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C M Y K LUNZENAUER HEIMATBLATT 2017 LUNZENAUER GESTERN & HEUTE • Beilage im Amtsblatt der Stadt Lunzenau • an alle Haushalte Heimatblatt Ausgabe 2017 2017 Dass ein bedeutender Mensch dem alten Schulhaus in Ho- henkirchen entstammte, er- fuhr die Stadtverwaltung erst durch die telefonische Anfra- ge eines Wissenschaftlers aus München. Er forschte nach den familiären Wurzeln und möglichen Nachkommen oder Verwandten dieses Men- schen. Niemand hier wusste dazu etwas. Erfahren Sie in diesem Blatt, wer und was er war. P.B.
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Page 1: 21398 - LUN Heimat 2017 Internet oA.qxp 16257 - LUN … · Karin und Peter Mehner Gottfried Böttger Marion und Christian Köhler Alfred Haase ... Als der Chef 1926 von seinem Posten

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LUNZENAUER HEIMATBLATT 2017LUNZENAUER

GESTERN & HEUTE • Beilage im Amtsblatt der Stadt Lunzenau • an alle Haushalte

Heimatblatt

Ausgabe 20172017

Dass ein bedeutender Menschdem alten Schulhaus in Ho-henkirchen entstammte, er-fuhr die Stadtverwaltung erstdurch die telefonische Anfra-ge eines Wissenschaftlers ausMünchen. Er forschte nachden familiären Wurzeln undmöglichen Nachkommen oderVerwandten dieses Men -schen. Niemand hier wusstedazu etwas. Erfahren Sie indiesem Blatt, wer und was erwar. P.B.

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Heimatfreunde aus nah und fern,

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LUNZENAUER HEIMATBLATT 2017

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Liebe Leserinnen und Leser unseres Heimatblattes in nah und fern,

wer hätte dies gedacht, dass die Erzeugung von künstli-chen Smaragden auf das Konto eines gebürtigenLunzenauers zurück geht? Solche und viele andereGeschichten lesen Sie im vorliegenden Heimatblatt. Esist uns wieder eine ganz besondere Freude, Ihnen denbunten Mix aus zahlreichen Beiträgen unserer Redak-teure zu präsentieren. Vielen herzlichen Dank verbundenmit der Bitte, machen Sie weiter so oder trauen Sie sich,einmal einen Beitrag zu liefern! Wenn Sie uns eineGeschichte oder Interessantes in und um unser Städt-chen berichten wollen, sprechen Sie uns an.Ein großes Dankeschön wieder an unsere langjährigeOrtschronistin Karin Mehner, welche auch in diesemJahrgang einen großen Anteil an der Erstellung desHeimatblattes hatte.Die Spendenbereitschaft war wieder enorm, vielen herz-lichen Dank an unsere „Gönner“. Dadurch war es unsmöglich, dieses abwechslungsreiche Jahresheft herzu-stellen.

Unsere Spenderinnen und Spender:

Rosl Sikora

Friedrun und Wilfried Köhn

Celia und Dieter Wiesemann

Karl Schenk

Gert Hortenbach

Rolf Hortenbach

Inge Milkau

Rolf Lindner

Renate Rößner

Hans Flemming

Wolfgang Bönitz

Hannelore und Wolfgang Leuschel

Ida und Gerhard Hofmann

Ingeborg Koopmann

Irene und Gert Richter

Heidi und Michael Geyer

Dietrich Lindner

Gisela Petzold

Gerhard Sittner

Werner Nitzsche

Renate Quellmalz

Friedrich Traufelder

Erhard und Erika Zschage

Hans und Hannelore Georgi

Helga und Jürgen Bohne

Karin und Peter Mehner

Gottfried Böttger

Marion und Christian Köhler

Alfred Haase

Christian Scheubner

Natürlich freuen wir uns auch in diesem Jahr über IhreZuwendungen, dafür bereits im Voraus unser großesDankeschön!

Unsere Kontoverbindung:Sparkasse Mittelsachsen

IBAN: DE06 8705 2000 3120 0004 33BIC: WELADED1FGX

Kennwort: Heimatblatt 2017

Wichtig! Aus buchungstechnischen Gründen bittenwir Sie, erst ab Januar 2018 Ihre Spenden zu über-weisen.

ich freue mich, Ihnen das Heimatblatt 2017 präsentierenzu können.Mit viel Fleiß und Freude wurden viele interessanteGegebenheiten aus längst zurück liegenden Zeiten ausunserer Heimat an uns herangetragen und in dieserAusgabe gebündelt.Herzlichen Dank dafür an alle Beitraggeber für die inter-essanten Artikel. Die finanzielle Unterstützung vieler Leserinnen und Leserhat es uns erheblich erleichtert, diese Ausgabe zupräsentieren. Vielen Dank!

Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Freude bei derLektüre.Bitte bleiben Sie uns gewogen und unterstützen Sie unsweiterhin.

Einen herzlichen Gruß aus Lunzenau sendet Ihnen

Ronny HofmannBürgermeister

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Ein Junge aus Hohenkirchen mit Hang zu SteinenIn Erinnerung an Dr. Herman Espig

von Peter Böttger©

wollte es trotz allem Wissen um seine Zusammensetzungmit der Synthese lange nichts werden. Doch er musste her,denn nach dem Diamant ist er der kostbarste Stein.Ein Junge aus Hohenkirchen, nahe Lunzenau, war ausgezo-gen, die Gipfel der Wissenschaft zu erklimmen. Er hießLudwig Herman Espig, war der Sohn des Schullehrers undKantors Gottlob Herman Espig und dessen Ehefrau LauraHedwig, geb. Schuhmann. Espig Senior soll in seinerProfession sehr gut und streng gewesen sein. Da wird erwohl auch seinen Sprössling in der Zucht gehabt haben.Und, - das nehmen wir vorweg: er hat seinen Sohn noch mitDoktorhut erlebt. Das Lehr- und Kantor-Amt in Hohenkir-chen hatte der Vater da immer noch inne.Der am 24. Mai 1895 geborene Hermann besuchte sechsJahre lang die Volksschule seines Vaters und danach dasRealgymnasium in Borna bei Leipzig. Das heißt, er lebte undlernte ab seinem 12. Lebensjahr weit weg von den Eltern.Von 1916 bis 1920 studierte er Mathematik und Naturwis-senschaften an der Universität Leipzig. Zielstrebig wandte ersich über Physik und Chemie der Mineralogie zu. Das Studi-um beendete er mit dem Doktortitel. Weil sein weiterer Wegwohl noch nicht genau vorgezeichnet war, legte er gleichnoch das Staatsexamen für das höhere Lehramt in Chemie,Physik, Mineralogie und Mathematik ab. Was man hat, dashat man! Im gleichen Jahre, 1921, stellte man ihn für die

Die Smaragdgarnitur Augusts des Starken vom Gold-schmied Dinglinger habe ich im Grünen Gewölbe bestaunt.Das Gold war es nicht, was mich fesselte. Es war einer derSteine. - Smaragdgrünes Wasser, klar bis in die dunkleunergründliche Tiefe, sah ich in einer Bucht der CostaSmeralda auf Sardinien. - Zwei ganz unterschiedliche Wahr-nehmungen, die aber außer dem Farbenspiel noch einesgemeinsam haben: In beiden offenbaren sich uns Wunderder Natur.Das Wort „Smaragdos“ bedeutet im Alt-Griechischen„Grüner Stein“. Die Engländer sagen „Emerald“, die Itali-ener „Smeraldo“. Victor Hugos „Esmeralda“ hat den „Glöck-ner von Notre Dame“ mit ihren schönen grünen Augenverrückt gemacht. Von Smaragden hören wir zuerst aus dem alten Ägypten,etwa 3400 Jahre zurück. Vor einigen Jahren erst entdeck-ten Archäologen die Smaragdminen der Kleopatra. DieMenschen suchten und fanden Steine in vielen Farben. Unendliche schwerste Arbeit war dazu notwendig. Sieschrieben ihnen geheime Kräfte, besondere Charaktere undHeilwirkung zu. Das Wort Marketing kannten sie nicht; wassie sich ausdachten, war aber schon Verkaufsförderung. DieSteine erhielten Wert. Noch in unserer Zeit halten Menschen fest am Glauben umgeheime Kräfte der farbigen Kristalle. Auch Halbedelsteineund sogar Bernstein sollen bei so manchem helfen, pro odercontra.Kunstmaler zerstießen Lapislazuli für ihr Himmelblau, Türki-se für ein besonderes Blaugrün.Wie vom Glanz des Goldes und des Silbers waren dieMenschen vom Glitzern und Funkeln schöner Steine seitAnbeginn fasziniert. Wer davon ein Vermögen zusammenbrachte, der vermochte etwas in der Welt. Selbsternannte und Starke, die Häuptlinge, Könige, Kaiserund deren Vasallen, alle Mächtigen in alten Zeiten rafftenwas sie konnten, horteten Schätze. Lange Zeit machten siesich gegenseitig ihren Besitz streitig. Aus Gier vergaßen sieGesetz und Moral. Aber reich gewordene Bürger, deren esimmer mehr gab, wollten auch Saphire, Rubine, Aquamari-ne, Smaragde und anderes edles Gestein, in edlem Metallgefasst, besitzen. Sie bezahlten dafür gerne. Nun wurdendie Edelstein-Importe aus fernen Ländern knapp. - Dabei,liebe Leserinnen, ist eines klar: Der größere Bedarf entstandin erster Linie durch das brennende Verlangen der Frauen,sich zu schmücken. - Ja, ich weiß, die Männer bemühtensich nur allzu gern, Klunker ranzuschaffen.- Der französische Naturforscher Auguste Verneuil erkannteden Bedarf und begann im ausgehenden 19.Jhdt. Edelsteine künstlich zu erschmelzen. Synthetische Rubinewurden mit dem Verneuil-Verfahren ab 1902 und Saphire ab1910 erstmals industriell produziert.Aus Tonerde und wenigen mineralischen Bestandteilen,auch Metallsalzen, mixten und brannten die Forscher solange, bis ihnen die Nachschöpfung vieler anderer farbigerEdelsteine gelang. Alle Ingredienzien sind leicht zu habenund nicht teuer. Erst die analytische Chemie hatte esmöglich gemacht, herauszufinden, woraus die in der Naturvorkommenden Edelsteine bestehen. Nur beim Smaragd

Abb. 1 Dr. Espig in den 1950 Jahren an seinem Schreib-tisch in Bitterfeld

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Elektrochemischen Werke Bitterfeld ein. Schnell avancierteer zum Assistenten des leitenden Wissenschaftlers OttoDreibrodt.Schon vor 1900 hatten französische WissenschaftlerSmaragd-Kristalle von etwa 1mm Größe hergestellt. In Idar-Oberstein gelang das 1910 auch Hermann Wild. Wegenbesserer Produktionsvoraussetzungen brachte der dasVerfahren nach Bitterfeld. Die technischen Gase und feineTonerde waren dort reichlich verfügbar. Zunächst war dasZiel, Korunde zu erzeugen. Um irgendwann größereSmaragde zu züchten und für weitere Aufgaben trat OttoDreibrodt an. Espig hatte Anteil an Patenten, welche Drei-brodt 1923 und 1924 anmeldete.

Als der Chef 1926 von seinem Posten abtrat, wurde Espigmit nur 31 Jahren Leiter der „Produktion synthetischer Edel-steine“ in Bitterfeld. Die „Elektrochemischen Werke“ schlos-sen sich mit anderen Chemie-Produzenten zur „Interessen-Gemeinschaft Farben“, der IG Farben zusammen. Unter derÄgide dieses Konzerns errang die Mannschaft um Espig bisEnde der Zwanziger die Weltspitze in der Herstellungsynthetischer Edelsteine.Um das Bild von den Gipfeln der Wissenschaft wiederaufzunehmen: Herman Espig hat den gewählten Berggemeistert. Allerdings war von anderen schon kurz nach1900 ein Weg zum Einstieg angelegt worden, weiter obenfanden sich Hilfsleitern und unterhalb des Gipfels hatte Drei-brodt Haken eingeschlagen. Espig musste jedoch in dünnerLuft noch bis 1935 Schritt um Schritt kämpfen. Er entwickel-te letztendlich ein ganz neues technologisches Verfahren,weil sich die „Zutaten“ zum Smaragd in der Verneuil- Appa-ratur nicht mischten. Die entscheidende Tat Espigs war derBau eines neuartigen Brennofens aus Platin mit einem ausdiesem Edelmetall gewebten Netz. Auf diesem wuchsen inkontinuierlichem Vorgang die Smaragd-Kristalle in Maßen,die für ansehnlichen Schmuck brauchbar waren. Ein Kristallmuss geschnitten und mit Facetten geschliffen werdenkönnen, damit ein Schmuckstein entsteht. Dem Schleifenfolgt das Polieren.

Wissenschaftlich-technische Ergebnisse, technologischeNeuerungen und Patente gehören dem Unternehmen,welches den Wissenschaftler oder Techniker bezahlt. IG-

Farben nannte Espigs Smaragde „Igmerald“, aus IG undEmerald gezimmert.

Abb. 3 Synthetischer Smaragd–Cluster produziert bei IGFarben Foto Schmetzer

Nicht nur für die Herstellung von Schmuck erzeugte manEdelsteine in Bitterfeld, sondern auch für die Verwendungals Lagersteine in der Uhrenindustrie, für Stromzähler undandere, damals neue Techniken in der Elektro-Industrie.Auch in Schiffs- und Flugzeugkompassen sind sie als hoch-gleitende Lager eingebaut. Aus dunklem Korund wirdSchmirgel hergestellt. Saphir-Nadeln ersetzten die stähler-nen als Tonabnehmer in Plattenspielern. Wegen ihrer großenHärte und bester Oberflächen-Eigenschaften braucht Tech-nik bis heute künstliche Edelsteine.Seine Schmelzer erwähnt Espig wegen deren Umsicht undFeingefühl lobend. Sie erzeugten in über 100 Brennern Rubi-ne und andere Korunde, die in der Mohs-Härte den Diaman-ten nahe kommen. (Härtegrade: Diamant 10, Korund 9, Rubin 9, Smaragd 8) Bildeten manche Synthesen im Ofen birnenartige Körper, solernte man, auch Stangen zu züchten, die sich in viele sehr dünne Scheiben trennen ließen. Dagegen bildetsich die Architektur des synthetischen Smaragdes genauwie in der Natur aus. (s. Abb. 2 u. 3)

Die Produktion von synthetischen Smaragden blieb ausökonomischen Gründen für IG Farben ein Prestige-Objekt.Die erzielbaren Preise konnten den hohen apparativen undtechnologischen Aufwand nicht decken. Wichtig war: „Sehther, wir können es“. Igmeralde dienten als Repräsentations-geschenke. Espig schreibt in seinem Büchlein „Im Zauberder Steine“ von 1962: „Im zweiten Weltkrieg hatte man dieHerstellung eingestellt und am Ende des Krieges ging diePlatinapparatur verloren.“ Er hätte auf keinen Fall schreibendürfen, dass sie in die Sowjetunion verfrachtet wurde, wie eswirklich war; und wo sie nie ihrer Bestimmung gemäß zumEinsatz kam. Espig hat als Technischer Leiter der Edelsteinfabrik im VEBElektrochemisches Kombinat Bitterfeld gefordert, denImport von 15,-kg Platin in den Plan einzuordnen. Die Staat-liche Plankommission in Berlin hat das aus Devisenmangelselbstverständlich nicht „abgenickt“. (Damals ein gängigerAusdruck in volkseigenen Planerkreisen) Dr. Schmetzermeldet, dass „in Bitterfeld noch größere Mengen vonSmaragdsynthesen aus der Produktion vor 1945 vorhan-

Abb. 2 Espigs Platin- Netz, jetzt im Museum für Naturkun-de Berlin Foto Ralf T. Schmitt

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den“ waren. Die DDR-Führung „entnahm immer wieder Stei-ne für Geschenke an Staatsgäste.“Dr. Hermann Espig war ein hoch achtbarer Mensch. Leiderwurden keine Verwandten oder Freunde ausgemacht, die zuseiner Biographie und zu seinem Wesen etwas zu sagenhätten. Fakt ist: der Sohn eines Dorfschul-Lehrers aus unse-rer Gegend legte eine Kariere aus eigener Kraft hin, die alsBeispiel für junge Menschen dienen kann. Espig hatte im Zweiten Weltkrieg das Glück, „bei seinenSteinen“ bleiben zu dürfen. Die waren durchaus „kriegs-wichtig“. Aber der berüchtigte Konzern IG Farben hätte ihnauch für seine Forschungen zu teuflischen chemischenKriegszwecken „dienstverpflichten“ können; so nannte mandas Zuweisen einer Arbeit per Befehl im „Dritten Reich“.

