__________________________________________________________________________
2
SWR2 Musikstunde 13.8.13
Thema: Prag, Musikstadt mit Moldau mit Jörg Lengersdorf
Wie geht das eigentlich? Durch Prag spazieren ohne einen Ohrwurm zu haben?
Vielleicht bin ich der einzige hier, der ängstlich den Befall vermeidet, aber
wahrscheinlich ist das nicht.
Die Moldau fließt nicht nur durch Prag, sie liegt auch in der Luft, wenn man so
möchte. Smetanas Moldau, sie ist hier allgegenwärtig.
Nun will man sich als Musiktourist in Prag vielleicht auch einmal mit der Prager
Musikszene beschäftigen, ohne gleich vom Moldauohrwurm angegriffen zu
werden, aber das ist gar nicht so einfach.
Denn hier kann der Ohrwurm von überall herkommen.
Vom Glockenspiel eines Kirchturms, aus den Boxen eines Souvenirshops, als
Tonsignal vor einer Verspätungsdurchsage am Bahnhof, aus einem
Strassencafe.
Vielleicht pfeift auch nur die freundliche Frau von der Busauskunft
heimtückisch leise die Moldau.
Wie auch immer er angreift: man hört die ersten Töne und kriegt das ganze
Stück nicht aus dem Kopf.
Und das ist mein Plan: Ich spaziere heute durch die Stadt und versuche, dem
Ohrwurm immer einen Schritt voraus zu sein…
Ein Tag ohne Ohrwurm.
Willkommen in Prag.
3
Musik 1, 2,20 min
Smetana, Bedrich (02.03.1824-1884) Böhmen
aus: Die Brandenburger in Böhmen {Oper}
Einzeltitel: Ballettmusik (I)
Orchester: Philharmonia Hungarica
Dirigent: Wolf, Robert
Labelcode: Z2323
Labelname: WDR Eigenproduktion
Verlag: Bärenreiter
Philharmonia Hungarica mit der Ballettmusik aus Smetanas erster Oper. Ein
patriotisch gesinntes Werk vom Freiheitskampf der Böhmen gegen Invasoren
aus dem Westen.
1862 schrieb Smetana dieses Werk, als er aus Göteborg zurück nach Prag
gekehrt war. Librettist dieser Oper war ein echter ehemaliger Revoluzzer: der
Dichter Karel Sabina, den man nach einem Todesurteil wegen revolutionärer
Umtriebe schließlich doch begnadigt hatte.
Der Titel dieser ersten Nationaloper vom späteren Nationalkomponisten
Smetana: „Die Brandenburger in Böhmen“.
Inzwischen bin ich, der Düsseldorfer in Prag, an diesem Sommermorgen im Jahr
2013 ins Herz der Stadt vorgedrungen.Ich gehe am Kleinseitner Ufer ein Stück
weit an der Moldau entlang und überquere dann die Karlsbrücke aus dem 14.
Jhd mit ihren normalerweise 30 Heiligenstatuen zu beiden Seiten der 16
Rundbögen. Mehrere Statuen fehlen heute Morgen – sie werden restauriert,
die Touristen scheint das wenig zu stören, sie strömen auch schon morgens zu
Tausenden über die Brücke – ich gehöre dazu.
4
500 Meter Brückenlänge weit schiebt sich ein Menschenpfropf zwischen
Straßenmalern, Musikanten und Gauklern hindurch, Wenige Meter hinter dem
Altstädter Brückenturm von 1380 biege ich leicht entnervt durch eine kleine
Unterführung rechts ab.
Plötzlich keine Menschen mehr. Ich wende mich noch einmal um eine Ecke und
befinde mich sozusagen unterhalb der Brücke am Moldauufer. Der Lärm von
unzähligen Stimmen über mir weht leise über den Fluss, beinahe hört man nur
das Rauschen des Wassers.
Keine Schlange, kein Gedränge. An diesem Morgen bin ich der erste Besucher
im winzigen Smetana Museum. Im ersten Stock ist es kühl und ruhig, es läuft
Musik.
Musik 2, 4.38min
Smetana, Bedrich
6 Charakterstücke, op 1: Das Schäfermädchen
Solist: Novotny, Jan {Klavier}
LC 00358
SUPRAPHON SU 3070-2111
Jan Novotny mit „Schäfermädchen”, dem 3. Satz aus dem allerersten Werk von
Bedrich Smetana, den Charakterstücken opus 1. Bedrich Smetana pflegte jeden
Abend am Ufer der Moldau spazieren zu gehen. Und im Prager Smetana
Museum, wo man die Moldau tatsächlich rauschen hört, das Museum liegt
sinnigerweise am Ufer direkt oberhalb einer breiten Staustufe, kann man zum
Beispiel Smetanas Flügel und viele Zeichnungen bewundern, die der Meister
während einer Therapie malte, die man ihm wegen entsetzlicher Ohrgeräusche
verordnete.
