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18 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung · 2009. 4. 28. · Kapitel 3 | Die Bildgestaltung 19 Die...

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18 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

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19Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

Die BildgestaltungWie bei allem im Leben ist es auch bei der Fotografie so, dass vor der Kür

die Pflicht kommt. So folgen Porträts bestimmten Formalien, die es Ihnen

leichter machen, sehr gute Aufnahmen zu machen. Deswegen möchte ich

Ihnen in diesem Kapitel noch einmal ein paar Grundlagen ins Gedächtnis

rufen. Gemeinsam schauen wir uns an, wie sich bestimmte Aufnahmepara-

meter insbesondere auf Porträts auswirken und wie Sie so gut vorbereitet

ins nächste Shooting gehen.

Wodurch unterscheidet sich das eine Porträt von dem anderen? Was macht

ein Foto so besonders, dass Sie es sich länger anschauen und fasziniert sind?

Wenn wir einmal von der abgebildeten Person absehen, müssen es andere

Kriterien sein, die den Unterschied ausmachen. Fragen wir uns, welche Aus-

wirkungen die Aufnahmeparameter auf das Gesicht des Menschen haben.

Von der Wahl des Objektivs bis hin zum finalen Format des Bilds tragen viel

kleine Bausteine zum Gelingen eines ausgezeichneten Fotos bei.

Schon kleine Änderungen wie eine andere Brennweite und eine leichte Verän-derung des Aufnahmepunkts verändern das Bildergebnis völlig. Kamera: Nikon D100 mit 80-200 mm f/2.8er Objektiv – Belichtung 1/250 Sek. bei f/2.8 – Brenn-weite links 200. rechts 300 mm – ISO 200. Foto: Carina Meyer-Broicher

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20 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

Von Objektiven und BrennweitenVerschiedene Komponenten Ihres Objektivs sind wichtig für die Gestal-tung eines perfekten Porträts. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Wechselobjektiv an einer digitalen oder analogen Spiegelreflexkamera handelt oder die eingebaute Optik an Ihrer Kompakt- oder Bridge-Kamera.

Wir wollen uns in diesem Kapitel mit der Brennweite des Objektivs befas-sen und anschauen, welchen Einfluss sie auf die Gestaltung Ihres Fotos nimmt. Der Begriff Brennweite (f = „focal length“, aus dem Englischen = Brennweite) definiert den Abstand eines Brennpunkts (F = Fokus) von dem zugeordneten Hauptpunkt (H) auf der Bildebene. Alles klar?

Nein? Mir auch nicht. Aber das Prinzip kennen Sie noch aus Ihren Kinder-tagen: Sicher haben auch Sie als Kind einmal versucht, mittels einer Lupe im Sommer draußen ein Feuer zu machen, indem Sie die Lupe zur Sonne gehalten haben und trockenes Gras oder Papier auf dem Boden damit in Brand gesetzt haben. Der Abstand zwischen Lupe (F) und dem Gras (H) ist die Brennweite (f).

Die BauweiseAnders als die Lupe besteht ein Objektiv nicht nur aus einer Linse, son-dern aus mindestens drei Linsen, die in Linsengruppen angeordnet sind. Diese Linsensysteme bündeln das Licht auf dem Sensor. Je größer die Brennweite eines Objektivs ist, desto länger ist es in der Regel auch. Dies ist bei digitalen Kompaktkameras nicht auf den ersten Blick zu erkennen, deswegen wird die Brennweite immer angegeben.

Allerdings bemühen sich die Hersteller um eine immer kompaktere Bau-weise, auch bei Wechselobjektiven. Diese werden auch bei Zoomobjekti-ven mit langen Brennweiten immer kürzer, leichter und kompakter. Durch bewegliche Linsengruppen in Zoomobjektiven muss das Objektiv nicht mehr verlängert werden, um den Abstand zur Hauptebene zu verändern. Die Linsengruppen innerhalb des Objektivs sind beweglich und verändern so den Brennpunkt.

Der Abstand zwischen der Lupe und dem Papier auf dem Holzbrett ist die Brenn-

weite. Foto: Tino Hemmann

Egal, ob in Objektiven mit Festbrennweite oder Zoom sind die Linsen in Linsengrup-pen angeordnet. Im Querschnitt sehen Sie

ein 50-mm-Objektiv links, ein 105-mm-Makro in der Mitte sowie ein 70-200-mm-

Zoom rechts. Grafik: Nikon

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Kapitel 3 | Die Bildgestaltung 21

Die FunktionDie Brennweite eines Objektivs wird in Millimetern angegeben. Lange Brennweiten zeigen einen kleinen Ausschnitt des Motivs, der groß auf dem Foto abgebildet wird – kurze Brennweiten bilden einen großen Ausschnitt des Motivs ab, wobei die Details dann ziemlich klein sind. Einfach gesagt: Die Brennweite bestimmt, wie nah Sie ein Objekt aufnehmen.

Die Brennweite bei digitalen Kameras wird zum besseren Vergleich des Bildwinkels umgerechnet auf das Kleinbildformat 24 x 36 mm angegeben. Der Bildwinkel ändert sich, wenn sich bei gleicher Brennweite die Größe der lichtempfindlichen Fläche (Sensor) ändert. Für Digitalkameras bedeu-tet dies, dass die Umrechnung der Brennweite auf Kleinbild abhängig von dem verwendeten Sensor ist. Da der Sensor von Digitalkameras bis auf wenige Ausnahmen kleiner ist als ein Kleinbildfilm, ist der Bildwinkel eben-falls kleiner.

Brennweite und Bildwinkel Die gebräuchlichsten Brennweiten für digitale Spiegelreflexkameras mit dem dazugehörigen Bildwinkel umgerechnet auf Kleinbild. Sie können deutlich erkennen, wie sich mit zunehmender Brennweite der Bildwinkel verkleinert. Dies gilt auch für kompakte Zoomkameras ohne Wechsel-objektiv. Foto: Martin Schwabe

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Die Crop-Faktoren der verbreitetesten Sensorgrößen im Verhältnis zum Kleinbildformat

Kompakte Zoomkameras wie hier die Canon PowerShot SX1100 IS bieten Ihnen

einen großen Brennweitenbereich. Für dieses Modell wird eine Brennweite von 6

bis 60 mm angegeben, das entspricht einer Brennweite von 36 bis 360 mm auf Klein-

bild umgerechnet. Foto: Canon

Es hat sich eingebürgert, diesen Effekt als Brennweitenverlängerung zu bezeichnen, was aber nicht richtig ist. Denn nicht die Brennweite verlän-gert sich, sondern der Bildwinkel und damit der Bildausschnitt. Besser ist es, hier vom Brennweiteneffekt oder Formatfaktor zu sprechen. Der englische Begriff für diesen Effekt, Crop-Faktor (aus dem Englischen „crop“ = zuschneiden/beschneiden), trifft es wesentlich genauer, denn das ist es, was durch den im Vergleich zum Kleinbild kleineren Sensor mit dem Foto passiert ist: Da der Ausschnitt kleiner wird, wird das Motiv beschnitten.

Crop-Faktor Sensorgröße Typische Auflösung Sensordiagonale

8,7 1/3,2“ ca. 2–3 Megapixel 5 mm

7,2 1/2,7“ ca. 3–5 Megapixel 6 mm

6,8 1/2,5“ ca. 3–7 Megapixel 6,4 mm

4,9 1/1,8“ ca. 4–10 Megapixel 8,9 mm

4 2/3“ ca. 8 Megapixel 11 mm

2 4/3“ ab 5 Megapixel 21.3 mm

1,6 APS-C ab 6 Megapixel 27,1 mm

1,5 APS-C, DX ab 6 Megapixel 28,3 mm

1,3 APS-H ab 8 Megapixel 34,7 mm

1 Vollformat, FX ab 6 Megapixel 43,3 mm

Festbrennweite oder Zoomobjektiv?Bei digitalen Kompaktkameras stellt sich diese Frage nicht. Fast alle Digi-talkameras sind mit Zoomobjektiven ausgestattet, so dass Sie die Brenn-weite den Bedürfnissen der Aufnahmesituation anpassen können.

Der Vorteil von Zoomobjektiven bei digitalen Spiegelreflexkameras mit Wechselobjektiv liegt in der Flexibilität, die sie Ihnen bieten. Statt dreier Objektive in der Fototasche, zum Beispiel einem Weitwinkel, einem Normalobjektiv und einem Teleobjektiv, spart ein modernes 18-200-mm-Zoomobjektiv viel Platz, Gewicht und auch Kosten. Bei den Abbildungsei-genschaften und der Lichtstärke müssen Sie allerdings Abstriche machen.

Die Einstiegsblende liegt zumeist nicht unter f/3.5. Auch Randabschat-tungen und Verzeichnungen bei Weitwinkel- oder Telestellung sind ein Manko von einigen Zoomobjektiven. Zoomobjektive mit größerer Licht-stärke, zum Beispiel durchgängig, also bei allen Zoomstellungen, f/2.8, und einer Brennweite von 70 oder 80 bis 200 mm sind in der Anschaffung sehr teuer.

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Wie das Beispiel zeigt, eignet sich ein Weit-winkelobjektiv insbesondere nicht für eine Gesichtsaufnahme. Die Verzeichnungen karikieren das Modell und die Aufnahme eignet sich höchstens zum Scherz. Foto: Carina Meyer-Broicher

Weitwinkelobjektive, hier ein Weitwinkel-zoom von Nikon, eignen sich hauptsächlich für Ganzkörperporträts, bei denen viel vom Umfeld des Modells gezeigt werden soll. Foto: Nikon

WeitwinkelobjektiveWie der Name „Weitwinkel“ schon sagt, erweitert sich bei dieser Objektiv-art der Bildwinkel gegenüber der Normalsicht. Das Motiv wird also nicht mehr so abgebildet, wie Sie es natürlich wahrnehmen, sondern der Radius erweitert sich auf zum Beispiel 75° bei 28-mm-Kleinbild. Man bezeichnet Objektive ab einer Brennweite von 35-mm-Kleinbild oder weniger als Weitwinkel. Durch den Crop-Faktor der Digitalkameras würden 35 mm jedoch einem Normalobjektiv entsprechen. Je nach Kamera und Sensor-größe zeigen hier erst Objektive ab 22 mm den gewünschten Weitwinkel-effekt.

Das Weitwinkelobjektiv kommt immer dann zum Einsatz, wenn Ihr Auf-nahmestandpunkt sich durch die örtlichen Gegebenheiten nicht so weit verändern lässt, dass der Abstand zum Motiv mit einem Normalobjektiv den gewünschten Bildausschnitt aufnehmen kann. Dies trifft zum Beispiel häufig bei Fotos in geschlossenen Räumen zu. Wenn Sie eine Aufnahme machen möchten, die den gesamten Raum um ein Modell zeigt, werden Sie nicht genug Platz haben, um den Raum mit einem Normalobjektiv abzubilden, der Bildwinkel wäre dafür zu klein. Aber auch im Freien kann die Begrenzung des Aufnahmestandpunkts es erfordern, ein Objektiv mit einem größeren Bildwinkel zu verwenden.

Bei der Bildgestaltung erzielen Sie mit dem Weitwinkel eine größere räum-liche Tiefenwirkung. Bei Brennweiten unter 24-mm-Kleinbild müssen Sie jedoch auch mit Verzeichnungen rechnen, die sich besonders bei Linien im Raum und beim Porträt auch in den Gesichtszügen bemerkbar machen.

Einen Vorteil bietet der Weitwinkel jedoch bei Fotos mit schwachem Licht: Durch die geringe Brennweite ist die Schärfentiefe bei offener Blende wesentlich größer als bei langen Brennweiten.