Lassen wir Herman Espig wieder zu Wort kommen: „Kristal-le verdanken den äußeren Schmuck ihrer Erscheinung derihnen innewohnenden gesetzmäßigen Ordnung ihrerAtome.“ Er sieht in ihnen eine Verkörperung des griechi-schen „Kosmos“, was „Schmuck“ und „Ordnung“ bedeutet.Er spricht voll Ehrfurcht und Staunen von den Naturgeset-zen mit ihren mathematischen Gerüsten. Auch schwärmt ergeradezu, dass zu den gelungenen Farbvarianten dersynthetisch erzeugten Steine aus den Gruppen der Korundeund Spinelle eine Farbe fehlte, nämlich: „…nur noch einfreundlich leuchtendes Grün, wie es eine Wiese im Frühlingaufweist.“ Er hat dieses frühlingshafte Grün in ausdauern-dem Ringen gefunden. Der Smaragd, eine Variation des Sili-kat-Minerals Beryll, erhält seine Färbung durch Vanadiumund ChromIonen. Amüsiert teilt Espig mit, ein damals führender Mineralogehabe gesagt: „Was der liebe Gott gut gemacht hat, solltendie Chemiker nicht verpfuschen.“Die Chemiker konnten gar nichts verpfuschen, denn sieschufen „lediglich“ Bedingungen dafür, dass etwas entste-hen sollte. Der menschliche Forschergeist erdachte undbaute Apparate, führte ihnen die Bestandteile zu, indem ersie fein pulverisiert einrieseln ließ und in heißer Flammeschmolz, von Sauerstoff und Wasserstoff befeuert. Das istviel, aber nicht alles! Die Kristalle wachsen oder wuchsenhier wie dort „von allein“, nach den Gesetzen der Natur,nach dem Ordnungsprinzip ihrer Atome. Darauf hat derMensch keinen Einfluss. Er muss nur darauf achten, dasskeine Verunreinigungen in die Schmelze geraten. Die künst-lich erzeugten Edelsteine haben die gleichen physikalischenEigenschaften wie ihre naturreinen Brüder. Das sind:doppelte Lichtbrechung, elektrische Leitfähigkeit, Härte,Kristallaufbau und weitere. Meistens sind die Synthesentotal rein. Dagegen sind Einschlüsse unter der Lupe oft einoptisches Merkmal natürlicher Edelsteine. Espig: „In derNatur entstehen Edelsteine hauptsächlich auf zwei Wegen –entweder durch direkte Auskristallisation aus feurig-flüssi-gen Gesteinsschmelzen, dem sogenannten Magma – oderdurch chemische und physikalische Veränderungen inGesteinen, die beim Gebirgsbildungsprozess … erhitzt, teil-weise geschmolzen, aber auch von Gasen und Dämpfendurchtränkt wurden, die Stoffe mitbrachten, welche zurKristallisation von Mineralien und auch Edelsteinen die-nen.“ Weiter: „Könnten wir Zeitrafferaufnahmen von Jahr-tausenden und Jahrmillionen machen, dann würden wirsehen, wie Gesteine und auch Edelsteine wachsen. So abersind wir nur in der Lage, letzteren Prozess in den Schmelzö-

fen … zu verfolgen, weil der Mensch es verstanden hat, stattder Gesteinsmetamorphose (Umwandlung) einen weitkürzeren Weg der Kristallbildung ausfindig zu machen.“Man muss das noch einmal lesen, um die BescheidenheitEspigs zu erkennen. Mit dem lapidaren „weit kürzer“vergleicht er Stunden mit schwer fassbaren erdgeschichtli-chen Zeiträumen. Mit „der Mensch“ tritt er selbst demütigzurück in eine große Reihe von Wissenschaftlern und Tech-nikern. Da kann man sich ruhig einmal in Geiste verbeugen.Dr. Hermann Espig starb 1969 in Leipzig.

Abb.4 Smaragd Originalgröße 7,9 x 6,0 x 3,9 mm Foto Schmuckmarkt Zürich

Ich habe gelernt, dass ich nicht mehr von echten oderfalschen Steinen reden darf. Es sind natürliche oder syn-thetische Steine. Mancher Schmuck könnte demnach mitsolchen oder solchen Steinen versehen sein. Aber sicherfordert man ehrlicherweise immer den richtigen Preis.Hauptsache: er gefällt. Schöne bunte Glassteine brauchtman auch, aber die sind keine Kristalle. Sie sind erstarrteFlüssigkeit und viel weicher als Edelsteine. Oben habe ichbewusst von „Nachschöpfung“ der Edelsteine gesprochen.Glassteine sind nur Nachahmungen, Imitationen. DurchEspig weiß ich auch, das sich ein Glasstein wärmer anfühlt,als ein Edelstein in gleicher Umgebung.Letzte Frage am Rande: War dem wissbegierigen Jungendas „Turmalin-Loch“ in Amerika bei Penig bekannt? Das isteine von wenigen Fundstellen auf der Welt für diesen varian-tenreichen Stein. Bleibt unbeantwortet. Er hätte mit demVater von zuhause aus über Rochsburg leicht hin wandernkönnen.

Von zwei Wundern war eingangs die Rede. Das eine habenwir besprochen und erklärt. Bleibt noch das kristallklaresmaragdgrüne Wasser mancher Meeresgegenden.Warum das so herrlich leuchtet, hat Espig vielleicht auchgewusst. Für mich selber darf es ein Geheimnis bleiben.

Quellen: Dr. Karl Schmetzer u. a.: „Synthetic Emeralds Grown by IG Farben:Historical Development and Properties Related to Growth Technology“Journal of Gemmology Great Britain 2016, Vol.35, Nr. 3 (2016), S. 224-246Espig „Im Zauber der Steine“ Reihe Neue Technik 1962. Rolf Seim „Minerale“ Neumann Verlag Radebeul 1970Archivmaterial im Landesarchiv Sachsen-Anhalt (Merseburg)Nachveröffentlichung nur mit Genehmigung des Autors.<[email protected]>

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Küblers Brückevon Gerald Karte, Jörg Kübler und Karin Mehner

Auf Schlaisdorfer Flur, linksseitig der Mulde in Höhe desEichberges, hatte der Unternehmer August Schmidt um1860 ein villenartiges Wohnhaus, ein Bürogebäude und einSägewerk mit Holzschleiferei errichtet. Als Transportwegdiente die Zufahrt über Großschlaisdorf, durch den Waldund über den „Kuhplan“ (heutiges Klärwerk) auf das Grund-stück Kübler. Die ursprünglich mit Wasserkraft und Trans-mission betriebenen Maschinen wurden nach der Inbetrieb-nahme der 1886 gebauten Wasserkraftanlage mit zwei Fran-cis-Turbinen a´ 220 PS (160 kW) Leistung, auf Elektroan-trieb umgestellt (Erst 1898 wurde das städtische Elektrizi-tätswerk errichtet.). Mit dem nun vorhandenen Potential anElektroenergie wurde der Betrieb wesentlich leistungsfähi-ger und etablierte sich als Zulieferer für die örtliche Papier-und Pappenindustrie. Der Holzschliff wurde in immer größe-ren Dimensionen von den am Lauf der Zwickauer Mulde neuentstehenden Papierfabriken nachgefragt. Der erzeugteHolzschliff wurde zum größten Teil auf der 1876 zwischenGlauchau und Großbothen in Betrieb gegangenen Eisen-bahnlinie zu den Papierfabriken transportiert. Dabei erwiessich die heutige, immer noch sehr schmale und steileZufahrt über Großschlaisdorf als Hemmnis für die Transpor-te von Baumstämmen und Holzschliff, weil sich selbst Pfer-degespanne nicht ausweichen konnten. Der Bau einer zwei-ten und direkten Zufahrt zum Bahnhof, über den heutigenMulderadwanderweg, am gegenüber liegenden Flussufer,wurde unumgänglich. Dazu musste eine Brücke über die 60m breite Zwickauer Mulde gebaut werden. Vom Westufer,unmittelbar an der Wasserkraftanlage, zielte die Brücken-achse genau auf eine gegenüber aufragende Felsklippe, diesomit die Höhe des Bauwerks über dem Fluss vorgab. DasWiderlager wurde flussseitig vor die Klippe gemauert unddie Zufahrtsrampe über die Felsen geführt. Neben demebenfalls gemauerten Widerlager am Westufer bildete dermit Natursteinmauerwerk und Betonkern errichtete, massiveMittelpfeiler die Basis für den als Stahlkonstruktion ausge-legten Überbau aus zwei, jeweils 30 m langen und 3,30 mbreiten Stahlfachwerkteilen. Der ursprüngliche Belagbestand aus massiven Eichenbohlen. Am 13. Juli 1889fanden die Brücken-Weihe und die Freigabe statt. Zu Ehrendes Sächsischen Königspaares erhielt die Brücke denNamen "August-Johanna-Brücke". In der am 15.07.1889,anlässlich der Brückenfreigabe, im Peniger Anzeigererschienenen Annonce von August Schmidt wurde mitge-teilt, dass Fußgänger die Brücke kostenlos passieren dürf-ten und einspännige Fuhrwerke 15 Pfennige, währendzweispännige Fuhrwerke 25 Pfennige Brückengeld zuentrichten hätten. Nachts sollten die eisernen Tore derBrücke verschlossen werden. Im Jahr 1900 musste August Schmidt Insolvenz anmeldenund der Betrieb wurde von den Kaufleuten Julius undErnestine Kübler aus Georgenthal übernommen.1901 firmierte die Holzschleiferei & Wasserkraftanlage unterErnestine Kübler & Companie.Ab 1904 hieß die Firma Offene Handelsgesellschaft JuliusKübler.Ab dem 30.11.1912 ist die Offene Handelsgesellschaft „Julius Küblers Erben“ mit Sitz in Antonsthal (heute Ortsteilvon Breitenbrunn im Erzgebirge) die Eigentümerin der Holz-

schleiferei. Es galt in dieser Zeit so manchen Schaden durchHochwasser zu überstehen. Während des ersten Weltkrie-ges zwischen 1914 und 1918 musste zeitweilig, trotzkomplizierter technischer Bedingungen, eine Energieein-speisung in das städtische Elektrizitätswerk vorgenommenwerden, um die prekäre Brennstoffsituation überwinden zuhelfen.

Mit der steigenden Produktion ab 1915 und der fortschrei-tenden Motorisierung geriet die relativ schmale und filigraneStahlgitterkonstruktion der Brücke, bei der Befahrung durchdie immer größeren und schwereren Fahrzeuge so inSchwingung, dass sie vom Firmenchef Julius Kübler für dieöffentliche Nutzung gesperrt werden musste. Die Brückedurften nur noch betriebseigene Fahrzeuge und der Fuhrun-ternehmer Walter Hofmann und später sein Sohn Arthur mitdem stadtbekannten „Hanomag“ befahren. Zu der Zeit warder Traktor vollgummibereift und wurde mit Petroleumbetankt. Erst in den 1950íger Jahren konnte das Fahrzeugauf Luftbereifung umgestellt werden. Ca. 1930 wurde die Betonfahrbahn eingebaut, die dieKonstruktion bei der Befahrung zwar weniger schwingenlies, jedoch mit 100 t Gewicht noch zusätzlich enorm bela-stete. Während dieser Zeit verfestigte sich im Volksmund dieBezeichnung „Küblers Brücke“.1936 wird der Firmensitz der Julius Küblers Erben OHG vonAntonsthal nach Schlaisdorf verlegt. Ab 1942 wurde die Schuhfabrik „Steyer“ an der Friedens-straße mit Strom aus der Wasserkraftanlage versorgt.Anfang der 1950´er Jahre, mit dem allmählichen Nieder-gang der Holzschleiferei, wurde die Brücke zu besonderenEreignissen für die Öffentlichkeit zur Nutzung geöffnet. Diegeringe Tragfähigkeit der Brücke verhinderte eine Umnut-zung der mittlerweile unrentablen Holzschleiferei für anderegewerbliche Zwecke. Während der Sanierung, der vomHochwasser 1954 stark beschädigten Straßenbrücke amLunzenauer Markt zwischen 1954 und 1955, diente KüblersBrücke als Behelfsbrücke für die Lunzenauer Einwohner.Also vorrangig für Fußgänger, Fahrradfahrer, Motorradfah-rer, Pferdefuhrwerke und für die damals wenigen PKW.Küblers Brücke hatte das Hochwasser 1954 fast unbescha-det überstanden, während die Holzschleiferei und dieWasserkraftanlage mit erheblichem Aufwand repariertwerden mussten, jedoch nach wenigen Wochen wieder in

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Betrieb gingen. Trotz aller Anstrengungen, in der Holzschlei-ferei ökonomisch zu produzieren, gelang dies nicht, da derveraltete Maschinenpark und die damit verbundene Produk-tionsweise den Anforderungen nicht mehr gerecht wurden.Eine Rekonstruktion erwies sich aufgrund des ungünstigenStandortes und der begrenzten Tragfähigkeit der Brücke alsunzweckmäßig. 1959 wurde die Produktion in der Holz-schleiferei eingestellt. In einer, im Stadtarchiv aufgefunde-nen Wanderwegkarte, um ca. 1959, wird bereits einWanderweg von Lunzenau nach Göhren und Cossen überKüblers Brücke ausgewiesen. Seit 1960 boten JuliusKüblers Erben der Stadt Lunzenau wiederholt die Brücke zurkostenlosen Übernahme an. Der damalige Rat der Stadtnahm schließlich per Beschluss vom 03.06.1966 das Ange-bot an. Die Übernahme musste jedoch vom damaligen Ratdes Kreises Rochlitz genehmigt werden, welche im Juli 1968erteilt wurde. Am 17.09.1968 wurde dann der Übernahme-vertrag durch „Julius Küblers Erben“ und dem Rat der StadtLunzenau unterzeichnet und trat zum 01.10.1968 in Kraft.Seitdem diente die Brücke der öffentlichen Nutzung durchFußgänger, Radfahrer und für die Befahrung durch Anwoh-ner-PKW.Am 03.04.1969 wird die Erbengemeinschaft Julius Kübleraufgelöst. Während das Bürogebäude von Familie Scheikegekauft wurde, übernahmen die Urenkelin von Wilhelm Juli-us Kübler, Frau Renate Oelsner, ihr Mann und ihre Kinderdas restliche Grundstück, incl. Wohnhaus, Fabrikgebäudeund Wasserkraftanlage.

Saubere Stromerzeugung aus kleineren Wasserkraftwerkenwurde von den DDR-Machthabern nicht geschätzt. Mansetzte auf gigantische Braunkohlekraftwerke, deren Rauch-schwaden zur damaligen Zeit den Himmel ganzer Regionenverdunkelten. Kleinkraftwerken wurde keine Aufmerksam-keit geschenkt. Es kam oftmals vor, dass solche Anlagendemontiert wurden. Dass es bei dieser Wasserkraftanlagenicht dazu kam liegt daran, dass Küblers Erben, trotz allerSchwierigkeiten, immer das Ziel der Wiederinbetriebnahmeverfolgten. Trotzdem ruhte die Anlage mangels Unterstüt-zung der Betreiber lange Zeit im „Dornröschenschlaf“. Erstnach 1990, mit dem demokratischen Umbruch, ändert sichauch die Umwelt- und Energiepolitik. Sauber erzeugterStrom aus Wasserkraft wird wieder geschätzt. Die Anlagewird durch die Familie Oelsner instandgesetzt, ein neuesKabel zur Einspeisung in das öffentliche Netz quer durchden Fluss verlegt und nach aufwändigen Reparaturen derTurbinen und der gesamten Elektroanlage kann im Januar1993 wieder Strom an das öffentliche Netz geliefert werden.Seitdem arbeitet die Wasserkraftanlage zuverlässig undwird ständig modernisiert.