5
Ich staune bei meinem Besuch über wunderbare Gemälde einer hochbegabten
Ehefrau und über Kritzeleien der frühverstorbenen Tochter. Viele Dokumente
und Bilder belegen Smetanas Leidenschaft für die Jagd, aber auch sein
wahnhaftes Leiden am Verlust des Gehörs. Smetanas letzte Zuflucht war das,
was man damals ein Irrenhaus nannte. Lange lese ich die deutsch
geschriebenen Briefe eines Verzweifelten.
Auf dem Weg nach draußen entdecke ich, was ich beim Eintritt links liegen
gelassen hatte:
Smetanas Schulzeit, seine Lehrer, seine Zeugnisse, erste Kompositionsversuche.
Ich lese, dass die berühmte Clara Schumann nicht allzuviel von Smetanas Talent
hielt, dass Smetana seine ersten Kompositionsversuche trotzdem oder
vielleicht deshalb dem großen Franz Liszt gewidmet hat.
Jenem Franz Liszt, der sich direkt nebenan, am Moldauufer, eines Morgens
nach einer durchfeierten Nacht betrunken duellieren wollte.
Aus dem Museumsfenster versuche ich einen Blick auf die Sophieninsel zu
erhaschen, vielleicht 500 Meter entfernt stromaufwärts. Hier sollte das
Pistolenschiessen stattfinden.
Gottseidank hat Liszt das Duell verschlafen, auch das ist hier zu erfahren.
Geweckt wurde er zur Mittagsstunde nämlich von Kollege Hector Berlioz, der
die Anekdote ziemlich boshaft aufgeschrieben hat.
Musik 3, 4.38
Introduktion aus: Romeo et Juliette op. 17
Hector Berlioz
Philadelphia Orchestra Ricardo Muti
LC 00542, EMI 5099921764028
6
Das Philadelphia Orchestra unter Riccardo Muti mit der Introduktion zu Hector
Berlioz dramatischer Symphonie „Romeo und Julia“ op. 17. Es war diese
Symphonie, bei deren Prager Aufführung 1846 Franz Liszt zugegen war.
Anschließend soll Liszt beim Empfang endlos geredet haben und abschließend
endlos getrunken.
Berlioz hat all das gewohnt scharfzüngig in seine Erinnerungen einfließen
lassen, auch die Sache mit dem verpassten Duell.
Inzwischen habe ich, am Moldauufer der Altstadt flußaufwärts gehend, die
Sophieninsel erreicht, eine in die Moldau hineinragende Halbinsel, an deren
Ufer heute unzählige bunte Tretboote vertäut liegen. Ein paar dieser
Plastikboote haben die Form von riesigen weißen Schwänen. Unwillkürlich
muss ich an Wagner denken, auch der besuchte die Sophieninsel bei seinen
Pragaufenthalten.
Schon zu Wagners und Berlioz Zeit beherbergte die baumbestandene Oase ein
paar Attraktionen für Vergnügungssüchtige, Berlioz beschwerte sich zum
Beispiel über die unerträglichen Tingeltangel Kneipen. Musik, Bier und
Mädchen, alles wurde von Berlioz im Sinne des Wortes als zu leicht befunden.
Aber hier auf der Sophieninsel war eben neben Freibad und Rummel auch der
Standort des Ballhauses und Konzertsaales, in dem Berlioz 1864 seine eigenen
Werke dirigierte.
Liszt, Tschaikowsky, Wagner, alle waren mal da, Dvorak spielte hier im Saal sein
erstes Konzert.
An der Kopfseite finde ich eine Gedenktafel: Zdenek Fibich, 1850-1900. Von
allen Namen, die hier in der Luft liegen, gehört er zu den Unbekannteren.
Dennoch hat auch Fibich einen unsterblichen Beitrag geleistet zur langen Liste
der Prager Hits:
7
Musik 4, 4.11
Zdenek Fibich
Poem aus dem Idyll „Zwielicht“
Tschechische Philharmonie
Vaclav Neumann
LC 00358 Supraphon SU 31632011
Zdenek Fibichs Poem aus dem Idyll „Im Zwielicht“, hier gespielt von der
Tschechischen Philharmonie unter Vaclav Neumann.