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NormalobjektiveUnter einem Normalobjektiv versteht man an einer analogen Spiegelre-flexkamera (Kleinbild) das 50-mm-Objektiv. Der Bildwinkel dieses Objek-tivs entspricht nahezu dem des menschlichen Auges (45°). Sie empfinden also die Bildperspektive als normal, eben so, wie Sie das Motiv auch ohne Kamera sehen.

An der digitalen Spiegelreflexkamera verändert sich aber wegen der im Vergleich zum Kleinbild geringeren Aufnahmefläche (Sensor) der Bild-winkel, es sei denn, Sie haben eine Kamera mit Vollformatchip. Er wird entsprechend dem Crop-Faktor kleiner, ein Normalobjektiv an der DSLR müsste also je nach Kamera und verwendetem Sensor 28 bis 35 mm Brennweite haben (Crop-Faktoren 1,5-1,6).

Normalobjektive werden in großen Serien hergestellt und sind daher auch mit großer Lichtstärke (f/1.8) bei allen Herstellern günstig zu bekommen (um 100 Euro), leicht und vielseitig einsetzbar. Dramatische Perspektiven oder ungewöhnliche Abbildungsmaßstäbe sind damit jedoch nicht mög-lich. Um mit der 50-mm-Festbrennweite trotzdem beeindruckende Fotos zu machen, müssen Sie den Bildausschnitt besonders sorgfältig wählen.

Ein Normalobjektiv an einer DSLR weist selbst bei geringem Aufnahmeabstand

kaum Verzeichnungen auf und bildet das Modell so ab, wie Sie es auch ohne Kamera

wahrnehmen würden. Foto: Carina Meyer-Broicher

Normalobjektive sind klein, leicht und auch mit hoher Lichtstärke erschwinglich. Um damit spektakuläre Aufnahmen zu erzielen, müssen Sie Ihre Fotos sorg fältig gestalten. Foto: Nikon

TeleobjektiveAls Teleobjektiv werden Brennweiten ab 50-mm-Kleinbild, also alle Brenn-weiten, die einen kleineren Bildwinkel als 45° haben, bezeichnet. Teleob-jektive verringern den Bildwinkel und somit den Bildausschnitt. So werden entfernte Objekte formatfüllend abgebildet. Bei der Verwendung von Teleobjektiven kommt Ihnen der Crop-Faktor zugute, so wird aus einem 200-mm-Teleobjektiv an der DSLR je nach Sensorgröße ein 300er Tele. Der Abbildungsmaßstab gegenüber dem Normalobjektiv hängt von der

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Eine lange Brennweite, bei diesem Foto 200 mm (300 mm KB), schmeichelt dem Modell immer. Fältchen und Hautunrein-

heiten werden schon bei der Aufnahme deutlich gemildert.

Foto: Carina Meyer-Broicher

Brennweite ab: So bildet ein 100-mm-Objektiv das Motiv doppelt und ein 200-mm-Objektiv das Motiv viermal so groß wie ein 50-mm-Objektiv ab.

Teleobjektive haben neben dem vergrößerten Abbildungsmaßstab weitere Nebeneffekte: Die Abstände von den abgebildeten Objekten verkürzen sich scheinbar, so, als wenn Sie ohne Kamera parallel zu einem Zaun stehen und an ihm entlangschauen: Die Abstände zwischen den Pfosten werden immer kleiner. Der andere Effekt ist die geringe Schärfentiefe. Beide Mittel eignen sich ausgezeichnet zur Bildge-staltung. So lässt sich ein Porträt, mit langer Brennweite aufgenommen, vor einem unruhi-gen Hintergrund mittels der selektiven Scharf-stellung einfach freistellen.

Teleobjektive mit Zoom sind keine Leichtgewichte und mit großer Lichtstärke auch nicht eben günstig in der Anschaffung. Dennoch sind sie ideal für Nahaufnahmen. Foto: Nikon.

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Beachten Sie, dass neben den empfoh-lenen Entfernungen für eine bestimmte

Brennweite bei einem Porträttyp die Objektive in der Regel auch eine Nah-grenze haben. Unterhalb dieser Nah-

grenze ist das Objektiv nicht in der Lage zu fokussieren. Kompaktkameras

haben ebenso wie Makroobjektive besonders geringe Nahgrenzen.

Bei den meisten Telezoom - objektiven liegt die Nahgrenze jedoch bei 2,50 m oder höher.

Häufig können Sie nicht frei entscheiden, welche Brennweite Sie verwenden möchten. Sie sind oft durch die lokalen Gege-benheiten in der Wahl des Objektivs eingeschränkt. Die Tabelle zeigt Ihnen, welchen Abstand Sie für den jeweiligen Port-rättyp bei welcher Brennweite benötigen.

Brennweite Gesicht Oberkörper Ganzkörper Ganzkörper Ganzkörper Gruppe

Hochformat Hochformat Querformat Hochformat Hochformat

20 mm n/a n/a 1,50 m 1,00 m 1,50 m

35 mm n/a n/a 3,00 m 2,00 m 3,00 m

50 mm 1,00 m 1,50 m 3,00 m 4,00 m 4,00 m

100 mm 2,00 m 3,00 m 6,00 m 8,00 m 8,00 m

150 mm 3,00 m 4,50 m 9,00 m 12,00 m 12,00 m

200 mm 4,00 m 6,00 m 12,00 m 16,00 m 16,00 m

400 mm 6,00 m 8,00 m 21,00 m 24,00 m 32,00 m

Wer die Wahl hat, hat die Qual: Wann welches Objektiv verwenden?Den Satz: „50 mm sind eine gute Porträtbrennweite“, werden Sie auch schon öfter gehört haben. Aber wie Sie wissen, hat ein 50-mm-Objektiv an Ihrer Kamera keine 50 mm, bedingt durch den Crop-Faktor wird der Bild-winkel wahrscheinlich mindestens 75 mm entsprechen. Es sei denn, Ihre Kamera hat einen Vollformat-Chip. Und dann trifft diese alte Regel eher auf formale Brustbilder oder Ganzkörperporträts als auf Nahaufnahmen oder das Gesicht zu.

Es gehört mehr zu einem außergewöhnlichen Porträt, als den Menschen nur abzubilden. Erschwerend für Sie als Fotograf kommt hinzu, dass das Modell, egal, ob aus dem privaten Umfeld, professionelles Modell, männ-lich oder weiblich, natürlich auch gut aussehen möchte – möglichst besser als in Natur.

Deswegen hängt die Wahl der Brennweite neben den möglicherweise räumlichen Verhältnissen auch vom Modell ab. Bis Sie die Routine haben, auf einen Blick zu sehen, welches die beste Brennweite für ein bestimmtes Bild eines bestimmten Menschen ist, sollten Sie verschiedene Objektive beziehungsweise Brennweiten ausprobieren.

Was nun kommt, mag Ihnen etwas mühevoll erscheinen, Sie werden aber sehen, wie schnell so Ihre Porträts den letzten Schliff bekommen:

1. Setzen Sie Ihr Modell auf einen Stuhl und bitten Sie es, möglichst die Körperhaltung nicht zu verändern.

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27Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

So kann das Ergebnis Ihres Brennweiten-Tests aussehen: Das erste Foto wurde mit 27 mm (40 mm Kleinbild) aufgenommen und weist eine leichte Verzeichnung auf. Die Aufnahme mit dem Normalobjektiv (50 mm, 75 mm Kleinbild) wurde aus dem glei-chen Abstand wie das erste Foto aufgenom-

men. Die beiden letzten Bilder entstanden mit einem Telezoom (145 mm > 217 mm Kleinbild und 200 mm > 300 mm Kleinbild) und unterschiedlichem Aufnahmeabstand, um den gleichen Bildausschnitt zu erreichen. Die Entscheidung für die beste Brennweite richtet sich, vorausgesetzt, die räumlichen Gegebenheiten lassen es zu, auch immer nach dem Modell. Fotos: Carina Meyer-Broicher

2. Nehmen Sie ein Zoomobjektiv oder mehrere Objektive mit verschiedenen Brennweiten – einen Weitwinkel, eine Normalbrennweite, ein Tele und eine sehr lange Brennweite.

3. Daneben benötigen Sie Klebeband.

4. Fotografieren Sie auf Augenhöhe mit dem Modell und behalten Sie Blen-de und Belichtungszeit bei.

5. Beginnen Sie mit dem 50-mm-Objektiv, suchen Sie sich einen Aufnahme-standpunkt, von dem aus Sie das Gesicht des Modells formatfüllend im Bild haben, und machen Sie ein Foto.

6. Markieren Sie Ihren Standpunkt auf dem Boden mit Klebeband.

7. Wechseln Sie nun das Objektiv beziehungsweise die Brennweite und verwenden Sie möglichst den gleichen Bildausschnitt mit den anderen Brennweiten.

8. Dazu müssen Sie die Position wechseln, der Weitwinkel erfordert mehr Nähe zum Objekt und das Teleobjektiv einen wesentlich größeren Motivabstand.

9. Versuchen Sie auch mit den anderen Objektiven ein Foto von dem zuvor markierten Standpunkt aus.

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28 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

Bei dieser Aufnahme wurden gleich zwei Gestaltungselemente für räumliche Tiefe angewendet: Der Vordergrund ist ebenso wie der Hintergrund sowohl unscharf als

auch deutlich dunkler als das Hauptmotiv. Foto: Carina Meyer-Broicher

Vergleichen Sie nun die Aufnahmen und achten Sie auf die unterschiedli-che Bildwirkung der verschiedenen Brennweiten. Die meisten Fotos wer-den Ihnen gut erscheinen, andere wieder werden durch die Verzerrung des Objektivs, beim Weitwinkel zum Beispiel, eher lustig wirken.

Eines werden Sie aber schnell erkennen: Bei einem sehr schlanken Gesicht lassen sich mit Weitwinkel- oder Normalobjektiv noch gute Aufnahmen machen, etwas fülligere Gesichter wirken durch die Verzerrung noch voller und nicht vorteilhaft. Ein mittleres Teleobjektiv (105 mm) wird in beiden Fällen ein gutes Ergebnis bringen, alle Telebrennweiten schmeicheln dem Modell generell.

Eine lange Brennweite bringt noch einen weiteren Vorteil mit sich: Die Brennweite kontrolliert auch die Bildstaffelung und damit den Hinter-grund. Kurze Brennweiten lassen den Hintergrund größer und dominanter erscheinen, die lange Brennweite reduziert das Foto auf das Wesentliche – das Modell.

Bei Menschen, die es nicht gewohnt sind, vor der Kamera zu posieren, haben Sie auch noch das Plus, dem Modell nicht zu nahe auf die Pelle rücken zu müssen. Die Präsenz der Kamera rückt im wahrsten Sinne des Wortes in den Hintergrund und das Modell ist entspannter. Wenn Sie mich nach meinem Lieblingsobjektiv für Nahaufnahmen des Gesichts fra-gen: ein 80 bis 200 mm Telezoom, am liebsten in der 200-mm-Stellung.

Räumliche TiefeEs ist nicht ganz einfach, die dreidimensionale Welt auf einem zweidimen-sionalen Foto abzubilden, aber mit einigen Tricks auch nicht so schwierig. Ein Foto wird gerne zum Hingucker, wenn es scheinbar eine plastische Wirkung hat und den Betrachter förmlich ins Bild zieht. Solche Aufnah-men mit räumlicher Tiefe bestehen in der Regel aus mehreren Bildebenen, mindestens jedoch dreien: dem Vordergrund, der mittleren Bildebene und

Verwackeln Bei Aufnahmen mit langen Brenn-

weiten besteht eine größere Verwack-lungsgefahr. Wenn Ihre Kamera oder Ihr Objektiv nicht über eine Bildsta-bilisierung verfügt, gilt für Ihre Fotos

folgende Faustregel: Verwacklungsfreie Bilder erhalten Sie ab einer Verschluss-

zeit von 1/Brennweite. Das heißt, dass Sie bei 200 mm min destens eine

Belichtungszeit von 1/250 Sek. wählen sollten, besser jedoch noch kürzer.

