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2 grosse Anstrengungen · (BDL) schreibt in seinem Klimaschutzreport 2018: «Der Anteil der...

Date post: 20-Aug-2020
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F ür viele Menschen ist im Vergleich zu früher das Fliegen er- schwinglich geworden. Sie nutzen den Luftverkehr für die Ar- beit, die Freizeit und für die Weiterbildung. Und die Luftfahrt ermöglicht Zugang zu Märkten, schafft Arbeitsplätze und fördert den Tourismus. Immer mehr Menschen weltweit reisen deshalb im Flug- zeug. Die globale Nachfrage nach Flugreisen nimmt konstant zu. Die Folge: Der Luftverkehr wächst Jahr für Jahr – und wird gemäss Prog- nosen der International Air Transport Association (IATA) weiter wach- sen. Sie prognostiziert eine Verdoppelung des Passagieraufkommens in den nächsten Jahrzehnten und rechnet bis 2037 mit 8,2 Milliarden Flugpassagieren weltweit. Heute sind es 4,1 Milliarden. Allein in China werden sich in den nächsten 20 Jahren rund eine Milliarde neue Passagiere in ein Flugzeug setzen. In Europa, so die IATA, werden es zusätzliche 611 Millionen Passagiere sein – bei einem Total von dereinst 1,9 Milliarden. «Die Luftfahrt wächst – und das bringt der Welt enorme Vorteile», sagt Alexandre de Juniac, General- direktor der IATA. «Eine Verdoppelung der Fluggäste in den nächsten 20 Jahren könnte 100 Millionen Arbeitsplätze weltweit schaffen.» Übeltäter Luftfahrt? Doch das Wachstum hat auch einer Kehrseite: Die Luftfahrt gerät welt- weit unter Druck. Die derzeitigen Diskussionen um den Klimawandel und den Ausstoss von CO2 befeuern Aussagen, wonach der Luftverkehr ein Klimakiller sei. Flugzeuge erzeugen Treibhausgase, Lärm und Luft- schadstoffe. Aus einer Tonne Kerosin entstehen 3,15 Tonnen CO2, ebenso Stickoxide und Wasserdampf. Das Fliegen wird im gleichen Atemzug als vermeintlicher Übeltäter genannt wie etwa Kohle, Fleisch, Methangas, ja Solarstrom. Lässt sich das Fliegen heute noch rechtfer- tigen? Oder müssen sich Passagiere, die in ein Flugzeug einsteigen, schämen, wie Umweltaktivisten den Menschen einreden wollen? 2,69 Prozent Anteil an weltweiten CO2-Emissionen Tatsache ist: Die Luftfahrt arbeitet intensiv und erfolgreich daran, den spezifischen Energiebedarf ihrer Flugzeuge zu senken. Gleichzeitig hat sich die Branche das Ziel gesetzt, nachhaltig erzeugte alternative Kraftstoffe einzusetzen und neue Antriebe zu entwickeln, die den Luft- verkehr zukünftig CO2-neutral fliegen lassen. Darüber hinaus ist ab 2020 die Einführung eines CO2-Kompensationssystems auf internatio- naler Ebene beschlossen. Damit ist die Luftverkehrsbranche weltweit der erste und bislang einzige Industriesektor mit einem eigenen Klima- schutzinstrument. «Der Luftverkehr verbessert seit Jahren weltweit seine Energieeffizienz und damit seine CO2-Bilanz. Immer effizienter durchgeführte Flüge und neue Entwicklungen und Innovationen sorgen dafür, dass die absoluten CO2-Emissionen des Luftverkehrs weniger stark wachsen als die Emissionen anderer Sektoren.» Dies schreibt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft im Klimareport 2018. Luftfahrtbranche unternimmt grosse Anstrengungen Text: Jürg Wyss Luftfahrt und Klimawandel | Energieeffizienz wird laufend verbessert 30 | AeroRevue 6/2019 Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) schreibt in seinem Klimaschutzreport 2018: «Der Anteil der CO2-Emissionen der Luftfahrt am weltweiten CO2-Ausstoss betrug 2015 noch 2,69 Prozent. Im Jahr 2000 waren es 2,92 Prozent. Immer effizientere Flüge sorgen dafür, dass die absoluten CO2-Emissionen des Luftverkehrs weniger stark wachsen als die Emissionen anderer Sektoren.» Was kaum Erwähnung findet: «Der Luftverkehr verbessert seit Jahren weltweit seine Energieeffizienz und damit die CO2-Bilanz. Die Unternehmen und Institutionen des Luftverkehrs arbeiten gemein- sam daran, die negativen Auswirkungen des kommerziellen Fliegens zu minimieren», betont der Klimaschutzreport. ICAO-Generalsekretär Dr. Fang Liu sagte kürzlich, dass die Luftfahrt derzeit mit einer echten Revolution konfrontiert sei. Die Frage sei, was diese Revolution in Be- zug auf das motorisierte Fliegen für die Zivilgesellschaften des 21. Jahrhunderts bedeuten werde. Bis 2050 halbierte CO2-Emissionen Kaum eine andere Branche hat sich laut BDL selbst derart ambitionier- te Ziele gesteckt wie der Luftverkehr. Bereits 2009 haben sich Flugge- sellschaften, Flugzeughersteller, Flugsicherungen und Flughäfen weltweit auf eine Klimaschutzstrategie verständigt. Der Fokus liegt dabei auf der Reduktion von Kohlendioxid. Die Klimaschutzstrategie besagt unter anderem: Die Treibstoffeffizienz wird pro Jahr um 1,5 Prozent gesteigert. Mit der Senkung des spezifischen Energiebedarfs der Flugzeuge wird der Verbrauch von Kerosin und somit der CO2- Ausstoss pro Passagier reduziert. Bisher wird das Ziel Jahr für Jahr erreicht. Ab 2020 soll das Wachstum des Luftverkehrs CO2-neutral er- folgen und bis 2050 sollen gegenüber dem Jahr 2005 die netto-CO2- Emissionen der Luftfahrt halbiert werden. Um langfristig CO2-neutral fliegen zu können, bedarf es indes der Entwicklung neuer Flugzeug- konzepte und -antriebe sowie politischer Unterstützung und Förde- rung, um nachhaltig erzeugte Flugtreibstoffe marktfähig und verfüg- bar zu machen. Investitionen in neue Flugzeuge Laut Klimaschutzreport sorgen technische Innovationen dafür, dass der Treibstoffbedarf mit jeder neuen Flugzeuggeneration um bis zu 25 Prozent sinkt. Am wirkungsvollsten sind also Investitionen in neue Flugzeuge. Das setzt jedoch die Investitionskraft der Fluggesellschaf- ten voraus. Da der weltweite Luftverkehr weiter um etwa 5 Prozent pro Jahr wachsen wird, reicht laut Klimaschutzreport eine Senkung des
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Page 1: 2 grosse Anstrengungen · (BDL) schreibt in seinem Klimaschutzreport 2018: «Der Anteil der CO2-Emissionen der Luftfahrt am weltweiten CO2-Ausstoss betrug 2015 noch 2,69 Prozent.

