Bayerischer Landtag 12. Wahlperiode Plenarprotokoll 12/10
05.03.91
10. Sitzung am Dienstag, dem 5. März 1991, 15.00 Uhr,
in München
Geschäftliches .............. 454, 468, 470 Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ver-
Nachruf auf den ehern. Abg. Hümer ....
Geburtstagswünsche für Abg. Sackmann
Aktuelle Stunde gern. § 75 GeschO auf Antrag der Frakt. der SPD zum Thema:
Auswirkungen der katastrophalen Finanzsituation der neuen Bundesländer und ihrer Kommunen auf den Freistaat Bayern
454
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Hiersemann (SPD) . . . . . . . . . . 454, 463 Wengenmeier (CSU) . . . . . 455 Frau Kellner (DIE GRÜNEN) . . . 456 Dr. Doeblin (FDP) . . . 457 von Heckei Max (SPD) . . . . . . 457 Tandler (CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 458, 460 Kamm (DIE GRÜNEN) . . . . . 459 Staatssekretär Dr. Meyer . . . 460 Falk (CSU) . . . . . . . . . . . 462 Frhr. von Gumppenberg (FDP) 463 Staatsminister Dr. Stoiber . 464 Will (CSU) . . . . . . . . 466 Loew (SPD) . 467 Engelhard Rudolf (CSU) . . 468
Erklärung gern. § 110 GeschO
Tandler (CSU) ....... .
Gesetzentwurf der Abg. Glück Alois, Diethei, Kling u. a. u. Frakt. CSU zur Änderung des Sllyerischen lngenieurkitmmergesetzes Bau (BayiUKaBauG) - Drs. 12/662 -
- Erste Lesung -
Beschluß ............. .
Schreiben des Bundesverfassungsgerichts -Zweiter Senat - vom 18. 01. 91 betr. Antrag des Herrn Wüppesahl, MdB, festzustellen, daß der Antragsteller In seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Grundgesetz durch die Behandlung von Abänderungsallträgen bei der 2. Beratung des Entwurfes eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. 05. 90 über die Schaffung einer
469
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letzt worden ist
Beschlußempfehlung des schusses (Drs. 12/701)
Beschluß ...
Verlassungsaus-
Haushaltsplan 1991/1992 des Einzelplans 06 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen
und
Änderungsantrag der Abg. Max von Heckei, Schieder u. a. SPD zum Haushaltsplan 1991/1992; hier: Verbesserung der Stellenplansltuation bei den Finanzämtern - Kap 0605 - (Drs. 12/524)
Beschlußempfehlungen des Haushaltsausschusses (Drs. 12/600, 12/573)
469
Strahle (CSU), Berichterstatter 470 Schieder (SPD) . . . . 471 Dr. Zech (FDP) . . . . 471 Kamm (DIE GRÜNEN) 473 Strehle (CSU) . 475 ~roßer (FDP) 476
Abstimmung . . .
Schlußabstimmung
477
477
Beschluß . . . . . . 477
Abstimmung über Anträge, die nicht einzeln beraten werden (Anlage 2)
Beschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
Antrag der Abg. Dr. Fleischer, Kamm, Kellner u. Frakt. DIE GRÜNEN betr. Keine Subventionierung der Entwicklung von Reglonalflugzeu-gen (Drs. 12/317) ·
Besehlu8empfehlungen des Wirtschafts- und des Haushaltsausschusses (Drs. 12/494, 12/597)
Dr. Magerl (DIE GRÜNEN), Berichterstatter . 478 Kamm (DIE GRÜNEN) . . . . 478, 481
454 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperi6de .:, "'~' :. Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
Dinglreiter (CSU) ....... . Naumann (SPD) .... . Frhr. von Gumppenberg (FDP)
. . 480
. . 480 481, 482
Beschluß ..
Dringlichkeitsantrag der Abg. Paulig, Schramm, Scheel u. a. u. Frakt. DIE GRÜNEN betr. Raumordnungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb eines Technologie- und Recyclingzentrums bestehend aus Metalleufbereltung und Umschmelzanlagen für Nichteisenmetalle und Nebeneinrichtungen (Drs. 12/414)
Beschlußempfehlungen des Landesentwicklungs- und des Wirtschaftsausschusses (Drs. 12/488, 12/711)
Frau Paulig (DIE GRÜNEN),
482
Berichterstatterin . . . . . . . . . . . . . . . 482 Frau Paulig (DIE GRÜNEN) . . . . . . . . 483, 485 Frau Schweder (CSU) 484 Schultz (SPD) 484 Großer (FDP) 485
Beschluß .... 486
Schluß der Sitzung 486
Beginn der Sitzung: 15 Uhr 02 Minuten
Präsident Dr. Vomdran: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 10. Vollsitzung des Bayerischen Landtags.
Hörfunk und Fernsehen des Bayerischen Rundfunks sowie Pressefotographen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Ihre Zustimmung vorausset-zend, wurde sie erteilt. ·
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.
(Die Anwesenden erheben sich)
Am 27. Februar 1991 verstarb nach langer schwerer Krankheit Herr Peter Hümer im Alter von 50 Jahren. Er war von 1976 bis 1982 Abgeordneter des Wahlkreises Mittelfranken in der Fraktion der FDP. In den.acht Jahren seiner Zugehörigkeit zum Bayerischen Laridtag engagierte sich Peter Hürner in mehreren Ausschüssen. Seine reichen ·beruflichen Kenntnisse· als Diplomvolkswirt brachte er vcir allem in .die Arbeit des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes ein. Peter Hürner war ein überzeugter Parlamentarier, der sich in ErfüUung des Wählerauftrages bleibende Verdienste erworben hat. Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren.
Sie haben sich zu Ehren des Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich darf nachträglich noch einen G 1 ü c k w u n s c h aussprechen:
Am 1. März feierte unser Kollege Markus Sackmann seinen 30. Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des Hohen Hauses und persönlich sehr herzlich und wünsche ihm alles Gute und viel Erfolg bei der Erfüllung seiner parlamentarischen Aufgaben.
Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 1:
Aktuelle Stunde
Die .Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 21. Februar 1991 eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema:
Auswirkungen der katastrophalen Finanzsituation der neuen Bundesländer und Ihrer Kommunen auf den Freistaat Bayern
Die Dauer der Redezeit ist wie immer auf eine Stunde begrenzt. Die einzelnen Redner dürfen nicht länger als fünf Minuten sprechen. Wenn ein Mitglied der Staatsregierung in dieser seiner Eigenschaft das Wort nimmt, wird die Zeit seiner Rede nicht mitgerechnet. Ich bitte Sie, auf mein Signal zu achten.
Der erste Redner ist der Abgeordnete Hiersemann.
Hlersemann (SPD): Herr Präsident, meine sehr geehrten. Damen und Herren! Drei Monate sind an sich ein sehr kurzer Zeitraum. Doch diese drei Monate waren lang genug, um mit ausreichender Beweiskraft zu zeigen, daß das alte deutsche Sprichwort „Lügen haben kurze Beine" durchaus seine Berechtigung hat.
(Bettall bei der SPD)
Denn all das, was CDU/CSU und auch die FDP vor den Landtags- und Bundestagswahlen zur Finanzierung der Kosten der Deutschen Einheit den Bürgerinnen und Bürgern gesagt haben, war falsch, mehr noch: war erstunken· und erlogen.
(Beifall bei der SPD)
Weil sie sich daran nicht gerne erinnern lassen, muß man Ihnen einiges vorhalten. Auf unser ständiges Nachfragen, was denn die. Deutsche Einheit nun koste, erklärte der frühere Finanzminister Ta n d 1 e r .in einer Pressemitteilung seines Hauses am 18. Mai 1990:
Die Deutsche Einheit ist problemlos zu finanzieren.
Am 16. Mai 1990 teilte das Finanzministerium mit:
Tandler: Die _Finanzierung der Deutschen Einheit ist gesichert, ohne daß die Bürger der Bundesrepublik zusätzrich belastet werden.
Ihr Generalsekretär erklärte anläßlich einer Wahlveranstaltung in Haimbach wörtlich:
Es bleibt dabei, es gibt keine Steuererhöhungen
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(Hiersemann [SPD])
für die Deutsche Einheit. Diese Garantie kann Ihnen nur die Regierung Helmut Kohl geben.
(Lachen bei der SPD)
Dann eine großangelegte Anzeigenkampagne vom 23. November 1990:
Kohls Wort: Es bleibt dabei. Keine Steuererhöhung für die Deutsche Einheit. Wir reden vor der Wahl nicht anders als nach der Wahl.
(Lachen bei der SPD)
Und so weiter und so fort. Auch bei der Regierungserklärung in diesem Haus, Herr Ministerpräsident, spielte das Thema eine Rolle. Ich zitiere aus Ihrer Rede vom 12. Dezember 1990:
Die Aussage, daß zur Finanzierung der Deutschen Einheit keine Steuererhöhungen notwendig sind, gilt nach wie vor.
Das haben Sie sogar noch nach der Bundestagswahl aufrechterhalten.
Ich will Ihr Verhalten mit einem Zitat aus einer Zeitung, auf die Sie sich sonst immer so gerne stützen, nämlich die Bildzeitung, qualifizieren.
(Oh, oh! bei der CSU)
- Diese Zeitung werden Sie sich jetzt auch einmal vorhalten lassen müssen. Schließlich haben Sie sie sonst oft und gern gegen uns ins Feld geführt.
(Abg. Alois Glück: Die Bildzeitung habe ich nie zitiert!)
