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17 CD LESUNG der hörverlag -...

Date post: 23-Aug-2019
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17 CD LESUNG der hör verlag Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht, Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein, Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun, Einer dem Dunklen Herrn auf dem dunklen Thron Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn. Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn. Gelesen von Achim Höppner
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17 CD LESUNG der hörverlag

Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht, Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein, Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun, Einer dem Dunklen Herrn auf dem dunklen ThronIm Lande Mordor, wo die Schatten drohn. Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, Ins Dunkel zu treiben und ewig zu bindenIm Lande Mordor, wo die Schatten drohn.

Gelesen von Achim Höppner

InhalT

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 4Kapitelaufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 10J. R. R. Tolkien – ein Leben für die Fantasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 14Achim Höppner – die deutsche Stimme Gandalfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 18

ANHANG AAnnalen der Könige und Herrscher . . . . . . . . . . . . . S. 22I Die númenórischen Könige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 22

1. Númenor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 222. Die Reiche im Exil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 303. Eriador, Arnor und Isildurs Erben. . . . . . . . . . . . S. 324. Gondor und Anárions Erben. . . . . . . . . . . . . . . . S. 41

ANHANG FI Die Sprachen und Völker des Dritten Zeitalters . . . . . S. 67

Von den Elben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 68Von den Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 69Von den Hobbits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 73Von den anderen Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 74

II Zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 78Anmerkung zu drei Namen: Hobbit, Gamdschie und Brandywein . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 88

Zur neuen Übersetzung von Wolfgang Krege . . . . . . . S. 90

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 3

der hörverlag

Aus dem Englischen von Wolfgang KregeGedichte übersetzt von E.M.-M. von FreymannGelesen von Achim Höppner

Technik: Christoph Panizza, Giesing Team MünchenProduktion: Der Hörverlag 2006

Vorwort

Diese Geschichte wuchs sich, während ich sie schrieb, zu einer Chronik desGroßen Ringkrieges aus, mitsamt vielerlei Ausblicken auf Ereignisse in nochälteren Zeiten. Sie wurde begonnen, bald nachdem Der Hobbit geschrieben undnoch bevor er 1937 erschienen war; dann aber ließ ich diese Fortsetzung liegen,denn ich wollte zunächst die Sammlung von Mythen und Sagen der ÄltestenTage vervollständigen und zu Papier bringen, die damals schon seit Jahren Gestaltangenommen hatte. Das sollte zum eigenen Vergnügen geschehen, denn esbestand wenig Hoffnung, dass auch andere sich für ein solches Werk interessierenwürden, das ja vor allem linguistisch inspiriert war und anfangs nur den Zweckhatte, den nötigen »historischen« Hintergrund für die Elbensprachen zuschaffen.

Als diejenigen, deren Rat und Urteil ich einholte, mich berichtigten, dassnicht wenig, sondern keine Hoffnung bestehe, nahm ich diese Fortsetzung wiederauf, ermutigt durch Anfragen von Lesern nach weiteren Auskünften über dieHobbits und ihre Abenteuer. Aber unwiderstehlich zog es die Erzählung zu derälteren Welt hin, und so wurde sie gewissermaßen zu einem Bericht von derenEnde und Vergehen, bevor noch der Anfang und die Zwischenzeit bekannt waren.Diese Entwicklung hatte begonnen, als ich den Hobbit schrieb, wo die älterenStoffe auch schon einige Male erwähnt wurden: Elrond, Gondolin, die Hoch-elben und die Orks, und wo ganz plötzlich Dinge ins Blickfeld kamen, mitdenen es eine höhere, tiefere oder dunklere Bewandtnis hatte, als auf den erstenBlick zu erkennen war: Durin, Moria, Gandalf, der Nekromant, der Ring.

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten

Als ich herausfand, was dies alles zu bedeuten und was es mit den früherenGeschehnissen zu tun hatte, ergab sich ein Bild des Dritten Zeitalters mit seinemGipfel im Ringkrieg.

Die Leser, die mehr über Hobbits hatten erfahren wollen, bekamen schließ-lich, was sie wollten, mussten aber lange warten; denn die Arbeit am Herrn derRinge zog sich mit Unterbrechungen über die Jahre von 1936 bis 1949 hin, eineZeit, in der ich viele andere Verpflichtungen zu erfüllen hatte und als Lehrenderund Lernender vielerlei Interessen nachging, die mich oft ganz in Anspruchnahmen. Natürlich trug auch der Ausbruch des Krieges 1939 zur Verzögerungbei, und am Ende dieses Jahres war noch nicht einmal das Buch I fertig. Trotz derdunklen fünf Jahre, die nun folgten, mochte ich die Sache nicht ganz aufgebenund schleppte mich voran, meistens nachts, bis ich an Balins Grab in Moriastand. Dort gab es einen langen Aufenthalt. Erst nach fast einem Jahr ging esweiter, und Ende 1941 kam ich bis nach Lothlórien und zum Großen Strom. Imnächsten Jahr schrieb ich die ersten Fassungen der Teile, die jetzt das Buch IIIausmachen, und die Anfänge der Kapitel 1 und 3 von Buch V; und dort, währendin Anórien die Leuchtfeuer brannten und Théoden ins Hargtal geritten kam, bliebich stecken. Ich wusste nicht weiter, und zum Nachdenken war keine Zeit.

1944 dann rang ich mich dazu durch, den Krieg, den ich noch zu führen oderwenigstens zu beschreiben hatte, mit all seinen Verwicklungen und losen Fädenzunächst auf sich beruhen zu lassen und erst einmal Frodo auf seinem Weg nach

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Mordor voranzubringen. Diese Kapitel, aus denen schließlich Buch IV wurde,schickte ich in Teillieferungen meinem Sohn Christopher, der damals bei derRoyal Air Force in Südafrika diente. Dennoch vergingen weitere fünf Jahre, bisdie Erzählung zu ihrem jetzigen Schluss gekommen war. In dieser Zeit zog ichin ein anderes Haus um, wechselte den Lehrstuhl und das College; und die Tagewaren zwar nicht mehr so dunkel, aber nicht weniger arbeitsreich. Dann, als zuguter Letzt das »Ende« erreicht war, musste die ganze Geschichte neu durchge-sehen und zu großen Teilen sogar von hinten nach vorn umgeschrieben werden.Und getippt werden musste sie auch noch, und zwar mehrfach: von mir selbst,denn die Kosten für eine professionelle zehnfingrige Schreibkraft gingen übermeine Verhältnisse.

Seit Der Herr der Ringe nun gedruckt vorliegt, haben ihn viele gelesen; und ichmöchte etwas zu den mancherlei Meinungen oder Vermutungen über die Motiveund den Sinn der Geschichte sagen, die ich gehört oder gelesen habe. Daswichtigste Motiv war der Wunsch des Erzählers, sich an einer wirklich langen Geschichte zu versuchen, die die Aufmerksamkeit des Lesers wach halten, ihnbelustigen und erfreuen und ihn vielleicht auch manchmal erregen oder tieferberühren könnte. Leiten konnte mich nur das eigene Gefühl dafür, was reizvolloder bewegend ist, und nach Ansicht vieler Beurteiler hat es mich unvermeidlichoft fehlgeleitet. Manche, die das Buch gelesen oder jedenfalls rezensiert haben,fanden es langweilig, abstrus oder verachtenswert, und ich habe keinen Grund,mich zu beklagen, denn ich denke ähnlich über ihre Werke oder über die ArtBücher, die sie offenbar vorziehen. Aber auch aus der Sicht vieler Leser, denendie Geschichte gefallen hat, gibt es etliches zu bemängeln. Es ist wohl in einer

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langen Geschichte nicht möglich, es jedermann an allen Stellen recht zu machenoder jedermann an den gleichen Stellen zu missfallen; denn wie ich aus denZuschriften der Leser ersehe, werden dieselben Passagen oder Kapitel, die fürmanche ein Ärgernis sind, von anderen besonders beifällig aufgenommen. Alskritischster von allen Lesern finde ich selbst darin nun vielerlei Mängel, größereund kleinere, doch weil ich zum Glück nicht verpflichtet bin, das Buch sei es zurezensieren, sei es neu zu schreiben, will ich sie mit Stillschweigen übergehen –alle bis auf einen, den auch andere bemerkt haben: Das Buch ist zu kurz.

Was die tiefere Bedeutung oder »Botschaft« des Buches angeht, so hat esnach Absicht des Autors keine. Es ist weder allegorisch, noch hat es irgendeinenaktuellen Bezug. Als die Geschichte wuchs, schlug sie Wurzeln (in die Vergangen-heit) und verzweigte sich in unerwartete Richtungen, aber ihr Hauptthemastand von Anfang an fest, weil der Ring nun einmal das Bindeglied zum Hobbitsein musste. Das zentrale Kapitel »Der Schatten der Vergangenheit« ist einesder ältesten Stücke der Erzählung. Es wurde geschrieben, als aus den Vorzeichenfür 1939 noch längst nicht die Gefahr einer unabwendbaren Katastrophe zuerkennen war; und von diesem Punkt aus hätte die Geschichte im Wesentlichenden gleichen Fortgang genommen, auch wenn das Unglück abgewendet wordenwäre. Ihre Quellen sind Dinge, die mich seit langem beschäftigten und zum Teil auch schon niedergeschrieben waren, und der Krieg, der 1939 begann,und seine Folgen änderten an ihr wenig oder nichts.

Der wirkliche Krieg hat weder in seinem Verlauf noch in seinem Ausgang eineÄhnlichkeit mit dem Krieg der Sage. Hätte er als Vorbild oder Leitfaden gedient,

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so hätte man sich des Rings sicherlich bemächtigt und ihn gegen Sauron verwendet;und Sauron wäre nicht vernichtet worden, sondern unterworfen, und Barad-dûrnicht zerstört, sondern besetzt. Saruman, wenn er schon nicht in den Besitz desRinges gelangen konnte, hätte in den Wirren und Verrätereien jener Zeit Gelegen-heit gefunden, sich in Mordor die fehlenden Zwischenglieder seiner eigenenRingforschung zu verschaffen; und bald hätte er sich selbst einen großen Ringgeschmiedet, um den selbsternannten Beherrscher von Mittelerde damit heraus-zufordern. Den Hobbits wäre in einem solchen Konflikt von beiden Seiten nurHass und Verachtung begegnet; und nicht mal als Sklaven hätten sie lange überlebt.

Denkbar wären auch Deutungen gemäß den Vorlieben oder Ansichten der-jenigen, die auf allegorische oder aktuelle Bezüge Wert legen. Doch die Allegoriein allen ihren Formen verabscheue ich von Herzen, und zwar schon immer, seitich alt und argwöhnisch genug bin, ihr Vorhandensein zu bemerken. Geschichte,ob wahr oder erfunden, mit ihrer vielfältigen Anwendbarkeit im Denken undErleben des Lesers ist mir viel lieber. Ich glaube, dass »Anwendbarkeit« mit»Allegorie« oft verwechselt wird; doch liegt die eine im freien Ermessen desLesers, während die andere von der Absicht des Autors beherrscht wird.

Der Autor kann natürlich von der eigenen Erfahrung nicht völlig unberührtbleiben, aber der Vorgang, in dem der Keim einer Geschichte aus dem Bodender Erfahrung seine Nahrung zieht, ist äußerst verwickelt, und Versuche, ihn zubeschreiben, beruhen bestenfalls auf Mutmaßungen anhand unzureichenderund mehrdeutiger Befunde. Falsch, obgleich naturgemäß verlockend, ist auchdie Annahme, wenn das Leben eines Autors und das eines Kritikers sich über-

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schneiden, müssten die Ereignisse und geistigen Bewegungen ihrer Zeit auf beideden stärksten Einfluss ausgeübt haben. Gewiss, wie bedrückend ein Krieg ist,kann nur der ganz empfinden, auf den dieser Schatten einmal gefallen ist; dochim Laufe der Jahre scheint man nun oft zu vergessen, dass es ebenso schrecklichwar, als junger Mensch 1914 da hineinzugeraten wie 1939 und in den folgendenJahren. 1918 waren alle meine guten Freunde tot, bis auf einen. Oder, um einweniger trauriges Thema anzuschneiden: manche haben angenommen, dasKapitel über die »Säuberung des Auenlandes« spiegle die Situation in Englandzu der Zeit wider, als ich die Erzählung beendete. Das stimmt nicht. Das Kapitelwar ein von Anfang an vorgesehener wesentlicher Teil des Handlungsplans. Aller-dings veränderte es sich mit Rücksicht auf die Figur Sarumans, so wie sie sich imFortgang der Geschichte entwickelte, ohne dass – muss ich es eigens sagen? –irgendeine allegorische Bedeutung oder ein aktueller politischer Bezug hinzukam.Dennoch ist es in gewissen Erfahrungen begründet, wenn auch nur entferntähnlichen (denn die wirtschaftliche Lage war eine ganz andere) und viel weiterzurückliegenden. Die Gegend, in der ich meine Kindheit verbracht hatte, wurdeverwüstet, bevor ich zehn war, zu einer Zeit, als Automobile eine Seltenheit waren(ich hatte nie eines gesehen) und als man noch Vorortbahnen baute. Vor kurzemsah ich in einer Zeitung ein Bild, das die alte, einst florierende Mühle des Ortesim letzten Stadium der Baufälligkeit zeigte, neben dem Mühlteich, der mir vorlanger Zeit so viel bedeutet hatte. Den jungen Müller hatte ich nie gemocht,aber sein Vater, der alte Müller, hatte einen schwarzen Bart, und er hieß nichtSandigmann.

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CD 1 LaufzeiT ca. XX MinuTen1 AnsageXX PrologXX Über HobbitsXX Über PfeifenkrautXX Von der Ordnung im AuenlandXX Vom RingfundXX Anmerkung zu den auenländischen Geschichtsbüchern

CD 2 LaufzeiT ca. XX MinuTen

ERSTES BUCH1–X Erstes Kapitel: Ein langerwartetes FestXX Zweites Kapitel: Der Schatten der VergangenheitXX Drittes Kaptitel: Wanderung zu dritt

CD 3 LaufzeiT ca. XX MinuTen1–X Viertes Kapitel: Querfeldein zu den PilzenXX Fünftes Kapitel: Eine aufgedeckte Verschwörung

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten

CD 4 LaufzeiT ca. XX MinuTen1–X Sechstes Kapitel: Der Alte WaldXX Siebentes Kapitel: In Tom Bombadils Haus

CD 5 LaufzeiT ca. XX MinuTen

1–X Achtes Kapitel: Nebel auf den HügelgräberhöhenXX Neuntes Kapitel: Im Gasthaus Zum tänzelnden Pony

CD 6 LaufzeiT ca. XX MinuTen

1–X Zehntes Kapitel: StreicherXX Elftes Kapitel: Ein Messer im DunkelnXX Zwölftes Kapitel: Flucht zur Furt

CD 7 LaufzeiT ca. XX MinuTen

ZWEITES BUCH1–X Erstes Kapitel: Viele BegegnungenXX Zweites Kapitel: Elronds Rat

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CD 8 LaufzeiT ca. XX MinuTen1–X Drittes Kapitel: Der Ring geht nach SüdenXX Viertes Kapitel: Auf dunklen Straßen

CD 9 Laufzeit ca. XX Minuten

1–X Fünftes Kapitel: Die Brücke von Khazad-dûmXX Sechstes Kapitel: Lothlórien

CD 10 LaufzeiT ca. XX MinuTen

1–X Siebentes Kapitel: Galadriels SpiegelXX Achtes Kapitel: Abschied von Lórien

CD 11 LaufzeiT ca. XX MinuTen

1–X Neuntes Kapitel: Der große StromXX Zehntes Kapitel: Die Wege trennen sich

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten

CD 12 LaufzeiT ca. XX MinuTen

CD 13 LaufzeiT ca. XX MinuTen

CD 14 Laufzeit ca. XX Minuten

CD 15 LaufzeiT ca. XX MinuTen

CD 16 LaufzeiT ca. XX MinuTen

CD 17LaufzeiT ca. XX MinuTen

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J.R.R. Tolkien – ein Leben für die Fantasie

John Ronald Reuel Tolkien wurde am 3. Januar 1892 in Bloemfontein in Süd-afrika geboren. Sein Vater Arthur starb, als er gerade vier Jahre jung war, undso musste seine Mutter ihn und seinen jüngeren Bruder Hilary in bescheidenenVerhältnissen in England aufziehen. Die Umgebung, in die die Familie Tolkienzieht, prägte den jungen John und während der vier Jahre Aufenthalt im kleinenDorf Sarehole nahe Birmingham lernt er das ländliche England lieben. TolkiensMutter, eine gläubige, konvertierte Katholikin, musste ihre beiden Jungs gegenden Widerstand ihrer protestantischen Verwandten in der nur wenige Kilometerentfernten Großstadt erziehen lassen. Auch sie starb früh und hinterließ Johnund Hilary in der Obhut von Francis Xavier Morgan, einem Priester am Birming-ham Oratory. Der frühe Tod seiner Mutter bestärkte Tolkien für den Rest seinesLebens in seinem Glauben: Er sah seine Mutter als Märtyrerin, die aufgrundder bitteren Umstände ihres Lebens ihre Gesundheit für das Wohl ihrer Kinderopferte.

Früh schon zeigte sich die Begabung, die später zu Tolkiens Weltruhm führensollte: Seine Liebe zu Sprachen, seine Fähigkeit, sich mit Begeisterung mit einemThema lange Zeit, wenn nicht lebenslang, zu beschäftigen; der Wunsch, einenneuen Mythos für England zu schaffen. Er erhält ein Stipendium für das ExeterCollege in Oxford, wo er 1915 seinen Abschluss mit Bravour besteht. In dieserZeit lernte er die Frau seines Lebens kennen, Edith Bratt. Während der jungeAutor in Birmingham logierte, wohnte im selben Haus dieses bezaubernde jungeMädchen, das auch bald seine Ehefrau werden sollte, seine „Luthien“, die er

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am 22. März 1916 heiratet, bevor er in den Krieg zieht. Tolkiens akademischeLaufbahn wird nur vom Ersten Weltkrieg unterbrochen. Er wird den LancashireFusiliers, einer Fernmeldeeinheit, zugeordnet und verliert im Laufe der Schlachtan der Somme binnen eines Tages alle seine Freunde, bis auf einen. DieseErfahrung prägt ihn in jungen Jahren für den Rest seines Lebens und wird alswiederkehrender Topos - der Auseinandersetzung mit dem Tod - Einfluss aufsein Werk nehmen.

Tolkien durchläuft eine vorbildliche akademische Karriere. Nach Arbeitenam Oxford English Dictionary wird er zwei Jahre später Professor für Englischan der Universität Leeds. Weitere vier Jahre später wird ihm der Ruf als Rawlinsonund Bosworth Professor für Angelsächsisch am Pembroke College erteilt. Seineletzte Professur erhält er als Merton Professor für englische Sprache und Lite-ratur 1945 in seinem geliebten Oxford. Bekannt sind seine Übersetzung von Sir Gawain und der grüne Ritter, sein Vortrag Beowulf: Monster und ihre Kritiker und seineVortragsreihe On Fairy-Stories, die sich mit Mythologie, Fantasie und der Kreationsekundärer Welten beschäftigen.

John Ronald Reuel und Edith Tolkien hatten vier Kinder: 1917 wurde Johngeboren, der später Geistlicher in der anglikanischen Kirche werden sollte;1920 kam Michael zur Welt. Der Verwalter seines Erbes und Herausgeber derkritischen Edition des Werks seines Vaters, Christopher, kommt 1924 zur Weltund das Nesthäkchen Priscilla wird 1929 geboren. Tolkien geht 1959 in Ruhe-stand und ist überrascht, welchen Erfolg seine Neuschöpfung einer mythischen

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J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten16 17

Welt hat, die im Silmarillion, dem Herrn der Ringe und dem Hobbit Ausdruck findensollte. Gerade in den Vereinigten Staaten wird der Brite in den 60ern zumKultautor einer Gesellschaft in Bewegung, die sich anscheinend in Zeiten dessozialen Umbruchs fantastische Welten zu Fluchtburgen ihrer Fantasie aufbaut.Dies hatte Tolkien nie bezweckt, aber seine Vorstellung von Fantasie und Mytho-logie stand oft im Widerspruch zum allgemeinen Verständnis seines Werks.

Tolkien verbringt den Rest seines Lebens mit seiner geliebten Ehefrau Edith,die 1971 stirbt. 1972 wird er von der Queen mit dem Orden „CBE“ für seineherausragende literarische Bedeutung geadelt. Am Morgen des 2. September1973 stirbt der Schöpfer von Mittelerde nach kurzer Krankheit in einem Kranken-haus in Bournemouth, England.

Marcel Bülles

© Interfoto

Achim Höppner – die deutsche Stimme Gandalfs

Nach seiner Schauspielausbildung und dem Studium der Germanistik, Kunst-und Theatergeschichte arbeitete Achim Höppner als Schauspieler und Regisseur.Seit Jahren ist er erfolgreich für Film, Kino und Fernsehen tätig, vor allem inden Bereichen Synchronisation, Hörspiel, Lesung und Radiofeature. SeineStimme ist einem breiten Publikum bekannt. So synchronisierte er Gandalf imKinofilm „Der Herr der Ringe”, sowie Clint Eastwood, Paul Newman, DonaldSutherland u. v. a. und las für den Hörverlag bereits das Silmarillion. Darüberhinaus sucht Achim Höppner so oft wie möglich den direkten Kontakt zumPublikum in szenischen und literarischen Lesungen.