Für viele Menschen ist im Vergleich zu früher das Fliegen er-schwinglich geworden. Sie nutzen den Luftverkehr für die Ar-beit, die Freizeit und für die Weiterbildung. Und die Luftfahrt

ermöglicht Zugang zu Märkten, schafft Arbeitsplätze und fördert den Tourismus. Immer mehr Menschen weltweit reisen deshalb im Flug-zeug. Die globale Nachfrage nach Flugreisen nimmt konstant zu. Die Folge: Der Luftverkehr wächst Jahr für Jahr – und wird gemäss Prog-nosen der International Air Transport Association (IATA) weiter wach-sen. Sie prognostiziert eine Verdoppelung des Passagieraufkommens in den nächsten Jahrzehnten und rechnet bis 2037 mit 8,2 Milliarden Flugpassagieren weltweit. Heute sind es 4,1 Milliarden.

Allein in China werden sich in den nächsten 20 Jahren rund eine Milliarde neue Passagiere in ein Flugzeug setzen. In Europa, so die IATA, werden es zusätzliche 611 Millionen Passagiere sein – bei einem Total von dereinst 1,9 Milliarden. «Die Luftfahrt wächst – und das bringt der Welt enorme Vorteile», sagt Alexandre de Juniac, General-direktor der IATA. «Eine Verdoppelung der Fluggäste in den nächsten 20 Jahren könnte 100 Millionen Arbeitsplätze weltweit schaffen.»

