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13 Vielfalt von Lebensformen in unserer Zeit Familie im...

Date post: 07-Jul-2020
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13 Vielfalt von Lebensformen in unserer Zeit Familie im Wandel der Zeit Das Zusammenleben von Geschlechtern und Generationen kann auf unterschiedlichste Weisen realisiert werden. Die Vielfalt an familiären Lebensformen ist keine moderne Erscheinung, es gab sie schon immer. Früher war es nicht so, dass man einfach heiraten konnte“, erzählt eine oberösterreichische Bauers-tochter. „Meinen Mann habe ich schon mit 18 Jahren kennengelernt, er war auch ein Bauernsohn, aber heiraten konnten wir noch nicht. Bereits vor der Hochzeit habe ich zwei Kinder von ihm geboren.“ Dabei sei es ihnen noch besser gegangen als dem Großteil der Menschen in ländlichen Regionen, die sich als Knechte oder Mägde verdingten, oft bei jährlich wechselnden Dienstherren: Diese Menschen, und das gilt auch für Städte, konnten häufig überhaupt nicht heiraten, weil sie keinen Besitz hatten, ihnen die notwendigen Papiere fehlten oder sie keine Heiratserlaubnis von Kirche oder Behörden bekamen. Viele Menschen blieben daher ledig, viele Frauen hatten uneheliche Kinder. Solche Tatsachen stehen in einem Gegensatz zu jenem Bild, das viele von der angeblich „guten alten“ Zeit haben, in der Eheleute mit ihrer Kinderschar (die „Kernfamilie“) noch eine „heile“ Keimzelle der Gesellschaft gewesen seien. Eher war das Gegenteil der Fall: „Haus und Familie waren und sind in Europa von unüberbietbarer Vielfalt“, formuliert es etwa der Sozialhistoriker Reinhard Sieder (Uni Wien). Bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs war demnach ein Drittel bis zur Hälfte der west-, nord- und südeuropäischen Bevölkerung über Jahrzehnte oder sogar das ganze Leben von der Heirat ausgeschlossen. Viele lebten als Gesinde auf Höfen oder bei Handwerkern, Mägde waren nicht selten „Konkubinen“ der Dienstherren (auch wenn dies verboten war). Zum Teil verheiratet waren „Inwohner“, die gegen Miete oder Arbeitsleistung einen Wohnraum oder ein Nebengebäude bewohnten. Die älteren Bewohner, die ihren Haushalt an die nächste Generation übergeben hatten, lebten im „Ausgedinge“. Familie im Laufe der Geschichte Diese typischen Strukturen wobei es überall auch andere Lebensformen wie Kleinfamilien, Klostergemeinschaften oder als Alleinstehende gab haben eine lange Geschichte. Bei den antiken Römern wurde mit „familia“ der gesamte Hausstand bezeichnet, also ein Mann mit Ehefrau und Kindern, mit Sklaven, Freigelassenen und Vieh. Es handelte sich um eine Herrschafts-, keine Verwandtschaftsbezeichnung. Familie bedeutete in Rom also eine umfassende Lebens- und Rechtsform zum Teil auch mehrerer Generationen zum Beispiel Väter und Söhne mit unter Umständen sehr vielen Sklaven in einem „Haus“. Basis der „römischen Familie“ ist die Rechtsform, die später als „Haus“ bezeichnet wird, in der der Hausvater, der Pater familias nach außen rechtlicher Vertreter und Schutzherr der Familie war, nach innen als Patriarch Inhaber aller Machtbefugnis (bis hin zum Töten von Sklaven und vielem mehr).
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13 Vielfalt von Lebensformen in unserer Zeit

Familie im Wandel der Zeit

Das Zusammenleben von Geschlechtern und Generationen kann

auf unterschiedlichste Weisen realisiert werden. Die Vielfalt an

familiären Lebensformen ist keine moderne Erscheinung, es gab

sie schon immer.

Früher war es nicht so, dass man einfach heiraten konnte“, erzählt

eine oberösterreichische Bauers-tochter. „Meinen Mann habe ich

schon mit 18 Jahren kennengelernt, er war auch ein Bauernsohn, aber

heiraten konnten wir noch nicht. Bereits vor der Hochzeit habe ich

zwei Kinder von ihm geboren.“ Dabei sei es ihnen noch besser

gegangen als dem Großteil der Menschen in ländlichen Regionen, die

sich als Knechte oder Mägde verdingten, oft bei jährlich wechselnden

Dienstherren: Diese Menschen, und das gilt auch für Städte, konnten

häufig überhaupt nicht heiraten, weil sie keinen Besitz hatten, ihnen die notwendigen Papiere fehlten oder sie

keine Heiratserlaubnis von Kirche oder Behörden bekamen. Viele Menschen blieben daher ledig, viele Frauen

hatten uneheliche Kinder.

Solche Tatsachen stehen in einem Gegensatz zu

jenem Bild, das viele von der angeblich „guten

alten“ Zeit haben, in der Eheleute mit ihrer

Kinderschar (die „Kernfamilie“) noch eine „heile“

Keimzelle der Gesellschaft gewesen seien. Eher

war das Gegenteil der Fall: „Haus und Familie

waren und sind in Europa von unüberbietbarer

Vielfalt“, formuliert es etwa der Sozialhistoriker

Reinhard Sieder (Uni Wien).

Bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs war

demnach ein Drittel bis zur Hälfte der west-, nord-

und südeuropäischen Bevölkerung über

Jahrzehnte oder sogar das ganze Leben von der

Heirat ausgeschlossen. Viele lebten als Gesinde auf Höfen oder bei Handwerkern, Mägde waren nicht selten

„Konkubinen“ der Dienstherren (auch wenn dies verboten war). Zum Teil verheiratet waren „Inwohner“, die

gegen Miete oder Arbeitsleistung einen Wohnraum oder ein Nebengebäude bewohnten. Die älteren Bewohner,

die ihren Haushalt an die nächste Generation übergeben hatten, lebten im „Ausgedinge“.

Familie im Laufe der Geschichte

Diese typischen Strukturen – wobei es überall auch andere

Lebensformen wie Kleinfamilien, Klostergemeinschaften oder als

Alleinstehende gab – haben eine lange Geschichte. Bei den

antiken Römern wurde mit „familia“ der gesamte Hausstand

bezeichnet, also ein Mann mit Ehefrau und Kindern, mit Sklaven,

Freigelassenen und Vieh. Es handelte sich um eine Herrschafts-,

keine Verwandtschaftsbezeichnung. Familie bedeutete in Rom

also eine umfassende Lebens- und Rechtsform zum Teil auch

mehrerer Generationen – zum Beispiel Väter und Söhne – mit

unter Umständen sehr vielen Sklaven in einem „Haus“. Basis der

„römischen Familie“ ist die Rechtsform, die später als „Haus“

bezeichnet wird, in der der Hausvater, der Pater familias nach

außen rechtlicher Vertreter und Schutzherr der Familie war, nach

innen als Patriarch Inhaber aller Machtbefugnis (bis hin zum

Töten von Sklaven und vielem mehr).

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Ganz anders war das bei den „Barbaren“: Die Germanen lebten in Sippen zusammen – in sozialen Gruppen

blutsverwandter Personen, von denen eine das Oberhaupt war.

Auch im Mittelalter dominierte das Zusammenleben in

größeren Wirtschaftsgemeinschaften. In sogenannten

„Großen Haushaltsfamilien“ bildeten mehrere

Generationen, zum Teil auch parallele Ehen (zum Beispiel

von Brüdern) und gegebenenfalls Verwandte zusammen mit

dem Gesinde eine Lebens- und Wirtschaftsform.

Eine einschneidende Veränderung bewirkte die Kirche. Die

gregorianische Reform schuf ab dem elften Jahrhundert den

Ehestand als eigenes Sakrament. Die Ehe galt nur, wenn sie

von Mann und Frau aus freiem Willen vor einem Priester

geschlossen wurde. Gefordert wurden dabei auch

Monogamie und Treue. Das führte zu einer Abkehr von der

Sippe, hin zu kleineren Einheiten.

Für die Geschichte der Familie ist ein Phänomen zentral, das auch „europäisches Heiratsmuster“ genannt wird.

Europa war demnach seit dem 16. Jahrhundert in zwei Regionen mit unterschiedlicher Familienstruktur geteilt.

Der nord- und westeuropäische Typ ist durch vier Charakteristika gekennzeichnet: 1. das Vorherrschen von

„Kernfamilien“ – Eltern und Kinder unter einem Dach –, 2. eine relativ späte Verehelichung (älter als 25Jahre),

3. einen geringen Altersabstand zwischen den Ehepartner sowie 4. das Vorhandensein von nicht

blutsverwandten Dienstboten, Lehrlingen etc. im Haushalt. Heiraten und legitime Kinder bekommen konnten

nur die ihren Vätern als Handwerker, Bauern, Kaufleute usw. nachfolgenden Söhne. Witwen und Witwer

blieben unverheiratet.

Ganz anders in Ost- und Südeuropa, aber auch in alpinen Gegenden oder im französischen Languedoc: Dort

heirateten die meisten Menschen in jüngeren Jahren, sie bekamen viele Kinder, bildeten aber keine eigenen

Haushalte, sondern lebten unter einem Familienpatriarchen in großen und komplexen Haushalten zusammen,

oft in mehreren nebeneinander liegenden Häusern. Verwitwete Menschen heirateten meist wieder rasch.

Das europäische Heiratsmuster wurde durch Aufklärung, industrielle Revolution und den Aufstieg des

Bürgertums grundlegend verändert.

Romantische Liebe im 19. Jahrhundert

Ab dem letzten Drittel des 18.Jahrhunderts bildete sich aus städtischen Kaufleuten, Unternehmern oder höheren

Beamten ein Bürgertum heraus, mit einer spezifischen Ausprägung der Familie im Gefolge: Das Familienleben

sollte vor allem die beruflichen Interessen und die sozialen Netzwerke des Mannes unterstützen, Frauen hatten

sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder zu kümmern.

Ein wesentliches Kennzeichen der bürgerlichen Familie des 19. Jahrhunderts

ist die Trennung von Familie und Produktion (Arbeitsplatz). Dadurch

verloren die Familien ihre direkte Einbindung in die Öffentlichkeit des

Wirtschaftslebens und wurden erstmals zur reinen Privatsphäre. Das

häusliche Leben sollte auch die (romantische) Sehnsucht nach Liebe erfüllen.

Das kleinbürgerliche Paar sollte sich verstehen, hatte es sich doch infolge der

weitgehenden Trennung seiner Arbeits- und Lebenswelten sonst nur wenig zu

sagen. Der neue Lebensstil des Bürgertums wurde relativ rasch auch von

kleinbürgerlichen Haushalten übernommen, z.B. von Gewerbetreibenden,

Handwerkern, Kaufleuten oder niedrigen Beamten.

Wilde Ehen – Zeichen der Not der Arbeiter im 19. Jahrhundert

Gleichzeitig zogen mit dem Wachstum der Industrie auch viele junge

Menschen vom Land in die Städte, es entstanden „proletarische Milieus“. Durch die langen Arbeitszeiten, die

niedrige Entlohnung und die akute Wohnungsnot waren stabile Familienverhältnisse nur sehr schwer zu

erreichen. Viele Arbeiter und Arbeiterinnen lebten in „wilden“ Ehen, Kinder wurden häufig unehelich geboren

und lebten vielfach ohne Betreuung auf der Straße. Mit der Zeit und nach sozialen Verbesserungen setzte sich

aber auch bei Arbeitern das bürgerliche Familienmodell durch. Erziehung der Kinder wurde ein zunehmend

wichtiger Wert, das Eheleben wurde intimer.

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Der Vater blieb auch in diesen neuen Familienformen der alles dominierende „Pater familias“. Das begann sich

erst mit den beiden Weltkriegen zu ändern. Viele Männer waren an der Front gefallen, viele Ehen, die vor oder

im Krieg übereilt eingegangen wurden, zerbrachen. Wenig überraschend stieg die Zahl der außerehelichen

Geburten stark an. Aus den früheren „Kernfamilien“ wurden häufig „Mutter-Kind-Familien“. Frauen eroberten

(oft gezwungenermaßen) die bestimmende Rolle in den Wirtschafts- und Lebensgemeinschaften.

Unterschiedliche Familienformen in der modernen Gesellschaft Die Emanzipation der Frau in der Familie war in Europa unumkehrbar – auch

wenn sich in der Nachkriegszeit erneut die bürgerliche Kleinfamilie aus Vater,

Mutter und (meist zwei) Kindern als dominierende Lebensform etablierte. Die

gestiegenen Bildungschancen für Frauen – sowohl auf dem Land als auch in

der Stadt –, die zunehmende wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen, das

Sinken des kirchlichen Einflusses sowie die Verbreitung von

Verhütungsmitteln trugen dazu bei, dass Trennungen und Scheidungen leichter

möglich wurden. Im Gefolge der 68er-Bewegung breiteten sich viele

alternative Familienformen aus – seit den 1970er-Jahren vollziehen viele Staaten diesen Wandel auch in der

Gesetzgebung nach: ein Prozess, der stets heftig umstritten war und ist.

Patchwork und Regenbogen. Die größte Gruppe ist zwar weiterhin die

„Kernfamilie“ – wobei der Anteil der nicht ehelichen Lebensgemeinschaften stark

steigt. Die am stärksten wachsende Lebensform ist aber laut einer Studie des

Österreichischen Instituts für Familienforschung der kinderlose Haushalt (Singles

und Paare). Einen Zuwachs erleben auch „Patchwork-Familien“,

Lebensgemeinschaften, in denen zwei Partner nach einer Trennung mit Kindern aus

früheren Familien zusammenleben. Fern- oder Wochenendbeziehungen („living

apart together“) sind weitere Formen heutigen Zusammenlebens. Wachsend ist auch die Zahl der

„Regenbogenfamilien“, in denen Kinder bei zwei gleichgeschlechtlichen Partnern leben. Auch die Zahl der

alleinstehenden Menschen ist im Wachstum begriffen. Stabil bleibt hingegen zurzeit der Anteil der Ein-Eltern-

Familien. In knapp 90 Prozent der Fälle sind dies alleinerziehende Frauen. Trotz all der Vielfalt sind in vielen

Familien die Rollen noch immer klar aufgeteilt: Für Sorgearbeit, das heißt die Fürsorge für Kinder, alte und

kranke Menschen, sind Frauen zuständig. In reicheren Haushalten wird sie an (oft schlecht bezahlte)

Pflegerinnen, Putzkräfte und Babysitterinnen ausgelagert (meist Frauen und oft Migrantinnen). Männer sollen

das Geld für die ganze Familie verdienen. Dass sie dadurch wenig Zeit für Kinder und Beziehungen haben,

müssen sie in Kauf nehmen.