[Foto Höppner] © privat >>

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten18 19

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten

Anhänge

Angaben zu den Quellen für die meisten der in diesem und den folgendenAnhängen (besonders A bis D) zu behandelnden Stoffe finden sich in der Anmerkung über die auenländischen Geschichtsbücher am Ende des Prologs.

Die in den Quellen enthaltenen Sagen, Erzählungen und Berichte sind sehrumfangreich. Nur Auszüge aus ihnen, zumeist stark verkürzt, werden hier wieder-gegeben. Unser Zweck dabei ist vor allem, den Ringkrieg und seine Ursprüngezu verdeutlichen und manche Lücken in der Haupterzählung zu schließen. Diealten Sagen aus dem Ersten Zeitalter, denen Bilbos besondere Aufmerksamkeitgalt, werden nur sehr kurz behandelt, da sie von den Vorfahren Elronds undder númenórischen Könige und Stammesfürsten berichten. Wörtliche Auszügeaus längeren Geschichtswerken und Erzählungen erscheinen in Anführungs-zeichen, Hinzufügungen von späterer Hand in eckigen Klammern. Auch Zitatein den Fußnoten, soweit in Anführungszeichen, stammen aus den Quellen.Andere Fußnoten sind vom Herausgeber.

Die angegebenen Jahreszahlen beziehen sich auf das Dritte Zeitalter, soweitsie nicht mit Z. Z. (Zweites Zeitalter) oder V. Z. (Viertes Zeitalter) gekenn-zeichnet sind. Das Dritte Zeitalter galt mit dem Scheiden der Drei Ringe imSeptember 3021 als beendet; doch für die amtlichen Aufzeichnungen in Gondorbegann das erste Jahr des Vierten Zeitalters mit dem 25. März 3021. In den Listen der Könige und Herrscher bezeichnen die Zahlen nach den Namen,sofern nur eine angegeben wird, das Todesjahr. Das Zeichen † bedeutet vor-zeitiger Tod, in der Schlacht oder auf andere Weise, auch wenn keine Jahreszahlbekannt ist.

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1 Von Laurelin, dem goldenen Baum, war in Mittelerde kein Abbild oder Nachkomme mehr geblieben.

Anhang A

Annalen der Könige und Herrscher

I Die númenórischen Könige

1. Númenor

Feanor war unter den Eldar der größte Künstler und Gelehrte, aber zugleichauch der Stolzeste und Eigenmächtigste. Er schuf die drei Edelsteine, die silma-rilli, und gab ihnen das Licht der Zwei Bäume ein, Telperions und Laurelins1,die das Land der Valar erhellten. Die Edelsteine begehrte Morgoth, der Feind,der sie, nachdem er die Bäume vernichtet hatte, stahl und nach Mittelerde brachte,wo er sie in seiner großen Festung Thangorodrim verwahrte. Gegen den Willender Valar verließ Feanor das Segensreich und zog mit einem großen Teil seinesVolkes nach Mittelerde ins Exil; denn in seinem Stolz glaubte er, Morgoth dieSilmaril mit Gewalt wieder abringen zu können. So kam es zu dem aussichtslosenKrieg der Eldar und der Edain gegen Thangorodrim, in dem sie am Ende ver-nichtend besiegt wurden. Die Edain (Atani) waren die drei Menschenvölker, diezuerst in den Westen von Mittelerde und an die Küsten des Großen Meereskamen und zu Verbündeten der Eldar gegen den Feind wurden.

Zwischen den Eldar und den Edain kam es in drei Fällen zu ehelichen Vereini-gungen: zwischen Lúthien und Beren, Idril und Tuor, Arwen und Aragorn.

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten

Durch die letzte wurden die lange getrennten Zweige der Halbelben wieder vereinigt und ihre Erblinie wiederhergestellt.

Lúthien Tinúviel war die Tochter König Thingol Graumantels, der im ErstenZeitalter das Elbenreich von Doriath beherrschte; ihre Mutter aber war Melianvom Volk der Valar. Beren war der Sohn Barahirs vom Ersten Haus der Edain.Gemeinsam errangen sie einen der Silmaril aus Morgoths Eisenkrone. Lúthienwurde sterblich und war für das Elbengeschlecht verloren. Ihr Sohn war Dior,und dessen Tochter Elwing hatte den Silmaril in Verwahrung.

Idril Celebrindal war die Tochter Turgons, des Königs der verborgenen StadtGondolin. Tuor war der Sohn Huors aus dem Haus Hador, dem Dritten Volkder Edain, das in den Kriegen mit Morgoth den höchsten Ruhm erlangte.Earendil, der Seefahrer, war Idrils und Tuors Sohn.

Earendil heiratete Elwing, und mit der Macht des Silmarils durchfuhr er dasSchattenmeer und erreichte den äußersten Westen. Als Botschafter der Elben undMenschen erlangte er dort Hilfe, mit der Morgoth niedergeworfen wurde. Ihmwurde nicht erlaubt, in die Lande der Sterblichen zurückzukehren, und seinSchiff mit dem Silmaril wurde als Stern an den Himmel versetzt, zum Zeichender Hoffnung für alle vom großen Feind oder seinen Dienern bedrücktenBewohner von Mittelerde. Allein die Silmaril bewahrten noch das alte Licht derZwei Bäume von Valinor aus der Zeit, bevor Morgoth sie vergiftete; die anderenbeiden jedoch gingen am Ende des Ersten Zeitalters verloren. Von alledem undvielem andern, das Elben und Menschen betrifft, wird ausführlich im Silmarillionberichtet.

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J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten

In der Mitte des Landes stand ein hoher Berg, der Meneltarma, und wer guteAugen hatte, konnte von seinem Gipfel aus den weißen Turm am Hafen derEldar in Eressea sehen. Von dort kamen die Eldar zu den Edain herübergefahrenund machten sie um viele Kenntnisse und Geschenke reicher. Den Edain aberwar ein Verbot auferlegt worden, der »Bann der Valar«: Sie durften nicht außerSichtweite der eigenen Küsten nach Westen segeln oder versuchen, den Fuß aufdie Lande der Unsterblichen zu setzen. Denn obwohl ihnen ein langes Lebengewährt war, anfangs dreimal so lange wie das Leben gewöhnlicher Menschen,mussten sie doch sterblich bleiben, denn den Valar war nicht erlaubt, ihnen die»Gabe der Menschen« zu nehmen (oder das Menschenlos, wie man es späternannte).

Elros wurde der erste König von Númenor und trug später den hochelbischenNamen Tar-Minyatur. Seine Nachkommen waren langlebig, aber sterblich.Später, als sie viel Macht errangen, reute sie die Entscheidung ihres Ahnherrn;sie wünschten sich die Unsterblichkeit in dieser Welt, die das Schicksal der Eldarwar, und murrten gegen den Bann. So kam es, dass sie sich empörten und Sau-rons tückische Lehren annahmen, was zum Untergang von Númenor und zurZertrümmerung der alten Welt führte, wie in der Akallabêth berichtet wird.

Dies sind die Namen der Könige und Königinnen von Númenor:Elros Tar-Minyatur, Vardamir, Tar-Amandil, Tar-Elendil, Tar-Meneldur, Tar-Aldarion, Tar-Ancalime (die erste regierende Königin), Tar-Anárion, Tar-Súrion, Tar-Telperien (die zweite Königin), Tar-Minastir, Tar-Ciryatan,Tar-Atanamir der Große, Tar-Ancalimon, Tar-Telemmaite, Tar-Vanimelde(die dritte Königin), Tar-Alcarin, Tar-Calmacil.

Earendils Söhne waren Elros und Elrond, die Peredhil oder Halbelben. Inihnen allein war die Erblinie der heldenhaften Edain-Stammesfürsten aus demErsten Zeitalter erhalten; und nach Gil-galads Tod war auch die Linie der Hoch-elbenkönige in Mittelerde nur noch durch die Nachkommen der Halbelbenvertreten.

Am Ende des Ersten Zeitalters erwirkten die Valar von den Halbelben eineunwiderrufliche Entscheidung, welchem der beiden Geschlechter sie angehörenwollten. Elrond entschied sich für die Elben und wurde ein Weiser. Ihm wurdedaher dieselbe Gunst gewährt wie denjenigen Hochelben, die noch immer inMittelerde verweilten: dass er, wenn er schließlich der Sterblichenlande müdewürde, bei den Grauen Anfurten zu Schiff gehen und in den Äußersten Westenfahren könne; und dies galt auch nach der Verwandlung der Welt. Elronds Kinderwurden ebenfalls vor eine Wahl gestellt: entweder mit ihm aus den Kreisen derWelt zu scheiden oder aber, wenn sie blieben, sterblich zu werden und in Mittel-erde den Tod zu erwarten. Für Elrond war daher jeder mögliche Ausgang desRingkriegs schmerzlich.

Elros entschied sich für das Menschengeschlecht und blieb unter den Edain;doch wurde ihm ein langes Leben gewährt, viele Male länger als das gewöhnlicherMenschen.

Zum Lohn für ihre Leiden im Kampf gegen Morgoth wurde den Edain vonden Welthütern, den Valar, ein Land gegeben, wo sie sich fern von allen GefahrenMittelerdes niederlassen konnten. Die meisten von ihnen schifften sich daherein und fuhren, von Earendils Stern geleitet, übers Meer bis zu der großen InselElenna, dem westlichsten aller Sterblichenlande. Dort gründeten sie das Reichvon Númenor.

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Nach Calmacil übernahmen die Könige das Zepter unter Namen aus dernúmenórischen (oder adûnaischen) Sprache: Ar-Adûnakhôr, Ar-Zimrathôn,Ar-Sakalthôr, Ar-Gimilzôr, Ar-Inziladûn. Inziladûn bedauerte das Gebarenseiner Vorgänger und nahm wieder einen hochelbischen Namen an: Tar-Palantir,»der Weitblickende«. Seine Tochter hätte die vierte Königin, Tar-Míriël,werden müssen, doch sein Neffe riss das Zepter an sich: Ar-Pharazôn der Goldene, der letzte König von Númenor.

In den Tagen Tar-Elendils fuhren zum ersten Mal wieder Schiffe der Núme-nórer nach Mittelerde. Tar-Elendils ältestes Kind war eine Tochter, Silmariën.Ihr Sohn war Valandil, der erste der Fürsten von Andunië, die für ihre Freund-schaft mit den Eldar bekannt waren. Von ihm stammten Amandil ab, der letzteFürst des Hauses, und dessen Sohn Elendil der Lange.

Der sechste König hinterließ nur ein Kind, eine Tochter. Sie wurde die ersteKönigin, und damals wurde es zum Gesetz für das Königshaus, dass jeweils dasälteste Kind, ob Mann oder Frau, das Zepter übernehmen solle.

Das Reich von Númenor bestand bis zum Ende des Zweiten Zeitalters, beifortwährendem Zuwachs an Macht und Glanz; und während der ersten Hälftedes Zeitalters wurden die Númenórer auch immer klüger und glücklicher. Daserste Anzeichen des Schattens, der später auf sie fallen sollte, trat in den TagenTar-Minastirs auf, des elften Königs. Er war es, der Gil-galad ein großes Heerzu Hilfe schickte. Er schätzte die Eldar, aber er beneidete sie. Die Númenórerwaren nun große Seefahrer geworden; und nachdem sie alle Meere im Ostenerkundet hatten, dachten sie immer sehnsüchtiger an die verbotenen Gewässerim Westen. Je glücklicher ihr Leben war, desto mehr verlangte es sie nach derUnsterblichkeit der Eldar.

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten

Überdies wurden die Könige nach Minastir hab- und machtgierig. Zuerstwaren die Númenórer in Mittelerde nur als Lehrer und Freunde der geringerenMenschenvölker aufgetreten, die unter Sauron zu leiden hatten; doch nunwurden ihre Häfen zu Festungen, von denen aus sie weite Küstengebiete inKnechtschaft hielten. Atanamir und seine Nachfolger erhoben schwere Tribute,und ihre Schiffe kehrten beutebeladen nach Númenor zurück.

Tar-Atanamir war es, der sich zuerst offen gegen den Bann aussprach underklärte, dass das Leben der Eldar von Rechts wegen auch ihm gebühre. So ver-dichtete sich der Schatten, und der Gedanke an den Tod verdunkelte die Herzender Menschen. Nun bildeten sich Parteien: einerseits die Könige und ihreGefolgsleute, die den Eldar und den Valar fremd geworden waren; andererseitsdie wenigen, die sich selbst die Getreuen nannten. Von diesen wohnten diemeisten im Westen des Landes.

Die Könige und ihre Anhänger gingen nach und nach vom Gebrauch derElbensprachen ab, und schließlich nahm der zwanzigste König einen Herrscher-namen in der númenórischen Form an: Er nannte sich Ar-Adûnakhôr, »Herrdes Westens«. Dies schien den Getreuen nichts Gutes zu verheißen, denn bisherhatten sie diesen Titel nur einem Vala oder dem Ältesten König selbst beigelegt.Und tatsächlich begann Ar-Adûnakhôr die Getreuen zu verfolgen und alle, diesich öffentlich der Elbensprachen bedienten, zu bestrafen; und die Eldarbesuchten Númenor nicht länger.

Macht und Reichtum der Númenórer wuchsen indessen weiter; doch ihreLebenszeit wurde kürzer, während zugleich ihre Todesfurcht zunahm und ihrDasein freudlos wurde. Tar-Palantir versuchte, das Unheil abzuwenden, aber es war zu spät, und in Númenor kam es zum Zwist und Aufstand. Als er starb,ergriff sein Neffe das Zepter, der Anführer des Aufstands, und machte sich zum

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König. Ar-Pharazôn der Goldene war der stolzeste und mächtigste aller Könige,und sein Bestreben zielte auf nichts Geringeres als die Weltherrschaft.

Er beschloss, Sauron dem Großen die Vorherrschaft in Mittelerde streitig zumachen. Mit einer gewaltigen Flotte stach er in See und landete in Umbar. Sostark und prächtig war das Heer der Númenórer, dass Sauron, von den eigenenDienern im Stich gelassen, sich demütigte und unterwarf und um Verzeihungbat. Da nahm ihn Ar-Pharazôn, vom Hochmut verblendet, als Gefangenen mitnach Númenor. Es dauerte nicht lange, und Sauron hatte den König behextund verstand alle seine Entschlüsse zu lenken; und bald hatte er bis auf einenkleinen Rest der Getreuen alle Númenórer für die Sache des Dunkels einge-nommen.

Sauron machte dem König weis, das ewige Leben werde dem zuteil, der dieLande der Unsterblichen besitze, und der Bann sei nur verhängt worden, damitdie Könige der Menschen nicht mächtiger würden als die Valar. »Doch großeKönige«, sagte er, »nehmen sich, was ihnen zukommt.«

Schließlich hörte Ar-Pharazôn auf diesen Rat, denn er spürte, dass seine Tagegezählt waren, und die Todesfurcht trübte seinen Verstand. Er rüstete die größteStreitmacht, die die Welt je gesehen hatte, und als alles bereit war, ließ er dieTrompeten blasen und die Segel setzen. Den Bann der Valar brechend, zog ergegen die Herren des Westens in den Krieg, um ihnen das ewige Leben abzu-ringen. Doch als er den Fuß ans Ufer des gesegneten Landes Aman setzte, legtendie Valar ihr Hüteramt nieder und riefen den Einen an, und der Bau der Weltwurde geändert. Númenor wurde zertrümmert und vom Meer verschlungen,und die Lande der Unsterblichen wurden für immer aus den Kreisen der Weltentrückt. So endete Númenors Herrlichkeit.

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Die letzten Führer der Getreuen, Elendil und seine Söhne, entkamen demUntergang mit neun Schiffen, auf denen sie einen Sämling von Nimloth unddie Sieben Sichtsteine (ein Geschenk der Eldar für ihr Haus) mitführten, undein gewaltiger Sturm trug sie davon und warf sie an die Küsten von Mittelerde.Dort, im Nordwesten, gründeten sie die númenórischen Exilreiche von Arnorund Gondor. Elendil wurde ihr Hoher König und nahm seinen Sitz im Norden,in Annúminas; die Herrschaft im Süden übertrug er seinen Söhnen Isildur und Anárion. Dort gründeten sie die Stadt Osgiliath, zwischen Minas Ithil undMinas Anor gelegen, unweit der Grenzen von Mordor. Denn sie glaubten,wenigstens dies eine Gute habe das Unglück bewirkt, dass auch Sauron mitumgekommen sei.

Doch so war es nicht. Zwar hatte Sauron beim Untergang von Númenor Schadengenommen, sodass die leibliche Gestalt, in der er lange aufgetreten war, zugrundeging; aber er rettete sich nach Mittelerde, ein Geist des Hasses, getragen voneinem dunklen Wind. Hernach konnte er nie wieder eine für Menschen erträg-liche äußere Erscheinung annehmen; er wurde schwarz und abscheulich undherrschte nur noch durch Schrecken. Er kehrte zurück nach Mordor und hieltsich dort eine Zeit lang in aller Stille verborgen. Doch es erboste ihn gewaltig zuerfahren, dass Elendil, den er am innigsten hasste, davongekommen war undnun an seinen Grenzen ein Reich errichtete.

Daher überzog er die Exilreiche nach einiger Zeit mit Krieg, um sie nicht erstWurzel fassen zu lassen. Von neuem brach der Orodruin in Flammen aus, undin Gondor erhielt er einen neuen Namen: Amon Amarth, der Schicksalsberg. AberSauron führte seinen Schlag zu früh, bevor er die eigene Macht wieder gefestigt

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2 Isildurs vierter Sohn, geboren in Imladris. Seine Brüder fielen auf den Schwertelfeldern.3 Nach Earendur trugen die Könige ihren Namen nicht mehr in der hochelbischen Form.4 Nach Malvegil erhoben die Könige in Fornost wieder Anspruch auf die Herrschaft über ganz Arnor und stellten

zum Zeichen dafür ihrem Namen die Silbe ar(a) voran.

hatte, während Gil-galad in seiner Abwesenheit mächtiger geworden war; undals das Letzte Bündnis gegen ihn geschlossen wurde, konnte es Sauron nieder-werfen und ihm den Einen Ring abnehmen. So endete das Zweite Zeitalter.

2. Die Reiche im Exil

Die nördliche Linie: Isildurs ErbenArnor: Elendil † Z. Z. 3441, Isildur † 2, Valandil2 249, Eldacar 339, Arantar435, Tarcil 515, Tarondor 602, Valandur † 652, Elendur 777, Earendur 681.

Arthedain: Amlaith von Fornost3 (Earendurs ältester Sohn) 946, Beleg 1029,Mallor 1110, Celepharn 1191, Celebrindor 1272, Malvegil 13494, Argeleb I.† 1356, Arveleg I. 1409, Araphor 1589, Argeleb II. 1670, Arvegil 1743, Arveleg II.1813, Araval 1891, Araphant 1964, Arvedui der Letzte † 1975. Ende des Nörd-lichen Königsreichs.

Stammesoberhäupter: Aranarth (Arveduis ältester Sohn) 2106, Arahael 2177, Aranuir 2247, Aravir 2319, Aragorn I. † 2327, Araglas 2455, Arahad I. 2523,Aragost 2588, Aravorn 2654, Arahad II. 2719, Arassuil 2784, Arathorn I.† 2848, Argonui 2912, Arador † 2930, Arathorn II. † 2933, Aragorn II. V. Z. 120.

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Die südliche Linie: Anárions ErbenKönige von Gondor: (Elendil, Isildur und) Anárion † Z. Z. 3440, Meneldil (Aná-rions Sohn) 158, Cemendur 238, Earendil 324, Anardil 411, Ostoher 492,Rómendacil I. (Tarostar) † 541, Turambar 667, Atanatar I. 784, Siriondil 830.Es folgten die vier »Schiffskönige«:

Tarannon Falastur 913. Er war der erste kinderlose König, und der Sohn seinesBruders Tarciryan wurde sein Nachfolger. Earnil I. † 936, Ciryandil † 1015, Hyar-mendacil I. (Ciryaher) 1149. Gondor erreichte nun den Gipfel seiner Macht.

Atanatar II. Alcarin, »der Prächtige« 1226, Narmacil I. 1294. Er war derzweite kinderlose König, und sein jüngerer Bruder wurde sein Nachfolger.Calmacil 1304, Minalcar (Regent 1240–1304), gekrönt 1304 als Rómendacil II.,starb 1366. Valacar 1432, zu seiner Zeit begann Gondors erste Krise, derSippenstreit.

Eldacar, Valacars Sohn (zuerst Vinitharya genannt), abgesetzt 1347. Castamir,der Thronräuber † 1447. Eldacar, wieder eingesetzt, starb 1490.

Aldamir (zweiter Sohn Eldacars) † 1540, Hyarmendacil II. (Vinyarion) 1621,Minardil † 1634, Telemnar † 1636. Telemnar und alle seine Kinder erlagen derPest; Nachfolger wurde sein Neffe (der Sohn Minastans, des zweiten Sohnes vonMinardil) Tarondor 1798, Telumehtar Umbardacil 1850, Narmacil II. † 1856,Calimehtar 1936, Ondoher † 1944. Ondoher und seine zwei Söhne fielen inder Schlacht. Ein Jahr später, 1945, wurde die Krone dem siegreichen GeneralEarnil verliehen, einem Nachkommen Telumehtar Umbardacils. Earnil II. 2043,Earnur † 2050. Hier endete die Linie der Könige, bis sie 3019 von ElessarTelcontar wieder aufgenommen wurde. In der Zwischenzeit regierten die Statthalter das Reich.