Übeltäter Luftfahrt?Doch das Wachstum hat auch einer Kehrseite: Die Luftfahrt gerät welt-weit unter Druck. Die derzeitigen Diskussionen um den Klimawandel und den Ausstoss von CO2 befeuern Aussagen, wonach der Luftverkehr ein Klimakiller sei. Flugzeuge erzeugen Treibhausgase, Lärm und Luft-schadstoffe. Aus einer Tonne Kerosin entstehen 3,15 Tonnen CO2, ebenso Stickoxide und Wasserdampf. Das Fliegen wird im gleichen Atemzug als vermeintlicher Übeltäter genannt wie etwa Kohle, Fleisch, Methangas, ja Solarstrom. Lässt sich das Fliegen heute noch rechtfer-tigen? Oder müssen sich Passagiere, die in ein Flugzeug einsteigen, schämen, wie Umweltaktivisten den Menschen einreden wollen?

2,69 Prozent Anteil an weltweiten CO2-EmissionenTatsache ist: Die Luftfahrt arbeitet intensiv und erfolgreich daran, den spezifischen Energiebedarf ihrer Flugzeuge zu senken. Gleichzeitig hat sich die Branche das Ziel gesetzt, nachhaltig erzeugte alternative Kraftstoffe einzusetzen und neue Antriebe zu entwickeln, die den Luft-verkehr zukünftig CO2-neutral fliegen lassen. Darüber hinaus ist ab 2020 die Einführung eines CO2-Kompensationssystems auf internatio-naler Ebene beschlossen. Damit ist die Luftverkehrsbranche weltweit der erste und bislang einzige Industriesektor mit einem eigenen Klima-schutzinstrument.

«Der Luftverkehr verbessert seit Jahren weltweit seine Energieeffizienz und damit seine CO2-Bilanz. Immer effizienter durchgeführte Flüge und neue Entwicklungen und Innovationen sorgen dafür, dass die absoluten CO2-Emissionen des Luftverkehrs weniger stark wachsen als die Emissionen anderer Sektoren.» Dies schreibt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft im Klimareport 2018.

Luftfahrtbranche unternimmt grosse Anstrengungen

Text: Jürg Wyss

Luftfahrt und Klimawandel | Energieeffizienz wird laufend verbessert

30 | AeroRevue 6/2019 AeroRevue 6/2019| 31

Energieeffizienz wird laufend verbessert | Luftfahrt und Klimawandel

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) schreibt in seinem Klimaschutzreport 2018: «Der Anteil der CO2-Emissionen der Luftfahrt am weltweiten CO2-Ausstoss betrug 2015 noch 2,69 Prozent. Im Jahr 2000 waren es 2,92 Prozent. Immer effizientere Flüge sorgen dafür, dass die absoluten CO2-Emissionen des Luftverkehrs weniger stark wachsen als die Emissionen anderer Sektoren.» Was kaum Erwähnung findet: «Der Luftverkehr verbessert seit Jahren weltweit seine Energieeffizienz und damit die CO2-Bilanz. Die Unternehmen und Institutionen des Luftverkehrs arbeiten gemein-sam daran, die negativen Auswirkungen des kommerziellen Fliegens zu minimieren», betont der Klimaschutzreport. ICAO-Generalsekretär Dr. Fang Liu sagte kürzlich, dass die Luftfahrt derzeit mit einer echten Revolution konfrontiert sei. Die Frage sei, was diese Revolution in Be-zug auf das motorisierte Fliegen für die Zivilgesellschaften des 21. Jahrhunderts bedeuten werde.

Bis 2050 halbierte CO2-EmissionenKaum eine andere Branche hat sich laut BDL selbst derart ambitionier-te Ziele gesteckt wie der Luftverkehr. Bereits 2009 haben sich Flugge-sellschaften, Flugzeughersteller, Flugsicherungen und Flughäfen weltweit auf eine Klimaschutzstrategie verständigt. Der Fokus liegt dabei auf der Reduktion von Kohlendioxid. Die Klimaschutzstrategie besagt unter anderem: Die Treibstoffeffizienz wird pro Jahr um 1,5 Prozent gesteigert. Mit der Senkung des spezifischen Energiebedarfs der Flugzeuge wird der Verbrauch von Kerosin und somit der CO2-Ausstoss pro Passagier reduziert. Bisher wird das Ziel Jahr für Jahr erreicht. Ab 2020 soll das Wachstum des Luftverkehrs CO2-neutral er-folgen und bis 2050 sollen gegenüber dem Jahr 2005 die netto-CO2-Emissionen der Luftfahrt halbiert werden. Um langfristig CO2-neutral fliegen zu können, bedarf es indes der Entwicklung neuer Flugzeug-konzepte und -antriebe sowie politischer Unterstützung und Förde-rung, um nachhaltig erzeugte Flugtreibstoffe marktfähig und verfüg-bar zu machen.

