg Hg

50 100 200 137 Cs RaCo GO

fl.uanletJenergie tit ke/1

Abb. 5.25 Wellenlängenabhängigkeit der Empfindlichkeit eines Kunststoff-Propor­tionalzählrohres (nach BERTHOLD, FRoHNllfEYER, GLOOKER u. TROST)

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160 Strahlenwirkung und Strahlenmessung

derzwecke, wie z . B. Nadel- und Miniaturzählrohre für Messungen innerhalb von Ge­webehöhlen oder Gewebepartien sowie Zählrohre mit radioaktiven Gasfüllungen (Gasprobenzählrohre). Einen Überblick über die Vielfalt der Zählrohrtypen geben

Abb. 5.26a Zylinderzählrohr

00 CDD 00

Abb. 5.26b Mehrfachzählrohr (Querschnitt)

1 F

a) b) Abb. 5.27 a) Endfensterzählrohr

die schematischen Zeichmmgen der Abb. 5.26 bis 5.28.

Für y-Strahlen werden hauptsächlich zylinder­förmige Zählrohre (Abb. 5.26a) mit Glas- oder Metallwandungen benutzt. Als Richtwerte für die Massendicke der Kathode können z. B. bei Alu­minium 250 bis 600 mgfcm2 gelten. Bei einem Durchmesser von etwa 10 bis 20 mm haben ge­bräuchliche y-Zählrohre eine Länge zwischen 80 und 140 mm. Das Plateau der Auslösezähler liegt je nach Gasart und Gasdruck zwischen etwa 1000 und 1500 V bei organischen Löschgaszu­sätzen und zwischen etwa 300 und 600 Volt bei Halogenzusätzen. Zur Erreichung höchster Emp­findlichkeit bei der Messung von y-Strahlen wer­den Mehrfachzählrohre hergestellt, die aus ge­bündelten, parallelgeschalteten, zylindrischen Einzelrohren bestehen. Die in Abb. 5.26b ange­deutete Bündelung mehrerer Zählrohre bringt nicht nur eine Steigerung der Nachweisemp-

Z findlichkeit wegen des größeren Zählvolumens, sondern auch eine Verkürzung der Auflösezeit (TROST). 7 Zählrohre von 10 mm Durchmesser geben ein 15mal höheres Auflösungsvermögen als ein einzelnes Zählrohr mit 30 mm Durchmesser, weil immer Rohre ansprechbereit sind, wenn in anderen eine Entladung erfolgt. Die maximal meßbare Impulsrate ist demgemäß viel höher als bei einem Einfachzählrohr.

Für die Messung von a- und ß-Strahlen werden vorzugsweise Endfensterzählrohre in Glockenform benützt (Abb. 5.27a). Glas- oder Kunststoff­fenster mit einer Dicke von 0,5 bis 1 mgfcm2,

b) Flüssigkeitszählrohr (Becher- oder Glimmerfenster von 1 mgfcm2 und Aluminium-Doppelmantelzählrohr) fenster von 7 mgfcm2 können gerade noch her-

gestellt werden. Die Deckfolien werden im Zähl­rohrinneren mit einem elektrisch leitenden Überzug versehen, um Feldverzerrungen zu vermeiden. Als Anode dient ein dünner Wolframdraht der an seinem freien Ende ein angeschmolzenes Glaskügelchen trägt. Bei einem Durchmesser von etwa 25 mm haben viele dieser Zählrohre eine Länge von etwa 100 mm.

Die Flüssigkeitszählrohre (Abb. 5.27b), die auch Becher- oder Doppelmantelzähl­rohre ge_nannt _werden, dienen zu Messungen an radioaktiven Lösungen. Sie bestehen aus zwei zentnsch zum Anodendraht angeordneten Glasröhren, von denen die innere

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Stoßionisation und Gasverstärkung 161

abgeschlossen ist und das Zählvolumen Z begrenzt, während die äußere einseitig offen ist und die Flüssigkeit F aufnimmt. Die das Meßvolumen umschließende innere Gla -wand wird zur Verminder-ung der Absorptionsverluste möglichst dünn gehalten und hat eine Dicke von 20 bis 40 mgfcm2 . Das Füllvolumen beträgt meist 10 cm3. Von be­sonderem Vor-teil ist bei diesem Zählrohrtyp, daß die Messungen stets unter gleichen geometrischen Bedingungen erfolgen und somit weniger Korrekturen erfordern (vgl. Abschnitt A.ll). Auf das Meßergebnis ü,t der Flüssigkeitsstand ohne Einfluß, sobald die Flüssigkeitssäule über die Länge des Zählvolumens hinausreicht. Eine Vergröße­rung des Zählrohres würde bei einer vorgegebenen Flüssigkeitsmenge keinen Gewinn bringen, sondern nur den Nulleffekt vermehren.

Die Messung radioaktiver Flüssigkeiten mit einem Becherzählrohr erreicht häufig nicht die Empfindlichkeit einer Zählrohrmessung an einer dmch Fällung konzen­trierten Probe, wie das folgende Beispiel zeigt: Tl-204 emittiert ß-Strahlen mit einer Maximalenergie von 0,77 MeV. Die Ausbeuten betragen 2% bei 10 ml Thallium ulfat­lösung im Doppelmantelzählrohr, 27 % bei einem in die feste Form übergeführten Thalliumehrornat mit 14 mgfcm2 Schichtdicke und 37 % beim gleichen Präparat in einem Methandurchfl.ußzähler (NÄGELE).