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5 Die wilden Rinder, die damals in der Gegend um das Meer von Rhûn zu finden waren, stammen der Sage nach vonden Rindern Araws ab, des Jägers unter den Valar, der als Einziger von ihnen in den Ältesten Tagen oft nach Mittel-erde kam. Die hochelbische Form seines Namens ist Orome.

Statthalter von Gondor: Das Haus Húrin; Pelendur 1998. Er regierte nach Ondo-hers Tod ein Jahr lang und riet zur Ablehnung von Arveduis Anspruch auf dieKrone. Vorondil der Jäger5 2029: Mardil Voronwe, »der Standhafte«, der ersteRegierende Statthalter. Seine Nachfolger trugen keine hochelbischen Namen mehr.

Regierende Statthalter: Mardil 2080, Eradan 2116, Herion 2148, Belegorn 2204,Húrin I. 2244, Túrin I. 2278, Hador 2395, Barahir 2412, Dior 2435, Dene-thor I. 2477, Boromir 2489, Cirion 2567. Zu seiner Zeit kamen die Rohirrimnach Calenardhon.

Hallas 2605, Húrin II. 2628, Belecthor I. 2655, Orodreth 2685, Ecthelion I.2698, Egalmoth 2743, Beren 2763, Beregond 2811, Belecthor II. 2872, Tho-rondir 2882, Túrin II. 2914, Turgon 2953, Ecthelion II. 2984, Denethor II.Er war der letzte Regierende Statthalter, und sein Nachfolger wurde sein zweiterSohn Faramir, Fürst von Emyn Arnen, König Elessars Statthalter, V. Z. 82.

3. Eriador, Arnor und Isildurs Erben

»Eriador war von alters her der Name aller Lande zwischen dem Nebelgebirgeund den Blauen Bergen; im Süden waren seine Grenzen die Grauflut und derGlanduin, der oberhalb von Tharbad in sie mündet.

Zur Zeit seiner größten Ausdehnung umfasste Arnor ganz Eriador, ausge-nommen die Gebiete nordwestlich des Lhûn und das Land östlich von Grauflutund Lautwasser, wo Bruchtal und Hulsten lagen. Jenseits des Lhûn war grünes,

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stilles Elbenland, das Menschen nicht betraten; doch an den Osthängen derBlauen Berge lebten und leben noch immer Zwerge, besonders in der Gegendsüdlich der Förde von Lhûn, wo sie seit alter Zeit Bergwerke betreiben. Daherwaren sie es gewohnt, auf ihren Wegen nach Osten die Große Straße entlangzu-ziehen, wie sie es schon seit vielen Jahren getan hatten, ehe wir ins Auenlandkamen. Bei den Grauen Anfurten wohnte Círdan der Schiffbauer, und manchesagen, er wohne noch immer dort, bis das letzte Schiff nach Westen abfährt. ZurZeit der Könige wohnten die meisten der Hochelben, die noch in Mittelerdeverweilten, bei Círdan oder in den küstennahen Gebieten von Lindon. Vielleichtsind einige heute noch dort, aber nur wenige.«

Das Nördliche Königreich und die DúnedainAuf Elendil und Isildur folgten acht Hohe Könige von Arnor. Nach EarendursTod zerstritten sich seine Söhne, und das Reich zerfiel in drei Teile: Arthedain,Rhudaur und Cardolan. Arthedain, im Nordwesten, umfasste das Gebiet zwischenBrandywein und Lhûn, außerdem das Land nördlich der Großen Straße bis zu den Wetterbergen. Rhudaur lag im Nordosten zwischen den Ettenöden, denWetterbergen und dem Nebelgebirge, doch auch der Winkel zwischen Weißquellund Lautwasser gehörte dazu. Cardolan lag südlich der Großen Straße zwischenBrandywein und Grauflut.

In Arthedain setzte sich Isildurs Erblinie fort, doch in Cardolan und Rhudaurwar sie bald erloschen. Es gab oft Streit zwischen den Königreichen, was denNiedergang beschleunigte. Meistens ging es dabei um den Besitz der Wetterbergeund des westlich davon, nach Bree hin gelegenen Landstrichs. Sowohl Rhudaurwie auch Cardolan waren bestrebt, den Amon Sûl (die Wetterspitze) an sich zubringen, der an der Grenze ihres Reiches stand; denn in dem Turm auf diesem

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Berg befand sich der wichtigste Palantír des Nordens, während die beiden anderenin Arthedain verwahrt wurden.

»In Arthedain hatte eben Malvegil die Herrschaft angetreten, als sich dasUnglück für Arnor anbahnte. Denn zu dieser Zeit erwuchs im Norden jenseitsder Ettenöden das Reich von Angmar. Es erstreckte sich beiderseits des Nebel-gebirges, und dort sammelten sich allerlei menschliches Gelichter, Orks undandere Unwesen. [Den Herrscher über dieses Land nannte man den Hexenkönig,und erst später wurde bekannt, dass er niemand anders als der oberste derRinggeister und mit der Absicht in den Norden gekommen war, die Dúnedainzu vernichten, wozu ihre Uneinigkeit gute Aussichten bot, während Gondornoch stark war.]«

Zur Zeit von Malvegils Sohn Argeleb erhoben die Könige von Arthedain vonneuem Anspruch auf die Herrschaft über ganz Arnor, da in den anderen Reichenkeine Nachkommen Isildurs mehr lebten. Rhudaur wies den Anspruch zurück.Dort gab es nur noch wenige Dúnedain, und ein böser Fürst der Bergmenschen,der insgeheim mit Angmar im Bunde stand, hatte die Macht an sich gerissen.Argeleb befestigte daher die Wetterberge; doch er fiel im Krieg gegen Rhudaurund Angmar.

Argelebs Sohn Arveleg konnte mit Hilfe aus Cardolan und Lindon die Feindevon den Bergen vertreiben; und dann verteidigten Arthedain und Cardolanviele Jahre lang eine Grenze längs der Wetterberge, der Großen Straße und desunteren Weißquells. Es heißt, in dieser Zeit sei Bruchtal belagert worden.

1409 kam ein großes Heer aus Angmar, drang über den Fluss nach Cardolanhinein und umzingelte die Wetterspitze. Die Dúnedain wurden besiegt, undArveleg fiel. Der Turm auf dem Amon Sûl wurde niedergebrannt und geschleift;

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doch der Palantír wurde beim Rückzug gerettet und nach Fornost gebracht.Rhudaur wurde nun ganz von den üblen, Angmar ergebenen Menschen besetzt,und die dort noch verbliebenen Dúnedain wurden getötet, oder sie flohen nachWesten. Cardolan wurde verwüstet. Arvelegs Sohn Araphor war noch nichterwachsen, aber ein tapferer Fürst, und mit Círdans Hilfe konnte er die Feindevon Fornost und den Nordhöhen zurückschlagen. Ein Rest der Getreuen unterden Dúnedain von Cardolan hielt sich außerdem noch in den Tyrn Gorthad(den Hügelgräberhöhen) oder fand Zuflucht in dem Wald dahinter.

Es heißt, eine Zeit lang sei Angmar von dem Elbenvolk aus Lindon in Schachgehalten worden; und auch Bruchtal leistete Hilfe, denn Elrond holte über die Berge Elben aus Lórien heran. Zu dieser Zeit war es, dass die Starren, dieim Winkel zwischen Weißquell und Lautwasser gewohnt hatten, vor den Kriegenund den Schrecknissen aus Angmar nach Westen und Süden flohen, auch des-halb, weil Land und Klima in Eriador, besonders im Osten, immer schlechterund unfreundlicher wurden. Manche kehrten nach Wilderland zurück, ließensich am Schwertelfluss nieder und wurden ein Fischervolk.

Zur Zeit Argelebs II. drang von Südosten her die Pest nach Eriador ein, und diemeisten Menschen in Cardolan, besonders in Minhiriath, kamen um. Auch dieHobbits und alle anderen Völker hatten schwer zu leiden, doch nach Norden zuschwächte die Seuche sich ab, und die nördlichen Teile von Arthedain berührtesie kaum. Zu dieser Zeit fanden die Dúnedain von Cardolan ihr Ende, undüble Geister aus Angmar und Rhudaur drangen in die verlassenen Hügelgräberein und hausten dort.

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6 Dies ist ein merkwürdiges, unfreundliches Volk, ein Überrest der Forodwaith, der Menschen aus ferner Zeit, diesich an die bittere Kälte in Morgoths Reich gewöhnt hatten. Noch immer ist es in dieser Gegend eiskalt, obwohl sie kaum mehr als hundert Wegstunden nördlich vom Auenland liegt. Die Lossoth wohnen im Schnee; es heißt, sie könnten mit Knochen an den Füßen übers Eis laufen und hätten Wagen ohne Räder. Zumeist leben sie, für ihreFeinde unerreichbar, auf dem großen Kap Forochel, das die gewaltige Meeresbucht gleichen Namens nach Nord-westen abschirmt; aber oft lagern sie auch an den Südufern der Bucht, am Fuß des Gebirges.

»Es heißt, die Hügelgräber der Tyrn Gorthad, wie man die Hügelgräberhöheneinst nannte, seien sehr alt; und viele hätten schon die Vorväter der Edain inder alten Welt des Ersten Zeitalters angelegt, bevor sie über die Blauen Bergenach Beleriand gingen, von dem heute allein Lindon noch übrig ist. Diese Hügelwurden daher von den Dúnedain nach ihrer Rückkehr in Ehren gehalten, undviele ihrer Fürsten und Könige wurden dort begraben. [Einige sagen, der Hügel,in dem der Ringträger gefangen wurde, sei das Grab des letzten Fürsten vonCardolan gewesen, der im Krieg von 1409 gefallen war.]«

»1974 hatte Angmars Macht wieder zugenommen, und der Hexenkönig fielüber Arthedain her, ehe noch der Winter vorüber war. Er eroberte Fornost undvertrieb den größten Teil der überlebenden Dúnedain über den Lhûn, unterihnen die Söhne des Königs. König Arvedui selbst aber hielt auf den Nordhöhenbis zuletzt stand und floh dann mit einigen Leibwächtern nach Norden. Dankder Schnelligkeit ihrer Pferde entkamen sie.

Eine Zeit lang hielt sich Arvedui in den Stollen der alten Zwergenminen am Nordende des Gebirges verborgen, doch schließlich trieb ihn der Hunger,die Lossoth6 um Hilfe zu bitten, die Schneemenschen von Forochel. Einige vonihnen traf er in einem Lager am Meeresufer; aber sie halfen dem König nichtgern, denn er hatte ihnen nichts zu bieten außer ein paar Edelsteinen, denensie keinen Wert beimaßen. Außerdem fürchteten sie den Hexenkönig, der

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(wie sie sagten) nach Belieben Frost oder Tauwetter machen konnte. Doch teilsaus Mitleid mit dem halb verhungerten König und seinen Männern, teils ausFurcht vor ihren Waffen gaben sie ihnen ein wenig zu essen und bauten ihnenSchneehütten. Dort konnte Arvedui nur warten und auf Hilfe von Süden hoffen,denn seine Pferde waren umgekommen.

Als Círdan von Arveduis Sohn Aranarth erfuhr, dass der König nach Nordengeflohen war, schickte er sogleich ein Schiff nach Forochel, um ihn zu suchen.Wegen widriger Winde kam das Schiff erst nach vielen Tagen dort an, und dieSeeleute sahen schon von weitem das kleine Treibholzfeuer, das die Verlassenennotdürftig unterhielten. Aber der Winter wollte in diesem Jahr noch nicht weichen,und obwohl es schon März war, brach das Eis erst langsam auf und reichte nochweit vor die Küste hinaus.

Die Schneemenschen erblickten das Schiff mit Furcht und Erstaunen, dennein solches hatten sie noch nie gesehen, soweit ihre Erinnerungen zurückreichten;doch inzwischen waren sie hilfsbereiter, und sie zogen den König und seineüberlebenden Gefährten auf ihren Gleitkarren so weit aufs Eis hinaus, wie sie es wagten. Dort konnte ein Boot vom Schiff sie erreichen.

Doch die Schneemenschen waren besorgt; denn, sagten sie, sie könnten Gefahraus dem Wind wittern. Und der Häuptling der Lossoth sagte zu Arvedui: ›Steigenicht auf dieses Seeungeheuer! Lass die Seeleute uns Nahrung bringen undanderes Brauchbare, das sie vielleicht haben, und dann bleibe hier, bis derHexenkönig heimgeht. Denn im Sommer schwindet seine Macht; jetzt aber istsein Hauch tödlich, und sein kalter Arm ist lang.‹

Doch Arvedui nahm den Rat nicht an. Er dankte ihm und gab ihm zumAbschied seinen Ring mit den Worten: ›Dies Ding ist von höherem Wert, als du ermessen kannst, schon seines Alters wegen. Es besitzt keine Kraft außer der

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7 Auf diese Weise wurde der Ring des Hauses Isildur gerettet, denn die Dúnedain lösten ihn später aus. Es heißt,dies sei derselbe Ring gewesen, den Felagund von Nargothrond einst Barahir gab und den Beren unter großerGefahr wiedergewann.

8 Dies waren die Steine von Annúminas und vom Amon Sûl. Im Norden verblieb nur noch der Stein im Turm auf denEmyn Beraid, der auf die Förde von Lhûn hinausblickt. Dieser wurde von den Elben bewacht, und obwohl wir nieetwas davon erfuhren, befand er sich immer dort, bis Círdan ihn auf Elronds Schiff brachte, bevor es nach Westenauslief. Doch sagt man uns, er sei von den anderen ganz verschieden und nicht mit ihnen abgestimmt gewesen;er habe nur aufs Meer hinausgeblickt. Elendil habe ihn dort aufgestellt, um »geraden Blicks« zurückschauen undEressea im verschwundenen Westen sehen zu können; Númenor aber blieb für immer von Meeren der krummenWelt bedeckt.

Hochachtung derer, die meinem Haus verbunden sind. Es kann dir nicht helfen,doch wenn du je in Not bist, wird meine Sippe es auslösen und dir viel vonallem dafür geben, was du dir nur wünschen kannst.‹7

Doch, ob aus Zufall oder Voraussicht, der Rat der Lossoth war gut gewesen; dennbevor das Schiff aufs offene Meer hinausgelangt war, brach ein schwerer Sturm losund trug von Norden blendendes Schneegestöber heran; er trieb das Schiff ins Eiszurück und keilte es ein. Selbst Círdans Seeleute waren da hilflos, und in der Nachtzerdrückte das Eis den Rumpf, und das Schiff sank. So endete der Letztkönig Arvedui, und mit ihm wurde die Palantíri im Meer begraben.8 Die Nachricht vondem Schiffbruch erfuhr man erst viel später von den Schneemenschen.«

Die Hobbits überstanden den Krieg, der über das Auenland hinwegfegte, obwohldie meisten sich in Verstecke flüchten mussten. Dem König schickten sie einpaar Bogenschützen zu Hilfe, die nie wiederkehrten; und andere zogen auch mitin die Schlacht, in der Angmar dann niedergeworfen wurde (über die in denAnnalen des Südens mehr gesagt wird). In der nun folgenden Friedenszeitregierte das Auenlandvolk sich selbst und gedieh gut dabei. Es wählte sich einenThain als Stellvertreter des Königs und war zufrieden; allerdings hofften viele

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9 Das Zepter, so sagt uns der König, war in Númenor das wichtigste Wahrzeichen der Königswürde, und ebenso inArnor, dessen Könige keine Krone trugen, sondern einen einzigen weißen Edelstein, den Elendilmir, Elendils Stern,auf der Stirn durch einen Silberreif festgehalten. Wo Bilbo von einer Krone sprach, dachte er sicherlich an Gondor;er scheint über die Geschichte von Aragorns Geschlecht gut im Bilde gewesen zu sein. Das Zepter von Númenorsoll mit Ar-Pharazôn untergegangen sein. Das von Annúminas war der silberne Stab der Fürsten von Andúnië undist heute wohl das älteste in Mittelerde erhaltene Werk von menschlicher Hand. Es war schon über fünftausendJahre alt, als Elrond es Aragorn aushändigte. Die Krone von Gondor hatte die Form eines númenórischen Helms.Ursprünglich soll sie tatsächlich ein gewöhnlicher Helm gewesen sein, und zwar derjenige, den Isildur in derSchlacht auf der Dagorlad trug (denn Anárions Helm war durch den vom Barad-dûr herabgeworfenen Stein zertrümmert worden, der ihn tötete). Doch zur Zeit Atanatar Alcarins wurde dieser durch den juwelenbesetztenHelm ersetzt, mit dem Aragorn dann gekrönt wurde.

noch lange auf die Wiederkehr des Königs. Doch schließlich war auch dieseHoffnung vergessen, und nur noch eine Redensart erinnerte an sie: Wenn der Königwiederkommt, sagte man, um zu vertrösten, wenn etwas Gutes nun einmal nichtmöglich oder etwas Schlimmes nicht zu ändern war. Der erste Thain des Auen-landes war ein gewisser Bucca aus dem Bruch, von dem die Altbocks abzustammenbehaupten. Thain wurde er im Jahre 379 unserer Zeitrechnung (1979).

Mit Arvedui nahm das Nördliche Königreich ein Ende, denn die Dúnedainwaren nur noch wenige, und alle Völker von Eriador schrumpften zusammen.Das Geschlecht der Könige aber pflanzte sich fort in den Stammesfürsten derDúnedain, von denen Arveduis Sohn Aranarth der Erste war. Dessen Sohn Arahael wurde in Bruchtal aufgezogen wie auch alle Söhne der Stammesfürstennach ihm; und alle Erbstücke ihres Hauses wurden dort verwahrt: die Bruch-stücke von Narsil, Elendils Stern und das Zepter von Annúminas.9

»Nach dem Ende ihres Königreichs traten die Dúnedain in den Schatten. Siewurden ein verborgen lebendes, umherwanderndes Volk, von dessen Mühen undTaten kaum gesungen oder berichtet wurde. Wenig ist nun über sie in Erinnerung

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geblieben, seit Elrond fort ist. Obwohl schon vor dem Ende des WachsamenFriedens wieder manche Unwesen über Eriador herzufallen oder sich einzu-schleichen begannen, starben die meisten Stammesfürsten nach langem Lebeneines natürlichen Todes. Aragorn I., heißt es, fiel den Wölfen zum Opfer, dieseither bis auf den heutigen Tag in Eriador eine Gefahr geblieben sind. In denTagen Arahads I. machten sich die Orks plötzlich wieder bemerkbar, die, wiespäter deutlich wurde, seit langem geheime Stützpunkte in den Nebelbergenangelegt hatten, von denen aus sie alle Pässe sperren konnten. 2509 lauerten sieam Rothornpass Elronds Gattin Celebrían auf, die nach Lórien unterwegs war.Nachdem ihre Eskorte durch den überraschenden Angriff der Orks zersprengtwar, wurde sie gefangen genommen und weggeschleppt. Elladan und Elrohirkonnten sie befreien, aber erst, nachdem man sie gefoltert und ihr eine vergifteteWunde beigebracht hatte. Sie wurde nach Imladris zurückgebracht, doch obwohlElrond sie körperlich heilen konnte, war ihr Mittelerde verleidet. Im Jahr daraufritt sie zu den Anfurten und fuhr übers Meer. Auch später, zur Zeit Arassuils,vermehrten die Orks sich wieder im Nebelgebirge und begannen das Land zuverheeren; und die Dúnedain und Elronds Söhne bekämpften sie. Zu dieserZeit war es, dass eine große Horde weit nach Westen bis ins Auenland vordrang,wo sie von Bandobras Tuk vertrieben wurde.«

Fünfzehn Stammesfürsten folgten einander, bevor der sechzehnte und letztegeboren wurde, Aragorn II., der wieder König von Gondor und Arnor wurde.»Unseren König nennen wir ihn; und wenn er nach Norden kommt, um füreine Weile sein Haus im wieder aufgebauten Annúminas am Abendrotsee zubewohnen, freut sich das ganze Auenland. Aber unser Land betritt er nicht, denner hält sich an das Gesetz, das er selbst erlassen hat: dass keiner vom Großen

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Volk unsere Grenzen überschreiten darf. Doch oft kommt er mit vielen Edlenan die Große Brücke und begrüßt dort seine Freunde und alle andern, die ihnsehen wollen; und manche reiten dann mit ihm und wohnen in seinem Haus,solange es ihnen beliebt. Thain Peregrin ist oft dort gewesen, und ebenso MeisterSamweis, der Bürgermeister. Seine Tochter, die schöne Elanor, ist eine vonKönigin Abendsterns Ehrenjungfrauen.«

Es war der Stolz und das Wunder der nördlichen Linie, dass sie trotz desVerlusts der Macht und dem Schwund ihres Volkes über viele Generationen hindie Erbfolge vom Vater zum Sohn lückenlos aufrechterhalten konnte. Außerdemging die Langlebigkeit der Dúnedain in Mittelerde zwar immer mehr zurück, in Gondor aber besonders schnell, nachdem das Geschlecht der Könige dorterloschen war; während im Norden viele der Stammesfürsten noch immer dasdoppelte Menschenalter erreichten und weit älter wurden als selbst die Ältestenunter uns. Aragorn lebte immerhin hundertundneunzig Jahre, länger als jederseiner Vorfahren seit dem König Arvegil; doch in Aragorn Elessar war dieWürde der Könige von einst wiederhergestellt.