Ich selbst könnte es nicht besser formulieren als „Bild":
Wir von „Bild" finden für das Vorgehen der Bonner Regierungskoalition nur ein Wort: schamlos!
Das ist wohl wahr, denn noch nie in der Nachkriegsgeschichte hat eine Bundesregierung die Bürgerinnen und BOrger dieses Landes so belogen und betrogen wie Sie.
(Beifall bei der SPD)
Und jetzt versuchen Sie - mit unterschiedlichem Mut zum Anstand - das auch noch zu vertuschen.
Der Herr Lambsdorff hat wenigstens noch den Mut gehabt zu sagen: „Wir haben uns geirrt!", und auch der Herr Kohl hat gesagt: „Wir haben das falsch eingeschätzt!" Den Gipfel der Unverfrorenheit aber erreicht Ihr Finanzminister in Bonn und CSU-Landesvorsitzender Theo Waigel, der selbst heute noch versucht, so zu tun, als seien die Steuererhöhungen nicht wegen der Deutschen Einheit, sondern wegen des Gott-Krieges erforderlich. Dazu soll es allerdings selbst in Ihren Reihen Debatten geben. Deshalb sollten Sie Ihren eigenen Landesvorsitzenden endlich einmal dazu ermuntern, mehr Mut zur Wahrheit zu haben und diese Lüge nicht heute noch aufrechtzuerhalten.
Da Sie durch die Steuererhöhungen 46 Milliarden DM pro Jahr mehr einkassieren, der Golf-Krieg aber nur
zwischen 13 und 17 Milliarden DM gekostet hat, müssen Sie uns schon erklären, wofür Sie den Rest, wenn nicht zur Finanzierung der Deutschen Einheit, denn brauchen.
(Beifall bei der SPD)
Solche Lügen sind viel zu durchsichtig.
Nun sagen Sie, Sie hätten sich geirrt. - Warnungen gab es nicht nur von der SPD, sondern von allen Fachleuten in ausreichendem Maß. Auch ist der Zusammenbruch von Wirtschaft und Verwaltung in der ehemaligen DDR nicht wie vom Himmel über Sie gekommen:
Erstens. Die Staatsverträge haben den Fehler, auf die kommunalen Finanzen nicht hinreichend Rücksicht genommen zu haben.
Zweitens. Der gesamte RGW-Markt ist zusammengebrochen. Das war absehbar, Sie haben ihn über die D-Mark mit dem 1. Juli plattgewalzt.
Drittens. Wir wußten von Anfang an, daß die Produktivität in den fünf neuen Bundesländern im Verhältnis von etwa 1 : 3 zu unserer Produktivität steht.
Dies war absehbar. Wir haben Sie immer davor gewarnt, diesen Weg zu gehen. Aber Sie haben uns, insbesondere Lafontaine, im Wahlkampf deswegen in einer miesen Art und Weise angegriffen. Nach all dem, was Sie sich erlaubt haben, wäre wenigstens ein Wort der Entschuldigung heute angebracht gewesen.
(Beifall bei der SPD)
Darüber hinaus leisteten Sie sich Verteilungs- und sozialpolitische Skandale ohnegleichen. Sie belasten über die Steuererhöhungen eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 3500 DM mit ca. 1330 DM im Jahr, erleichtern gleichzeitig die Finanzierung der Kosten aber nicht etwa, sondern erschweren sie, indem Sie Vermögensteuer und Gewerbekapitalsteuer abschaffen wollen. Das heißt, Sie ziehen den normalverdienenden Menschen jährlich rund 1300 DM aus der Tasche, während Sie über die Abschaffung der Vermögensteuer gleichzeitig dem Haus Thurn und Taxis eine Steuererleichterung in Höhe von rund fünfzig Millionen DM pro Jahr verschaffen. Dies halte ich für einen sozialen Skandal erster Ordnung.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen fordern wir Sie auf, endlich das „S" in Ihrem Namen, das „sozial" heißen soll, ernst zu nehmen, die Bundesregierung bei diesem unerträglichen Vorhaben zu stoppen' und ihr endlich klar zu machen: Man kann nicht den vielen Millionen normalverdienenden Menschen das Geld wegnehmen, um einige Milliardäre in diesem Land auszupolstern.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Dr. Vorndran: Das Wort hat Herr Abgeordneter Wengenmeier.
Wengenmeler (CSU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Steuererhöhungen sind keine angeneh-
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(Wengenmeier [CSU])
men Mittel der Politik. Sie sind notfalls das letzte Mittel, wenn es darum geht, nationale Aufgaben zu bewältigen und zu finanzieren. So haben wir immer gesagt, und so haben wir es auch gehalten. Wenn es nach der SPD gegangen wäre, hätten wir heute wahrscheinlich die dritte oder vierte Steuererhöhung. Das ist von Ihnen ja mehrfach angekündigt worden.
(Beifall und So ist es! bei der CSU)
Die Bundesregierung, CDU/CSU und FDP, standen vor der Frage, noch mehr Schulden zu machen und damit die Stabilität unserer Währung in Gefahr zu bringen, oder vorübergehend - auf ein Jahr begrenzt - mehr Steuern einzuheben.
(Abg. Hiersemann: Hätten Sie das doch schon vorher gesagt!)
Wir haben uns für das letzte entschieden, weil es, so glaube ich, insgesamt vernünftiger ist. Es ist eine Belastung, die man vertreten kann. Der Freistaat Bayern muß auch hier seinen Beitrag leisten. Wir werden das auch tun, wir werden das dem Bund nicht allein überlassen, um das Ziel zu erreichen, das wir uns gesetzt haben, nämlich die Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern langsam, aber sicher zu verbessern.
lassen Sie mich, meine Damen und Herren, kurz einige Zahlen dazu nennen, damit jeder weiß, welche Leistungen in den nächsten vier Jahren auf Bayern zukommen:
Es sind aus dem Deutschlandfonds 2120000000 DM. Davon müssen die Gemeinden 806 Millionen DM leisten. Aus der Neuverteilung der Umsatzsteuer werden auf Bayern 5271 000000 DM zukommen. Zusätzlich werden die Gemeinden dazu einen Beitrag von 1322000000 DM leisten. Damit werden mi.t der Umverteilung der Umsatzsteuer und dem Deutschlandfonds die bayerischen Gemeinden und der Freistaat Bayern zwischen 1991 und 1994 nach bisherigem Kenntnisstand insgesamt fast 6,6 Milliarden DM beisteuern; um die Finanzierung in den neuen Ländern sicherzustellen.
Weiter leistet Bayern einen erheblichen Beitrag zur Installation und zum Aufbau eines vernünftigen, leistungsfähigen Verwaltungsbetriebs. Ich möchte auch hier die Zahlen nennen, 1990 hat Bayern mit 660 Bediensteten und insgesamt 14530 Tagesleistungen in Thüringen und in Sachsen ausgeholfen. Jetzt stehen im Haushalt zusätzlich 200 Planstellen in einem Pool für bayerische Beamte zur Verfügung, die in den neuen Bundesländern Hilfestellung zum Aufbau einer vernünftigen Verwaltung leisten sollen.
(Beifall bei der CSU)
Präsident Dr. Vomdran: Das Wort hat Frau Abgeordnete Kellner.
Frau Kellner (DIE GRÜNEN): Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Nun also ist die Stunde der Wahrheit gekommen, und die Mitglieder der Regie-
rungsparteien müssen erkennen, daß Steuerlügen kurze Beine haben.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Sie konnten sich gerade noch über den Wahltag retten, dafür bricht jetzt das finanzielle Desaster um so deutlicher herein. Wer je einmal in der früheren DDR war, müßte wissen, daß es mit .Marktwirtschaft allein nicht getan sein wird. Im Prinzip konnten auch alle Bürgerinnen und Bürger der alten Bundesländer ahnen, daß es ohne Steuererhöhungen nicht abgehen wird. Mitleid habe ich nur mit den Menschen in der ehemaligen DDR, die jetzt erkennen müssen, daß falsche Versprechungen nicht allein Privileg des SEDRegimes waren.
(Beifall bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CSU)
Die Finanznot der neuen Länder ist riesig. Man spricht von 50 Milliarden DM. Allein Leipzig hat ein Defizit von 1,6 Milliarden DM, 70 Prozent des Gesamthaushalts. In anderen Städten ist es ähnlich. Können westdeutsche Städte mit 2800 DM Zuweisungen pro Einwohner rechnen, so bleiben für die ostdeutschen Kommunen gerade schlappe 550 DM. Um also die neuen Bundesländer nicht zu einem Mezzogiorno im Osten zu machen, ist eine gewaltige Umverteilung nötig. Die Spekulantenmafia ist längst da.
Ein erster Schritt hierzu war die Neuverteilung der Umsatzsteuer, die für den Freistaat dieses Jahr Einnahmeverluste von 600 Millionen DM bringen wird. Des weiteren ist mit Mindereinnahmen beim Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, bei der Strukturhilfe und bei den Gemeinschaftsaufgaben zu rechnen.
Jetzt müssen die Zahlen auf den Tisch und nicht erst kurz vor der Verabschiedung der Einzelpläne. Daß die Wohnungs- und Städtebauförderung nicht entsprechend aufgestockt wurde, hat angesichts des Wohnungsmarktes schlimme Folgen. Wird 1992 die Vermögenssteuer abgeschafft, ist das nochmal ein Ausfall von einer runden Milliarde DM.