Die traditionellen Geschlechterrollen haben auch materielle Folgen. Es sind meistens Frauen, die nur Teilzeit

arbeiten und den Großteil der Sorgearbeit in den Familien machen. Frauen haben dadurch zum Beispiel ein

höheres Armutsrisiko.

Gleichzeitig ist es heute aber auch selbstverständlich, dass Frauen arbeiten gehen und Kinder und Karriere

haben wollen. Viele Männer wollen ebenso ernsthafte und tiefe Beziehungen mit ihren Kindern aufbauen und

die Zeit dafür haben. Die Ansprüche und Wünsche haben sich also geändert. Das ist gut so, kann aber auch

überfordern: Am besten sollen Frauen, Männer und alle anderen alles schaffen: Karriere, Kinder, schön und fit

sein und die richtige „Work-Life-Balance“ hinkriegen. Hier den eigenen Weg zu gehen und eigene Prioritäten

setzen ist eine schwierige Aufgabe. Und trotzdem besser, als keine Wahl zu haben!

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Fallbeispiel: Alleinerziehende Mutter Silke Linnemann (42) und ihr Sohn Joan (3) genießen am Strand von Sellin

die ersten gemeinsamen Ferien. „Diese Urlaubswoche ist das, was ich mir an

Luxus gegönnt habe“, sagt Silke Linnemann. Die selbstständige Architektin

muss penibel rechnen: Vor eineinhalb Jahren hat sie sich von ihrem Mann

getrennt. Der war mit seinen Geschäften in Konkurs gegangen und damit

„psychisch nicht fertig geworden“. Nun versucht er in Dubai etwas Neues. Für

Mutter und Kind bleibt allerdings auch jetzt nichts übrig. Deshalb hat Silke

Linnemann zu Hause einen strikten Finanzplan aufgestellt und ein ebenso

knappes Budget für ihr Büro, das sie in ihrer Mietwohnung untergebracht hat.

Ohne die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern wäre sie nie „rumgekommen“,

sagt sie. „Ich fing ganz unten an“, „ich schaffe es nicht allein“, war die harte

Einsicht. Das war eine völlig neue Erfahrung. Urlaub, schicke Kleidung, Showtanz und Stepworkshops in Spanien – „auf

den Preis musste ich nicht so gucken“. Das ist jetzt vorbei. Aber die meisten finanziellen Einschränkungen tun ihr nicht

ernsthaft weh. Kinder hat sie sich gewünscht und ihr Sohn sei ein „Strahlekind“. Die Architektin ist Meisterin im

Organisieren und Planen - und muss es als alleinerziehende Mutter auch sein. Auf fünf Minuten genau hat sie zu Hause

ihren Tagesablauf eingeplant. Kleine Abweichungen sind nicht ausgeschlossen. Manchmal steht sie schon um vier Uhr

statt um fünf Uhr auf – etwa um zusätzliche Zeit für Entwürfe zu haben. Um bei allem Stress „nach außen immer sehr

professionell zu erscheinen“, sagt Linnemann, sei es wichtig sich mit der Situation abzufinden, sie anzunehmen.

Schließlich sei der Beruf für sie „existenziell wichtig“ und gebe ihr „auch Kraft“. Zum Glück hat sie neuerdings Hilfe im

Büro. Donnerstags und freitags kommt ein junger Bauzeichner. Das entlastet sie, frisst aber auch gleich wieder das Geld

auf, das sie seit einigen Monaten mehr verdient. Dass sie als Alleinerziehende ganz gut über die Runden kommt, verdankt

sie auch dem Leben in einer kleinen Stadt. Die Wege sind kurz, so spart sie Zeit. Auch die besten Freunde und Eltern sind

in der Nähe. Fünf- bis sechsmal im Jahr kommt Joans Vater und nimmt sich dann einen Tag für den Sohn, den er sich

auch gewünscht hatte. Der Junge scheint damit ganz gut zurecht zu kommen, wenn auch immer wieder Ängste in der

Seele des Jungen schlummern.

Aufträge: 1. Charakterisiert den Begriff „Alleinerziehende“! 2. Stellt die Herausforderungen einer allein-

erziehenden Mutter dar! 3. Arbeitet Lösungsmöglichkeiten für diese Herausforderungen aus dem Text heraus!

Fallbeispiel 3: Stieffamilie/Patchworkfamilie An der Klingel des gelben Klinkerbaus in Hamburg stehen drei Namen: Dudek,

Brandt und Kienitz. Doch es lebt nur eine Familie im Haus. Manfred und Ingrid

Dudek mit drei Söhnen und einer Tochter. Die Dudeks sind das, was man eine

Patchworkfamilie nennt. Eine Stieffamilie – aber das klingt nach bösen Müttern

und unglücklichen Kindern. Patchwork hingegen (englisch für Flickenarbeit)

erinnert an einen fröhlichen Flickenteppich, der zwar mühsame Kleinarbeit

kostet, aber, wenn er fertig ist, Geborgenheit gibt. Bei Patchworkfamilien ist das,

wenn sie funktionieren, nicht anders. Sie entstehen, wenn beide Partner aus

früheren Beziehungen Kinder mitbringen, und das kommt aufgrund der

wachsenden Scheidungsrate immer häufiger vor. Der Alltag in einem solchen

zusammengewürfelten Beziehungsgeflecht ist ungleich komplizierter als in einer traditionellen Familie. „Es herrscht eine

große Rollenunsicherheit“, sagt Professor Robert Hettlage, Familiensoziologe an der Universität Regensburg. Da gibt es

nicht nur biologische, sondern plötzlich auch „soziale“ Eltern. Wo dürfen sie entscheiden, wo nicht? Bei den Dudeks

herrscht auch nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. So ärgert sich Ingrid Dudek gerade über ihren Ex-Mann, weil er

ihr nichts von seinen Gesprächen mit den Lehrern ihrer Kinder erzählt. Der Stiefmutter fällt es auch schwer ihre Rolle zu

finden. „Eigentlich bin ich wie eine Zweitmutter, aber das will ich nicht sein, Freundin sein geht auch nicht.“ Und die

„gefühlsmäßige Distanz“ zu ihren Stiefsöhnen, sagt sie ernüchtert, „wird bleiben. Sie werden nie meine Kinder sein.“

Manuela Drieß, die mit ihrem neuen Mann und dessen Sohn zusammenlebt, schildert ein weiteres Problem: „Als

frischverliebtes Paar hat man am Anfang gewöhnlich Zeit, die Paarbeziehung auszukosten. Wenn man als Stieffamilie

zusammenfindet, bringt man gleich Kinder mit. Die Paarbeziehung leidet darunter. Die Gefahr ist, dass man sich in

Stieffamilien so sehr um die Kinder kümmert, dass man die Paarbeziehung vergisst“. Sie und ihr Mann kommen aber gut

zurecht, haben die Probleme mit den alten Beziehungen geklärt, was auch für die Kinder ein wichtiger Schritt für den

Neuanfang ist. Die Familienforscher Bien und Alt glauben, dass trotz aller Probleme die Reorganisation der Familie ein

sehr gesunder Prozess sein kann. Gemeinsame Kommunikation ist hier unerlässlich und fehlt oft in „traditionellen

Familien“. Alle lernen offen miteinander umzugehen und eigene Bedürfnisse auch mal hinten an zu stellen.

Aufträge: 1. Charakterisiert den Begriff „Patchworkfamilie! 2. Begründet, warum es heutzutage so viele

Patchworkfamilien gibt! 3. Arbeitet aus dem Text Chancen und Probleme einer Patchworkfamilie heraus!

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Art der

Lebensform

Kernfamilie: Alleinerziehende: Stieffamilie/

Patchworkfamilie:

Kinderloses Paar:

Begriff Vater, Mutter ein bis

zwei Kinder, Verwandten

wohnen meist weiter

weg. Seltener auch

Familienverband mit

Großeltern in der Nähe

Vater oder Mutter, bei

dem oder der das

Kind aufwächst.

Partner bringen Kinder

aus früheren Beziehun-

gen mit in die neue

Beziehung.

Hintergrund:

Hohe Scheidungsrate, geringe Partnerbindung

DINKs = double

incomenokids=Doppel

verdiener-haushalt

ohne Kinder

Hintergrund:

Oft gute und lange

Ausbildung beider

Partner.

Probleme &

Heraus-

forderungen

-Erstes Kind oder

Einzelkind muss mehr

erkämpfen

-Überbehütung

-Vernachlässigung

-fehlende Kindheit

-Genaue Planung

-Strikter Finanzplan

-finanzielle

Schwierigkeiten

(Schulden)

-Alleinige

Verantwortung

-Wenig Zeit für sich

selbst, Einschränkungen

Rollenunsicherheit:

Kinder akzeptieren den

neuen Partner nicht

-Stiefeltern haben unklare

Rolle (Elternteil oder

Freund?)

-Partnerbeziehung leidet

-Probleme aus der alten

Beziehung

-Schwere persönliche

Entscheidung

-Gesellschaftliche

Intoleranz

-Schwierige

Vereinbarkeit von

Familie und Beruf

Chancen &

Lösungsmög-

lichkeiten

-Enger Familienzu-

sammenhalt

-Bei erstem Kind oft

Kämpfe, das zweite Kind

hat es meist leichter

-Enges Verhältnis der

Kinder zu den Eltern

-Situation annehmen

-Hilfe in Anspruch

nehmen

-Kleinstadt besser als

Großstadt

-Großfamilie -> viele

Ansprechpartner

-Gelernte Offenheit

-Eigene Wünsche

zurückstellen

-Menschenkenntnis

-Viel Geld zur

Verfügung und hoher

Lebensstandard

- Freiheit, berufliche

Karriere

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14/A Bestattungskultur einst und heute Die Bestattungsrituale

waren in unserem Land

über Jahrhunderte fast

unverändert. In den

letzten 30 Jahren ist hier

aber eine deutliche Ent-

wicklung bemerkbar.

Bestattungen werden

immer individueller und

mit neuen Ritualen durchgeführt. Durch die Globalisierung sterben auch Menschen unterschiedlicher Herkunft und

Religion in Österreich. Das führt zu weiteren unterschiedlichen Formen und Bräuchen (vgl. Muslime).

Welche Bestattungsart durchgeführt wird, hängt oft davon ab, welche Verfügung der Verstorbene zu Lebzeiten getroffen

hat. Fehlt eine solche, obliegt die Entscheidung demjenigen, der die Bestattung veranlasst, meist sind dies die

Angehörigen. Erd- und Feuerbestattungen sind in Österreich die vorherrschenden

Bestattungsformen, wobei die Feuerbestattungen in den letzten Jahren stark

zugenommen haben. So individuell wie die Trauer selbst ist oft auch der Wunsch

nach einer Trauerfeier im allerengsten Familienkreis, die es den Angehörigen

ermöglicht, in feierlichem, stilvollem Rahmen von einem lieben Verstorbenen

Abschied zu nehmen.

Christliche Sicht des Todes aus heutiger Perspektive Die Begegnung mit dem Tod lässt keinen Menschen ungerührt. Beim Verlust eines

nahe stehenden Menschen brechen Fragen auf, die im Alltag oft verdrängt werden. Man spürt deutlich: das irdische Leben

ist endlich, es hat eine Grenze. Viele fragen sich, was bedeutet diese Grenze? Ist sie Abbruch, endgültiger Untergang,

Zerstörung? Oder ist sie als Durchgang, Verwandlung, Neubeginn zu verstehen?

Die Religionen versuchen darauf verschiedene Antworten zu geben. Schon seit Anbeginn der Menschheit lassen sich

diese Antworten aus den Totenbräuchen und –ritualen ablesen. Der christliche Glaube stellt als große Hoffnung eine neue

Erfahrung und ein neues Bild in die Mitte: die Auferstehung des Menschen mit Leib und Seele. Tiefster Grund für

diese Hoffnung ist die Auferstehung Jesu Christi. Er ist den

Weg des Menschen gegangen bis zum Tod. Gott aber, der

Schöpfer und Herr des Lebens, hat Jesus von den Toten

auferweckt. Jesu Auferstehung bedeutet nach den Berichten der

Evangelien keine Rückkehr in das vorige irdische Leben, also

keine irdische Wiedergeburt. Sie ist vielmehr Verwandlung und

neues ewiges Angenommen- und Geliebtsein von Gott. Weil

Jesus lebt, werden auch wir leben. Christlicher Glaube verdrängt

den Tod nicht, er verharmlost ihn auch nicht. Der Tod bedeutet

Schmerz, Trennung, Abschied. Doch im Glauben an den

auferstandenen Herrn trauern wir Christen nicht wie die anderen,

die keine Hoffnung haben. Diese Hoffnung soll beim Begräbnis

zum Ausdruck kommen.

Aktuelle Trends Einäscherung wird häufiger, Beerdigung seltener

Die Gründe dafür sind vielfältig: Wirtschaftliche Gründe, die

Frage nach der aufwändigen Grabpflege oder die Sorge, dass

niemand da ist, das Grab zu pflegen. Es kann auch die verlorene Fähigkeit darin zum Ausdruck kommen, sich

anzuvertrauen: den Hinterbliebenen das eigene Grab anzuvertrauen oder der Vergänglichkeit den eigenen Körper zu

überlassen. Da ist es noch eine scheinbare Selbstbestimmung, wenn man bestimmt: „ich lasse mich verbrennen2. Was

dabei ein Stück weit verloren gehen kann, wenn die Urne anonym oder in einer Nische bestattet wird, ist der Weg zu

einem Ort, der dann auch Ort des Gedächtnisses und der Trauerbewältigung ist. Gräber können ja auch wichtige Orte der

dankbaren Erinnerung, der liebevollen Rückschau und Verbundenheit sein, an denen auch Trauer verarbeitet werden

kann. Und ein Stück weit verloren geht das Grundsymbol: ich kehre in den Schoß der Erde zurück in der Hoffnung auf

eine neue Geburt. Verloren geht auch die Parallele zur Grablegung Jesu und zum leeren Grab Jesu am Tag der

Auferstehung.

Abschied im kleinsten Kreis – Begräbnis in aller Stille

Dieser Trend ist stärker im städtischen Bereich und gibt natürlich wieder, was schon im Leben begonnen hat: die

Auflösung der Beziehungen. Aber das „Begräbnis in Stille“ verstärkt auch noch, was ohnehin nicht menschenfreundlich

ist: die „Atomisierung“ der Gesellschaft. Jeder ein Stück Einsamkeit. Dabei könnte der Tod auch Menschen

zusammenführen – was er in der Geschichte ja immer auch getan hat. Gemeinsam zu trauern, sich zu erinnern kann auch

Trost und Kraft geben.

