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13.9.–22.11 · methodische Prinzip des Aktualismus. Aktualistisch dürfen zur Rekonstruk-tion der...

Date post: 05-Aug-2019
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Stadtmuseum Erlangen Martin-Luther-Platz Di/Mi 9 –17 Uhr Do 9 –13 und 17 –20 Uhr Fr 9 –13 Uhr Sa/So 11–17 Uhr Der Weg zum Menschen 13.9.–22.11.2009
Transcript

Stadtmuseum Erlangen

Martin-Luther-PlatzDi/Mi 9 –17 Uhr

Do 9 –13 und 17 –20 Uhr Fr 9 –13 Uhr

Sa/So 11–17 Uhr

Der Weg zum Menschen

13.9.–22.11.2009

Nichts war für die Menschwerdung so entscheidend wie die Entwicklung

von Hand und Fuß. Sein aufrechter Gang, seine Art zu fassen und

zu greifen unterscheiden den Menschen von allen anderen Primaten.

Diese Eigenschaften bilden auch wichtige Voraussetzungen für die

Entwicklung seines Gehirns: Der Weg des Menschen verläuft in der

Gattungsgeschichte wie in der Individualgeschichte vom Greifen

zum Begreifen.

Die Ausstellung zeichnet diesen Aspekt der menschlichen Evolution

anhand zahlreicher Exponate aus Sammlungen der Universität sowie

aus dem Besitz öffentlicher Museen und privater Leihgeber in einer

facettenreichen Präsentation nach. Zugleich bettet sie dieses Kapitel

der Evolution in die Geschichte der Evolutionstheorie überhaupt ein

und stellt insoweit einen wichtigen Beitrag zum Darwin-Jahr 2009 dar.

Ein eigener Ausstellungsteil veranschaulicht die besondere Bedeutung,

die der Hand über ihren Werkzeug charakter hinaus in allen Kulturen

als Zeichen und Symbol zuge wiesen wurde und wird.

Hand und FußDer Weg zum Menschen

Mitarbeiter der ausstellung

Dr. Wolfgang Heimler

Department Biologie, Zoologische Sammlung, Universität Erlangen-Nürnberg

(Wissenschaftliche Leitung)

Thomas Engelhardt

Stadtmuseum Erlangen

(Ausstellungsleitung)

Dr. Rudolf Kötter

Zentralinstitut für Angewandte Ethik und Wissenschaftskommunikation,

Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. Winfried Neuhuber

Institut für Anatomie I, Universität Erlangen-Nürnberg

Dr. Leif Steguweit

Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Erlangen-Nürnberg

Dr. Werner Korn

Naturkunde-Museum Coburg

Grafik: Peter Hörndl

Textredaktion: Dr. Rudolf Kötter, Gertraud Lehmann

Öffentlichkeitsarbeit und Projektassistenz: Katharina Gamer

Videopräsentation: Dr. Harald Tesan (Konzeption)

clip...trix, Höchstadt (Realisierung)

Präparatorin: Ulrike Neumann, Naturkunde-Museum Coburg

Ausstellungsgestaltung und -aufbau: Claus Theuerkauf,

Hans-Jürgen Hippe, Klaus Staudt

Museumspädagogik: Christine Brehm, Lars Hochreuther

Studentische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:

Jessica Durlack, Mario Hertlein, Christian Jobst, Isabell Kappel, Edith Merkel,

Jürgen Mehl, Oliver Neumann, Elisabeth Obermeier, Tanja Vockenroth,

Christian Völk, Bernd Weber, Markus Weinl

ausstellungsbereiche

1. geschichte der evolutionstheorieDr. Rudolf Kötter

2. geschichte von hand und FußDr. Wolfgang Heimler

3. stammbäumeDr. Wolfgang Heimler, Dr. Werner Korn

4. PrimatenDr. Wolfgang Heimler

5. MenschDr. Wolfgang Heimler, Prof. Dr. Winfried Neuhuber, Dr. Leif Steguweit

6. sprechende händeThomas Engelhardt

leihgeber

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Anatomische Sammlung

Antikensammlung

Graphische Sammlung der Universität

Plastisch- und Handchirurgische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen

Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung

Universitätsbibliothek

Zoologische Sammlung

Kunstmuseum Erlangen

Städtische Sammlung Erlangen

Marcus Sommer SOMSO Modelle GmbH, Coburg

Naturkunde-Museum Coburg, Coburger Landesstiftung

Deutsches Medizinhistorisches Museum, Ingolstadt

Bayerische Staatsbibliothek, München

Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie, München

Zoologische Staatssammlung, München

Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Institut für Ur- und Frühgeschichte

Museum Kulturgeschichte der Hand, Wolnzach

Frank Bücher, Alles was schön ist, Erlangen

Manfred Mayer, Erlangen

Dr. Harald Tesan, Nürnberg

Völk Orthopädie, Erlangen

Wir danken für die freundliche Unterstützung durch

Marcus Sommer Somso Modelle GmbH, Coburg

Arthrex GmbH, Karlsfeld/München

13.9. – 22.11.2009Eine Ausstellung des Stadtmuseums Erlangen, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Lehrstuhl für Entwicklungsbiologie, Institut für Anatomie I, Zentralinstitut für Angewandte Ethik und Wissenschafts kommunikation, Institut für Ur- und Frühgeschichte) und des Naturkunde-Museums Coburg

STADTMUSEUME R L A N G E N

Hand und FußDer Weg zum Menschen

die Verzeitlichung der naturgeschichte

die moderne Erdgeschichts-schreibung beginnt mit dem däni-schen Naturforscher Nicolaus Steno (1638 – 1687), der das „strati-graphische Prinzip“ formulierte: Die Anordnung von Gesteinsschichten im Raum entspricht einer zeitlichen Ordnung, wobei die tiefsten Schich-ten die ältesten sind. Außerdem erkannte Steno, dass es sich bei Fos silien um versteinertes organi-sches Material handelt, das immer älter ist als das umgebende Gestein. Dieser Gedanke wurde später auf-gegriffen und zur relativen Datierung von Gesteinsschichten benutzt: Ge-steinsschichten, die gleiche Fossi lien („Leitfossilien“) enthalten, müssen gleich alt sein.

Georges Cuvier (1769 – 1838) erkannte durch das Studium von Leitfossilien, dass sich in der Erdge-schichte dramatische Veränderungen voll zogen haben müssen und postu-lierte, dass durch katastrophale Ereignisse Teile des Lebens auf der Erde immer wieder vernichtet wor-den sind. Im Gegensatz dazu vertrat der englische Geowissenschaftler Charles Lyell (1797–1875) das metho dische Prinzip des Aktualismus.

Aktualistisch dürfen zur Rekonstruk-tion der Erdgeschichte nur solche Pro zesse herangezogen werden, die man auch heute noch beobachten kann. Erst auf dem Boden des Aktua-lismus konnte man die Zeitdauer von geologischen Entwicklungen quanti-tativ abschätzen.

Abb. 1 rekonstruktion eines ausgestorbenen riesenfaultiersaus: Georges Cuvier: Essay on the Theory of the earthEdinburgh 1813

Cuvier rekonstruierte das Riesenfaultier (Megatherium cuvieri) aufgrund von Knochenfunden nach den von ihm aufgestellten Prinzipien der vergleichenden Anatomie. Das Riesenfaultier wurde bis zu 6 m groß und lebte bis in die Bronzezeit in Südamerika.

Abb. 2 schichtenaufbau und geologisches alteraus: Charles Lyell: Principles of geology, Vol. 3London 1830

Die Abbildung No.1 zeigt, dass die oberen Gesteinsschichten normalerweise auch die jüngeren sind, und erklärt, wie gelegentlich ältere Schichten (d) über die jüngeren (a – c) zu liegen kommen. Abbildung No. 2 veranschaulicht den geologischen Aufbau des Pariser Beckens. Im Innern der großen geologischen Mulde treten die jüngsten Schichten des Tertiärs zutage. Nach außen hin folgen immer ältere Formationen aufeinander.

Abb. 1

Abb. 2

Zeiträume

Mit Hilfe der aktualistischen Methode konnte man quanti tative Abschätzungen der Zeitdauer von geologischen Entwicklungen vorneh-men. In diesem Sinne durchgeführte Beobachtungen und Experimente zeigten, dass die Abtragung von Gebirgen durch Erosion und die Bildung neuer Gesteinsschichten durch Sedimentation gewaltige Zeiträume beanspruchen (300–500 Mio. Jahre). Das war für viele Men-schen, die bis dahin noch geglaubt hatten, die Erde sei etwa 6 000 Jahre alt, geradezu unvorstellbar.

Ein gewichtiger Einwand gegen die Vorstellungen der Geologen kam von den Physikern. Sie haben mit Hilfe der klassischen Thermodynamik und ausgehend von Schätzungen der vorhandenen Erdwärme Modelle für die Entwicklung von Sonne und Erde entwickelt (Lord Kelvin, 1824 –1907).

Danach musste die Geschichte der Erde relativ kurz sein (deutlich unter 100 Mio. Jahre) und einen Prozess der ständigen Abkühlung darstellen.

Folglich mussten frühere Epochen wesentlich wärmer und damit lebens-feindlicher gewesen sein. Dieser Widerspruch zwischen geologischen und physikalischen Verlaufsmodellen der Erdgeschichte löste sich erst mit der Entdeckung der Radioaktivität (und ihren energetischen Konsequenzen) zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf.

„I have shown that most probably the sun was sensibly hotter a million years ago than he is now.