Nun macht es sich der Freistaat leicht und bittet seinerseits die Kommunen zur Kasse. Ich erinnere an die Kürzung des Grunderwerbsteueranteils, die Nichtweitergabe der Ausgleichszahlung für entgangene Kfz-Steuer und nicht zuletzt an die Umschichtung von 81,2 Millionen DM aus dem kommunalen Kfz-Steueranteil auf den Staatsstraßenbau.
(Abg. Wengenmeier: Was hat das mit der DDR zu tun?)
- Ja, weil Sie halt das Geld für andere Sachen brauchen! Die Gewerbekapitalsteuer wird den Kommunen 1992 auch noch geraubt, und an der Erhöhung der Lohn- und Einkommensteuer haben weder Land noch Kommunen Anteil, da sie zur Abgabe deklariert wurde.
Festzustellen bleibt, daß die FDP ihr Klientel ganz gut vertreten hat. Es gibt keine Ergänzungsabgabe, dafür aber Steuergeschenke für diejenigen, die ohnehin schon fette Gewinne einfahren. Die Zeche zahlen wie üblich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
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(Frau Kellner [DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren von der CSU! Was Sie uns hier vorexerziert haben, ist weder sozial und schon gleich gar nicht christlich. In der Konsequenz sollten Sie über eine Namensänderung Ihrer Partei nachdenken!
(Beifall bei den GRÜNEN)
Präsident Dr. Vorndran: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Professor Doeblin das Wort.
Dr. Doeblln (FDP): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bekenne mich zu denen, die im letzten Jahr der Ansicht waren und die dies übrigens auch heute noch sind, daß der Versuch gewagt werden mußte, den Aufbau der maroden Wirtschaft der ehemaligen DDR ohne Steuererhöhungen durchzuführen. Ich halte das Konzept, mit Hilfe des Fonds Deutsche Einheit diese Finanzierung durchzuführen, wenn auch nur überwiegend, für richtig. Dahinter steht der Gedanke, die Kosten der Einheit nicht ausschließlich der in den alten Bundesländern lebenden Bevölkerung aufzubürden. Deshalb halte ich es für vernünftig, über Anleihen die Kosten der Einheit international zu streuen; das ist der Kern des Fonds Deutsche Einheit. Dadurch wird verhindert, daß in den alten Bundesländern die Mitbürger durch Konsumverzicht und die Unternehmen durch Investitionsverzicht innerhalb weniger Jahre den gesamten Wiederaufbau der neuen Bundesländer finanzieren müssen. Dies wäre bei uns politisch auch nicht durchsetzbar gewesen.
So hat man den Weg gewählt, die Kosten der Einheit auf möglichst viele Schultern international zu verteilen und die Kosten über Zins- und Tilgungszahlungen über mehrere Generationen hinweg uns, und das heißt: auch den Deutschen in den neuen Bundesländern, aufzubürden.
Im übrigen erinnere ich daran, daß wesentliche politische Kräfte den Prozeß der Deutschen Einheit im letzten Jahr nicht mit großem Optimismus und mit Zustimmung begleitet haben. Ich weiß nicht, ob es uns gelungen wäre, in diesem zeitgeschichtlich unerhört kurzen Moment, in dem die Deutsche Einheit möglich war, ein Konzept zur Finanzierung mit Hitte zusätzlicher Steuererhöhungen zu entwickeln und durchzusetzen. Dies hätte Wasser auf die Mühlen derjenigen geleitet, die ohnehin gegen die Deutsche Einheit waren oder die durch ein längerfristiges Hinauszögern des Prozesses dieser deutschen Einheit nur Zeit gewinnen wollten.
(Beifall bei FDP und CSU)
Wie gesagt, es mußte der Versuch gewagt werden, der ehemaligen DDR wieder auf die Beine zu hatten, und zwar ohne Steuererhöhungen.
Was muß nun, außer der Steuererhöhung, geschehen? Hier kann man an dem Stichwort „Treuhandanstalt'' nicht vorbeigehen. Ich teile die Kritik von Wirtschaftsminister Lang, daß diese Treuhandanstalt die notwendigen Entscheidungen verschleppt. Herr Lang wird daher sicherlich auch die Forderung der FDP unterstützen, daß die Zuständigkeit für die Treuhandan-
stalt schnellstmöglich dem Bundeswirtschaftsministerium zugeteilt wird.
(Beifall bei FDP und GRÜNEN)
Ein weiterer wichtiger Bereich, der in den neuen Bundesländern dringend beschleunigt werden muß, ist der Aufbau einer leistungsfähigen Telekommunikationsstruktur. Wir müssen feststellen, daß die Deutsche Telecom offensichtlich nicht die Flexibilität und Marktorientierung besitzt, um die notwendigen Entscheidungen schnellstmögflch zu realisieren. Hier muß dringend Wettbewerb, auch aus dem Ausland, ermöglicht werden. Ich begrüße außerordentlich, daß durch Bundeswirtschaftsminister Möllemann das Gemeinschaftswerk „Aufschwung Ost" in Gang gesetzt worden ist. Das ist besonders für kommunale Investitionen in Krankenhäuser, Schulen und Altersheime wichtig, für die allein eine Summe von fünf Milliarden DM zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren! Mit großer Sorge sehen wir die Tendenzen gerade bei den Gewerkschaften, die Einkommen in den neuen Bundesländern relativ kurzfristig an das Niveau der alten Bundesländer heranzuführen. Die Kombination von westdeutschen Löhnen und ostdeutschen Produktionsstrukturen ist absolut arbeitsplatzvernichtend.
(Beifall des Abg. Spitzner)
Ich glaube auch nicht, daß die vielzitierte Opferbereitschaft der Bürger in den alten Bundesländern eine Lohnpolitik in den neuen Bundesländern finanzieren wird, die weit über das hinausgeht, was aufgrund der Produktivität gerechtfertigt wäre.
Der Weg der Normalisierung der Verhältnisse in den neuen Bundesländern ist ein sehr steiniger Weg. Wir, die Politiker in den alten Bundesländern, sollten alles tun, um den Menschen drüben zu helfen, diesen schweren Weg so schnell wie möglich zu gehen. Und wir sollten alles vermeiden, was den Bürgern drüben die Dinge noch schwerer macht, wir sollten insbesondere Streit nur um des Streites willen vermeiden. Ich danke Ihnen.
(Beifall bei FDP und CSU)
Präsident Dr. Vomdran: Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Heckei.
von Heckei (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Wengenmeier hat auf den Fonds Deutsche Einheit und auf die Auswirkungen der auf der Konferenz der Ministerpräsidenten der Bundesländer mit dem Bundeskanzler beschlossenen vollen Einbeziehung der neuen Länder in die Mehrwertsteuerverteilung hingewiesen. Er hat wohlweislich verschwiegen, daß darüber hinaus die Strukturmittel, die seinerzeit von der niedersächsischen Landesregierung unter Albrecht dem Bund abgehandelt worden sind, und erhebliche Mittel für den Wohnungsbau, die Städtebauförderung, die Wirtschaftsförderung, den Straßenbau und insbesondere die Gemeindeverkehrsfinanzierung ebenfalls in die neuen Bundesländer umgeleitet werden urid daß diese Mittel natürlich herüben zusätzlich fehlen.
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(von Hecke! [SPD])
Die Folge ist, daß der Bundesfinanzminister von den über 80 Milliarden DM, die im Bundeshaushalt schon in diesem Jahr in die neuen Bundesländer fließen, einen erheblichen Anteil durch Kürzung der Mittel gewinnt, die den alten Bundesländern zustehen. Und was macht der Freistaat Bayern? Er hält sich an den Kommunen schadlos.
Über Ihre Meinung, Herr Kollege Wengenmeier, wenn es nach der SPD gegangen wäre, hätten wir heute die dritte oder vierte Steuererhöhung, kann man nur lachen. Sie bereiten jetzt eine Steuererhöhung vor, die den Bürgern mehr wegnimmt, als die angeblich „größte Steuerreform aller Zeiten" jemals Nettoentlastung gebracht hat. Das sind die Tatsachen.
(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CSU)
Und da werfen Sie uns vor, daß Sozis nicht mit Geld umgehen können.
Ihr Parteivorsitzender Waigel hat finanzpolitische Leistungen erbracht, die ihn nach dem Ehrenvorsitz bei der DSU, zu dem ich ihm herzlich beglückwünsche, auch zum Ehrensozi oder Ehrensozialisten prädestinieren. Wer so mit dem Geld umgeht, der zeigt, daß er überhaupt keine Ahnung hat, der sollte ruhig sein. Ich habe auch mit Interesse vermerkt, daß Herr Wengenmeier kein Wort der Entschuldigung für Herrn Dr. Waigel gefunden hat.
(Abg. Diethei: Wieso?)
In der „W i r't s c h a f t s wo c h e" der letzten Woche hieß es:
Theo Waigel beweist mit dem frisierten Bundeshaushalt für 91, daß ein Etat noch andere Funktionen als Führungs- und Disziplinierungsfunktionen hat, nämlich abwechselnd die Lachmuskeln und die Tränendrüsen zu reizen und obendrein Beleg zu sein für fehlende politische Kultur.
In der gleichen „Wirtschaftswoche" heißt es:
Alle Hoffnungen auf einen schnellen Aufschwung in den neuen Ländern haben sich verflüchtigt. Die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Jetzt basteln Bonner Politiker, die monatelang die Augen vor der drohenden Misere zugemacht haben, hektisch an milliardenschweren Hilfsprogrammen.