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Loslassen - Abschied nehmen – Trauern - zurück ins Leben finden

„Den Verstorbenen noch einmal sehen“, „sich verabschieden können“ – es kommt langsam wieder ins Bewusstsein der

Menschen, wie wichtig diese Dinge sind. Und was vor einigen Jahren noch häufig gemieden wurde, bekommt wieder

einen Platz im Leben. Immer mehr Menschen wird es wichtig, sich von den Verstorbenen persönlich zu verabschieden,

den/die Verstorbene/n noch einmal zu sehen.

Begräbnisse ... sind ein wichtiger Teil des gemeinsamen Lebens. Hier begleiten wir – Schritt für Schritt – den toten Leib

bis hin zur Erde. Hier beginnen wir, den Verlust in unser eigenes Leben einzuordnen. Mit dem Fallen der Erde auf den

Sarg beginnen wir auch, die Wirklichkeit des Todes zu realisieren. Das ist dann eine Basis, auch selber wieder ins reale

Leben zurückzukehren. Ohne Begräbnisse und ohne diese Zeichen fehlt den Zurückbleibenden sehr oft Wichtiges. Auch

Kinder brauchen ihre Möglichkeit des Abschiednehmens. Begräbnisse mitfeiern, das sollte wieder Teil unseres Lebens

werden. Manches über unser eigenes Menschsein und über unser Leben werden wir nicht lernen, wenn wir das Vergehen

der Jahre, das Vergehen von Jugend und Kraft nicht wahrnehmen und annehmen.

Bestattungsformen in unserer Zeit Erdbestattung:

Die Friedhöfe und Hallen befinden sich im Besitz der Gemeinden oder

Religionsgemeinschaften, meist der katholischen Kirche. Das Ritual des „zu Grabe

Tragens“ hat eine lange Tradition. Karl der Große verbot im Jahr 785 die

Feuerbestattung und ab dem 9. Jahrhundert war die Erdbestattung in Europa die

einzige Bestattungsart. Bei einer Erdbestattung wird üblicherweise der Sarg am

Vortag des Begräbnisses aufgebahrt, damit Verwandte, Freunde und Bekannte die

Möglichkeit haben sich persönlich zu verabschieden. Nach der feierlichen Trauerfeier wird der Verstorbene im Kondukt

zum Grab geleitet. Mit dem Versenken des Sarges in das Grab endet die Trauerfeier. Feuerbestattung

Funde in Kärnten belegen, dass bis in die Römerzeit Brandbestattungen durchgeführt wurden. Die

Einäscherung in unseren Breiten war bis etwa 800 n. Chr. sogar vorherrschend. Funde von

Aschenurnen beweisen, dass die Germanen ihre Toten in feierlicher Form verbrannten. Auch von den

Griechen wissen wir, dass sie ihre Toten dem Feuer anvertrauten. Julius Cäsar, Brutus, Augustus,

Tiberius und Marc Aurel wurden dem Feuer übergeben. Auch König Saul und seine Söhne wurden

verbrannt. Im Jahr 785 n. Chr. wurde die Feuerbestattung durch Karl den Großen bei Todesstrafe

verboten, denn im Christentum wurde die Feuerbestattung jahrhundertelang abgelehnt. Der Grund ist

höchstwahrscheinlich in einem engen, wörtlichen Verständnis der Auferstehung der Toten zu suchen. Wenn der Körper

des Verstorbenen bei der Auferstehung von Gott wieder zum Leben erweckt würde, bedeute dies, so die vertretene

Meinung, eine Missachtung Gottes, den Körper durch Feuer zu zerstören. Demgegenüber orientiert sich die christliche

Erdbestattung an der Grablegung Jesu Christi. Erst im 19. Jahrhundert erwachte die Feuerbestattung als Alternative zur

Erdbestattung zu „neuem Leben“. Seit 1964 ist die Feuerbestattung auch für Katholiken möglich. Das Land Kärnten

verfügt über ein Krematorium, welches sich in Villach befindet. Dort werden jährlich etwa 2.200 Verstorbene verbrannt.

Tendenz steigend. Wo im ländlichen Lebensraum nach wie vor in der Hauptsache Erdbestattungen gewünscht werden,

fällt die Wahl der, speziell in städtischen Ballungsräumen, bereits mit bis zu 50% und darüber, auf die Feuerbestattung.

Für Urnen gibt es mehrere Möglichkeiten der Bestattung:

Baumbestattungen: Die Asche von Verstorbenen wird in einer biologisch abbaubaren

Urne an den Wurzeln eines Baumes beigesetzt. Zur Auswahl stehen sieben Arten von

Laubbäumen und eine Föhrenart. Es können sich mehrere Familien auch für einen

Gemeinschaftsbaum entscheiden.

Aschenstreuwiesen:

Auf einem eigens dafür vorgesehenen Wiesenstück wird die Asche von

Verstorbenen unter die Grasnarbe eingestreut, je nach Wunsch anonym oder

mit einer Gedenktafel.

Urnenerdgräber und Urnennischen:

Man kann Urnen auch in Urnenerdgräbern oder speziell gestalteten

Urnennischen bestatten. Es ist nun auch möglich, die Urne zuhause an

einem würdigen Platz zu verwahren. Dies wird dann von der jeweiligen Gemeinde kontrolliert.

Friedensforst

Ein Friedensforst ist eine alternative Bestattungsform, auch als Waldbestattung oder Baumbestattung bekannt. Die Asche

Verstorbener wird nach der Kremation in einer biologisch abbaubaren Urne an den Wurzeln eines Baumes beigesetzt, der

in einem als Friedensforst ausgewiesenen Wald steht. Der erste Friedensforst Kärntens (Klagenfurt/Sattnitz) ist ein

naturbelassenes und idyllisches Waldareal, dessen Fortbestand durch ein auf 90 Jahre angelegtes waldschonendes

Baumbestattungskonzept gesichert ist. Die Grabpflege wird von der Natur übernommen. Diese Form der Bestattung

spricht besonders Menschen an, die sich bereits zu Lebzeiten der Natur besonders nahe fühlen und ihre letzte Ruhe

inmitten des tiefen Friedens eines Waldes finden möchten. Die Hinterbliebenen sind eingeladen, die Ruhestätten jederzeit

zu besuchen und der geliebten Menschen zu gedenken, ohne sich um eine Grabpflege sorgen zu müssen. Sie finden Trost

in den jahreszeitlich wechselnden Zeichen der Natur – in der Gleichzeitigkeit von Vergehen und Neubeginn.

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Seebestattung

Die Urne wird an Bord des Schiffes gebracht und im Salon oder im Deckshaus aufgebahrt.

Nachdem die Angehörigen an Bord gegangen sind, legt das Schiff mit auf Halbmast gesetzter

Flagge ab und nimmt Kurs auf die Beisetzungsposition. Am Zielort stoppt das Schiff und die

Angehörigen versammeln sich an Deck.

Der Kapitän oder auf Wunsch auch ein Mitglied der Trauergemeinde bringt die Urne an Deck.

Wenn gewünscht, kann ein Angehöriger eine Ansprache halten und/oder ein Musikstück von einer

mitgebrachten CD abgespielt werden. Danach wird die Urne ins Meer oder eine bestimmte Stelle

etwa an der Donau gesenkt. Dabei spricht der Kapitän die Abschiedsworte.

Alternative Formen

Daneben gibt es auch die Möglichkeit, aus der Asche unter hohem Druck einen Diamanten zu fertigen oder die Asche in

das All zu befördern.

Was ist zu tun nach einem Sterbefall? Wenn jemand aus der Familie außerhalb eines Krankenhauses verstorben ist, wendet man sich, nachdem der

Notarzt oder ein zuständiger Arzt den Tod festgestellt hat, zuerst an ein Bestattungsinstitut. Dieses regelt

gemeinsam mit der Familie die Einzelheiten des Begräbnisses. Stirbt ein Angehöriger, so ist es ein schönes

Zeichen der Verbundenheit über den Tod hinaus, für den Verstorbenen zu beten und eine Kerze zu entzünden.

In früheren Zeiten gab es den Brauch, das Fenster zu öffnen, um symbolisch den Ausgang für die Seele zu

ermöglichen. Es wurden auch die Uhr in Haus und Wohnung angehalten, um damit anzuzeigen, dass der Tote

nun von der Zeit in die Ewigkeit, zum Ziel seines Lebens bei Gott geht.

Kontakt mit dem Pfarrer

Die Angehörigen nehmen bei einem Todesfall möglichst rasch mit dem Pfarrer der Wohnpfarre Kontakt auf

und vereinbaren den Zeitpunkt für das Totenwachgebet und das Begräbnis. Mit dem Pfarrer werden auch

weitere Einzelheiten für die Gestaltung der Abschiedsfeier besprochen. Es muss entschieden werden, ob eine

Verabschiedung mit Verbrennung und späterer Urnenbeisetzung stattfinden soll oder ein Begräbnis mit

Grablegung. Es stellt sich auch die Frage nach musikalischer Umrahmung der Feier, der Mitgestaltung durch

Grabredner oder nach sehr persönlichen Gestaltungselementen. Ein kurzer Lebenslauf ist dabei oft sehr

hilfreich. Es ist bei der Feierplanung immer auch auf den Wunsch und die Persönlichkeit des Verstorbenen

Rücksicht zu nehmen. Der Pfarrgemeinde ist es ein tiefes Bedürfnis, den Hinterbliebenen in diesen

schmerzlichen Stunden zur Seite zu stehen. Im Gebet und im Nahesein soll dabei von der christlichen Hoffnung

auf die Auferstehung der Verstorbenen Zeugnis gegeben und der trauernden Familie dadurch Hoffnung und

Trost vermittelt werden.

Bestattung hilft bei vielen Vorbereitungen

Im Bestattungsinstitut werden dann die wichtigsten Schritte bis zur Beerdigung besprochen. Dazu gehören:

- Meldung des Sterbefalles am Standesamt (Gemeinde)

- Grabstätte auswählen

- Terminabklärung für Totenwachgebet, Aufbahrung, Begräbnis (in Absprache mit dem Pfarrer)

- Layout und Gestaltung der Parte-Zettel

- Gestaltung der Feier (auch in Absprache mit dem Pfarrer); Chor, Musik, Redner,

- Auswahl des Sarges/ der Urne

- Individuelle Wünsche

Weiters sind von der Familie folgende Fragen zu klären:

- Blumenschmuck für Aufbahrung, Begräbnis (Kirche), Sarg, Grab

- Zustellen der Parten und Einladungen zu Totenwache und Begräbnis

- Bestellen des Totenmahles und Einladungen dazu

- Meldung des Sterbefalles an Versicherungen, Arbeitgeber (Pensionsversicherung), Bank, … .

Totenwachgebet

Es ist bei uns Brauch, dass am Vorabend des Begräbnisses oder der Verabschiedung ein Totenwachgebet

stattfindet. Ort dafür kann die Kirche oder die Aufbahrungshalle sein. In der Familie kann überdies jeden

Abend bis zum Begräbnis eine Gebetsstunde gehalten werden. Diese ist ein schönes Zeichen der Liebe, die über

den Tod hinaus besteht und ein wichtiger Teil des Trauerprozesses. Dabei können ein Bild des oder der

Verstorbenen sowie eine Kerzen aufgestellt werden. In früheren Zeiten wurde bei den Verstorbenen bis zum

Begräbnis ständig Wache gehalten und gebetet. Eine brennende Kerze ist auch zuhause Zeichen der

Verbundenheit mit dem Verstorbenen und christlicher Auferstehungshoffnung.

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Zügenläuten

Sobald der Tod eines oder einer Pfarrangehörigen im Pfarrhof gemeldet wird, läutet die sogenannte

"Zügenglocke". Sie verkündet der Pfarrgemeinde den Tod eines Bewohners oder einer Bewohnerin ("jemand

liegt in den letzten Zügen") und will dem oder der Verstorbenen Geleit auf dem letzten Weg zu Gott sein. Sie

lädt aber auch alle zum Gebet ein. Ein kurzes Innehalten, ein Vaterunser oder eine Bitte um ewige Ruhe sind

dabei schöne Zeichen gläubiger Verbundenheit.

Ausläuten

Meist erklingen am Vortag des Begräbnisses oder der Verabschiedung alle Glocken ca. eine halbe

Stunde zum "Ausläuten". Dies gilt als Zeichen der Ehrerbietung vor dem oder der Verstorbenen

und will, wie schon das Zügenläuten, Weggeleit in die himmlische Heimat sein.

Begräbnis

Je nach örtlichem Brauch findet in der Regel 3 Tage nach dem Eintritt des Todes das Begräbnis statt (vgl.

Auferstehung Jesu am 3. Tag). Wenn Kirche und Friedhof an einem Ort sind, beginnt die Feier mit einer Hl.

Messe für den Verstorbenen. Diese wird auch „Requiem“ genannt (abgeleitet vom lateinischen Eingangsvers

der Totenmesse: requiem aeternam da ei, Domine, et lux perpetua luceat ei = Herr gib ihm/ ihr die ewige Ruhe

und das ewige Licht leuchte ihm/ihr). Danach folgen der Gang zum Grab und die Grablegung oder die

Verabschiedung (bei Verbrennungen). Wo der Friedhof räumlich von der Kirche getrennt ist, wird das Requiem

meist unmittelbar an das Begräbnis angeschlossen. Beerdigung in einem Sarg als auch Verbrennung mit

Urnenbeisetzung sind nach heutigem christlichem Verständnis gleichwertige Formen der Bestattung.

Kranzablösen

Immer mehr Familien bitten auf den Parten anstelle von Kranz- und Blumenspenden um eine finanzielle

Zuwendung für die Pfarrkirche, für soziale Zwecke in der Pfarre oder für gemeinnützige Organisationen.

Totenmahl als Abschluss

Das vielerorts übliche Totenmahl beendet oft die Begräbnisfeier. Es ist ein wichtiger Teil der

Trauerbewältigung. Nach dem sehr emotionalen Abschied am Grabe kann man im Gespräch und

Beisammensein Trauer verarbeiten, über den Verstorbenen Erinnerungen austauschen und emotional Abstand

gewinnen. Gerade in dieser schweren Situation ist es gut, Gemeinschaft zu erleben und dadurch die Gedanken

etwas abzulenken. Es tut gut, wenn man sich in vertrautem Kreise auch Schmerz und Trauer von der Seele

reden kann.