Hence, geological speculations assuming somewhat greater extremes of heat, more violent storms and

floods, more luxuriant vegetation, and hardier and coarser-grained plants and animals, in remote

antiquity, are more probable than those of the extreme quietist, or ‚uniformitarian‘ school. ... it is impossible that hypotheses assuming an equability of sun and

storm for 1.000.000 years, can be wholly true.“ Lord Kelvin (William Thomson), 1864

altersbestimmung nach der radio-carbonmethode

Halbwertzeit des Kohlenstoff-Isotops C-14: 5 730 JahreInnerhalb dieses Zeitraums hat sich die Hälfte des

radioaktiven Kohlenstoffs C-14 umgewandelt.

C-14-Gehaltnach 0 Jahren

C-14-Gehaltnach 5 730 Jahren

C-14-Gehaltnach 11 460 Jahren

100% 50%25%

altersbestimmung nach der c-14 Methode

Zur absoluten Zeitbestimmung erdgeschichtlicher Ereig-nisse werden heute Zerfallsreihen radioaktiver Isotope heran ge zogen. Am bekanntesten ist die zur Altersbestim-mung von organischem Material aus erdgeschichtlich jüngerer Zeit benutzte C-14-Methode. Zur Bestimmung größerer Zeiträume verwendet man z. B. die Zerfallsreihe von Kalium-40 zu Argon-40 mit einer Halbwertszeit von 1 300 Mio. Jahren.

Abb. 2

Ähnlichkeit und Verwandtschaft

an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wurde durch Biologen wie Georges Cuvier (1769 – 1838), Étienne Geoffroy Saint-Hilaire (1772 –1844) und Jean-Baptiste de Lamarck (1744 –1829) die ver-gleichende Ana tomie und Morpho-logie begründet. Deren grund legende Idee war, dass sich die Verwandtschaft von Arten über Gemeinsamkeiten in ihren ana tomischen bzw. morpholo-gischen Bauplänen konstru ieren ließen: Der Grad der Verwandt schaft lässt sich an der Ausdifferenzie rung eines abstrakten Grundbau plans ablesen.

Als wichtiges Prinzip der vergleichen-den Anatomie galt das Gesetz der „Kor relation der Teile“, wonach Organe und Skelettteile immer funk-ti o nal aufeinander bezogen sind. Auf grund dieses Gesetzes lassen sich z. B. aus einzelnen Knochenfunden ganze Skelette rekonstruieren.

Umstritten waren unter den Theo re-tikern der damaligen Zeit insbeson-dere, (a) ob es für die verschiedenen Lebensformen unterschiedliche Grundbaupläne gibt (Cuvier), oder ob diesen wiederum ein gemein-samer „Master-Plan“ zugrundeliegt (Geoffroy Saint-Hilaire, mit dem auch Goethe sympathisierte) und (b) ob die Aus differenzierung in den Bau-plänen auf eine historische Entwick-lung verweist (bejaht von Lamarck, abgelehnt von Cuvier).

Abb. 1

Abb. 1 die bewegungsapparate von lemur, Vogel strauß und eidechseaus: Georges Cuvier: Vorlesungen über vergleichende Anatomie. Erster Theil, welcher die Organe der Bewegung enthält. Leipzig 1809

Hier werden Skelette von Gorilla (o. links), Vogel Strauß (o. rechts) und Eidechse (unten) als Repräsentanten verschie-dener Tier gruppen zum Vergleich ihres Bewegungsapparats dargestellt.

Abb. 2 idealmuster oder urtyp des Wirbeltier-skelettsnach: Richard Owen: On the nature of Limbs. London 1849

Die vergleichende Anatomie beruht auf der Grundannahme, dass die höchst unterschiedlichen Baupläne der Arten einer bestimmten Gruppe (z. B. der Wirbeltiere) Konkretisierungen eines gemeinsamen, abstrakten Bauplan-Musters sind. Richard Owen (1804 – 1892) hat einen solchen lange Zeit akzeptierten „Master-Plan“ für das Wirbeltierskelett erstellt.

Verwandtschaft und abstammung

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ver teidigte vor allem Georges Cuvier (1769 – 1838) vehement die Über-zeugung, dass in der Naturgeschichte die Konstanz der Arten herrsche, d. h. die Arten sich seit der Schöpfung in ihren strukturellen Eigenarten erhalten haben, wenn sie nicht durch Katastro-phen vernichtet worden sind.

Ihm gegenüber vertrat vor allem Jean-Baptiste de Lamarck (1744 – 1829) die An sicht, dass der Ausdifferen-zierung von einfachen Grundbau-plänen in komplexe re Baupläne ein historischer Prozess entspreche, bei dem sich gegenwärtige Arten aus einfachsten Urformen entwickelt

haben. Er ging davon aus, dass sich zu allen Zeiten (auch heute noch!) primitives Leben aus unbeleb ten Vorformen bilde und sich dieses Leben dann im Laufe der Zeit den sich wechselnden Umweltbedingun-gen an passe.

Diese Anpassungen würden dann an die nächste Generation weiterge-geben, wodurch immer komplexere Lebensformen entstehen. Je kom-plexer eine rezente Art ist, desto älter ist sie, d. h. jede Art hat ihre eigene, von anderen Arten getrennte Ent-wicklungsgeschichte. Damit vertrat La marck eine Transformationstheorie der Arten, aber noch keine Abstam-mungstheorie; dies wird häufig miss-verstanden. Abb. 1

Abb. 1 titelblatt der erstausgabe von lamarcks „Philosophie zoologique“Paris 1809

Die „Philosophie zoologique“ ist das Hauptwerk Lamarcks. Ihre erste deutsche Übersetzung erschien 1876 als „Philo-sophische Zoologie“.

Abb. 2 lamarcks Modell: Fortschreitende evolution ohne gemeinsame abstammung

Jean-Baptiste de Lamarck (1744 – 1829) vertrat die Idee, dass sich das Leben im Laufe der Zeit zwar aus primitiven zu höheren Formen weiter entwickele, dieser Prozess aber nicht einmalig sei, sondern sich ständig wiederhole. Wir finden demnach zu jeder Zeit Lebewesen auf unter-schiedlichen Entwicklungsstufen vor, die eine mehr oder weniger lange Entwicklungsgeschichte vor sich haben.

Zeit

Entwicklung zur „Vervollkommnung”

wiederholte Urzeugung

Wirbellose tiere Wirbeltiere

InfusiorienPolypenStrahltiere

AnneliedenCirripedienMollusken

InsektenArachnidenCrustaceen

FischeReptilien

VögelMonotremen

AmphibischeSäugetiere

Cetaceen Säugetiere

Abb. 2

charles darwin: Person

charles Robert Darwin wurde 1809 in Shrewsbury geboren, studierte Medizin und Theologie und schloss 1831 sein Theologiestudium mit dem Bachelor-Grad ab. Kurz danach bekam er die Gelegenheit, an der Welt -umseglung des Captain FitzRoy auf der HMS Beagle teilzunehmen. 1836 kehrte er mit einer gewaltigen Samm-lung an Präparaten und Materialien zurück, deren Auswertung ihn über Jahre hinweg beschäftigte.

Während dieser Zeit und angeregt durch die geologischen Arbeiten von Charles Lyell sowie durch den „Essay on the Principles of Popula-tion“ von Thomas R. Malthus (1798)

entwickelte er sein Hauptwerk „On the Origin of Species“, das 1859 erschien. Gleich zeitig mit Darwin (wenn nicht sogar etwas vor ihm) hat der engli sche Naturforscher Alfred R. Wallace (1823 –1913), ebenfalls nach der Lektüre von Malthus, seine der Darwinschen Theorie sehr ähn-liche Evolutionstheorie entworfen und niedergeschrieben.

Im Gegensatz zu Wallace wurde Darwin durch sein Buch ungeheuer populär, allerdings zu dem Preis, dass viele seiner weiteren wichtigen und überaus interessanten Arbeiten nicht die öffentliche Aufmerksamkeit erhielten, die sie eigentlich verdient hätten. Darwin starb 1882 hoch ge ehrt in seinem Heimatort Down bei London.

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 1 charles darwin im alter von 40 JahrenLithographie von T. H. Maguire, 1849London, National History Museum

Abb. 2 charles darwin im alter von 71 JahrenFotografie, 1880London, Natural History Museum

Abb. 3 titelseite der erstausgabe von „On the Origin of species“London 1859

Das Buch erlebte zu Darwins Lebzeiten sechs Auflagen. Eine erste deutsche Übersetzung ist schon im Jahre 1860 erschienen.

charles darwin: theorie

die wesentlichen Grundlagen der Evolutionstheorie lassen sich in vier Punkten zusammenfassen:

1. Im Gegensatz zur Transfor ma ti ons -theorie von Lamarck ist die Evo lu ti ons-theorie eine Abstammungstheorie, die zeigt, wie sich aus einer Stamm-art neue Arten entwickeln.

2. Ausgegangen wird von dem Faktum, dass die Individuen einer Art über unterschiedliche Merkmals-ausprä gungen verfügen, die das Leben unter gegebenen Umwelt-bedingungen erleichtern oder er-schweren. Dadurch erhalten ihre Träger einen Vermehrungsvorteil

oder -nachteil (Selektion). Auf Dauer setzen sich in einer Population die Träger mit „positiven“ Merkmals-ausprägungen durch (Anpassung).

3. Wird eine Population durch äußere Umstände räumlich getrennt, so greifen dadurch unterschiedliche Selektionsmechanismen, was dazu führt, dass die Teilpopulationen sich im Laufe der Zeit in ihren Merkmals-ausprägungen immer stärker vonein-ander unterscheiden, bis sie schließ-lich nicht mehr als zu einer Art ge hörig erfasst werden können: Auf diese Weise entstehen neue Arten.

4. Die Evolutionsgeschichte des Lebens beschreibt, wie heutige Arten aus früheren, diese wieder aus vor-gän gigen usw. entstanden sind. Damit gibt der Stammbaum des Lebens nicht nur die Verwandtschaft der Arten wieder, sondern zeigt auch den Weg ihrer historischen Entwick-lung auf.