Investitionen in neue FlugzeugeLaut Klimaschutzreport sorgen technische Innovationen dafür, dass der Treibstoffbedarf mit jeder neuen Flugzeuggeneration um bis zu 25 Prozent sinkt. Am wirkungsvollsten sind also Investitionen in neue Flugzeuge. Das setzt jedoch die Investitionskraft der Fluggesellschaf-ten voraus. Da der weltweite Luftverkehr weiter um etwa 5 Prozent pro Jahr wachsen wird, reicht laut Klimaschutzreport eine Senkung des

spezifischen Treibstoffverbrauchs nicht aus, um den Anstieg der CO2-Emissionen zu stoppen. Daher wurde auf UN-Ebene bei der Luftfahrt-organisation ICAO das internationale CO2-Kompensationssystem CORSIA beschlossen. Damit wird ab 2020 das wachstumsbedingte CO2 internationaler Flüge durch die Finanzierung von Klimaschutz-projekten kompensiert. Der Klimaschutzreport betont, dass nationale Alleingänge wie die Luftverkehrssteuer einseitige Belastungen schaf-fen und den Wettbewerb zulasten der Fluggesellschaften verzerren – das wiederum reduziert die Investitionskraft und schwächt somit auch Innovationen für mehr Klimaschutz.

Aktive FluggesellschaftenUnited Airlines hat kürzlich mit dem sogenannten «Flight for the Pla-net» den nach eigenen Angaben umweltschonendsten kommerziellen Flug seiner Art in der Geschichte der Luftfahrt durchgeführt und erst-mals mehrere Massnahmen während eines einzelnen Fluges zusam-mengeführt: den Einsatz von Biotreibstoff, Massnahmen zur Vermei-dung von Abfällen während des Fluges, CO2-Kompensationen und optimierte betriebliche Abläufe. Die amerikanische Fluggesellschaft erhebt den Anspruch, sich unter allen weltweit agierenden Airlines am stärksten für den Erhalt der Umwelt einzusetzen.

Auch die Fluggesellschaft Swiss ist sich ihrer Verantwortung ge-genüber der Umwelt und der nächsten Generation bewusst und ver-folgt eine umfassende Umweltstrategie, wie sie auf ihrer Website er-läutert. Seit 2003 hat Swiss ihren spezifischen Treibstoffverbrauch um 29 Prozent gesenkt. Die konsequente Umsetzung der Umweltstrategie, basierend auf einem Massnahmenmix aus Flottenmodernisierung, technologischen Innovationen sowie Verfahrensoptimierung in der Luft und am Boden, hat bei Swiss bereits zu deutlichen Effizienzstei-gerungen geführt: Während sich die Transportleistung (Beförderung von Passagieren und Fracht) von Swiss seit 2003 mehr als verdoppelte (+107 Prozent), hat der Kerosinbedarf im gleichen Zeitraum lediglich um 30 Prozent zugenommen. «Seit 2016 ist Swiss nur noch CO2-neut-ral gewachsen», versichert die Fluggesellschaft.

Der spezifische Treibstoffverbrauch – ausgedrückt in Litern Ke-rosin, die für den Transport eines Passagiers über 100 km verbraucht werden – hat bei Swiss seit 2003 um 29 Prozent abgenommen. Der spezifische Treibstoffverbrauch für den Transport eines Passagiers über 100 Kilometer lag 2018 noch bei 3,11 Litern. Dies entspricht 78 Gramm CO2 pro Passagierkilometer. Zum Vergleich: Bei einem Klein-wagen liegt der CO2-Ausstoss bei etwa 110 g/km, schreibt die Airline weiter.

Swiss investiert zudem Milliarden in neue, effiziente Flugzeug-typen und verfügt über eine der modernsten Flotten in Europa. Die neuen Kurzstreckenflugzeuge des Typs C Series beispielsweise ver-brauchen auf den gleichen Strecken bis zu 25 Prozent weniger Treib-stoff als das Vorgängermodell Avro RJ 100. Zwischen 2019 und 2022 startet Swiss mit der Einflottung der Airbus A320/A321neo und er-setzt damit ältere Airbus A320 und A321. Die moderne Triebwerks-technologie sowie die aerodynamischen Flügelenden (Sharklets) wer-den zu einer Treibstoffreduktion von bis zu 20 Prozent pro Sitzplatzki-lometer führen.