Messen für Verstorbene

Es ist in vielen Pfarren eine schöne Tradition, für die Verstorbenen eine Woche nach dem Begräbnis und zu

Jahrestagen Hl. Messen zu feiern.

Grabsymbole am Friedhof und Friedpark und Friedhof in Wolfsberg Grabkreuz: das Kreuz Jesu ist Symbol unserer Erlösung. Durch den Tod und die

Auferstehung Jesu, sind auch wir erlöst und werden nach unserem Tod auferstehen.

Es ist das häufigste Grabsymbol, das sich auch auf vielen Grabsteinen findet. Jesus

hat uns Menschen durch seinen Tod am Kreuz erlöst und uns damit ein Leben über

den Tod hinaus eröffnet. Im Leiden und Sterben Jesu spiegelt sich auch unser

Leiden und Sterben wider.

X = griechische Buchstabe CHI + P = griechische Buchstabe RHO:

Anfangsbuchstaben des Namens „CHRISTUS“, Symbol für Christus und die

Hoffnung, dass das Leben nach dem Tode nicht zu Ende ist. Manchmal werden die

Buchstaben auch falsch als PAX (= Friede) gedeutet, im Wunsch für den Toten

„Ruhe in Frieden“.

Sonnenaufgang:

-Zeichen für den Ostermorgen, an dem Jesus von den Toten auferstanden ist.

-Der tägliche Sonnenaufgang kann auch ein Symbol für den neuen Tag (=neues

Leben) sein.

-Die im Osten aufgehende Sonne kann auch ein Hinweis auf Christus sein

(„Christus = Sonne der Gerechtigkeit).

Sonnenuntergang mit Wellen:

-Sonne geht täglich unter, aber auch wieder am nächsten Morgen auf (Hoffnung auf

ein neues Leben nach dem Tod).

-Symbol für abendliche Ruhe und Frieden und Ende des Tages (=Ende des

Lebens). Die wellen symbolisieren mit dem unendlich weiten Meer Unendlichkeit.

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Getreideähren erinnern an das Wort Jesu: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt,

bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). So wie ein Weizenkorn in

der Erde stirbt, in sich aber neues Leben trägt, das aus dem toten Korn entsteht, wird der tote Mensch

durch Gott zu neuem Leben auferstehen. Dieses Symbol wird besonders gerne bei Landwirten

verwendet, denen das Geheimnis von Säen und Ernte in ihrer Arbeit sehr vertraut ist.

Anker: Uraltes christliches Symbol der Hoffnung und Zuversicht (Anker gibt Halt). Hoffnung gehört mit

Glaube (Symbol: Kelch) und Liebe (Symbol: Herz) zu den drei göttlichen Tugenden und damit zu jenen

Eigenschaften, die für Christen besonders wichtig sind.

Symbole der Arbeit des/der Verstorbenen: Bei neueren Grabsteinen finden sich auch öfters sehr

persönliche Bilder und Symbole (Arbeit, Hobbys, Leidenschaften, Vorlieben, …). Früher stand am

Grabstein oft der Beruf oder der Titel des/der Verstorbenen. Die nach unten weisenden Hämmern deuten

an, dass der verstorbenen ein Bergmann war.

Noten mit Liedtexten oder Sinnsprüche: Die Texte haben meist eine tiefere

Bedeutung, die offensichtlich ist; oder es sind Zeilen, die dem/der

Verstorbenen persönlich wichtig waren. Äskulapstab: Zeichen für den Beruf

des Verstorbenen (er war Arzt); Gipfel: Ort des Todes (er starb beim

Bergsteigen); Gipfelkreuz: Zeichen christlicher Hoffnung, da der Verstorbene

gläubiger Christ war; Menschenkette: der Verstorbene war gern unter

Menschen, bei vielen Vereinen; Noten: der Verstorbene war Chorleiter und

begeisterter Sänger; Rad: Symbol für eines der vielen Hobbies des

Verunglückten; Liedtext: eines der sehr beliebten Gedenklieder von Andreas

Gabalier (er schrieb es anlässlich des tragischen Todes seines Vaters und

seiner Schwester)

Blumen: Zeichen der Liebe, Verbundenheit und Dankbarkeit; am Urnenfriedhof ist eine Blüte für die

„Blume des Lebens“ –Die Blume des Lebens ist ein Ornament auf einem sechseckigen Ausschnitt eines

Dreiecksgitters. An jedem Gitterpunkt schneiden sich Kreise bzw. Kreisbögen um die sechs benachbarten

Gitterpunkte, sodass benachbarte Gitterpunkte durch Linsen verbunden sind, neunzig an der Zahl. An jedem

inneren Gitterpunkt berühren sich sechs Linsen wie Blütenblätter, was der modernen Esoterik (New Age)

die Bezeichnung Blume des Lebens nahelegte. Darauf, dass das Ornament schon früher so genannt worden wäre, gibt es

keinen Hinweis. Das Symbol selbst findet sich in unterschiedlichen Kulturen, erstmals schon im 7. Jhd. V. Chr.

Besonders Rosen finden sich immer wieder auf Grabsteinen. Sie sind Symbole der Liebe und Dankbarkeit. Ihre Dornen

verweisen aber auch auf den Trennungsschmerz.

Das Anch, auch Anch-Symbol, Anch-Kreuzist ein altägyptisches Symbol, das für das Weiterleben im

Jenseits steht. Als Hieroglyphe steht das Zeichen für das körperliche Leben. Das Symbol selbst besteht aus

einem T mit einem aufgesetzten halben Unendlichsymbol. Es gibt alte ägyptische Darstellungen, in denen

ein Gott das Zeichen Anch dem Pharao als Zeichen des Lebens überreicht. Dabei ist das Zeichen manchmal

in der Nähe der Nase zu finden, um eine Verbindung zwischen Leben und Atem darzustellen. In der

populären Kultur kommt es häufig als Symbol für Unsterblichkeit oder Lebenskraft vor. Es schmückt in

Wolfsberg das Ehrengrab der Stadtgemeinde.

Schmetterling: Wie der Schmetterling aus der scheinbar toten Puppe zu neuem wundervollen

Leben aufbricht, werden die Verstorbenen zu wunderbarem neuen Leben erweckt. Der

Schmetterl ing ist so Symbol der Verwandlung vom Tod zum Leben.

Liegende 8: Unendlichkeitssymbol für die Aschenstreuwiesen im Friedpark Wolfsberg.

Die Kreise symbolisieren die Hoffnung auf das ewige Leben (Unendlichkeit) und sie

sind auch ein Zeichen für den ewigen, unendlichen Gott, der uns im Tode zu neuem

Leben führt. Die Bestattung in den Streuwiesen kann mit kleinem Grabstein (linker

Kreis) oder anonym (rechter Kreis) sein.

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14/B Bestattungsformen in den Weltreligionen 1. Historischer Rückblick Die ersten nachweisbaren vermutlich bewusst vorgenommenen

Bestattungen stammen aus Höhlen in Israel und sind 90.000 bis 120.

000 Jahre alt. Gelegentliche Bestattungen werden auch für den

Neandertaler ab ca. 70.000 vor unserer Zeitrechnung angenommen.

Zu den ersten Formen der Bestattung zählen die sogenannten

Hockergräber, bei denen der Leichnam mit angewinkelten Armen und

Beinen in Hockerstellung niedergelegt wurde. Es gibt mehrere

Erklärungsversuche für diese Bestattungsform:

• Arbeitsersparnis,

• Nachahmung der Schlafstellung

• „Fesselung“ aus Furcht vor einer Wiederkehr des Toten.

In der Frühzeit der Menschheit wurden die Toten auch mit Ockerfarbe bestreut, vielleicht als Blutersatz für ein

Leben nach dem Tod. Überdies sind Tongefäße als Grabbeigaben gefunden worden, die den Toten

möglicherweise mit Speisen als Nahrung mitgegeben wurden. Alle diese Riten deuten auf den Glauben an ein

Weiterleben nach dem Tode hin

Besondere Verfahren entwickelten sich später im alten Ägypten, wobei sich die

Bestattungsriten im abhängig von der vorherrschenden Dynastie änderten. So wurden

anfangs die Toten nur in flachen Erdgruben mit wenigen Beigaben bestattet. Später

entwickelte sich die Bestattung in Särgen und es wurden spezielle Grabbeigaben

gefertigt. Es wurden anfangs in Ägypten für höher gestellte Personen Totenhäuser

errichtet, die dann für Pharaonen zu den aufwendigen Pyramiden weiterentwickelt

wurden. Es gab zahlreiche Grabbeigaben, die für ein Weiterleben im Jenseits wichtig

waren, wie auch die kunstvolle Einbalsamierung des Leichnams. Die Vorstellung von der Reise ins Jenseits

bestimmte den Aufwand für die Toten, also für die Ahnen.

Im antiken Griechenland war es Brauch, dem Toten zwei Münzen auf die Augen

zu legen. Sie sollten Charon, dem Fährmann ins Jenseits, als Bezahlung dienen,

damit dieser die Seele des Verstorbenen sicher über den „Fluss des Vergessens“

(=Styx) ins Reich der Toten (=Hades) überführe. Die Leiche wurde anschließend

verbrannt.

Im römischen Reich gab es sowohl Brand- als auch Körperbestattung, wobei die

Brandbestattung in der Kaiserzeit vorherrschend war. Die Bestattungsorte waren

sehr unterschiedlich. Außerhalb von städtischen Siedlungen gab es sogenannte

Gräberstraßen, die jedoch der Elite vorbehalten waren. Andere Bestattungen

waren meist auf Bestattungsplätzen außerhalb von Siedlungen untergebracht. Die

Katakomben Roms waren unterirdische Bestattungsorte, in denen die Toten in

Nischen ruhten. In römischen Gräbern fand man Ess- und Trinkgeschirr,

Werkzeuge, Kleidungsreste. Seltener befanden sich dabei auch Münzen, Lampen,

Öle und Salben sowie sogenannte Totenstatuen. Typische Beigaben für Frauen konnten auch Schmuck,

Schmuckkästchen, Spiegel oder Kämme sein. Bei männlichen Bestattungen wurden teils Waffen gefunden, da

diese jedoch unter römischer Herrschaft als Staatseigentum galten, ist dies sehr selten.

Die Germanen verbrannten ihre Toten ohne besonders ausgeprägte Rituale.

Das Christentum lehnte die Leichenverbrennung zunächst zugunsten der Erdbestattung ab, da auch Jesus nach

seiner Kreuzigung in einem Felsengrab beigesetzt worden war. Die Totenklage wurde unter dem Eindruck des

Glaubens an die Auferweckung der Toten durch Psalmengesang, Bibellesung und Gebet ersetzt. Die Sorge für

Sterbende und Tote wurde zur Liebespflicht der Angehörigen und der ganzen christlichen Gemeinde.

Bis zur ersten Welle der Friedhofsverlegungen im Verlauf des 16. Jahrhunderts fanden Bestattungen

größtenteils auf Kirchhöfen statt, die die Kirchen umgaben, vereinzelt in privilegierten Grabstätten direkt in der

Kirche. Die Bestattung in größtmöglicher Nähe zum Altar galt als erstrebenswert. Durch Platzmangel in den

Städten wurden die Friedhöfe in der Neuzeit, besonders auch im 19. Jahrhundert oft an die Stadtrandgebiete

verlegt. Ein Beispiel dafür ist der Wiener Zentralfriedhof, der mit einer Fläche von 2,5 km2 und 330.000

Grabstellen zu den größten Bestattungsanlagen in Europa zählt.

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2. Jüdische Bestattung Da der Tote nach jüdischem Glauben im Grab bis zur leiblichen

Auferstehung am jüngsten Tage ruht, ist Erdbestattung

vorgeschrieben. Diese muss so schnell wie möglich nach dem

Tode erfolgen, da die Seele erst dann in die ewige Ruhe aufsteigen

kann. Mit dem Tod sind alle Juden wieder gleich, die Kleider sind

deshalb für alle weiß und der Sarg ist außerhalb Israels eine

einfache Holzkiste. Um die Gleichheit aller im Tod deutlich zu

machen, darf der Sarg auch nicht mit Silber oder sonstigem

Schmuck verziert werden. In der heiligen Erde Israels werden die

Toten nur im Leinengewand beigesetzt, außerhalb Israels wird

symbolisch eine kleine Menge der heiligen israelischen Erde oder

ein Stein aus Israel in den Sarg mitgegeben. Musik und Blumen fehlen bei Beerdigung gänzlich. Gewaschen

und bekleidet wird der Tote durch eine Bruderschaft. Beim Begräbnis werden Psalmen zitiert und im meist

gesungenen Kaddisch-Gebet die Herrlichkeit Gottes gepriesen. Die Trauergäste werfen Erde auf den Sarg,

Männer stehen am Grab, dahinter die Frauen. Männer tragen als Kopfbedeckung eine Kippa. Die Trauernden

werden in der sozialen Gemeinschaft getragen und getröstet. Es erfolgen gemeinsame Essen und es wird Trost

gespendet. Für die Einhaltung der Vorschriften gibt es weltweit gesonderte jüdische Friedhöfe, auf vielen

nichtjüdischen Friedhöfen gibt es gesonderte jüdische Grabfelder, um die ewige Ruhe zu ermöglichen. Das

Grab bleibt für immer Besitz des Toten. Eine Umbettung der Toten oder Auflösung jüdischer Friedhöfe ist

daher unmöglich. Die Hinterbliebenen sollen nach der Beerdigung eine siebentägige Trauerwoche praktizieren.

Grabschmuck ist nicht üblich. Alles was Geburt und Tod beinhaltet gehört eigentlich nicht zur menschlichen

Sphäre, sondern ist Gott vorbehalten, der Herr über Leben und Tod ist. Wo der Mensch diese Ereignisse berührt

wird er sozusagen „unrein“ und kann erst durch Rituale gereinigt wieder in den Alltag zurückkehren. Daher

gibt es im Judentum kaum Friedhofbesuche.

3. Islamische Bestattung. Im Islam gibt es genaue Regeln für die Begleitung beim

Sterben. Die Gebete, die rituelle Waschung des Leichnams

und die Beerdigung sind im Ablauf festgeschrieben. Der oder

die Sterbende soll in ruhiger, respektvoller Weise an das

Glaubensbekenntnis erinnert werden: „Es gibt keinen Gott

außer Allah, Mohammed ist sein Prophet“, wird dem/der

Toten ins Ohr geflüstert. Der Leichnam einer Frau soll von

Frauen, der eines Mannes von Männern gewaschen werden.

Anschließend wird er in Leinentücher gewickelt. In diesen Tüchern, also ohne Sarg, soll er ins Grab gelegt

werden. Rechtsseitig oder auf dem Rücken liegend geht die Blickrichtung des/der Toten genau nach Mekka.