4. Gondor und Anárions Erben

Auf Anárion, der vor Barad-dûr gefallen war, folgten in Gondor einunddreißigKönige. Obwohl die Kriege an den Grenzen nie aufhörten, vermehrten dieDúnedain des Südens über tausend Jahre lang zu Wasser und zu Lande ihre Machtund ihren Reichtum, bis zur Regierungszeit Atanatars II., der den BeinamenAlcarin, der Prächtige, erhielt. Doch die Vorzeichen ihres Niedergangs warenda schon zu erkennen, denn die Edlen des Südens heirateten spät und hatten

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10 Das große Kap und die Gegend um die Förde von Umbar waren seit alten Zeiten in númenórischem Besitz; dochwaren sie ein Stützpunkt der Königspartei, derjenigen Menschen, die man später die schwarzen Númenórernannte: Sie waren von Sauron bestochen und unversöhnliche Feinde von Elendils Anhängern. Nach Saurons Sturz schrumpfte ihr Volk rasch oder vermischte sich mit den Menschen von Mittelerde, doch ihre Feindschaft mit Gondor vererbte sich unvermindert weiter. Umbar war daher nur unter hohen Verlusten zu erobern.

wenige Kinder. Der erste kinderlose König war Falastur, der zweite Narmacil I.,Atanatar Alcarins Sohn.

Ostoher, der siebente König, ließ Minas Anor erneuern, dem die Könige dannals Sommersitz den Vorzug vor Osgiliath gaben. Zu dieser Zeit wurde Gondorzum ersten Mal von wilden Menschenvölkern aus dem Osten angegriffen. OstohersSohn Tarostar besiegte und vertrieb sie; er legte sich den Namen Rómendacil,»Ost-Sieger«, bei. Später jedoch fiel er im Kampf mit neu herandrängendenScharen von Ostlingen. Sein Sohn Turambar rächte ihn und gewann im Ostengroße Gebiete.

Mit Tarannon, dem zwölften König, begann die Folge der Schiffskönige, die Flotten bauten und Gondors Macht an den Küsten westlich und südlich derAnduin-Mündungen ausweiteten. Um seiner Siege als Feldherr zu gedenken, nahmTarannon bei seiner Krönung den Namen Falastur an, »Herr der Küsten«.

Sein Neffe Earnil I., der ihm folgte, ließ den alten Hafen Pelargir ausbessernund baute eine starke Flotte auf. Dann belagerte er Umbar von der See undvom Land aus und nahm es ein. Es wurde ein großer Hafen und eine Festungim Dienste Gondors.10 Earnil aber konnte sich seines Sieges nicht lange freuen.Mit vielen Schiffen und Menschen ging er unter in einem großen Sturm vorUmbar. Sein Sohn Ciryandil setzte den Flottenbau fort; doch die Menschen vonHarad, angeführt von den aus Umbar vertriebenen Fürsten, rückten mit einemgroßen Heer gegen die Festung an, und Ciryandil fiel in einer Schlacht inHaradwaith.

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Viele Jahre lang blieb Umbar zu Lande eingeschlossen, konnte aber dankGondors Seemacht nicht erobert werden. Ciryandils Sohn Ciryaher wartete ab,bis er genug Streitkräfte gesammelt hatte, und rückte dann zugleich zur See und zu Lande von Norden heran. Sein Heer überschritt den Fluss Harnen undbesiegte die Menschen von Harad vollständig, sodass ihre Könige die Ober-hoheit Gondors anerkennen mussten (1050). Ciryaher legte sich den NamenHyarmendacil, »Südsieger«, bei.

Während Hyarmendacils langer Regierungszeit wagte dann kein Feind mehr,seine Macht anzufechten. Hundertvierunddreißig Jahre war er König, länger als alle anderen Nachkommen Anárions, bis auf einen. Zu seiner Zeit erreichteGondor den Gipfel seiner Macht. Das Reich erstreckte sich nun nach Nordenbis zum Celebrant und zum Südrand des Düsterwalds, nach Westen bis zur Grau-flut, nach Osten bis zum Binnenmeer von Rhûn, nach Süden bis zum Harnenund am Küstenstreifen weiter bis zur Halbinsel von Umbar und ihrem Hafen.Die Menschen in den Anduin-Tälern erkannten seine Hoheit an; die Königevon Harad leisteten Gondor Gefolgschaft, und ihre Söhne lebten als Geiseln amHof des Königs. Mordor war verödet, wurde aber überwacht von den starkenFestungen an den Pässen.

Damit endete die Zeit der Schiffskönige. Hyarmendacils Sohn Atanatar Alcarinentfaltete viel Prunk, und man sagte, in Gondor lägen die Edelsteine als Spiel-zeug für die Kinder herum. Doch Atanatar machte es sich zu bequem und tatnichts, um die ererbte Macht zu wahren; und seine beiden Söhne hielten esebenso. Gondors Niedergang hatte schon begonnen, bevor er starb, was ohneZweifel auch den Feinden nicht entgangen war. Die Überwachung Mordorswurde vernachlässigt. Dennoch brach das erste große Unheil nicht vor der Zeit

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Valacars über Gondor herein: der Bürgerkrieg im Sippenstreit, der schwereSchäden und Verluste brachte, die nie ganz wieder gutgemacht wurden.

Minalcar, Calmacils Sohn, war ein Mann von großer Energie, und 1240 setzteihn Narmacil, um sich selbst aller Sorgen zu entledigen, als Regenten ein.Schon von da an regierte er Gondor im Namen der Könige, bis er seinem VaterCalmacil auf den Thron folgte. Ihn beschäftigte vor allem das Verhältnis zu denNordmenschen.

Diese hatten sich während des durch Gondors Macht erhaltenen Frieden kräftigvermehrt. Die Könige erwiesen ihnen viel Gunst, weil sie von den geringerenMenschenvölkern den Dúnedain am nächsten verwandt waren (denn sie stammtenzumeist von denselben Völkern ab wie die Edain der alten Zeiten), und überließenihnen weite Gebiete jenseits des Anduin und südlich des Großen Grünwalds, als Bollwerk gegen die Menschen des Ostens. Denn die Angreifer von dort warenin der Vergangenheit meistens über die Ebene zwischen dem Binnenmeer unddem Aschengebirge gekommen.

Zur Zeit Narmacils I. fielen die Ostlinge von neuem ein, wenn auch zuerstnur mit schwachen Streitkräften. Der Regent erfuhr jedoch, dass die Nordmen-schen nicht immer Gondor die Treue hielten und dass manche auch mit denOstlingen gemeinsame Sache machten, sei es aus Beutegier oder infolge vonStreitigkeiten unter ihren Fürsten. Daher führte Minalcar 1248 ein großes Heerins Feld, und zwischen Rhovanion und dem Binnenmeer besiegte er eine starkeStreitmacht der Ostlinge und zerstörte alle ihre Siedlungen und Lager östlichdes Meeres. Dann nahm er den Beinamen Rómendacil an.

Nach der Rückkehr befestigte er das Westufer des Anduin bis zur Mündungdes Limklar und verbot allen Fremden, über die Emyn Muil hinaus flussabwärts

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zu fahren. Er war es, der an der Einfahrt in den Nen Hithoel die Standbilderder Argonath errichten ließ. Da er aber Menschen brauchte und das Band zwi-schen Gondor und den Nordvölkern festigen wollte, nahm er viele Nordmän-ner in seinen Dienst, und manchen übertrug er hohe Ränge in seinen Heeren.

Besonders hoch in seiner Gunst stand Vidugavia, der ihn im Krieg unterstützthatte. Vidugavia nannte sich König von Rhovanion und war tatsächlich dermächtigste unter den Fürsten des Nordens, obwohl sein eigenes Reich nur den Landstreifen zwischen dem Grünwald und dem Celduin (Eilend) umfasste.1250 schickte Rómendacil seinen Sohn Valacar als Botschafter zu Vidugavia, umihn eine Weile dort bleiben und mit Sprache, Sitten und Stammespolitik derNordmenschen vertraut werden zu lassen. Doch Valacar tat weit mehr, als seinVater beabsichtigt hatte. Er gewann Land und Leute lieb und heiratete VidugaviasTochter Vidumavi. Erst einige Jahre darauf kehrte er zurück. Wegen dieser Ehekam es später zum Sippenstreit und zum Krieg.

»Denn die Edlen von Gondor waren schon vorher auf die Nordmenschen unterihnen nicht gut zu sprechen, und dass nun der Erbe der Krone oder überhauptein Sohn des Königs eine Frau von minderer und fremder Rasse heiraten sollte,war unerhört. Schon als König Valacar alt wurde, kam es in den südlichen Pro-vinzen zum Aufruhr. Zwar war seine Königin eine schöne und edle Frau gewesen,aber sie war kurzlebig, und die Dúnedain befürchteten für ihre Nachkommendas gleiche Schicksal und damit einen Verfall der königlichen Majestät. Auchsträubte man sich dagegen, ihren Sohn als König anzuerkennen, denn er nanntesich nun zwar Eldacar, war aber in einem fremden Land geboren und hatte alsKind Vinitharya geheißen, wie ihn das Volk seiner Mutter genannt hatte.

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Daher brach in Gondor Krieg aus, als Eldacar die Nachfolge seines Vatersantrat. Doch Eldacar ließ sich sein Erbe nicht einfach nehmen. Denn zu derAbkunft aus Gondor kam bei ihm das furchtlose Herz der Nordmenschen hinzu.Er war stattlich und tapfer, und kein Anzeichen sprach dafür, dass er schnelleraltern werde als sein Vater. Als die Verbündeten, angeführt von den Nachkommender Könige, sich gegen ihn erhoben, wehrte er sich, solange seine Kräfte reich-ten. Schließlich wurde er in Osgiliath belagert und hielt sich, bis der Hungerund die Übermacht der Rebellen ihn aus der brennenden Stadt vertrieben. Bei dieser Belagerung und dem Brand wurde der Turm der Sternenkuppel vonOsgiliath zerstört, und der Palantír verschwand in den Fluten des Anduin.

Eldacar aber entkam seinen Feinden und gelangte in den Norden, zu seinenVerwandten in Rhovanion. Viele scharten sich dort um ihn, sowohl Nordmen-schen im Dienste Gondors als auch Dúnedain aus den nördlichen Gegendendes Reiches. Denn von den Letzteren hatten viele ihn schätzen gelernt, und vieleandere kamen hinzu, weil sich der Thronräuber bald unbeliebt machte. Dieswar Castamir, ein Enkel Calimehtars, des jüngeren Bruders von Rómendacil II.Er war nicht nur einer der nächsten Blutsverwandten des Königshauses, sondernhatte auch unter den Rebellen die meisten Anhänger, denn er war Oberbefehls-haber der Flotte, und ihn unterstützte das Volk der Küstengebiete und dergroßen Hafenstädte Pelargir und Umbar.

Castamir saß noch nicht lange auf dem Thron, als er sich auch schon als hoch-fahrend und unedelmütig erwies. Seine Grausamkeit zeigte sich zuerst bei derEinnahme von Osgiliath. Eldacars Sohn Ornendil, der in Gefangenschaft geriet,ließ er umbringen; und das Gemetzel und die Zerstörungen, die auf seinenBefehl in der Stadt angerichtet wurden, gingen weit über das hinaus, was derKrieg erforderte. In Minas Anor und Ithilien wurde dies nicht vergessen; und

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noch weniger begeistert war man dort, als deutlich wurde, dass er nur an dieFlotten und wenig an das Land dachte und dass er vorhatte, den Sitz des Königsnach Pelargir zu verlegen.

So war er erst seit zehn Jahren König, als Eldacar seine Stunde gekommensah und mit einem großen Heer von Norden heranzog; und aus Calenardhon,Anórien und Ithilien lief ihm das Volk zu. In Lebennin, an den Übergängenüber den Erui, kam es zur Entscheidungsschlacht, in der viel von Gondors bestemBlut vergossen wurde. Eldacar selbst erschlug Castamir im Zweikampf, undOrnendil war gerächt; Castamirs Söhne aber entkamen, und mit anderen vonihrer Sippe und vielen Gefolgsleuten von der Flotte hielten sie sich lange inPelargir.

Als sie dort alle verfügbaren Kräfte um sich gesammelt hatten (denn Eldacarhatte keine Schiffe, mit denen er ihnen die Seewege hätte abschneiden können),fuhren sie davon und ließen sich in Umbar nieder. Dort schufen sie eine Zufluchtfür alle Feinde des Königs und gründeten ein von Gondor unabhängiges Reich.Über viele Menschenleben hin lag Umbar nun im Krieg mit Gondor, bedrohteGondors Küstengebiete und seine Seewege. Bis zur Zeit Elessars wurde es niewieder völlig unterworfen; und der Süden von Gondor, zwischen den Korsarenund den Königen, wurde ein umstrittenes Gebiet.«

»Der Verlust von Umbar war bitter für Gondor, nicht nur, weil das Reich imSüden an Boden und an Macht über die Völker von Harad verlor, sondern auch,weil an diesem Ort Ar-Pharazôn der Goldene gelandet war, Númenors letzterKönig, der Sauron gedemütigt hatte. Trotz allen Unheils, das später darauserwachsen war, gedachten auch Elendils Anhänger voll Stolz der großen Flotte,mit der Ar-Pharazôn aus den Weiten des Meeres gekommen war; und auf der

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höchsten Erhebung des Vorgebirges über dem Hafen hatten sie eine hohe weißeSäule als Denkmal aufgestellt. Zuoberst trug sie eine Kristallkugel, die Sonnen-und Mondstrahlen auffing und wie ein heller Stern leuchtete, sodass sie beiklarem Wetter bis an die Küsten von Gondor oder von weit draußen auf demWestmeer zu sehen war. Dort stand sie, bis Umbar nach Saurons zweiter Erhebung,die nun näher rückte, unter die Macht seiner Diener fiel und das Andenkenseiner Erniedrigung umgestürzt wurde.«

Nach Eldacars Rückkehr vermischte sich das Blut der Könige und der anderenDúnedain-Sippen mehr und mehr mit dem geringerer Menschen. Denn vieleder Großen waren während des Sippenstreits umgekommen; und zugleich för-derte Eldacar die Zuwanderung der Nordmenschen, die ihm geholfen hatten,die Krone wiederzugewinnen, und das Volk von Gondor vermehrte sich umdie vielen, die aus Rhovanion kamen.

Diese Vermischung beschleunigte zunächst nicht, wie man befürchtet hatte,den Niedergang der Dúnedain; und dennoch setzte sich die Verkürzung derLebensdauer, die schon zuvor begonnen hatte, nach und nach fort. Ohne Zweifellag dies vor allem daran, dass sie sich nun in Mittelerde aufhielten und dassihnen die Gaben der Númenórer nach dem Untergang der Sterninsel langsamentzogen wurden. Eldacar wurde zweihundertfünfunddreißig Jahre alt und warachtundfünfzig Jahre König, davon zehn im Exil.

Das zweite und größte Unglück befiel Gondor während der Herrschaft Telemnars,des sechsundzwanzigsten Königs, dessen Vater Minardil, Eldacars Sohn, beiPelargir im Kampf mit den Korsaren von Umbar fiel. (Ihre Führer waren Anga-maite und Sangahyando, Castamirs Urenkel.) Bald darauf trugen dunkle Winde

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von Osten eine tödliche Seuche heran. Der König und alle seine Kinder erlagenihr, und ebenso viele Menschen in ganz Gondor, besonders in Osgiliath. Daserschöpfte und entvölkerte Reich gab die Wachen an den Grenzen nach Mordorauf, und die Festungen an den Pässen waren nicht mehr bemannt.

Später bemerkte man, dass dies alles geschah, während zugleich der Schattenauf dem Grünwald dichter wurde und vielerlei Unwesen wieder auftraten, Zeichenfür Saurons neues Erstarken. Zwar hatten auch Gondors Feinde zu leiden, sonsthätten sie es in seiner Schwäche gleich überwältigt; doch Sauron konnte warten,und vielleicht ging es ihm vorerst auch nur darum, die Wege nach Mordor wiederzu öffnen.

Als König Telemnar starb, verdorrten und starben auch die Weißen Bäume in Minas Anor. Aber sein Neffe Tarondor, der sein Nachfolger wurde, pflanztewieder einen Sämling in der Zitadelle ein. Er war es auch, der den Sitz des Königsfür immer nach Minas Anor verlegte, denn Osgiliath war nun teilweise verlassenund begann in Trümmer zu fallen. Nur wenige der Bewohner, die vor der Pestnach Ithilien oder in die westlichen Täler geflohen waren, mochten in die Stadtzurückkehren.

Tarondor, der noch jung war, als er den Thron bestieg, hatte von allen KönigenGondors die längste Regierungszeit; aber er konnte wenig mehr erreichen alseine innere Neuordnung und die langsame Erholung des Reiches. Sein SohnTelumehtar jedoch, der den Tod Minardils nicht vergessen hatte und den diefrechen Raubzüge der Korsaren an seinen Küsten bis zum Anfalas empörten,sammelte ein Heer und nahm Umbar 1810 im Sturm. In diesem Krieg fielenCastamirs letzte Nachkommen, und Umbar blieb für eine Weile wieder imBesitz der Könige. Telumehtar fügte seinem Namen den Titel Umbardacil

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hinzu. Doch bei den neuen Sorgen, die Gondor bald bekommen sollte, gingUmbar wieder verloren und fiel den Menschen von Harad in die Hände.

Das dritte Unglück war das Vordringen der Wagenfahrer, die in fast hundertJahre währenden Kriegen an Gondors schwindenden Kräften zehrten. Sie warenein Volk oder ein Bund von Völkern aus dem Osten, doch stärker und besserbewaffnet als alle, die früher von dort gekommen waren. Sie kamen in großenWagenkolonnen, und ihre Häuptlinge kämpften in Streitwagen. Von SauronsSendboten aufgewiegelt, wie man später erfuhr, fielen sie plötzlich über Gondorher, und König Narmacil II., der ihnen jenseits des Anduin entgegentrat, fiel1856 in einer Schlacht. Das Volk im östlichen und südlichen Rhovanion wurdeversklavt, und Gondor musste seine Grenzen einstweilen bis zum Anduin undden Emyn Muil zurückziehen. [Zu dieser Zeit, so wird angenommen, kehrtendie Ringgeister nach Mordor zurück.]

Calimehtar, der Sohn Narmacils II., dem ein Aufstand in Rhovanion zu Hilfekam, rächte seinen Vater 1899 auf der Dagorlad mit einem großen Sieg über dieOstlinge, und für eine Weile war die Gefahr abgewendet. Dann, als im NordenAraphant und im Süden Calimehtars Sohn Ondoher regierte, hielten die beidenKönigreiche nach langer stillschweigender Entfremdung endlich wieder gemein-sam Rat. Sie erkannten nun, dass hinter den Angriffen von mehreren Seiten,deren sich die Nachkommen der Númenórer zu erwehren hatten, ein einheit-licher, lenkender Machtwille stand. Zu dieser Zeit heiratete Arvedui, AraphantsSohn, König Ondohers Tochter Fíriel (1940). Doch keines der beiden König-reiche konnte dem anderen zu Hilfe kommen; denn zur gleichen Zeit, als Angmarvon neuem Arthedain angriff, traten die Wagenfahrer in großer Heeresstärkeauf den Plan.

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Viele der Wagenfahrer zogen jetzt südlich an Mordor vorüber und verbündetensich mit Menschen aus Khand und Nah-Harad; und dieser mächtige Ansturmim Norden und Süden zugleich brachte Gondor an den Rand der Vernichtung.1944 fielen König Ondoher und seine beiden Söhne Artamir und Faramir ineiner Schlacht nördlich des Morannon, und die Feinde fluteten nach Ithilienhinein. Doch Earnil, der Feldherr des Südheeres, errang einen großen Sieg inSüd-Ithilien und vernichtete das Heer aus Harad, das den Poros überschrittenhatte. Dann eilte er nach Norden, sammelte die Reste des zurückweichendenNordheeres um sich und griff die Wagenfahrer in ihrem Hauptlager an, als sieam Zechen und Feiern waren, denn sie glaubten Gondor schon besiegt undmeinten nur noch die Beute abholen zu müssen. Beim Sturm auf das Lager ließEarnil die Wagen in Brand stecken und verjagte die ungeordnet Flüchtenden ausIthilien. Viele von denen, die entkamen, gingen in den Totensümpfen zugrunde.

»Nach dem Tod Ondohers und seiner Söhne erhob Arvedui aus dem NördlichenKönigreich Anspruch auf die Krone von Gondor: Er war ein NachkommeIsildurs und der Gatte Fíriels, die Ondohers einziges noch lebendes Kind war.Er wurde abgewiesen. Dabei spielte Pelendur die Hauptrolle, König OndohersStatthalter.