Während des Hochwassers 2002 wurde das westlicheWiderlager von „Küblers Brücke“ so erheblich beschädigt,dass es 2004 als massiver Stahlbetonbau mit vorgeblende-tem Natursteinmauerwerk erneuert werden musste.Durch die Auswirkungen des noch gewaltigeren Hochwas-sers 2013 wurde dann auch das östliche Widerlager derBrücke derart unterspült, dass es brach und zur Hälfteabrutschte, die dadurch irreversibel verbogene Stahlkon-struktion drohte zu kollabieren und abzustürzen, so dass dieBrücke, wegen der akuten Einsturzgefahr, von der Stadt fürjegliche Nutzung gesperrt werden musste.Mit Bescheid vom 19.05.2015 erhielt die Stadt Lunzenau dieGenehmigung zur Sanierung des Bauwerks mit Zuwendun-gen der Bundesrepublik Deutschland und des FreistaatesSachsen aus dem Aufbauhilfefond 2013. Ab 4. Januar 2016begannen die Bauarbeiten. Es mussten eine Fahrbahnram-pe zum Flussufer und Fundamente für die spätere Kranab-stützung gebaut werden. Die Betonfahrbahn auf der Brücke,der Stahlüberbau und das östliche Widerlager wurden bisMai 2016 abgebrochen. Danach wurde das neue WiderlagerOst analog seines Pendants auf der Westseite als massiverStahlbetonbau mit vorgeblendetem Natursteinmauerwerkneu gebaut. Die Pfeilerkrone wurde mit Stahlbeton erneuert.Ebenso musste das Widerlager West für die neuartige Stahl-konstruktion baulich angepasst werden. Der neue Stahlü-berbau wurde in der Nacht zum 18.01.2017 und in der Nachtzum 19.01.2017 mit Schwertransportfahrzeugen von derStahlbaufirma Heinrich Rohlfing GmbH aus Stemwede inNordrhein-Westfalen bei minus 15 Grad C geliefert und vom19.01.2017 bis zum 20.01.2017 mittels eines 500-t-Krahnesaufgesetzt. Vom 20.03.2017 bis zum 23.03.2017 wurde derStahlüberbau verschweißt und der Korrosionsschutzvervollständigt. Vom 03.04.2017 bis zum 13.04.2017wurden beide Widerlager fertig betoniert, die Übergangs-konstruktion eingebaut und die Rampen fertigasphaltiert.Der Rückbau der Zufahrtsrampe zum Flussufer und derKranfundamente begann am 26.04.2017. Zusätzlich wurdedie gesamte Uferböschung vom 02.05. bis zum 15.06.17 mitWasserbausteinen befestigt und auf dem Muldewanderwegein neuer Straßenbelag aufgebracht.

Am 20.06.2017 erfolgte die Bauabnahme und am22.06.2017 wurde die Brücke von unserem Pfarrer GertFlessing feierlich geweiht und von den Damen und HerrenStadtratsmitgliedern und dem Bürgermeister für die öffentli-che Nutzung freigegeben.

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Späte Würdigungvon Wolfram Haasemann

Wenn sich ehemalige Schüler an einen ihrer Lehrer erinnernund aus gegebener Veranlassung Daten zu seinem Lebens-lauf sammeln,ist das erst einmal nichts Besonderes. Span-nend wird es, wenn der Ort, von dem die Anfrage ausgeht,doch recht weit entfernt und im Ausland liegt: Eine Volks-schule in einem Dorf am Fuß der Beskiden im Süden vonPolen. Mit Zwischenstationen kommt die Anfrage letztend-lich am richtigen Ort an: in Lunzenau. Der Lehrer, von demnoch einige Lebensdaten gewünscht wurden, war meinVater Werner Haasemann, der in Polen nach der Besetzungdurch die deutschen Truppen als Lehrer und Schulleiter vor77 Jahren durch die deutschen Behörden eingesetzt wurde.Da sein Lebenslauf ein gutes Beispiel für ein Stück deutsche- und polnische - Geschichte ist, entstand der Gedanke, ihnin der Lunzenauer Heimatzeitung nachzuvollziehen. Einigeseiner Lunzenauer Schüler, die ein gesegnetes Alter erreichthaben, werden sich vielleicht an ihn erinnern können.Mein Vater wurde am 6. Januar 1903 in Leipzig-Connewitzals erstes von 4 Kindern geboren. Sein Vater war freiberuf-lich als Handelsreisender tätig und betrieb mit seiner Fraueine kleine Gastwirtschaft. Das Umfeld war kleinbürgerlichund proletarisch in der Zeit des letzten deutschen KaisersWilhelm II. Der Volksschulbesuch meines Vaters fand dannz.T. in der Zeit des 1. Weltkrieges statt. Aus finanziellenGründen konnte von den 4 Kindern nur eines eine Hoch-schullaufbahn einschlagen. Für meinen Vater wurde eineandere attraktive Berufsausbildung gewählt: Er konnte dasLehrerseminar in Leipzig-Connewitz besuchen, eine schul-geldfreie Bildungsmöglichkeit für befähigte Kinder , derenEltern nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten hatten.Erste Einsatzorte als Hilfslehrer nach der Seminarzeit warenverschiedene Schulen im Vogtland, so z.B. in Arnoldsgrünund Tirpersdorf. Mit seiner Musizierfreudigkeit mit Gitarreund Akkordeon erwarb er sich rasch die Sympathien seinerSchüler – und Dorfbewohner.Nach einer kurzen Tätigkeit in Clausnitz wurde er 1927 ander 8klassigen Volksschule in Lunzenau fest angestellt.Seine Schwerpunktfächer waren Deutsch und Werkunter-richt.In der vereinsfreudigen Kleinstadt Lunzenau war er bald eingefragter Chorleiter, in der Kirchgemeinde Kantor und Orga-nist.1929 heiratet er Gertrud Pfau, die jüngere der beiden Pfau-Töchter. Meine Lunzenauer Großeltern, Hugo und AnnaPfau sind älteren Einwohnern sicher noch bekannt. Siebetrieben in der Altenburger Straße Nr. 101 eine kleineLandwirtschaft und einen „Kolonialwaren“-Laden, in dem esauf kleinstem Raum fast alles gab, was der Mensch zumLeben braucht – von Holzpantoffeln, Petroleum, Zucker,Mehl und Butter bis zur hausschlachtenen Wurst aus eige-ner Schlachtung – in Vorkriegsjahren bis zu zwei mal proWoche ! Die nahezu täglichen Besuche im Haus der Großel-tern sind für mich immer ein Kindheitstraum geblieben. ZurOrientierung für jüngere Lunzenauer: Das Geschäft wurdezuletzt als Gemüsehandlung betrieben. Das Haus stehtheute nicht mehr.Mein Bruder Karlheinz wurde 1931 in Lunzenau in der heuti-gen August-Bebel-Straße geboren. Ich habe das Licht desMuldentales in der Friedensstraße 1935 erblickt.

Mein Vater wurde im 2. Weltkrieg anfangs nicht gleich zumWehrdienst eingezogen, dafür aber als Lehrer und Schullei-ter in das besetzte Polen dienstverpflichtet. Der Dienstortwar Zeislowitz, ein mittelgroßes Bauerndorf am Fuß derschlesischen Beskiden im Kreis Bielitz-Teschen, knapp 100km südlich von Kattowitz. Die Schule war neugebaut, mehr-klassig und wurde mit 3 Lehrkräften betrieben. Da wir unse-ren Vater in den großen Ferien mehrfach besuchen konnten,habe ich den Ort und die Umgebung in guter Erinnerung.Durch den schroffen Übergang vom Hügelland in die bis fast1000 m hohen Berge mit ihren dunklen Fichtenwäldernergab sich eine sehr schöne, eindrucksvolle Landschaft. Dieländliche Bevölkerung war teilweise deutschstämmig undzweisprachig. Das Gebiet gehörte bis 1918 zu Österreich.Im vorletzten Kriegsjahr wurde mein Vater noch zum aktivenWehrdienst eingezogen. Sein Einsatz erfolgte in Cuxhavenan der Nordsee in einer Flakbatterie für den Küstenschutz.Zum Kriegsende kam er in englische Gefangenschaft, durfteaber nach relativ kurzer Zeit noch 1945 die Rückkehr in dieHeimat antreten.Da mein Vater so wie nahezu alle Lehrer im Staatsdienst im3.Reich Parteimitglied war, durfte er 1945 den Schuldienstnicht fortsetzen und wurde entlassen (gesetzliche Regelungin der sowjetisch besetzten Zone).In den 10 Jahren bis zur Wiedereinstellung in den Schul-dienst 1955 hat er unverdrossen verschiedene Tätigkeitenausgeübt, um die Familie zu erhalten und zu ernähren: als

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Unser Freibad von Friedrun Köhn, geb. Auer

Im Juli 1941 erfolgte nach umfangreichen Baumaßnahmendie feierliche Einweihung. Mitten im zweiten Weltkrieggenossen die Kinder, Jugendlichen und Erwachsene (vieleVäter waren leider im Kriegsdienst) eine willkommeneAbwechslung von den Sorgen des Alltags. Soweit ich michzurück erinnere, war unser Bad in jedem Sommer mein„Erholungsdomizil“. Hier machte ich mit meinen Freundin-nen die ersten Schwimmversuche. Um zum Freibad zugelangen, gab es von meinem Elternhaus in der Pestalozzi-straße zwei Möglichkeiten.

1. An unserem Haus befand sich ein terrassenförmigerGarten mit einer kleinen Tür zum Max-Vogler-Park.Durch diese Pforte ging es quer durch den Park nach obenauf den Hartberg.Hier lief ich inmitten der Felder (heute ist hier ein Neubauge-biet) entlang der Ernst-Thälmann-Straße oberhalb derMolkerei. Vorbei ging es am Wasserwerk, das mein Großva-ter Otto Auer im Jahre 1930 feierlich mit eingeweiht hatte.Oberhalb des Werkes existiert heute noch eine Kleingarten-anlage. Endlich erreichte ich das Wohnhaus meiner Freun-din Helga, die mich dort schon erwartete. Gemeinsamgingen wir dann die letzten Meter über den Elsbach entlangdes Mühlenweges zu unserem geliebten Bad.

2. Die schnellere Variante erfolgte mit dem alten Damenfahr-rad meiner Mutti.Damit fuhr ich auf der Pestalozzistraße hinunter, vorbei an„Zigarren-Hofmann“ und danach auf der Altenburger Straßein Richtung Elsdorf. Ich bog vor dem Baugeschäft Seidelwieder links ein in Richtung Freibad. Diese Variante gefielmir natürlich viel besser. Meist hatte ich für einen Sommereine Jahreskarte für etwa 5,50 DDR-Mark. Im Bad stand ofthinter dem Kassiererhäuschen der Eismann mit seinemWagen und bot zwei Sorten Eis (Vanille und Schoko) an.Die Kugel kostete 20 Pfen nige.Zum Umziehen hatten wir Holzbaracken. Unsere Sachenblieben während des Aufenthaltes an Haken und aufBänken. Ich kann mich nicht erinnern, dass dort jemalsetwas gestohlen wurde. Unser Schwimmbad bestand auseinem 50 Meter Becken, das längs in Schwimmer- und

Nichtschwimmerbereich unterteilt war. Am Rande befandensich Startblöcke, ein 1 Meter Brett und ein 3 Meter Brett. Indas Nichtschwimmerbecken konnten wir auch über eineRutsche gelangen. Umsäumt war das Becken von einerimmer gepflegten Außenanlage mit Bänken, Holzliegen undBäumen. Neben Schwimmen und Tauchen liebten wir„Eckhasche“. Als wir Mädchen größer wurden fanden wir estoll, dass nun auch Jungen mit von der Partie waren.Um ihre Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, versuchten wiruns in kleinen artistischen Elementen vom 3 Meter Brett.Im Rahmen unseres Sportunterrichtes ging es natürlichauch ins Bad. Die meisten Mädchen trugen Badeanzüge,mehr oder weniger modisch. Aber wir hatten wenigstenseinen.Es gab aber auch Mädchen die nicht so gut ausgestattetwaren. Bekleidet in Achselhemd und Turnhosen (siehe Foto)wurden die Schwimmübungen trotzdem absolviert.

Die Fotos belegen, wie viel Spaß wir alle hatten. UnserSchwimmmeister hieß Herr Gerhard Dost. Unter seinerstrengen Anleitung erlernten wir im Schwimmverein dieDisziplinen Brust, Kraul, Rücken, Schmetterling und sogarDelfin. Wir nahmen hin und wieder auch an Wettkämpfenteil. Ich erinnere mich, dass wir sogar einmal in Karl MarxStadt starteten.Die Platzierungen habe ich jedoch verges-sen. Selbst im September, wenn das Freibad schon

Gießereihilfsarbeiter, Vertreter für Metallwaren und alsBuchhalter im väterlichen Geschäft in Aue. Aus diesenberuflichen Gründen haben meine Eltern 1950 Lunzenauverlassen und sind nach Aue verzogen.Den Schuldienst hat mein Vater dann zunächst in Bockau imErzgebirge und nachfolgend bis zum Beginn des Ruhestan-des 1968 in der Pestalozzi- und Lessingschule in Aue ausü-ben können. Leider waren seine letzten Berufsjahre vonhäufigen ärztlichen Behandlungen seiner Herzkrankheitschon überschattet.Am 7.Februar 1968 ist er infolge Herzversagen verstorben.Mein Vater hat nach seiner Einberufung zum Wehrdienstkeine Verbindung mehr zu Schülern oder Bewohnern inseinem ehemaligen Dienstort in Polen gehabt. GrößereFrontkämpfe haben in dem weitgehend ländlich strukturier-ten Gebiet zum Kriegsende wohl nicht stattgefunden. Man

kann nur hoffen, dass die ansässige Landbevölkerung allegesellschaftlichen und politischen Umbrüche nach demKrieg gut überstanden hat.Eine totale Überraschung war nun, als mich im vergangenenJahr Post von ehemaligen Schülern meines Vaters aus Zeis-lowitz erreichte – 72 Jahre nach dem Ende seiner dortigenTätigkeit ! Ihr Anliegen ist: Sie möchten an der Schule inZeislowitz eine Gedenktafel mit den Namen aller Schulleiter/Lehrer anbringen, die an der Schule wirksam waren undunterrichtet haben – einschließlich des von der deutschenVerwaltung während des 2. Weltkrieges eingesetzten Schul-leiters Werner Haasemann (!). Dass sein Verhältnis zu denSchülern und Ortsbewohnern ein sehr gutes gewesen seinmuss, darf man mit gutem Gewissen daraus entnehmen.

Pirna-Birkwitz im August 2017

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geschlossen war, stiegen wir heimlich über den Zaun, denndas Wasser war ja noch im Becken Viele viele Jahre später bin ich dann noch mit meiner Familiegern in unser Lunzenauer Freibad gekommen. Schade, dass unser wunderschönes Bad nur noch eineErinnerung ist. Es konnte in den Wirren der Nachwendesicher trotz vieler Bemühungen nicht erhalten werden. Nunmüssen alle Lunzenauer Badelustigen auf die Bäder inPenig, Rochlitz und Geringswalde ausweichen.