Die Bestattung soll unverzüglich, möglichst noch am Sterbetag, erfolgen. Die Achtung vor dem Toten erfordert

die Bestattung vor allen anderen Geschäften. Am Grab soll jede Geschäftigkeit unterbleiben, die Totenruhe

sowie die Vermeidung von Personenkult haben Vorrang. Nahezu jede Form des Grabschmucks und der

Grabpflege haben zu unterbleiben. Für gläubige Muslime ist die Erdbestattung die einzig mögliche

Bestattungsform. Die Feuerbestattung ist im Islam nicht zugelassen. Viele muslimische Bestattungsriten

erklären sich aus Zeit der Verkündung des Koran, als die arabischen Völker als Hirten und Nomaden in

Steppen- und Wüstengebieten lebten.

Islamische Regeln für das Begräbnis:

▪ Die Bestattung sollte am Todestag stattfinden können;

▪ Der Friedhof benötigt einen Raum für die rituelle Waschung;

▪ Das Gräberfeld muss ermöglichen, dass der Tote mit dem Gesicht nach

Mekka weist. Der Winkel ist dabei auf den Bruchteil des Grades, also auf

Minuten genau, einzuhalten;

▪ Die Grabstätte muss sich in „jungfräulicher“ Erde befinden, in der noch

keine andere Bestattung stattgefunden hat. Es wird ohne Sarg nur im leinenen Leichentuch bestattet;

▪ Es ist ein „ewiges Ruherecht“ vorzusehen;

▪ Grabschmuck oder Grabpflege sind nicht üblich.

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3. Bestattung im Hinduismus So wie dieser Begriff für eine Reihe unterschiedlicher

religiöser Vorstellungen und Rituale steht sind die

Bestattungsregeln nach Tradition, Familie und Kaste

unterschiedlich. Der Tod ist die Wiedereinkehr in den

Kreislauf der Wiedergeburt. Der Sterbende soll nicht allein

gelassen sein, durch ein Mantra soll seine Seele möglichst

rein gehalten werden. Der Körper des Toten wird gewaschen

und es wird ein Totengebet gesprochen. Die Leichen der

Verstorbenen werden öffentlich verbrannt, Hindus werden

also immer eingeäschert (kremiert). Am Todestag findet die

Verbrennung auf dem Scheiterhaufen statt. Kinder unter fünf Jahren, Sadhus (Bettelmönche) und Leprakranke

werden möglichst in den Ganges gesenkt, da sie nicht verbrannt werden. Die Verbrennungszeremonie ist

öffentlich. Als Sinnbild für die fünf Elemente umrunden die Angehörigen den Platz fünf Mal im Uhrzeigersinn.

Wenn möglich entzündet der erstgeborene Sohn das Feuer, das aus einem Tempel herbeigebracht wird, da es

heilig sein soll. Rituell lösen sich nun der Geist und das Atman.

Bis 1829 verbrannten sich die Frauen mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen. Seitdem ist dieses Ritual

jedoch verboten. Der Brauch, die Asche der Natur zu übergeben, ist sehr alt und ungebrochen. Nach drei Tagen

wird die Asche des Verstorbenen in den Ganges bzw. in heiliges Wasser eines Flusses oder Meeres gestreut.

Erde zählt zu den Elementen, insofern kann die Asche auch in der Erde beigesetzt werden. Hier gibt es

Parallelen zum Buddhismus. Hindus außerhalb Indiens werden oft nach Indien überführt, um sich

traditionsgerecht bestatten zu lassen. Vielfach ist es Aufgabe des Sohnes, die Verbrennung der verstorbenen

Eltern zu leiten. Daher sind für hinduistische Eltern besonders Söhne wichtig. Ein rasierter Kopf gilt bei den

Söhnen als Zeichen der Trauer. Zum Gedenken an Verstorbene werden einem fließenden Gewässer Kerzen

übergeben. An jedem Todestag werden Opfergaben dargebracht. Dieses Ritual, Shaddra, darf nur von Männern

durchgeführt werden und vermehrt auch deren positives Karma.

4. Bestattung im Buddhismus Für einen sterbenden Buddhisten ist es außerordentlich wichtig, in der letzten Phase Gelassenheit zu erlangen.

Hektische Ärzte oder Krankenschwestern stören den Sterbenden bei seiner Vorbereitung auf den Tod. Viele

Religionen, denen der Reinkarnationsglaube innewohnt, tendieren dazu, ihre Toten zu verbrennen. Buddhisten

kennen in der Regel nur die Kremation des Verstorbenen. Eine Erdbestattung wäre für sie undenkbar. Der

Stillstand der Atmung ist für Buddhisten nicht der Tod. In dem Leichnam sind vielmehr noch Energien

vorhanden, und der Geist muss noch vier Phasen bis zur Auflösung durchlaufen. Der Körper des Verstorbenen

sollte daher einige Zeit völlig in Ruhe gelassen werden. Die Kremation findet daher in aller Regel erst drei

Tage nach dem Tod statt. In der Zeit bis zur Bestattung erinnern Mönchen singend an die Vergänglichkeit.

Vielerorts wird der Tote in weiße Tücher gehüllt, die schmucklos sein müssen, um die Seele beim Verlassen

des Körpers nicht aufzuhalten. Der Ritus erfordert, dass der Tote zunächst im Hause aufgebahrt wird, auch

wenn er im Krankenhaus verstorben ist. Hier erfolgt die Abschiednahme durch Nachkommen und Trauergäste

in gemeinsamen Gesängen und Liedern, wie dem Herz-Sutra. Die Anwesenheit buddhistischer Mönche bei der

heimatlichen Abschiedszeremonie mit Gebeten und Ritualen ist sehr wichtig und deshalb wird in Mitteleuropa

die Verabschiedung der Toten oft in nahegelegene Klöster verlegt.

Die Feierlichkeiten können mehrere Tage dauern. Die Gäste

stehen dabei zusammen, Sutras, die überlieferten Reden

Buddhas, werden rezitiert und jeder soll sich an positive, gute

Erlebnisse mit dem Verstorbenen erinnern. Zum einen, um

dem Toten fröhliche, wertvolle Gedanken mitzugeben. Zum

anderen als Reaktion an Stelle des Weinens. Dieses sollte

vermieden werden, denn Trauer und Tränen sind oft durch

den Verlust für die Hinterbliebenen und Selbstmitleid

bedingt. Der Buddhist soll sich aber von allen Bindungen und

Leidenschaften lösen. Die Asche wird vielfach in Gräbern

beigesetzt. Auf dem Grab findet man z. B. Früchte oder

Räucherstäbchen von den Angehörigen, aber auch Speisen

werden auf das Grab gestellt. Oft ziert das Bild der

Lotusblüte die Grabplatte.

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15A Ökumene/Martin Luther Martin Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben (Deutschland) geboren. Seine

Erziehung war sehr streng, er wurde oft geschlagen, wie es damals durchaus üblich war. Sein

strenger Vater, ein Bergmann, prägte zunächst auch Luthers Gottesbild. Luther sah Gott als

strengen Richter vor dem er noch als Mönch große Angst hatte. Er durfte die Magdeburger

Domschule besuchen und studierte anschließend in Erfurt die sieben freien Künste und

schließlich Rechtswissenschaften (Jura).

Ein Gewitter und seine Folgen

Am 2. Juli 1505 war er auf dem Rückweg von seinen Eltern nach Erfurt, als ihn ein Gewitter überraschte. Er

geriet in Todesangst und rief die Heilige Anna an: " Hilf du, heilige Anna, ich will ein Mönch werden!" So kam

es, dass Luther als Mönch in den Augustinerorden in Erfurt eintrat.

Schon zwei Jahre später, im Jahr 1507, wurde Luther Priester. Er ging an die neu gegründete Universität in

Wittenberg und studierte dort Theologie, also die Lehre des christlichen Glaubens. Auf einer Reise nach Rom

war er entsetzt über den dortigen Sittenverfall, besonders auch am päpstlichen Hof. 1512 wurde er zum Doktor

der Theologie ernannt und durfte nun selber Vorlesungen halten.

Als Mönch war Luther geprägt von der Angst vor Gott bestehen zu können. Ausgehend von seinem strengen

unnahbaren Vater glaubte er auch vor Gott nicht bestehen zu können. Er quälte sich mit vielen Bußübungen und

konnte seine Angst vor Gott, die krankhafte Züge annahm, trotzdem nicht besiegen.

Das Turmerlebnis

Irgendwann in dieser Zeit fand Luther zu einem ganz neuen Verständnis von Gottes Gerechtigkeit. Man nennt

diesen Zeitpunkt auch die "reformatorische Entdeckung". Dieses Erlebnis soll Luther im Turm des Klosters

gehabt haben, weshalb man auch vom "Turmerlebnis" spricht. Er entdeckte beim Studium des Römerbriefes

eine Bibelstelle, die klar zum Ausdruck brachte, dass der Glaube allein führe zu Gottes Gnade führt, nicht

kirchliche Mittel oder gar der Ablass. Der Glaube des Menschen genügt, um Gott gnädig zu stimmen. Damit

war seine Angst vor Gott beendet und er fand ein neues Gottesbild.

Zur Grundlage des Glaubens erklärte Luther zudem allein die Bibel, nicht die Auslegungen von Kirchenvätern

oder Päpsten. Damit stand er schon im Bruch mit den römisch-katholischen Lehren.

Gegen den Ablass (die 95 Thesen)

Beliebt beim Volk war in jener Zeit der Kauf von Ablassbriefen. Ohne wirkliche Reue oder Beichte wollte man

sich so von seinen Sündenstrafen oder gar von seiner Sünde selbst loskaufen - allein durch Geld. Vor allem

gegen diese Praxis, wie sie der Mönch Tetzel im ganzen Land ausübte um für den Petersdom Geld

aufzutreiben, wandte sich Luther in seinen 95 Thesen, die er am 31. Oktober 1517 veröffentlichte.

In Rom wird man aufmerksam

Luthers Thesen gegen den Handel mit Ablassbriefen waren gar nicht nach dem Geschmack von Papst Leo X.

Der finanzierte mit dem Geld sein ausschweifendes Leben und insbesondere den Neubau des Petersdoms. Der

Mainzer Kardinal Albrecht, der ebenfalls Vorteile aus dem Ablasshandel zog und mit dem Geld seine Schulden

zurückzahlen wollte, zeigte Luther in Rom an.

Verhör in Augsburg

Luther und sein Fürsprecher, der Kurfürst von Sachsen Friedrich der Weise, erreichten, dass der Prozess auf

deutschem Boden stattfinden sollte. Kardinal Thomas Kajetan verhörte Luther in Augsburg, wo der Reichstag

stattfand. Luther weigerte sich, seine Thesen zu widerrufen, solange er nicht durch die Bibel selber widerlegt

werde. Kajetan wollte Luther verhaften, doch der floh.

Am 15. Juni 1520 wurde Luther der Kirchenbann angedroht, also der Ausschluss aus der Kirche, wenn er nicht

innerhalb von 60 Tagen seine Behauptungen widerriefe. Dies tat Luther nicht - im Gegenteil: Am 20. Dezember

1520 verbrannte er sein Exemplar der "Bulle" (so nennt man ein päpstliches Schreiben), nachdem Vertreter der

Kirche öffentlich Luthers Schriften verbrannt hatten. So wurde am 3. Januar 1521 tatsächlich der Bann über

Luther ausgesprochen. Er wurde also "exkommuniziert" (ausgeschlossen aus der Kirche).

Reichstag zu Worms

Der Bann und Luthers neue Schriften machten Luther im ganzen Land bekannt. Friedrich der Weise, der

Kurfürst von Sachsen und Unterstützer Luthers, erreichte, dass Luther auf dem Reichstag zu Worms noch

einmal seine Haltung erläutern durfte. Karl V. hatte Luther freies Geleit zugesagt. Wieder wurde Luther verhört

und zum Widerruf aufgefordert. Luther lehnte ab und so erließ der Kaiser das Wormser Edikt (eine

Verordnung), jedoch erst nach Luthers Abreise. Es besagte, dass über Luther die Reichsachtverhängt wurde.

Das bedeutet, dass Luther damit aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und rechtlos war. Geächtete durften

getötet werden, ohne dass der Täter dafür bestraft wurde. Das Wormser Edikt verbot Luthers Schriften, seine

Unterstützung oder Beherbergung. Er sollte festgesetzt und dem Kaiser überstellt werden.

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Wartburg und Bibelübersetzung

Luther war am auf dem Heimweg, als ihn Soldaten von Friedrich dem Weisen entführten, um ihn so zu

schützen. Er wurde auf die Wartburg bei Eisenach gebracht. Dort blieb er ein Jahr lang untergetaucht als

"Junker Jörg". In dieser Zeit übersetzte er das Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche. Später folgte

das Alte Testament, sodass 1534 die gesamte Bibel in deutscher Schrift vorlag (=Lutherbibel).

Weiterer Lebensweg

1522 kehrte Luther nach Wittenberg zurück. Mit mehreren Predigten beendete er die dortigen

Glaubensunruhen. Er überzeugte die Bürger von behutsamen Reformen und wandte sich gegen die

Bilderstürmer, die alle bildnerischen Darstellungen aus den Kirchen beseitigen wollten, und gegen die

Wiedertäufer, die die Kindstaufe ablehnten. Damit gab Luther der Reformation eine friedliche, nicht

revolutionäre Ausrichtung.

Im Oktober 1524 beendete Luther sein Leben als Mönch. Ein Jahr später heiratete er Katharina von Bora, eine

ehemalige Nonne. Sie bekamen sechs Kinder. Im Bauernkrieg stellte er sich gegen die Bauern, denn er

verurteilte die von ihnen angewandte Gewalt. In den folgenden Jahren wurde es ruhiger um Luther. Er starb am

18. Februar 1546.

1530 legten die evangelischen Reichsstände das sogenannte Augsburger Bekenntnis Kaiser Karl V. am

Augsburger Reichstag vor. Von da kommt der Name „Protestanten“ Damit tritt die evangelische Kirche

gleichsam offiziell auf. Die Artikel des Augsburger Bekenntnisses sind bis heute wichtige Grundlage des

evangelischen Glaubens.

Folgende Unterschiede sind zwischen katholischem und evangelischem Glauben seit damals gegeben:

Evangelische Position Katholische Position

Sola Scriptura (nur die Hl. Schrift): Maßstab für

den Glauben ist die Bibel allein; Papst, Tradition

der Kirche und Kirchengelehrte haben weit weniger

Bedeutung.