Laut Bundesamt für Zivilluftfahrt haben denn auch insbesondere die Flottenerneuerungen in der Schweiz über die Zeit zu einer starken Abnahme der CO2-Emissionen pro Passagierkilometer geführt. Bemer-kenswert: Alle internationalen Flüge aus der Schweiz haben global einen Anteil von einem Zehntausendstel (0,1 Promille) an den durch Menschen verursachten fossilen CO2-Emissionen.

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Page 2: 2 grosse Anstrengungen · (BDL) schreibt in seinem Klimaschutzreport 2018: «Der Anteil der CO2-Emissionen der Luftfahrt am weltweiten CO2-Ausstoss betrug 2015 noch 2,69 Prozent.

«Der Luftverkehr verbessert seit Jahren weltweit seine Energieeffizienz und damit seine CO2-Bilanz. Immer effizienter durchgeführte Flüge und neue Entwicklungen und Innovationen sorgen dafür, dass die absoluten CO2-Emissionen des Luftverkehrs weniger stark wachsen als die Emissionen anderer Sektoren.» Dies schreibt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft im Klimareport 2018.

Luftfahrtbranche unternimmt grosse Anstrengungen

Luftfahrt und Klimawandel | Energieeffizienz wird laufend verbessert

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Energieeffizienz wird laufend verbessert | Luftfahrt und Klimawandel

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) schreibt in seinem Klimaschutzreport 2018: «Der Anteil der CO2-Emissionen der Luftfahrt am weltweiten CO2-Ausstoss betrug 2015 noch 2,69 Prozent. Im Jahr 2000 waren es 2,92 Prozent. Immer effizientere Flüge sorgen dafür, dass die absoluten CO2-Emissionen des Luftverkehrs weniger stark wachsen als die Emissionen anderer Sektoren.» Was kaum Erwähnung findet: «Der Luftverkehr verbessert seit Jahren weltweit seine Energieeffizienz und damit die CO2-Bilanz. Die Unternehmen und Institutionen des Luftverkehrs arbeiten gemein-sam daran, die negativen Auswirkungen des kommerziellen Fliegens zu minimieren», betont der Klimaschutzreport. ICAO-Generalsekretär Dr. Fang Liu sagte kürzlich, dass die Luftfahrt derzeit mit einer echten Revolution konfrontiert sei. Die Frage sei, was diese Revolution in Be-zug auf das motorisierte Fliegen für die Zivilgesellschaften des 21. Jahrhunderts bedeuten werde.

Bis 2050 halbierte CO2-EmissionenKaum eine andere Branche hat sich laut BDL selbst derart ambitionier-te Ziele gesteckt wie der Luftverkehr. Bereits 2009 haben sich Flugge-sellschaften, Flugzeughersteller, Flugsicherungen und Flughäfen weltweit auf eine Klimaschutzstrategie verständigt. Der Fokus liegt dabei auf der Reduktion von Kohlendioxid. Die Klimaschutzstrategie besagt unter anderem: Die Treibstoffeffizienz wird pro Jahr um 1,5 Prozent gesteigert. Mit der Senkung des spezifischen Energiebedarfs der Flugzeuge wird der Verbrauch von Kerosin und somit der CO2-Ausstoss pro Passagier reduziert. Bisher wird das Ziel Jahr für Jahr erreicht. Ab 2020 soll das Wachstum des Luftverkehrs CO2-neutral er-folgen und bis 2050 sollen gegenüber dem Jahr 2005 die netto-CO2-Emissionen der Luftfahrt halbiert werden. Um langfristig CO2-neutral fliegen zu können, bedarf es indes der Entwicklung neuer Flugzeug-konzepte und -antriebe sowie politischer Unterstützung und Förde-rung, um nachhaltig erzeugte Flugtreibstoffe marktfähig und verfüg-bar zu machen.