Abb. 1

Abb. 3

Abb. 1 darwins erster stammbaum-entwurfaus: Charles Darwin: Notebook B, 1837/38Cambridge University Library

Die erste Skizze eines Stammbaums von Darwin enthält schon die Idee, dass Menschenaffen und Menschen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen.

Abb. 2 darwinfinkenaus: Charles Darwin: Journal of researches. 2. Auflage. London 1845

Während der Forschungsreise der Beagle studierte Darwin auf den Galapagos-Inseln die dort lebenden Finken-Arten. Die verschiedenen Schnabelformen dieser eng verwandten Galapagos-Finken hat Darwin als Anpassung an verschie-dene Lebensräume mit unterschiedlichem Futterangebot verstanden.

charles darwin und der darwinismus

darwins Theorie wurde schon im 19. Jahrhundert von Ideologen und Politikern aus dem liberalistischen und später auch aus dem faschistischen Lager aufgegriffen und zur Rechtferti-gung sozialer, ökonomischer, kultu-reller und rassistischer Auslese miss-braucht („Sozialdarwinismus“). Der Grund gedanke war, dass eine Gesell-schaftsordnung den naturgewollten Kampf ums Dasein, bei dem der Stärkere sich durchzusetzen hat, nicht behindern dürfe.

Vielmehr müsse es wichtigste Auf-gabe des Staates sein, dafür zu sorgen, dass die Schwachen und Minderwertigen nicht den Starken in ihrem Fortkommen hinderlich werden. Dabei wurden immer ver-deckt oder offen weltanschauliche Kriterien herangezogen, um vorab zu bestimmen, was denn den „Stär keren“ ausmache. So wurde der Verlauf der „natürlichen“ Evo-lution, der ja keine Richtung kennt, bei den Ideologen geradezu in sein Gegenteil verkehrt.

Vorreiter einer Politisierung der Evo lutionstheorie waren in England H. Spencer und H. St. Chamberlain, in Frankreich J. A. Gobineau und G. Vacher de Lapouge und in Deutschland vor allem E. Haeckel und später H. F. K. Günther, der die Grundlagen der nationalsozia-listischen Rassenkunde schuf.

Abb. 1

Abb. 3

Abb. 2

Abb. 1 darwin-Karikatur, um 1880Farblithographie von André GillCambridge University Library

Die Karikatur erschien um 1880 als Titelseite der Pariser sati-rischen Zeitschrift „La Petite Lune“. Dargestellt ist ein Affe mit übergroßem Darwinkopf, der im „Baum der Erkenntnis“ turnt. Der Gedanke, dass der Mensch abstammungsge-schichtlich der nächste Verwandte des Menschenaffen ist, wurde damals von vielen noch als Provokation empfunden.

Abb. 2 Verwandtschaft von schimpanse, gorilla, Orang und „neger“, 1874aus: Ernst Haeckel: Anthropogenie oder Entwicklungs-geschichte des Menschen. Leipzig 1874

Hier zeigt sich ganz unverhohlen, wie wenig Distanz selbst Wissenschaftler gegenüber dem herrschenden Rassismus ihrer Zeit einzunehmen vermochten.

Abb. 3 Propagandadruck zur rassenkunde, 1938aus: Alfred Vogel: Erblehre und Rassenkunde in bildlicher Darstellung. Stuttgart 1938

Auf so perfide Weise wollte man während der Nazi-Zeit schon Kindern beibringen, dass die Ausrottung der Schwa-chen und Kranken im Grunde genommen ganz im Einklang mit der Natur stehe.

die evolution von hand und Fuß

Vor mehr als 400 Mio. Jahren – beim Übergang vom Strudler zum aktiven Räuber – sind die paarigen Extremi tä-ten der Wirbeltiere entstanden. Die Brustflossen fungieren als Tragflächen und Steuerruder, die Schwanzflosse besorgt den Vortrieb, die übrigen Extremitäten dienen als Stabilisatoren. Bei Haien hat sich diese Konstruktion fast unverändert erhalten.

Die mit den Vierfüßern eng verwand ten Quastenflosser und Lungenfische be-sitzen beinartige Flossen. Einige devo-nische Quastenflosser sind mit ihrer Hilfe am Gewässergrund „gelaufen“. Neu gebildete Finger- und Zehenstrah-len haben ihre Flossenfächer er setzt. Die so veränderten Extremi täten unter-stützen als seitliche Hebel das Schlän-geln des Körpers und verringern die Reibung durch das Anheben des Bauches. Dieser Aufbau des Bewe-

gungsapparates war eine wesentliche Voraussetzung für den Landgang. Nach diesem Prinzip kommen bis heute die Kriechtiere vorwärts.

Säuger und Vögel hingegen bewegen sich nur mit den nach unten gerich-teten Extremitäten fort. Die Rumpf-wirbelsäule wurde bei ihnen zu einem geraden Stab, auf den die Antriebs-kräfte übertragen werden.

Die überaus bewegliche Greifhand der Primaten behielt ihren anatomischen Aufbau und gleicht immer noch stark den vorderen Extremitäten der ur-sprünglichen Vierfüßer.

Abb. 1

Abb. 3

Abb. 2

Eusthenopteron

Acanthostega

Ichthyostega

Abb. 1 bewegungsformen der Wirbeltiereaus: Kardong (1998)

obere Reihe: Schlängelschwimmen bei kieferlosen Wirbeltieren (Neunauge)mittlere Reihe: Schlängelschwimmen mit paarigen Ruder- und Steuerflossen (Hai)untere Reihe: Schlängellaufen mit seitlichen Extremitäten bei Lurchen und Reptilien

Abb. 2 Vierfüßer – Konstruktionenaus: Kardong (1998)

oben: Grundkonstruktion. Die seitlich gestellten Extrem-itäten verbessern die Effizienz beim Schlängeln.unten: Säugerkonstruktion. Die nach unten gerichteten Extremitäten übernehmen allein die Fortbewegung, die Wirbelsäule ist bogenförmig.

Abb. 3 entstehung von hand und Fuß bei devonischen Quastenflossern und amphibienaus: Linder (2006)

obere Reihe: Eusthenopteron mit Flossenfächermittlere Reihe: Acanthostega mit Fingerstrahlen zum Laufen auf Gewässergrunduntere Reihe: Ichthyostega mit kräftigen Laufbeinen und Schwanzflosse

abstammung des Menschennach darwin und haeckel

charles Darwin (1809 – 1882) sah die Entstehung des Menschen wie die aller Arten als Evolutionsprozess. Grundlage für Darwins Annahmen waren morphologische, anatomische und physiologische Vergleiche rezenter Arten einschließlich ihrer Embryonal-stadien und Jugendentwicklung.

Dabei fand er die größte Überein-stimmung zwischen dem Menschen und den afrikanischen Menschenaffen und vermutete richtig die Wiege der Menschheit in Afrika.

Der Zoologe Ernst Haeckel (1834 – 1919) war einer der bedeutendsten Ver-fechter von Darwins Evolutionstheorie im 19. Jahrhundert, die er in seinen popu lären Schriften mit missiona -rischem Eifer vertrat.

Im Unterschied zu Darwin sah er den Ursprung der menschlichen Entwick-lungslinie eher in Südost-Asien mit den Gibbons und Orangs als nächsten Verwandten. Hoch spekulativ ist seine Annahme eines versunkenen Konti-nents „Lemuria“ im Indischen Ozean als mögliche Heimat des Urmenschen.

Erstmals versuchte Haeckel die tat säch-lichen Verwandtschaftsverhältnisse in Form eines Stammbaums bildlich darzustellen. Da damals noch keine vormenschlichen Fossilien bekannt waren, überbrückte er die Lücken durch angenommene Zwischenformen wie den Pithecanthropus alalus und Homo stupidus.

Abb. 1 stammbaum der Primaten nach darwinHandzeichnung, „drawn by Darwin on April 21, 1868”Cambridge University Library.

Darwins Stammbaumskizze stellt ausschließlich die Ver-wandschaftsverhältnisse lebender Arten dar. Nach Darwin zweigt die Menschenlinie („men“, links) vor dem Ursprung der Menschenaffenlinien („Gorilla + Chimp.“, „Orang-utan“,„Hylobates“, Mitte) vom Hauptstamm ab. Ganz rechts sind die noch früher abzweigenden Tieraffen (Paviane und Makaken) dargestellt.

Abb. 2 stammbaum der Primaten nach haeckelHandzeichnung, 1868aus: Heberer (1968)

Der Stammbaum Haeckels bezieht erstmals fossile Formen ein. Vorhandene Lücken werden mit spekulativen Zwischen-formen ausgefüllt. Die Menschenlinie beginnt mit einem Urgibbon (Protohylopates atavus) und führt über den sprachlosen Affenmenschen (Pithecanthropus alalus) über den stupiden Mensch (Homo stupidus) zum weisen Menschen (Homo sapiens).

Abb. 1

Abb. 2

abstammung des Menschen nach heberer

der deutsche Anthropologe Gerhard Heberer (1901 – 1973) prägte mit seiner starken Betonung der Sonder-entwicklung des Menschen lange Zeit die Vorstellungen über unsere Evolution. Damals wurden drei Hypo-thesen diskutiert:

Nach der „Protocatarrhinen“-Hypo-these beginnt der Eigenweg des Menschen vor Entstehung der Alt-welt affen (ca. 40 Mio. Jahre) – eine Hypothese, die Heberer rasch wieder verwarf, weil ihm eine so lange Parallelentwicklung unwahrscheinlich erschien.