Sind größere Mengen einer y-Strahlung emittierenden Flüssigkeit zu vermessen, z. B. bei der Wasserüberwachung, so wird mit Vorteil ein Tauchzählrohr verwendet. Dieses besteht aus einem etwa 100 mm langen Glasrohr mit einem Durchmesser von etwa 10 bis 15 mm, in dem achsialein Anodendraht ausgespannt ist (Abb. 5.28a). Die Innenseite des Glasrohres trägt einen leitenden Belag und dient als Kathode. Das ganze Zählrohr wird, wie sein Name besagt, in die zu vermessende Flüssigkeit eingetaucht.

a) b)

~5mm

( mm

Abb. 5.28 a) Tauchzählrohr b) Nadelzählrohr

Für bestimmte klinische Zwecke werden Zählrohre mit sehr kleinen Abmessungen hergestellt. Bemerkens­wert sind die Nadelzählrohre, die sich nur in Länge und Durchmesser des Zählvolumens von Tauchzählrohren unterscheiden. Sie haben einen Durchmesser von 2 bis 5 mm und eine Länge von etwa 20 cm (Abb. 5.28b). Die Mindestwandstärke beträgt 60 mgfcm2

, so daß wegen der Absorption die Anwendung auf sehr energie­reiche ß-Strahler, z. B. P-32, beschränkt ist. Die a­delform ermöglicht eine operative Einführung des Zähh·olu·s in Gewebe, um örtlich konzentrierte Ablagerungen radioaktiver Substanzen messen zu können. Miniatur­zählrohre zm Einführung in Körperhöhlen haben Durchmesser von wenigen Milli­metern und eine Länge von 10 bis 20 mm. Kleine Endfensterzählrohre mit Glimmer­folien von 0 3 bis 4 mm Durchmesser werden z. B . für Magenuntersuchungen

' verwendet. Bei a-Strahlen und bei energiearmen ß- trahlen, z. B. von C-14, sind die Absorp­

tionsverluste in den Fenstern der Zählrohre o stark, da.ß die Präparate in da Zähl­volumen selbst eincrebracht werden müssen. Bei solchen Geräten \VÜ:d da Zählvolu­men mit leichtem Oberdruck vom Zählgas - meist technisch reines Methan - durch­strömt. Der Zählrohrkörper liegt auf KathodenpotentiaL Die Anode besteht au

ll Glocker/Macherauch, Röntgen· und Kernphysik, 2. Auf!.

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162 Strahlenwirkung und Strahlenmessung

einem schleifenförmigen Draht und ist leicht auswechselbar. Zwischen Zähldraht­schleife und Präparatträger ist ein Kathodengitter angebracht. Andernfalls müssen die einen Teil der Kathode bildenden Präparate unter Umständen mit einem leitenden Überzug aus geeignetem Lack, einer aufgedampften Metallschicht oder einem Gitter

Abb. 5.29 Automatischer Probenwechsler eines Methandurchflußzähl­rohres (Frieseke u. Hoepfner, Erlangen-Bruck)

(KrnFER u. MAusHART) versehen werden, weil sonst störende Aufladungen entstehen. Methandurchflußzähler werden stets als Proportionalzählrohre betrieben. Sie erfor­dern ziemlich hohe Arbeitsspannungen, rund 2500 Volt. Ihre Ansprechempfindlich­keit ist bei sehr energiearmen ß-Strahlen 20- bis 30mal größer als die von Endfenster­zählrohren. Die Ansicht eines automatischen Probenwechslers, bei dem auf die zylin­drische Öffnung ein Methandurchflußzählrohr aufgesetzt wird, zeigt Abb. 5.29. Mit Hilfe eines abgedichteten Rundlaufes können nacheinander 30 Proben in das Zähl­volumen eingeschleust werden.

Besonders für Kontaminationsmessungen (vgl. Abschnitt 7 .III) finden sogenannte Großflächenzählrohre (Abb. 5.30) Verwendung, die als Proportionalitätszählrohre be­trieben werden. Die Anode innerhalb des Zählvolumens besteht aus etwa 30 parallel zueinander verlaufenden Molybdändrähten von 50# Durchmesser. Als Kathode dient ein Gitter aus ca. 200 # starken Konstantandrähten. Das große Eintrittsfenster wird mit einer 0,9 mgfcm2 dicken Myla1folie abgedeckt. Das Zählrohr, das als Methan­durchflußzähler arbeitet, ermöglicht Messungen höchster Empfindlichkeit. In einem entsprechenden Gehäuse untergebracht, kann das Zählrohr auch "fensterlos" betrie­ben werden.

Liegen radioaktive I sotope in der Gasphase vor oder lassen sich diese auf chemi­schem Wege in die Gasphase überführen, so besteht die Möglichkeit, das radioaktive Gas direkt dem Füllgas eines Zählrohres zuzusetzen ( Gasprobenzählrohr ). Dieses Ver­fahren ist besonders geeignet für extrem weiche Strahlungen, wie z. B. ß-Strahlen von Tritium oder von C-14 in Form von C02. Die Selbstabsorption entfällt, weil sämtliche emittierten ß-Teilchen auch registriert werden. Dem steht der Nachteil eines relativ großen apparativen Aufwands gegenüber. Ferner sind nicht alle Gase als Zusätze zur Zählrohrgasfüllung brauchbar. Als Beispiel für die erhebliche Empfindlichkeitsstei-


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