Hl. Schrift und Tradition der Kirche sind wichtig

für den Glauben. Die Hl. Schrift (Bibel) ist ja auch

durch die Kirche fixiert worden, also Ergebnis der

Tradition.

Solus Christus (Christus allein): Jesus Christus ist

allein die Mitte des Glaubens; es bedarf keiner

Marien- und Heiligenverehrung.

Christus ist die Mitte des Glaubens; die Heiligen

sind Wegweiser zu Christus hin, Vorbilder, wie

man den Glauben praktisch in unterschiedlichen

Zeiten lebt; Maria besitzt als Mutter Jesu eine

besondere Bedeutung und Vorbildwirkung für

Christen

Sola Gratia (aus Gnade allein): Wir sind durch die

Gnade Gottes gerettet und brauchen dafür keine

guten Werke als Vorbedingung; unser Glaube an

Gott macht uns vor Gott gerecht;

Ein Glaube ohne Werke ist tot; gute Werke sind

Zeichen eines lebendigen Glaubens und wichtig;

wir können mit unseren Bitten und Gebeten auch

für die Verstorbenen bei Gott Gnade erwirken,

denn die Liebe verbindet uns mit ihnen über den

Tod hinaus.

2 Sakramente (Taufe, Abendmahl); nur diese

beiden sind von Jesus selbst eingesetzt.

7 Sakramente alle 7 Sakramente gehen auf Jesus

direkt oder indirekt zurück; Priester vertritt Jesus.

PfarrerInnen sind nur LeiterInnen der

Gottesdienste und Gemeinden aber keine

besonderen Mittler zwischen Gott und den

Menschen; sie repräsentieren beim Gottesdienst

auch nicht Christus, daher können sie auch

verheiratet sein.

Priester treten eine besondere Nachfolge Jesu an

(daher wie Jesus unverheiratet); sie sind Mittler

zwischen Gott und Menschen und repräsentieren

beim Gottesdienst Jesus selbst (daher nur Männer).

Das Papstamt besitzt keine Bedeutung; die Kirche

ist nicht hierarchisch gegliedert; Kirchenämter

werden meist gewählt.

Die Kirche ist nach dem Vorbild der Urkirche

hierarchisch gegliedert: Papst und Bischöfe leiten

die Kirche und sorgen für den rechten Glauben.

Durch die Weihe sind sie dazu berufen.

Kirchen sind Versammlungsräume für die

Pfarrgemeinden und für Gottesdienste; darüber

hinaus haben sie keine besondere Bedeutung.

Kirchen sind besondere Orte der Gottesnähe.

Im Tabernakel bleibt Jesus in der Hostiengestalt

auf besondere Weise gegenwärtig.

.

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15/B Christliche Konfessionen (Bekenntnisse) Es gibt unter den Christen unterschiedliche Formen des Glaubens. Diese nennt man

christliche Kirchen oder Konfessionen (von lateinisch confiteor = bekennen).Obwohl es

sehr viele unterschiedliche Gruppierungen des Christentums gibt, kann man grob drei große

Konfessionen unterscheiden:

• Römisch katholische Kirche (Westkirche)

• Orthodoxe Kirchen (Ostkirche)

• Evangelische Kirchen (Protestanten).

Bereits in den ersten Jahrhunderten gab es zahllosen Diskussionen und Streitereien über die Person und die

Botschaft Jesu.

Im Jahre 1054 kam es im damals geteilten römischen Reich zum ersten großen Bruch zwischen dem Bischof

von Rom (Westrom) und dem Patriarchen (=Bischof) von Konstantinopel (Ostrom) und damit zur großen

Spaltung zwischen dem östlichen und dem westlichen Teil der Christenheit. Grund dafür war der Streit

zwischen Papst und Patriarchen um die Vorrangstellung. Seitdem existierten im Osten vor allem die

"orthodoxen" (= "rechtgläubigen") Kirchen und im Westen die "katholische" (= "allumfassende") Kirche, auch

römisch katholische Kirche genannt, weil der Bischof von Rom (=Papst) ihr Oberhaupt ist.

Von der westlichen, römisch katholischen Kirche spalteten sich dann im 16. Jahrhundert unter Martin Luther,

Johannes Calvin und Ulrich Zwingli die evangelischen Kirchen ab, bei denen es dann immer wieder zu

weiteren Gruppierungen kam. Ursachen dieser Spaltungen waren die Missstände innerhalb der katholischen

Kirche, insbesondere der Ablasshandel.

Die römisch-katholische Kirche

Mit rund 1 Milliarde Christen ist die römisch-katholische Kirche die größte

Kirche weltweit. Ihr religiöses Zentrum ist Rom. Das Wort katholisch leitet sich

aus dem Griechischen ab ("katholikós") und bedeutet so viel wie

„allumfassend“.

Im Unterschied zu den anderen christlichen Konfessionen hat die katholische

Kirche ein Oberhaupt, den Papst. Die römisch-katholischen Christen sehen in

ihm den Stellvertreter Christi auf Erden und Zeichen ihrer Einheit. Priester

haben als Mittler zwischen Gott und Menschen und in ihrer besonderen

Nachfolge Jesu einen Sonderstatus in der Gemeinde. Eine wichtige Rolle im

Leben der Gläubigen spielen die sieben Sakramente, die als Symbol der Liebe

und Nähe Gottes die Menschen durch das Leben hin begleiten. Dazu gehören Taufe, Eucharistie, Firmung,

Beichte, Ehe, Weihe, Krankensalbung. Zudem hat die Verehrung der Heiligen als Vorbilder im Glauben einen

hohen Stellenwert. Während in den westlichen Ländern die Zahl der Katholiken abnimmt, hat die katholische

Kirche in Afrika, Asien und in Lateinamerika großen Zulauf.

Evangelische Kirchen/Protestanten

Der Protestantismus geht auf die Reformation (=Reform der Kirche) im 16.

Jahrhundert zurück. Mehr als 400 Millionen Menschen gehören zu den protestantischen

Kirchen. Eine Schlüsselrolle spielte in der Entstehung dieser Konfession der deutsche

Mönsch und Theologieprofessor Martin Luther, der 1521 begonnen hatte, die Bibel ins

Deutsche zu übersetzen. Damit wollte er auch dem einfachen Volk ermöglichen, die

Heilige Schrift zu lesen. Denn zu seiner Lehre gehörte es auch, dass vor Gott alle

Menschen gleich sind. Außerdem kritisierte Luther die Ablasszahlungen, mit denen

man sich von den Sünden freikaufen konnte und mit denen die Kirche viel Geld verdiente. Luther betont

besonders 3 Glaubensprinzipien:

- Solus Christus: Christus allein steht im Zentrum des Glaubens, daher gibt es keine Heiligenverehrung

- Sola Scriptura: die Bibel ist allein Richtschnur des Glaubens, nicht die Tradition der Kirche oder römische

Glaubensauslegung

- Sola gratia: der Mensch wird durch Gottes Gnade und den Glauben allein gerecht, ohne besondere Werke,

daher keine Wallfahrten, kein Ablass, …

Aber nicht nur in Deutschland stießen die immer größer werdende Macht und der Prunk der Kirche auf

Widerstand. In der Schweiz setzten sich Huldrych Zwingli und Jean Calvin dafür ein, dass sich die christliche

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Kirche wieder auf ihre Wurzeln besinnen sollte. Dazu gehörte auch, dass die Heilige Schrift eine zentrale Rolle

spielte – daran hat sich bis heute nichts geändert.

Im Gegensatz zu den Katholiken lehnen die Protestanten die Heiligenverehrung genauso wie den Papst als

Oberhaupt ab. In der protestantischen Kirche kann jeder Gläubige Gott direkt begegnen – ohne einen

Mittlerpersonen wie Priester. Evangelische Pfarrer sind lediglich Gemeinde- und Gottesdienstleiter, haben aber

keine priesterliche Mittlerfunktion und stehen auch nicht in einer besonderen Art der Nachfolge Jesu. So

können evangelische Pastoren (von lateinisch Pastor = Hirte) auch Frauen sein und heiraten. Im Gegensatz zur

katholischen Kirche haben die Pastoren in der evangelischen Kirche daher auch keine herausgehobene Stellung.

Der Begriff protestantisch wird heute gleichbedeutend mit dem Begriff evangelisch verwendet. Im 16.

Jahrhundert wurden alle Kirchen als protestantisch bezeichnet, die aus der Reformation hervorgegangen waren.

Der Begriff kommt vom Protest der evangelischen Adeligen, die sich am Reichstag zu Augsburg vor dem

katholischen Kaiser Karl V. mit starkem Protest mutig zur neuen Lehre Martin Luthers bekannten. Die

deutschen Kirchen, die in der Tradition der Reformation stehen, bezeichnen sich heute als evangelisch AB (=

Augsburger Bekenntnis). Schweizer Protestanten folgen dem Helvetischen Bekenntnis (HB), das vom

Schweizer Reformator Zwingli verfasst wurde

Die Freikirchen

Auch die Freikirchen gehen auf die Reformation zurück. Die

Gläubigen sind häufig stark fundamentalistisch bibeltreu, wobei

die Bibel meist wortwörtlich verstanden und interpretiert wird.

Eine weitere Besonderheit vieler Freikirchen ist die

Erwachsenentaufe. Auch eine manchmal recht aggressive

Missionierung hat einen großen Stellenwert bei Freikirchen.

Das Spektrum der Freikirchen ist groß. Es reicht von

konservativen bis hin zu modernen Glaubensauffassungen. Zu den großen Freikirchen gehört die

Pfingstbewegung. Die Pfingstkirche und andere sogenannte charismatische Gruppen, die sehr gefühlsbetont

und emotional ihre Gottesdienste feiern, berufen sich auf das Wirken des Heiligen Geistes. Bei den Gläubigen

spielen Wunderwirkungen, Heilungsgottesdiente und Prophezeiungen eine besondere Rolle. Auch das

Zungenreden, ein unverständliches Sprechen als Zeichen der sogenannten Geistestaufe, ist typisch .

Die Pfingstkirche gehört mit den anderen charismatischen Kirchen zu den am schnellsten wachsenden

religiösen Bewegungen weltweit. Theologen schätzen, dass sich mittlerweile rund 400 Millionen Menschen

dazu bekennen. Die Mitglieder der Pfingstkirche sind oft ultrakonservativ. Scheidungen, Sex außerhalb der Ehe

und die Akzeptanz gelebter Homosexualität führen in der Regel zum Ausschluss aus der Gemeinschaft. An die

Evolutionstheorie glauben Pfingstler in der Regel nicht, dafür unter anderem an Wunderheilungen. Sie gehen,

wie die meisten Freikirchen von einer wortwörtlichen Interpretation der Bibel aus.

Auch die Baptisten-Gemeinden gehören zu den Freikirchen. Ihre Ursprünge haben die Baptisten in England.

Dort wollten sich calvinistische Protestanten von der anglikanischen Kirche unabhängig machen. Die Baptisten

streben wie die Quäker oder die Presbyterianer, die aus den baptistischen Gemeinschaften hervorgingen, eine

einfache Lebensweise an. Das spiegelt sich auch in den Gottesdiensten wider, die wenig feierlich sind.

Außerdem gibt es keine Hierarchie bei den kirchlichen Ämtern und Kirche und Staat sind streng voneinander

getrennt. Die Gemeinden finanzieren sich unter anderem durch Spenden. Zu den Besonderheiten der Baptisten

(griechisch für Täufer) gehört es auch, dass die Gläubigen nur als Erwachsene getauft werden.

Unterschied zwischen evangelisch und evangelikal Nicht verwechseln darf man evangelische Christen und evangelikale Christen. Evangelisch nennt man die

Anhänger der Lehren Martin Luthers. Dabei unterscheidet man das sogenannte Augsburger Bekenntnis

(deutsche Evangelische) und das Helvetische Bekenntnis (Schweizer Reformierte, Anhänger Calvins).

Evangelikale Christen glauben, dass die Bibel wortwörtlich von Gott inspiriert ist und stehen außerhalb der

evangelischen Kirche. Sie halten biblische Texte auch dort, wo sie historische, geographische oder biologische

Daten zum Inhalt haben, für unfehlbar. Dadurch geraten sie oft in Konflikt mit den modernen Wissenschaften

(vgl. Texte wie Adam und Eva, Weltentstehung, Sintflut,…). Charakteristika evangelikaler Christen sind:

-ausgeprägtes Missionierungsdenken (z.B. Lateinamerika, Russland)

-Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi und des Weltenendes

-sehr persönliche Bekehrungserlebnisse und sehr emotionale Gottesdienste

-Betonung der heilenden Kräfte des Glaubens (Heilungsgottesdienste).

Weltweit gibt es ca. 150 Millionen evangelikaler Christen. Besonders stark verbreitet sind sie in den USA, wo

medienwirksame Prediger (Billy Graham, Jimmy Carter, Bill Bright) für Popularität sorgen.

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Die orthodoxen Kirchen

Zur orthodoxen Kirche bekennen sich nach groben Schätzungen rund 250 Millionen

Menschen. Damit machen die orthodoxen Christen nach den Katholiken und den

Protestanten die drittgrößte Gruppe innerhalb des Christentums aus.

Von allen Konfessionen ist die orthodoxe Konfession am engsten mit dem

christlichen Altertum verbunden. Sie geht noch auf Kaiser Konstantin zurück. Die

orthodoxe Kirche sieht sich deswegen als einzige legitime Nachfolgerin der alten

Kirche und als Bewahrerin der ersten christlichen Tradition.

Sie ist vor allem in Osteuropa und dem vorderen und mittlerem Orient beheimatet.

Sie wird nicht, wie bei den Katholiken, von einem einzigen Oberhaupt geleitet,

sondern es gibt verschiedene Patriarchate, unter anderem in Moskau, Istanbul, Jerusalem, Sofia und Antiochia.

Die orthodoxen Landeskirchen sind sehr selbstständig. Der Patriarch als Ehrenoberhaupt eines Landes wird von

einem Bischofsgremium gewählt. Zu den größten orthodoxen Kirchen gehören die griechisch- und die russisch-

orthodoxe Kirche. Aber auch in Serbien, Rumänien und Bulgarien leben orthodoxe Christen, genauso wie in

Ägypten und Afrika.

Obwohl die Gläubigen auf der ganzen Welt verteilt sind, haben die orthodoxen Christen viele

Gemeinsamkeiten. Sie glauben an den dreifaltigen Gott und an Jesus Christus und legen großen Wert auf ihre

prunkvolle Liturgie, also auf Riten und die Form des Gottesdienstes, wobei dem Gesang eine besondere

Bedeutung zukommt.