Zdenek Fibich, geboren 1850, hat ein ziemlich umfangreiches Werk
hinterlassen. Dass man heute nur jenes Poem von ihm kennt, das zumeist
einigermaßen anonym auf CDs wie „unsterbliche Melodien aus Prag“ oder „Die
größten Hits vom Moldauufer“ veröffentlicht wird, liegt auch daran, dass Fibich
sich in seinem Restwerk dem böhmischen Nationalismus nicht anschließen
mochte. Dvorak und Smetana konnte man weltweit vermarkten als Vertreter
des spezifisch böhmischen Musikantentums, Fibich war nicht einzuordnen.
Fibichs Vater war Forstverwalter österreichischer Adeliger, seine Mutter eine
Wienerin. Leipzig, Paris, Mannheim – Fibichs Ausbildungsgang zum Musiker
war eine europäische Laufbahn.
Dennoch weist die Gedenktafel auf der Sophieninsel Fibich als Prager Musiker
aus. Fibich war in den 1870er Jahren Kapellmeister und Operndramaturg in
Prag.
Direkt gegenüber der Sophieninsel, an der Einbiegung zu einer kleinen
Seitenstraße, wohnte Fibich seit 1874.
Heute befindet sich im Erdgeschoss ein kleines und nicht besonders nettes
Cafe, gegenüber stehen riesige Baucontainer wegen der Renovierung der
Fassade des Nationaltheaters, ein furchtbares Parkhaus aus sozialistischen
8
Bauzeiten sperrt direkt vor den Fenstern der ehemaligen Fibich-Wohnung ein
düsteres Zufahrtsmaul auf. Prag ist schön, aber nicht überall. Ich gehe weiter
Über Fibichs kleine Seitenstrasse erreiche ich St. Adalbert, eine kleine Kirche
mit wunderschöner Marienkapelle und einem winzigen Konzertsaal im
Pfarrhaus. In unmittelbarer Nachbarschaft lebte zeitweise auch der Komponist
Josef Bohuslav Foerster, in dessen Autobiografie ich gestern abend noch einen
Blick geworfen hatte.
Musik 5, 4,25
Foerster, Joseph Bohuslav
Quintett D-dur, op 95 Allegro moderato
Aulos Bläserquintett
01083 Schwann MUSICA MUNDI Bestellnummer: 310051H1
Das Aulos Quintett mit dem Kopfsatz des D Dur Bläserquintetts von Joseph
Bohuslav Foerster, einem Mann, der Prag früh Richtung Westen verließ, sich in
Hamburg mit Gustav Mahler befreundete und später mit seiner Frau, der Star
Sopranistin Bertha Lauterer Foerster, nach Wien ging und schließlich in Prag
Professor wurde.
Ab seinem siebten Lebensjahr wohnte der kleine Josef Bohuslav Foerster hier
im Gerberviertel, entnehme ich dem Büchlein, das ich mitgebracht habe, um
mich im Prag der Musikgeschichte zurechtzufinden, in den oft leisen
Nebenstraßen und Gässchen, in denen die große Musik spielte.
Das gut 150 Seiten starke Bändchen „Spazierwege durch das musikalische Prag“
von Wolfgang Dömling wird mich in den nächsten Tagen immer wieder auf den
rechten Weg führen.
Hier in der Nachbarschaft von St. Adalbert roch der kleine Josef Bohuslav
Foerster den strengen Geruch der Gerberstuben. So klein war die Wohnung
9
seiner Kindheit, dass der Dreikäsehoch Josef unter dem Flügel seines Vaters,
des Kirchenmusikdirektors, in einer Kiste schlafen musste.
Der Name Josef Bohuslav Foerster wird mir in den nächsten Tagen immer
wieder begegnen. Aber noch treibt mich die erste Neugier voran. Hier, am
Rande des ehemaligen Gerberviertels versteckt Prag nämlich noch einen
weiteren Zeitgenossen der böhmischen Spätromantik. Geht man von St.
Adalbert wieder in Richtung Moldauufer, findet man gegenüber der Südspitze
der Sophieninsel die Wohnung von Viteszlaw Novak, einem
Kompositionsprofessor vom Prager Konservatorium und Sammler
osteuropäischer Folklore.