Wenn die Lichtverhältnisse keine kurze Verschlusszeit zulassen,

verwenden Sie ein Stativ.

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Auch die Spiegelfotografie eignet sich sehr gut, um räumliche Tiefe zu erzeugen. Foto: Carina Meyer-Broicher

dem Hintergrund. Meistens wird das Hauptmotiv auf der mittleren Ebene platziert. Der Hintergrund sollte möglichst ruhig und undeutlich sein, die Hauptebene scharf und klar. Der Vordergrund dient dazu, die räumliche Tiefe zu vermitteln und den Betrachter ins Bild zu führen. Sie können das Foto auch spannender gestalten, indem Sie die Hauptebene in den Vorder- oder Hintergrund legen und so den Zuschauer zum genauen Hinsehen zwingen.

Sie können mittels Farben, Formen, Lichtführung und Schärfelage so bewusst jede Bildebene gestalten. Eine scharfe Hauptebene wirkt gegen einen unscharfen Hintergrund noch schärfer.

GestaltungsmöglichkeitenSie haben verschiedene Möglichkeiten, mit Ihrem Foto den Eindruck räum-licher Tiefe zu erzielen:

● Die Schärfentiefe: Setzen Sie die Ebenen durch ihre unter schied liche Schärfe deutlich voneinander ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie die scharfe Hauptebene in den Vordergrund, die Mitte oder den Hintergrund legen.

● Das Größenverhältnis: Gleich große Bildelemente wirken kleiner, je weiter Sie vom Kamerastandpunkt entfernt sind.

● Die Linienführung: Linien, die in das Bild hineinführen, erzeugen auch Tiefe. Dies können sowohl Gegenstände wie auch Schattenlinien sein. Am wirkungsvollsten sind solche Linien, die in Fluchtpunkten münden.

● Die Helligkeit: Sie können auch durch die natürliche abnehmende Helligkeit vom Bildvorder- zum Bildhintergrund unterschiedliche Bildebenen erzeugen. Oder Sie überraschen auch hier den Betrachter mit einem hellen Hintergrund und einem dunklen Vordergrund.

● Die Schatten: Jeder Schattenwurf gibt den Bildelementen eine räumlichere Wirkung.

● Die Überlagerung: nicht vollständig sichtbare Bildelemente, die hinter sichtbaren Bildelementen versteckt liegen.

● Die Farben: Kräftige, leuchtende Farben wirken auf den Betrachter näher als verblassende, zumeist ins Bläuliche gehende Farben. Dies sieht man häufig bei Landschaftsaufnahmen, Sie können dies aber durchaus auch bei Ganzkörperporträts mit viel Umfeld anwenden.

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Auf die Perspektive kommt es anLeiter oder Boden? Das ist hier die Frage. Wenn wir in der Fotografie von Perspektive reden, meinen wir die Beziehung zwischen dem Modell und dem Fotografen beziehungsweise der Kamera. Dabei bezeichnen wir die Aufnahmeperspektive aus Ihrer Sicht, also der des Foto-grafen. Bei Porträts soll das Modell in der Regel direkt in die Kamera schauen und so den Betrachter direkt anblicken. Das erfordert eine Aufnahme auf Augenhöhe. Aber sowohl aus Gründen der emotionalen Wirkung als auch durch eventuell zu kaschierende Schwächen des Modells ist ein Wechsel der Perspektive sinnvoll. Sie kön-nen das Szenario für die Brennweite auf Seite 26 noch um die Parameter erhöhter und niedriger Aufnahme-standpunkt ergänzen, um die veränderte Bildwirkung zu kontrollieren. Aber erliegen Sie nicht dem Irrtum, das die Brennweite die Perspektive beeinflusst. Wie Sie wissen, verändert die Brennweite nur den Bildwinkel und bildet die gewählte Perspektive damit verschieden ab.

Die Normalsicht

In der Regel fotografieren wir Menschen in der Normal-sicht, also auf derselben Höhe. Auf Augenhöhe zu sein, ist hier wörtlich zu nehmen, Fotograf und Modell sind gleichberechtigt. Diese Ebene geben Sie als Fotograf an den Betrachter weiter. Wir sind diese Perspektive aus dem Alltag gewohnt und wählen Sie darum auch als die wohl häufigste Aufnahmeperspektive. Hierbei kommt es bei der Abbildung des Modells zu keinerlei Verzerrung

und die Bildwirkung ist neutral. Dies ist für formale Porträts mit Sicherheit die beste Wahl, für kreative und künstlerische Porträts aber auf Dauer ein wenig langweilig. Eine frontale Aufnahme eines sitzenden Modells lässt dieses wuchtiger erscheinen. Außerdem wirkt diese Aufnahme statisch. Abhilfe schafft eine seitliche Körperdrehung der Person, wobei der Kopf sich wieder der Kamera zuwendet. Geringe Änderungen in der Kopfhal-tung können dem Foto eine komplett andere Aussage verleihen. Das vor-gestreckte Kinn und der leicht nach vorne gebeugte Oberkörper können dem Bild eine freundliche oder offene Note verleihen, zusammen mit har-

Die Perspektivenänderung muss nicht gleich extrem sein. Eine leichte Aufsicht

wie hier schmeichelt dem Modell. Kamera: Nikon D200 mit 105 mm f/2.8er Objek-

tiv – Belichtung 1/250 Sek. bei f/3.0 – Brennweite 157 mm – ISO 100.

Foto: Carina Meyer-Broicher

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31Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

tem Licht aber auch Aggressivität darstellen. Lehnt das Modell Kopf und Oberkörper hingegen nach hinten, kann so Distanz oder auch Verletzlich-keit symbolisiert werden.

Die Untersicht

Die Kamera befindet sich bei der Untersicht unterhalb des Modells. Je grö-ßer der Höhenunterschied zwischen Fotograf und Modell ist, umso stärker ist die Wirkung dieses Effekts. Das Modell erscheint größer, kann sogar bedrohlich wirken, ist auf jeden Fall wichtig, dem Betrachter überlegen und dominant. Machen Sie sich diese Wirkung auf den Betrachter bei der Wahl der Perspektive unbedingt klar. Deswegen wählen Sie die extreme Untersicht nur dann, wenn genau das Ihre Bildaussage ist. In abgeschwächter Form lässt sich so zum Beispiel auch Stolz dar-stellen, ohne beim Betrachter unter Umständen ein Unwohlsein zu verursachen. Die Untersicht erfordert einen gewissen Abstand zum Modell, um nicht von unten gegen das Kinn oder in die Nase zu fotografieren. Andererseits machen Extreme Ihr Foto auch interessant, der Blick bleibt länger beim Bild, wenn eine ungewöhnliche Perspektive gezeigt wird.

Die Aufsicht

Bei dieser Perspektive befindet sich die Kame-ra oberhalb des Modells. Der Fotograf, also Sie, schauen auf das Modell herab und geben so diese Sicht auch wieder an den Betrachter weiter. Die Wirkung dieser Ansicht vermittelt Unterwürfigkeit, aber auch Verletzlichkeit. Das Modell wirkt kleiner, verliert an Macht und Bedeutung. Für diese Pers-pektive ist es gut, eine Leiter im Studio zu haben. Auch hier bedenken Sie bitte die psychologische Wirkung des Bilds.

Mit der Aufnahmeperspektive verändert sich auch die Körperform des Modells in der Abbildung und Sie können so Problemzonen kaschieren. So schmeicheln Sie einem etwas fülligeren Modell mit einer Aufnahme von oben und auch große Nasen

Eine Ganzkörperaufnahme aus der Vogel-perspektive. Die extreme Aufsicht dient hier der Dokumentation des Umfelds. Kamera: Canon EOS1Ds Mark II mit 28-70 mm f/2.8er Objektiv – Belichtung 1/83 – 0.67 EV Sek. bei f/8.8 – Brennweite 42 mm – ISO 100. Foto: Yuri Arcurs

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32 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

werden so zu netten kleinen Nasen. Die Untersicht lässt auch lange Beine noch länger wirken. Sie können also die Aufnahmeperspektive sowohl zur Verstärkung der Bildaussage als auch zum Vorteil der Abbildung nutzen.

AnsichtenHäufig auch als Perspektive bezeichnet wird die Kopfhaltung des Modells. Hier unterscheiden wir folgende Ansichten nach dem Blickwinkel des Modells:

Die Frontalansicht (en face)

Das Gesicht ist dem Betrachter zugewandt und das Modell schaut den Betrachter direkt an. Dadurch wird eine große Nähe vermittelt. Eine Situation, wie wir Sie sonst nur im direkten Gespräch haben. Obwohl der Betrachter sich dem direkten Blick in die Augen nicht entzie-hen kann, wird sein Blick wegen der Intimität nur kurz auf den Augen verweilen.

Das Dreiviertelprofil

Das Gesicht ist leicht aus der Frontalansicht gedreht. Dabei wirkt rein optisch die dem Betrachter zugewandte Seite voller, die vom Betrachter abgewandte Seite ist verkürzt und liegt dann auch häufig auch etwas im Schat-ten. So können sowohl breite als auch schmale Gesichtsformen bei der Aufnahme optimiert werden. Da sich die beiden Gesichtshälften eines Menschen stark unterscheiden, finden Sie heraus, welches die „Schokoladenseite“ des Modells ist, also welche Seite sich vorteilhafter abbilden lässt.

Das Halbprofil

Im Halbprofil wird das Gesicht so von der Seite dargestellt, dass das zweite Auge zu erkennen ist. Auch diese Ansicht wirkt auf den Betrachter

Ein Viertelprofil, das seine Bildwirkung aus dem Hintergrund und der farblichen Abstimmung zieht. Kamera: Nikon D100 mit 50 mm f/1.8er Objektiv – Belichtung

1/100 Sek. bei f/9.0 – Brennweite 75 mm – ISO 200. Foto: Carina Meyer-Broicherr

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33Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

normal, so wie er seine Mitmenschen in einer größeren Gesprächsrunde wahrnimmt. Auch hier müssen Sie wieder die Schokoladensei-te finden. Experimentieren Sie hier auch mit unterschiedlichen Blickrichtungen und deren Wirkung.

Das Viertelprofil

Hierbei handelt es sich schon fast um ein Profilfoto, das zweite Auge ist nicht mehr zu sehen, aber eventuell noch seine Wimpern oder der zweite Nasenflügel.

Profilansicht (en profile)

Das Gesicht wird von der Seite abgebildet. Die für uns wohl ungewöhnlichste Ansicht des Gesichts, die wir eher von der erkennungs-dienstlichen Erfassung als aus der künstleri-schen Fotografie kennen. In der Malerei wurde diese Ansicht gewählt, weil sie zeitgenössischen Forderungen nach Genauigkeit und Überprüf-barkeit entsprach, wie eben auf einem Fahn-dungsfoto heutzutage. Es findet bei dieser Art von Aufnahmen keine Kommunikation zwi-schen Modell und Betrachter statt. Es geht hier darum, die Kopfform des Modells hervorzuhe-ben und die Konturen zu betonen.

Das verlorene Profil (profil perdu)

Diese Dreiviertelansicht von hinten lässt nur noch die Konturen der Wangenknochen erken-nen. Das Hauptmotiv sind nicht mehr die Augen, dafür werden Haare, Nacken und eventuell ein Ohr zu bildwichtigen Elementen. Der Betrachter wird zum stillen Beobachter, da er das gesamte Bild vom Modell unbeobachtet betrachten kann.