Und dies von einer Zeitung, deren Chefredakteur immer wieder beteuert, daß er für die jetzige Koalition ist und für einen Erfolg dieser Koalition eintritt. Ich kann sehr gut verstehen, daß Herr Engels unter den Fehlleistungen dieser Koalition und insbesondere dieses Bundesfinanzministers wesentlich mehr leidet als wir. Dafür habe ich sehr großes Verständnis.
Herr Kollege Wengenmeier, Sie haben auch kein Wort dazu erwidert, was der Kollege Hiersemann zur Steuerlüge gesagt hat, und Sie haben kein Wort zur Abgabenlüge verloren. Wir wissen, daß Herr Waigel vor der Wahl versprochen hatte, daß bei den Sozialabgaben umgeschichtet werden soll, daß die Abgabenlast insgesamt aber stabil bleiben soll. Sie haben
natürlich auch nichts darüber gesagt, daß der Bayerische Ministerpräsident die Einbeziehung der neuen Bundesländer in weitere Leistungen vorher abgelehnt hatte. Ich zitiere:
Streibl verwies darauf, daß bei der Schaffung des Fonds Deutsche Einheit der Beitrag der Länder zur Finanzierung der Vereinigung beider deutscher Staaten abschließend geregelt worden sei. Anderslautende Überlegungen des Bundesfinanzministeriums aus den vergangenen Tagen verstießen eindeutig gegen diese Abmachung.
Meine Damen und Herren, Sie haben nicht nur die Steuerzahler belogen, nicht nur die Abgabenzahler, sondern Sie haben auch die Länder völlig im unklaren gelassen, und Sie verstoßen jetzt gegen Ihre eigenen Versprechungen vor der Wahl.
Das Schönste habe ich heute in der Freisinger Beilage zur SZ gefunden, das mir in diesem Zusammenhang bisher untergekommen ist. Da sagt Ihr Freisinger und Erdinger Abgeordneter, daß er natürlich auch unter Herrn Kohl und dem leide, was zur Zeit in Bonn gespielt wird. Aber das Ganze liege daran, daß die Union, die Regierung, vom Teufel geritten worden sei, genauer von den roten Teufeln auf den Oppositionsbänken, so gestand er reumütig. Dann wörtlich: „Wenn die Propaganda der SPD vor der Wahl, daß Steuererhöungen unausweichlich sind, nicht so lautstark gewesen wäre, dann hätten wir nicht so stark dagegen angeredet, vielleicht." Mehr, so glaube ich, braucht man zu Ihrer heutigen Situation nicht zu sagen!
(Heiterkeit bei der SPD - Zuruf: Wer?)
- Der Mann heißt Dr. Probst, Staatssekretär a. D.
Präsident Dr. Vorndran: Das Wort hat der Abgeordnete Tandler.
(Frau Abg. Scheel: Er ist auch wieder da!)
Tandler (CSU): - Wenn Sie aufgepaßt hätten, hätten Sie festgestellt, daß ich fast immer da gewesen bin. Im übrigen sollen auch andere Mitglieder dieses Hohen Hauses, zumindest ab und zu, einmal fehlen.
Kollege Hiersemann, Sie haben meine Aussage vom Mai vergangenen Jahres zitiert. Ich stehe auch gar nicht an zu bestätigen, daß ich genau diese Aussage gemacht habe, und zwar zu dem Zeitpunkt, als ich hier im Hohen Hause und anderswo über die Finanzministerkonferenz des Bundes und der Länder berichtet habe. Ich kann auch nicht verschweigerl, daß das Resümee, das ich daraus gezogen habe, identisch war
(Abg. von Heckei: Falsch war!)
- Herr von Heckei, ein bißchen Warten - identisch war mit jenem, das auch die SPD-Kollegen aus den anderen Bundesländern gezogen haben.
(Abg. Hiersemann: Nein!)
- Entschuldigen Sie, ich war bei der Finanzministerkonferenz dabei, da gab es überhaupt keinen Dis-
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(Tandler [CSU])
sens. Der Herr Ministerpräsident hat damals zitiert, was die Meinung der Länder war.
Nun zum Deutschlandfonds. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß dieser Weg richtig war. Sie haben, auch hier im Hohen Hause, das Beispiel D-Mark gebracht. Die Kosten der Deutschen Mark waren damals, 1948, nicht von den Deutschen zu finanzieren; 42 bis 43 Jahre danach erst waren 50 Prozent dieser Kosten ablinanziert. Das ist die Realität. Wer heute über die Länderanteile klagt, darüber, was den Kommunen von den Ländern zugemutet wird, möge sich bitte der Mühe unterziehen, einmal zu berechnen, welche zusätzlichen Steuermehreinnahmen sich tür die westdeutschen Bundesländer und ihre Kommunen durch das zusätzliche reale Wachstum in den sogenannten alten Bundesländern dadurch ergeben, daß es mittlerweile die Einheit Deutschlands gibt.
(Beifall bei der CSU und der FDP)
Ich linde, Herr Hiersemann, wenn man schon mit dieser Vehemenz über Äußerungen des vergangenen Jahres herzieht, daß man dann auch diese Realität in die Betrachtung miteinbeziehen sollte.
Man muß weiter zur Kenntnis nehmen, daß es damals die einheitliche Auffassung der Finanzminister wie der Regierungschefs der Länder war, die Kosten der Teilung in einem ganz klar umrissenen zeitlichen Raster abzubauen - eine[Tl Raster, der heute einheitlich in Frage gestellt ist, wäs meines Erachtens durchaus die Frage zuläßt, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, den zeitlichen Rahmen so zu belassen, wie er damals vorgesehen war. Das ist jedenfalls meine Meinung.
Ich komme zur St e u e r e r h ö h u n g. Herr Hiersemann, wer hätte denn im vergangenen Jahr ahnen sollen, was uns der Golfkrieg kostet.
(Widerspruch bei der SPD)
Wer hätte dies damals ahnen sollen, nicht zuletzt vielleicht auch deshalb, ich füge dies auch in diesem Kreise hinzu, weil bei den offiziellen Stellen in Bonn zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Krieges zunächst einmal, um es vorsichtig zu formulieren, ein gewisses Ausmaß an Sprachlosigkeit vorhanden war.
(Abg. Hiersemann: Meinen Sie den Bundeskanzler?)
In jedem Fall ist es, aus welchen Gründen auch immer, ein teures Vergnügen. Ich sage Ihnen: Wir haben die Solidarität der internationalen Staaten und unserer Verbündeten im vergangenen Jahr bei der Herstellung der Deutschen Einheit gerne zur Kenntnis genommen,
(Beifall bei der CSU)
und deswegen sollten wir auch so frei sein und sagen: Wir sollen auch dann solidarisch sein, wenn die anderen es von uns erwarten.
(Erneuter Beifall bei der CSU - Abg. Hiersemann: Es geht doch um etwas ganz
anderes!)
Sie sprachen, Herr Hiersemann, von 46 Milliarden Mark Steuermehreinnahmen in zwei Jahren. Das sind nach Adam Riese gerechnet für dieses Jahr 1991 23 Milliarden. Aber die Kosten des Golfkrieges summieren sich bereits jetzt für die Deutschen auf 15 bis 16 Milliarden, bleibt ein „Nettoertrag" von sieben Milliarden Mark Steuererhöhung.
(Abg. Hiersemann: Das geht doch erst ab 1. Juli, Herr Tandler')
Kein Mensch kann Ihnen aber heute sagen - ich habe Sie vorher auch nicht unterbrochen -, wie teuer dieses Unternehmen uns noch kommen wird und was für den deutschen Steuerzahler sich vielleicht noch ergeben wird, nachdem, wie Sie wissen, bei der Debatte gestern in Moskau ja einige Fragen gestellt worden sind. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, auch dieses Geld ist gut angelegt; denn, ob wir heute noch die Deutsche Einheit zu den Konditionen bekämen wie im vergangenen Jahr, darf durchaus mit Recht in Frage gestellt werden.
(Beifall bei der CSU und der FDP)
Ich stelle Ihnen eine weitere Frage, ohne mich damit von meinen Aussagen wegzustehlen: Ich kann für mich sagen, daß ich von dem Ausmaß an Desaster, um es vorsichtig zu formulieren, das der Sozialismus in der ehemaligen DDR hinterlassen hat, sehr wohl überrascht war, daß ich, was dort vorhanden war, nicht erwartet hatte. Das gebe ich unumwunden zu.
(Zuruf von den GRÜNEN: Dann waren Sie blind gewesen!)
Deshalb sage ich Ihnen, wenn wir ehrlich sind und die Ziffern nicht in Frage stellen, daß die Mineralölsteuererhöhung mit Sicherheit nicht einmal decken wird, was uns der Golfkrieg kostet.
(Abg. von Heckei: Ist das auf ein Jahr begrenzt?)
- Ja, entschuldigen Sie, Steuerdebatten wird es immer geben. Ich wiederhole: Wenn dem deutschen Ste11erzahler die historische Chance der Einheit Deutschlands dadurch, was er ohnehin zu berappen hat, letztlich nicht teurer zu stehen kommt als das Steuerpaket, das gefunden worden ist, dann kann die jetzige Bundesregierung trotz aller Problematik, die sich in bezug auf ihre Glaubwürdigkeit ergibt, dennoch relativ gut leben.
(Beifall bei der CSU -Abg. Hiersemann: Darum geht es doch gar nicht!)
Präsident Dr. Vorndran: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kamm.