Die orthodoxe Kirche verzichtet auf starre Dogmen (Glaubensvorschriften) und räumt dem Gottesdienst und

der Glaubenspraxis der Menschen große Bedeutung ein. Einen wichtigen Stellenwert besitzt die Verehrung der

Heiligen, besonders Maria, Johannes der Täufer und Nikolaus. Ikonen, Christus- und Heiligenbilder, besitzen

für die Gläubigen eine große Bedeutung. In diesen Bildern werden die Dargestellten gleichsam gegenwärtig.

Ökumene – Einheit als Aufgabe aller getrennten ChristInnen Der Begriff Ökumene ist griechischer Herkunft und bedeutet „die ganze bewohnte Erde“. Man versteht

darunter die gesamte Christenheit auf der ganzen Welt, die noch in unterschiedliche Kirchen getrennt ist.

Der Begriff Ökumene bezeichnet aber auch das Bemühen, Wege zur Einheit aller Christen zu finden.

Ziele der Ökumene sind ein besseres Kennenlernen und Verstehen der anderen Konfessionen, der Abbau von

alten Vorurteilen und die Suche nach Wegen zur Einheit aller Christen

Ein wichtiger Begriff in der Ökumene ist die versöhnte Verschiedenheit. Dies bedeutet, dass die Kirchen ihre

jeweiligen Besonderheiten bewahren, ja gegenseitig sogar schätzen und trotzdem eine Einheit werden.

Wichtigstes Ziel dabei ist auch die gemeinsame Feier der Eucharistiefeier, die derzeit noch nicht möglich ist.

Vielfach werden bei uns schon ökumenische Wortgottesdienste gefeiert und es gibt in vielen Bereichen

Zusammenarbeit (Caritas, Katastrophenhilfe, Asylarbeit, Entwicklungsarbeit in der 3. Welt, Zusammenarbeit

auf der Ebene der Pfarrgemeinden). Auch Ehen zwischen Partnern verschiedener christlicher Kirchen sind oft

ein wichtiger Schritt zur Ökumene im Alltag und heute kein Problem mehr.

Ökumenische Initiativen sind:

- Ökumenische Rat der Kirchen: dieser umfasst 350 christliche Kirchen und setzt viele Initiativen.

- Weltgebetswoche für die Einheit aller Christen (alle Jahre im Jänner mit Gottesdiensten, Gebeten und

Vorträgen, z.B. ökumenischer Stadtspaziergang in Villach & Klagenfurt, ökumenischen Bibelrunden,…)

- Ökumenischer Weltgebetstag der Frauen (weltweit Gottesdienste und Sozialprojekte im März)

- Ökumenische Ehevorbereitungen

- Lange Nacht der Kirchen (im Juni, Abendveranstaltungen in ganz Österreich)

Symbol für die Ökumene ist ein Boot mit einem Mast in Kreuzform. Das Boot

erinnert an die Berufung der ersten Jünger, Petrus und Andreas, die Fischer waren

durch Jesus. Es erinnert aber auch an das Wort Jesu zu den Aposteln „ich werde

euch zu Menschenfischern machen“. Überdies macht es deutlich: wir sitzen alle im

gleichen Boot (d.h. wir gehören zusammen). Der Masten in Kreuzform steht für

das, was alle Christen verbindet: der Glaube an Jesus Christus, der die Der

angedeutete Kreis symbolisiert die angestrebte Einheit.

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16 Kirchenbeitrag in Österreich 1. Historischer Rückblick ▪ Jesus und seine Jünger lebten von Spenden. Jesus sagt selbst,

dass seine Jünger ihres Lohnes wert seien: „Nehmt keine

Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe,

keinen Wanderstab. Wer arbeitet hat ein Recht auf seinen Unterhalt.“

Auch der Apostel Paulus betont, dass die Jünger ein Recht auf

Unterhalt durch die Gläubigen besitzen. Paulus hingegen war Zeit seines Lebens stolz darauf, als Zeltmacher

selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.

▪ Die ersten Christen hatten fast alles gemeinsam. Jeder trug laut Apostelgeschichte seinen Teil zur

Erhaltung der Gemeinde bei. Da die frühen Christen vom nahen Weltenende überzeugt waren, war ihnen

materieller Reichtum nicht wichtig. Allmählich nahm aber die Spendenfreudigkeit ab. So wurde für die

Armenfürsorge, die Kirchenerhaltung und die Bezahlung der Priester die Einführung des „Zehnten“ (10 Teil

der Einkünfte) überlegt, um die finanziellen Grundlagen der Kirche zu sichern. Der „Zehnt“ (also ein Zehntel

Abgabe des Einkommens oder des Erwirtschafteten) wurde dann schließlich von Karl d. Großen für das ganze

Reich zur Pflicht gemacht und die Entlohnung der Priester dadurch staatlich garantiert. Vorbild dafür war eine

schon in alttestamentlicher Zeit im Volk Israel vorgesehen Abgabe für die Erhaltung der Priester, die aus dem

Stamm „Levi“ kamen. Die übrigen 11 Stämme hatten demnach 1 Zehntel der Erträge an den Stamm Levi

abzuliefern. Der Stamm Levi hatte dafür die Priester zu stellen.

▪ Im Mittelalter wurden Eigentumsbesitz, Landwirtschaften, Schenkun-

gen und Stiftungen zusätzliche finanzielle Grundlagen der Kirche. Viele

Adelige schenkten der Kirche Besitzungen und stifteten Kirchen und

Klöster. Man erhoffte sich dadurch Verdienste für den Himmel zu

erwerben. Überdies brachten Klostergründungen auch viele Vorteile mit

sich. Das Umland wurde gerodet, die Land- und Forstwirtschaft blühten

auf, Schulen wurden gegründet, Kultur und Wissenschaft wurde in den

Klöstern gepflegt. Ein Kloster sicherte auch dem Umfeld Wohlstand. Die alte Redewendung „Unterm

Krummstab (Abtstab) ist gut leben“, weist darauf hin.

▪ Religionsfond unter Josef II

Kaiser Josef II (1765-1790) schuf ein Staatskirchentum, in dem die Kirche dem

obersten Staatszwecke dienen sollte. Dazu ließ er an die 413 Klöster aufheben (wie

etwa St. Paul) und eine Vielzahl kirchlicher Güter veräußern. Mit den daraus erzielten

Mitteln wurde der sogenannte „Religionsfond“ gegründet, der der Besoldung der

Priester, der baulichen Pflege der Kirchen und karitativen Zwecken diente. Auch die

katholischen Privatschulen wurden damit teilweise erhalten. Die Pfarren mussten sich

zusätzlich über Land- und Forstwirtschaften sowie andere Einkommen finanzieren.

Im Staatsgrundgesetz aus dem Jahre 1867 wurde der katholischen, evangelischen sowie der altkatholischen

Kirche im Artikel 15 das Recht auf Einhebung von Kirchenbeiträgen gestattet.

▪ Nationalsozialistische Herrschaft

Bald nach der Besetzung Österreichs im Jahre 1938 setzte durch die Nationalsozialisten eine Welle von

antikirchlichen Maßnahmen ein (Klosteraufhebungen, Unterdrückung jeder katholischer Öffentlichkeits-arbeit,

Verbot katholischer Schulen und Heime, ...) Man versuchte auf vielfache Weise den Einfluss der katholischen

Kirche zu unterbinden und die Gläubigen zu einer Abkehr zu bewegen. Dazu erließ man im Jahre 1939 auch

ein neues Kirchenbeitragsgesetz mit folgendem Inhalt:

- Einstellung aller staatlichen Leistungen an die Kirche und Streichung aller Zuschüsse aus dem

Religionsfond. Der Religionsfond wurde für staatliche Zwecke verwendet und verbraucht;

- Enteignung kirchlicher Güter in weitem Umfang und Außerkrafttreten aller bisherigen Abmachungen;

- Ermächtigung der Kirche, ihre Personal- und Sachbedürfnisse aus „Kirchenbeiträgen“ zu decken.

Die Nationalsozialisten erwarteten sich dadurch eine Welle von Kirchenaustritten und eine Lähmung des

kirchlichen Lebens. Freilich wurden diese Erwartungen nur in sehr geringem Maße erfüllt. Zwar fand eine

Austrittswelle statt, aber nicht in dem von den Machthabern erhofften Umfang.

▪ Entwicklung seit 1945

Das Kirchenbeitragsgesetz wurde, da der ehemalige Religionsfond vom Staat aufgebraucht war, nach

Verbesserungen Bestandteil der Rechtsordnung der Zweiten Republik. Das Kirchenbeitragsgesetzt hat in der

Folge immer wieder Modernisierungen erfahren, die größere Gerechtigkeit gewährleisten sollen.

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2. Sozial-caritative Einrichtungen:

z.B. organisatorischer Aufwand der

Caritas, so können die Spenden zu

fast 100% für die Hilfe verwendet werden.

3. Renovierungen und Neubauten: über 1000 Kirchen und 700 sonstige Bauten

(Pfarrhöfe, Bildungshäuser, Kindergärten, Heime, Seelsorgezentren,...) müssen allein in

Kärnten erhalten werden. Das Baubudget der Kirche Kärntens beträgt jährlich zwischen 5

und 8 Millionen Euro und wird neben Spenden und öffentlichen Zuschüssen aus dem

Kirchenbeitrag bestritten. Der größte Teil davon kommt heimischen Arbeitskräften zugute.

2. Wichtige Einzelinformationen zum aktuellen Kirchenbeitrag • Beitragspflichtig sind alle Angehörigen der katholischen Kirche, die das 19. Lebensjahr bereits vollendet

haben und ein steuerpflichtiges Einkommen oder Vermögen besitzen.

• Für den Vatikan und die Verwaltung der Weltkirche werden keine Mittel aus Kirchenbeiträgen verwendet.

Dafür ist eine freiwillige einmal jährlich stattfindende Sammlung beim Gottesdienst („Peterspfennig“)

vorgesehen.

• Für aktuelle Daten ist die Kirche auf die Beitragszahler angewiesen. Deshalb werden diese gebeten, ihre

Einkommenssituation bekanntzugeben.

• Die Höhe des Beitrages richtet sich nach dem steuerpflichtigen Einkommen und zwar 1,1% davon. Eigene

Regelungen gibt es für Landwirte, Pensionisten, Vermögenssteuerpflichtige. Daneben gibt es viele

Absetzmöglichkeiten (Kinder, Hausstands-Gründung, Eigenheimbau, Krankheit, besondere finanzielle

Schwierigkeiten,...). Im persönlichen Gespräch versuchen die MitarbeiterInnen der Beitragsstellen möglichst

die beste und gerechteste Lösung zu finden. Die Höhe des Kirchenbeitrages sollte für niemanden ein Grund

für den Austritt sein.

• Man kann in Kärnten über die Verwendung des Kirchenbeitrages mitbestimmen. So können 50% des

jeweiligen Beitrages für bestimmte Einrichtungen (Caritas, Not in Kärnten, Jugend- & Pilgergästehaus Gurk,

bischöfliche Arbeitslosenfond, Bildungshäuser, Mission ...) zweckgebunden überwiesen werden.

3. Verwendung des Geldes in Kärnten: Jahresbudget in Kärnten: ca. 37 Millionen €

4. Die Aufgaben der Kirche: glauben -helfen - bewahren Der Kirchenbeitrag hilft der Kirche, ihre wichtigen Aufgaben zu erfüllen.

Dazu zählen:

- glauben: Die Arbeit der Kirche geschieht von Mensch zu Mensch. Daher

investiert die Kirche mehr als 60% des jährlichen Budgets in die ca. 700

hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rund 20 Mio. Euro

jährlich betragen die Personalkosten der Kirche in Kärnten. Die Seelsorge in

den 337 Kärntner Pfarren ist ein Netz, das von Priestern, Diakonen,

Ordensleuten, Pastoralassistenten und anderen hauptberuflichen und

ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen wird. Diese sind

für die Menschen in allen Lebenssituationen da (Taufe, Hochzeit,

Familienfeiern, Geburtstage, Krankenbeistand, Begleitung bei Sterben und

Tod, Ansprechpartner in Glaubens- und Lebensfragen, Feste im Jahr wie Oster, Weihnachten, Allerheiligen).

Alle Österreicher profitieren auch von den vielen christlichen Feiertagen, die für alle arbeitsfrei sind und für

Familienfeiern, Sinnfindung, Ruhe und Erholung genützt werden.

- helfen: Kirche ist dort tätig, wo Menschen Beistand benötigen. In den Pfarren, Kindergärten, Schulen,

Altenheimen, Krankenhäusern, in der Familienberatung und in der Betreuung von Menschen in Belastungs-

und Grenzsituationen, an Wendepunkten ihres Lebens, in der Freude und im Leid. Überdies ist die Caritas ist in

unserem Land eine der wichtigsten Hilfsorganisationen. Mit Kirchenbeitrags-mitteln werden auch

Jugendzentren und Jugendtreffs finanziert.

1. Bezahlung von ca. 230 Priestern

und 480 Laienmitarbeitern: dafür

werden über 60% des

Kirchenbeitrages verwendet.

4. Entwicklungshilfe: viele caritative Projekte in den Entwicklungsländern werden

mitfinanziert. Solidarität mit allen Armen gehört zu den Kernaufgaben der Kirche.

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- bewahren: Kärnten ist besonders reich an Kirchen.

Sie prägen unsere Landschaft und künden vom

Glauben der Bevölkerung. Mehr als 1.000 Kirchen

und weitere 700 kirchliche Gebäude (Pfarrhöfe,

Bildungshäuser, Pfarrzentren) gilt es zu erhalten,

nicht nur für das Auge, sondern vor allem für Feiern,

Feste und Gottesdienste, auch in den kleinsten

Dörfern. Die Kärntner Kirche will bei den Menschen

sein. Daher werden auch kleine Kirchen liebevoll

erhalten und gepflegt. 6,5 Mio. Euro sind jährlich

dafür notwendig. 5,5 Mio. Euro davon stammen aus kirchlichen Mitteln. Ohne den Kirchenbeitrag könnten

diese Gebäude nicht erhalten werden.

Alternative Beitragssysteme

Freiwillige Spenden …

… wie etwa in Amerika haben den Nachteil, dass sie nicht

einzuschätzen sind und nicht kontinuierlich fließen. Sie sind nur

schwer kalkulierbar und würden die Kontinuität der Arbeit der Kirche

und ihrer Organisationen gefährden. In vielen Ländern, kann die

Kirche so ihre Aufträge nicht gut erfüllen. So müssen etwa in

Frankreich oder England zunehmend Kirchen geschlossen und verkauft werden. In Frankreich müssen viele

Priester nebenher in Zivilberufen arbeiten, da das Beitragsaufkommen nicht reicht!