So lautete die Antwort des Rats von Gondor: ›Krone und Königswürde vonGondor gehören allein den Erben Meneldils. Ihm, als Anárions Sohn, hatteIsildur dieses Reich abgetreten. In Gondor gelten zu diesem Erbe nur die Söhneals berechtigt; und wir haben nicht gehört, dass das Recht in Arnor ein anderesist.‹

Darauf erwiderte Arvedui: ›Elendil hatte zwei Söhne, von denen Isildur derältere und daher der Erbe seines Vaters war. Wir haben gehört, dass Elendils

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11 Dieses Gesetz wurde in Númenor erlassen (wie wir vom König erfuhren), als Tar-Aldarion, der sechste König, nurein Kind, eine Tochter, hinterließ. Sie wurde die erste regierende Königin, Tar-Ancalime. Doch vor ihrer Zeit war dasRecht anders. Auf Tar-Elendil, den vierten König, folgte sein Sohn Tar-Meneldur, obwohl seine Schwester Silmarien die ältere war. Von Silmarien aber stammte Elendil ab.

Name bis heute auf der Ahnentafel der Könige von Gondor zuoberst steht,denn er galt als Hoher König aller Lande der Dúnedain. Zu seinen Lebzeitenhatte Elendil die Regierung im Süden seinen Söhnen gemeinsam übertragen;doch als Elendil gefallen war und Isildur fortzog, um das Hohe Königtum seinesVaters anzutreten, übertrug er auf gleiche Weise die Regierung im Süden demSohn seines Bruders. Er hat die Königswürde für Gondor nicht abgetreten undnicht gewollt, dass Elendils Reich für immer geteilt bleiben sollte.

Überdies fiel in Númenor einst das Zepter an das älteste Kind des Königs, ob es nun Mann oder Frau war. Zwar wurde dieses Gesetz in den stets kriegs-bedrohten Exilreichen nicht befolgt, doch so war einmal in unserem Volk dasGesetz, auf das wir uns nun, da Ondohers Söhne kinderlos gestorben sind,berufen.‹11

Darauf gab Gondor keine Antwort. Auf die Krone erhob Earnil Anspruch,der siegreiche Feldherr; und mit Billigung aller Dúnedain von Gondor wurdesie ihm zugesprochen, denn auch er stammte aus dem königlichen Hause. SeinVater war Siriondil, sein Großvater Calimmacil und sein Urgroßvater Arciryas,ein Bruder Narmacils II. Arvedui beharrte nicht auf seinem Anspruch, denn erhatte weder die Macht noch die Absicht, die Wahl der Dúnedain von Gondoranzufechten; doch der Anspruch blieb unter seinen Nachkommen unvergessen,auch dann noch, als sie die Königswürde verloren hatten. Denn das Ende desNordkönigreichs rückte nun nahe.

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Arvedui war in der Tat, wie sein Name besagt, der letzte König. Es heißt, dieserName sei ihm bei der Geburt von dem Seher Malbeth gegeben worden, der zuseinem Vater sagte: ›Arvedui sollst du ihn nennen, denn der Letzte in Arthedainwird er sein. Doch werden die Dúnedain eine Wahl treffen müssen, und wennsie sich für das scheinbar weniger Aussichtsreiche entscheiden, dann wird deinSohn seinen Namen ändern und König über ein großes Reich werden. Wennnicht, dann steht viel Leid bevor, und viele Menschenleben werden hingehen,ehe die Dúnedain wieder groß und vereint werden.‹

Auch in Gondor folgte auf Earnil nur noch ein König. Vielleicht wäre dasKönigtum gewahrt worden, hätte man Krone und Zepter damals vereinigt, undviel Unheil hätte sich abwenden lassen. Doch Earnil war ein kluger Mann undnicht anmaßend; nur hielt er wie zu seiner Zeit in Gondor die meisten Menschendas Reich von Arthedain, ungeachtet der edlen Abkunft seiner Herrscher, fürallzu unbedeutend.

Er sandte Botschaften an Arvedui, die ihm mitteilten, er habe gemäß denGesetzen und Erfordernissen des Südreichs die Krone empfangen; ›doch ichvergesse Arnor seine Treue nicht, noch leugne ich unsere Verwandtschaft oderwünsche, dass die Reiche Elendils einander fremd werden. Ich werde dir Hilfesenden, wenn du ihrer bedarfst, soweit ich es vermag.‹

Es dauerte jedoch lange, bis Earnil selbst sich hinreichend sicher fühlte, umsein Versprechen einlösen zu können. König Araphant wehrte noch immer mitschwindender Kraft Angmars Vorstöße ab und ebenso Arvedui, sein Nachfolger;doch im Herbst 1973 kamen schließlich Nachrichten nach Gondor, dass Arthedainin höchster Not sei und dass der Hexenkönig zum letzten vernichtenden Schlagrüste. Da schickte Earnil seinen Sohn Earnur auf schnellstem Wege mit einerFlotte nach Norden, mit so vielen Kriegern, wie er nur entbehren konnte.

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Aber zu spät. Bevor Earnur die Anfurten von Lindon erreichte, hatte derHexenkönig Arthedain erobert, und Arvedui war umgekommen.

Doch als Earnur bei den Grauen Anfurten eintraf, staunten Elben und Men-schen und freuten sich. So viele Schiffe hatte er und von solchem Tiefgang, dassdie Ankerplätze kaum ausreichten, obgleich sowohl der Harlond wie der Forlondbelegt wurden; und ihnen entstieg ein starkes Heer mit Vorräten und Rüstungs-gütern für einen Krieg großer Könige. So jedenfalls erschien es den Völkerndes Nordens; doch war dies nur ein kleines Expeditionsheer aus den gesamtenStreitkräften von Gondor. Am meisten Bewunderung zollte man den Pferden,von denen viele aus den Anduin-Tälern kamen, unter großen, stattlichen Reiternund den stolzen Fürsten von Rhovanion.

Nun rief Círdan alle, die kommen wollten, aus Lindon und Arnor zusammen,und als alles bereit war, überschritt das Heer den Lhûn und marschierte nord-wärts, um den Hexenkönig zum Kampf zu stellen. Er hatte, so heißt es, seinenSitz in Fornost genommen, wo er viel übles Volk versammelt und sich im Hausund der Herrschaft der Könige eingerichtet hatte. Sein Stolz erlaubte ihm nicht,die Feinde in seiner Festung zu erwarten, sondern er zog ihnen entgegen, in derMeinung, er könne sie wie schon andere zuvor in den Lhûn jagen.

Aber das Heer des Westens stieß von den Abendrotbergen auf ihn hinab, undes kam zu einer großen Schlacht in der Ebene zwischen dem Nenuial und denNordhöhen. Angmars Streiter wichen schon und zogen sich in Richtung Fornostzurück, als das Hauptheer der Reiter, das die Berge umrundet hatte, von Nordenkam und sie zersprengte. Da floh der Hexenkönig mit allen, die er aus demGemetzel noch um sich sammeln konnte, nach Norden, um sich in Angmar inSicherheit zu bringen; doch bevor er Carn Dûm erreicht hatte, holte ihn dieReiterei von Gondor ein, mit Earnur an der Spitze. Gleichzeitig kam ein Trupp

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aus Bruchtal unter dem Elbenfürsten Glorfindel heran. Nun wurde Angmar sovernichtend geschlagen, dass westlich des Gebirges nicht ein Mensch oder Orkaus diesem Reich am Leben blieb.

Doch heißt es, dass der Hexenkönig, als für ihn alles verloren war, plötzlichselbst auf den Plan ritt, in schwarzem Gewand und schwarzer Maske und aufeinem schwarzen Pferd. Furcht ergriff alle, die ihn sahen; er aber hatte es nurauf den Feldherrn von Gondor abgesehen, an dem er seine ganze Wut auslassenwollte; und mit einem entsetzlichen Schrei ritt er gegen ihn an. Earnur hätteihm standgehalten, aber sein Pferd war dem Schrecken nicht gewachsen; es gingdurch und trug ihn weit davon, ehe er es zügeln konnte.

Da lachte der Hexenkönig laut auf, und niemand, der es hörte, konnte diesgrauenvolle Lachen je wieder vergessen. Nun aber ritt Glorfindel auf seinemweißen Pferd heran, und immer noch lachend wandte der Hexenkönig sich zurFlucht und verschwand in der Dämmerung. Denn die Nacht senkte sich auf dasSchlachtfeld, und er war fort, und niemand sah, wohin er ritt.

Nun kam Earnur zurück, doch Glorfindel blickte in die zunehmende Dunkel-heit hinaus und sagte: ›Verfolge ihn nicht! In weiter Ferne liegt noch sein Ende,und von keines Mannes Hand wird er fallen.‹ Vielen blieben diese Worte in Erin-nerung; Earnur aber war wütend und dachte nur noch an Rache für seine Schande.

So endete das üble Reich von Angmar; und so war Gondors Feldherr Earnurzum Erzfeind des Hexenkönigs geworden; doch viele Jahre sollten noch vergehen,bis dies sich herausstellte.«

So geschah es, dass zu Earnils Zeit, wie später bekannt wurde, der Hexenkönigaus dem Norden floh und nach Mordor kam, wo er die anderen Ringgeister umsich sammelte, deren oberster er war. Doch erst im Jahr 2000 wagten sie sich

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hervor, überschritten den Pass von Cirith Ungol und belagerten Minas Ithil. Sieeroberten es 2002, und der Palantír des Turmes fiel ihnen in die Hände. Wäh-rend des ganzen Dritten Zeitalters konnten sie von dort nicht wieder vertriebenwerden. Minas Ithil wurde ein Schreckensort und in Minas Morgul umbenannt.Ithilien wurde von einem großen Teil seiner Bewohner verlassen.

»Earnur kam seinem Vater an Tapferkeit gleich, aber nicht an Verstand. Erwar stark und hitzköpfig; eine Frau mochte er nicht nehmen, denn seine einzigeFreude waren Kampf und Waffenübung. Niemand in Gondor konnte es in denWettkämpfen, die er bevorzugte, mit ihm aufnehmen. Er wirkte eher wie einFechtmeister als wie ein Feldherr oder König; und seine Kraft und Geschicklich-keit behielt er bis in ein ungewöhnlich hohes Alter.«

Als Earnur 2043 die Krone empfing, forderte ihn der Morgulfürst zum Zweikampf heraus, unter höhnischen Anspielungen auf jene Schlacht im Norden,wo Earnur nicht gewagt habe, sich ihm zu stellen. Einstweilen konnte der Statthalter Mardil den Zorn des Königs im Zaum halten. Minas Anor, das seit Telemnars Tagen Hauptstadt des Reiches und Sitz der Könige war, wurdedamals in Minas Tirith umbenannt: ein ständiger Wachtposten gegen die Übelaus Minas Morgul.

Earnur trug die Krone erst seit sieben Jahren, als der Morgulfürst seine Heraus-forderung wiederholte, mit der Bemerkung, zu der Hasenherzigkeit, die Earnurin seiner Jugend bewiesen habe, komme nun wohl noch die Altersschwäche hinzu.Da konnte auch Mardil den König nicht länger zurückhalten, und nur miteinem kleinen Gefolge von Rittern ritt er vors Tor von Minas Morgul. Nie wiederhörte man etwas von ihm oder seinen Begleitern. In Gondor glaubte man, derKönig sei dem tückischen Feind in die Falle gegangen und unter Qualen in

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Minas Morgul gestorben; doch da es für seinen Tod keine Zeugen gab, regierteder gute Statthalter Mardil das Reich viele Jahre lang in seinem Namen.

Es gab nun nicht mehr viele Nachkommen des Königshauses. Ihre Zahl hattesich im Sippenstreit stark vermindert; und obendrein waren die Könige seithereifersüchtig und misstrauisch gegen die nahen Verwandten. Oft waren die inVerdacht Geratenen nach Umbar geflohen und hatten sich dort den Rebellenangeschlossen; während andere auf die Rechte ihrer Abkunft verzichtet und Frauenvon nichtnúmenórischem Blut geheiratet hatten.

So kam es, dass sich kein reinblütiger oder allseits anerkannter Bewerber fand,der auf die Krone Anspruch erheben konnte; und alle dachten mit Grauen anden Sippenstreit zurück und wussten, dass Gondor eine Wiederholung solcherZwistigkeiten nicht überstehen würde. Daher regierte nun Jahr um Jahr derStatthalter das Land, und Elendils Krone ruhte in König Earnils Schoß in denTotenhäusern, wo Earnur sie zurückgelassen hatte.

Die StatthalterDie Sippe der Statthalter nannte man das Haus Húrin, denn sie waren Nach-kommen Húrins von den Emyn Arnen, eines Mannes von hoher númenórischerAbkunft, der unter König Minardil (1621–34) Statthalter gewesen war. Seitherhatten die Könige ihren Statthalter immer unter seinen Nachkommen gewählt;und nach Pelendurs Zeit wurde das Amt des Statthalters erblich wie die Königs-würde und ging vom Vater auf den Sohn oder den nächsten Verwandten über.

Jeder neue Statthalter legte bei Antritt seines Amtes den Eid ab, »Stab undRegierung bis zur Wiederkehr des Königs zu führen«. Doch diese Worte wurdenbald zur leeren Formel, denn tatsächlich nahmen die Statthalter alle königlichenMachtbefugnisse wahr. Dennoch glaubten viele in Gondor noch immer,

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irgendwann werde wahrhaftig ein König wiederkehren; und manche erinnertensich auch der alten Linie im Norden, die den Gerüchten nach im Verborgenennoch fortbestehen sollte. Doch von solchen Ideen wollten die Statthalter nichtswissen.

Immerhin ließen sich die Statthalter niemals auf dem alten Thron nieder, sie trugen keine Krone und hielten kein Zepter in der Hand. Nur einen weißenStab trugen sie als Zeichen ihres Amtes; und ihr Banner war weiß ohne Wahr-zeichen, während das königliche Banner schwarz gewesen war, mit einem blühen-den weißen Baum unter sieben Sternen darauf.

Auf Mardil Voronwe, der als Erster ihrer Linie galt, folgten noch vierundzwanzigregierende Statthalter von Gondor, bis zur Zeit Denethors II., des sechsund-zwanzigsten und letzten. Zuerst hatten sie Ruhe, denn dies waren die Jahre desWachsamen Friedens, in denen Sauron vor der Macht des Weißen Rats zurück-wich und die Ringgeister sich im Morgultal zurückhielten. Aber seit der ZeitDenethors I. gab es keinen ungestörten Frieden mehr, und selbst wenn geradekein offener Krieg mit größeren Gefechten stattfand, wurden Gondors Grenzenständig bedroht.

In den letzten Jahren Denethors I. kam aus Mordor zum ersten Mal die Rasseder Uruks, schwarzer, muskelstrotzender Orks; und im Jahr 2475 überranntensie Ithilien und nahmen Osgiliath ein. Denethors Sohn Boromir (nach dem der Boromir unter den Neun Gefährten benannt war) besiegte sie und gewannIthilien zurück; doch Osgiliath lag nun ein für alle Mal in Trümmern, und seinegroße Steinbrücke war zerbrochen. Seitdem wohnte dort niemand mehr. Boro-mir war ein großer Feldhauptmann, vor dem selbst der Hexenkönig Respekthatte, edel und mit schönen Gesichtszügen, stark an Leib und Seele; doch in

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jenem Krieg empfing er eine Morgul-Wunde, die seine Tage verkürzte. DerSchmerz zehrte ihn auf, und er starb zwölf Jahre nach seinem Vater.

Nach ihm begann die lange Regierungszeit Cirions. Er war umsichtig undwachsam, aber Gondors Arm reichte nicht sehr weit, und er konnte nicht vielmehr tun, als seine Grenzen zu schützen, während seine Feinde (oder die Macht,die sie lenkte) Schläge gegen ihn vorbereiteten, die er nicht abzufangen vermochte.An den Küsten plünderten die Korsaren, doch die größte Gefahr ging vomNorden aus. In den weiten Gebieten von Rhovanion, zwischen Düsterwald undEilend, lebte nun ein wüstes Volk, das ganz unter dem Einfluss von Dol Guldurstand. Oft unternahm es Überfälle durch den Wald hindurch, bis das Anduintalsüdlich des Schwertelflusses weitgehend entvölkert war. Dies waren die Balchoth,und sie erhielten stetig Zustrom von anderen ihresgleichen aus dem Osten,während das Volk von Calenardhon zusammengeschrumpft war. Cirion hattegroße Mühe, die Anduin-Grenze zu halten.

Den Sturm voraussehend, schickte Cirion eine Botschaft mit Hilferufen nachNorden, doch allzu spät; denn in diesem Jahr (2510), nachdem die Balchothauf dem Ostufer des Anduin viele große Boote und Flöße gebaut hatten,schwärmten sie über den Strom und fegten die Verteidiger hinweg. Ein vonSüden gegen sie heranmarschierendes Heer wurde abgeschnitten und über denLimklar nach Norden gedrängt, wo plötzlich eine Schar Orks aus dem Gebirgees angriff und zum Anduin hindrängte. Da kam unverhofft die Hilfe aus demNorden, und zum ersten Mal hörte man in Gondor die Hörner der Rohirrim.Eorl der Junge kam mit seinen Reitern, fegte die Feinde hinweg und hetzte sieauf den Feldern von Calenardhon zu Tode. Cirion gab Eorl dieses Land zurBesiedlung frei, und Eorl schwor Cirion einen Freundschaftseid und gelobteden Herren von Gondor Beistand in der Not oder auf Verlangen.

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In noch größere Gefahr kam Gondor zur Zeit Berens, des neunzehntenStatthalters. Drei starke Flotten, lange zuvor gerüstet, segelten von Umbar heranund überfielen Gondors Küsten. Sie landeten an vielen Stellen, sogar weit imNorden an der Isenmündung. Die Rohirrim wurden von Westen und Ostenzugleich angegriffen; ihr Land wurde überrannt, und sie mussten sich in dieTäler des Weißen Gebirges flüchten. In diesem Jahr (2758) begann der LangeWinter, der Schnee und eisige Kälte von Norden und Osten brachte und fastfünf Monate lang anhielt. Helm von Rohan und seine beiden Söhne kamen um,und in Eriador und Rohan wüteten Elend und Tod. Doch in Gondor, südlichdes Gebirges, stand es nicht so schlimm, und bevor es noch Frühling wurde,hatte Berens Sohn Beregond die Eindringlinge überwunden. Sofort schickte erHilfe nach Rohan. Er war Gondors größter Feldherr seit Boromir; und als erseinem Vater auf dem Thron folgte (2763), begann das Reich wieder zu Kräftenzu kommen. Rohan aber erholte sich nicht so schnell. Dies war der Grund,warum Beren zur Aufnahme Sarumans bereit war und ihm die Schlüssel desOrthanc übergab; und seitdem (2759) wohnte Saruman in Isengard.

Zur Zeit Beregonds wurde im Nebelgebirge der Krieg zwischen den Zwergenund den Orks (2793–99) ausgefochten, von dem nur Gerüchte nach Südendrangen, bis die aus dem Nanduhirion flüchtenden Orks Rohan zu durchquerenund sich im Weißen Gebirge einzunisten versuchten. Viele Jahre wurde in denGebirgstälern gekämpft, bis die Gefahr beseitigt war.

Beim Tod Belecthors II., des einundzwanzigsten Statthalters, starb in MinasTirith zugleich auch der Weiße Baum ab; aber er wurde »bis zur Wiederkehr des Königs« stehen gelassen, weil kein Sämling zu finden war.

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12 Der Name bedeutet »lang schäumendes Schiff«, denn die Insel hatte die Form eines großen Schiffs mit hohem,nach Norden zeigendem Bug, an dessen scharfen Felsen der Anduin weiß schäumend vorüberrauschte.

Zur Zeit Túrins II. begannen Gondors Feinde sich von neuem zu regen,denn Sauron war wieder erstarkt, und der Tag, an dem er sich offenbaren würde,rückte näher. Alle bis auf die Verwegensten verließen Ithilien und zogen überden Anduin nach Westen, denn die Orks aus Mordor machten das Land unsicher.Túrin war es, der die geheimen Stützpunkte für seine Truppen in Ithilien anlegenließ, von denen Henneth Annûn am längsten bewacht und bemannt blieb. ZumSchutz Anóriens ließ er auch die Insel Cair Andros12 wieder befestigen. Aber dieGefahr für ihn kam vor allem von Süden, wo die Haradrim Süd-Gondor besetzthatten und wo am Poros heftig gekämpft wurde. Als starke Streitkräfte nachIthilien eindrangen, erfüllte König Folcwine von Rohan Eorls Eid und schickteviele Reiter nach Gondor; zugleich vergalt er damit die Hilfe, die Beregondeinst Rohan geleistet hatte. Unterstützt von den Rohirrim, errang Túrin einenSieg am Poros-Übergang; doch Folcwines Söhne fielen in der Schlacht. DieReiter begruben sie nach der Sitte ihres Volkes, und zwar beide in einem Grab-hügel, denn sie waren Zwillingsbrüder. Haudh in Gwanur nannte man den Hügel,und lange stand er dort, hoch über dem Flussufer, und Gondors Feinde gingenungern an ihm vorüber.

Túrins Nachfolger wurde Turgon, und aus seiner Zeit ist vor allem eins zuberichten: Zwei Jahre vor seinem Tod trat Sauron wieder hervor und zeigte sichoffen; und er hielt Einzug in Mordor, wo alles für ihn vorbereitet war. Dannwurde Barad-dûr wieder aufgebaut, der Schicksalsberg brach in Flammen aus,und die letzten Bewohner Ithiliens suchten das Weite. Als Turgon starb, nahmSaruman sich Isengard zu eigen und befestigte es.