Investitionen in neue FlugzeugeLaut Klimaschutzreport sorgen technische Innovationen dafür, dass der Treibstoffbedarf mit jeder neuen Flugzeuggeneration um bis zu 25 Prozent sinkt. Am wirkungsvollsten sind also Investitionen in neue Flugzeuge. Das setzt jedoch die Investitionskraft der Fluggesellschaf-ten voraus. Da der weltweite Luftverkehr weiter um etwa 5 Prozent pro Jahr wachsen wird, reicht laut Klimaschutzreport eine Senkung des

spezifischen Treibstoffverbrauchs nicht aus, um den Anstieg der CO2-Emissionen zu stoppen. Daher wurde auf UN-Ebene bei der Luftfahrt-organisation ICAO das internationale CO2-Kompensationssystem CORSIA beschlossen. Damit wird ab 2020 das wachstumsbedingte CO2 internationaler Flüge durch die Finanzierung von Klimaschutz-projekten kompensiert. Der Klimaschutzreport betont, dass nationale Alleingänge wie die Luftverkehrssteuer einseitige Belastungen schaf-fen und den Wettbewerb zulasten der Fluggesellschaften verzerren – das wiederum reduziert die Investitionskraft und schwächt somit auch Innovationen für mehr Klimaschutz.

Aktive FluggesellschaftenUnited Airlines hat kürzlich mit dem sogenannten «Flight for the Pla-net» den nach eigenen Angaben umweltschonendsten kommerziellen Flug seiner Art in der Geschichte der Luftfahrt durchgeführt und erst-mals mehrere Massnahmen während eines einzelnen Fluges zusam-mengeführt: den Einsatz von Biotreibstoff, Massnahmen zur Vermei-dung von Abfällen während des Fluges, CO2-Kompensationen und optimierte betriebliche Abläufe. Die amerikanische Fluggesellschaft erhebt den Anspruch, sich unter allen weltweit agierenden Airlines am stärksten für den Erhalt der Umwelt einzusetzen.

Auch die Fluggesellschaft Swiss ist sich ihrer Verantwortung ge-genüber der Umwelt und der nächsten Generation bewusst und ver-folgt eine umfassende Umweltstrategie, wie sie auf ihrer Website er-läutert. Seit 2003 hat Swiss ihren spezifischen Treibstoffverbrauch um 29 Prozent gesenkt. Die konsequente Umsetzung der Umweltstrategie, basierend auf einem Massnahmenmix aus Flottenmodernisierung, technologischen Innovationen sowie Verfahrensoptimierung in der Luft und am Boden, hat bei Swiss bereits zu deutlichen Effizienzstei-gerungen geführt: Während sich die Transportleistung (Beförderung von Passagieren und Fracht) von Swiss seit 2003 mehr als verdoppelte (+107 Prozent), hat der Kerosinbedarf im gleichen Zeitraum lediglich um 30 Prozent zugenommen. «Seit 2016 ist Swiss nur noch CO2-neut-ral gewachsen», versichert die Fluggesellschaft.

Der spezifische Treibstoffverbrauch – ausgedrückt in Litern Ke-rosin, die für den Transport eines Passagiers über 100 km verbraucht werden – hat bei Swiss seit 2003 um 29 Prozent abgenommen. Der spezifische Treibstoffverbrauch für den Transport eines Passagiers über 100 Kilometer lag 2018 noch bei 3,11 Litern. Dies entspricht 78 Gramm CO2 pro Passagierkilometer. Zum Vergleich: Bei einem Klein-wagen liegt der CO2-Ausstoss bei etwa 110 g/km, schreibt die Airline weiter.

Swiss investiert zudem Milliarden in neue, effiziente Flugzeug-typen und verfügt über eine der modernsten Flotten in Europa. Die neuen Kurzstreckenflugzeuge des Typs C Series beispielsweise ver-brauchen auf den gleichen Strecken bis zu 25 Prozent weniger Treib-stoff als das Vorgängermodell Avro RJ 100. Zwischen 2019 und 2022 startet Swiss mit der Einflottung der Airbus A320/A321neo und er-setzt damit ältere Airbus A320 und A321. Die moderne Triebwerks-technologie sowie die aerodynamischen Flügelenden (Sharklets) wer-den zu einer Treibstoffreduktion von bis zu 20 Prozent pro Sitzplatzki-lometer führen.

Laut Bundesamt für Zivilluftfahrt haben denn auch insbesondere die Flottenerneuerungen in der Schweiz über die Zeit zu einer starken Abnahme der CO2-Emissionen pro Passagierkilometer geführt. Bemer-kenswert: Alle internationalen Flüge aus der Schweiz haben global einen Anteil von einem Zehntausendstel (0,1 Promille) an den durch Menschen verursachten fossilen CO2-Emissionen.