Herbert Rätzer – ein weit über die Grenzen von Lunzenau hinaus bekannter Lunzenauer wäre am 28. 1. 2017 100 Jahre alt geworden

Das Lunzenauer Heimatblatt lese ich als alter Lunzenauersehr gern und mit großer Aufmerksamkeit. Als Sohn vonBauingenieur Herbert Rätzer (Bild 1) habe ich „nur“ meineKindheit und Schulzeit in der Muldentalstadt verbracht.Gern tausche ich bei Klassentreffen alte Erinnerungen mitmeinen Schulkameraden aus. Bereits 1967 habe ichLunzenau bedingt durch Studium und beruflicher Laufbahn

verlassen, wohne aber, wieauch meine Schwester inBurgstädt und komme gernnach Lunzenau zu verschie-denen Anlässen.Als unser Vater nach Weih-nachten 2004 verstorben warund meine Schwester undich beim Pfarrer Flessingsaßen, um ihm einige Eck -punkte für die Trauerrede zuübergeben, fiel es uns,bedingt durch die Situationnicht leicht, und wir hattenmarkante Dinge übersehen.Erst bei der Abschiedsrede inder Friedhofshalle, als die

Gedanken schweiften, fiel mir ein, diese Halle ist ja einProjekt meines Vaters, welches er kostenlos im Jahre 1974für die Kirchgemeine Lunzenau und Stadt erarbeitet unddessen Bau er unentgeltlich betreut hatte. Und diese Halle ist nicht das einzige Bauwerk in Lunzenau,das mit seinem Namen verbunden ist. Mir sei gestattet, be -vor ich auf weitere Lunzenauer Bauprojekte und andereLeis tungen, eingehe, etwas aus seinem Leben und seiner

Ent wicklung zu erwähnen und insbesondere anhand vonspeziell ausgewählten Bildern und Dokumenten darzustel-len, was ihm, seine Persönlichkeit, seine Auffassungen undEinstellungen geprägt haben und aus ihm eine „LunzenauerPersönlichkeit“ geworden ist, die in Erinnerung bleiben soll-te. Geboren wurde Herbert Rätzer im vorigen Jahrtausend,gegen Ende des furchtbaren 1. Weltkrieges, aus dem seinVater mit einer schweren Kriegsverletzung zurückgekom-men war, noch im untergehenden deutschen Kaiserreich.Seine Kindheit, an die er sich gern erinnerte, verbrachte er,zwar relativ sorgenfrei, aber in einfachen Verhältnissen, inder Altenburger Straße, wo meine Großeltern einen Kolonial-warenladen betrieben, während der Epoche der WeimarerRepublik. Unter nicht einfachen Bedingungen war es ihmmöglich, die Deutsche Oberschule in Rochlitz, die großenEinfluss auf seine spätere kulturelle und humanistischeEinstellung hatte, zu besuchen. Um Geld für die Eisenbahnzu sparen, musste täglich, auch bei schlechtem Wetter,heute kaum vorstellbar, mit dem Fahrrad zur Schule nachRochlitz gefahren werden. Mit einem sehr guten Abschlus-szeugnis, insbesondere in deutscher und englischer Spra-che, fand Herbert Rätzer dann, allerdings nach der Machter-greifung der Nationalsozialisten, eine Lehrstelle als Verwal-tungsangestellter im Rathaus zu Lunzenau. Mit einer hervorragenden Abschlussbeurteilung vom dama-ligen Lunzenauer Bürgermeister Arnold bewarb sich HerbertRätzer bei der Stadt Leipzig und wurde für eine Beamten-laufbahn eingestellt, obwohl er niemals Mitglied der NSDAPwar.Diese Karriere wurde jedoch durch den Einzug zum Arbeits-dienst, dann zur Wehrmacht und der Teilnahme als Soldat

Bild 1: Bau.-Ing. HerbertRätzer, 1917 bis 2004

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am 2. Weltkrieg jäh unterbrochen. Im Krieg hatte er großesGlück. Er kam zum Afrika-Korps unter GeneralfeldmarschallRommel, dem er mehrfach persönlich kennenlernte und derKrieg war für ihn nach der Niederlage bei El Alamein imNovember 1942 mit Eintritt in amerikanische Kriegsgefan-genschaft zu Ende. Nach einer Schiffsreise durch den Suez-kanal um Afrika herum, über den Südatlantik, durch die Kari-bik bis New Orleans wurde er in einem Kriegsgefangenenla-ger in Birmingham Alabama und später in New York N. Y.interniert. Dank seiner Englischkenntnisse war er vom erstenTage an mit Dolmetschen beschäftigt und konnte an Lehr-gängen und Weiterbildungen teilnehmen.Nach der Kapitulation Nazideutschlands und dem Ende desKrieges wurden die Kriegsgefangenen neu aufgeteilt undmein Vater kam in britische Gefangenschaft nach London,wo er wieder in der Verwaltung und mit dolmetschenbeschäftigt wurde und sich frei in London und Umgebungbewegen durfte. Da mein Vater die Möglichkeit in Großbritannien zu bleiben,ausschlug wurde er in die britische Zone des Nachkriegs-deutschland gebracht und ihm die für einen Neuanfangerforderlichen Dokumente ausgehändigt. Er liebte nicht nurLunzenau sondern auch Lena Auer, die Tochter des Flei-schermeisters Martin Auer und so floh er über die Zonen-grenze in den Osten Deutschlands, um in der sowjetischenBesatzungszone einen Neuanfang zu starten. Er meldetesich dann bei seinem früheren Arbeitgeber, der Stadt Leip-zig und dort sagte man ihm deutlich, dass sofort nach Über-gang der Stadt Leipzig in die nach Westen verschobeneSowjetzone im Sommer 1945 alle früheren Beamten undAngestellten, auch die ohne NS-Vergangenheit, oft in Abwe-senheit entlassen worden waren und alle Stellen bereits mitsowjetfreundlichen, insbesondere SED-Leuten besetztseien. Weil allerorts Lehrer gesucht wurden, lag es nahe,sich da zu bewerben. Da er, wie oben beschrieben, dieenglische Sprache bestens beherrschte, bewarb er sich als„Neulehrer“ für Englisch. Beim Bewerbungsgespräch wurdeer gefragt, ob er noch normal sei, Englischlehrer zu werden,diese komische Sprache benötigt doch keiner mehr. Er solleRussisch lernen, in die SED eintreten und könnte als Russi-schlehrer sofort eingesetzt werden. Auf Anraten seines Vaters, begann er dann als „Umschüler“in der Fa. Paul Seidel in Lunzenau eine Maurerlehre undarbeitete nach Abschluss dieser ab 1948 als Betriebsmaurerin der Lunzenauer Papierfabrik. Trotz harter Arbeit undzwischenzeitlich gegründeter Familie begann er, nun alseinfacher Bauarbeiter, mit einem Abendstudium über dieEtappen Bauzeichner, Bautechniker bis hin zum Bauinge-nieur. Im Frühjahr 1952 begann Herbert Rätzer dann in derzwischenzeitlich neu gegründeten Deutschen Demokrati-schen Republik das eigentliche Berufs- und Arbeitsleben imVEB Entwurfsbüro für Industriebau in noch Chemnitz, demspäterem VEB Industrieprojektierung Karl-Marx-Stadt,zunächst als Bauzeichner. Die Berufsausbildung, d. h. dasBauingenieursstudium konnte Herbert Rätzer mit Erfolg imJahre 1955 abschließen und nun endlich, im Alter von 38Jahren, die eigentliche berufliche Karriere startenIm Arbeitsleben war er weit über dem normalen DDR übli-chen Durchschnitt engagiert und trieb nicht nur Industrie-bauprojekte voran, sondern befasste sich sehr tief auch mitder Rationalisierung der Projektierungstätigkeit.

Als parteiloser Mitarbeiter wurde er bald Abteilungs- undspäter Brigadeleiter. Während dieser Tätigkeit zeichnete erverantwortlich für ständig neue Bauprojekte im VEB Getrie-bewerk Penig, den VEB ESDA-Strumpfwerken in Thalheim,dem VEB Scher- und Spulmaschinenbau in Burgstädt, inBraunkohlebetrieben in Zeitz, Rositz u. a. aber auch, wegender Sprachkenntnisse, für Auslandsprojekte, vor allem inPolen. Im VEB IPRO arbeitete Herbert Rätzer auch nochnach Erreichen des Rentenalters bis 1989. Das Arbeits-rechtsverhältnis mit diesem Betrieb beendete er, weil auf ihneine neue, völlig unerwartete Herausforderung wartete. Ermusste seine schwer erkrankte Ehefrau Lena pflegen, diedann 1992 verstarb. Nach der Wende war er dem durchMitarbeiter privatisierten Betrieb IPRO-Plan GmbH weiterhineng verbunden.Nebenberuflich vermittelte er sein umfangreiches spezifi-sches Fachwissen als Dozent an der Fachschule für Bauwe-sen jüngeren Generationen an auszubildenden Bauinge-nieuren. Das Unterrichtsmanuskript veröffentlichte er alsBuchtitel „Hinweise und Beispiele für die Kostenplanung imBauwesen im „VEB Verlag für Bauwesen Berlin“ 1960. Die Rationalisierungen, die mit einem „Verbesserungsvor-schlag“ im VEB IPRO begannen, fanden Niederschlag inseinem Fachbuch „Richtlinien für den Materialbedarf ImBauwesen“, das in der ersten Auflage im VEB Verlag fürTechnik Berlin 1959 erschien und bereits wenige Tage nachVeröffentlichung vergriffen war. Am Manuskript der zweiten,erweiterten und ergänzten Auflage, die schon 1960 im nunneugegründeten VEB Verlag für Bauwesen Berlin erschien,arbeitete er schon während der Druckphase der erstenAuflage

Bild 2: 18. Auflage des Buches „Richtlinien für den Material-bedarf im Bauwesen“ Vorwort und weitere Angaben zumBuch sowie Erscheinungsjahre der einzelnen Auflagen

Während seiner aktiven Schaffensperiode wurde dieserBuchtitel in 18 Auflagen mit bis zu 20 000 Exemplaren proAusgabe gedruckt und war ein Standardwerk für alle imBauwesen tätigen Meister, Techniker, Ingenieure und auchStudenten. Bauingenieur Herbert Rätzer wurde mit diesem,seinem Buch, weit über die Grenzen Lunzenaus hinausbekannt und erhöhte den Bekanntheitsgrad von Lunzenau.

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Auch in Westdeutschland war das Buch bekannt, gefragtund ein guter Exportartikel des Verlages. Mit dem weiterenAuseinanderdriften der beiden deutschen Staaten in den 70Jahren des letzten Jahrhunderts und der Abkehr von DIN-Normen in der DDR und Einführung von TGL-Standards warein einfacher Verkauf des auf DDR-Verhältnisse zugeschnit-tenen Werkes in der damaligen Bundesrepublik Deutsch-lands nicht mehr sinnvoll und der VEB Verlag für Bauwesenbereitete mit dem Bauverlag Wiesbaden eine angepassteAuflage des DDR-Standardwerkes unter dem Titel„Baustoffbedarf Ablese- und Berechnungstabellen“! vor, die1975 erschien und ausschließlich in Westdeutschland alsDevisenbringer für die DDR verkauft wurde.Zur Erarbeitung von kleineren Projekten wie Umbauten vonWohnhäusern, Neubau von Garagen, Errichtung von Einfa-milienhäusern, Bau landwirtschaftlichen Einrichtungen,Aufstellung von Gartenlauben etc. war in der DDR eineProjektierungsgenehmigung erforderlich, die beim Rat desKreises zu beantragen war. Eine solche Zulassung erhieltmein Vater bereits 1956 womit es ihm gestattet war, zahlrei-che Bauwerke (Bild 3) dieser Art in Lunzenau und Umge-bung (das war auch manchmal an der Ostsee) zu gestaltenund so tragen viele Fassaden, die vor 30 bis 60 Jahren inLunzenau neu gestaltet wurden, seine Handschrift. Mit stei-gender „Trabantisierung“ in der DDR waren Garagenbautenab den 70iger Jahren ein Renner. Noch mit Zeichenstift undTusche auf Pergament und statischer Berechnung mit demRechenschieber entwarf Herbert Rätzer eine Garagenvari-ante, die mit geringfügigen Modifikationen in, wie damalsgesagt wurde, „Selbsthilfe“, auch als Garagenkomplex vieleMale realisiert wurde.

Bild 3: Bau-Ing. Herbert Rätzer bei einer Baubetreuungwährend der Bauarbeiten (Im Hintergrund Tochter Gudrun).

Neben Garage benötigte ein „gelernter DDR-Bürger“ natür-lich auch einen Kleingarten in einer Gartenanlage und natür-lich auch eine Gartenlaube, für deren Bau auch in der DDRein genehmigungsfähiges, wenn auch kleines Projekt, beimRat der Stadt vorgelegt werden musste. Wenn mein Vater durch Lunzenau ging, wurde er in dieser Zeit oft gleich von Einwohnern oder Bekannten aufderStraße mit Worten angesprochen wie „… Herbert, ich musswas bauen, kannst Du mal eine Zeichnung ma chen…“

Üblich war, dass die Kleingartenanlagen ihr eigenes Garten-heim hatten. Auch dieses musste projektiert und der Baubetreut werden. In Lunzenau ging es dabei um das Garten-heim Eichbergblick und das Gartenheim in der Anlage West,deren Neu- bzw. Umbau durch Bau-Ing. Rätzer für denGartenverein kostenlos projektiert und bauseitig bis zurEinweihung betreut wurden.In den 70ger Jahren wurden die staatlichen Einschränkun-gen bezüglich des Eigenheimbaus gelockert und es durftenunter Einhaltung von Auflagen bezüglich der Größe Einfami-lienhäuser in Eigenleistung gebaut werden. Viele, der teil-weise unter schwierigen Bedingungen, was insbesonderedie Materialbeschaffung betraf, neuentstandenen Häuser,wurden in Lunzenau und Umgebung von Herbert Rätzerprojektiert. Vom Rat der Stadt Lunzenau war Herbert Rätzer bereits1956 in das sogenannte Bauaktiv und später in den Bauaus-schuss berufen. Ab 1984 wurde er dann als Mitglied derKommission Bauwesen der Stadtverordneten-Versamm-lung gewählt. In diesen Gremien wurden alle Bauvorhabender Stadt besprochen, abgestimmt und koordiniert. Bis1994 war Herbert Rätzer somit aktiv in das gesamtenBaugeschehen der Stadt involviert und konnte seine Ideeneinbringen.Schulleitung und Stadtverwaltung luden den zwischen-zeitlich stadtbekannten Bau-Ingenieur Rätzer zu Abstim-mungen ein, um einen Lösungsweg für eine Erweiterung der Schule zur Beseitigung des Zimmermangels zu finden.Varianten wurden besprochen und mögliche Kosten wurden vorab eingeschätzt, bis dann vom Rat der Stadt einAuftrag für die Planung einer neuen Schule mit Verbindungzum alten Schulgebäude erfolgte. Abgebildet sind im Bild 4a ein Artikel aus der Neuen Rochlit-zer Zeitung vom 24. November 1961 und im Bild 4b einBericht aus der Volksstimme (später Freie Presse) Rochlitzvom 28. Januar 1961, in denen die Leistungen meinesVaters gewürdigt wurden.

Bild 4 a: Bericht aus der Neuen Rochlitzer Zeitung

Auch die Sportler von Fortschritt Lunzenau wandten sich anden Bau-Ingenieur und er projektierte für den Sportplatzbereits in den 60iger Jahren alle Bauwerke. Das sind dieUmkleide- und Sportgerätekabinen, die Kassenhäuschen,die Stützmauern für die Zuschauerplätze und später dieGaststätte.

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Bild 4b: Beitrag aus der Volksstimme

Im vergangenen Jahrhundert erlangte Lunzenau Bekannt-heit durch die populären Parkfeste, die alljährlich im Hein-rich-Heine-Park stattfanden. Für die Veranstaltungenwurden eine Freilichtbühne und entsprechende Nebenräu-me benötigt. Nach Improvisation durch eine wiederabtrag-bare Holzbühne kamen die damaligen Stadtväter zu HerbertRätzer und trugen den Wunsch vor, eine massive Freilicht-bühne zu bauen und er sollte doch mal eine „Zeichnung“dazu machen. Wie ich damals und später mitbekommenhatte war das nicht ganz einfach, da die Bühne relativ großgeplant war und darauf noch getanzt werden sollte, gestal-tete sich die Statik des Bauwerkes unter Einbeziehung dermöglichen vorhandenen bzw. „organisierbaren“ Baumate-rialien kompliziert und aufwendig. Doch beginnend ab 1962wurde in Etappen gebaut und bekannte Künstler konntenauftreten. Das Bild 5 zeigt die Nutzung der konstruierten undgebauten Freilichtbühne während der sonntäglichen Haupt-veranstaltung zum Parkfest 1964.

Bild 5: Freilichtbühne während der Hauptveranstaltung zumParkfest, Foto H. Rätzer

Noch im fortgeschrittenen Rentenalter erhielt er die zur Erar-beitung von Bauprojekten erforderliche Lizenz vom neuemBezirk Chemnitz, der noch das alte Siegel mit der Bezeich-nung Karl-Marx-Stadt verwendete, im Jahre 1990. DieseLizenz hatte auch noch Gültigkeit nach dem Beitritt der DDR

zum Gültigkeitsbereich des Grundgesetzes. Er projektierte,auch während der zeitaufwendigen Pflege seiner Ehefrauund nach ihrem Tot für Lunzenauer Einwohner kleinereBauvorhabenAuch kulturell engagierte sich Herbert Rätzer im Kulturbundder DDR, Ortsgruppe Lunzenau seit 1957. Als Briefmarken-sammler musste man Mitglied dieser Organisation sein, umNeuausgaben von Postwertzeichen komplett zu erhalten.Mitte der 60iger Jahre wurde er dann zum Ortsgruppenleiterder Sektionen Fotografie und Philatelie gewählt. Dank seinerAgilität konnten einige Mitglieder auch an überregionalenBriefmarkenausstellungen teilnehmen und Medaillienplätzefür Lunzenau erlangen.Zusammenfassend kann man aus heutiger Sicht sagen,dass er die Stadt durch die angeführten Baumaß-nahmen bereichert und den Bekanntheitsgrad seines Ortes erhöht hat. Viele seiner Bauprojekte werden nachdamaliger teilweise komplizierter Realisierung noch heuteund auch in Zukunft voll genutzt. Da sich die Technik mitenormem Tempo entwickelt, sind natürlich auch einige mehr als 50 bis 60 Jahre alte Projekte nicht mehr zeitgemäßoder gar überflüssig. Das tut aber dem Lebenswerk Herbert Rätzers, insbesondere aber auch für die StadtLunzenau, keinen Abbruch. Er war ein Lunzenauer, einSachse und ein Deutscher, dessen Entwicklung durch sechs unterschiedlichste deutsche Systeme geprägtworden war, die Geburt im deutschen Kaiserreich, die Kind-heit in der Weimarer Republik, die Jugend im Nationalsozia-lismus, Krieg sowie Gefangenschaft, den Neuanfang in dersowjetisch besetzten Zone des Nachkriegsdeutschland,berufliche Karriere und Arbeitsleben in der DDR und eineeigentlich wohlverdiente aber wegen ständig neuer Arbeitsi-deen nicht voll genutzte sorgenfreie Rentnerzeit im langegewünschten wiedervereinigten Deutschland. Getragendurch fundiertes Wissen und guter und schlechter Erfahrun-gen fiel es ihm durch Abwägen der einzelnen Möglichkeitenzeitweise schwer zu artikulieren was er manchmal präzisewollte. Was er nicht wollte war, sein Haus Am Markt 2 zuverlassen, von Lunzenau weg zuziehen und in Vergessen-heit zu geraten. Er sollte auch jungen Lunzenauern in Erinne-rung bleiben.