Zudem ist es möglich, dass großzügige Spender mehr Einfluss bekommen, man

dadurch von einzelnen Personen abhängig wird und nicht alle gleich behandelt

werden. In Amerika, wo staatliche Kirchenzuschüsse gesetzlich verboten sin, gibt es

eigene Agenturen, die professionell mit Kampagnen zu Spenden animieren. Überdies

gibt es in den USA eine allgemein verbreitete Spendenkultur, wie etwa auch in der

Politik.

Kultursteuer …

… in Italien wird die Kirche über die sogenannte Kultursteuer finanziert. 0,8% seiner Lohn-

oder Einkommensteuer - sie wird vom Staat eingehoben -kann der italienische Steuerzahler

entweder einer bestimmten Kirche, einer Sozialeinrichtung oder dem Staat widmen.

Berechnungen haben ergeben, dass die Kultursteuer in Österreich zwischen 4% und 6% der

Einkommensteuer betragen müsste, um die jetzigen Kirchenbeitragseinnahmen zu erreichen, sie

wäre also höher. Ein weiteres Problem dabei ist die Abhängigkeit der Kirche vom Staat und seiner

Steuerpolitik.

Finanzierung durch den Staat …

In Belgien werden Priester und deren Wohnungen staatlich finanziert, alles sonstigen Mittel, etwa für

Kirchenbauten müssen durch Spenden aufgebracht werden. Staat und Kirche müssen zwar um der Menschen

willen zusammenarbeiten, aber sie sollen voneinander unabhängig sein. Das lehrt die Geschichte Österreichs.

Niemand soll den anderen zu bevormunden versuchen. Die Einhebung kirchlicher Finanzmittel durch den Staat

kann aber Abhängigkeiten schaffen, die in Österreich garantierte Eigenständigkeit der Kirche wäre gefährdet.

Eine freie Kirche in einem freien Staat hat sich in Österreich bewährt.

Kirchensteuer, die vom Staat automatisch eingehoben wird …

… in Deutschland wird die Kirchensteuer vom Staat eingezogen. Die Kirche

erspart sich zwar den Apparat zur Einhebung, ein Kontakt zu den

Beitragszahlern ist aber nicht gegeben. Härtefälle, menschliche

Schicksalsschläge, finanzielle Belastungen finden kaum Berücksichtigung. Die

Höhe der Kirchensteuer ist in Deutschland zudem weit höher.

Pfarren heben den Kirchenbeitrag selbst ein …

… in manchen Kantonen der Schweiz heben die Pfarren (durch die jeweiligen Arbeitgeber) die Kirchenbeiträge

selbst ein und geben einen Teil an die Diözese weiter. Zwischen reicheren und ärmeren Pfarren gibt es keinen

Finanzausgleich.

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Kirchenbeitrag in Diskussion …

Setze Dich sich mit der Karikatur auseinander und nimm aus

Deiner Sicht Sichtweise zur Notwendigkeit des Kirchen-

beitrages Stellung!

Nimm zu den unten stehenden Meinungen zum Thema

„Kirchenbeitrag“ Stellung und beurteile diese aus Deiner

persönlichen Sicht!

„Ich finde das amerikanische System gut. Es gibt eine riesen Auswahl an Religionsgemeinschaften und man kann sich frei

entscheiden, welche und wie hoch man diese unterstützt. Die Priester bemühen sich richtig gute Predigten zu halten, weil

davon ihr Einkommen abhängt! Wer langweilige/schlechte Zeremonien macht hat einfach keine Gläubigen mehr. Gäbe es

diese Alternativen in Österreich hätten die katholischen Priester allerhand zu tun um ihr derzeit sehr fragwürdiges Angebot

aufzubessern.“ (demunist 1, 26. Februar 2013, 19:01:17)

„Über den Kirchenbeitrag wird gerne hergezogen. Wem ist eigentlich bekannt, dass auch in anderen Religionsgemeinschaften

Beiträge gezahlt werden? Wirklich geschehenes Beispiel: Eine Studentin tritt aus der Kirche aus und wird buddhistisch. Sie

erhält gleich von 2 verschiedenen buddhistischen Gemeinden die Aufforderung, ihren Beitrag zu zahlen... Jede religiöse

Gemeinschaft und jeder Verein brauchen ihren Beitrag. Doch es ist vieles in Bewegung, und das ist gut so.“ (cosmopolita , 16.

März 2012, 14:33:05)

„Kein Verein, kein Handyvertrag, kein Zeitungsabo. Hier handelt es sich um eine Sekte mit mafiösen Strukturen, die eine Art

Schutzgeld erpresst. Und die Republik hilft ihr dabei, hält die öffentliche Hand schützend über diese Sekte. Das steht

festgeschrieben im unkündbaren Konkordat.“ (Just N. Opinion 24 , 14. März 2012, 23:32:56)

„wie schon weiter unten angemerkt: ungefragt kommt man ab der geburt in eine verpflichtung, die mit 18 voll rechtlich

wirksam wird. ohne dass es dahingehend eine aufklärung von seitens des vertragspartners gibt. diese aufklärung kann auch

nicht von den eltern übernommen werden, die haben die pflichten mit volljährigkeit des kindes abgetreten und sind nicht

mehr teil des vertrages. die aufklärung muss der vertragspartner übernehmen, mitsamt möglichkeit nach auflösung. tut er

aber nicht! vor einen gericht würde dieser vertrag aufgrund von rechtsungültigkeit aufgelöst werden, da er den "guten sitten"

widerspricht.“ (Magic Washroom, 14. März 2012, 20:09:47)

Niemand wird genötigt. Auch Sie nicht. Ihre Eltern, als Ihre gesetzlichen Vertreter, haben um Ihre Taufe und damit um den

Eintritt in die Glaubensgemeinschaft gebeten. ( H. Kienhammer 29, 14. März 2012, 08:34:19)

„Wo ist das Problem? Wer dabei sein will, soll dabei sein und somit zahlen. Wem die Kirche nix wert ist, soll halt austreten.“

(05f56b8a-5dfe-4cb6-bcc1-33c6be439544, 13. März 2012, 22:30:41)

Kirchenbeitrag pro & contra

Der Kirchenbeitrag ist zu hoch und wird immer höher.

Was "zu hoch" ist, hängt meist davon ab, was einem wichtig ist. Die Gehälter der Priester und Laien müssen jährlich

angepasst werden, die Kosten für Bauvorhabensteigen stärker als der Verbraucherpreisindex. Daher muss auch der

Kirchenbeitrag jährlich um einige Prozentpunkte angehoben werden. Die Berechnung des Kirchenbeitrages ist genau

geregelt. Man kann den Kirchenbeitrag selbst "nachrechnen". Wenn man das eigene Einkommen nachgewiesen hat, fällt

die jährliche Erhöhung geringer aus, als wenn der Beitrag geschätzt werden muss.

Den Kirchenbeitrag hat Hitler eingeführt. - Kein feines Erbe!

Die Nationalsozialisten haben kirchliches Eigentum beschlagnahmt und jede staatliche Leistung an die Kirchen

eingestellt. Das Kirchenbeitragsgesetz von 1939 hatte ein eindeutiges Ziel: den Untergang der Kirche. Gerade diese

Notlage aber hat die Katholiken zu einem bisher nie gekannten Zusammenhalt bewogen. So konnte die Kirche

unabhängig und handlungsfrei werden von den Einflüssen des Staates. So ist das - mehrmals verbesserte -

Kirchenbeitragssystem auch nach über 70 Jahren Grundlage für ein Kirchenbeitragssystem, das den menschlichen und

sozialen Aspekten unserer Gesellschaft entspricht und immer wieder modernisiert und angepasst werden kann.

Ich zahle nicht, weil ich nicht in die Kirche gehe!

Im persönlichen Glaubensleben und im Bekenntnis zur Kirche gibt es vielfältige Formen und "Annäherungsgrade". Jeder

entscheidet selbst über Nähe und Distanz. Viele katholischen Christen/innen feiern in Österreich regelmäßig den

Sonntagsgottesdienst mit. Andere übernehmen noch eine soziale Aufgabe in der Pfarre. Wieder andere kommen nur zur

Christmette und zu Ostern (z. B. Speisensegnungen). Bei vielen Katholiken beschränkt sich ihr JA zur Kirche lediglich

darauf, dass sie ihren finanziellen Beitrag leisten. Der Kirchenbeitrag deckt nur die wirtschaftlichen Grundbedürfnisse ab.

Es wäre nicht gerecht, die ganze Last den Gottesdienstbesuchern aufzubürden. Die werden ohnehin häufig genug "extra

zur Kasse gebeten". Von der Bezahlung der Altarkerzen bis zu den Spenden für Caritas und Welt-Kirche ist alles der

Freiwilligkeit überlassen.

Page 23: 13 Vielfalt von Lebensformen in unserer Zeit Familie im ...borg-wolfsberg.at/uploads/images/site/1424/content2_text1/smolle_… · 13 Vielfalt von Lebensformen in unserer Zeit Familie

Ich helfe lieber den Armen!

Die Katholiken spenden Jahr für Jahr Millionen EURO für die Katastrophenhilfe, für die Welt-Kirche, aber auch für das

Elend in unserem eigenen Land. Das ist eine beachtliche Leistung, die keinen Vergleich scheuen braucht. Dieses Geld

soll denen zugutekommen, für die es gespendet wurde, mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand. Dazu sind

Organisationen notwendig, die über fachliche Kompetenz und das nötige soziale Netz verfügen. Die Kirche unterhält eine

Reihe solcher Einrichtungen und führt zahlreiche Initiativen durch, wie z.B. die den Familienfasttag, die

Sternsingeraktion, Sammlungen der Caritas usw.). Diese Institutionen erhalten aus dem Kirchenbeitrag die finanzielle

Grundausstattung für Personal und/oder Räumlichkeiten.

Ich bin nie beigetreten. Bei der Taufe wurde ich nicht gefragt.

Die Kindertaufe ist nur gerechtfertigt, wenn es Eltern und Paten wichtig ist, dass ein Mensch in die Gemeinschaft der

Kirche aufgenommen wird. Vater und Mutter treffen auch viele andere Entscheidungen für ihr Kind oder - je nach

Altersstufe - mit ihrem Kind. Bei der Erstkommunion legen Kinder das erste persönliche Taufversprechen ab. Später

wieder bei der Firmung und in jeder Osternacht. Ab dem 14. Lebensjahr wird ein junger Mensch "religionsmündig" und

kann über seine weitere Religionszugehörigkeit frei entscheiden.

Glauben kann ich auch ohne Kirche!

Wie würde unser Glaube weitergetragen, wenn es keine Priester, Ordensleute, Religionslehrer gäbe? Wenn es keine

Mütter und Väter gäbe, die ihren Kindern das erste Kreuzzeichen und Gebet lehrten? Wie würde unser irdisches Leben

armselig und trostlos sein, wenn es keine Hoffnung auf "das Leben danach" gäbe? Wie würde unser gesellschaftliches

Miteinander aussehen, wenn nicht unser Glaube Liebe und Menschlichkeit lehrte?

1. Leistungen für Gemeinschaftsbildung

- 52 Sonntage und 10 christliche Feiertage sind durch einen Vertrag

zwischen Kirche und Staat (Konkordat) für alle Menschen in

Österreich als arbeitsfreie Tage zusätzlich abgesichert. Überdies

bewahrt und pflegt die Kirche eine sinnerfüllende Feiertagskultur in

unserem Land (Feste, Bräuche).

- 560.000 Menschen leisten in der Kirche rund 60 Mill. Stunden/Jahr

- Fast 300.000 Kinder und Jugendliche erleben in katholischen Organisationen Gemeinschaft und werden dabei

von rund 20.000 Freiwilligen begleitet. Die katholische Jungschar ist die größte Kinderorganisation Österreich.

Projekte wie die „Sternsingeraktion“ werden von der Jungschar alle Jahre initiiert.

- In fremdsprachigen Kirchengemeinden finden 300.000 Migrantinnen und Migranten Beheimatung.

2. Leistungen im sozialen Bereich

- Rund 3000 Pfarren bilden ein dichtes Netz gelebter Solidarität in Österreich und helfen so in vielen Nöten.

- Mehr als 10.000 Angestellte und 28.000 Freiwillige der Caritas sind in Österreich für Menschen in Not da und

helfen auch dort, wo andere nicht mehr können.

- 32 Ordensspitäler versorgen hunderttausende Patienten pro Jahr medizinisch und entlasten so den Staat

jährlich um viele Millionen Euro.

- Die Kirche trägt mit 5.600 Pflegeplätzen in ihren Heimen wesentlich zur Versorgung älterer Menschen bei.

Die Caritas ist die der größte private Anbieterin von Pensionistenwohnplätzen.

- In 97 kirchlichen Beratungsstellen werden pro Jahr über 130.000 Beratungsgespräche geführt.

- In der Telefonseelsorge sind Österreichweit zirka 660 ehrenamtliche und 20 hauptamtliche MitarbeiterInnen

tätig, die jährlich an die 300.000 Gespräche führen.

3. Leistungen im Bildungsbereich

- Etwa 70.000 Schülerinnen und Schüler besuchen 335 katholische Schulen in Österreich (Tendenz steigend).

Dadurch erspart sich der Staat jährlich viele Millionen Euro.

- In den knapp 700 kirchlichen Kinderkrippen, Kindergärten, Horten) werden rund 40.000 Kinder betreut.

- In über 60 kirchlichen Einrichtungen für Erwachsenenbildung nehmen fast 900.000 Menschen an jährlich

etwa 28.000 Veranstaltungen teil.

- 770.000 katholische SchülerInnen (= 94 Prozent) besuchen zwei Stunden pro Woche den Religionsunterricht,

daneben aber auch zirka 15 Prozent aller SchülerInnen ohne religiöses Bekenntnis.

4. Leistungen im Kulturbereich

- Die Kirche erhält als größter Kulturträger Österreichs einen Großteil des kulturellen Erbes.

- Der Stephansdom ist mit jährlich 5,3 Millionen Besucherinnen und Besuchern die Top-Sehenswürdigkeit in

Österreich. Kirchliche Bauten und Museen ziehen ein Millionenpublikum an.

- Die Kirche renoviert ihre 12.000 kulturell wertvollen Gebäude selbst. Allein die Mehrwertsteuer dafür macht

mehr als die staatliche Denkmalschutzförderung. In 95 Klosterbibliotheken des Landes lagern mehr als 4

Millionen Bücher lagern, die vor Ort und großteils auch über Internet zugänglich sind.


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