Die Profilansicht gibt dem Betrachter die Möglichkeit, „unbeobachtet“ vom Modell das Porträt lange zu studieren. Kamera: Nikon D200 mit 80-200 mm

f/2.8er Objektiv – Belichtung 1/160 Sek. bei f/2.8 – Brennweite 300 mm – ISO 100. Foto: Carina Meyer-Broicherr

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Die KompositionDie Komposition eines Fotos übt einen ersten wesentlichen Eindruck auf den Betrachter aus. Gestaltung und Aufbau sind hierbei Geschmackssa-che, aber einige Regeln sind in unseren Gehirnen fest verankert und für eine harmonische Komposition notwendig. Dennoch sind die Bildgestal-tung und die dazu verwendeten Gestaltungsmittel kein Dogma. Wenn Sie mit der Fotografie beginnen, lernen Sie zunächst diese Regeln. Nach und nach werden Sie sie verinnerlichen und die Komposition fließt dann nur noch unterbewusst in Ihre Bildgestaltung ein. Und am Ende werden Sie vielleicht sogar einige dieser Gestaltungsregeln brechen, um Ihrem Foto eine ganz besondere Sichtweise zu verleihen. Aber der Prozess der Bildgestaltung ist für den Fotografen nie abgeschlossen. Ständig sucht er neue Ansätze, findet, beurteilt und verwirft sie eventuell auch wieder. Auch Sie haben Ihre bisherigen Fotos gestaltet, wenn vielleicht auch ganz unbewusst. Sie haben sich für ein Format und eine Brennweite entschie-den, bewusst eine Belichtungszeit mit Blende gewählt und damit Ihr Foto gestaltet.

Die Komposition entbindet Sie also nicht davon, ein gutes Motiv für Ihr Foto zu finden. Denn das Motiv steht immer an erster Stelle, es macht das Bild aus. Gestaltungsmittel wie Symbole, Farben, Flächen und Linien sollen das Motiv lediglich unterstützen und das Bild für den Betrachter „lesbar“ machen. Die Bildgestaltung ist also kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit, um dem Foto eine Aussage zu verleihen. Die Fähigkeit zu einer guten Komposition muss nicht zwingend eine natürliche Begabung sein, sie kann auch mit Sehtraining erlernt werden. Das Sehtraining selbst ist ein Prozess, der ein Leben lang andauert. Doch er verselbstständigt sich mit der Zeit, so dass Sie zum einen unbewusst weiter lernen und sich zum anderen Ihr professioneller Blick entwickelt. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass auch hier das Anschauen von Fotos weiterhilft. Wenn ein Foto eine starke Wirkung auf Sie hat, analysieren Sie, mit welchen Gestaltungsmitteln der Autor sie erzielt hat. Übertragen Sie das Gesehene motivabhängig auf Ihre eigenen Bilder.

Der BildaufbauIn Ihren Fotos steckt sicherlich viel Mühe und Liebe. Doch immer wieder werden auch Sie auf die Annehmlichkeiten von Autofokus und Automatik hereinfallen oder sich von Ihren Motiven in die Irre führen lassen, statt sie für Ihre Zwecke zu nutzen. Dabei sind es nur einige wenige Regeln, die eine gelungene Bildkomposition schaffen. Denn die Gestaltung des Bilds

„Komposition ist ein Mittel, nicht ein Ende, und die vollkommenste Kompo-sition rechtfertigt nicht ein belangloses

Bild. Komposition ist ein Werkzeug, um den Eindruck des Bilds zu steigern.

Vorausgesetzt, dass Bildinhalt und fototechnische Behandlung gleichwer-tig sind, macht ein gut komponiertes

Foto einen stärkeren Eindruck als eines mit schwacher Komposition.

Das ist das ganze Geheimnis.“ Andreas Feininger

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ist die entscheidende Tätigkeit beim Fotografieren, die aber auch durch besondere Anwendungen der künstlerischen Technik bestimmt wird. Ein entscheidender Faktor für die Bildgestaltung in der Fotografie ist die rich-tige Proportion, also das Verhältnis von Breite und Höhe eines Fotos. Eine generelle Formel für die Bildgestaltung gibt es jedoch nicht. Gute Bilder sind – abgesehen vom Zeitgeist – mit völlig unterschiedlichen Gestal-tungsprinzipien zu erzielen.

Die GestaltungsmittelDer Blickpunkt

In den meisten Quellen liest man immer wieder, dass das Auge des Betrachters eine Bildfläche immer von der linken oberen Bildecke nach rechts unten hin abtastet. Doch mittlerweile haben Versuche mit Augenkameras dies scheinbar widerlegt: Der Betrachter schaut zuerst auf den Gegenstand, der ihm am meisten ins Auge fällt. Erst dann sucht er das Bild nach weiteren interessanten Details ab. Deshalb sollte es in jedem Bild einen solchen Anziehungspunkt geben. Man nennt ihn auch Blickpunkt oder Haupt-element. Hierbei ist es interessant zu wissen, dass hier eine gewohnte Form schneller erfasst wird als eine ungewohnte. Je enger Objekte im Foto zueinander angeordnet sind, desto mehr scheinen sie zusammen-zugehören. Das gilt auch für Gegenstände, die durch Linien optisch verbunden sind. Wenn man dies weiß, kann man den Betrachter gezielt durch Komposition und Aufbau des Bilds lenken. In der People-Fotografie sind in erster Linie die Augen der Blickpunkt. Unter-schätzen Sie aber nicht die Anziehung von zum Bei-spiel einer hellen Stelle im Hintergrund des Fotos, die den Betrachter auch dann ablenkt, wenn sie völlig unscharf ist.

Die Haupt- und Nebenelemente

Bei einigen Fotos können Sie neben dem Haupt-ele ment noch mit einem Nebenelement arbeiten. Das kann zum Beispiel eine Blume oder ein anderer Gegenstand sein, den das Modell in der Hand hält. Das Nebenelement können Sie dann über die Schärfe

Ein weiteres Element im Bild, hier die Rose, sollte so platziert werden, dass der Blick des Betrachters zum Hauptelement geführt wird und nicht vom eigentlichen Motiv ablenkt. Hier wurde das zum einen durch die Anordnung und zum anderen durch die Schärfentiefe gelöst. Kamera: Nikon D200 mit 80-200 mm f/2.8er Objektiv – Belichtung 1/250 Sek. bei f/2.8 – Brennweite 300 mm – ISO 100. Foto: Carina Meyer-Broicher

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steuern und gewichten. Aber dennoch wird der Blick des Betrachters auch bei einem unscharfen Nebenelement zwischen Haupt- und Nebenelement wandern und er wird selbst entscheiden, welches Motiv für ihn das wich-tigere ist.

Der Ausschnitt

Mit Ihrem Foto zeigen Sie immer nur einen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens – sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht. Dabei haben Sie verschiedene Möglichkeiten, das eigentliche Motiv zu isolieren: durch die Wahl des richtigen Ausschnitts, der überflüssige Bildelemente weglässt und den Blick des Betrachters auf das Wesentliche lenkt. Denn auf einem Foto sollte es in der Regel nur einen Teil geben, der für die Bildaussage wichtig ist und entsprechend herausgestellt wird. Wenn eine

Zwischen diesen beiden Aufnahmen liegt nur eine Sekunde. Es verdeutlich sehr

schön die Flüchtigkeit des Augenblicks und damit das Element des zeitlichen Aus-

schnitts. Und es zeigt, wie wichtig es ist, im richtigen Moment den Auslöser zu drü-

cken. Kamera: Nikon D100 mit 80-200 mm f/2.8er Objektiv – Belichtung 1/160 Sek. bei

f/8 – Brennweite 200 mm – ISO 200. Foto: Carina Meyer-Broicher

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Szene mehrere Motive enthält, machen Sie auch mehrere Fotos und ver-suchen Sie nicht, alles in ein einziges Bild zu packen. Fragen Sie sich bei der Bildkomposition also immer, ob alles, was Sie im Sucher sehen, auch etwas zu Ihrem Foto beiträgt. Wenn nicht, ändern Sie den Bildausschnitt, indem Sie den Aufnahmestandpunkt oder die Perspektive wechseln. Gehen Sie näher an das Motiv heran oder zoomen Sie es ein, um uner-wünschte Bildelemente auszuschließen. Geraten Sie nicht in Versuchung, den Ausschnitt erst später bei der Bildbearbeitung korrigieren zu wollen. Zum einen weil Sie beim Zuschneiden unweigerlich Bildpixel verlieren, zum anderen weil sich Disziplin beim Fotografieren auszahlt: Sie werden schnell lernen, die richtige Bildeinstellung zu wählen, und schulen so Ihr Auge.

Der räumliche Ausschnitt

Den räumlichen Ausschnitt legen Sie durch die Wahl der Brennweite und den Objektabstand fest. Damit bestimmen Sie hier tatsächlich ein räumli-ches Volumen, von dem Sie auf dem Foto nur noch die zweidimensionale Projektion sehen. Eine lange Brennweite komprimiert den Raum und zeigt nur einen schmalen Ausschnitt, während eine kurze Brennweite einen großen Raum abbildet. Wenn die Umstände, große Entfernungen oder kleine Räume, Sie bei der Wahl der Brennweite nicht einschränken, müs-sen Sie sich also Gedanken darüber machen, welche Wirkung Sie erzielen möchten.

Der zeitliche Ausschnitt

Den zeitlichen Ausschnitt legen Sie zum einen durch die Belichtungszeit fest und zum anderen durch den Zeitpunkt der Aufnahme, denn auch die Tages- oder Jahreszeit beeinflusst Ihre Aufnahme, es sei denn, Sie fotogra-fieren im Studio. Sehr kurze Belichtungszeiten können eine Bewegung ein-frieren, längere Belichtungszeiten können eine Bewegung sichtbar machen. Auch diese zeitlichen Komponenten gestalten Ihr Foto. Letztlich gibt es noch eine zeitliche Komponente, welche mit Sicherheit die schwierigste ist: im richtigen Moment auf den Auslöser drücken. Bei beweglichen Objekten gibt es oft nur einen flüchtigen Moment, in dem sich die Bewegung und alle anderen Elemente genau richtig zueinander bewegen. Genau in diesem Moment auszulösen, hat mehr mit Instinkt als mit Nachdenken zu tun. Auch die Serienbildfunktion ist hier keine Garantie: In einer Bildfolge wird oft das eine Bild zu früh und das nächste zu spät gemacht. Also verlassen Sie sich auf Ihre Intuition.

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Die LinienführungJedes Bild besteht aus Linien und Flächen. Profi-Foto-grafen wissen, wie sie diese anordnen müssen, um ihre Fotos perfekt zu gestalten. Sie analysieren zuerst die Grundlinien eines Motivs, die sie zunächst vielleicht gar nicht wahrnehmen. Dies erfordert einiges an Übung und Erfahrung. Oft werden Sie bei Porträts einfach losfoto-grafieren. Doch sehr schnell werden Sie merken, dass es sich lohnt, das Motiv vor der Aufnahme zu analysieren und seine Grundlinien zu finden. Grundlinien können zum Beispiel in Form von Armen, Schmuck oder Kleidung auftreten. Aufgrund solcher Linien, aus denen sich durch den umschlossenen Raum wieder Strukturen und Formen ergeben, bekommt das Foto Spannung. Schon nach kur-zer Zeit werden Sie feststellen, dass Ihre Fotos interessan-ter werden. Die wichtigsten Linien im Bild sind die Waa-gerechte, die Senkrechte, die ansteigende Diagonale und die fallende Diagonale. Diese werden im Foto als Haupt- oder Nebenlinien eingesetzt. Zusätzlich gibt es immer auch weitere freie Linien im Bild. Achten Sie darauf, dass diese die Komposition nicht stören. Die Hauptlinien, auch Kraftlinien genannt, sind wie unsichtbare Strukturen, die den Betrachter durch das Bild führen. Das Auge folgt ihnen, sie leiten es zum Hauptmotiv und verleihen dem Bild zusätzlich Dynamik.