Burgstädt im Januar 2017, Dip.-Ing. Falk Rätzer

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An der Zwickauer Muldevon Wolfgang Bönitz

Die Zwickauer Mulde ist ein sehr beeindruckender Fluss imSüdwesten von Sachsen, der eine grundsätzlich nordöstli-che Strömungsrichtung hat und mit einer Länge von ca. 147km bei einem Einzugsgebiet von ca. 7400 Quadratkilome-tern zu den bedeutendsten sächsischen Flüssen gehört undauch die ebenso beeindruckende Schönheit der umgeben-den Natur bestimmt. Sie entspringt im Vogtland und ist einnicht schiffbarer Nebenfluss der Elbe. Sie ist seit dem frühenMittelalter eine bedeutende Lebensader der gesamten Regi-on und wurde zum Transport der im Erzgebirge gefälltenBäume genutzt, doch in all der Zeit der Entwicklung derSiedlungen und Gemeinden an der Mulde wird deutlich,welche Wirkung und welche Anregungen von dem Flussausgingen, die sich in der Entwicklung der anliegendenGemeinden immer wieder deutlich machten. Nur um wenigeBeispiele dafür zu nennen erwähne ich die Namen einigerStädte und Gemeinden, wie Glauchau, Waldenburg, Penig,Rochsburg, Wechselburg und Rochlitz. Lunzenau darf ich aber auch nicht vergessen, denn das istja meine Heimatstadt, an die ich mich mit viel Liebe immerwieder erinnere! Meine Eltern haben mich auch sehr oft undgern belehrt, welche schöne Gegend um uns herum ist unddie sonntäglichen Spaziergänge die ich schon als Vorschul-kind bei angenehmem Wetter mit ihnen vollzog, sind eineErinnerung, die tief wirkt. Ein wenig später hatte ich schonein Fahrrad und da war es natürlich noch viel einfacher undauch verlockender, umfangreiche Touren zu unternehmenund das taten meine Eltern mit mir auch bei jeder passendenGelegenheit. Und so fuhren wir mit Freude in die nähereUmgebung und sahen dort die beeindruckenden Beweiseeben dieser von mir erwähnten Entwicklung über Jahrhun-derte hinweg.

Fange ich also an mit der Rochsburg, die von Lunzenau nurwenige Kilometer entfernt ist und mit ihrer Lage, ihrer Archi-tektur und ihrer Geschichte ein großartiges Beispiel für dieRichtigkeit meiner Behauptungen ist. Die Rochsburg wurdeim 12. Jahrhundert gegründet und ist dreiseitig von derZwickauer Mulde umströmt. Das heutige Aussehen erhieltdas Anwesen aber erst in der Mitte des 16. Jahrhundert. DieAußenanlagen machten schon damals ihren wehrhaftenCharakter deutlich, was in der Konzeption noch heute gut zuerkennen ist. Sie erhielten eine vordere Toranlage, die Nord-westmauer, die Südwestmauer, das obere Tor zum Innenhof

und schließlich auch einen 53 m tiefen Brunnen der dasBauwerk in der Wasserversorgung von außen unabhängigmachte. Die Schlosskapelle „Sankt Annen“ gehörte natür-lich auch zu dieser Selbständigkeit und gab den Bewohnernder Burg die Sicherheit ihren Glauben deutlich zu machen.Zu erwähnen ist natürlich auch die sogenannte Hänge-brücke, die bereits 1480 erstmalig genannt wird und seit1878 als schwankender Steg existierte. Wir Kinder nanntensie Schaukelbrücke und nutzten die „Bewegungsfähigkeit“immer sehr gern, was aber auch stets zu Mahnungen derbegleitenden Erwachsenen führte alles nicht zu übertreiben.Sie wurde bei dem Muldenhochwasser 1954 zerstört undbis 1956 erfolgte dann der Bau einer neuen Hängebrücke.Diese musste bis 2011 halten, dann war die jetzige Brückefertig und soll nun sehr lange nutzbar sein. Von Bedeutungwar die Brücke vor allem für die Wanderer aus RichtungBurgstädt gewesen. Doch auch für die Lunzenauer Spazier-gänger zur Höllmühle in Chursdorf war sie unverzichtbar.Als ich Vorschulkind im ersten Jahr meiner „Radfahrerlauf-bahn“ war, bin ich mit meinen Eltern an einem Sonntag zurHöllmühle gefahren und habe unter väterlicher Anleitung dieersten Ruderübungen auf dem Höllmühlteich absolviert.Danach sind wir über Penig zurückgefahren und ich warnatürlich stolz auf meine vollbrachte Leistung.Penig hat einen historisch gewachsenen Stadtkern mit sehrvielen engen Gassen und den so genannten Kellerbergen.Das Rathaus der Stadt wurde im Stil der sächsischenFrührenaissance errichtet und zeigt als Beispiel für die früheEntwicklung der Töpferei in der Stadt als Symbol den „Peni-ger Topf“. Im Oktober 1813 wurde der Muldenübergang von den napo-leonischen Streitkräften hartnäckig verteidigt, was aberderen Preisgabe am Ende nicht verhinderte.Im letzten Kriegsjahr des zweiten Weltkrieges wurde an derB 95 noch ein Außenlager des KZ Buchenwald eingerichtet,in dem ca. 700 jüdische Frauen Flugzeugteile fertigenmussten.Einen sehr bekannten und auch berühmten Sohn der Stadtwill ich noch nennen, den Naturheilkundler Friedrich EduardBilz (1842- 1922).Penig hat auch einen Stadtteil, den man seit seiner Grün-dung und der ursprünglichen Selbständigkeit Amerikanannte und diesen Namen hat man auch immer beibehalten.Als ich vor einigen Jahren einem Enkel meine Heimat zeigte,bat mich dieser doch auch Amerika zu besuchen. Wahr-scheinlich hatte man ihm in der schönen Gaststätte Mulden-schlösschen in Rochsburg auf diesen Namen der nahenGemeinde aufmerksam gemacht. Zur Erinnerung bliebeneine Reihe Fotos mit den Gemeindeschildern von meinemEnkel zurück. Ein weiterer sehr beliebter Wanderweg ist der über Hohen-kirchen und dem Eichberg verlaufende schöne Weg im Waldund immer direkt an der Mulde. Man kommt dann in Göhrenan und hat den immer wieder stark beeindruckenden Blickauf die Göhrener Brücke, die 381 Meter lang und 68 Meterhoch gebaut werden musste (das waren 86 Meter über derMulde), um die Bahnverbindung von Chemnitz nach Leipzigzu realisieren. Es waren in der Bauzeit vom Mai 1869 undJuni 1871 zwischen 4000 und 5000 Arbeiter ständig an

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der Brücke tätig aber im Vergleich zu anderen Bauwerkender heutigen Zeit (z.B. des Flughafens Berlin Schönefeld)wurden die Leistungen in den Monaten des Brückenbauszielstrebig durchgeführt und gut organisiert. Man nutzte soviel wie möglich die in der Umgebung befindlichen Vorkom-men an Granit (Wechselburg und Markersdorf) und Porphyr(Rochlitz) und dennoch muss man über die erbrachtenTransportleistungen und ihre Organisation vor Ort in derrelativ kurzen Bauzeit immer wieder staunen. Mein Vatererzählte mir oft und gern von einem Bauverantwortlichen,der den ersten Zug nach der Einweihung auf der Brückeabgewartet haben soll und als sich der Zug näherte, habesich die Brücke bewegt und der Mann traute seinen eigenenLeistungen nicht mehr und habe sich von der Brücke in dieTiefe gestürzt. Aber das ist eben eine Story, die sich einprä-gen konnte obwohl damals gar nichts passiert ist. Fährt man noch weiter, gelangt man bald nach Wechsel-burg, das eine bezaubernde Umgebung hat und mit seinemBenediktinerkloster, das schon im 12.Jahrhundert entstandund seit dieser Zeit einen sehr starken Eindruck hinterlässt.Einst als Klosterhof zum Kloster Zschillen gehörig sind aberalle Bauten die zum Kloster gehören, sehr eng mit Wechsel-burg verbunden.Dann ist man aber auch bald in der Großen KreisstadtRochlitz, eine der ältesten sächsischen Städte mit dem 353Meter hohen Rochlitzer Berg und dem sogenannten Porphyr- Lehrpfad. Die Nutzung der dort vorgefundenen Porphyr -Vorkommen spielt seit Jahrhunderten eine bedeutendeRolle bei der äußeren künstlerischen Gestaltung vielerBauten in der gesamten Umgebung und beeindruckt immerwieder. Rochlitz war lange Zeit eine der bedeutenden Indu-striezentren an der Zwickauer Mulde, wobei man aberimmer wieder feststellen musste, dass die Zwickauer Muldeeinen entscheidenden Einfluss auf die mitunter wechselhaf-te, weil von der allgemeinen technischen Entwicklungabhängigen industriellen Entwicklung der kleinen Städte ander Mulde genommen hat.Und nun will ich doch auch noch auf die NamensgeberinZwickau, die viertgrößte Stadt Sachsens (ca. 90 000Einwohner) eingehen. Die Stadt wird 1118 erstmals erwähntund war fast 800 Jahre ein Zentrum der Steinkohleförderung– bis eben alles aufgebraucht war. Im Frühjahr 1951 wurdenwir als Studenten aufgefordert, am Karfreitag einen Arbeits -einsatz in der Steinkohleförderung zu leisten und das ha-ben wir vor allem aus Neugier auch gemacht. Es war daserste Mal, dass ich in eine Tiefe von ca. 600 Meter einfuhr

und ich kann mich an den Eifer erinnern, den wir alleeinbrachten, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dasgelang wohl auch, aber nach der Schicht habe ich mirvorgenommen mich nie mehr um die Deckung des deut-schen Kohlebedarfs persönlich zu bemühen! Am Oster-sonntag stellte ich nämlich fest, dass der Kohlestaub sichsehr tief in meine Kleidung eingefressen hatte und ich wohlauch die nötige Gründlichkeit bei der Körperwäsche unter-schätzt hatte!Nach der Jahrhundertwende hat sich die Fahrzeugindustriein Zwickau sehr stark entwickelt und besonders die NamenHorch und Audi stellten die neue Industrie sehr eindrucks-voll vor - und das hat in all den vergangenen Jahren fastdurchgängig Bestand gehabt.

Aber auch das Baden in der Zwickauer Mulde beiLunzenau hatte sich in den Jahren nach 1878 lebhaftentwickelt und bis etwa 1936 dort Bestand. Ein Freibadwurde 1921/22 vom „Arbeiter-Wassersportverein Lunzenaueingerichtet und 1926 eingeweiht. Das Freibad an der Muldeerfreute sich großer Beliebtheit und mein Vater hat dort alsSchüler und Lehrling sich selbst das Schwimmen beige-bracht. Mit vielen freiwilligen Arbeitseinsätzen und finanziel-ler Unterstützung unterschiedlichster Art konnten wesentli-che Objekte, wie die Umkleidekabinen, Wirtschaftsräume,Toiletten und eine Bootswerft mit Lagerschuppen errichtetwerden.Aber ein Baden in der Mulde war nicht immer - vor allemwegen der „Beilagen“ aus der sich ständig weiterentwickelnden Industrie an der Mulde möglich und auchnicht empfehlenswert. Im Juni 1930 hatte man im StadtratLunzenau schon über den Bau eines Freibades beraten, dasim „Forellenbachtal“ (kurz hinter der Schneidemühle) errich-tet werden sollte und die Stadtverwaltung hatte sich dasGelände bereits zu dieser Zeit durch einen Pachtvertraggesichert. Aber die finanzielle Situation in Deutschland ließdamals – die Wirtschaftskrise erreichte in dieser Zeit einenHöhepunkt – eine Realisierung nicht zu und so verschobman das auf später. Man musste so eben das bereitsvorhandene Freibad in Elsdorf nutzen und das taten wirauch mit Begeisterung.Nach der Machtübernahme der Nazis im Januar 1933wurden alle Gemeinschaften, die den Zielen der Nazis nichtim vollen Umfang entsprachen, und die von ihm errichtetenvielfältigen Anlagen an der Zwickauer Mulde, aufgelöst, dasvorhandene Inventar beschlagnahmt und der Verrottungfreigegeben - und dazu gehörte eben auch der Arbeiter -Wassersportverein Lunzenau.Mit dem lange geplanten Bau des Stadtbades Lunzenauwurde im Sommer 1939 begonnen und trotz des Krieges imJuli 1941 erfolgreich abgeschlossen. Das Stadtbad hatteeine Einrichtung, über die ihresgleichen in der weiterenUmgebung kein Freibad verfügte und das war eine Wasser-kläranlage. Darauf war man sehr stolz – aber nach dem Kriegund der nicht verfügbaren Kapazität und vor allem der Mittelzur Instandhaltung der gesamten Anlage, wurde das Freibad1995 geschlossen. Schade – und wo lernt man heute nochdas Schwimmen und nutzt warmes Wetter zum Schwimmenund zur körperlichen Ertüchtigung?Was man aber noch erwähnen muss, sind die Über-schwemmungen und ihre teilweise erheblichen Probleme,die sie verursachten, die auch mehrfach auftraten - und an

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die ich mich persönlich nicht erinnern kann, denn ich wohntedamals schon nicht mehr in Lunzenau. Ich war dabei auf dieInformationen der Eltern und Lunzenauer Freunde angewie-sen und der Eindruck war jeweils erschreckend für mich. Ichkann mich aber auf die Darstellungen verlassen, die vonLunzenauer Freunden über diese Ereignisse festgehaltenwurden. Ähnliche Katastrophen sind wohl nur in den Jahren1694 und 1858 in Lunzenau zu verzeichnen gewesen. Diegeradezu gigantischen Niederschläge in den Tagen vom1.7. bis 11.7. 1954 - der Schwerpunkt lag zwischen dem 9.7. bis 11.7.1954 - wurden durch eine Regenmenge von ca.200 Liter pro qm Erdoberfläche verursacht. Das Foto vonden Folgen lässt deutlich erkennen, wie problematisch dieSituation gewesen ist, aber auch wie sich die Einwohner inden betroffen Ortsteilen sachkundig und einsatzbereit zeig-ten. In den mir vorliegenden Unterlagen wird sehr deutlichauf die Unterstützung der Helfer eingegangen und speziellauch wer wie viel Kaffee gespendet hat, und das in diesenJahren, in denen Kaffee in der DDR nicht so reichlich verfüg-bar war. Mir fiel dabei eine der sächsischen Basisweisheitenein, die feststellte, dass „ohne Kaffee kee Saggse kämfenkann!“Ich erinnere mich weiter noch an eine Information, dass einleitender Ingenieur in der Firma Stern Radio Rochlitz beauf-tragt wurde, die zeitweilige Demontage der Motoren anWerkzeugmaschinen durchführen zu lassen, sonst wäre derSchaden wohl nur sehr schwer zu reparieren gewesen. Abergenerell war in allen gefährlichen Situationen auch mit dergroßartigen Einsatz- und Leistungsbereitschaft aller Mitar-beiter und Einwohner zu rechnen.Es gab weitere Hochwasser im August 2002 und Juni 2013,aber im wesentlichen konnten alle schwierigen Problemedurch die gut ausgebildeten Ortsfeuerwehren bewältigtwerden, die sich überall großartig bewährten.