Kamm (DIE GRÜNEN): Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn hier vor dem Hohen Bayerischen Landtag wenige Tage nach Friedensschluß am Goll das frühere Mitglied des Aufsichtsrats von MBB vom Golfkrieg als „teurem Vergnügen" spricht, ist dies mehr als eine schlimme Entgleisung.
460 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode .• Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Kamm [DIE GRÜNEN])
(Beifall bei den GRÜNEN -Abg. Spitzner: Jetzt kommst du in den Schmarrn hinein!)
Herr Abgeordneter Tandler, den Golfkrieg haben mehr als hunderttausend Menschen mit ihrer Gesundheit oder ihrem Leben bezahlt. Sie sollten diesen Golfkrieg hier nicht als „teures Vergnügen" bezeichnen. Für einige war es nicht ein „teures Vergnügen", sondern ein profitables Vergnügen. Sie wissen, wen ich meine.
Präsident Dr. Vorndran: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Kamm (DIE GRÜNEN): Aber machen Sie bitte schnell, ich habe nur fünf Minuten Zeit.
Tandler (CSU): Herr Kamm, wären Sie bitte so gütig, wenn Sie das Thema schon ansprechen, dann auch Ursache und Wirkung zu nennen?
Kamm (DIE GRÜNEN): Die Ursache des Golfkrieges, um es Ihnen genau zu sagen, waren ein schlimmer Diktator und seine Helfershelfer, die ihn hochgerüstet haben.
(Be~all bei den GRÜNEN)
Deshalb schaue ich sehr wohl auch zu Ihnen hin, Herr Tandler, wenn wir über die Ursachen des Golfkrieges sprechen.
Aber kommen wir auf das Thema der heutigen Aktuellen Stunde zurück. Es lautet wortwörtlich: „Auswirkungen der katastrophalen Finanzsituation der neuen Bundesländer und ihrer Kommunen auf den Freistaat Bayern".
Natürlich müssen wir dies wenige Monate, nachdem Sie die Bundestagswahl mit Ihrer Steuerlüge gewonnen haben,
(Zuruf von der CSU: Ja mei !)
darüber diskutieren und dies zum Thema einer Aktuellen Stunde machen. Aber wenn wir ehrlich sind und überlegen, was denn wirklich die Auswirkungen heute auf Bayerns Kommunen sind, dann müssen wir sagen: bisher nur sehr, sehr geringe.
In der früheren DDR, in den neuen Bundesländern, muß beispielsweise die ostdeutsche Kommune Dernbach wegen Finanznot in diesen Wochen ihre Verwaltung einstellen. Im Landkreis Augsburg, in meiner Nachbarschaft, hat gerade die Stadt Gersthofen den ersten Spatenstich für ein neues Bürger- und Gemeindezentrum gemacht. Für dieses sind in den nächsten drei bis vier Jahren mindestens SO bis 60 Millionen DM fällig. Bisher sind wir ja nicht bereit, den Anforderungen, die aus der deutschen Einigung gekommen sind - ich zitiere Blüm: „die Teilung mit Teilen zu überwinden" -, auch wirklich gerecht zu werden.
Daß wir nicht bereit sind, die Frage der Verteilung zwischen uns und der DDR zu stellen, meine Damen und Herren, rührt auch daher, daß wir an einem Tabu nicht rühren wollen: an der Verteilung in unserem lande. Es hat noch nie in Bayern Zeiten gegeben, in
denen die Zahl der Millionäre so schnell angestiegen ist wie in den letzten Jahren.
(Abg. Regensburger: Ist das so schlecht?)
Gleichzeitig wollen Sie die Vermögenssteuer streichen.
(Widerspruch bei der CSU)
Noch nie waren die Gewinne der Unternehmen so hoch wie gegenwärtig, aber gleichzeitig wollen Sie die Unternehmenssteuern reformieren, so sagen Sie, Sie wollen sie senken.
Meine Damen und Herren! Wir sind nicht bereit, in unserem lande über Ungerechtigkeiten der Verteilung von Einkommen und Vermögen zu reden. Deshalb sind wir auch nicht bereit, wirklich mit der DDR zu teilen. Müßten wir nicht, wenn wir die Situation in der DDR ernst nähmen - die soziale, die ökologische, die menschliche Situation - uns dann nicht miteinander - und ich sage das sehr mit Bedacht - dafür entscheiden, viele ehrgeizige Projekte in unserem Land, vom Autobahnbau bis hin zum ICE-Streckenausbau, aufzuschieben und zu sagen: es ist jetzt notwendiger, Geld in die Verkehrsinfrastruktur der DDR zu investieren, große Projekte bei uns müssen noch einige Zeit warten? Müßten wir nicht auch hergehen und den Luxuskonsum in unserem Land steuerlich viel stärker zur Kasse bitten, auch abschöpfen? Ich denke insbesondere an Fernreisen, an sehr vieles / Autofahren.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir trauen uns da nicht heran, weil unsere Gesellschaft leider auf Wachstum und Geschwindigkeit eingestellt ist und sich nicht traut, wirklich einmal herzugehen und zu fragen: Wie können wir denn eine gute Gesellschaft gestalten, wenn wir dem Wachstum Einhalt gebieten, auch wenn wir mit zehn od11r 20 Prozent weniger leben müßten? Weil wir uns das nicht trauen, gehen wir auch nicht daran, offensiv die Verteilungsfrage zwischen uns und der DDR zu beantworten.
Ich plädiere dafür, daß wir in den nächsten Wochen und Monaten, in denen unsere Finanzdiskussion sehr stark von der Not der Länder in der früheren DDR geprägt sein wird, wenigstens bereit sind, darüber zu sprechen und zu diskutieren, wo wir entschieden in unseren Haushalten einsparen können.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Präsident Dr. Vorndran: Das Wort hat Staatssekretär Meyer vom Staatsministerium der Finanzen.
Staatssekretär Meyer: Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich auf Sie, Herr Kollege Hiersemann, eingehen und Ihren Vorwurf der Steuerlüge oder des Wahlbetrugs nachdrücklich zurückweisen.
(Abg. Hiersemann: Was wollen Sie uns da jetzt sagen?)
- Herr Kollege Hiersemann, Sie wissen als Jurist ganz genau, daß man von Lüge oder von Betrug nur
Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91 Bayerischer Landtag · 12. Wahlpe~ 461
(Staatssekretär Meyer)
sprechen kann, wenn eine Aussage wider besseres Wissen gemacht wird.
(Zuruf von der SPD: Genauso ist es!)
Davon kann überhaupt keine Rede sein.
(Widerspruch und Lachen bei der SPD -Zuruf: Das glauben Sie doch selber nicht!
- Abg. Dr. Ritzer: Das ist nur mit Unfähigkeit zu erklären!)
Wir haben diese Aussage in der festen Überzeugung gemacht, daß eine solche Steuererh!:)hung nicht erforderlich sei. Sie könnten bestenfalls behaupten, daß wir uns in der Beurteilung des Sachverhaltes getäuscht hätten. Aber auch dazu muß ich sagen, wir befinden uns
(Zuruf von der CSU: Das ist ein großer Unterschied zur Rentenlüge!)
dabei in guter Gesellschaft.
(Wortwechsel zwischen Abg. Hiersemann und Abg. Spitzner)
Sie wissen selbst, daß noch im Oktober 1990 die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute die Erwartung geäußert hatten, daß der wirtschaftliche Wendepunkt in den neuen Ländern etwa im Sommer 1991 erreicht sein werde,
(Lachen und lebhafte Zurufe von der SPD, u. a.: Das ist unerhört!)
daß sie aber, obwohl sie auf dem Gebiet ja Fachleute sind, diese Aussage nicht mehr aufrechterhalten kön-nen.
(Frau Abg. Scheel: Die Arbeitslosigkeit steigt auf 50 Prozent!)
Dazu kommt, was der Kollege Tandler bereits ausgeführt hat, daß es eine ganze Reihe neuer Tatsachen gibt, die jetZ1 erst erkennbar werden und die infolge dessen jetzt eine andere Beurteilung der Situation erfordern.
Präsident Dr. Vorndran: Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Staatssekretär Meyer: Nein.
(Abg. Hiersemann: Der Kollege Heckei hat den Kollegen Tandler auch fragen lassen! -
Weitere Zurufe von der SPD)
Ich möchte eine zweite Bemerkung zu Ihrem Hinweis auf die Vermögenssteuer machen:
Zunächst einmal ist festzustellen, daß in dem Steuererhöhungspaket, das jetzt zur Debatte steht, die Vermögenssteuer überhaupt keine Rolle spielt. Diese ist lediglich Bestandteil eines größeren Steuerentlastungspaketes für unsere Llnternehmen; innerhalb dieses Pakets gibt es eine ganze Reihe weiterer Entlastungsmaßnahmen, von denen wir überzeugt sind, daß sie vorgenommen werden müssen, wenn wir angesichts des bevorstehenden Gemeinsamen Marktes international wettbewerbsfähig bleiben wollen. Die
Entscheidung darüber ist aber jetzt noch nicht im einzelnen getroffen. Jetzt ist nur die Entscheidung über jene Steuererhöhung getroffen, die erforderlich geworden ist, um den Ländern drüben zu helfen.
(Abg. Hiersemann: Ich dachte, um den Golfkrieg zu finanzieren! Wofür ist es denn nun, für den Golfkrieg oder für die neuen
Bundesländer?)