Eine moravisch slowakische Suite ist das berühmteste Werk von Novak. Ich
verstehe sofort, warum, als ich mir im CD Laden daraus vorspielen lasse…
Musik 6, 4.11
Viteszlaw Novak
„Die Liebenden“ aus der slowakisch moravischen Suite op.32
Tschechische Philharmonie,
Vaclav Neumann
LC 00358 Supraphon SU 31632011
„Little Pearls of Czech Classic“ – kleine Perlen der tschechischen Klassik – so
heisst die CD, auf der sich dieses Stück vom Prager Komponisten Vitezslaw
Novak befindet. Die Tschechische Philharmonie Prag wird geleitet von der
Prager Dirigentenlegende Vaclav Neumann. Und Prag bietet tatsächlich jeden
Anlass, Ansammlungen von Schlagern der tschechischen Musikgeschichte
feilzubieten. Warum auch nicht? Den Moldauohrwurm bin ich jedenfalls
spätestens jetzt erst einmal los.
10
Und so mache ich mich nun, um die Mittagszeit, einen anderen
Ohrwurmlieferanten der Prager Musikgeschichte zu suchen.
Vor zehn Jahren, als ich zum letzten Mal in Prag war, standen an jeder Ecke
Menschen mit Puderperücken und Rokokokostümen, um lächelnd Flyer zu
verteilen: Mozartkonzert hier, Mozartkonzert dort, Mozartkonzerte überall.
Die Menschen in den Puderperücken sind 2013 weniger zahlreich als damals,
die Mozartkonzerte nicht, überall hört man die größten Hits des Salzburger
Komponisten. Oder war Mozart vielleicht doch ein Prager Komponist? Und
wenn ja, warum?
Um die Antwort auf diese Frage zu finden, gehe ich rechtwinklig zur Moldau die
riesige Narodni Trida entlang, eine der Hauptverkehrsadern Prags, vorbei an
einem riesigen Thai Massagezentrum, der Filiale einer Schnellrestaurantkette,
Musikclubs, Kinos…
Dann biege ich links in einen Innenhof. Mittagssonne, keine Schatten, überall
Cafes und Geschäfte dicht gedrängt auf wenige Quadratmeter, wieder sind die
Menschenmassen da.
Ich habe Durst, bestelle im Cafe ein Wasser und denke plötzlich an Wein…
vielleicht liegt es am Ort, an dem ich mich befinde.
Musik 7, 1.22
W.A. Mozart
Champagnerarie aus „Don Giovanni“
Ruggero Raimondi
Orchestre de l´opera de Paris/ Lorin Maazel
CBS 351923 LC 00149
11
Ruggero Raimondi begleitet vom Pariser Opernorchester unter Lorin Maazel
mit Don Giovannis „Champagnerarie“.
Ja, hier im Innenhof, in dem ich mein Wasser trinke, entstand sozusagen dieser
Gassenhauer.
Prag ist die Stadt, in welcher Don Giovanni das Licht der Welt erblickte. Hier
wurde die Oper der Opern uraufgeführt. Hier wurde der daheim so oft
enttäuschte Mozart vorbehaltlos vom Publikum geliebt. Mozarts Librettist
Lorenzo Da Ponte wohnte 1787 sozusagen direkt um die Ecke, auch wenn
heutzutage nach vielen baulichen Veränderungen nur noch wenig an die
Atmosphäre erinnern dürfte, die Ende des 18 Jhds hier herrschte.
Praktisch denkend wohnte Kollege Mozart zumindest sporadisch während der
Arbeit am Don Giovanni nebenan, verlässt man den Innenhof zur anderen
Seite, kommt man auf den ehemaligen Prager Kohlenmarkt, und hier befindet
sich noch heute das Gasthaus „Zu den drei Löwen“. Ob Mozart während der
Don Giovanni Proben tatsächlich viel Zeit hier verbrachte, bleibt zweifelhaft.
Zumindest hatte man ihm hier ein Zimmer gemietet.
Und tatsächlich ist es von hier nur ein paar Steinwürfe weit bis zum
Ständetheater, einem herrlichen Rokokobau von 1783.
Spätestens ab der triumphalen Don Giovanni Premiere vier Jahre nach
Eröffnung hat dieses Theater immer wieder Musikgeschichte geschrieben. Carl
Maria von Weber war Musikdirektor zwischen 1813 und 1816, Gustav Mahler
leitete das Haus immerhin in jener Saison 1885, in denen seine Lieder eines
fahrenden Gesellen fertig wurden.
Vielleicht konnte man damals in den Probenräumen den arbeitenden Mahler
hören, der Freunden am Klavier aus der Partitur vorspielte. Wie in der
folgenden Aufnahme einer Welte Mignon Klavier- Rolle, die Mahler selbst
eingespielt hat:
Mahler spielt Mahler: Ging heut´ morgen übers Feld…
12
Musik 8, 2.57
Gustav Mahler spielt Gustav Mahler
„Ging heut morgen übers Feld“ aus: Lieder eines fahrenden Gesellen
IMP Golden Legacy
Bezug über Amazon ASIN: B00483EOMA
Die Aufnahme eines historischen Augenblicks: Gustav Mahler selbst hat diese
gestanzte Automatenrolle für ein Welte Mignon Klavier eingespielt. „Ging heut
morgen übers Feld“ – aus den Liedern eines fahrenden Gesellen, zwischen
1883 und 1885 komponiert, teilweise in jener Saison also, als Gustav Mahler
Dirigent am Prager Ständehaus war, natürlich hat auch Mahler hier Mozart
dirigiert.