Es macht einen großen Unterschied, ob Sie ein Foto dia-gonal, schräg, waagrecht, senkrecht oder gar mit Winkeln

aufbauen. Bevor Sie beginnen, Gestaltungsprinzipien anzuwenden, versu-chen Sie sich vorzustellen, ob Sie einen dynamischen, bewegten oder eher einen ruhigeren, sachlichen Bildaufbau erzeugen wollen. Schon durch klei-ne Veränderungen können ganz verschiedene Wirkungen entstehen. Denn Linien können verbinden, trennen, Bezüge herstellen und dem Bild eine Balance geben. Wenn mehrere Linien zusammentreffen, entstehen Recht-ecke, Dreiecke oder Winkel, die Bewegung ins Bild bringen. Wie bei allen Kompositionen gilt auch hier: Erst wenn Sie diese Gestaltungsprinzipien verinnerlicht haben, können Sie damit beginnen, Ihr Bild bewusst entgegen dieser Prinzipien aufzubauen und zu experimentieren. Die Linienführung ist oft nicht auf den ersten Blick erkennbar, denn auch angedeutete, ima-ginäre Linien wie die Blickrichtung des Modells können die Bildobjekte verbinden oder in Bezug zueinander setzen und dadurch die Bildwirkung verbessern.

Hier wurde das Modell zur aufstrebenden Diagonale. Zusätzlich bildet die Kleidung noch einen Winkel. Durch die Gestaltung wirkt das Foto positiver als eine Kompo-

sition mit senkrechter Achse. Kamera: Fujifilm FinePix S2Pro mit 50 mm f/1.8er

Objektiv – Belichtung 1/160 Sek. bei f/8 – Brennweite 75 mm – ISO 200.

Foto: Carina Meyer-Broicher

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39Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

In der Fotografie werden neun Grundformen der Komposition unterschie-den. In diesen Bildaufbau lassen sich fast alle Motive einordnen, auch der Mensch.

Die Diagonale Unter einer Diagonalen versteht man eine Linie, die von der linken unteren Ecke zur rechten oberen führt oder von der rechten unteren Ecke zur linken oberen. Alle anderen schräg verlaufenden Linien in einem Bild werden als Schrägen bezeichnet. Diagonale Linien bringen Dynamik und Bewegung ins Bild, sie assoziieren Mobilität und Fortstreben. Eine diagonale Linienführung von links unten nach rechts oben wird im westlichen Kulturkreis aufgrund der Lese- und Schreibgewohnheit positiv und somit als aufstrebend empfunden. Eine umgekehrte Linienführung, also von links oben nach rechts unten, nennt man Gegendiagonale, weil sie ein Gefühl des Abstiegs vermittelt. Wenn das Foto also keinen nega-tiven Ausdruck erhalten soll, müssen Sie dieser Gegendiagonale eine auf-strebende Linie entgegensetzen.

Schrägen Im Gegensatz zu den Diagonalen sind die Schrägen Linien, die in einem Bild schräg verlaufen, also nicht genau von einer Bildecke in die andere. Schrägen verleihen einem Foto Dynamik. Schrägen lassen sich in allen Genres der Fotografie finden. Besonders gut können sie auch in der People-Fotografie angewendet werden. Hier kann die Schräge entweder durch die Körperhaltung des Modells oder auch durch die Perspektive der Kamera bewirkt werden. Oder halten Sie die Kamera einfach einmal schräg. Auch Hintergründe, die zusätzliche Schrägen aufweisen, können so mit in die Komposition einbezogen werden. Bei der Aufnahme von mehr als einer Person kann über imaginäre Schrägen eine Beziehung zwischen den Personen hergestellt werden.

Die Waagerechte Waagerechte oder horizontale Linien sind Linien, die parallel zum unteren und oberen Bildrand verlaufen. Bildkompositionen dieser Art wirken oft statisch und das Ergebnis ist relativ langweilig. Man sollte auf jeden Fall vermeiden, nur eine waagrechte Linie in die Mitte des Bilds zu stellen, denn diese Linienführung zerschneidet das Bild in zwei Teile. Besser ist es, mehrere waagerechte Linien zu verwenden. Dies kann auch einem Foto durch die Staffelung Tiefe und Räumlichkeit verschaffen.

Die Senkrechte Senkrechte oder vertikale Linien vermitteln uns auf-strebende Energie, Standhaftigkeit und Vitalität. Besonders in der Archi-tekturfotografie wird dieses Gestaltungsprinzip sehr oft angewendet. Auch bei Personenfotos und Porträts kann man dieses Prinzip bewusst einsetzen und so von der Gestaltung her diese Attribute erreichen.

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40 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

Symmetrie und Senkrechte Diese Art der Bildaufteilung ist im Grunde nichts anderes als die spiegelbildliche Wiederholung von Bildele-menten. Solche Bilder werden in der Regel als streng, klar, aber oft auch als relativ langweilig empfunden.

Winkel Wenn zwei Linien innerhalb eines Bilds aufeinandertreffen, erhält man einen Winkel. Spitze Winkel können aggressiv auf den Betrachter wirken, stumpfe Winkel wirken eher entspannend oder beruhigend, in jedem Fall aber harmonisch. Generell kann man sagen, dass Fotos mit winkelförmigen Linienverläufen nie langweilig wirken, sondern durch das

Zusammenspiel zweier gegensätzlicher Richtungen Span-nung entsteht.

Weitere Elemente zur KompositionFormen und Flächen sind die geometrischen Elemente der Bildgestaltung. Das Bildformat und die Einteilung der Bildfläche sind von großer Bedeutung in der Komposition. Bei Formen und Flächen muss es sich nicht um natürliche Motivbestandteile des Fotos handeln, sie können in der Porträtfotografie auch das Resultat der Linienführung sein.

Die Farben eines Fotos beeinflussen den Informations- und Stimmungsgehalt. Sie haben neben einer optischen Wirkung auch eine psychologische Komponente. Sie bele-ben oder beruhigen ein Bild. Das umfasst auch das Fehlen von Farben in monochromen oder schwarzweißen Bildern. Hier kann die fehlende Farbinformation verschiedene Wir-kungen haben: Der Betrachter wird nicht durch Farben vom Motiv abgelenkt. Dies trifft auch auf klassische oder eher sachliche Fotografien zu. Dunkle monochrome oder schwarzweiße Aufnahmen können eine beabsichtigte düste-re Bildstimmung besser vermitteln.

Muster und Strukturen Muster wirken zumeist ordentlich und harmonisch und nichts liebt das mensch-liche Auge mehr. Doch Muster können auch schnell langweilig sein, da sie innerhalb kürzester Zeit vom Auge abgetastet werden. Wichtig für gute Bilder mit Struktur ist der richtige Ausschnitt oder Blickwinkel. Ein gutes Bild muss eine Unregelmäßigkeit enthalten oder etwas, das aus dem Gleichklang ausbricht, das wird dann der eigentliche Blickpunkt.

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Der Goldene SchnittEs gibt viele Theorien, warum nun gerade der Goldene Schnitt mit seinem Teilungsverhältnis als „golden“ bezeichnet wird. Eine der plausibelsten Antworten ist wohl, dass der Goldene Schnitt völlig außerhalb ganzzahli-ger Werte und Teilungsverhältnisse liegt.

Die Regel für den Goldenen Schnitt entstammt der Harmonielehre der Antike: Ein Punkt muss eine Strecke so teilen, dass sich das längere Stück zum Ganzen verhält wie das kürzere Stück zum längeren. Klingt einfach – die Formel zur Berechnung ist dagegen eher kompliziert und soll Sie hier nicht verwirren. Sie fußt auf der Zahl Phi. Es reicht, sich die Faustregel zu merken: Das längere Teilstück entspricht etwas über 60 Prozent des Gan-zen, das kürzere fast 40 Prozent. Der Blickpunkt eines Fotos sollte genau im Goldenen Schnitt liegen. In der Fotografie werden die unterschiedlichs-ten Aufnahmeformate verwendet, angefangen beim 4:3-Format mit einem Teilungsverhältnis von ca. 1,3, über das sehr verbreitete 2:3-Format mit einem Teilungsverhältnis von 1,5 bis hin zum Breitwandformat 16:9 mit einem Teilungsverhältnis von ca. 1,7 in der Panoramafotografie. Alle diese Formate lassen keinen wirklichen Goldenen Schnitt zu, sofern man das Bild nicht im Nachhinein in der Bildbearbeitung beschneidet.

Der Goldene Schnitt sollte daher nicht als zwingendes Format für ein gelungenes Foto betrachtet werden, sondern als ein Hilfsmittel zur harmonischen Gestaltung eines Bilds. In der Symbol- oder Architektur-fotografie ist es dagegen oft ein bewusst eingesetztes Stilmittel, vom Goldenen Schnitt abzuweichen und so zum Beispiel perfekte Symmetrie

Die Grafik veranschaulicht die Raumauf-teilung eines Bilds nach dem Goldenen Schnitt. Die roten Linien und die daraus resultierenden grauen Flächen entsprechen der klassischen Aufteilung. Zur Festlegung des Bildpunkts reicht auch die vereinfachte Darstellung, hier die schwarzen Linien mit dem Bildpunkt im Schnitt. Im Vergleich dazu zeigen die blauen Linien die einfache Drittelung, die als grobe Faustregel ver-wendet wird. Diese Grafik kann beliebig gedreht und auch auf ein Hochformat angewendet werden.

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42 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

zu zeigen. Der Effekt dieser Abweichung vom Goldenen Schnitt ist, dass das Auge an einem solchen Foto aufgrund seiner ungewohnten Linienfüh-rung hängen bleibt, um herauszufinden, was den Betrachter stört. In der People-Fotografie wird strenge Symmetrie, abgesehen von wenigen Fotos, als störend empfunden. Gerade in der Porträtfotografie haben symmetri-sche Bilder schnell Passbildcharakter und wirken langweilig.

Harmonische BildwirkungUm bessere Fotos zu machen, muss man sich intensiv mit dem Bildauf-bau beschäftigen. Neben der technischen Qualität spielen der Ausschnitt sowie die Gestaltung des Bilds eine große Rolle. Bilder, die im Goldenen Schnitt angelegt sind, wirken auf den Betrachter immer harmonischer als solche, die die Grundregel nicht befolgen. Dabei ist die Anordnung der einzelnen Bildelemente wichtig. Doch warum wird diese Aufteilung überhaupt als harmonisch empfunden? Es wird behauptet, der Grund läge darin, dass diese Aufteilung auch in der Natur, zum Beispiel beim Kör-perbau des Menschen, festzustellen ist. Wissenschaftliche Studien haben jedoch bewiesen, dass für dieses Harmonieempfinden nicht unbedingt ein Verhältnis im Goldenen Schnitt vorliegen muss, sondern auch andere Teilungsmöglichkeiten wie eine Drittelung als harmonisch empfunden werden können. Neben dem Goldenen Schnitt gibt es auch noch weitere „Goldene Verhältnisse“, denen jedoch allen die mathematische Grundfor-mel gemeinsam ist: das Goldene Dreieck und die Goldene Spirale sowie weitere „Goldene Teilungen“, die sich daraus ableiten lassen.