Im übrigen möchte ich auch darauf hinweisen, daß Dreiviertel der Vermögenssteuer Betriebsvermögenssteuer ist, deren Abschaffung nicht dadurch finanziert werden soll, daß andere Steuern erhöht werden, sondern dadurch, daß gewissermaßen innerhalb des Topfes der Besteuerung der Wirtschaft, ein Ausgleich geschaffen wird. Es ist nämlich vorgesehen, entsprechende Abschreibungsverschlechterungen zu Lasten der Wirtschaft einzuführen, womit der Ausfall an Vermögenssteuer kompensiert werden soll. Ich möchte daher dringend bitten, diese beiden Steuerpakete nicht in einen Zusammenhang zu bringen. Beide haben ganz verschiedene Ursachen, und beide haben völlig verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Das ist das eine.
Zum zweiten lege ich Wert darauf, dem Vorwurf zu begegnen, wir in Bayern hätten zu wenig für die neuen Länder getan:
Sie wissen, daß wir unmittelbar nach der Maueröffnung ein Sonderhilfsprogramm für die vormalige DDR aufgelegt haben, damals in Höhe von 150 Millionen DM, daß unsere Landesanstalt für Aufbaufinanzierung ein zinsgünstiges Darlehensvolumen von 300 Millionen DM für Investitionen bereitgestellt hat, weiterhin einen Bürgschaftsrahmen von 57 Millionen DM für Investitionen bayerischer Unternehmen in den neuen Ländern.
Ich verweise auch darauf, daß wi~ enorme Anstrengungen beim Aufbau geordneter Verwaltungsstrukturen in Sachsen und Thüringen unternehmen. Zwischen 300 und 500 bayerische Beamte leisten dort unter oftmals schwierigen Bedingungen ausgezeichnete Arbeit, und ich möchte diesen Beamten, aber auch denen, die hier die Arbeit für ihre Kollegen miterledigen, in dieser Stunde ganz, ganz herzlich für ihren engagierten und idealistischen Einsatz danken.
(Beifall bei der CSU)
Ein zusätzlicher Pool von 200 Stellen im Doppelhaushalt 1991/1992 verbessert die Möglichkeiten für unsere Hitten.
Der Finanztransfer von den bisherigen in die neuen Länder wird bekanntlich hauptsächlich über den Deutschlandfonds und die Umsatzsteuerverteilung abgewickelt. Insgesamt fließen den neuen Ländern über den Fonds „Deutsche Einheit" in den Jahren 1990 bis 1994 115 Milliarden zu. Hiervon trägt der Bund unmittelbar 20 Milliarden. Die restlichen 95 Milliarden werden kreditfinanziert, und die Abfinanzierung erfolgt über eine zehnprozentige Annuität und dauert etwa 30 Jahre. Die Hälfte dieser jährlichen Abfinanzierungskosten übernehmen die Länder. Bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums, also bis Ende 1994, sind es bereits insgesamt 11,ß Milliarden; hiervon entfallen auf Bayern 2, 1 Milliarden. Diesen Betrag ha-
462 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode · Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Staatssekretär Meyer)
ben wir bekanntlich im Haushaltsentwurf 1991 und 1992 und im Finanzplan berücksichtigt. Es ist also keineswegs so, wie gelegentlich behauptet wird, daß nur der Bund den neuen Ländern hilft. Die Länder tragen von den genannten 95 Milliarden des Deutschlandfonds die Hälfte, das sind 47,5 Milliarden, wovon etwa 8,5 Milliarden auf Bayern entfallen.
(Abg. Hiersemann: Ab~r wo haben Sie sich geirrt, Herr Meyer?)
Ich komme zur A u f t e i 1 u n g d e r U m s atz -s teuer zwischen den bisherigen und den neuen Ländern. Sie wissen, daß nach unserer Finanzverfassung der Länderanteil an der Umsatzsteuer nicht nach dem örtlichen Aufkommen, sondern im wesentlichen nach der Einwohnerzahl verteilt wird. Diese Verteilung ist von den neuen Ländern als unzureichend empfunden worden. In der Zwischenzeit hat die Ministerpräsidentenkonferenz eine neue Lösung gesucht. Bereits am 20./21. Dezember 1990 wurde darüber gesprochen. Damals konnte allerdings zunächst keine Einigung erzielt werden, weil - und das scheint mir wichtig - der Weg dazu strittig war. Die SPD-Länder wollten eine Aufstockung des Deutschlandfonds. Wir haben das abgelehnt, weil wir der Meinung waren, der Kreditmarkt sollte nicht noch mehr belastet werden. Wir halten es für richtiger - -
(Abg. Hiersemann: Aber das haben Sie vorher anders gesehen, vor der Wahl!)
- Da wußten wir ja nicht, daß so viele Mittel erforderlich werden. Darüber haben wir ja gerade gesprochen.
(Abg. Hiersemann: Aber wieso denn nicht? Sie wußten doch, was dort passiert!)
Nach dem Ergebnis der neuerlichen Ministerpräsidentenkonferenz vom 28. Februar 1991 ist eine Einigung gefunden worden. Gerade unser Herr Ministerpräsident hat sich darum ganz besonders bemüht und auch eine einstimmige Einigung dahingehend erreicht, daß nun die Umsatzsteueraufteilung in voller Höhe einbezogen wird. Dadurch wird sich die Finanzausstattung der neuen Länder gegenüber dem Einigungsvertrag bis Ende 1994 um weitere 17 Milliarden DM verbessern. Dieser Betrag wird voll von den westlichen Ländern getragen. Von diesen zusätzlichen 17 Milliarden hat Bayern zu übernehmen für 1991 ca. 875 Millionen, für 1992 830 Millionen, für 1993 ca. 760 Millionen und für 1994 ca. 680 Millionen; zusammen also rund 3, 15 Milliarden. Diese Beträge, meine sehr verehrten Damen und Heeren, müssen wir jetzt im Haushalt natürlich noch abdecken.
(Abg. Hiersemann: Sie müssen noch mehr abdecken!)
Zum Großteil wird dies aus konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen möglich sein. Nach der bundesweiten Dezember-Steuerschätzung können wir Mehreinnahmen erwarten 1991 von ca. 500 bis 600 Millionen und 1992 von ca. 400 bis 500 Millionen. In gewissem Umfange ergeben sich möglicherweise auch noch Entlastungen bei den Zinsausgaben. Wir werden den Haushaltsabgleich endgültig im Juni in
der Nachschubliste zum Haushaltsentwurf des Einzelplans 13 regeln. So viel läßt sich aber schon heute sagen:
(Abg. Hiersemann: Daß wir uns geirrt haben!)
Für großangelegte Zusatzforderungen an den Staatshaushalt, wie es ja auch von Ihnen verlangt wird, besteht dann kein Finanzierungsspielraum. Wir müssen vielmehr in allen Bereichen konsequent sparen.
Eine Anhebung der Kreditmarktneuverschuldung können wir zwar nicht von vornherein ausschließen, wir dürfen sie aber nur als letztes Mittel und nur in äußerst engem Umfang in Betracht ziehen. Aufgrund unserer guten Haushaltsstruktur hoffen wir, ohne drastische Streichungen, wie das zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen der Fall ist, durchzukommen. Ganz ohne Einschränkungen wird es jedoch möglicherweise nicht abgehen. Ich bin aber sicher, daß wir mit diesem Weg eine Lösung gefunden haben, die sowohl den neuen Ländern Rechnung trägt. den Aufschwung dort sicherstellt, aber auch für uns noch tragbar ist. Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CSU -Abg. Hiersemann: Aber wieso haben Sie sich so geirrt, Herr
Meyer?)
Präsident Dr. Vorndran: Das Wort hat Herr Abgeordneter Falk.
Falk (CSU): Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wir alle in diesem Hause wissen, daß der Aus- und Aufbau einer staatlichen Verwaltung genauso wichtig und grundsätzlich ist wie der parallele Aufbau einer guten kommunalen Selbstverwaltung. Seit den letzten Kommunalwahlen in den neuen Bundesländern haben sich der Freistaat Bayern, die kommunalen Spitzenverbände, die bayerischen Städte, Gemeinden und Landkreise auch besonders bemüht, entsprechende Leistungen zur Unterstützung einer sinnvollen kommunalen Selbstverwaltung zu erbringen, und ich wundere mich eigentlich, daß die Leistungen, die in dieser Zeit erbracht worden sind, heute so negativ dargestellt werden. Das Negative ist aber doch "die Ursache, nämlich 40 Jahre Sozialismus. Es hat sich jetzt herausgestellt, daß die schädlichen Tiefenwirkungen schlimmer sind als ursprünglich angenommen. Deshalb bin ich der Meinung, daß sich Freistaat, kommunale Spitzenverbände und unsere Kommunen in Bayern mit dem, was sie zum Aufbau drüben getan haben, wohl sehen lassen können.
Das zweite ist, daß wir uns neben dem Aufbau einer funktionsfähigen kommunalen Selbstverwaltung natürlich auch bemüht haben, unseren Kollegen, den Mandatsträgern drüben, die von kommunaler Selbstverwaltung ja überhaupt keine Ahnung hatten, erst einmal klarzumachen, was kommunale Selbstverwaltung heißt. Wenn man des öfteren drüben war, dann weiß man, dies wird al!Ch anerkannt. Daß in vielen, vielen Schulungen viele .hundert, ja ich glaube fast über 2000 kommunale Mandatsträger durch unsere Landkreise und Spitzenverbände geschult worden sind, ist die primäre Leistung, es ist nicht das Finanzielle, sondern es ist das Umdenken zu freiheitlic.her
PlenarprotokoU 12/10 v. 05. 03. 91 Bayerischer Landtag · 12. WahlpariCldEI. 463
(Falk [CSU])
Demokratie und kommunaler Selbstverwaltung, und so wird es auch verstanden.