In Lunzenau waren vor allem die Papierfabrik und die Gast-stätte „Zum Prellbock“ am schlimmsten betroffen, wobeiman aber beruhigend feststellen kann, dass es zu keiner„Biernotsituation“ kam!

Ich erinnere mich immer sehr gern an die Touren zu Fuß odermit dem Fahrrad an der Zwickauer Mulde und den Gemein-den, die unmittelbar in der Nachbarschaft liegen. Ich bedanke mich wieder sehr bei der verdienten Ortschro-nistin Frau Karin Mehner, die mir eine ganze Menge vonInformationen, von vorhandenen Schriftstücken und Fotoszur Verfügung stellte und natürlich auch bei den LunzenauerEinwohnern, die derartige Schriftstücke mit der notwendi-gen historischen Genauigkeit verfassten.

Und zum Schluss fällt mir ein Liedtext ein, den ich immer mitVergnügen und sehr laut mitgesungen habe:…Drum grüße ich dich viel tausendmal, mein herrlichschönes Muldental…

Impressum:

Herausgeber: verantwortlich für den In-

halt Stadt Lunzenau, Bürgermeister Ronny

Hofmann

Gesamtherstellung, Anzeigeneinkauf und

Vertrieb: Riedel Verlag & Druck KG, Gott-

fried-Schenker-Straße 1 09244 Lichtenau/

OT Ottendorf, Telefon: 037208/ 876100,

E-Mail: [email protected], Verantwortli-

cher: Reinhard Riedel

Es gilt die Anzeigenpreisliste 2016.

Erscheinungsweise: Das Heimalblatt er -

scheint jährlich, kostenlos in allen frei -

gängigen Haushalten in Lunzenau mit einge-

meindeten Ortsteilen. Postkarte: Sammlung Saupe

Das Heimatblatt auch im Internet: www.lunzenau.de

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Blau und Weiß, wie lieb ich dich von Gerhard Sittner

So beginnt das Vereinslied von Schalke 04. Seit meinerKindheit bin ich Anhänger (heutzutage „Fan“) diesesFußballclubs. Schuld daran war mein Onkel Wilhelm. Alsgebürtiger Westfale infizierte er mich mit dem Schalkevirus.Eines Tages, es war 1937 oder 1938, überraschte er michmit der Nachricht „Schalke kommt nach Chemnitz und spieltgegen den Polizeisportverein. Ich fahre zum Spiel. Wenndeine Eltern es erlauben und du es willst, nehme ich dichmit.“ Und ob ich wollte! Mein Vater hatte nichts dagegen.Auf der Zugfahrt nach Chemnitz gab mir mein Onkel strikteVerhaltensmaßregeln: „Auf dem Weg zum Fußballplatzbleibst du immer an meiner Seite, damit wir uns im Gedrän-ge nicht verlieren. Das gilt auch nach dem Spiel auf demWeg zum Bahnhof. Und nach dem Spiel rennst du nicht aufden Platz, sondern bleibst an meiner Seite.“ Wir warenrechtzeitig da und ergatterten Stehplätze auf den unterstenRängen inmitten von Anhängern des PolizeisportvereinsChemnitz. Das hinderte uns nicht daran, eifrig Schalke anzu-feuern und bei jedem Tor zu jubeln. Mir verzieh man, abermein Onkel Wilhelm wurde wüst beschimpft und einer, derhinter ihm stand, zog meinem Onkel den Hut über die Ohren.Früher gingen die Männer mit Hut auf den Fußballplatz.Schauen Sie sich einmal Fotos aus den dreißiger Jahren an.Zurück zum Spiel. Es endete 4 : 1 für Schalke. Nach demSchlusspfiff hatte ich alle Ratschläge meines Onkels verges-sen, rannte auf den Platz und versuchte, in die Nähe meiner

Idole zu kommen: Szepan, Kuzorra, Urban, Gellesch undwie sie alle hießen. Als sich mein Onkel nach mir umsah,war ich schon in der Menge verschwunden. „Der kann nur inRichtung der Schalker Spieler gerannt sein“, durchzuckte esihn. Nach einer Weile bangen Suchens hatte er michentdeckt. Er kam auf mich zu und gab mir als Erstes eineBackpfeife. Dann merkte ich, wie sehr er beruhigt war, dasser mich endlich gefunden hatte. „Schalke hat gewonnen.Das müssen wir feiern“ sagte er aufgeräumt. Wir gingen inein Restaurant und er bestellte, ich kann mich noch gutdaran erinnern, als wenn es gestern gewesen wäre, eine„Schwedenplatte“.Viele Jahrzehnte später saß ich bei einem Spiel VfB Stuttgart– Schalke 04 im Neckarstadion inmitten einer Gruppe Schal-keanhänger. Wir kamen ins Gespräch und ich erzählte meinErlebnis mit Schalke aus meiner Kindheit. Da zog einer einFoto aus seiner Brieftasche und zeigte es mir. Ich sah einBirkenkreuz, an dem ein Stahlhelm hing. Auf einem Schildkonnte man den Namen erkennen und den Tag, an dem ergefallen war. „Das ist das Grab meines Cousins. Urban warmein Cousin.“Die Jahre sind vergangen und ich habe nach einem Flirt mitdem VfB Stuttgart auf Schalke zurückgefunden. Jetzt heißtes für mich: Wenn ich auch roste und verkalke, ich steheimmer noch auf Schalke.

Der Industrie und Gewerbestandort HohenkirchenAls Hohenkirchen noch eigenständig war.Recherchiert und nieder geschrieben von W. Nitzsche

passieren der Brücke. Auf der linken Seite befand sich dieTankstelle von Otto`s Max. Herr Otto war außerdem einanerkannter Sanitäter mit einem dafür entsprechendenAuto. In dem Hof von Otto`s befand sich auch eine Wäsche-mangel. Diese wurde von vielen Hausfrauen gern inAnspruch genommen. Übrigens Tankplatz, das war für unsdamals ein Begriff und genau so wie auch heute der Treff-punkt der Jugend.

Einleitend etwas über diesem Beitrag. Entstanden ist dieseIdee während eines Essens in der „Börse“. Übrigens in derGaststätte „Zur Börse“ kann man gut speisen. Ich habe damit einer guten Bekannten und Klassenkameradin über dasHeimatblatt gesprochen. Gudrun hatte ebenfalls schoneinen sehr interessanten Beitrag geschrieben. Sie wolltewiederrum schreiben und über das Gewerbe in und umLunzenau berichten. Ich hatte mit ihr abgesprochen, da ichsympolisch in Hohenkirchen noch einen Koffer stehen habe,von da zu schreiben. Wir sind überein gekommen das ich abder Muldenbrücke über Hohenkirchen berichten werde. Dashabe ich hiermit versucht. Beginnen wir mit einer Wanderung durch das alte Hohen-kirchen. Die Gemeinde bestand aus zwei Ortsteilen. Daswaren Hohenkirchen bei Lunzenau und Oberhohenkirchen.Nachdem wir von Lunzenau kommend die Muldenbrückeüberquert haben, begrüßt uns das einstige Ortseingangs-schild.

Die Gemeinde als selbigewar als Industrie und Gewer-bestandort der Arbeitgeberfür viele Arbeitnehmer vonnah und fern. Aber beginnenwir unseren Bummel durchdie Gemeinde nach dem

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In dem nächsten Haus war das alte Gemeindeamt unter-gebracht. Bürgermeister war damals nach dem Krieg nochHerr Arnold mit seinem Gemeindediener den Menden Willy. Spazieren wir auf dieser Seite weiter kommt eingroßes Reihenhaus. Hier war die Fleischerei Krasselt. Krasselt`s Max war sehr berühmt für seine in eigenerSchlachtung hergestellten Fleisch und Wurstwaren. Dannkamen Sparschuh`s. Bekannt durch seine weißen Zie-gen, welche wir als Kinder an dem Bahndamm hüten durf-ten. Herr Sparschuh war bei der Reichsbahn in Brot undLohn und hatte das Privileg diese Wiesen zu nutzen. Als letz-tes in der Reihe war die Bäckerei Kleeberg. Die wurdeverwaltet von einer Familie Petzold. Diese Bäckerei war einPachtbetrieb und hat in ihrem Bestand viele Pächter erlebt.Genannt seien nur die Familien Hertel, Nitzsche und Wiegner.

Nach dem feustelschen Anwesen stand eine kleine Villa, welche von einer sehr noblen Familie mit NamenKupfer bewohnt wurde. Dann kam das Gasthaus mit Biergarten. Der „Krug zum grünen Kranz“, bewirtschaf-tet von Löbel`s. Löbel Marie, die Mutter mit ihren TöchternAnna und Lina, beide unverheiratet. In diesem Biergar-ten entstand auch das Viergenerationenbild von unsererFamilie.

Der große Arbeitgeber zu jener Zeit, die Strumpffabrik Lin -demuth, hatte den Stellenwert 1. Dann folgte die Ziegeleivon Fritz Bergmann vormals Breitstein, die HolzschleifereiKübler, die Sandwerke Finsterbusch und der BaumeisterSeidel.

Setzen wir die Wanderung in Richtung der damaligenCossener Straße weiter fort. Nach der Strumpffabrik und derPuppenmanufaktur Landgraf, welche da eingemietet warund Mathesen`s Gut erreichen wir die Gärtnerei Böhme.Übrigens Gärtnereien gab es noch weitere. Oberhalb desBahnhofes war die Gärtnerei von Heinz Haneck. An derBertelsdorfer Straße hatte die Gärtnerei Mende aus Lunzen-au eine weitere Anbaufläche mit Verkauf. An dem weiterenStraßenverlauf nach dem Bahnübergang war von hohenBaümen gesäumt die Küblersche Villa. Herr Kübler gingtäglich mit einem Kaffeekrug in der Hand über seinen Privat-weg nach der Fabrik. Die stand gegenüber der Mulde undwar eine Holzschleiferei.

Nachdem wir Finsterbusch`s Villa erreicht haben, ist dieGemeinde Hohenkirchen in Richtung Cossen zu Ende undunser Weg führt wieder talwärts. Vorbei an dem Anwesenvon Schneidermeister Kaiser und dem Baumeister Seidelerreichen wir die Ziegelei von Bergmann`s. Die lassen wirlinks liegen und biegen in die jetzige Wiesenstraße ein.Vorbei an dem Ringofen kommen wir in den Blinddarm. Aberkeine Angst, denn das ist vielleicht auch heute noch einBegriff für die Schmucke Siedlung, welche wir hinter unslassen und Oberhohenkirchen erreichen. Mit Kirche, Schuleund Gasthof mit Saal sowie einigen Bauerngütern und einerSchmiede war dieser Flecken für die Gemeinde ökonomischsehr wertvoll. Drei Jahre habe ich hier die Schule besucht.Lehrer wie Herr Grünert als Direktor, Herr Kunert, Herr Luft,Herr Meister und Herr Scheibe sowie die Lehrerinnen FrauHeise und Frl. Bogner haben uns das Rüstzeug für die

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Lunzenauer Schule gegeben. 1950 wurde diese Einrichtunggeschlossen.

In der Kirche bin ich von den beliebten Pfarrer, Herr Flei-scher, konfirmiert worden. An Altlehrer Jänichen`s Anwesenvorbei gehen wir wieder zu Tal. Vorüber an den Resten einer

Reithalle und der Scheune von Dachdecker Hermsdorfqueren wir den Bahnübergang und erreichen bald wieder dieMuldenbrücke. Hier hatte ich meine Wanderung in dieVergangenheit auf der linken Seite begonnen. Nun ist dierechte Seite dran. Unmittelbar nach der Brücke betriebendie Familie Walter Arnold ein Lebensmittelgeschäft. Ansch-ließend war der Schuhmacher mit dem passenden NamenSchuhknecht präsent. Die Straße weiter kommen wir zudem Dachdecker Hermsdorf. In seinem Vorgarten standenwunderschöne Modelle seiner Dachdeckerkunst, einge-rahmt von vielen Hortensien. Das folgende Reihenhaus wardas Domizil von Malermeister Alfred Börner. Weiterhinkommt das neue Gemeindeamt mit Standesamt und einerLeihbücherei. Der letzte Bürgermeister vor der Fusion mitLunzenau war Herr Kapell. Der große Konsum am Ende derZeile war ein Novum. Zwei Etagen waren zu dem Einkaufvorhanden. Herr Ladegast, als Leiter dieser Einrichtung, warder Herr über Lebensmittel, Schuhe und Textilien. Über dieStraße welche nach Bertelsdorf führt, lassen wir die großeVilla einer bestimmten Dynastie rechts liegen und wandernzu dem Bahnhof. Der Bahnhof an der Muldentalbahn,eigentlich auf Hohenkirchener Flur, wurde schon immer alsBahnhof Lunzenau bezeichnet und war ein großes Unter-nehmen der Reichsbahn. Viele Eisenbahner waren hier alsArbeitnehmer in Brot und Lohn. Es war ein reger Umschlagvon Gütern wie Papier, Getreide und Zuckerrüben zuverzeichnen. Interessant war auch, das der Bahnhof eineGaststätte, bewirtschaftet von einer Familie Hagenest,hatte. Der letzte Gastwirt war Herr Rudolph mit seinerGattin. Damit geht meine Wanderung durch die einstigeGemeinde Hohenkirchen hiermit zu Ende.

Abschließend noch ein paar Zeilen. Ich habe berichtet wieich alles selbst erlebt habe. Die Generation 70 plus und älterwird sich bestimmt an dieses und jenes noch erinnern undein wenig schmunzeln. Aber die es selbst noch erlebt haben,werden es mir bestätigen : Ja so war es. Wollen wir dieseZeit gut in Erinnerung behalten, denn sie kommt nie wieder.Viele werden sagen, Gott sei Dank das es vorüber ist. Aberfür uns, die wir in dieser Zeit groß geworden sind, ist es einedie man nicht vergisst. Sollte ich bei meiner Wanderungdurch Hohenkirchen etwas übersehen haben, so verzeihtmir bitte und damit schließe ich für dieses Mal.

Werner Nitzsche

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Ein „Rheinischer Fasching“ an der Zwickauer Muldevon Karin Scheubner

Immer zur Faschingszeit gehen meine Gedanken zurück insJahr 1956.Es gab in Lunzenau einen Unternehmer, Herrn Fritz Hage,der stammte aus dem Rheinland und hatte sich nach demKrieg mit einer kleinen Firma in Lunzenau niedergelassen.Es wird ja behauptet, dass man im Rheinland mit einembestimmten Gen geboren wird, welches immer in derFaschingszeit auflebt. Es war damals 1956 ein gewagtes Unterfangen von HerrnHage die Lunzenauer Einwohner, Betriebe und Stadtväterfür einen „Rheinischen Fasching“ in Lunzenau zu begei-stern. Es bedeutete ja ein Aufkommen an gewissen Mittel, die indiesen Jahren bestimmt für viele andere Dinge notwendigerwaren.Aber vielleicht waren es gerade die Jahre des Verzichtens,dass sich die Stadtväter, Einwohner und Betriebe für dieseIdee begeisterten und auch umsetzten.

Und so wurde Lunzenau an einem Tag zum Rheinland.

Die Umsetzung bedeutete Wahl eines Faschingsprinzen (die Wahl fiel auf Herrn Hage)Wahl einer Faschingsprinzessin (die Wahl fiel auf eine Hilde-gard Helmer)Gefolgschaft (teilweise mit Pferd)

Insbesondere die Produktivität der Firma Hage bestand inder Vorbereitungsphase fast nur aus Arbeiten, die mit demFasching zu tun hatten. Es wurde ein kleiner Lieferwagen zueinem Schiff umgebaut, von wo aus Prinz und Prinzessinihre Huldigungen beim Umzug durch die gesamte Stadttätigten.

Geschäftsleute und stadtbekannte Persönlichkeiten wurdenverhaftet und im Saal des Kulturhauses in einen großenKäfig eingesperrt. Herr Walter Kröbel fungierte als Richterund legte die Auslösesumme je nach Bekanntheitsgrad fest.Vielleicht konnte man so erkennen, wer den Lunzenauernlieb und teuer war.

Mitten im Unterricht wurden auch Lehrer verhaftet undeingesperrt. Wir Kinder bekamen schulfrei.

Die ganze Stadt war auf den Beinen.