Die „Brachiatoren“-Hypothese vermutet einen gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Menschen affen mit einer Trennung der Entwicklungslinien vor 6 – 12 Mio. Jahren. Obwohl zeitlich den heutigen Erkennt nissen ganz nahe, verwarf Heberer auch diese Hypothese, da er die Transformation zum Menschen in so kurzer Zeit für unmöglich hielt.

Nach der von ihm favorisierten „Prä-brachiatoren“-Hypothese liegt eine lange evolutionäre Distanz von rund 25 Mio. Jahren zwischen dem Homo sapiens und dem letzten gemein-samen Vorfahren von Mensch und Menschenaffe.

Heberer erweiterte die Methoden Haeckels um die Untersuchung der Chromosomen, ignorierte aber die längst erkannte enge Blutgruppen-verwandtschaft zwischen Schimpanse und Mensch. Trotz Kenntnis der abso-luten Datierung favorisierte er einen völlig falschen Zeitrahmen. Offensicht-lich vertraute er auf den klassisch-morphologischen Ansatz mehr als auf die damals noch neuen molekularen Methoden.

Abb. 1 die evolution des Menschen nach hebereraus: Heberer (1968)

Das Schaubild stellt die drei damals erörterten Hypothesen zur menschlichen Abstammung dar, wobei die beiden „weniger wahrscheinlichen“ blau gezeichnet sind. Gemein-sam ist ihnen die Annahme eines „Tier-Mensch-Übergangs-feldes“ (oberer Kreis) vor ca. 6 Mio. Jahren. Nach aktuellen Vorstellungen fällt dieser Übergang mit dem Auftreten der Gattung Homo und der Werkzeugherstellung vor ca. 2,5 Mio. Jahren zusammen.

Abb. 1

Pongiden (Menschenaffen) Hominiden (Menschen)

Homininen

holozän

Pleistozän

Pliozän

Miozän

Oligozän

Orang-Utan Gorilla Homo sapiens 1 000 000

3 000 000

6 000 000

9 000 000

12 000 000

27 000 000

Jahre

24 000 000

21 000 000

18 000 000

15 000 000

Schimpanse

Australopithecinen

Tier-Mensch-Übergangsfeld

Brachiatoren- Hypothese

Brachiatoren

AP

Protocatarrhinen- Hypothese

Präbrachiatoren- Hypothese

Proconsul

Dryopithecinen

Präbrachiatoren

Propliopithecinen

Ancient member

abstammung des Menschen aktueller stand

Während die Evolutionsbiologie sich früher nur auf vergleichende Merkmals-analysen von lebenden und fossilen Organismen stützen konnte, stehen ihr heute molekularbiologische Hilfsmittel wie die Genom- und Proteom-Analyse zur Verfügung.

Ein wichtiges Hilfsmittel ist auch das Konzept der „molekularen Uhr“, das von einer bekannten Mutationsrate ausgeht und es erlaubt, aus der Anzahl der molekularen Unterschiede auf den dafür benötigten Zeitraum zu schließen. Danach erfolgte die Trennung vom Schimpansenvorfahren vor 6 – 8 Mio. Jahren. Ebenso wurde der Ursprung der Primaten auf die Zeit vor ca. 80 Mio. Jahren zurückverlegt, obwohl die bisher ältesten sicheren Fossilien nur 55 Mio. Jahre alt sind.

Die Molekularbiologie gibt allerdings keinen Einblick in den Evolutionsver-lauf. Noch immer kann nur die Inter-pretation der Fossilien zeigen, wann Merkmale wie der aufrechte Gang oder die Greifhand aufgetreten sind.

Aktuelle Stammbaumdarstellungen wie die von Friedemann Schrenk (*1956) veranschaulichen die geo-grafische und zeitliche Verortung der Fossilien, ohne sich auf eindeutige Verwandtschaftslinien festzulegen. Der Evolutionsverlauf ist inzwischen gut belegt, so dass wesentliche Ände-rungen hier nicht mehr zu erwarten sind. Dagegen steht die Erforschung der evolutionsgenetischen Mechanismen erst am Anfang.

Abb. 1 evolutionsstammbaum nach Zimmernach: Zimmer (2006), Umzeichnung Peter Hörndl

Aus aufrecht gehenden Menschenaffen (blau) gehen zierliche Vormenschen (Australopithecus, grün) hervor, die einerseits große Pflanzen essende Vormenschen (Paranthropus, gelb) und andererseits werkzeug - herstellende Menschen (Homo, rötlich) hervorbrachten.

Abb. 2 beispiel einer molekularen uhraus Jones, Martin, Pealbeam (1994)

Aus dem Vergleich der DNA-Sequenzen von Mitochondrien lebender Arten konnten die Aufspaltungszeitpunkte berechnet werden. Die Trennung von Mensch und Schimpanse erfolgte danach vor 6 Mio. Jahren. Ähnliche Ergebnisse brachte die Untersuchung anderer molekularer Merkmale.

Abb. 1

0

5

10

15

20

25

30

35

Zeit

(in M

illio

nen

Jahr

en v

or h

eute

)

stammbaum der evolution der Primaten

Orang-Utans Gibbons AltweltaffenGorillasSchimpansenMensch

0

1

2

3

4

5

6

7

Evolutionsstammbaum H. sapiens

H. erectus

H. ergaster

P. robustusP. boisei

P. aethiopicus

A. garhi

A. afarensis

A. anamensis

Ardipithecus

Orrorintugenensis

Sahelanthropustchadensis

A. africanus

H. habilis

H. floresiensis

H. neanderthalensis

H. heidelbergensis

Homo

Paranthropus

Australopithecus

frühe Hominiden

Altersspektrum der Hominiden

mutmaßliche Verwandtschaftsbeziehungenzwischen den Hominidenarten

Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Hauptgruppen der Hominiden

Mill

ione

n Ja

hre

vor

heut

e

Abb. 2

slow loris – „slow Food“greifzangenkletterer

die meisten Loris sind auf lang-same und gut getarnte oder giftige Beutetiere wie Schmetterlingslarven und Tausendfüßer aus. Zum Auf-spüren dieser Nahrung benötigen sie einen guten Geruchssinn und die Fähigkeit zum Entgiften, wozu ihnen ihr niedriger Grundumsatz hilft.

Aus dieser Nahrungsspezialisierung hat sich eine energiesparende Fort-bewegung entwickelt, die einzigartig unter den Primaten ist: das „Slow Climbing“ oder Greifzangenklettern. Dabei umklammern immer minde stens drei Extremitäten den Ast, während die vierte langsam neuen Halt sucht. Ein solch vorsichtiges Vor ankommen macht es Fressfeinden schwer, Loris zu entdecken (vgl. Faultiere).

Als Anpassung an diese Bewegungs-art sind die Gelenke der Loris hoch-mobil konstruiert, damit die Tiere mit jeder Extremität ihr Ziel erreichen können. Loris besitzen auch, bezogen auf ihre Größe, eher kurze Extremi-täten. Der Schwerpunkt der Tiere liegt daher näher am Ast und erhöht die Sicherheit beim Bewegen.

Hände und Füße der Loris sind als Greifzangen ausgebildet. Durch die Verkürzung des zweiten Strahls wird die Hebelwirkung verbessert, so dass sie extrem fest zugreifen können. Auch ihre Muskulatur ist stärker für Geschicklichkeit und Greiffähigkeit ausgebildet – Loris springen nie!

Abb. 1

Abb. 3

Abb. 2

Abb. 1 Plumplori (nycticebus coucang), borneoaus: Cubit/Payn (1994)

Die großen Augen mit Licht reflektierendem Augen-hintergrund (Tapetum) sind charakteristisch für Nachttiere.

Abb. 2 skelett des Plumploris in greifhaltungaus: Fleagle (1999)

Abb. 3 greifzangen – hand und Fuß des Plumplorisaus: Geissmann (2003)

Die verkürzte 2. Strahl trägt am Fuß die für Halbaffen charakteristische Putzkralle, die anderen Zehen bzw. Finger haben flache Fingernägel.

das totenkopfäffchen – ein vierhändiger baumläufer

die Totenkopfäffchen (Familie Kapuzineraffen) bilden nach den Klammeraffen die zweitgrößte Familie der Neuweltaffen. Ihre Ver-treter sind alle von mittlerer Größe, ernähren sich von pflanzlicher und tierischer Nahrung und bewegen sich auf sehr vielseitige Weise.

Durch ihre Greiffüße und Greif-hände klettern sie gewandt und zügig durch die Äste. Ihr langer Schwanz fungiert dabei als Balan-cierstange. Dass die Art ihrer Fort-bewegung noch stark dem vier-beinigen Säugergrundtyp ähnelt, zeigt sich auch in ihrem unspezia-lisierten anatomi schen Bau.

So sind Arme und Beine etwa gleich lang, wodurch der Schwer-punkt gleichmäßig verteilt ist. Die Arme dienen dabei der Steuerung

und Verankerung, die Füße besor-gen den Vortrieb. Großzehen und Daumen sind beim Umgreifen des Astes unentbehrlich. Die Krallen sind wie bei allen Primaten zu flachen Fingernägeln umgebildet, die zusammen mit den Fingerlei-sten die Sensibilität steigern.

Der Schwanz der Totenkopf äffchen ist aber auch ein gutes Beispiel für Rückentwicklung in der Evolution, da er nur noch bei Jungtieren als Greifschwanz funktioniert.

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 1 totenkopfäffchen (saimiri sciureus), amazonas-gebietaus: Bloom (1999)

Abb. 2 Vierhändiges laufen auf dem ast unter einsatz von abspreizbaren daumen und großzehenaus: Fleagle (1999)

Abb. 3 hände und Füße des totenkopfäffchens mit gut entwickelten, aber nicht opponierbaren daumenaus: Fleagle (1999)

der Klammerschwanzaffe –vier Finger, fünf hände!

die Klammerschwanzaffen be-sitzen mit ihrem Greifschwanz eine vollwertige fünfte Extremität. Am Schwanz kopfunter an Ästen hän-gend können sie ihren Aktionsradius zum Erreichen von Nahrungs quellen nahezu verdoppeln und so Früchte an dünnen Astspitzen erlangen, die ihnen wegen ihres relativ hohen Gewichts von 4 – 10 kg sonst nicht zugänglich wären.