(Beifall bei der CSU -Zustimmung des Abg. Spitzner)
In diesem Sinne möchte ich auch an die kommunalen Mandatsträger drüben etwas sagen; vom Begriff des kommunalen Ehrenamtes scheinen sie überhaupt noch keine Ahnung zu haben. Wenn man drüben die kommunalen Strukturen sieht, dann will sich ieder dort bezahlen lassen bis nach oben hin. Statt dessen müßte einmal der Gedanke des Bürgersinns, des ehrenamtlichen Engagements in der kommunalen Selbstverwaltung erkannt werden.
(Beifall bei der CSU)
Das ist .eine Aufgabe, die auch wir in Bayern für unsere politischen Freunde drüben in Thüringen und Sachsen zu erfüllen haben.
Drittens. Ich habe heute einmal zu erfahren versucht, wie es überhaupt mit dem innerfinanziellen Ausgleich der Länder und Kommunen steht. Da hat es scheinbar in der Vergangenheit überhaupt nicht funktioniert.
(Abg. Spitzner: So ist es!)
Ich bin der Meinung, wenn die bayerischen Kommunen mit fast 18 Prozent ihren Beitrag mit dem Freistaat leisten, dann sind die Länder drüben auch verpflichtet, einen entsprechenden Anteil an die Kommunen weiterzureichen. Es heißt zwar, daß es jetzt funktioniert, aber es hat verhältnismäßig lange gedauert. Wir hoffen nur, daß die Partnerschaft zwischen den neuen Ländern und den Kommunen drüben ab 1991 besser ist als 1990.
Meine Damen, meine Herren! Diese anerkennenswerten Hilfen des Freistaates und seiner Kommunen sollten und müssen drüben anerkannt werden. Auch drüben in den neuen Ländern heißt kommunale Selbstverwaltung Hilfe zur Selbsthilfe.
(Zustimmung des Abg. Spitzner)
Diese Selbsthi~e muß entsprechend verständlich gemacht werden, und sie muß erbracht werden. Die kommunale Selbstverwaltung drüben wird dann mit der Unterstützung, die jetzt in die Wege geleitet wurde, sei es im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung, sei es im Rahmen des Gesamtkonzepts, mit der Unterstützung auch durch die Bürger und die kommunalen Mandatsträger einer guten Zelt entgegengehen können. Dankeschön.
(Beifall bei der CSU)
Präsident Dr. Vomdran: Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Gumppenberg.
Freiherr von Gumppenberg (FDP): Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir vorab eine Feststellung, Herr Hiersemann! ich glaube, Sie hätten die Wahlen auch dann nicht gewonnen,
(Abg. Hiersemann: Das ist eine andere Frage!)
wenn wir die Steuererhöhung, die jetzt vorgenommen wird, schon vorher gefordert hätten. Wenn man dieser These folgt, kann man uns aber auch nicht unterstellen, daß wir im Grunde genommen deswegen keine Erhöhung gefordert hätten, weil wir die Wahl gewinnen wollten. Ergo ist Ihr Schluß, daß wir gelogen haben, nicht richtig.
(Lachen bei der SPD - Abg. Spitzner: Gegen diese SPD konnten wir die Wahl gar
nicht verlieren! - Abg. Hiersemann: Herr Gumppenberg, dieser Schluß war
überzeugend! - Weitere Zurufe von der SPD)
Herr Hiersemann, ein Zweites! Wir Liberalen sehen Erhöhung oder Reduktion von Steuern - nehmen wir just die letzte Bundestagswahl - nicht unter dem Gesichtspunkt, dem Bürger zu versprechen, die Steuern nicht zu erhöhen, um Wahlen zu gewinnen, sondern wir sehen diese Frage primär unter marktwirtschaftlichen Kriterien. Wir halten die Entscheidung aus diesem Grund gegenwärtig auch nicht für richtig, aber für erforderlich.
(Lachen bei der SPD -Abg. Spitzner: Genau! Die Alternative wäre eine stärkere Verschuldung, und diese können wir uns
nicht leisten! -Abg. von Heckei: Jetzt wird es langsam kabarettreif!)
- Herr von Heckei, auf die Ursache der Steuererhöhungen ist an diesem Pult schon eingegangen worden.
(Abg. Kamm: Was ist denn die Ursache?)
- Herr Kamm, nach ihren Experimenten mit den Milan-Raketen sollten Sie in Fragen der Finanzen ganz ruhig sein!
(Abg. Spitzner: Sehr gut!)
Präsident Dr. Vorndran: Herr Abgeordneter, gestatten ~ie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hiersemann?
Freiherr von Gumppenberg (FDP): Da es nicht auf meine Redezeit angerechnet wird, ja, Herr Hiersemann.
Hiersemann (SPD): Ich mache es ganz schnell. Herr von Gumppenberg, können Sie sich noch daran erinnern - -
(Zurufe: Ton! Wir hören nichts!)
Freiherr von Gumppenberg: (FDP): Ich höre Sie auch so.
(Abg. von Heckei: Aber wir nicht!)
Hiersemann (SPD): Herr von Gumppenberg, können Sie sich noch daran erinnern, daß es eine Wahlanzeige Ihrer Partei mit dem Bild des Herrn von Lambsdorff gab, in der stand: Keine Steuererhöhungen. Deshalb Ihre Zweitstimme für die FDP.?
464 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Hiersemann [SPD])
(Abg. Spitzner: Das bezog sich auf 1990, Herr Kollege! - Lachen bei der SPD - Abg.
Kamm: Herr Hiersemann, das war zwar nicht richtig, aber erforderlich!)
Freiherr von Gumppenberg (FDP): Herr Hiersemann, es steht außer jeder Frage, daß es solche Anzeigen gab, und wir wollten ja die Steuererhöhung auch nicht.
(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)
- Wir wollten die Steuererhöhung nicht; aber darum kann es doch nicht gehen.
(Widerspruch von der SPD)
Als Opposition würde ich genauso argumentieren wie Sie. Ich würde einfach verneinen, daß es Ursachen dafür gibt, die Steuern zu erhöhen.
(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)
Aber Sie werden doch nicht verkennen, daß es Ursachen gibt. Ich finde es schlicht und ergreifend unredlich, Herr Hiersemann - ich will Sie gar nicht persönlich angreifen -,
(Abg. Hiersemann: Ich vertrage es!)
wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir hätten die große Steuerlüge begangen, während gleichzeitig Kollegen Ihrer Couleur, nämlich der Finanzminister Heinz Schleußer und der Ihrer Partei angehörende Bürgermeister Wedemeier, Anteile aus dem erhöhten Steueraufkommen fordern. Das ist doch schlicht und ergreifend unredlich.
(Abg. Hiersemann: Das ist doch falsch! Zur Kompensation der Abschaffung
der Vermögenssteuer und der Gewerbekapitalsteuer!)
- Herr Hiersemann, ich lese Ihnen gerne die dpa-Meldung vor.
(Unruhe)
In ihr steht: ... forderten der Bremer Bürgermeister Wedemeier, SPD, und der nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer am Mittwoch in Bonn außerdem eine Beteiligung der Länder und Gemeinden an den Mehreinnahmen aus dem befristeten Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer.
(Abg. Hiersemann: Aber ja! Sie brauchen doch eine Kompensation wegen der
Abschaffung der Vermögenssteuer und der Gewerbekapitalsteuer! -Anhaltende Unruhe
- Glocke des Präsidenten)
- Das Thema der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde lautet, der Kollege von den GRÜNEN hat es schon vorgelesen: „Auswirkungen der katastrophalen Finanzsituation der neuen Bundesländer und ihrer Kommunen auf den Freistaat Bayern". Ich habe jetzt von Lügen gehört, und ich habe von Betrug und von Irrtum gehört; aber ich habe zu einem Konzept der SPD zu den Fragen, die sicher drängend sind, nicht einmal Ansätze gehört.
(Abg. Hiersemann: Gestern in Bonn beschlossen und veröffentlicht!)
Wer, Herr Hiersemann, ist denn letztendlich Nutznießer der Steuererhöhungen?
(Abg. Herbert Müller: Ja, wer ist Nutznießer?)
Wer ist Nutznießer der Steuererhöhungen? Dieser Frage müssen wir ganz entschieden nachgehen.
(Zuruf des Abg. Dr. Fleischer)
Nutznießer der Steuererhöhungen sind die Menschen in den neuen Bundesländern,
(Beifall bei der FDP)
und wir sind doch alle miteinander der Meinung, daß es ein zwingendes Erfordernis ist, den neuen Bundesländern zu helfen. Sie aber stellen sich hierher und sagen, die Steuererhöhungen seien nicht erforderlich gewesen.
(Abg. Hiersemann: Nein! - Abg. Herbert Müller: Ach geh'!)
- Sie behaupten nur, die Bundesregierung habe eine Fehleinschätzung vorgenommen.
(Abg. Hiersemann: Erstens haben Sie gelogen, und zweitens sollten Sie es sozial
gerecht machen!)
Meine Redezeit ist leider zu Ende. Ich bedanke mich.
(Lachen bei der SPD -Abg. Spitzner: Sehr gut!)
Präsident Dr. Vorndran: Das Wort hat der Herr Staatsminister des Innern.