Der Fotograf Lempe hatte alle Hände voll zu tun, dieseEreignisse in Bildern festzuhalten. Diese wurden dannspäter in einem Schaukasten vor seinem Geschäft ausge-stellt und manches Bild zeugte von einer wörtlich genomme-nen„ Kussfreiheit“. Diese Bilder wurden von uns Kinderndamals besonders lange betrachtet. Leider war für unsKinder ab einer bestimmten Uhrzeit dieser Faschingstag zuEnde .Die Erwachsenen haben aber noch lange das närri-sche Treiben genossen.

Wenn die Faschingszeit wieder ran war, auch viele Jahredanach, war dieser „Rheinische Fasching“ immer wiederGesprächsstoff -- weißt Du noch …….kannst du dich noch erinnern ………

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Lunzenauer Gaststätten damalsvon Gerhard Sittner

Die Postkarte des Gasthauses "Zur Linde" lässt die Kindheitwieder aufleben. Die Tür rechts war der Eingang zum Ladenvon Zschagen (oder Zschachen?), Frieda. Dort holte ich mirhin und wieder Bonbons oder eine Lakritzrolle, wenn ich amFreitag 5 Pfennig "Taschengeld" vom Papa oder von derMama bekommen hatte.

Mein Vater war kein Kneipengänger, aber gelegentlich hatteer sonntags Appetit auf ein Glas Bier zum Mittagessen.

Dann schickte er mich mit einem Bierglas, das einen Deckelhatte, in die Linde, Zeißler, Willy schenkte ein und ich trugdas Glas vorsichtig nach Hause. Die junge Linde auf derPostkarte war zu meiner Lindheit bereits zu einem stattli-chen Baum herangewachsen. Gegenüber der "Linde" warein Platz mit zwei Bänken und einem Gasbehälter. Dortspielten wir Haschen oder versuchten beim Murmelspiel,den anderen die Kugeln abzuluchsen. Fußball spielten wirauf der Altenburger Straße vor dem Gasthaus und demKern'schenHaus.

Autos störten uns nicht, und wenn doch mal eins kam,unterbrachen wir das Spiel. Danach ging's ungestört weiter.Das war damals noch möglich.

- Erinnerungen -von Inge Milkau

Ida Schmittat

Weidenfeld/ Kreis Schloßberg

Ostpreußen

Es war Krieg, die Angst war unser täglicher Begleiter. Am 4.August 1944 kam gegen 4 Uhr morgens der Befehl zurFlucht. Unser Papa und der große Bruder waren im Krieg.Selten kam ein Brief. Die Mama war verzweifelt, nun alles zuverlassen, was sie sich gemeinsam geschaffen hatten. Mitder Großmutter packte sie das Nötigste ein und verlud esauf den Handwagen. So liefen wir mit dem Gedanken „Na ja,wir Kinder von 7 bis 16 Jahren, die liebe Mama und dieGroßmutter kommen ja wieder heim“ ca. 30 km bis spät indie Nacht und kamen entkräftet in Sassenbach an. EineUnterkunft fanden wir in einer Scheune mit Heu und Stroh,Wasser gab es auf dem Hof. Schule hatten wir nun keinemehr. Wir Kinder fanden es nicht schlimm. Den Sinn begrif-fen wir erst später. Mutter machte aus der großen Wieseeine Ersatzkochstelle, wo sie das Essen zubereitete. DasVieh schaute dabei zu. Nach 6 Wochen bekamen wir denBefehl, mit den bereitgestellten Pferdewagen his Barten-stein zu flüchten, weil die Front immer näher rückte. Dortbekamen wir für 8 Tage ein Zimmer. Für Wasser, Essen undTrinken wurde gesorgt, was viele andere nicht hatten. Weiterging es mit dem Zug nach Friedland auf das SchlossDomnau, wo wir für kurze Zeit Unterkunft bekamen. Am

2. November 1944 fuhren wir mit dem Zug in Richtung Sach-sen. In Penig hieß es Aussteigen, und wir bekamen für 3Tage in der Schule Unterkunft. Danach liefen wir mit unse-rem Gepäck nach Niederelsdorf zum Gasthof Dähne. Dortwurde uns mitgeteilt, dass eine Notunterkunft in der Schulebereit steht. Das große Schulzimmer wurde durch eineTrennwand geteilt, so dass wir 9 Personen unter uns waren.Am 16. Januar 1945 ein furchtbares Ereignis: Ein Flugzeughatte seine Bombenlast über Elsdorf abgeworfen. Nicht weitweg von der Schule wurde ein Bauerngut getroffen wievieles mehr. Zum Glück waren keine Menschenleben betrof-fen. Unsere Gedanken waren: „Nun verlieren wir hier auchnoch unser Leben!“ Aber wir hatten Glück. Nach einigenWochen bekamen wir von der Gemeinde eine eigeneWohnung mit mehr Platz für uns 9 Personen im Brauereige-bäude in Niederelsdorf. Wir sind immer gut behandeltworden. Unsere Heimat in Ostpreußen habe ich nie wiedergesehen. Seit 1. Juni 1945 sind wir im Standesamt Lunzen-au eingetragen und leben seitdem in Lunzenau. MeineHeimat ist und bleibt Ostpreußen.

Recherchiert am 16.01. 2008 von Inge Milkau

Anmerkung der Redaktion: Frau Ida Hofmann geb. Schmittatwar eine langjährige Leserin und Unterstützerin unseresHeimatblattes. Sie verstarb nach schwerer Krankheit am08.Oktober 2017 in Chemnitz.

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Tafel-Lied zum 30jährigen Jubiläum des „Vereins junger Landwirt“ zu Niederelsdorf– am 22. April 1922 –

Motto: „Wem dieses Liedchen nicht gefällt,Die Tochter unserer Muße,

Dem räumen gerne wir das Feld:Das nächste Mal machst du se!“

Melodie: Der Papst lebt herrlich in der Welt!

1 Was in der Gruppe ist das Salz,Was in dem Kuchen ist das Schmalz,Das ist ein Lied, gewürzt mit Scherz,Erhöht die Luft, - erfreut das Herz!

2 Mensch, ärgr e dich mal nicht so sehr,Geht s über Deine Haut jetzt her,Wer frohen Sinnes dazu lacht,

Sich selbst „sein Bündel“ leichter macht!

3 Mit Würde dem Verein voranGeht Herbert, s ist der rechte Mann. (Lüpfert)

Er hält an unserm Bunde fest:Für ihn sein ganze Kraft einsetzt.

4 Herr Pohlers Kurt hat stets zu schreib nDie Protokolls für den Verein.

Oft klagt er: „…ach, lasst mich in Ruh -Ich bin nun schon – zu alt dazu!“

5 Die Kasse kam in gute Hand,Gewissenhaft, wie uns bekannt,

Führt sie Hans Jänisch, dabei mitBürgt er noch dem Verein Kredit.

6 Gar ängstlich sich der Damenwelt Der Kästner Paul entgegenstellt, -

Sagt man: „Paul, heute klappts bei Dir!“Spricht er: „Ich fürcht mich so - vor Ihr?!“

7 Herr Schröder liebt den Taubensport,Schwarzschilder, Gletscher und so fort.

Auch untersucht er sie genau,Ob echt in Farb und Körperbau.

8 Schok lade isst Fritzsch Ehrhard gern,Doch nur allein – den andern fern.

Er sucht ne Frau jetzt, wie man hört,Die ihn nie bei dem Essen stört.

9 Der Fritz ist allen Mädeln gut, FriedemannAuch unerschöpflich ist sein Mut. –

Ist er bei einer „abgeschnappt“,Wird „einer andern“ nachgetrappt.

10 Du hast im Köpfchen noch Rosin n,Siehst an die Welt mit Rosenbrill n. –

Drum, liebe Erna, sei gescheit, FritzscheSchaff einen Mann Dir an beizeit .

11 Vom Spielchen kehrt (vom Nachbar) heimMittags – beim hellen Sonnenschein –

Kurt Rochsburg, sprach: „Der Skat war gut,Mir heut kein Arbeit schmecken tut.“

12 Der Doppelbauer jung und flink, Hbt. NiebelBesonders gern „die Große“ schwingt.

Versteht sich mit der Erna gut, - PfefferkornUnd denkt: „Na, die Partie ist gut.“

13 Einst ging in ObergräfenhainEr selig mit der Wella heim. HeftDer Papa kam - um Mitternacht, -

Er schlich durch s Fensterlein ganz sacht.

14 Der Albert fuhr mal läng re Zeit PfefferkornNach Schönbach nieder auf die Freit .

Im Winter setzte er dann aus,Und blieb bei Muttern – hübsch zu Haus.

15 Der Lange kam einst von der Freit (Erich Lüpfert)Halb fünfe früh, wie feine Leit.

Ums Herz rum war s ihm noch so warm,Drum schlug im Dorfe er Alarm.

16 Du, Liesel, bist so dick und stramm, HendelDrum wagt sich keiner an dich ran.

Fahr drum nach Chemnitz nicht mehr, du,Lass den da oben ihre Ruh .

17 Hallo! Wer ist denn jetzt mal dran,Da sitzt ja noch Fritz Engelmann,

Der uns die schönen Brötchen bäckt;Hoch leb der Semmelarchitekt!

Hoch, hoch, hoch!

18 Gebrüder Fritzsche, mein Gemüt!Wollten kein Vers im Tafellied;

Sie meinten, für sie wärs ne Pein,Sie gingen gleich aus dem Verein!

19 Herr Pfefferkorn liebt junges Blut, ArnoDas wirkt auf seine Nerven gut.

Kommt er zum Ball mal froh beglückt,Wird „so um zehn“ schon abgerückt.

20 Jüngst fuhr Bernhard mit einem Schwein (Friedemann)So recht fidel nach Rochsburg nein;

Während er so an Ilsen dacht WeberHat s Schwein sich hinten rausgemacht.

21 Als er nun das Malheur beschautSchimpft er erst gründlich auf die „Haut“;

Sofort musst es nach Hause gehen,Dort feiern beid das Wiedersehn.

22 Der Ewald liebt die Erna sehr, Riedel – NiebelSie aber liebt ihn noch viel mehr:So ihr es wahr und ehrlich meint,

So nehmt euch hin und seid vereint.

23 Wolln wir mal singen ein „Prosit!“,Da muss natürlich Arthur mit; Pfefferkorn

Denn wenn er singt, da dröhnt der SaalUnd weit schallt es durch Berg und Tal!

24 Wenn Willy auf dem Tanzsaal ist, FriedemannEr dann zu seinem Dorchen spricht: Harzendorf

„Den Walzer durchs Leben zu zwein,Den tanz ich nur mit dir allein.“

25 Riedel Ella, die liebt es gern,Nach Haus zu gehen stets ohne Herrn.Schon manchen, der vor Liebe brannt ,

Drückt sanft – den „Korb“ sie in die Hand.

26 Herr Fischer, Schmiedemeister, istBeplagt, gehetzt, hat nimmer Frist;

Fort muss er jeden Abend fast,Dass er den Anschluss nicht verpasst!

27 Der Arnorlds Walter liebt den Sport,Drum muss er jeden Abend fort;

Oft träumt er dann in seinem Bett,Dass nun die Woch zehn Tage hätt .

28 Zur Kirmes ging der Sturmwind sehrUnd manchen ward der Hut zu schwer;

So dacht auch Erich, fort mit dir! HärtigHerr Hofmann bringt ihn wieder mir.

29 Herr Erich Kästner ist ganz schlau,Nimmt sich ne tücht ge Bauersfrau.

Der Erich kocht den Kaffee dannUnd währenddem spannt Klärchen an. Erler

30 Wenn Hans Auto fährt, hat s die Not, JänischDenn wer nicht weggeht, fährt er tot;Und wer mitfährt und wer ihn kennt,

Der macht zuvor sein Testament.

31 Zwei Junge Dam n von Arnsdorfs FlurNach Lunz nau kam n, der Zug abfuhr,Wollten zum Jahrmarkt, frisch und frei;

Nee, so ne große Luderei.

32 Der Max aus Obergräfenhain LiebingFührt nun sein Elschen auch bald heim;

Die Verlobung verlief ganz nett:„Wir feierns nachher am Büfet!“

33 Gar herzlos, lieblos, insgesamtVon Gott Amor ewig verdammt,

Wenig bekränzt mit Ehr und Ruhm:Das ist das Junggesellentum.

34 Doch jetzt spricht Kehl und Magen: „Halt!“Uns wird ja sonst der Braten kalt.

Nein, nein, der Spaß wird doch zu toll,Wenn man noch mehr erzählen soll.

35 Drum nehmen wir das Glas zur Hand,Gefüllt hinauf bis an den Rand:Hoch lebe darum der Verein!

Wie heut, soll s viele Jahre sein!Hoch! Hoch! Hoch!

Frank Lüpfert hat im Nachlass seiner Familie gestöbert und uns diese lustigen Verse zur Veröffentlichung übergeben:

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Ein Stadtbummel durch Lunzenau1. Teil im Heimatblatt 2017

Erinnerungen von Frau Gudrun Hantusch an die Gewerbe-treibenden, Geschäfte, Hotels und Restaurants der StadtLunzenau vor ca. 70 Jahren ….

Gewohnt habe ich mit meinen Eltern im Grundstück amMarkt, Haus Nummer 16 und ich beginne meine Aufzählun-gen auch am Markt, gehe die Karl-Marx-Straße, Parkstraße,Neugasse, Peniger Straße, Altenburger Straße (EinmündungSchulstraße), Schulstraße, Rochlitzer Straße bis Am Ringund dann zurück zum Markt.

Markt

- Hotel, Restaurant und Tanzgaststätte „Muldenschlöß -chen“ der Wirtsleute Koch

- Kurzwaren, Wolle und dergleichen von Frau FriedaMatthes (heute Lottogeschäft)

- Hotel „Sächsischer Hof“ der Wirtsleute Alfred undGertrud Müller (heute Kaufmarkt Sacher)Hier konnte man gut essen und im Ballsaal das Tanzbeinschwingen. Von den Fremdenzimmern aus konnte manauf dem Balkon das Markttreiben beobachten.

- Friseurgeschäft Eckhardt und Stein, später Salon Eich-horn, dann Salon Hunger (heute Obst- und Gemüsege-schäft)

- Schuhgeschäft Frau Hentschel- Uhrmacher Czecka - Cafe Hans - Uhrmacher und Fotograf Spreer später Lempe- Bauer Arno Matthes- Schreibwaren und Bürobedarf Jäh

Karl-Marx-Straße

- RathausIm Erdgeschoss befanden sich auf der linken SeiteJuwelier Wieland und auf der rechten Seite die Räumeder Sparkasse.Im zweiten Stock praktizierte Dr. med. Hellmich, danachDr. med. Meyer und Zahnarzt Wagner. Auch Dr. Kühnehatte eine Zeit lang seine Praxis im Rathaus.Im Hinterhaus des Rathauses wohnte u. a. die HebammeFrau Dohle.

- Buchhandel und Schreibwaren Dietze Nachf. Mußdorf- Gaststätte „Zur Börse“, Wirtin Frau Schüßler

- Klempner Illert links- Hut-Schlimpers rechts- Schokoladen-Wunderlichs Nachf. Gertrud Bohne- Textiliengeschäft Bönitz (heute Blumen-Tartsch)- Fleischerei Killig (heute Praxisräume von Frau Dipl. med.

Dänschel)- Zigarren- und Zigarettengeschäft Ackermann

Im hinteren Gebäudeteil wurde das „Heilbad“ eingerich-tet, die heutige Physiotherapie von Frau Kerstin Sachse-Sterlemann.

- Modegeschäft Günter- Schmiede und Hofbeschlag Zschache- Apotheke- Klempner Dietze, Nachf. Erhard Meinig

1. Etage Schneiderin Emma Meister - Obst- Gemüse- und Fischehandlung Marie Hempel

(Gebäude steht nicht mehr)- Papierfabrik Lunzenau

Be- und Entladestelle für Kreide und Transport vongroßen Papierrollen, teils mit Pferden und Wagen, Kutscher Herr Scheubner, und mittels Zugma-schine mit Hänger, Fahrer Herr Saupe.

- Möbelstoffweberei ehem. Vogel (Gebäude stehen nichtmehr)

Parkstraße

- Schneiderin Frau Bock- Gärtnerei Arthur Mende, später GPG „Chrysantheme“

Heute befindet sich hier das italienische Restaurant„Cicchetto“

Neugasse

- Pantoffelfabrikation Edmund Pfefferkorn- Tischlerei Nitzsche- Milchhandlung Frau Richter

In einem Nebengebäude konnte man nasse Wäscheschleudern. Die Schleuder wurde mit Handkurbel in Gang gesetzt.

- Schlosserei LindnerDas große Schaufenster und die Einfahrt befanden sichauf der Seite der Peniger Straße. Heute befindet sich hier ein Parkplatz.