Auf der Innenseite ihres Schwanz-endes ist, wie auf den Innenseiten unserer Hände, eine haarlose, hoch sensible Tasthaut ausgebildet, mit deren Hilfe die Affen sicher zugrei fen können. Auch die Muskulatur und die Wirbelsäule des Greifschwanzes sind sehr kräftig ausgebildet, so dass die Tiere längere Zeit mit ihrem ge- samten Körpergewicht unter einem Ast hängen können. Die Hände sind extrem an dieses „Unter-dem-Ast-Hängen“ angepasst. Der Daumen ist nahezu vollständig reduziert, da die Hand als Greifhaken wirkt.

Beim Laufen auf dem Ast wird der Schwanz meist zur Sicherung an einem höheren Ast eingehakt und wie eine Sicherungsschlaufe mitgeführt.

Wie bei anderen die Arme zum Hangeln einsetzenden Affen der alten Welt (Gibbons, Orangs) sind die Arme der Klammerschwanz affen im Vergleich zum Säuger- bzw. Affengrundbauplan verlängert und die Schultergelenke sehr beweglich.

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 1 Klammerschwanzaffe (ateles geofroyi) und Wollaffe (lagothrix lagotricha) nur am greif-schwanz aufgehängtaus: Macdonald (2004)

Abb. 2 skelett des Klammerschwanzaffenaus: Schultz (1972)

Die extrem verlängerten Handglieder bilden einen Greif-haken beim Hangeln, der Daumen ist extrem reduziert.

Abb. 3 tastfelder auf der greiffläche des Klammerschwanzesaus: Schultz (1972)

Auch kleine Gegenstände wie Erdnüsse können mit dem Schwanz ergriffen und transportiert werden – eine fünfte Hand.

der gibbon – keiner schwingt schneller

Kein Affe schwingt schneller durch die Bäume als der Gibbon. Nur er beherrscht, einem Trapezflieger ver-gleichbar, das Schwinghangeln mit freier Flugphase (Brachiation). Diese Kunst ermöglichen ihm ein feinglied-riger Körperbau, eine an das Hangeln angepasste bewegliche Schulterpartie, eine kurze Lendenregion, die läng-sten Arme aller Primaten und fest zupackende Hände.

Häufiger als andere Primaten geht der Gibbon aufrecht. Dabei stabili-siert er sich ganz anders als der Mensch. Während der Einbeinstand-Phase erreicht sein Körperschwer-punkt die tiefste und nicht die höch-ste Lage. Er beugt die Kniegelenke stark und hält die Arme zum Aus-balancieren vor und hinter dem Kopf hoch.

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Die filigrane Anatomie verschafft dem Gibbon Vorteile beim Beschaffen von Nahrung. Das Zusammenspiel der Schulter- und Handgelenke beim Hangeln erlaubt es ihm, die Arme vollständig hinter den Kopf zu brin-gen und den Körper um 90 Grad zu drehen. Durch die optimale Ge-wichts verteilung erntet er Astspitzen geschickter ab als die auf Ästen sitzenden oder stehenden Primaten. Makaken, die im Laufen Nahrung an Astspitzen zu erreichen versuchen, scheitern, da sie den Ast von sich wegdrücken. Dagegen beugt sich der Ast, an dem der Gibbon hängt, in dessen Richtung, so dass ihm die Ernte erleichtert wird.

Abb. 1 Weißhandgibbon (hylobates lar), südostasienaus: Bloom (1999)

Abb. 2 greifraum eines gibbonaus: Geissmann (2003)

Durch Hängen unter dem Ast können Gibbons ihren Greifradius stark erweitern und so auch die Kronenregion der Bäume mit schwachen Zweigen erreichen („terminal branch feeding“).

Abb. 3 schwing-hangelnaus: Geissmann (2003)

Beim Hangeln kann der Gibbon wie ein Pendel schwingen, bis er beinahe die Ausgangshöhe erreicht hat. Bei schneller Brachiation tritt eine Phase des freien Fluges vor dem Ergreifen des nächsten Halts auf.

die großen Menschenaffen

Wie die meisten Primaten leben die großen Menschenaffen in Wäl-dern auf Bäumen. Ihr Körperbau hat sich an dieses Dasein angepasst und weist sie als gemäßigte Arm-kletterer aus.

Alle Menschenaffen bauen Schlaf-nester auf Bäumen, selbst dann, wenn sie, wie die Gorillas, viel Zeit am Boden verbringen. Hier bewegen sie sich – auf die verlängerten Arme gestützt – auf allen Vieren vorwärts. Dabei stützen sich die Orangs auf ihre Faust (Faustgang), die afrikani-schen Menschenaffen aber auf die Handknöchel (Knöchelgang). Nur kurze Strecken laufen die Men-schenaffen – auf den Außenkanten ihrer Füße – aufrecht, was energe-tisch sehr aufwendig ist.

Die Hände der Knöchelgänger sind zwar zum Greifen und Werkzeug-gebrauch geeignet, lassen aber nur wenige Präzisionsgriffe zu. An der Außenseite ihrer Handknöchel tragen sie zusätzliche Fingerlinien.

Die enge Verwandtschaft von Mensch und Schimpanse legt nahe, den Knöchelgang auch für die Vorfahren des Menschen anzunehmen. Jüngste Untersuchungen stellen diese Hypo-these infrage. In jedem Fall waren aber unsere Urahnen Baumbewohner.

Die aufrecht gehenden Vormenschen (Lucy) zeigten noch vor 3 Mio. Jahren Merkmale eines evolutionären Zwischenstadiums, wie abspreizbare Klettergroßzehen und Klettergreif-hände mit verlängerten gebogenen Zehen und Fingern.

Abb. 1

Abb. 2

Phalangen 2 und 3

Vierbeiniger Stand

Phal

ange

n 2

und

3

Met

acar

pus

Car

pus

Abb. 1 berggorilla (gorilla beringei) – „siberrücken“, ruandaaus: Bloom (1999)

Wegen ihres hohen Gewichts halten sich ausgewachsene männliche Gorillas meist am Boden auf, wo sie sich auf die Arme gestützt im Knöchelgang fortbewegen,

Abb. 2 schimpanse (Pan troglodytes) – Weibchen in Knöchelganghaltung aus: Geissmann (2003)

Details: Handskelett beim Aufstützen auf die Außenseite der Fingerknochen, rechts: Finger mit Hautleistenmuster auf der Oberseite

der aufrechte gang

im Vergleich mit Menschenaffen sind beim Menschen die Beine deutlich länger als die Arme. Der Fuß ist ein Lauffuß mit verstärktem Großzeh-strahl, der parallel zu den übrigen Zehen den Körper beim Gehen vom Boden abstößt. Aufgesetzt wird der Fuß mit der Ferse, danach wird der Fuß abgerollt und wieder mit der Groß-zehspitze abgestoßen. Das Becken ist verkürzt und verbreitert, um das Hüft-gelenk mit der aufgefächerten Gesäß-

muskulatur von außen zu umfassen und um die Adduktoren (Spann-muskeln) der Oberschenkel mit dem Schambein zu verbinden.

Brustregion und Arme bleiben, ab-gesehen von deren relativer Verkür-zung, menschenaffenartig, nur die Greifhand wird für den präziseren Griff verändert: Der Daumen ist ver-stärkt und verlängert, die übrigen Finger sind verkürzt und gerade.Die senkrechte Wirbelsäule mit der charakteristischen Doppel-S-Form balanciert den Kopf, der ohne die kräftige Nackenmuskulatur der Menschenaffen auskommt.

Abb. 1

Abb. 3

schimpanse

Mensch

australopithecusafarensis

großes Erbsenbein

gebogene Phalangen

lange gebogene Phalangen

zum Kopf hin orientiertes

Schulter- gelenk

relativ kurze Hintergliedmaßen

Abb. 2

Abb. 1 Fortbewegung bei Menschenaffen, Vormenschen und Menschaus Lewin (1995)

Die Menschenaffen sind gemäßigte Armkletterer mit Greif-füßen und leben überwiegend auf Bäumen. Die Vormenschen sind mit ihren Lauffüßen und verändertem Becken sowohl zum Klettern als auch zum aufrechten Gang befähigt. Der Mensch mit seinen verlängerten Beinen und verkürzten Armen hat sich völlig vom Baumleben emanzipiert.

Abb. 2 becken und Oberschenkel des Menschen aus: Franzen (1997)

Die Abbildung zeigt die Bänderbefestigung des Hüftgelenks (dunkel) und die Adduktoren zwischen Oberschenkel und Schambein. Das breite und kurze Becken des Menschen ist der Dreh- und Angelpunkt bei der Fortbewegung. Hier setzen die Beinbewegungs- und Haltemuskeln an.

Abb. 3 Vergleich der beinstellung bei gorilla und Menschaus: Franzen (1997)

Die leicht nach innen geneigten Oberschenkel des Menschen benötigen weniger Muskelmasse als die extremen O-Beine des Gorillas. Der Pfeil symbolisiert die Lage des Schwerpunkts.

der Fuß

der menschliche Fuß ist stärker umkonstruiert worden als die Hand, so dass er sich vom handähnlichen Fuß der Menschenaffen deutlich unterscheidet.