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»Ecthelion II., Turgons Sohn, war ein Mann von Verstand. Mit allem, wasihm an Macht geblieben war, begann er, die Grenzen seines Reichs gegenMordors Angriffe zu sichern. Er zog tüchtige Männer von nah und fern in seinenDienst und gab denen Rang und Lohn, die sich seines Vertrauens als würdigerwiesen. Bei vielen seiner Maßnahmen erhielt er Rat und Hilfe von einemgroßen Feldhauptmann, den er vor allen anderen schätzte. Thorongil nanntenihn die Menschen in Gondor, ›Sternadler‹, denn er war schnell und scharf-sichtig, und an seinem Mantel trug er einen silbernen Stern; wie er aber wirk-lich hieß und in welchem Land er geboren war, wusste niemand. Zu Ecthelionkam er aus Rohan, wo er dem König Thengel gedient hatte, doch war er nichtvom Volk der Rohirrim. Er war ein großer Heerführer zu Wasser wie zu Lande,aber bevor Ecthelions Tage zu Ende gingen, trat er zurück in den Schatten, ausdem er gekommen war.

Thorongil gab Ecthelion oft zu bedenken, dass die Macht der Rebellen inUmbar eine große Gefahr für Gondor und eine Bedrohung seiner südlichenLehen sei, die sich als tödlich erweisen könne, wenn Sauron zum offenen Kriegüberginge. Schließlich erwirkte er die Erlaubnis des Statthalters, eine kleineFlotte zu rüsten. Überraschend lief er eines Nachts in Umbar ein und ver-brannte einen großen Teil der Korsarenschiffe. Er selbst besiegte im Kampf aufden Kaien den Hafenkommandanten; dann zog er sich unter geringen Verlustenmit seiner Flotte zurück. Doch als sie wieder nach Pelargir kamen, wollte er zumKummer und Erstaunen der Menschen nicht nach Minas Tirith zurückkehren,wo ihn hohe Ehren erwarteten.

Er schickte Ecthelion eine Abschiedsbotschaft, die lautete: ›Andere Aufgabenrufen mich nun, Gebieter, und ich werde viel Zeit und viele Gefahren hintermich bringen müssen, bis ich, wenn es mein Schicksal so will, wieder nach

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Gondor komme.‹ Zwar konnte sich niemand denken, was dies für Aufgabensein mochten und welcher Ruf dazu an ihn gelangt war; doch wohin er ging,wusste man. Denn er nahm sich ein Boot und setzte über den Anduin, und dortnahm er Abschied von seinen Gefährten und ging allein weiter; und als manihn zuletzt sah, hatte er sich dem Schattengebirge zugewandt.

In der Stadt war man sehr bestürzt wegen seines Fortgangs, der allen als einschwerer Verlust erschien, Ecthelions Sohn Denethor vielleicht ausgenommen,ein Mann, der nun schon reif war für das Amt des Statthalters, das er vier Jahredarauf nach dem Tod seines Vaters antrat.

Denethor II. war stolz, groß und mutig, eine königliche Erscheinung, wieman sie in Gondor seit vielen Menschenaltern nicht mehr gesehen hatte, oben-drein klug, weitblickend und bewandert in der Überlieferung. Eigentlich war er Thorongil so ähnlich, als wären sie nah verwandt; und doch nahm er in denHerzen der Menschen und in der Achtung seines Vaters hinter dem Fremdenimmer nur den zweiten Platz ein. Zu der Zeit glaubten viele, Thorongil habeseinen Abschied genommen, weil sonst sein Rivale bald sein Gebieter gewordenwäre; doch hatte Thorongil eigentlich nie mit Denethor rivalisiert oder einenAnspruch erkennen lassen, mehr zu sein als ein Diener des Statthalters. Nur ineinem Punkt waren sie verschiedener Meinung: Thorongil gab Ecthelion oftden Rat, Saruman dem Weißen in Isengard nicht zu trauen, sondern lieber Gandalfden Grauen anzuhören. Denethor aber war kein Freund von Gandalf; und nachEcthelions Tagen war der graue Wanderer in Minas Tirith nicht mehr so gerngesehen. Später, als alles sich aufgeklärt hatte, glaubten daher viele, Denethor,scharfsinnig, wie er war, weiter und tiefer blickend als andere Menschen seinerZeit, habe herausgefunden, wer dieser Fremde war, der sich Thorongil nannte,und Argwohn geschöpft, dass er und Mithrandir vorhätten, ihn zu verdrängen.

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Als Denethor Statthalter wurde (2984), erwies er sich als ein strenger Gebieter,der in allen Dingen seinen Willen behauptete. Er redete wenig, hörte Ratschlägean und tat dann, was er für richtig hielt. Erst spät hatte er geheiratet (2976),nämlich Finduilas, die Tochter Adrahils von Dol Amroth. Sie war eine schöne,sanftmütige Frau, doch als sie noch keine zwölf Jahre verheiratet waren, starbsie. Denethor liebte sie auf seine Weise mehr als jeden anderen Menschen, aus-genommen vielleicht den älteren der beiden Söhne, die sie ihm schenkte. Dochdem Volk schien es, als welke sie in der bewachten Stadt wie eine Blume aus denTälern am Meer, die man auf einen kahlen Felsen verpflanzte. Ihr graute vordem Schatten im Osten, und stets hielt sie die Augen südwärts gewandt, zumMeer hin, nach dem sie sich sehnte.

Nach ihrem Tod wurde Denethor noch finsterer und schweigsamer als zuvor,und oft saß er lange allein in seinem Turm, tief in Gedanken, denn er sahvoraus, dass der Angriff aus Mordor zu seinen Lebzeiten kommen werde. Späterglaubte man, dass er in Ermangelung mancher Kenntnisse, doch aus Stolz undim Vertrauen auf die eigene Willensstärke, es gewagt hatte, in den Palantír desWeißen Turms zu blicken. Keiner der Statthalter hatte dies je gewagt, nicht ein-mal die Könige Earnil und Earnur, nachdem Minas Ithil verloren und IsildursPalantír dem Feind in die Hände gefallen war; denn der Stein von Minas Tirithwar Anárions Palantír und aufs Engste abgestimmt mit dem, den nun Sauronbesaß.

Auf diese Weise erlangte Denethor viele von den Menschen bestaunte Kenntnissevon Ereignissen in seinem Reich und auch weit außerhalb seiner Grenzen; aber sie waren teuer erkauft, denn im Ringen mit Saurons Willen alterte er vorder Zeit. So wuchs sein Stolz zugleich mit seiner Verzweiflung, bis er in allem

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Geschehen dieser Zeit nur noch den Zweikampf zwischen dem Herrn des WeißenTurms und dem Herrn von Barad-dûr sah und allen anderen misstraute, dieSauron widerstanden, wenn sie nicht ausschließlich ihm selbst dienten.

So rückte die Zeit des Ringkriegs näher, und Denethors Söhne wurden erwachsen. Boromir, fünf Jahre älter als sein Bruder und der Liebling seinesVaters, war ihm äußerlich und in seinem Stolz ähnlich, doch in wenig anderem.Eher war er vom Schlage des alten Königs Earnur, einer der keine Frau nahmund an Waffenübungen die größte Freude hatte, furchtlos und stark, aber mitwenig Interesse für die Überlieferung, soweit sie nicht die Waffentaten der altenHelden betraf. Faramir, der jüngere, sah ihm ähnlich, war aber anderenGemüts. Ebenso scharfsinnig wie sein Vater, wusste er in den Herzen der Men-schen zu lesen, doch was er dort las, erregte eher sein Mitgefühl als seine Ver-achtung. Er war von freundlichem Wesen, ein Liebhaber der Überlieferung undder Musik; und daher trauten viele ihm damals weniger Mut zu als seinem Bruder.Doch daran war nur so viel richtig, dass er sich nicht leichtfertig und nur demRuhm zuliebe in Gefahr begab. Gandalf war ihm willkommen, wann immer erin die Stadt kam, und er lernte von ihm, so viel er irgend konnte; und damit,wie mit vielem anderen, erregte er das Missfallen seines Vaters.

Zwischen den Brüdern aber herrschte ungetrübte Freundschaft, schon seit ihrerKindheit, als Boromir den jüngeren in allem leitete und beschützte. Seither war keine Eifersucht oder Rivalität um die Gunst des Vaters oder das Lob ande-rer Menschen zwischen sie getreten. Faramir hielt es gar nicht für möglich, dassirgendwer in Gondor Boromir gleichkommen könnte, Denethors Erben, demFeldhauptmann des Weißen Turms; und so dachte auch Boromir selbst. Dochdie Prüfung ging anders aus. Von allem aber, was aus diesen dreien im Ringkrieg

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wurde, wird anderswo ausführlich berichtet. Und nach dem Krieg gingen dieTage der Regierenden Statthalter zu Ende, denn Isildurs und Anárions Erbekehrte wieder, das Königtum wurde erneuert, und auf Ecthelions Turm wehtedas Banner des Weißen Baums.«

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Anhang F

I Die Sprachen und Völker des Dritten Zeitalters

Die in diesem Buch durch Deutsch wiedergegebene Sprache war das Westron oderdie »Gemeinsame Sprache« der Westlande von Mittelerde im Dritten Zeitalter.Im Laufe dieses Zeitalters war es zur Sprache fast aller überhaupt einer Sprachefähigen Völker geworden (mit Ausnahme der Elben), die in den Grenzen derehemaligen Königreiche von Arnor und Gondor lebten, das heißt an allenKüsten von Umbar bis zur Bucht von Forochel im Norden und im Binnenlandbis zum Nebelgebirge und dem Ephel Dúath. Den Anduin aufwärts hatte es sichauch nach Norden ausgebreitet in das Land westlich des Stroms und östlich desGebirges bis zu den Schwertelfeldern.

Zur Zeit des Ringkrieges am Ende des Zeitalters waren dies noch immer dieGrenzen seiner Verbreitung; allerdings waren weite Gebiete von Eriador nunentvölkert, und am Anduin zwischen Rauros und den Schwertelfeldern wohntennur noch wenige Menschen.

Einige Nachkommen der wilden Menschen von einst blieben noch im Drúadan-Wald in Anórien; und auch in den Hügeln von Dúnland lebten Reste einesalten Volkes, das früher ein Großteil von Gondor bewohnt hatte. Diese hieltenan ihren Stammessprachen fest; und auch in der Ebene von Rohan wohnte nunein Volk aus dem Norden, die Rohirrim, die vor etwa fünfhundert Jahren indieses Land gezogen waren. Aber als zweite Sprache, für den Verkehr zwischenden Völkern, wurde Westron auch von all denen gebraucht, die noch eine eigene

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1 In Lórien sprach man zu dieser Zeit Sindarin, allerdings mit einem ausgeprägten Akzent, denn die meisten seinerBewohner waren waldelbischer Herkunft. Von diesem »Akzent« und der eigenen beschränkten Kenntnis des Sindarinließ Frodo sich täuschen (wie ein Kommentator aus Gondor im Buch des Thains angemerkt hat). Alle elbischenWörter sind in der Tat Sindarin, und ebenso auch die meisten Orts- und Personennamen. Doch Lórien, Caras Galad-hon, Amroth und Nimrodel sind vermutlich waldelbischen Ursprungs und dem Sindarin nachträglich angepasst.

Sprache beibehielten, sogar von den Elben, nicht nur in Arnor und Gondor,sondern überall in den Anduintälern und weiter ostwärts bis jenseits des Düster-walds. Selbst unter den wilden Menschen und den Dunländern, die den ande-ren Völkern aus dem Weg gingen, gab es manche, die Westron sprachen, wennauch gebrochen.

Von den Elben

Vor langer Zeit, in den Ältesten Tagen, hatten sich die Elben in zwei Haupt-gruppen gespalten: die Westelben (Eldar) und die Ostelben. Zu den Letzterengehörten die meisten Elben im Düsterwald und in Lórien; doch ihre Sprachenkommen nicht vor in dieser Geschichte, in der alle elbischen Namen und Wörterin einer Eldarin-Form erscheinen.1

Von den Sprachen der Eldar finden sich in diesem Buch zwei vertreten: dasHochelbische oder Quenya und das Grauelbische oder Sindarin. Das Hochelbi-sche war eine uralte Sprache, die Sprache von Eldamar jenseits des Meeres unddie erste, die schriftlich festgehalten wurde. Es war keine lebende Sprache mehr,sondern war gewissermaßen zu einem »Elbenlatein« geworden und wurde vonden Hochelben, die am Ende des Ersten Zeitalters ins Exil nach Mittelerdezurückgekehrt waren, bei Zeremonien und in der Beschäftigung mit den erha-benen Gegenständen der Überlieferung und der Dichtung gebraucht.

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Das Grauelbische war dem Quenya vom Ursprung her verwandt. Es war dieSprache derjenigen Eldar, die an die Küsten von Mittelerde gelangt, doch nichtübers Meer gefahren, sondern im Lande Beleriand geblieben waren. ThingolGraumantel von Doriath war dort ihr König, und so wie in den Sterblichenlandenalles sich verändert, so hatte auch ihre Sprache sich in der langen Dämmerzeitverändert und sich weit entfernt von der Sprache der Eldar, die von jenseits desMeeres kamen.

Die Hochelben, die unter den zahlreicheren Grauelben lebten, hatten fürden täglichen Gebrauch das Sindarin angenommen, und dieses war daher dieSprache aller Elben und Elbenfürsten, die in dieser Geschichte auftreten. Dennsie alle waren vom Geschlecht der Eldar, auch wo das Volk, das sie regierten,von geringerer Art war. Die Edelste von allen war Frau Galadriel aus demKönigshause Finarfin, die Schwester Finrod Felagunds, des Königs von Nargo-thrond. Die Herzen der Ausgewanderten quälte die unstillbare Sehnsucht nachdem Meere; in den Herzen der Grauelben schlummerte sie, ließ sich aber,wenn sie einmal geweckt war, nicht mehr lindern.

Von den Menschen

Westron war eine Menschensprache, obgleich unter elbischem Einfluss reicherund geschmeidiger geworden. Ursprünglich war es die Sprache derer, die vonden Eldar Atani oder Edain genannt wurden, »Väter der Menschen«, insbesondereder Menschen aus den Drei Häusern der Elbenfreunde, die im Ersten Zeitaltervon Osten nach Beleriand kamen und den Eldar im Großen Juwelenkrieg gegendie dunkle Macht im Norden beistanden.

Nach der Niederwerfung des Dunklen Herrschers, bei der Beleriand zum

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2 Quenya-Namen sind zum Beispiel Númenor (vollständig Númenóre), Elendil, Isildur, Anárion sowie alle Namen derKönige von Gondor, auch Elessar, »Elbenstein«. Die meisten anderen Dúnedain-Namen wie Aragorn, Denethor oderGilraen haben eine Sindarin-Form und sind oftmals Namen von Elben oder Menschen, deren in den Liedern und Er-zählungen aus dem Ersten Zeitalter gedacht wurde (z. B. Beren, Húrin). Manche, wie z. B. Boromir, sind Mischformen.

größten Teil zertrümmert oder überflutet wurde, erhielten die Elbenfreunde zumLohn die Erlaubnis, ebenso wie die Eldar übers Meer in den Westen zu fahren.Da ihnen aber das Reich der Unsterblichen verwehrt war, wurde ihnen eine großeInsel zugewiesen, das westlichste aller Sterblichenlande. Der Name der Insel warNúmenor (Westernis). Die meisten Elbenfreunde fuhren also dorthin, ließen sichauf der Insel nieder und wurden groß und mächtig, berühmte Seefahrer undHerren über viele Schiffe. Sie wurden schöne Menschen von hohem Wuchs undlebten dreimal so lange wie die Menschen von Mittelerde. Dies waren die Núme-nórer, die Könige unter den Menschen, die die Elben die Dúnedain nannten.

Von allen Menschenvölkern verstanden und sprachen allein die Dúnedaineine Elbensprache, denn ihre Vorfahren hatten Sindarin gelernt und es an ihreKinder weitergegeben als einen Wissensschatz, an dem der Lauf der Jahre nurwenig änderte. Und ihre Gelehrten machten sich auch mit der HochelbenspracheQuenya vertraut und schätzten es höher als alle anderen Sprachen; und darinfanden sie die Namen für viele ehr- und denkwürdige Orte und für Menschenvon königlicher Abkunft und hohem Ruhm.2

Doch die Muttersprache der Númenórer blieb zumeist die Menschenspracheihrer Vorfahren, das Adûnaische, und darauf kamen ihre Könige und Fürstenim Hochmut ihrer letzten Jahre zurück. Abgesehen von den wenigen, die an deralten Freundschaft mit den Eldar festhielten, gebrauchten sie die Elbensprachennicht mehr. Auf dem Gipfel ihrer Macht hatten die Númenórer an den West-küsten von Mittelerde viele Festungen und Häfen als Stützpunkte für ihre Schiffe

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unterhalten; und einer der wichtigsten war Pelargir an den Anduin-Mündungen.Dort sprach man ein Adûnaisch, das viele Wörter aus den Dialekten der gerin-geren Menschenvölker aufnahm und zu der Gemeinsprache wurde und sich anden Küsten entlang unter allen ausbreitete, die mit Westernis verkehrten.

Nach dem Untergang von Númenor führte Elendil die überlebenden Elben-freunde zurück zu den Nordwestküsten von Mittelerde. Dort lebten schon viele,die von reinem oder vermischtem númenórischem Geblüt waren; doch nurnoch wenige von ihnen verstanden die Elbensprachen. Insgesamt waren dieDúnedain also von Anfang an weit in der Minderzahl gegenüber den geringerenMenschen, unter denen sie nun lebten und deren Herren sie wurden, weil sielanglebig, mächtig und kenntnisreich waren. Im Umgang mit anderen und beider Regierung ihrer weiten Reiche gebrauchten sie daher die Gemeinsprache,erweiterten und bereicherten sie aber mit vielen Wörtern aus den Elbensprachen.

Zu Zeiten der númenórischen Könige in Mittelerde breitete dieses veredelteWestron sich weithin aus, selbst unter den Feinden der Dúnedain; und mehrund mehr gebrauchten es die Dúnedain selbst, sodass zur Zeit des Ringkriegs dieElbensprache nur noch einem kleinen Teil der Menschen von Gondor bekanntwar und von noch wenigeren im alltäglichen Umgang gesprochen wurde. Diesewohnten zumeist in Minas Tirith und Umgebung und im Land der tribut-pflichtigen Fürsten von Dol Amroth. Fast alle Orts- und Personennamen aberim Reiche Gondor waren von elbischer Form und Bedeutung. Manche, derenUrsprung vergessen war, stammten sicherlich aus der Zeit, bevor die Schiffe derNúmenórer nach Mittelerde kamen; zu diesen gehören Umbar, Arnach, Erech unddie Namen der Berge Eilenach und Rimmon. Auch Forlong war ein solcher Name.

Die meisten Menschen in den nördlichen Regionen der Westlande stammtenvon den Edain des Ersten Zeitalters oder von deren nahen Verwandten ab. Auch

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ihre Sprachen waren daher dem Adûnaischen verwandt, und manche hattennoch Ähnlichkeit mit der Gemeinsprache. Von dieser Art waren die Völker inden Tälern am Oberlauf des Anduin: die Beorninger, die Wäldler aus demwestlichen Düsterwald und, weiter nordöstlich, die Menschen vom Langen Seeund von Thal. Aus dem Gebiet zwischen Schwertel und Carrock kam das Volk,das man in Gondor die Rohirrim nannte, die Pferdeherren. Sie behielten dieSprache ihrer Vorfahren bei und gaben in ihr allen Orten ihres neuen Landesneue Namen, und sich selbst nannten sie die Eorlingas oder die Menschen derRiddermark. Ihren Edlen aber war das Westron geläufig, und sie sprachen es aufdie würdige Art ihrer Verbündeten in Gondor; denn in Gondor, wo es herkam,bewahrte das Westron etwas mehr an Wohllaut und Altertümlichkeit.

Ganz und gar fremdartig war die Sprache der Wilden im Drúadan-Wald.Ebenfalls fremd oder nur entfernt mit dem Westron verwandt war das Dunlän-dische. Dies waren Reste der Völker, die in früheren Zeitaltern die Täler desWeißen Gebirges bewohnt hatten. Zu ihnen gehörten auch die Toten von Dun-harg. Andere jedoch waren in den Dunklen Jahren in die südlichen Täler desNebelgebirges gezogen, und von dort waren manche weitergewandert in dieunbewohnten Gebiete im Norden, bis hinauf zu den Hügelgräberhöhen. Vonihnen stammten die Menschen von Bree ab, die allerdings schon vor langer ZeitUntertanen des nördlichen Königreichs von Arnor geworden waren und dasWestron angenommen hatten. Nur in Dunland hielten Menschen dieser Rassenoch an ihrer alten Sprache und ihren Bräuchen fest: ein Volk im Verborgenen,misstrauisch gegen die Dúnedain und voller Hass auf die Rohirrim.

Wörter aus ihrer Sprache kommen in diesem Buch nicht vor, bis auf denNamen Forgoil, den sie den Rohirrim gaben (was »Strohköpfe« bedeutet habensoll). Dunland und Dunländer waren Namen, die sie von den Rohirrim bekommen

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3 Die Starren aus dem Winkel, die nach Wilderland zurückkehrten, hatten die Gemeinsprache schon übernommen;aber Déagol und Sméagol sind Namen aus der Sprache der Menschen in der Gegend um den Schwertelfluss.

hatten, weil sie dunkelhäutig und dunkelhaarig waren; es besteht also keinZusammenhang zwischen dem Wort dunn in diesem Namen und dem grauelbi-schen Wort dûn, Westen.