Jetzt stehe ich also vor dieser ehrwürdigen Stätte und schaue auf die Plakate,
welche die nächsten Konzerte ankündigen:
Mozart, Mozart Greatest Hits, The best of Mozart, Mozartissimo….
Von einem flanierenden Touristen lasse ich mich neben der berühmten
Skulptur von Anna Chromy von 1993 fotografieren, die die Statue des Komturs
aus Don Giovanni so unheimlich in Szene setzt. Alles Mozart, oder was?
Nicht ganz. Mein Reiseführerbüchlein klärt mich auf: Einen Höhepunkt des
Ständetheaters markiere die Ära Frantisek Skroup zwischen 1837 und 1857. In
jenen Jahrzehnten war Skroup erster Kapellmeister am Ständetheater und
machte Prag zu einer herausragenden Wagner Hochburg.
Und Skroup komponierte nicht nur die Melodie zur heutigen Nationalhymne
von Tschechien. Er komponierte auch mehrere Opern. Konservative Wagner
Hasser diskreditierten Skroup in Prag Ende der 1850er jahre allerdings so
nachhaltig, dass er bald darauf die tschechische Heimat Richtung Rotterdam
verliess.
13
Von 1855, aus den späten Prager Jahren, stammt Skroups letzte Oper
„Columbus“.
Skroup, Frantisek Jan, 5:30
Werktitel: aus: Columbus {Oper}
Einzeltitel: Ouvertüre
Orchester: Prager Rundfunk-Sinfonie-Orchester
Dirigent: Dyk, Frantisek
Labelcode: 06495
Labelname: Multisonic
Bestellnummer: 310153-2
Das Prager Rundfunk Sinfonieorchester unter Frantisek Dyk mit der 1855
entstandenen Ouvertüre zur Oper „Columbus“ von Frantisek Skroup. Jenes
Komponisten also, dessen Melodie aus einer anderen Oper heute als
tschechische Nationalhaymne verwendet wird. Für heute beende ich damit
meinen Spaziergang durch die Prager Musikgeschichte, denn auch das Prager
Bier soll geschichtsträchtig sein, stellt aber kein Thema für eine SWR2
Musikstunde dar. Und so suche ich meinen Weg vom Ständetheater inmitten
unzähliger anderer Touristen zurück zur Karlsbrücke, kein Problem, man muss
nur dahin gehen, wohin der Menschenstrom zieht.
Auf der Karlsbrücke ist es nun noch voller geworden, was kaum zu glauben ist,
aber der Prager Burgberg mit dem Veitsdom jenseits der Moldau lockt im
unglaublich schönen Licht eines Sommernachmittags. Wieder kommt jeder
Personenverkehr auf der Fußgängerbrücke alle paar Meter zum Stillstand.
Diesmal musiziert eine Jazzband auf der Karlsbrücke. Hier gibt es kein
Entkommen mehr… Er hat mich eingeholt, der Ohrwurm….
14
Musik 10, mit Beginn einsteigen (Thema!!), zum Schluss ausblenden,5:00
Tim Kliphuis
Moldau Swing
CD Counterpoint Swing
Label Lowland Records 2008; 880992141444
LC 24120
Anmerkung des Autors:
Die Idee zu dieser Sendung entstand, als ich in einem Düsseldorfer Antiquariat an einem
Nachmittag dieses Jahres sowohl die 800 Seiten starke Autobiografie des Prager Komponisten Josef
Bohuslav Foerster entdeckte, als auch ein kleines Bändchen mit dem Titel „Spaziergänge durch das
musikalische Prag“.
Das hervorragende Buch des Musikwissenschaftlers Wolfgang Dömling ist neu meines Wissens
nicht mehr erhältlich, aber nach kurzer Internetrecherche findet sich meist der ein oder andere
Händler, der das Buch noch verfügbar hat.
Vieles in Prag hat sich seit der Erscheinen des Buches geändert, manches ist kaum
wiederzuerkennen, aber als Ausgangspunkt für eine Spurensuche wurde das Buch auf den
Spaziergängen unentbehrlich.