Der Goldene Schnitt in der PraxisEin Klassiker zum besseren Verständnis des Goldenen Schnitts ist der Sonnenuntergang. Bei derartigen Aufnahmen wird der Horizont meist bildmittig und die Sonne im Bildzentrum angeordnet. Solche Fotos sind bestimmt eine schöne Erinnerung, langweilen aber schon alleine wegen des Aufbaus den Betrachter. Spannender wird das Foto, wenn Sie die Horizontlinie in das untere Bilddrittel versetzen und die Sonne ebenfalls auf einer Drittelline rechts oder links platzieren. Das Foto wirkt auf den Betrachter harmonischer, weil es annähernd den Regeln des Goldenen Schnitts entspricht. Bei vielen Kameras lassen sich Bildraster zuschalten, an denen Sie sich bei der Aufnahme orientieren können. Die Umsetzung des Grundgedankens lernen Sie schnell. Schon nach kurzer Zeit platzieren Sie die zentralen Motive des Fotos durch die Wahl des Bildausschnitts automatisch so vor dem restlichen Hintergrund, dass eine Aufteilung von etwa 68:32 gegeben ist.

Hier ist die Raumaufteilung des Fotos (siehe auch Seite 41 unten) nach dem

Goldenen Dreieck gewählt. Auch hier gilt die Regel, dass die Linien sich ungefähr

in einem Verhältnis von 68:32 schneiden. Wie Sie sehen, kann man die aufgelegte

Grafik beliebig spiegeln oder drehen, ohne dass die Linien ihren Sinn verlieren. Die

Bildpunkte, hier die Augen, liegen knapp neben den gewünschten Schnittpunkten

des Goldenen Dreiecks. Diese gering fügige Abweichung ist kein Beinbruch, Sie müs-sen sich nicht sklavisch an diese Vorgabe

halten. Auch mit dieser Verschiebung wird die grundsätzliche Harmonie

des Fotos nicht gestört.

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43Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

Vorgehensweise

Die Gestaltung von Fotos beginnt schon im Sucher. Es macht daher Sinn, den Blick für den Goldenen Schnitt zu üben. Betrachten Sie die Grafik durch den Sucher Ihrer Kamera und versuchen Sie, sich die Teilung des Bilds mit Hilfe der eingeblendeten Sensorfelder des Autofokus oder anderer eingeblendeter Linien und Marken zu merken. Nehmen Sie sich die Zeit und entdecken Sie Ihr Motiv durch den Sucher Ihrer Kamera, es dauert nicht lange und Ihnen geht die neue Bildeinteilung in Fleisch und Blut über und Sie nehmen Ihr Motiv unbewusst aus der Mitte heraus und gestalten das Foto, bevor Sie überhaupt den Auslöser der Kamera drücken.

Wenn Ihnen der Goldene Schnitt zu streng ist, dann beschäftigen Sie sich mit der Goldenen Spirale. Die Goldene Spirale entsteht durch die Auftei-lung eines Goldenen Rechtecks in ein Quadrat und ein weiteres Goldenes Rechteck, dieses Rechteck lässt sich ebenso teilen und so weiter. Die Spira-le ist manchmal gedanklich das bessere Hilfsmittel für die Gestaltung des Motivs durch den Sucher, weil es ausreicht, die Teile eines Motivs entlang dieser Linie auszurichten oder den Sucher so lange zu bewegen, bis das Motiv der Linie folgt. Für die Umsetzung des Goldenen Schnitts gibt es auch viele Möglichkeiten, die sich nicht nur an den Linien und Kanten eines Motivs orientieren. Auch die Licht- und Schattenverteilung in einem Porträt lässt sich in den Goldenen Schnitt legen, wobei das Licht den größeren Teil des Bilds einnehmen sollte. Zwar lässt sich bei hohen Auflö-sungen auch nachträglich ein Goldener Schnitt herstellen, wenn um das Motiv herum genug Raum ist, doch gehen dann immer Teile eines Fotos verloren, was durch eine bewusste Motivplanung vor der Aufnahme hätte vermieden werden können.

Abweichungen

Feininger fasst die Bedeutung des Goldenen Schnitts wie folgt zusammen: „Herstellung harmonischer Formatverhältnisse, Festlegung der Lage des Mittelpunkts des Interesses, Aufteilen der Komposition in einem guten Verhältnis und Festlegung der Lage des Horizonts“. Doch die Bildauftei-lung nach den Regeln des Goldenen Schnitts muss nicht immer eingehal-ten werden. Die moderne Fotografie setzt sich gerne über die klassischen Vorgaben hinweg und hat damit auch viel Erfolg. Durch das Brechen der Regeln produziert sie ebenso ungewöhnliche wie kontroverse Bilder. Der Goldene Schnitt darf nicht als allein selig machendes Mittel angesehen werden, um spannende Fotos zu erzeugen.

Auf das gleiche Foto wurde hier die Golde-ne Spirale gelegt. Auch sie lässt sich belie-big spiegeln oder drehen, ohne dass die Linien ihren Sinn verlieren. Hier schneiden die Linien die Augen besser.

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44 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

Das AufnahmeformatDas Aufnahmeformat Ihrer Bilder basiert auf dem verwendeten Film bezie-hungsweise der Größe des in der Kamera eingebauten digitalen Sensors. Das Aufnahmeformat schränkt Ihren Gestaltungsspielraum insofern ein, als da -durch immer ein festes Seitenverhältnis vorgegeben ist, das sich nicht oder nur in sehr geringem Umfang ändern lässt. Während man zu Beginn des letz-ten Jahrhunderts noch einen Film mit einer Negativ größe von 4,5 x 6 cm als Kleinbild bezeichnete, gilt dieses Format aufgrund des höheren Auflösungs-vermögens von Film und Sensor inzwischen als Mittelformat. Heutige Kame-ras orientieren sich in ihrer Bezeichnung an dem Kleinbildformat von 24 x 36 mm. Nachdem unsere Sehgewohnheiten lange Zeit durch die Filmformate bestimmt worden waren, übernahm ab den 1970er Jahren das Fernsehen zunehmend die bestimmende Rolle bei der Beeinflussung des Sehempfindens. Das häufigste Bildformat im Fernsehen war 4:3 und dieses Format wurde mit Aufkommen der digitalen Kompaktkameras auch als klassisches Sensorfor-mat übernommen. Derzeit sind fast alle Kompaktkameras mit Sensoren im Format 4:3 ausgestattet. Bei den digitalen Spiegelreflexkameras bietet nur Olympus das Format 4:3 an. Alle anderen Hersteller haben im Bereich der Spiegelreflexkameras das Format 3:2 beibehalten. Die Kameras unterscheiden sich nur in der verwendeten Sensorgröße, nicht jedoch im Seitenverhältnis.

Das AusgabeformatWährend der Aufnahme sind Sie an das vorgegebene Format des Aufnah-memediums gebunden. Bei der Ausgabe der Bilder, sei es digital am Moni-

Unterschiedliche Aufnahmeformate erfor-dern auch unterschiedliche Bildkomposi-tionen. Das 2:3-Format rechts lässt Ihnen

gegenüber dem 4:3-Format links deutlich mehr Spielraum für die Arbeit mit den Flächen.

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45Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

tor oder als gedrucktes Bild, sind Sie deutlich flexibler, zumal die heutigen Digitalkameras ausreichend hohe Auflösungen haben, um auch Ausschnit-te aus einer Aufnahme in einer ansprechenden Qualität darzustellen. Bei der Ausgabe der Bilder auf Fotopapier sollten Sie auf die Formatvorgaben achten, da sich diese leider nicht immer mit den üblichen Aufnahmefor-maten decken. Je nachdem, wie Sie Ihre Bilder belichten lassen, entstehen weiße Ränder an den Längs- oder Querseiten oder Teile des Bilds werden abgeschnitten. Die bei den Ausbelichtern angebotenen Abzüge orientieren sich fast immer an den beiden Bildformaten 4:3 und 3:2. Sie müssen also bei der Auswahl des Ausgabeformats darauf achten, in welchem Aufnah-meformat Ihr Bild vorliegt. Noch komplizierter wird es, wenn Sie Ihre Bil-der mit einem Fotodrucker selbst drucken. Fotopapier hoher Qualität wird häufig im Format DIN A4 angeboten. Leider deckt sich DIN A4 weder mit dem Format 4:3 noch mit dem Format 3:2, sondern es liegt genau dazwi-schen. Sie werden beim Drucken also nicht umhinkommen, Ihre Fotos im Bildbearbeitungsprogramm passend zuzuschneiden oder nach dem Druck die unschönen Ränder abzuschneiden. Viele Belichter bieten heutzutage auch noch diverse Zwischenformate an. Allerdings sind diese Zwischen-formate aufgrund des höheren Aufwands teilweise deutlich teurer als die Standardformate, die Sie anschließend selber beschneiden können.

Das Bildformat und die BildwirkungNeben den rein technischen Abhängigkeiten des Formats gibt es noch einen wichtigen Aspekt, der bisher nicht berücksichtigt wurde: die Wir-kung eines Bilds aufgrund des Bildformats.

Das Querformat

Das Querformat kommt unseren Sehgewohnheiten am nächsten. Nicht ohne Grund finden wir es im Film, Fernsehen und auf dem Computer-bildschirm wieder. Da unsere Augen nebeneinander angeordnet sind, ist unser Sichtfeld eher auf breit denn hoch fixiert. So werden auch die meisten Fotos im Querformat aufgenommen. Allerdings orientiert sich beim Fotografieren das Format nicht an den Sehgewohnheiten, sondern am Motiv. Und der Mensch als Motiv, besonders im Porträt, verleitet uns automatisch zur hochformatigen Aufnahme. Das Querformat eignet sich am besten für Gruppenaufnahmen oder stark angeschnittene Close-ups. Allerdings gibt Ihnen bei der Aufnahme eines stehenden Modells der leere Raum im Foto auch Spielraum für spannende Kompositionen.

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46 Kapitel 3 | Die Bildgestaltung

Das Hochformat

Obwohl das Hochformat sich besser für Porträts eignet, wird es vom Betrachter immer als etwas Unerwartetes betrachtet. Das menschliche Gehirn empfindet es aufgrund der Sehgewohnhei-ten als Ausschnitt und versucht automatisch die vermeintlich fehlenden Bildteile rechts und links zu ergänzen. Das gibt Ihnen als Fotograf die Möglichkeit, spannendere und dynamischere Bilder zu schaffen als im wesentlich statischeren Querformat.

Das Quadrat

Das quadratische Format findet sich heute nur noch selten. Nur Mittelformatkameras haben nativ eine gleiche Kanten-länge. So bedeutet das Quadrat immer einen nachträglichen Beschnitt der Aufnahme, egal ob das Original im Hoch- oder Querformat aufgenommen wurde. Planen Sie diesen Beschnitt aber unbedingt bereits bei der Aufnahme des Fotos und stim-men Sie Lichtführung und Bildkomposition darauf ab. Wenn Sie im Querformat aufnehmen, bildet das Bildraster eine gute Orientierung, indem Sie das letzte Drittel der Aufnahmefläche gedanklich ignorieren.

Das Panorama

Aufnahmen in der Menschenfotografie, die dieses Format haben, sind eher selten. Manchmal dient eine Dehnung des Seitenverhältnisses zur Unterstützung des Motivs. Es gibt dem Modell eventuell mehr Raum in Blickrichtung oder wird not-wendig, weil das Bild zum Beispiel für ein Banner im Internet verwendet werden soll. Das Panorama bietet Ihnen auch bei einer Ganzkörperaufnahme die Möglichkeit, eventuell stören-de Bildelemente durch Beschnitt zu eliminieren.