Von den Hobbits

Die Hobbits im Auenland und in Bree hatten zu dieser Zeit seit etwa tausendJahren die Gemeinsprache angenommen. Sie gebrauchten sie auf ihre lose,unbekümmerte Art; doch den Gebildeteren stand, wenn es der Anlass erforderte,auch eine förmlichere Sprache zu Gebote.

Auf eine eigene Sprache der Hobbits gibt es keinen Hinweis. In früherer Zeitscheinen sie immer die Sprache der Menschen gebraucht zu haben, mit denensie zusammen oder in Nachbarschaft lebten. So nahmen sie rasch die Gemein-sprache an, als sie nach Eriador gezogen waren, und zur Zeit ihrer Niederlassungin Bree geriet ihre frühere Sprache schon ein wenig in Vergessenheit. Dies waroffenbar eine Mundart der Menschen vom oberen Anduin gewesen, verwandtmit der Sprache der Rohirrim; nur die südlichen Starren hatten anscheinendeinen dunländischen Dialekt angenommen, bevor sie nach Norden ins Auenlandwanderten.3

Aus dieser Vergangenheit waren zu Frodos Zeit noch manche Spuren erhalten:ortsübliche Wörter und Namen, die vielfach denen in Thal oder Rohan sehrähnlich waren. Am auffälligsten waren die Namen für die Tage, Monate undJahreszeiten, und mehrere andere Wörter von derselben Art (wie z. B. mathomund smial) waren noch allgemein gebräuchlich, und eine größere Anzahl war in

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4 Außer in den Fällen, wo die Hobbits offenbar versucht haben, in Kürze wiederzugeben, wie sich das Gemurmel und die Ausrufe der Ents anhörten; auch a-lalla-lalla-rumba-kamanda-lindor-burúme ist nicht elbisch: der einzigebekannte (wahrscheinlich sehr ungenaue) Versuch, ein echtes entisches Sprachfragment festzuhalten.

den bree- und auenländischen Ortsnamen erhalten. Auch die Personennamender Hobbits waren eigentümlich und in vielen Fällen sehr alt.

Hobbit war die Bezeichnung, die die Auenländer gewöhnlich auf alle ihres-gleichen anwandten. Von den Menschen wurden sie Halblinge, von den ElbenPeriannath genannt. Woher das Wort Hobbit kam, wussten die meisten nicht mehr.Es scheint jedoch ursprünglich ein Name gewesen zu sein, den die Fahlhäuteund die Starren den Harfüßen beilegten, die verstümmelte Form eines Wortes,das sich in Rohan vollständiger erhalten hatte: holbytla, Höhlenbauer.

Von den anderen Arten

Ents. Das älteste der im Dritten Zeitalter noch lebenden Völker waren die Onodrimoder Enyd. Ents hießen sie in der Sprache von Rohan. Den Eldar waren sie schonaus alten Zeiten bekannt; und auf die Anregung durch die Eldar führten dieEnts zwar nicht ihre eigene Sprache zurück, wohl aber das Bedürfnis, überhauptzu sprechen. Die Sprache, die sie selbst entwickelt hatten, war von allen anderengrundverschieden: langsam, klangvoll, worthäufend und wortwiederholend, vonwahrhaft »langem Atem«, bestand sie aus einer Vielfalt von Vokalabstufungenund Nuancen der Betonung und Stimmführung, die selbst die Gelehrten unterden Eldar nicht schriftlich darzustellen versucht hatten. Diese Sprache gebrauchtendie Ents nur unter sich; aber sie geheim zu halten, hatten sie nicht nötig, dennniemand anders konnte sie erlernen.

Ihrerseits waren die Ents jedoch gewandt im Gebrauch anderer Sprachen, die sie schnell erlernten und niemals vergaßen. Aber vor allem schätzten sie

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die Elbensprachen, besonders das alte Hochelbisch. Die seltsamen Wörter undNamen, die nach dem Bericht der Hobbits von Baumbart und anderen Entsgebraucht wurden, sind also elbisch oder nach entischer Manier verknüpfteelbische Ausdrücke.4 Manche sind Quenya, so Taurelilómea-tumbalemorna TumbaletaureaLómeanor, was man wörtlich mit »waldvielschichtig-tieftalschwarzes tieftalbewaldetesDüsterland« wiedergeben könnte, und womit Baumbart wohl ungefähr sagenwollte: »Ein schwarzer Schatten liegt auf den tiefen Tälern des Waldes.« Manchesind Sindarin, so Fangorn, »Bart-(des)-Baums«, und Fimbrethil, »Schlankbirke«.

Orks und die Schwarze Sprache. Ork ist, in der Namensform der Sprache von Rohan,die Bezeichnung der anderen Völker für einen Angehörigen dieser üblenGattung; im Sindarin lautete sie orch. Damit verwandt war sicherlich das Worturuk aus der Schwarzen Sprache, obwohl es in der Regel nur für die großenKampforks gebraucht wurde, die zu dieser Zeit aus Isengard und Mordor her-vorströmten. Die niederen Arten wurden snaga, Sklave, genannt, besonders vonden Uruk-hai.

Die Orks wurden zuerst von der Dunklen Macht des Nordens in den ÄltestenTagen gezüchtet. Es heißt, sie hätten keine eigene Sprache gehabt, sondern nur von anderen Sprachen aufgeschnappt, was sie brauchen konnten, und esdann nach Lust und Laune verballhornt; doch so brachten sie nur ein Rotwelschzustande, das außer beim Fluchen und Schimpfen selbst ihren eigenen Ansprü-chen nicht ganz genügte. Und weil diese Kreaturen so bösartig waren, dass siesogar ihre Artgenossen hassten, sprachen sie bald ebenso viele barbarische Dialekte,wie es Gruppen oder Siedlungen ihrer Rasse gab, sodass ihnen die Orkspracheim Verkehr zwischen den verschiedenen Stämmen nicht viel nützte.

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So kam es, dass sich im Dritten Zeitalter auch die Orks für die Verständigungvon Gezücht zu Gezücht des Westrons bedienten; und viele ihrer älteren Stämmewie die noch immer im Norden und im Nebelgebirge hausenden gebrauchten es sogar seit langem als eine Art Muttersprache, allerdings auf eine Weise, in deres kaum weniger unfreundlich klang als das Orkische. In diesem Jargon bedeutetetark »Mensch aus Gondor«, eine verstümmelte Form von tarkil, einem Quenya-Wort, das im Westron einen von númenórischer Abstammung bezeichnete.

Es heißt, die Schwarze Sprache sei von Sauron in den Dunklen Jahren erfundenworden, als Sprache für alle, die ihm dienten; aber dieses Vorhaben sei ihmfehlgeschlagen. Aus der Schwarzen Sprache leiteten sich jedoch viele Wörter her,die im Dritten Zeitalter unter den Orks weithin geläufig waren wie etwa ghâsh(châsch), Feuer; doch nach Saurons erster großer Niederlage war die Sprache inihrer alten Form bei allen außer den Nazgûl in Vergessenheit geraten. Als Sauronwieder erstarkte, wurde sie von neuem die Sprache Barad-dûrs und seinerWürdenträger. Die Inschrift auf dem Ring war in der altertümlichen SchwarzenSprache gehalten, während die Flüche des Mordor-Orks die korruptere Formhaben, wie sie die von Grischnâch angeführten Soldaten des Dunklen Turmsgebrauchten. Scharku bedeutete in diesem Idiom so viel wie »alter Mann«.

Trolle. Troll dient hier zur Übersetzung von Sindarin Torog. Zu Anfang, in der fernenDämmerzeit der Ältesten Tage, waren sie plumpe, stumpfsinnige Kreaturen undhatten ebenso wenig eine Sprache wie die Tiere. Doch Sauron hatte sie für seineZwecke abgerichtet, ihnen beigebracht, was in ihre Köpfe hineinging, und ihrenVerstand mit Tücke verstärkt. Daher nahmen die Trolle von den Orks an Spracheauf, was ihnen nicht zu kompliziert war; und in den Westlanden sprachen dieSteintrolle eine Art heruntergekommenes Westron.

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Am Ende des Dritten Zeitalters aber trat im südlichen Düsterwald und in denGrenzgebirgen von Mordor eine bis dahin unbekannte Trollrasse auf. Olog-haihießen sie in der Schwarzen Sprache. Dass Sauron sie gezüchtet hatte, bezweifelteniemand, doch aus welchem Zuchtstamm, wusste man nicht. Manche meinten,es seien gar keine Trolle, sondern Riesenorks; aber sie hatten in Wuchs undGeistesart auch mit den größten Orkrassen keine Ähnlichkeit, sondern warenihnen an Größe und Verstand weit überlegen. Trolle waren sie, doch erfülltvom bösen Willen ihres Herrn, wüste Gesellen, stark und gewandt, wild undschlau, härter als Stein. Im Unterschied zu der alten Dämmerlichtrasse konntensie die Sonne ertragen, solange Saurons Wille sie im Bann hielt. Sie redetenwenig, und die einzige Sprache, die sie kannten, war die Schwarze Sprache vonBarad-dûr.

Zwerge. Die Zwerge sind eine Rasse für sich. Von ihrem seltsamen Ursprung undwarum sie den Elben und Menschen ähnlich und auch wieder nicht ähnlichsind, berichtet das Silmarillion; doch von dieser Geschichte hatten die minderenElben von Mittelerde keine Kenntnis, während die Sagen der späteren Menschenmit Überlieferungen anderer Rassen vermischt sind.

Sie sind ein zähes, oft etwas eigensinniges Volk, geheimniskrämerisch, fleißig,mit einem guten Gedächtnis für Kränkungen (und Wohltaten), Liebhaber des Steins und der Juwelen, der Kunstwerke, die unter der Hand des MeistersGestalt annehmen, und nicht der Dinge von eigenem Leben. Aber von Naturaus bösartig sind sie nicht, und nur wenige haben je freiwillig dem Feind gedient,was auch immer die Geschichten der Menschen ihnen nachsagen mögen. Dennseit alters waren die Menschen begehrlich nach ihrem Reichtum und den Werkenihrer Hände, und es gab Streit zwischen den Rassen.

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Im Dritten Zeitalter aber herrschte an vielen Orten zwischen Menschen undZwergen noch Freundschaft; und für die Zwerge, die nach der Zerstörung ihrer alten Wohnstätten als Händler und Handwerker durch die Lande zogen,verstand es sich von selbst, dass sie die Sprachen der Menschen gebrauchten,unter denen sie lebten. Insgeheim aber (und dies war ein Geheimnis, das sie,anders als die Elben, selbst vor ihren Freunden nicht gern lüfteten) gebrauch-ten sie ihre eigene, fremdartige Sprache, die sich im Lauf der Jahre kaum ver-änderte. Sie war keine Wiegensprache mehr, sondern war eine Sprache derÜberlieferung geworden, und die Zwerge pflegten und hüteten sie wie einenSchatz ihrer Vergangenheit. Wenigen aus anderen Völkern ist es je gelungen, siezu erlernen. In dieser Geschichte taucht sie nur in einigen Ortsnamen auf, dieGimli seinen Gefährten verriet, und in seinem Schlachtruf bei der Belagerungder Hornburg. Der zumindest war kein Geheimnis, denn auf vielen Schlacht-feldern, seit die Welt jung war, hatte man ihn gehört: Baruk Khazâd! Khazâd aimênu!»Äxte der Zwerge! Zwerge auf euch!«

Gimlis Name jedoch und die Namen aller anderen aus seinem Volk sindnordischer (menschlicher) Herkunft. Ihre geheimen, »inneren« oder wahrenNamen haben die Zwerge niemals einem von fremder Rasse verraten. Sieschreiben ihn nicht einmal auf ihre Gräber.

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten

II Zur übersetzung

Um den Stoff des Roten Buchs in einer Geschichte zu erzählen, die Menschenvon heute lesen können, wurde der gesamte sprachliche Bestand so weit wiemöglich in die Ausdrucksweise unserer Zeiten übersetzt. Nur die dem Westronfremden Sprachen wurden in ihrer ursprünglichen Form belassen; aber siekommen zumeist nur in den Orts- und Personennamen zur Geltung.

Unvermeidlich musste die Gemeinsprache, die Sprache der Hobbits und ihrerErzählungen, in modernem Englisch (und dieses dann in Deutsch) wieder-gegeben werden. Dabei wurden die im Gebrauch des Westron erkennbarenUnterschiede abgeschwächt. Es wurde zwar versucht, diese Unterschiede durchWechsel der deutschen Ausdrucksweise anzudeuten; doch der Abstand zwischender mundartlichen Aussprache im Auenland und dem Westron, so wie es vonElben oder Würdenträgern in Gondor gesprochen wurde, war größer, als indiesem Buch gezeigt wurde. Die Hobbits sprachen zumeist einen ländlichenDialekt, während man in Gondor und Rohan eine altertümlichere, förmlichereund knappere Sprache pflegte.

Auf einen dieser Unterschiede ist hier hinzuweisen, weil er, obwohl oftbedeutsam, kaum wiederzugeben ist. Das Westron kannte für die Pronomen derzweiten Person (und oft auch der dritten), unabhängig vom Numerus, eine»vertrauliche« und eine »respektvolle« Form. In der eigentümlichen Sprach-entwicklung des Auenlands waren jedoch die respektvollen Formen ungebräuch-lich geworden. Sie hielten sich noch unter den Bewohnern der Dörfer besondersim Westviertel, die sie jedoch eher wie Kosenamen gebrauchten. Dies war eineder Eigenheiten, die den Menschen von Gondor auffiel, wenn sie sich über dieRedeweise der Hobbits wunderten. Peregrin Tuk zum Beispiel gebrauchte an den

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5 Dies musste in der Übersetzung gegenüber dem Englischen noch einmal umgemodelt werden, mit Rücksicht aufdie im Deutschen üblichen Anredeformen. Die Hobbits haben zwar ländliche, aber nicht bäurische oder flegelhafteManieren; deshalb reden sie Fremde in der Regel mit Sie an. Die Anrede in der zweiten Person Plural (Ihr) wurdevermieden: Die Hobbits reden nicht wie Figuren in Märchen oder historischen Romanen. Eine Ausnahme wurdeaber bei den Respektspersonen gemacht: Théoden und Denethor kann man nicht ohne weiteres duzen, und auchdas bürgerliche Sie wäre hier ungehörig. (Anmerkung des Übersetzers)

ersten Tagen in Minas Tirith die vertraulichen Anredeformen gegen Leute jedenStandes, auch gegen den Statthalter Denethor selbst. Den alten Herrn wird esbelustigt haben, aber seine Diener fanden es sicher befremdlich. Gewiss halfdieser ungehemmte Gebrauch der familiären Anredeformen das Gerücht erzeu-gen, Peregrin sei in seinem Heimatland eine sehr hochrangige Persönlichkeit.5

Man wird bemerken, dass manche Hobbits wie Frodo und andere Personenwie Gandalf und Aragorn nicht immer im gleichen Stil reden. Das ist beabsichtigt.Die gebildeteren und gescheiteren Hobbits hatten eine gewisse Kenntnis der»Buchsprache«, wie man im Auenland dazu sagte; und sie erfassten rasch dieRedeweise derer, mit denen sie zu tun hatten, und passten sich ihr an. Für denWeitgereisten ist es ohnehin selbstverständlich, mehr oder weniger so zu sprechenwie die Leute, unter denen man sich bewegt; und dies galt umso mehr für einen Mann wie Aragorn, der meistens bemüht war, zu verbergen, wer er warund was er vorhatte. Doch hielten zu jener Zeit alle Feinde des Feindes dasAltertümliche hoch in Ehren, in der Sprache nicht minder als in anderen Dingen;und sie hatten ihre Freude an dem, was sie davon kannten. Den Eldar, densprachmächtigsten von allen, standen vielerlei Redeweisen zu Gebote, doch amnatürlichsten war ihnen, was ihrer eigenen Sprache am nächsten kam, die nochälter war als die von Gondor. Auch die Zwerge waren nicht auf den Mundgefallen und redeten geflissentlich so wie die Leute in ihrer Umgebung, wobeiallerdings ihre Aussprache manchen etwas kratzig und kehlig vorkam. Orks

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und Trolle dagegen redeten drauflos, ohne Rücksicht auf Wörter oder Dinge;und ihre Sprache war tatsächlich noch verkommener und unflätiger, als ichwiedergeben mochte. Ich glaube nicht, dass jemand hier auf eine genauere Über-setzung Wert legt; denn nach Vergleichbarem braucht man ja nicht lange zusuchen. Ähnliches hört man aus Orkmündern noch immer: ein trübsinnigesEinerlei, gehässig und verachtungsvoll, zu lange vom Guten entfernt, als dassdem Wort wenigstens die Kraft geblieben wäre, ins Ohr zu dringen – außer indie Ohren derer, die nur dem Misston offen sind.

Diese Art zu übersetzen, ist natürlich nichts Neues; sie ist unvermeidlich beijeder Erzählung, die von Vergangenem handelt. Selten geht man weiter. Ichaber konnte es dabei nicht bewenden lassen. Ich habe auch alle Westron-Namensinngemäß übersetzt. Wo in diesem Buch deutsche Namen oder Titel auftreten,ist dies ein Hinweis darauf, dass Namen in der Gemeinsprache zu jener Zeitgeläufig waren, neben oder statt denen in den fremden (meist elbischen) Sprachen.

Die Westron-Namen waren in der Regel Übersetzungen älterer Namen, soetwa Bruchtal, Weißquell, Silberlauf, Langstrand, der Feind und der DunkleTurm. Bei manchen war die Bedeutung eine andere: Schicksalsberg für Orodruin(»brennender Berg«) oder Düsterwald für Taur e-Ndaedelos (»Wald des großenSchreckens«). Manche waren verballhornte elbische Namen, wie Luhn undBrandywein, entstanden aus Lhûn und Baranduin.

Dieses Vorgehen bedarf vielleicht einer Rechtfertigung. Alle Namen in derOriginalform zu belassen, hätte, wie mir schien, einen wesentlichen Zug jenerZeiten, so wie die Hobbits sie erlebten, verdunkelt (und die Sichtweise derHobbits wollte ich doch vor allem beibehalten): den Kontrast zwischen einerweit verbreiteten Sprache, die ihnen so geläufig war wie uns das Deutsche, und

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den lebenden Resten einer viel älteren und ehrwürdigeren Sprache. Alle Namen,hätte ich sie bloß transkribiert, wären dem heutigen Leser gleichermaßen fremdvorgekommen: zum Beispiel, wenn der elbische Name Imladris und die Westron-Übersetzung Karningul beide in der Originalform belassen worden wären. AberBruchtal als Imladris zu bezeichnen, war so, als würde man zu dem heutigenWinchester Camelot sagen, abgesehen davon, dass die Identität gewiss war, da inBruchtal noch ein ruhmreicher Fürst saß, weit älter, als es Artus wäre, wenn erheute noch als König in Winchester herrschte.

Der Name des Auenlandes (Sûza) und aller dort befindlichen Ortschaftenwurde also eingedeutscht. Das war nicht weiter schwierig, weil sie sich meistensaus ähnlichen Bestandteilen zusammensetzen wie manche unserer Ortsnamen,teils aus noch geläufigen wie -berg, -stadt und -feld, teils aus etwas ungebräuchli-cheren wie -weiler oder -bühl. Manche aber, wie schon erwähnt, leiten sich vonalten, nicht mehr gebräuchlichen Hobbitwörtern her, und diese wurden durchähnlich alte deutsche Entsprechungen wiedergegeben.

Was aber die Personen angeht, so hatten die Hobbits im Auenland und in Breefür jene Zeit ungewöhnliche Namen, da es bei ihnen schon einige Jahrhundertevor dieser Zeit Sitte geworden war, einen Namen in der Familie weiterzuvererben.Zumeist hatten diese Zunamen in der damaligen Umgangssprache eine naheliegende Bedeutung, abgeleitet von Spitznamen, Ortschaften oder (vor allem inBree) vom Baum- und Pflanzennamen. Diese waren unschwer zu übersetzen;Doch bei zwei älteren Namen, deren Bedeutung nicht mehr bekannt ist, habenwir uns damit begnügt, die Schreibweise etwas zu verdeutschen: Tuk für Tûk undBoffin für Bophin.

Die Vornamen der Hobbits habe ich, soweit möglich, ebenso behandelt. IhrenTöchtern gaben die Hobbits gern Blumen- oder Edelsteinnamen. Den Söhnen

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gaben sie meistens Namen ohne umgangssprachliche Bedeutung, und mancheMädchennamen waren ähnlich. Von dieser Art sind Bilbo, Bungo, Polo, Lotho,Tanta, Nina und so weiter. Ähnlichkeiten mit heute geläufigen Vornamen sindunvermeidlich häufig, aber zufällig: zum Beispiel Otho, Odo, Drogo, Dora, Coraund dergleichen. Diese Namen haben wir beibehalten, allerdings ihre Endun-gen für uns plausibler gemacht, denn in den Hobbitnamen war a eine maskulineEndung, und o und e waren feminin.