Peniger Straße (aus Richtung Rochsburg kommend)

- Gärtnerei Arnold (rotes Backsteingebäude)- Tischlerei Walter Keppler- Bäckerei Hermsdorf

Später hatte Herr Erth hier seine Schusterwerkstatt.- Spielwaren- und Puppengeschäft Frau Flora Ahnert,

heutiger Platz vor dem „Heimathaus“.Das Gebäude wurde abgerissen.

Altenburger Straße ab Papierfabrik bis EinmündungSchulstraße

linksseitig- Sattler und Tapeziermeister Fritz Herrmann (Geburts-

haus von „Prinz Lieschen“)

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- Klempner Dietrich mit Ladengeschäft Elektro-, Haushalt-und Glaswaren

- Gaststätte „Kiautschau“ später „Erholung“ (Gebäudewurde abgerissen)

- Bäckerei Walter Lippold- Dachdecker Alfred Fischer- Handel mit Gemälden und Kunstgegenständen Herr

Herbert Fischer (selbst Kunstmaler)- Bäckerei Hans Hölig

Vom Hof aus führte eine Fußgängerbrücke über denElsbach zum Kellerberg, wo wir spielten.

- Kolonial- und Süßwaren RätzerHerr Rätzer hatte eine Miniaturdampfmaschine, die eruns manchmal vorführte.

- Fleischerei Mehnert, später Seyferth- Zigarrenfabrikation Oswald Schindler- Dachdecker Müller- Gaststätte „Stadt Altenburg“, später Lebensmittel-

Konsum Emil Zein. In diesem Haus wohnte u. a. dieHebamme Frau Stein.

rechtsseitig- Drogerie Helmbold- Schuhgeschäft Schüßler, später Buchhandlung Gustav

Ruppert- Fleischerei Oswald Vogler- Bauer Arno Sparbert- Friseurgeschäft Günther- Schuhgeschäft Frau Eisert, im Haus war die Werkstatt

von Schuster Päger- Kohlehandel und Fuhrgeschäft Heinig- Gaststätte „Burgkeller“- Kohlehandel Friedrich bzw. Jordan (verfügten über 2

Pferde)- Wäschemangel Richard Zimmer- Milchgeschäft Otto- Herrenfriseur Petzold

Schulstraße

- Fahrradreparatur Erich Weinert, Frau Welsch statteteStuben- und Kinderwagen aus

- Konsum-Lebensmittelgeschäft, danach Möbelgeschäft- Maler Meyer

Rochlitzer Straße (ab Einmündung Schulstraße bis „AmRing“)

- Milchgeschäft Richter- Zigarren Zschämisch- Sattler und Tabezierer Ebert- Bäckerei Mothes, später Herbert Hertel

Am Ring

- Schneidermeister Otto Rebl- Schokoladen- und Süßwarengeschäft Reichenbach,

später Kürschnermeister Heinz Vogel, der zuvor seinHandwerk in der Karl-Marx-Straße betrieb

- Kolonialwarengeschäft Kühn- Bäckerei Schöllhammer- Elektromeister Kurt Degenhardt, später Höhnisch (auch

Verkauf von elektrischen Geräten und Lampen)

- Gaststätte „Goldener Stern“- Herrenfriseur Opitz

Karl-Marx-Straße

- Kürschnermeister Heinz Vogel (später HaushaltwarenOtto)

- Wäschemangel Illert- Damenmode und Hüte Keuche bzw. Dobritz- Bauer Jahn- Schuhgeschäft Frau Löbel, später Blumengeschäft Frau

Freiberg, heute Reisebüro- Elektromeister Wunderlich, auch Verkauf elektrischer

Geräte- Kolonialwarengeschäft Pommrich, später Blumenge-

schäft Dähne- Geschäft Seidel „Deckchen, Gardinen, Plauener Spit-

zen“, Verkäuferin Fräulein Ilse Kuhn- Schreibwarengeschäft Bilz, später Rundfunkreparatur

und Verkauf Herr Rockstroh- Modewaren Theodor Lange- Bäckerei Hans Seidel, später Hertel und Strömsdörfer- Hotel „Zur Sonne“, später HO-Gaststätte „Kulturhaus“

Neben der Gaststätte befanden sich ein großer und einkleiner Saal, eine Kegelbahn, ein Vereinszimmer. Inhaberdes Kinos „Sonnenlichtspiele“ war Herr Spannaus, Film-vorführer war Herr Otto Lorenz, Vater unseres späterenOrtschronistenIn der ersten Etage befand sich der HerrenschneiderHugo Hofmann. Im Erdgeschoss befand sich das Taschengeschäft vonHerrn Fritz Hofmann sowie der Herrenfriseur Eckhardt.Zeitweise har hier auch eine „Wärmestube“ eingerichtet.

Kirchgasse

- Postamt hinter der Kirche- Feuerwehr- Bauer Kurt Scheubner

zurück am Markt

- Fleischerei Roscher, später HO-Fleischerei Panzer,heute Fleischerei Seyferth

- Kolonialwarengeschäft Bruno WeckHier nickte in der Weihnachtszeit im Schaufenster einWeihnachtsmann.

- Blumengeschäft Frau Freiberg, heute Versicherungen- „Hamburger Kaffeelager“, später das 1. HO-Lebensmit-

telgeschäft in Lunzenau, heute Imbiss- Tischlerei Otto Kunze- Arztpraxis Dr. med. Wolfgang Henning, heute Praxis von

Dipl. med. Axel PutzschkeOptiker Heinrich, heute Friseurgeschäft

- Haushaltwaren Freudenberg, vorher Weinstube, heuteVolksbank

- Ofengeschäft Dora Posern- Autoreparaturwerkstatt Willy Uhlig im hinteren Teil des

Grundstückes (Richtung Töpfergasse)

Markt Richtung Muldenbrücke

- Glas- und Haushaltwaren Frau Richter, später Kurzwaren(Konsum), heute Blumengeschäft Böhme

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- Schlosserei Vogel (im Hinterhaus) später ZweigstelleHebebühne Hage

- Zigarettengeschäft Ludwig- Herrenschneider Werner- Bügel-Köhlers (Oberhemden, Gardinen und dgl. wurden

vortrefflich gespannt und gebügelt)- Orthopädischer Schuhmacher und Schuhverkauf Hans

Körner

- Bäckerei Herbert MüllerIm hinteren Teil des Grundstückes wohnten Musiklehrerund Blasorchesterleiter Werner Goldammer (Ehrenbür-ger unserer Stadt) und Lehrer Ludwig.

- Fleischerei Auer, später Sandberg und dann HO-Flei-scherei Matthes

- Maler TrautzschFortsetzung (Teil 2) folgt im Heimatblatt 2018

Alte Pfade, Wege, Steige und Straßen um und durch Burgstädtvon Jürgen Heber

Ein Pfadnetz durchzog das noch damals dünn besiedelteWaldland. Die Pfade dienten möglicherweise dem kom -munikativen Austausch, dem Handel und kriegerischenZwecken. Zum Böhmischen Pfad von Halle nach Böhmen gab es auchandere Abzweigungen, die auch unsere nähere Heimatberührten.

Ein Böhmischer Pfad als Altstraße (nach Eichler/Gräßler/Thieme)

Der Pfad verlief aus Richtung Halle kommend in unsererGegend etwa so: Vom Muldenübergang in Penig (vermutlich zwischenaltem und neuem Schloss) entlang der Zwickauer Mulde,vorbei an der ehemaligen Burg Drachenfels, in Richtungehemaliger Kapelle „Zur elenden Marie“, entlang desunteren Dorfes Chursdorf (so genanntes Kleinchursdorf),weiter in Richtung Burgstädt (damals denkbar auch erstBurkersdorf) bis nach Mittweida.

Dieser Weg führte in östliche Richtung bis nach Mitt weida.Eine genauere Weg beschreibung ist in heutiger Zeit leidernicht mehr möglich. Zur Orientierung dienten oft markanteBäume in der Landschaft, so genannte „Richtungsbäume“. Ob dieser Pfad aus einer Zeitspanne der Besiedlung unse-res Raumes herrührte und folglich die Orte Burkirstorff(Burkersdorf), Gotfirstorff (Göppersdorf) und Hellewigistorff

(Helsdorf) entstanden sind,ist nicht belegt. Ein weiterer wichtiger Han -delsweg führte nahe Burg-städt in Hartmannsdorf vor -bei. Diese alte Handelsstr war einsehr bedeutender Verbin-dungsweg und hatte auchviele Namen. Der Verlauf istmit der heutigen Bundesstraße B 95 jedoch nicht überein-stimmend.

Salzsteig, Salzstraße, Reitzenhainer Straße, Leipzi-ger Straße (Halle – Prag) (nach Eichler/Gräßler/Thieme)

• durch die Furt in Penig zwischen altem und neuem Schloss• am Mühlberg zur Reitzenhainer Straße• auf dem Höhenrücken entlang an Tauscha und

Chursdorf vorbei• nach Mühlau• in Hartmannsdorf bei Viertels Teichen vorbei• über den Brausebach in Hartmannsdorf (in der Nähe

Rathaus bzw. Braugut) • vom Vorspanngut zur Steinkuppe in Hartmannsdorf• Richtung Wald Kühnhaide• bis Wittgensdorf (heute oberer Bahnhof)• bis zur Kirche über den Dorfbach• bis in Höhe des ehemaligen Wittgensdorfer Gastho-

fes „Bergschlösschen“ • als Salz- und Buttermilchsteig nach Draisdorf• Kloster Chemnitz

Kartenausschnitt: die Schönburgischen Herrschaften (Hei -matverein Hartmannsdorf)

Kartenausschnitt: „Die Schönburgischen Herrschaften“,Heimatverein Hartmannsdorf

„Deutsche Geschichte“ RolfFriebel

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Als die Bedeutung der StadtChemnitz zunahm, wurdeder Verlauf dieser hochmit-telalterlichen Straße in Rich-tung Chemnitz abgezweigt.Ab dem HartmannsdorferBerg war diese Straße auchals alte Chemnitzer Straßebekannt und diente alsGeleitstraße, und späterwurde sie als Poststraßegenutzt. Im Vorspanngut am

Hartmannsdorfer Berg wurden bei schweren Lastennochmals Pferde vor die Handelswagen gespannt, um densteilen Anstieg zu bewältigen. Durch die starke Benutzung-der Straße wurde auch ein immer weiter getriebener Ausbauerforderlich. Später gab es dann vor jeder Stadt Zollstatio-nen, in denen Chausseegeld nach einer Verordnung ausdem Jahre 1804 eingetrieben wurde.

Eine weitere Straße, die unsere Stadt direkt berührte, warfolgende:

Die Kleine Straße nach Böhmen(nach Eichler/Gräßler/Thieme)

• Östlich von Kohren• über den Heidelberg

bei Obergräfenhain• Schlaisdorf • Muldenübergang in

Lunzenau (Furt bzw.Brücke)

• in der Hohle nachHohenkirchen

• Gückelsberg• Kiefern- oder Quellen-

berg • Feldweg (am Heiersdorfer Block) • Gückelsbergstraße nach Burgstädt • kreuzt die Mohsdorfer Straße • bis zum Teichgebiet am Wettinhain

(Mohsdorfer Straße – Marienberg - Marien- oder Dr.-Robert-Koch-Str. – Zentralschule - Alte Herrenhaider Straße)

• Hänflingsberg• Herrenhaide

bis Wittgensdorf Wasserschänke B 95 Mittelalterliche Salzstraße• ( ......... späterer Weg)

Arthur Beil hat in seinen Aufsätzen folgende alte Straßen undWege beschrieben. Die hier zu sehende Karte ist in dieNapoleonische Zeit einzuordnen, so dass man nur mancheältere Verbindungswege noch entdecken kann, anderewiederum nicht.

Auch Lothar E. Beyer be -schreibt in seinen Aufsätzendie Entstehung und wirt-schaftliche Bedeutung die -ser früheren Straßen.

ehemaliges Zollhaus am Hart mannsdorfer Kreuz, „Ers tesächs. Omnibuslinie“, Reinhold Schubert

Kartenausschnitt aus einem alten Schulatlas, Jürgen Heber

Heimatverein Hartmannsdorf

Sächsische Kirchengalerie

Rochlitz - Chemnitz • Rochlitz• Seelitz • Bernsdorf • Göppersdorf ???? • Wiederau • Diethensdorf • Claußnitz • Nieder Garnsdorf • Nieder Auerswalde • Hilbersdorf Chemnitz

Chemnitz- Taura • Chemnitz • Wittgensdorf • Taura

Chemnitz- Alt Penig • Chemnitz • Hartmannsdorf • Göppersdorf • Burgstädt • Zwischen Heiersdorf

und Mohsdorf • Hohenkirchen • Lunzenau • Arnsdorf• Alt Penig

Chemnitz- Penig • Chemnitz • Hartmannsdorf • Mühlau • Zwischen Tauscha

und Chursdorf • Penig

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VSP Lieblingsbeleg Brief an den Obristen und Oberstallmeister des Churfürsten von Sachsen Herrn Dietrich von Tauben uff Neukirchen

über 2 Regimenter zu Roß, ein Regiment zu Fuß von Albrecht Kästner

Dieser Brief wurde am 20. April des Jahres 1634 in „Penigh“verfasst. Unterschrieben vom Schönburgischen AmtsSchös ser Johann Ferber sowie vom "ganze gemeine Rathdarselbst". Der Brief trägt das Siegel mit der Rose von Penigsowie von Johann Ferber.In den Amtsbüchern der Gesamtregierung von Schönburg 1)

lässt sich nur ein Georg Ferber 1609 bis 1615 nachweisen.Offensichtlich hat man ihn in den Wirren des Krieges nichtoffiziell bestallt. Im Inhalt des Briefes geht es um Erleichterungen vonEinquartierungen. Penig liegt am strategisch wichtigen Mul -deübergang und wurde vielfach von Truppen durchquert.Im gesamten Amt Penig wurden an Kriegsexpensien dergesamten Einwohnerschaft 32.647 Gulden aufgewendet. 7 Häuser, 4 Scheunen und etliche Ställe wurden abge-brannt. Weiterhin wurden 24 wüste Güter und 11 Häuseraufgezählt. 2)

In den Ämtern Rochs-burg, Wechselburg undPenig ist im Jahre 1631keine Woche ohne Con tribution gewesen.Einen Brief der unsheute noch schauernlässt von einem Krieglängst vergessener Zei -ten.

Aus der Lehnsherrschaft Penig 3) traten nachfolgende Herrenvon Schönburg in den Krieg.Hans Heinrich - * 1589 / † 1650 - nahm an der Schlacht inBöh men teil und und ist ohne Schaden nach Prag gekom-men.

Hans Caspar - * 1594 / † 1644 - hat bei der KöniglichenMajestät und Ständen in Böhmen als Kapitän in Kriegsdien-sten gestanden.Christian - * 1598 in Penig / † 1664 - trat 1621 als Fähnrichdem Regiment des Herzogs Franz Albert von Lauenburg bei.August Siegfried - * 1596 in Penig - nahm an der Schlachtbei Podelwitz teil, wurde dabei verwundet und verstarb am7. November 1632.Diese 4 Männer, die für den Kurfürsten Johann Georg I imDienst standen, waren 4 von 9 Enkelsöhnen von Wolf II vonSchönburg, einem der größten Kämpfer für den lutherischenGlauben.

Dietrich von Taube - * 1594 in Maart / † 29. Januar 1639 inDresden 4)

Unter Herzog Johann Georg zu Sachsen wurde er zumOberstleutnant und Reisestallmeister, 1617 zum Oberstall-meister und schließlich zum Oberhofmarschall. Führte einRegiment im Dreißigjährigen Krieg.1637 wurde Dietrich von Taube erster sächsischer Landvogtin der Oberlausitz.Dietrich von Taube war mit Veronika, geb. von Lützelburg,verheiratet. Aus der Ehe gingen ein Sohn und eine Tochterhervor. Er war Besitzer des Wasserschlosses Klaffenbach.1638 wurde Dietrich von Taube in den Reichsfreiherren-stand erhoben.

Quellenangaben:

1) Britta Günther M.A. Bestallungen der Schönburgischen Gesamtregie-rung Glauchau

2) P. Seyfert: "Die Schönburgischen Herrschaften im Dreißgjährigen Krie-ge" in Schönburgische Geschichtsblätter, 1896

3) Genealogie des gräflichen Hauses von Schönburg - Stammbaum STAChemnitz 30600 Amt Rochsburg 54

4) Wikipedia


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