Forderungen nach Besteuerung der LuftfahrtAllen Anstrengungen zum Trotz: Die Forderung wird auch in der Schweiz immer wieder laut, den Luftverkehr mit zusätzlichen Steuern wie einer Kerosinsteuer, einer CO2-Steuer oder Flugticketabgabe zu belasten. Die Nicht-Besteuerung von Kerosin hat aber Gründe: Inter-national verbindlich vereinbarte Regelungen verbieten es den nationa-len Gesetzgebern, eine Kerosinsteuer auf internationale Flüge zu erhe-ben. Stattdessen sehen diese Regelungen eine Finanzierung des inter-nationalen Luftverkehrs über Gebühren und Entgelte im Rahmen der Nutzerfinanzierung vor.

Eine im Alleingang erhobene Kerosinsteuer würde ausserdem dazu führen, dass Passagiere auf ausländische Fluggesellschaften und deren Drehkreuzflughäfen ausweichen. Dies würde nicht zu einer CO2-Reduktion, sondern nur zu einer CO2-Verlagerung führen. Das wäre klimapolitisch wie wirtschaftlich kontraproduktiv. «National können wir nur relativ wenig bewirken. Deshalb ist die international vernetzte Zusammenarbeit wichtig», sagte BAZL-Sprecher Urs Holder-egger kürzlich gegenüber dem «Beobachter».

Der Steuerbefreiung stehen massive Ausgaben der Unterneh-men an anderer Stelle gegenüber. Hinzu kommen enorme Kosten, die Fluggesellschaften jährlich für die Nutzung der Flughafeninfrastruk-tur, die Flugsicherung und die Luftsicherheitskontrollen zahlen, sowie die Kosten für die Emissionshandelszertifikate und für den Schall-schutz im Flughafenumland.

Wie wird der Luftverkehr finanziert?Luftverkehr und Bahnverkehr funktionieren unterschiedlich. Zum einen ist der grösste Teil des Luftverkehrs grenzüberschreitend, wäh-rend dieser Anteil im Fernverkehr der Bahn gering ist. Zum anderen herrscht im Luftverkehr intensiver Wettbewerb, und dieser findet vor allem innerhalb des Systems Luftverkehr statt. Aus diesen Gründen haben die Gesetzgeber für den Luftverkehr bewusst eine andere Finan-zierung gewählt als für den Bahnverkehr. Während der Luftverkehr nutzerfinanziert ist, wird die Infrastruktur im Schienenverkehr in ers-ter Linie vom Steuerzahler bezahlt. Möchte man den internationalen Luftverkehr über eine Steuer finanzieren, dann müsste dies auf inter-nationaler Ebene erfolgen, hält der Umweltreport des BDL fest.

Welche Instrumente taugen für den Klimaschutz?Würde man im nationalen Alleingang neue Steuern einführen, hätte dies lediglich zur Folge, dass Verkehre verlagert werden. Das gilt ins-besondere für den Umsteigeverkehr zu internationalen Flugzielen. Viele Passagiere würden dann mutmasslich nicht mehr mit der Swiss über den Schweizer Drehkreuzflughafen Zürich fliegen, sondern billi-gere Verbindungen mit ausländischen Unternehmen buchen. CO2-Emissionen würden dadurch nur verschoben, nicht aber reduziert.

Die Klimaschutzstrategie der Luftfahrt setzt laut BDL daher stattdessen auf Innovation und marktbasierte Instrumente. Das lang-fristige Ziel der Luftfahrt ist es, CO2-neutral zu fliegen. Dies kann aber nur gelingen, wenn fossiler Kraftstoff schrittweise durch regenerati-ven synthetischen Kraftstoff ersetzt wird. Unter heutigen Bedingun-gen ist dieser aber drei- bis fünfmal so teuer wie herkömmliches Kero-sin. Damit die Fluggesellschaften den Treibstoff auch tanken können, muss dieser in grossen Mengen hergestellt werden, wofür es einer in-dustriepolitischen Strategie in ganz Europa bedarf.

Oder aber: Eine Fluggesellschaft macht den ersten Schritt, hebt die Preise für Tickets an und setzt wieder auf Marge statt Masse. Es würde der Luftfahrt nur gut tun. ‹

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