Das Laufen verlangt eine hohe Stabi-lität in den mechanischen Verbindun-gen der Beine und erfordert wegen der stereotypen Bewegungsabfolge eine Einschränkung der Bewegungs-freiheitsgrade. Im Unterschied zu den meisten guten Läufern ist der Mensch kein Zehen-, sondern ein Sohlengänger, der mit der Ferse aufsetzt, den verlän-gerten Fuß abrollt und sich mit dem verstärkten Großzehenstrahl abstößt. Die rechtwinklig abgeknickte Fußsohle

dient als Lauffläche, die Fußgewölbe sorgen für die Federung. Zehen und Fuß werden über Sehnenzüge von der Unterschenkelmuskulatur bewegt, die Fußmuskulatur verspannt das Gewöl-be, nur die große Zehe behält eine Eigenbeweglichkeit. Ein bindegewe-biges Fettpolster bildet ein druck-verteilendes Fußsohlen-Polster.

Beim Laufen speichern lange Sehnen-verbindungen wie die Achillessehne einen Teil der Bewegungsenergie, die beim Bewegen wieder freigesetzt wird. Die Energiebilanz verbessert sich dadurch zwar nicht so stark wie bei guten Läufern (Huftieren, Straußen-vögeln), doch erhöht sie die Ausdauer. So konnte der frühe Mensch auch schnellere Beute tagelang jagen und zur Strecke bringen.

Abb. 1 abrollbewegung beim gehenFoto: Dr. med. Hans Zollinger, Zürich

Abb. 2 hebelkräfte beim gehenaus: Liem (2001)

Der Vergleich mit einer Schubkarre zeigt die Hebelwirkung beim Abstoßen des Fußes.

Abb. 3 Fußgewölbe aus: Franzen (1997)

Elastische Sehnenverbindungen speichern beim Gehen einen Großteil der Bewegungsenergie und verbessern so die Effizienz.

Abb. 1

Abb. 2

Körpergewicht Muskel-Zugkraft

Lastarm Kraftarm

WadenmuskelSchienbein

Last

Hubkraft

Lastarm Kraftarm

Drehpunkt

Drehpunkt

Abb. 3

Querschnitt durch das Fußgewölbe

Ach

illes

sehn

e

Schi

enbe

in

die hand

die Hand des Menschen ist mit ihren relativ kurzen Fingern und dem beweglichen verlängerten Daumen als universelles Greiforgan ausgebildet.

Entwicklungsgeschichtlich haben sich Arm und Hand weniger verändert als der Fuß, da die Bewegungsabläufe ähnlich geblieben sind, auch wenn sie für die Fortbewegung keine Rolle mehr spielen. Wie alle Primaten kön-nen Menschen greifen und tragen, aber sie haben eine wesentlich bessere Feinmotorik der Hand als diese. Anatomisch zeigt sich das besonders an Daumen und kleinem Finger, die beide zur Handfläche hin gekrümmt werden können. Die Gelenkbasis des Mittelfingers ist schräg gestellt, um ihn gegenüber dem Daumen zu stabilisieren.

Bei Menschenaffen und Vormenschen ist diese Gelenkfuge noch gerade, und die Finger sind verlängert und gekrümmt, um besser Äste umfassen zu können. Ihre Hände sind auf den Kraftgriff spezialisiert, wie auch die starken Ansätze der Fingersehnen zeigen. Dagegen sind die tastempfind-lichen Fingerspitzen kleiner als beim Homo sapiens. Die menschlichen Merk-male sind schon beim Homo habilis, dem ersten Werkzeughersteller, fest-stellbar. Bis zum Neandertaler waren die Muskelansätze allerdings kräftiger als beim Homo sapiens. Offenbar besteht zwischen der Anatomie der Hand und dem Werkzeug gebrauch ein evolutionärer Zusammenhang.

Abb. 1 sehnen und Muskeln des handrückensaus: Toldt (1911)

Die Finger werden von der Unterarmmuskulatur über lange Sehnenzüge bewegt, so dass die Hand kraftvoll zugreifen kann. Die eigentlichen Handmuskeln besorgen nur die Feineinstellung. Besonders ausgeprägt ist die Muskulatur des Daumens, da sie beim Präzisionsgriff unerlässlich ist.

Abb. 2 anatomie des Präzisionsgriffsaus: Benninghoff (1997)

Die Abbildung zeigt die Strecker- und Beuger-Sehne des Zeigefingers (weiß und grün) und die beteiligte Handmuskulatur.

Abb. 3 Kraftgriff und Präzisionsgriffaus: Andreose (1978)

Abb. 3

Abb. 1

Abb. 2

tasten, greifen und begreifen

die menschliche Hand kann sowohl zupacken und halten (Kraftgriff) als auch subtil tasten und fassen (Präzi-sionsgriff). Sie bewältigt das Einfädeln in ein Nadelöhr ebenso wie das Heben schwerer Lasten. Ihre motorischen Fähigkeiten sind unübertroffen. Mit Händen Erkunden, Ergreifen führt zum Begreifen. Die Muskelkraft wird mit Sehnen-zügen vom Unterarm auf die Finger übertragen. Das sprichwörtliche „Fingerspitzengefühl“ geht auf die in den Fingerkuppen besonders zahl-reichen Meissner-Tastkörperchen

(150 pro Fingerbeere) zurück, mit denen die Oberflächen-Textur mit einer Reiz-Auflösung ab 2 mm erfühlt wird. Hier sind auch die Rezeptoren für Tempe-ratur-, Druck-, Schmerz- und Vibra-tions-Wahrnehmungen konzentriert.

Die Hände sind nur das Werkzeug für die manuellen Handlungen, die vom Gehirn erfasst und gesteuert werden. Die überragende Bedeutung der Hand zeigen die überproportional vergrößerten Projektionsfelder für Sensorik und Motorik in der Großhirn-rinde. Der „Homunculus“ mit seinen riesigen Händen visualisiert diese Repräsentanz der Handfunktionen im menschlichen Gehirn.

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 1 Meissner-tastkörperchenaus: Krstic (1988)

Die unmittelbar unter der Oberhaut gelegenen Meissner-Tastkörperchen stehen über Faserverbindungen mit den Tastleisten der Hand in Kontakt und sorgen für die große Berührungsempfindlichkeit der Fingerspitzen und aller anderen Hautbereiche, die mit Hautleisten ausge stattet sind.

Abb. 2 sensorischer homunculusaus: Kell et. al. (2005)

Die symbolische Darstellung der sensorischen und motorischen Felder der Großhirnrinde verdeutlicht die große Bedeutung der Hand.

schädel und gebiss

im Laufe der Evolution des Menschen haben sich Schädel und vor allem Gebiss stark verändert. Zeigen Aus­tralopithecus und Paranthropus noch große Kiefer, stark gebaute Zähne, ausgeprägte Überaugenwülste und Schädelkämme, bilden sich diese Formen auf dem Weg zum Homo sapiens schrittweise zurück.

Grund dafür ist der einsetzende Werkzeuggebrauch. Die Nahrung kann immer besser aufbereitet werden, es sind also keine so hohen Kaudrücke mehr nötig. Schädelkämme und große Jochbögen als Ansatz für kräftige Kaumuskeln werden über-flüssig.

Auch ein größerer Anteil tierischer Nahrung begünstigt diese Rück-bildung, wie man an den lebenden Menschenaffen gut sehen kann. Orang-Utans und Gorillas, die fast nur harte pflanzliche Nahrung zu sich nehmen, besitzen riesige Backenzähne sowie Schädelkämme und Über-augen wülste zum Abfangen der hohen Kaudrücke. Schimpansen und Menschen als „Allesfresser“ zeigen solche Merk-male kaum. Während Gorillas und Orang-Utans große Kauflächen für ihre Pflanzenkost brauchen, haben die Menschen deutlich kleinere Backen- und Mahlzähne wie auch kleinere an Schneidezähne erinnernde Eckzähne.

Abb. 1 Oberkiefer bei schimpanse, australopithecus und Menschobere Reihe aus: Lewin (1991)untere Reihe aus: British Museum: Our fossil relatives (1983)

Im Vergleich zu Menschenaffen und Vormenschen hat der Mensch kleine Zähne. Sein Kiefer ist parabelförmig, nicht parallel. Die Eckzähne ähneln Schneidezähnen, wodurch die Affenlücke (s. Pfeile) entfällt. Da die Kieferbewegung nicht mehr durch große Eckzähne eingeschränkt wird, lassen sich auch mahlende Querbewegungen ausführen.

Abb. 2 Kräfte beim Kauen aus: Franzen (1997)

Wie das Beispiel des Pekingmenschen (Homo erectus pekinensis) illustriert, entspricht die Schädelform dem Ver-lauf der Kaudrücke, die hier durch Pfeile symbolisiert sind.

Abb. 3 Kauapparat des Paranthropusaus: Butcher (2006)

Hominiden mit starkem Gebiss wie Paranthropus benötigen kräftige Knochenwülste über den Augen, die den Schädel vor starken Kaudrücken schützen. Der Schädelkamm auf der Kopfoberseite bildet sich als Ansatz für die Schläfen-muskeln.

Abb. 1

Scheitelkamm

Schläfenmuskel

Backenmuskel

ausladender Jochbogen

vergrößerte Backenzähne

Abb. 3

Abb. 2

gehirnentwicklung

die Gehirngröße der Vormenschen (Australopithecus) lag mit 420 – 520 cm³ noch im Bereich der Menschenaffen. Erst mit der Werkzeugherstellung vor 2,5 Mio. Jahren begann ein schub-weises Wachstum der Gehirngröße: von 680 – 800 cm³ beim Homo habilis steigerte sich das Volumen bis zum Homo heidelbergensis auf 1000 – 1200 cm³. Mit über 1600 cm³ wird dann beim Neandertaler das Maximum erreicht. Beim modernen Menschen liegt das Gehirnvolumen dagegen bei ca. 1400 cm³.