Angelegt wurde das Foto für ein quadratisches Ausgabeformat und nur so wirkt das Ergebnis stimmig und die Komposition bewegt sich wieder im Goldenen Schnitt. Kamera: Nikon D200 mit 80-200 mm f/2.8er Objektiv – Belichtung 1/160 Sek. bei f/2.8 – Brennweite 230 mm – ISO 200. Foto: Carina Meyer-Broicher

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Die Szene vorbereitenBesonders dann, wenn Sie neu im Genre Menschenfotografie sind, sollten die Vorbereitungen für ein Shooting gut geplant werden. Aber auch als alter Hase passiert es mir häufig, dass ich ein bestimmtes Accessoire ein-fach deswegen vergesse, weil ich mir keine Merkliste gemacht habe. Das ist nicht nur ärgerlich und kostet Zeit, sondern ist häufig auch nicht zu erset-zen und so müssen Sie eventuell eine ganze Szene streichen.

Überlegen wir uns also zuerst, was wir bei der Planung berücksichtigen müssen. Dazu leihen wir uns aus dem Journalismus einfach einmal die Fra-gen „Wer, wann, wo, was und warum?“ aus. Das sollte alle Bereiche unserer Planung abdecken.

Wer? In der Regel sollten Sie Ihr Modell bereits im Vorgespräch kennengelernt haben. Wenn das aus Gründen der Entfernung nur telefonisch stattge-funden hat, kennen Sie aber zumindest den Namen, das Geschlecht und das Alter. Eventuell haben Sie auch bereits Fotos gesehen und können aus diesen Informationen bereits Entscheidungen hinsichtlich der benötigten technischen Ausstattung treffen wie zum Beispiel weiches oder hartes Licht.

Wann?Tages- und Jahreszeit haben Einfluss auf die Lichtverhältnisse. Sie planen Außenaufnahmen oder Fotos on Location hinsichtlich der Lichtverhältnis-se und der Lichtrichtung. So wissen Sie genau, ob Sie zusätzliche Lichtquel-len benötigen und bestimmte Aufnahmezeiten unbedingt meiden müssen. Das „Wann“ wird allerdings in der Event-Fotografie durch einen festen Termin bestimmt.

Wo?Der Aufnahmeort bestimmt nicht nur, ob eventuell zusätzliches Licht benötigt wird, sondern beeinflusst auch den Bildhintergrund, wenn Sie nicht gerade im Studio fotografieren. Das fließt in Ihre Überlegungen hin-sichtlich des Bildausschnitts und der Brennweite ein.

Was?Das Modell, so weit klar. Aber hier geht es mehr darum, in welchem Rah-men die Aufnahmen stattfinden. Das Umfeld nimmt Einfluss auf die Art des Porträts. Entstehen formelle Aufnahmen oder entspannte Fotos in gemütlichem Umfeld?

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Warum? Die letzte Frage ist wahrscheinlich die wichtigste. Es geht um den Zweck der Aufnahmen. Benötigt das Modell die Bilder für private oder berufliche Zwecke oder sollen Aufnahmen für eine neue Sedcard des Modells entste-hen? Sollen sie in einer Zeitschrift oder einem Buch veröffentlicht oder in einer Ausstellung gezeigt werden? Der Verwendungszweck der Fotos gibt Ihnen in der Regel eine ganz bestimmte Richtung der Fotos vor.

Anhand der Antworten auf diese Fragen stellt sich Ihre Ausrüstung zusam-men und Sie können mittels Erfahrungen aus ähnlichen Shootings auf eventuell auftretende Probleme vorbereitet sein. Das schließt Notfallpläne für schlechte Wetter- und Lichtverhältnisse ebenso ein wie Verspätungen und den Ausfall von Technik wie zum Beispiel die Ersatzkamera und den Zweitblitz bei einmaligen Events wie Hochzeiten.

Listen sind ein sinnvolles Hilfsmittel, um gegen fast alle Eventualitäten gewappnet zu sein.

Listen:Ausrüstung Alles, was in die Fototasche muss, von Kamera über Objektive bis hin zu geladenen Akkus ebenso wie zusätzliches Licht in Form von Reflektoren über Blitzgerät bis hin zu Studioblitzen oder -lampen.

Zeitplan Planen Sie den zeitlichen Ablauf besonders dann, wenn Sie oder das Modell nur ein eingeschränktes Zeitfenster zur Verfü-gung haben oder die Location nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung steht.

Motivliste Halten Sie stichpunktartig oder mit Beispielbildern alle Motive fest, die Sie aufnehmen möchten. Ordnen Sie die Liste nach Wichtigkeit. Oftmals vergeht die Zeit schneller als geplant und so nehmen Sie die wichtigen Motive am Anfang auf und ärgern sich nicht, wenn am Ende keine Zeit mehr dafür bleibt.

Personen Die Mobilfunknummern aller Beteiligten an den Auf-nahmen. Das können neben der des Modells oder der Modelle auch die des Assistenten, der Visagistin oder die von Helfern sein. So kön-nen Sie Ihre eigene Verspätung mitteilen und sich über Verspätungen der anderen informieren und gegebenenfalls den Zeitplan über-arbeiten.

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Umgebung und HintergrundDas Umfeld Wenn Sie nicht im Studio fotografieren, hat das Set Ihnen viel mehr zu bieten als einen einfarbigen Hintergrund. Und auf einmal werden die Umgebung und der Hintergrund zu einem wichtigen Teil Ihres Porträts. In der Regel beherrscht das Gesicht des Modells das Porträt. Aber häufig kann es für die Bildaussage auch wichtig sein, dem Umfeld einen promi-nenteren Platz im Foto einzuräumen. Das trifft sowohl auf Arbeitsporträts zu als auch auf Homestorys, bei denen das Modell in seiner gewohnten Umgebung gezeigt wird. Oder Inszenierungen erfordern ein ganz bestimm-tes Umfeld, um die Bildaussage zu stützen.

Wenn Sie on Location arbeiten, müssen Sie abgesehen vom Modell auf viele Kleinigkeiten achten, die den Bildeindruck später mindern können. Kalkulieren Sie hier entsprechend mehr Zeit ein.

Checkliste: Ordnung Muss das Set aufgeräumt werden? Stören herumliegende Gegenstände und lenken vom Hauptmotiv Mensch ab? Stehen Türen, Schranktüren und Schubladen offen? Eventuell müssen Gegenstände im Vordergrund entfernt und Lampen umgestellt werden.

Hintergrund Ist der Hintergrund zu dominant und zieht die gesamte Aufmerksamkeit auf sich? Achten Sie hier besonders auf kontrastreiche Farben in Wandschmuck jeglicher Art. Entweder lässt sich das Bild abneh-men oder durch Veränderung des Ausschnitts weniger auffällig in das Foto integrieren. Aber mit offener Blende und etwas Abstand des Modells von der Wand bietet ein Wandschmuck eventuell sogar einen hervorragenden Hintergrund.

Reflexionen Gibt es stark reflektierende Elemente im Raum? Achten Sie auf Spiegel sowie spiegelnde und glänzende Oberflächen. Zum einen kön-nen unbeabsichtigte Reflexionen die Bildwirkung stören und zum anderen müssen weder Sie noch Ihre Ausrüstung unbeabsichtigt als Spiegelung im Bild erscheinen. Auch hier hilft eine Veränderung des Ausschnitts. Im schlimmsten Fall müssen Sie auch hier wieder etwas umdekorieren.

Requisiten Oftmals scheitert ein tolles Foto an einer Kleinigkeit, näm-lich an einem fehlenden Requisit. Stellen Sie sicher, dass alle geplanten Gegenstände vor Ort vorhanden sind. Das können zum Beispiel für ein Business-Porträt eine Wirtschaftszeitung und ein Laptop sein.

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Beleuchtung Stellen Sie fest, ob Sie zusätzliches Licht benötigen und wenn ja in welcher Form. Oft reichen der Aufsteckblitz und ein Reflek-tor aus. Wenn Sie Studioblitze mitnehmen, überprüfen Sie, ob genügend Steckdosen in Reichweite sind oder noch eine Kabeltrommel benötigt wird.

Der HintergrundBei Aufnahmen außerhalb des Studios ersetzen Sie zumeist einfarbige Hin-tergründe und absolut planbares Licht durch eine spannendere, aber auch schwierigere Umgebung. Der Hintergrund ist all das, was sich hinter dem Modell befindet, also die letzte Ebene im Bild. Sie werden sich in der Regel einen Aufnahmeort wählen, der zum Modell und der Art der geplanten Aufnahmen passt. Aber trotz weit geöffneter Blende kann sich ein solcher Hintergrund deutlich stärker auf das gesamte Bild auswirken, als Sie es geplant haben. Das menschliche Gehirn setzt auch aus unscharf abgebilde-ten Bildelementen wieder das scharfe Ganze zusammen.

Je stärker also das Hauptmotiv, Ihr Modell, das Foto dominieren soll, um so schlichter in Farbe und Struktur muss der Hintergrund sein. Aber auch eine farbneutrale Hauswand birgt kleine Tücken wie Schmutzflecken oder Reflexionen. Versuchen Sie, die gröbsten Störungen zu vermeiden, und retuschieren Sie kleine Stellen anschließend digital.

Frisur & Make-upHaare und FrisurenBei Porträts spielen die Haare eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Dabei geht es zunächst einmal gar nicht um das Styling, sondern ihre Bedeutung für die Beurteilung des Modells durch den Betrachter. Auch Haare oder ihr Fehlen vermitteln bei Männern wie Frauen Gesundheit und Frische. Aus-genommen hiervon sind modische Kahlköpfe, die andere Anforderungen an Sie stellen.

Exotisch anmutende und farbenprächtige Haartrachten können so domi-nant wirken, dass sie sogar vom Gesicht ablenken und das Haar zum Hauptmotiv machen, eine Wirkung, die höchstens in den Bereichen Fashion, Glamour und Beauty gefragt ist, aber nicht bei einem eher klas-sischen oder formalen Porträt. Tückisch sind auch einzelne Haare oder Haarsträhnen, die sich immer wieder ins Gesicht verirren, durchs Auge laufen und nur mühsam in der Retusche wieder zu entfernen sind. Bitten Foto: Martin Schwabe

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Sie Modelle mit langen Haaren, sich diese noch einmal sorgfältig aus dem Gesicht zu streichen, denn Sie werden einzelne Haare weder im Sucher noch im Display sehen, sondern erst zu Hause am Monitor.

Grundsätzlich sollten die Haare das Gesicht nur umrah-men und weder Augen noch andere bildwichtigen Ele-mente verdecken. Kommt der Frisur mehr Bedeutung zu, sind wir schnell wieder weg vom klassischen Porträt und in der Modefotografie. Dennoch sollten Sie die Haare insbesondere bei der Ausleuchtung nicht vernachlässigen, auch wenn sie bereits im Bereich der Unschärfe liegen. Besonders dunkle Haare neigen dazu, zu einer schwarzen Masse ohne Struktur zu verschmelzen, wenn sie nicht beleuchtet werden. Lockern Sie die Haare etwas auf und gönnen Sie ihnen ein zusätzliches Licht oder einen Reflek-tor.

Make-upAuch beim Make-up sprechen wir nicht von einem Beauty-Styling, sondern ebenfalls wieder von einem klas-sischen Porträt. Hier geht es in erster Linie um den Haut-ton, mit dem der Betrachter Gesundheit und Schönheit von Frauen wie Männern in Verbindung bringt. Hautrö-tungen oder -flecken lassen sich vor dem Foto wesentlich einfacher reduzieren als anschließend am PC. Ein gutes, vor allem mattes Make-up spart Ihnen eine Menge Arbeit und verhindert Reflexionen, die besonders auf der Stirn und der Nase entstehen.

Ob sich das Modell selbst schminkt, bereits professionell geschminkt zum Shooting kommt oder Sie mit einer Visagistin zusammenarbeiten, sollte von Fall zu Fall ent-schieden werden.