In manchen alten Familien, besonders solchen von fahlhäutischer Abkunftwie den Tuks und den Bolgers, war es jedoch Sitte, den Kindern hochtönendeVornamen zu geben. Da dies zumeist Namen von Sagengestalten, von Menschenwie von Hobbits, waren und viele, obgleich für die Hobbits inzwischen bedeu-tungslos, den Namen der Menschen im Anduintal, in der Stadt Thal oder inder Mark sehr ähnlich waren, habe ich sie durch alte Namen meist fränkischeroder gotischer Herkunft ersetzt, die auch bei uns noch gelegentlich vorkommenoder in den Geschichtsbüchern zu finden sind. Jedenfalls konnte ich so den oft komischen Kontrast zwischen Vor- und Nachnamen wiedergeben, der auch den Hobbits deutlich bewusst war. Namen klassischer Herkunft wurden dagegenselten verwendet, denn die nächsten Entsprechungen im Wissen der Hobbits zuLatein und Griechisch wären die Elbensprachen gewesen, und die gebrauchtensie bei der Namensgebung nur selten. Zu allen Zeiten kannten nur wenige vonihnen die »Sprachen der Könige«, wie sie sie nannten.

Die Namen der Bockländer waren von denen der anderen im Auenland ver-schieden. Wie schon erwähnt, waren die Leute im Bruch und ihre Kolonie aufdem anderen Brandywein-Ufer in vieler Hinsicht eigenartig. Viele ihrer sehrausgefallenen Namen stammten sicherlich aus einer früheren Sprache der süd-lichen Starren. Diese habe ich zumeist unverändert belassen, denn wenn sie

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heute merkwürdig klingen, klangen sie so auch schon zu ihrer Zeit. Sie hattenein Gepräge, das uns von fern vielleicht ans Keltische erinnert.

Da die erhaltenen Spuren einer älteren Sprache der Starren mit dem Fort-bestand keltischer Elemente in England vergleichbar sind, habe ich die Letzterenmanchmal in meiner Übersetzung imitiert. So wurden Bree, Archet und Chet-wald nach dem Muster britischer Namensaltertümer gebildet, mit der Bedeutungbree, Berg, und chet, Wald. Aber von den Personennamen wurde nur einer aufdiese Weise verändert. Meriadoc wurde mit Rücksicht auf den Umstand gewählt,dass die Kurzform seines Namens, Kali, im Westron »munter, lustig« bedeutete,obwohl es eigentlich ein Kürzel für den inzwischen bedeutungslosen bockländi-schen Namen Kalimac war.

Namen hebräischer oder ähnlicher Herkunft habe ich bei diesen Umwand-lungen nicht verwendet. Nichts in den Hobbitnamen entspricht diesem Elementunserer Namen. Kurzformen wie Sam, Tom, Tim, Mat waren auch für echteHobbitnamen üblich, zum Beispiel Tomba, Tolma, Matta und so weiter. DochSam und sein Vater Ham wurden eigentlich mit Ban und Ran angeredet, Kürzelnfür Banazîr und Ranugad, die ursprünglich Spitznamen mit der Bedeutung »Ein-faltspinsel« und »Kleingärtner« gewesen waren, dann aber die umgangssprach-liche Bedeutung verloren hatten. Ich habe daher versucht, diese Eigenheitendurch Verwendung von Samweis und Hamfast zu bewahren, Modernisierungenvon altenglisch samwís und hamfoest, die den genannten Bedeutungen entsprechen.

Nachdem ich in dem Bestreben, die Sprache und die Namen der Hobbitsmodern und vertraut klingen zu lassen, einmal so weit gegangen war, sah ich michzu weiteren Schritten in dieselbe Richtung genötigt. Die Menschensprachen, diemit dem Westron verwandt waren, mussten, so schien mir, in eine mit unserenSprachen verwandte Form gebracht werden. Daher habe ich die Sprache von

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6 Dieses sprachliche Verfahren setzt nicht voraus, dass die Rohirrim den alten Engländern auch in anderer Hinsichtähnlich gewesen sein müssten, in Kultur oder Kunst, Waffen oder Art der Kriegführung, abgesehen von einer all-gemeinen Ähnlichkeit der Lebensumstände: ein schlichteres, primitiveres Volk, das im Kontakt mit einer höherenund ehrwürdigeren Kultur lebt, auf einem Gebiet, das einst zu deren Machtbereich gehörte.

Rohan dem Altenglischen angenähert, denn sie war sowohl mit der Gemein-sprache (entfernt) als auch mit der früheren Sprache der nördlichen Hobbits(sehr nah) verwandt und im Vergleich zum Westron archaisch. Im Roten Buchwird an mehreren Stellen bemerkt, dass die Hobbits, wenn sie die Sprache von Rohan hörten, viele Wörter darin wieder erkannten und die Sprache als dereigenen ähnlich empfanden; darum wäre es absurd gewesen, die aufgezeichnetenNamen und Wörter der Rohirrim in völlig fremdartiger Form zu belassen.

In mehreren Fällen habe ich die Form und Schreibung der Ortsnamen ausRohan modernisiert, so bei Dunharg oder Schneeborn; doch darin bin ich nichteinheitlich verfahren, denn ich richtete mich nach den Hobbits. Sie ändertendie Namen, die sie hörten, auf dieselbe Weise ab, wenn sie aus ihnen bekanntenElementen bestanden oder auenländischen Ortsnamen ähnelten; aber viele ließensie auch, wie sie waren, und ebenso habe ich es zum Beispiel bei Edoras, »dieWohnhöfe«, gehalten. Aus denselben Gründen wurden auch einige wenige Personennamen wie Schattenfell und Schlangenzunge modernisiert.6

Auf dem Wege einer solchen Angleichung ließen sich zugleich die eigentüm-lichen Hobbitwörter sinnvoll wiedergeben, die ebenfalls aus dem Nordenstammten. Ihnen wurden die Formen gegeben, die verloren gegangene englischeWörter haben könnten, wenn sie bis in unsere Zeit erhalten geblieben wären.So soll mathom an das altenglische máthm erinnern und damit die Verwandtschaftdes eigentlichen Hobbitworts kast, rohirrisch kastu, wiedergeben. Ähnlich ist smial (oder smile), Erdhöhle, eine wahrscheinliche Form für einen Abkömmling

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von smygel und geeignet, das Verhältnis des Hobbitworts trân zu rohirr, trahannachzubilden. Auf die gleiche Weise wurden Sméagol und Déagol gebildet, alsEntsprechungen zu den nordsprachlichen Namen Trahald (»wühlend, unterkrie-chend«) und Nahald (»heimlich«).

Die noch weiter nördliche Sprache von Thal erscheint in diesem Buch nur inden Namen der Zwerge, die aus jener Region kamen und daher die Sprache derdortigen Menschen gebrauchten, in der sie sich auch ihre »Außennamen«gaben. Wer die englische Ausgabe dieses Buches liest, wird bemerken, dass hierwie auch im Hobbit die Pluralform dwarves gebraucht wird, obwohl uns die Wörter-bücher versichern, dass der Plural von dwarf dwarfs lautet. Er würde aber dwarrows(oder dwerrows) lauten, wenn Singular und Plural auf getrennten Wegen durchdie Zeiten marschiert wären, wie im Falle von man und men oder goose und geese.Aber wir sprechen heute nicht mehr so oft von einem Zwerg wie von einemMenschen oder selbst von einer Gans; und die Erinnerungen sind unter denMenschen nicht frisch genug geblieben, um an einem ungewöhnlichen Pluralfür eine Rasse festzuhalten, die nun ins Reich der Märchen verbannt ist, wowenigstens noch ein Schatten der Wahrheit fortbesteht, oder schließlich inNonsens-Geschichten, in denen sie zu bloßen Witzfiguren verkommen sind.Aber im Dritten Zeitalter ist noch etwas von ihrer alten Kraft und Wesensart zuerkennen, wenn auch schon ein wenig getrübt. Dies sind die Nachfahren derNaugrim aus den Ältesten Tagen, in deren Herzen das alte Feuer des SchmiedesAule noch glimmt und der alte Groll gegen die Elben schwelt; und in ihrenHänden lebt noch die unübertroffene Kunst der alten Steinwerker.

Um dies zu unterstreichen, habe ich also in der Mehrzahl von dwarves gesprochen,um sie so vielleicht ein Stück weit von den ärgsten Albernheiten dieser neuenZeit abzurücken. Dwarrows wäre noch besser gewesen, doch diese Form habe ich

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7 Englisch elf, elves. Vgl. dazu „Zur neuen Übersetzung“ von Wolfgang Krege.

nur in dem Namen Dwarrowdelf (Zwergengrube), als Übersetzung für den NamenMorias in der Gemeinsprache: Phurunargian. Dies, mit der Bedeutung »Zwerg-grabend«, war schon damals ein Wort von altertümlicher Form. Moria aber istein elbischer Name, und so wurde die Stadt nicht von ihren Freunden benannt.Denn die Eldar, auch wenn sie selbst in ihren erbitterten Kriegen mit demDunklen Herrscher und seinen Dienern in der Not manchmal unterirdischeFestungen anlegten, wohnten an solchen Stätten nicht freiwillig. Sie liebten dasgrüne Land und die Himmelslichter; und Moria hieß in ihrer Sprache »dieschwarze Kluft«. Die Zwerge selbst aber, und wenigstens diesen Namen hieltensie nie geheim, nannten den Ort Khazad-dûm, das Heim der Khazad; denn diesist der Name für die eigene Rasse und ist es immer geblieben, seit er ihnen beiihrer Erschaffung in den Tiefen der Zeit von Aule verliehen wurde.

Elben wurde als Übersetzung sowohl für Quendi, »die Sprechenden«, gebraucht,wie der hochelbische Name für alle von ihrer Art lautet, als auch für Eldar, wiedie Drei Geschlechter heißen, die sich zum Reich der Unsterblichen aufmachtenund (mit Ausnahme der Sindar) zu Anbeginn der Zeit dort hingelangten. Diesesalte Wort7 war überhaupt das einzig brauchbare und galt einst als treffendeBezeichnung für solche Wesen, soweit sie den Menschen in Erinnerung gebliebenwaren, oder für Menschen, deren Geistesart von der elbischen nicht völlig ver-schieden war. Aber nun ist es zu »Elfen« heruntergekommen, teils niedlichen,teils albernen Fantasiewesen, die mit den Quendi von einst so wenig Ähnlichkeithaben wie der Schmetterling mit dem Falken – was nicht heißen soll, dass dieQuendi jemals Flügel am Leib gehabt hätten; dies lag ihrer Natur ebenso fernwie der menschlichen. Sie waren ein edles und schönes Volk, die erstgeborenen

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Kinder der Welt, und wie Könige unter ihnen waren die Eldar, die nun fortsind: das Volk der Großen Wanderung, das Volk der Sterne. Sie waren groß,hellhäutig und grauäugig, doch mit dunkellockigem Haar, außer in Finarfinsgoldblonder Sippe; und ihre Stimmen klangen melodischer als jede sterblicheStimme, die wir heute kennen. Sie waren tapfere Krieger, doch die Geschichtederer, die nach Mittelerde ins Exil zurückkamen, war traurig; und ihr Schicksal,obwohl es sich in fernen Tagen mit dem unserer Vorväter kreuzte, ist nicht dasSchicksal der Menschen. Vor langer Zeit ist ihr Reich vergangen, und nun wohnensie jenseits der Kreise dieser Welt und kehren nicht wieder.

Anmerkung zu drei Namen: Hobbit, Gamdschie und Brandywein

Hobbit ist ein erfundenes Wort. Im Westron lautete es, wenn dieses Volk über-haupt erwähnt wurde, banakil, »Halbling«. Doch zu jener Zeit gebrauchte manim Auenland und in Bree das Wort kuduk, das es anderswo nicht gab. Meriadocberichtet allerdings, dass der König von Rohan den Ausdruck kûd-dûkan, »Höhlen-bewohner«, gebrauchte. Da, wie schon gesagt, die frühere Sprache der Hobbitsmit der von Rohan nah verwandt war, scheint die Annahme plausibel, dass kudukeine verschliffene Form von kûd-dûkan war. Letzteres habe ich aus den genanntenGründen mit holbytla übersetzt, und hobbit wäre dann ein Wort, das eine verschlif-fene Form von holbytla sein könnte, wenn es diesen Namen in unserer eigenenalten Sprache je gegeben hätte.

Gamdschie (Gamgee). Nach der im Roten Buch erklärten Familienüberlieferungkam der Nachname Galbasi, verkürzt Galpsi, von dem Dorf Galabas, dessen Namesich, wie gemeinhin angenommen wurde, aus galab- (engl. game, »Wild«) undeinem älteren Element bas- zusammensetzt, das ungefähr dem engl. wick oder

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wich (»Dorf, Flecken«) entspricht. Gamwich (Aussprache: Gämmitsch) erschiendaher als angemessene Wiedergabe. Dass daraus in der Verkürzung, anstelle vonGalpsi, Gamgee wurde [ein Dialektwort für Verbandsmull], sollte keine Anspielungauf Samweis’ Verbindung mit der Familie Kattun sein, obwohl ein solcherScherz den Hobbits durchaus zuzutrauen wäre, hätte es in ihrer Sprache dafüreine Grundlage gegeben.

Kattun (Cotton) steht für Hlothran, ein ziemlich häufiger Dorfname im Auen-land, bestehend aus hloth, »Zweizimmer-Höhle«, und ran(u), eine kleine Gruppesolcher Behausungen an einem Berghang. Als Nachname könnte es eineAbwandlung von hlothram(a), »cottager« oder »Kätner«, sein. Hlothram, wieder-gegeben mit engl. Cotman, dt. Katner, war der echte Name von Bauer KattunsGroßvater.

Brandywein. Die Hobbitnamen für diesen Fluss waren Abwandlungen von elbischBaranduin (mit dem Ton auf and), das sich aus baran, »goldbraun«, und duin,»großer Fluss«, zusammensetzt. Für Baranduin wäre in unserer Zeit Brandyweineine nahe liegende Verballhornung. Tatsächlich lautete der ältere HobbitnameBranda-nîn, »Grenzgewässer«, was besser mit »Markborn« wiedergegebenworden wäre; aber durch einen Witz, der zur stehenden Redensart gewordenwar, wurde daraus, wiederum in Anspielung auf die bräunliche Farbe, der zudieser Zeit gebräuchliche Name Bralda-hîm, »berauschendes Bier«.

Zu beachten ist jedoch, dass die Familie Altbock (Zaragamba), als sie ihrenNamen in Brandybock (Brandagamba) abänderte, von der Bedeutung »Grenz-land« für das erste Element ausging, und »Markbock« wäre der Bedeutungnäher gekommen. Nur ein sehr frecher Hobbit hätte wohl gewagt, den Herrnvon Bockland in seiner Anwesenheit Braldagamba zu nennen.

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Zur neuen übersetzungDie erste deutsche Fassung des Lord of the Rings, vor dreißig Jahren erschienen, hat demBuch viele Leser und Immerwieder-Leser gewonnen. Einer davon bin ich. Ich verdankeihr vieles, und als ich mich an die Neufassung machte, merkte ich, dass ich sie stellen-weise auswendig kannte, immer ein Zeichen dafür, dass etwas nicht ganz schlecht seinkann. Die Übersetzerin Margaret Carroux hat also an etlichen Stellen die auch ausmeiner Sicht richtigen Worte schon gefunden. Dies waren die schwierigsten Momentein meiner Arbeit. Abschreiben müssen tut weh.

Dennoch wird der Leser auch ohne peniblen Textvergleich Unterschiede bemerken.Die alte Fassung ist eine getreue Nacherzählung einer fremden Geschichte. Sie gibtden englischen Text im Allgemeinen zuverlässig wieder; doch der Ton klingt neutralund gedämpft, als käme er über Mikrofon aus der gläsernen Kabine eines Dolmetschers.Die neue Fassung maßt sich einen Versuch an, die Geschichte so vorzutragen, wieTolkien es tun würde, wenn er heute, 1999, schriebe und wenn er sie aus dem Westrongleich ins Deutsche brächte, ohne den Umweg über das Englische.

Einen wichtigen Teil der Arbeit hatte mir die alte Übersetzung schon abgenommen:die Verdeutschung der Namen. Darin verbergen sich einige Vorentscheidungen überden Stil. Und an den Namen gab es nicht viel zu ändern. Die meisten sind gut gewähltund haften im Gedächtnis (obwohl nicht wenige Figuren zwei oder mehr Namenhaben); und auch an manche vielleicht anfechtbare hatte ich mich gewöhnt. Nur beiNebenfiguren und selten erwähnten Orten waren kleine Umbenennungen ohneGewaltsamkeit möglich.

Namensübersetzungen sind anderswo in der Literatur heute nicht mehr üblich, undmanche Leute scheinen sie auch hier für eine Marotte deutschtümelnder Übersetzer zuhalten. Darum sei einmal daran erinnert, dass Margaret Carroux sie auf Tolkiens Wunschund nach seinen Anleitungen vorgenommen hat. Es gibt keinen vernünftigen Grund,

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den Hobbits ihre englischen Namen zu belassen, die ja ihrerseits nur Übersetzungender echten Hobbitnamen sein sollen. Tolkien selbst hat sich an Namensfindungen fürdas Deutsche beteiligt, und manchmal bot ihm unsere Sprache eine Gelegenheit, dieer im Englischen vermisste. Zu dem Wort Elben zum Beispiel – das sich heute sonatürlich anhört, als hätte man es schon immer gekannt – hat er der Übersetzerin denetymologischen Hinweis gegeben. Im Englischen musste er mit den peinlichen elves,»Elfen«, auskommen.

Auch den Namen für Sûza, das Land der Hobbits, Auenland, finde ich besser alsdas dürre englische Shire; und trotzdem wurde er gelegentlich bemängelt. »Zu zahnlos«,meinte ein Kritiker – aber wer will denn hier beißen oder die Zähne fletschen? DasAuenland ist ein Idyll und hat einen ironischen Kosenamen verdient.

Eine Inkonsequenz in den Namensverdeutschungen sei eingestanden. Parallel zu denneuenglischen Namen der Hobbits hätten eigentlich auch die altertümlichen Namender mit ihnen sprachverwandten Rohirrim eine deutsche Form erhalten müssen, undzwar eine altdeutsche, ähnlich den Namen aus dem Nibelungen- oder dem ÄlterenHildebrandlied. Davor bin ich zurückgeschreckt. Beim unbefangenen Inhalieren dieserweltentrückten Geschichte würde die Erinnerung an allzu Einheimisches nur stören.

Aus der alten Ausgabe habe ich viele Lieder und Gedichte in Frau von Freymannsvortrefflicher deutscher Fassung übernommen, weil ich sie durch nichts Ebenbürtigesersetzen könnte. Der veränderte Prosa-Kontext erforderte einige geringfügige Abwand-lungen; und andere Stücke wurden ganz neu übersetzt.

Mancher Leser wird in dieser Ausgabe die Anhänge vermissen, die der Erzählungerst ihre ganze Hintergrundtiefe geben. Auch sie wurden neu übersetzt; doch hat derVerlag beschlossen, sie in einem gesonderten Band herauszubringen.

Wolfgang Krege, September 1999

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Aus platztechnischen Gründen haben wir die Anhänge gedrittelt und werden siein Teil 2 und 3 fortsetzen. Herzlichen Dank der deutschen Tolkiengesellschaftund besonders Marcel Bülles, der uns bei der Auswahl der Anhänge unterstütztund für alle Fragen ein offenes Ohr hatte, und Gernot Katzer, der uns die richtige Aussprache verraten hat.

Informationen zu J.R.R. Tolkien, Mittelerde und mehrDeutsche Tolkien Gesellschaft e.V.http://www.tolkiengesellschaft.de

Die Buchausgabe Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien ist bei Klett-Cotta erschienen und im Handel erhältlich.

Ausserdem von J.R.R. Tolkien im Hörverlag erschienen:

Bauer Giles von Ham1 CD, ISBN 3-89940-656-71 MC, ISBN 3-89584-722-0ab 7 Jahren Vollständige Lesung

Das Silmarillion13 CD, ISBN 3-89940-682-6Vollständige Lesung

Der Elbenstern1 CD, ISBN 3-89940-204-9ab 7 JahrenVollständige Lesung

Der Herr der Ringe10 CD, ISBN 3-89940-265-0ab 12 JahrenHörspiel

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Der Hobbit4 CD, ISBN 3-89584-918-9ab 11 JahrenHörspiel

Die Briefe vom Weihnachtsmann1 CD, ISBN 3-89940-006-2ab 6 Jahrengekürzte Lesung

Roverandom3 CD, ISBN 3-89940-098-4Lesung

Der HörverlagDie Originalausgabe erschien 1954 und 1955 unter dem Titel The Lord of the Rings im Verlag Allen & Unwin Ltd., London© 1966 by George Allen & Unwin Ltd., London. Published by arrangement with HarperCollins Publishers Ltd., London®

© 1990 Frank Richard Williamson and Christopher Reuel Tolkien, executors of the estate of the late John Ronald ReuelTolkien. Gedichte wurden von E.-M. von Freymann übertragen • Für die deutsche Ausgabe Klett-Cotta © 2000 J.G.Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart • © + Der Hörverlag GmbH, München 2006Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.Kein Verleih! Keine unerlaubte Vervielfältigung, Vermietung, Aufführung, Sendung!17 CD • MONO • Laufzeit ca. XXX Minuten • Der Hörverlag 2006ISBN-13 978-3-89940-886-7 • ISBN-10 3-89940-886-1 • Illustration: John Howe

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