Wie der Vergleich mit dem Neander-taler zeigt, ist die Leistungsfähigkeit des Gehirns nicht nur von seiner absoluten bzw. relativen Größe (Cerebralisation) abhängig, sondern auch von seiner Feinstruktur (Ence­phalisation, z. B. Furchung der Großhirnrinde, Zunahme der Neu-ronen und deren Verschaltungen).

Für diese Entwicklung gibt es ver-schiedene Erklärungsversuche: Nach der älteren „technologischen“ Hypo-these entstand aus der Freisetzung der Hände durch den aufrechten Gang ein Selektionsdruck in Richtung Gehirnvergrößerung. Die „soziale“ Hypothese sieht in der zunehmenden Gruppengröße mit dem Zwang zu intensiverer Kommunikation und Kooperation den Auslöser für die Gehirnentwicklung. Als weitere Voraussetzung wird die verbesserte Ernäh rung ins Feld geführt, die auch komplexere Sozialgefüge ermöglichte.

Abb. 3

Pan troglodytes

Homo habilis

Homo neanderthalensis

Australopithecus africanus

Homo erectus

Homo sapiens

1 600

1 400

1 200

1 000

800

600

400

4 3 2 1

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Millionen Jahre vor heute

homo erectus – der aufsteiger

h. neanderthalensis

h. sapiens

schimpanse

h. rudolfensis

P. robustus

P. boisei

a. afarensisa. africanus

a. (h.?) habilis

h. ergaster h. heidelbergensish o m o e r e c t u s

Gattung Australopithecus

Gattung Paranthropus

Gattung Homo

Gattung unklar

Abb. 1 schädelformen der hominidenaus: Zimmer (2005)

Bereits an den Schädelformen ist die Vergrößerung des Gehirns erkennbar, die mit einer gleichzeitigen Verkleinerung des Kieferapparats einhergeht.

Abb. 2 gehirnvolumen von Vormenschen und Menschenaus: Bild der Wissenschaft, Juli 2009

Im Unterschied zu den nichtmenschlichen Hominiden verdoppelte sich das Gehirnvolumen bei Homo erectus innerhalb von ca. 1,6 Mio. Jahren. In den letzten 300 000 Jahren kam es zu einer sprunghaften Ent- wicklung zur heutigen Größe.

Abb. 3 Primatengehirneaus: Dr. Robert Dahnke, Universität Jena, Psychatrie

Die Grafik zeigt nicht nur die Größenverhältnisse der Gehirne, sondern auch die unterschiedlich starke Ausbildung der Hirnrindenareale bei „Altweltaffen“.

Abb. 1

Abb. 2

Werkzeuge der altsteinzeit

Werkzeuge als „verlängertes Gebiss“ definieren die Gattung Homo, die sich vor rund 2,5 Mio. Jahren aus den frühen Australo­pithe cinen Ost- und Südafrikas entwickelte. Die Hand ist dabei der Überträger: Werkzeuge müssen handlich sein.

Bereits „Chopping tools“ aus der Olduvai-Schlucht (Tansania) zeigen, dass eine Spitze oder Schneidkante die dürftigen Zähne und Krallen des Menschen ersetzt, während die Gegenseite in der Handfläche ruht. Grazile Urmenschen, die Werk-zeuge herstellten, waren bei der Wahl und Aufbereitung ihrer Nah-rung flexibler als pflanzenessende Vormenschen mit robustem Gebiss. So starben die robusten Arten vor etwa 1 Mio. Jahren aus.

Etwa vor 1,6 Mio. Jahren wurde der Faustkeil erfunden, das erste und zugleich erfolgreichste Univer-salwerkzeug. Faustkeile gibt es bis an das Ende der Neandertalerzeit. Die jüngsten Exemplare sind etwa 50 000 Jahre alt, wie die Stücke aus Le Moustier (Dordogne), der namengebenden Fundstelle der Moustérien-Kultur. Schon der Neandertaler hat seine Keilmesser in Griffschäfte eingeklebt und Blattspitzen in Speere geschäftet.

Mit der Einwanderung des Homo sapiens nach Europa vor etwa 40 000 Jahren steigt die Vielfalt der Werkzeuge an. Neu sind fili-grane, in Holzschäfte eingeklebte Messerchen oder Wurfgeräte wie Bumerang und Speerschleuder.

Abb. 1

Abb. 2 Abb. 3

Abb. 1 Faustkeile, blattspitze, chopper

Abb. 2 blattspitze, als speerspitze geschäftet

Abb. 3 abwurfbild speerschleuder

rechts- und linkshändigkeit in der urgeschichte

etwa 90% der heutigen Menschen unterschiedlichster Zivilisationen sind Rechtshänder. Das bedeutet, ihre genetisch dominante Werk-zeughand ist die rechte.

„Sind Affen Rechtshänder?” – fragte sich bereits Charles Darwin in einem seiner Notizbücher.Gorillas sind es, Schimpansen sind es nicht … So einfach ist es also nicht! Folgt man jedoch Statistiken über Verletzungen fossiler Men-schen, dann war bereits beim Ur mensch und Neandertaler eine Tendenz zur Rechtshändigkeit an-gelegt. Vorteil der Spezialisierung auf eine Hand ist die höhere Prä-zision bei der Ausübung der Hand-arbeit. Kulturleistungen des Men-schen („Meme“) sind Informationen, die nicht über „Gene“ an die nächste Generation weitergegeben werden. Der seit mehr als 2 Mio. Jahren praktizierte Umgang mit Werkzeugen gehört somit zu den

memetisch überlieferten Fähigkei-ten. Durch Hunderttausende von Jahren einer rechtshändig domi-nierten Werkzeugtradition wurde dieses Mem im Genpool der Mensch heit verankert.

An Werkzeugen lässt sich Händig-keit erst sehr spät in der Mensch-werdung nachweisen. Hatten Stein-werkzeuge der Neandertaler noch oft symmetrische Arbeitskanten, so sind erst Stichel und Bohrer des Homo sapiens eindeutig asym-metrisch und meist eindeutig für Rechtshänder hergestellt.

Abb. 1 harpunen aus rengeweih, repliken vom typ „spätes Magdalénien bis Mittelsteinzeit”, ca. 14 000 – 8 000 v. chr.

Die Harpune ist ein Zeugnis für das handwerkliche Geschick, das erforderlich ist, um hartes Knochenmaterial so fein zu bearbeiten.

Abb. 2 Keilmesser vom neandertaler-Fundplatz sesselfelsgrotte (bei neuessing, lkr. Kelheim, bayern)

Das Keilmesser liegt gut in der Hand. Da die flache Schneidenseite unten liegt, ist die Rechtshändigkeit des Benutzers sehr wahrscheinlich.

Abb. 3 elfenbeinschnitzen, stichel des Jungpaläolithikums, 40 000 – 10 000 v. chr. Experiment von Wulf Hein

Die scharfe Kante ist nur von einem Rechtshänder sinnvoll zu benutzen.

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Prothesen

Prothesen als Gliedmaßenersatz haben eine lange Tradition. Legendär sind die „Eiserne Hand“ des Götz von Berlichingen oder die Hakenhand des Käpt’n Hook in „Peter Pan“.

Insbesondere die zahllosen Versehrten der Kriege und des Straßenverkehrs stellen eine ständige Herausforderung an die Prothesentechnik dar. Während des Ersten Weltkriegs entwickelte der Chirurg Sauerbruch bewegliche, vom Träger mechanisch steuerbare Prothe-sen. Seit den 1950/60er Jahren werden bioelektrische Prothesen gebaut, bei denen Muskelströme, die vom Ampu-tationsstumpf abgeleitet werden, kleine Elektromotoren in der Prothese steuern. Inzwischen werden solche Prothesen auch mit Sensoren aus-gestattet.

Endoprothesen werden zum Ersatz erkrankter Gelenke, meist der Hüfte oder des Knies, aber auch kleiner Hand- und Fußgelenke, eingesetzt.

In jüngster Zeit wurden Erfahrungen mit sogenannten „Gehirn-Maschinen“ oder „Gehirn-Computer-Schnitt-stellen“ gesammelt. Sie erlauben es einem gelähmten Patienten, über die Registrierung seiner mit der Vorstel-lung einer Handbewegung einher-gehenden Gehirnaktivität eine Hand-prothese zu steuern.

Neue Begriffe, wie „Cyborg“ („cyber-netic organism“) und „Ersatzteil-chirurgie“, reflektieren zwar die viel-versprechende Entwicklung, lassen aber den bleibenden Verlust eines Körper teils, das Einzelschicksal, außer Betracht.

Abb. 1 die „Zweite hand“ aus Florenz, 15. – 16. JahrhundertFoto: Museum Kulturgeschichte der Hand, Wolnzach

Vier Finger der Hand können durch eine Druckvorrichtung gemeinsam bewegt werden, während der ebenfalls an-gewinkelte Daumen starr ist. Die Mechanik ermöglicht einen Zangengriff.

Abb. 2 Krukenberghand, 1951/52 und sauerbruch-prothese, um 1940aus: Prothesen von Kopf bis Fuß. Ausstellungskatalog 2003

Die Krukenberghand (links), ein beweglicher Greifarm mit einer Zange, wurde während des Ersten Weltkriegs für beidseitig Unterarmamputierte entwickelt. Die nach dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch benannte Handprothese (rechts) besitzt einen doppelten Seilzug, von denen der eine zum Beugen, der andere zum Strecken der Finger benutzt wird.

Abb. 3 bioelektrische, sensorgesteuerte handprothese der Fa. Otto bock aus: Myobock-Armprothesen. Firmenkatalog 2007

Der in Daumen und Zeigefinger der Prothese eingepasste Greifmechanismus wird durch am Oberarm des Trägers abgeleitete Muskelströme angetrieben und über Sensoren in der Prothese dosiert gesteuert.