Die meisten weiblichen Modelle wissen in der Regel ganz genau, welches Make-up ihren Typ am besten unterstreicht und wie kleinere Mängel durch das Schminken ausgeglichen werden. Professionelle und semiprofes-sionelle Modelle haben meistens Kurse besucht und kommen auch ohne Visagistin bestens klar. Klären Sie auf jeden Fall im Vorgespräch, wie das Schminken gehandhabt werden soll.

Ein Blick hinter die Kulissen: Professio-nelle Visagisten kommen auch unter den unmöglichsten Umständen zurecht. Aller-dings wird der Strom vom Generator statt für das Licht dann schon einmal für den Föhn gebraucht. Visagist: Argos Montero, Köln

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Es kann in keinem Fall schaden, wenn Sie selbst sich auch zumindest mit den Grundlagen des Make-ups auseinandersetzen. So sind Sie zum einen für den schlimmsten Fall gerüstet und zum anderen können Sie präzise Anweisungen zum Schminken geben. Haben Sie auch stets eine kleine Aus-wahl an Schminkutensilien im Gepäck oder Studio vorrätig. Hierzu gehö-ren in erster Linie matter Puder in verschiedenen Hauttönen, Wimpern-tusche, Kajal, verschiedene Lidschatten, Lippenkonturstifte, Lippenstifte und Lip-gloss. Haarbürste, Kamm, Haarspray und Styling-Gel runden das Sortiment ab. Verwenden Sie aus hygienischen Gründen zum Auftragen auswaschbare Pinsel, Applikatoren sowie Wattestäbchen und -Pads.

Was das Make-up selbst angeht, gibt es ein paar Grundsätze: Betonen Sie den Teil des Gesichts, auf dem später auch der Fokus liegt. Lenken Sie

nicht mit auffälligem Lippenstift von den Augen ab oder mit farbenfrohem Lidschat-ten von den Lippen. Lippen lassen sich mit Konturenstiften verkleinern, wenn Sie den Stift innen auftragen und entsprechen vergrößern, wenn der Lip-liner außen aufgetragen wird. So lassen sich auch Unregelmäßigkeiten in der Lippenform ausgleichen.

Die Farbwahl richtet sich in der Regel nach der Kleidung des Modells. Daneben bestimmt auch der Typ des Modells die Töne des Make-ups, also die Wahl wär-merer oder kühlerer Farben. Kleine oder tiefliegende Augen können mit hellem Lidschatten optisch vergrößert werden.

Verzichten Sie hier auf dunkle Töne und dunklen Kajal, der die Augen noch kleiner macht.

Wenn Sie von vorne herein Schwarzweißfotos planen, sollte das Make-up kräftiger ausfallen. Die fehlende Farbwirkung reduziert die Wirkung erheb-lich.

Bei wirklich wichtigen Aufnahmen oder Auftragsarbeiten sollten Sie die Hilfe einer Visagistin in Anspruch nehmen. Hier helfen präzise Anwei-sungen und einer langfristigen und reibungslosen Zusammenarbeit steht nichts im Wege. Sprechen Sie also vorher mit dem Make-up-Artist ihre Vorstellungen genau ab und zeigen Sie an Beispielen, welche Vorstellungen Sie haben. Ich mache beim Frisör beim Durchblättern der Modezeitschrif-ten immer „Notizen“ mit der Kamera des Handys und kann so genau zei-

Im Studio benötigen das Modell und die Visagistin einen ruhigen Platz abseits vom

Set zum Schminken. Visagistin: Esther Schnorrenberg, Köln.

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gen, was ich mir vorstelle. Planen Sie die Zeit für das Schminken unbedingt in Ihren Shooting-Ablauf ein. Rechnen Sie bei einem Tages-Make-up mit einer halben Stunde und planen Sie für aufwändige Beauty-Shots inklusive Hair-Styling bis zu drei Stunden ein.

Kleidung & AccessoiresDie Auswahl der Kleidung können Sie nur bei Nahaufnah-men vernachlässigen. Aber schon bei einem Oberkörper-porträt kommen Hemd oder Bluse mit auf das Foto und nehmen einen beträchtlichen Teil der Bildfläche ein. Der Betrachter zieht aus der Bekleidung automatisch Rück-schlüsse über die abgebildete Person. Deswegen müssen Sie dem Outfit eine größere Bedeutung beimessen, als Sie dies vielleicht möchten, und zwar abhängig von der Intention und dem Sujet der Aufnahmen.

Kleidung spiegelt die PersönlichkeitAuch hier gilt bei klassischen Porträts, dass die Kleidung die Persönlichkeit des Modells unterstützen soll und nicht selbst zum Motiv wird. Klären Sie bereits im Vorgespräch die Verwendung der Aufnahmen und damit auch die mitzubringende Kleidung. Ein Shooting umfasst zumeist verschiedene Aspekte der Persönlichkeit. Dementsprechend werden diese Facetten auch von verschiedenen Kombinationen von Oberbekleidung unterstützt. Einen eher sportlichen Menschentyp in ein elegantes Kostüm zu stecken, ist da eher kontraproduktiv. Die verschiedenen Perspektiven durch die Kleidung zu zeigen, ist der richtige Weg. Bitten Sie das Modell, neben Business-Kleidung auch Freizeit- und Abendkleidung mitzubringen. So können Sie das Modell in verschiedenen Lebenssituationen zeigen. Weisen Sie darauf hin, knallige Farben und auffällige Muster nach Möglichkeit zu vermeiden. Auch stark reflektierende und auffällige Applikationen sollten Sie umge-hen. Sicherheitshalber sollte das Modell eine Auswahl mitbringen, aus der Sie das Passende auswählen.

Bei Porträts im Kontext sollten Sie das Modell auch in der dazu gehören-den Kleidung fotografieren, das kann der Anzug bei Business-Fotos ebenso wie der Kittel oder Blaumann in anderen Berufen sein. Meine oberste Prä-misse bei der Auswahl der Kleidung ist immer, dass sich das Modell in der Kleidung wohl und nicht „verkleidet“ fühlt. Das tollste Kleid verliert seine Wirkung, wenn das Modell so ein Kleid niemals trägt und sich sichtlich

Foto: Jörg Böh (www.joerg-boeh.de)

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unwohl darin fühlt. Ein entspanntes und glückliches Gesicht im Lieblings-T-Shirt ist für das Bildergebnis wesentlich sinnvoller.

Anders bei inszenierten Aufnahmen: Hier schlüpft das Modell in eine Rolle, zu der auch das „Kostüm“ gehört. Aber hier charakterisieren Sie das Modell auch nicht, sondern die Persönlichkeit des Menschen tritt voll-ständig hinter seiner Rolle zurück.

Es ist weder bei Bewerbungsfotos noch bei Fotos für die Partnersuche sinnvoll, die Persönlichkeit hinter der Kleidung zu verstecken und mit der Aufnahme eine andere Persönlichkeit zu suggerieren. Spätestens beim Vorstellungsgespräch oder ersten Date fliegt der Etikettenschwindel auf und das Modell gerät in einen Erklärungsnotstand.

Schuhe und SchmuckZum Outfit sowie zur Abrundung der Persönlichkeit gehören auch die passenden Accessoires. Angefangen von den Schuhen, die bei Ganzkörperporträts auf die Kleidung sowohl farblich wie auch vom Stil her abgestimmt werden müssen, bis hin zum Schmuck. Der Turnschuh zum Anzug mag zwar bei einem Fern-sehmoderator noch witzig sein, hat aber auf einem Business-Porträt nichts zu suchen. Es sei denn, der porträtierte ist überzeugter Turnschuhträger und es ist Teil seiner Persönlichkeit. Sie sehen, es ist gar nicht so einfach, allgemeingültige Regeln für das Outfit auf-

zustellen. Auch die Schuhe lassen beim Betrachter wieder Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu und charakterisieren das Modell. Turnschuhe, Arbeitsschuhe, Gummistiefel, High-Heels oder flache Pumps assoziieren bestimmte Wesenseigenschaften und Berufsgruppen und sollten auch so eingesetzt werden.

Der Schmuck gehört ebenso wie die Kleidung zur Persönlichkeit eines Menschen. Deswegen sollte er nur in Ausnahmefällen abgenommen oder verändert werden, nämlich dann, wenn er zu stark ablenkt, weil er zu groß oder zu auffällig ist. Bei Männern trifft das in der Regel auf auffäl-lige Uhren zu, die den Blick anziehen und leicht abgenommen oder mit dem Ärmel verdeckt werden können. Bei Ohrringen und Piercings muss

Besonders auffälliger Schmuck muss auf das gesamte Styling abgestimmt sein. Ach-ten Sie bei funkelnden Steinen und Perlen unbedingt auf unschöne Reflexionen und

Überstrahlungen. Kamera: Nikon D100 mit 80-200 mm f/2.8er Objektiv – Belichtung

1/80 Sek. bei f/2.8 – Brennweite 200 mm – ISO 200. Foto: Carina Meyer-Broicher.

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man abwägen. Großer, auffälliger Ohrschmuck lenkt in der Regel von den Augen ab. Wenn Ohrringe oder Piercings jedoch abgenommen werden, bleiben in der Regel kleine Löcher sichtbar, die entweder überschminkt oder in der Bildbearbeitung retuschiert werden müssen. Wechseln Sie hier lieber den Ohrschmuck gegen einen kleineren, unauffälligeren aus. Wenn das Piercing immer getragen wird, sollte das auch beim Foto so sein. Durch die Perspektive, Lichtführung und den Aufnahmestandpunkt müs-sen Sie dann versuchen, es weniger dominant im Bild zu platzieren.

BrillenBrillenträger stellen immer eine Herausforderung an den Fotografen dar. Brillen reflektieren, spiegeln, verdecken die Augen und machen sie je nach Art der Fehlsichtigkeit kleiner oder größer. Bei Brillen, die nur zum Lesen getragen werden müssen, ist es eine Über-legung wert, sie einfach ganz wegzulassen. Trägt das Modell jedoch ständig eine Brille, sollte sie mit aufs Porträt. Hierbei müssen Sie ganz besonders darauf achten, dass Brillenrahmen oder -glas das Auge nicht durchschneiden. Die Brille muss gegebenenfalls etwas höher oder niedriger aufgesetzt werden, als sie übli-cherweise getragen wird, um einen solchen Schnitt zu vermeiden. Reflexionen oder Spiegelungen müssen Sie durch Heben, Senken oder Drehen des Kopfs elimi-nieren. Machen Sie hier zur Sicherheit ein paar Fotos mehr als sonst, weil Sie auf dem Display der Kamera nicht immer jedes Detail erkennen können.

Kontaktlinsen sind eine Alternative, aber leider immer etwas größer als die Iris. So sind die Ränder der Linsen bei Nahaufnahmen immer zu sehen, manchmal leider auch erst nach dem Shooting am Monitor. Fragen Sie vorher nach Linsen und lassen Sie sie das Modell falls möglich lieber entfernen.

Bei stark fehlsichtigen Menschen, und ich spreche da als „Betroffene“, passiert es häufig, dass sich nach dem Entfernen von Sehhilfen ein Schielen einstellt, also ein Auge beim verzweifelten Versuch des Fokussierens abwandert. Hier hilft entweder, die Augen bis zum Auslösen geschlossen zu halten oder sich doch für Fotos mit Sehhilfe zu entscheiden.

Mit ein wenig Geduld lassen sich auch Brillen schattenfrei und ohne Reflexion ausleuchten. Kamera: Nikon D200 mit 80-200 mm f/2.8er Objektiv – Belichtung 1/250 Sek. bei f/11 – Brennweite 250 mm – ISO 100. Foto: Carina Meyer-Broicher


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