Abb. 1

Abb. 3

Abb. 2

hand in hand: der hand- chirurg als hand-heiler

Verletzungen der Hand oder Läh mun gen ihrer Muskeln zählen zu den folgenschwersten Erkrankun-gen, da sie den Patienten im privaten Alltag und in seiner Berufsausübung oft massiv beeinträchtigen. Ihre Behandlung ist die Domäne des Handchirurgen, der sie heute mehr und mehr in speziellen Kliniken oder Zentren ausübt.

Entscheidend für den Behandlungs-erfolg sind die exakte Kenntnis der Anatomie von Skelett, Muskulatur, Blut- und Nervenversorgung der Hand, die Verfügbarkeit subtiler, oft mikros kopischer Operationsmethoden und des zugehörigen Instrumentariums, das Verständnis plastischer und regene rativer Vorgänge in den Geweben der Hand und im Nerven-system – und natürlich vor allem

die Erfindungsgabe und manuelle Geschicklichkeit des Hand-Chirurgen.

So ist die moderne Handchirurgie ein interdisziplinäres Fach, welches feinstes Chirurgen-Handwerk mit Zellbiologie, Neurologie, Werkstoff-wissenschaft und Medizintechnik vereint zum Wohle des Patienten.

Abb. 1 handchirurgen bei der arbeit am Operations-mikroskop

Abb. 2 Operationsergebnis nach unfallbedingter abtrennung der linken hand im bereich des unterarms

Die durchtrennten Skelettteile werden durch einen äußeren Halteapparat (sog. Fixateur externe) stabilisiert, bis die Heilung erfolgt.

Abb. 3 die Patientin mehrere Monate nach erfolgreich-er Operation und anschluss-heilbehandlung

Form und Funktion der Hand sind beide wiedergewonnen!

Abb. 4 hand in hand: der handchirurg und sein Patient

Fotos: Plastisch- und Handchirurgische Klinik, Klinikum der Universität Erlangen-Nürnberg, Direktor: Prof. Dr. med. Raymund Horch

Abb. 1

Abb. 2 Abb. 3

Abb. 4

Ontogenese von hand und Fuß

beim Embryo bildet sich zunächst der Kopf mit der Kiemenregion aus, danach entstehen die Arme aus Ab-faltungen der Hals- und Brustregion. In der 5. Schwangerschaftswoche (SW) erscheinen paddelförmige Hand-anlagen, die Füße folgen in der 7. SW. Die Hände gehen den Füßen voraus, da der Kopf des Embryos wegen des stark wachsenden Gehirns besser mit Blut und Nährstoffen versorgt wird als der Rest.

Die Finger werden durch „Apoptose“ – programmierten Zelltod – in den Zwischenräumen während der 5. bis 6. SW freigestellt, wobei sie anfangs durch „Schwimmhäute“ verbunden bleiben. Erste aktive Bewegungen sind in der 13. SW zu erkennen.

Das Fingerleistenmuster entsteht in der 19. SW. Wie andere Primaten besitzen Neugeborene noch einen Greifreflex zum Festhalten an der Mutter.

Der Fuß ist bei der Geburt noch ein sehr affenähnlich gestalteter „Platt-fuß“ mit seitlich abstehender Greif-zehe. Der Umbau zum Lauffuß wird in den ersten beiden Lebensjahren mit der Ausbildung der Fußgewölbe und der Parallelstellung des Großzehen-strahls abgeschlossen. Die endgültige Ausformung der Fußkonstruktion hängt sehr stark von äußeren Faktoren ab. Optimal wäre ständiges Barfuß-Gehen. Unsere heutige schmale, lange Fußform geht auf zu enges Schuhwerk zurück. Abb. 1

Abb. 1 embryo, abfaltung der extremitätenaus: Rohen/Lütjen-Drecoll (2006)

Die vom Rückenmark her einwachsenden Arm- und Handnerven zeigen die Entstehung der Hand aus Auswüchsen der Hals- und Brustregion.

Abb. 2 Vergleich neonatus Mensch – rhesusaus: Schulz (1974)

Beim Neugeborenen (links) ist der Fuß, wie bei anderen Primaten, anfangs noch als Greiffuß mit abspreizbarer Großzehe ausgebildet.

Abb. 3 entstehung der hand beim embryoRasterelektronenmikroskopische Aufnahmen aus: Hinrichsen (1990)

Nach dem Aussprossen der Armknospen mit 26 Tagen bilden sich die paddelförmigen Handtelleranlagen aus. Anschließend werden die Finger über ein flossenartiges Zwischenstadium freigestellt. Nachdem sich die Finger-strahlen getrennt haben, beginnt das Armwachstum.

Abb. 3

Abb. 2

sprechende hände

die Hand ist nicht nur unser erstes und unentbehrlichstes Werkzeug, sondern auch unser wichtigstes non-verbales Verständigungsmittel. Mit der „Sprache der Hände“ können wir unsere Empfindungen ausdrücken, Nähe signalisieren und ermuntern, aber auch drohen und zurückweisen oder einfach nur sachliche Informa-tionen übermitteln. Manche unserer Gesten – wie die geballte Faust – sind als archaische Zeichen über unseren Kulturkreis hinaus verständlich.

Eine große Bedeutung haben Gesten in den Religionen. Zum christlichen Ritus gehören die gefalteten Hände der Gläubigen und die segnende Hand des Priesters. In der katholischen Liturgie sind Berührungen wie die Handauflegung ein wichtiger Teil der Sakramentenordnung.

Künstler haben der Hand seit jeher ihr besonderes Augenmerk geschenkt. Bereits in den frühesten Zeugnissen der Höhlenmalerei finden sich Hand-darstellungen als erste Form der bild-nerischen Selbstthematisierung des Menschen. Figurative Malerei und Plastik reflektieren bis heute die kom-plexe Sprache menschlicher Gesten.

Auch in der politischen Propaganda spielt die Hand eine wichtige Rolle. Bildzeichen wie der solidarische Hand-schlag oder die geballte Faust sind zu zentralen Symbolen der politischen Linken geworden.

Schließlich spiegelt auch unsere Sprache in zahlreichen Wortbildungen und Redewendungen die immense Kulturbedeutung der Hand.

Abb. 1 Martha Magdalena Mezger, 1767 Johann Eberhard Ihle (1727 – 1814)Öl auf LeinwandKunstsammlung der Universität

Die Witwe des Nürnberger Goldhändlers Paul Christoph Mezger präsentiert sich reich gekleidet und Schmuck überladen dem Betrachter. In der Linken hält sie das weiße Seidenfutter ihres rosafarbenen Umhangs prätentiös zwischen Daumen und Zeigefinger, um auf dessen Kost-barkeit hinzuweisen. Das Gemälde veranschaulicht so auch die Bedeutung der Hand für die Kunst des Porträts.

Abb. 2 Winston churchill in typischer Pose mit dem Victory-ZeichenFotografie, um 1941

International bekannt wurde das Victory-Zeichen während des Zweiten Weltkrieges durch Winston Churchill. Mit dieser Geste stärkte der britische Premierminister die Siegeszuversicht und den Widerstandswillen des britischen Volkes gegen die nationalsozialistische Eroberungspolitik.

Abb. 3 „die gefesselten hände“Holzskulptur von Hans GügelFoto: Rudi Stümpel, 1953Stadtarchiv

Ein Erlanger Beispiel für die politische Symbolik der gefessel-ten Hand: das Mahnmal zum Gedenken an die nicht aus Russland zurückgekehrten Kriegsgefangenen am Bohlen-platz. Die gefesselten, aber zur Faust geballten Hände bringen wie die Inschrift Protest zum Ausdruck: „Lasst unsere Kriegsgefangenen frei“. Die Skulptur wurde1953 vom „Verband der Heimkehrer“ aufgestellt und 1979 entfernt. Heute befindet sie sich, neu gedeutet, in einer Anlage in Alterlangen.

Abb. 1

Abb. 3

Abb. 2

redensarten

in jemandes Hand stehendie Hand über jemanden haltendie Oberhand behaltensein Schicksal in die Hand Gottes legenin guten Händen seinjemanden um die Hand seiner Tochter bittenjemanden an die Hand nehmennicht aus der Hand gebenjemandem die Hand reichenetwas in die Hand nehmensich in der Hand habenunter den Händen zerrinnenfreie Hand habenjemandem sind die Hände gebunden

etwas aus erster Hand habenin andere Hände übergehenmit leeren Händen dastehen mit warmer Hand schenkenzu treuen Händenmit beiden Händen zugreifendie Hände davon lassen

sich von seiner Hände Arbeit ernährenbeide Hände voll zu tun habengut von der Hand gehen jemandem zur Hand gehen etwas zur Hand habeneine glückliche Hand habenin die Hände spuckendie Hände in den Schoß legenjemanden auf den Händen tragen

jemandes rechte Hand seinzwei linke Hände haben

eine Politik der starken Handdie öffentliche Handdie unsichtbare Hand des Marktes

alle Trümpfe in der Hand habendie Hand im Spiel habenunter der Handjemandem auf die Hände sehen

von der Hand in den Mund leben jemandem aus der Hand fressenan der ausgestreckten Hand ver-hungern lassen

jemandem in die Hände fallen Hand an sich legendie Hand gegen jemanden erheben

für jemanden die Hände ins Feuer legenseine Hände in Unschuld waschen

sich die Hände reibendie Hände über dem Kopf zusammen-schlagendie Hände ringen

im Handumdrehenkurzer Handvon langer HandHand in Hand

auf der Hand liegenetwas ist mit Händen zu greifen

sich mit Händen und Füßen wehrenHand und Fuß haben


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