(Zuruf von der SPD: Der Superminister!)
Staatsminister Dr. Stolber: Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine sehr verehrten Herren! Ich möchte ein paar Bemerkungen zu einem Aspekt machen, der vom Kollegen Kamm und vom Kollegen Falk angesprochen worden ist. Ich möchte jetzt nicht auf Fragen der Steuerpolitik eingehen, sondern ich möchte auf den entscheidenden Punkt eingehen: Wie schaffen wir es, daß drüben Investitionen zu laufen beginnen?
Wir wissen heute besser als vor einem halben Jahr, daß Investitionen nur laufen werden, wenn wir mehr Verwaltungspersonal als bisher in die neuen Bundesländer bringen.
(Abg. Hiersemann: Das ist richtig!)
- Man kann darüber nicht witzeln, Herr Kollege.
(Abg. von Heckei: Völlig unbestritten!)
Wir haben vor einem halben Jahr gemeint, es reicht, wenn man für drei, vier, fünf Monate oder auch kürzer qualifizierte Leute an entsprechende Organisationen „verteiht", wenn ich so sagen darf, und bis sie zurückkommen, haben sie einige angelernt. Wir haben heute die Erfahrung, daß diejenigen, die hinüberge-
Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperi~. 465
(Staatsminister Dr. Stoiber)
hen, drüben eigentlich kaum jemanden finden, den sie etwas lehren könnten,
(Abg. Spitzner. So ist es!)
sondern daß sie in den vier oder fünf Monaten eigentlich alles selber machen müssen.
Der Kollege Meyer hat gerade die Zahl der Mitarbeiter genannt, die wir nach drüben geschickt haben. Allein 39 Mitarbeiter des Innenministeriums leisten im Innenministerium von Sachsen und im Innenministerium von Thüringen Aufbauhilfe. Ich gebe offen zu, daß wir mehr tun müssen; aber hier brauche ich auch Ihre Unterstützung.
(Abg. Hiersemann: Das ist doch nicht das Problem!)
- Ich brauche Ihre Unterstützung,
(Abg. von Heckei: Diese Unterstützung haben Sie doch!)
daß Sie bereit sind, bestimmte Gesetze und Verordnungen, deren Vollzug der bayerischen Verwaltung auferlegt ist, zu suspendieren, damit wir Kapazitäten der Verwaltung frei. bekommen, um sie den neuen Ländern zugute kommen zu lassen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein ganz wichtiger Punkt.
Nun, Herr Kollege Kamm, möchte ich etwas aufgreifen, was Sie, glaube ich, falsch zitiert haben. Die Formulierung „Die Teilung durch Teilen überwinden" stammt aus der Regierungserklärung des ehemaligen Ministerpräsidenten der DDR, von Herrn de Maiziere. Diese Formulierung ist hier auf unterschiedliche Resonanz gestoßen.
(Abg. Dr. Fleischer: Ein Stasi-Mitarbeiter!)
Unter Teilen haben sich manche etwas anderes vorgestellt.
(Abg. Dr. Fleischer: Ein Stasi-Mann!)
- So kann man das Problem doch nicht angehen!
Wir wissen heute besser als vor drei, vier, fünf oder sechs Monaten, daß wir zum Teilen aufgefordert sind.
(Abg. Hiersemann: Das ist doch nicht wahr!)
- Doch, das ist wahr,
(Abg. Hiersemann: Wir haben das vorausgesehen! Darum ging es im ganzen
Bundestagswahlkampf!)
- Herr Kollege Hiersemann, ich habe diesen Teilbereich hier klar und deutlich angesprochen. Wir brauchen ganz andere Verwaltungsperspektiven, um die Wirtschaft überhaupt - -
(Abg. Hiersemann: Ununterbrochen haben wir euch das gesagt! - Abg. Kaul: Die Sozialisten haben ihre Brüder gekannt, die haben genau
gewußt, was drüben passiert! - Abg. Hiersemann: Dann hättet ihr de Maiziere
fragen sollen, warum er euch nicht
die Wahrheit gesagt hat! - Unruhe -Glocke des Präsidenten)
- Ich versteht nicht, weshalb Sie nicht versuchen, auf diese Probleme sachlich zu reagieren. Eines ist doch klar, Herr Hiersemann: Die Frage, wie der Verwaltungsaufbau als Voraussetzung der Investitionen in den fünf neuen Bundesländern aussieht, ist keine Angelegenheit der Sachsen, Thüringer und Mecklenburger, wie wir vielleicht noch vor fünf, sechs oder sieben Monaten geglaubt haben. Wir wissen heute, daß der Aufbau einer funktionierenden Verwaltung als Voraussetzung von Investitionen und wirtschaftlichen Erfolgen eine deutsche, eine nationale Aufgabe ist und daß wir hier mehr tun müs~en.
(Abg. Spitzner: Das ist eine Daueraufgabe des Westens! -Abg. Hiersemann: Berliner
Erklärung!)
Deswegen meine ich, daß der Ausspruch „Teilung durch Teilen überwinden" heute zweifellos einen anderen Klang hat als noch vor einem Jahr. Ich habe auf Ihrer Seite eigentlich kein Verständnis gefunden, als jetzt klar wurde, daß die Städtebauförderungsmittel - das heißt Teilung durch Teilen überwinden - um 40 Prozent zugunsten der neuen Bundesländer reduziert werden. Ich habe bisher keine Resonanz gefunden. Natürlich habe ich für die Verteilung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau weniger Finanzmasse, weil ein Fünftel der für uns vorgesehenen Wohnungsbaumittel nun leider an die fünf neuen Bundesländer geht.
Ich habe große Schwierigkeiten - ich will hier keine Zahlen nennen -, die notwendigen Straßenbauprojekte durchzuführen, auf die Hunderttausende von Menschen in Bayern seit Jahren warten.
(Abg. Dr. Fleischer: Und der ADAC auch!)
Die Hunderttausende von Menschen muß ich in dem einen oder anderen Punkt enttäuschen, weil ich vielleicht die Lärmsanierung nicht machen kann, da die Situation in den fünf neuen Bundesländern schlimmer ist. Auch da werden Mittel vom Westen in· den Osten umg~schichtet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe bisher, auch auf Ihrer Seite, noch kein Verständnis dafür gefunden, daß natürlich z.B. auch notwendige Eisenbahn-Maßnahmen nicht durchgeführt werden können. Vielleicht können wir sogar unser Konzept -ich würde das zutiefst bedauern - der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, was ein ganz wesentlicher Punkt ist, noch nicht so schnell realisieren, wie wir das eigentlich realisieren wollten, weil eine Milliarde der Mittel, die für den Westen, auch für die Eisenbahn, vorgesehen sind, nach den bisherigen Planungen in den Osten transferiert werden.
(Abg. Dr. Fleischer: Und für den Straßenbau!)
Meine Damen und Herren, da stellen Sie sich hin und sagen, das hätte hier noch keine Auswirkungen. Das hat ganz konkrete Auswirkungen! Das einzige, was
Bayerllcher Landtag · 12. Wahlperiode .. Ptenarprotokoll 1Z/10 v. 05.03.91
(Staatsminister Dr. Stoiber)
Ihnen dazu bei den Haushaltsverhandlungen einfällt, ist der Vorschlag, die ausfallenden Bundesmittel durch bayerische Staatsmittel zu ersetzen. So verstehen Sie „Teilung durch Teilen überwinden". Ich verstehe das nicht so.
(Beifall bei der CSU -Abg. H(ersemann: Das. ist ja unglaublich!)
- Nein, das ist nicht unglaublich.
Wenn Sie hier schon ansprechen, wir hätten noch nicht registriert, daß Teilung durch Teilen überwunden werden muß. dar\() müssen Sie aber auch in der konkreten Diskussion, wenn es für uns schmerzlich wird, weil bestimmte Staatsmittel nicht fließen, dazu beitragen, daß hier Emotionen abgebaut werden. Sie aber tun gerade das Gegenteil! Hier stellen Sie sich hin und sagen: Es wird nicht genügend geteilt. Im konkreten Fall, wenn dann wirklich gewisse Mittel ausfallen, sind Sie die ersten, die draußen vor Ort sagen: Wegen der deutschen Wiedervereinigung kannst du deine Straße, du dein Haus und du dein Bürgerhaus usw. nicht bauen. So wird draußen dann Politik gemacht.
' (Beifall bei der CSU -Abg. Hiersemann: Nein, nicht deswegen, sondern weil ihr die Vermögenssteuer abschafft! Das ist doch scheinheilig, was Sie tun!)
So kann man nicht miteinander umgehen. Deshalb wollte ich hier noch einmal sehr deutlich unterstreichen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir bereit sind, eine ganze Menge umzuschichten,
(Abg. Hiersemann: Von den Armen zu den Reichen!)
. und daß wir selbstverständlich auch bereit sind, in der nächsten Zeit mehr zu tun.
(Abg. von Heckei: Herr Stoiber ist immer gegen Emotionen!)
Ich bin dann sehr neugierig, wie Sie sich hier verhalten, wenn es zu Einsparungen oder Umschichtungen kommen wird, und wie Sie sich dann draußen verhalten werden. Draußen zünden Sie an, und hier werfen Sie uns vor, meine Damen und Herren, nicht genügend zu tun. Draußen hetzen Sie die Leute auf und sagen: Wegen der fünf neuen Bundesländer könnte diese oder jene lnfrastrukturmaßnahme nicht durchgeführt werden. So können wir nicht miteinander umgehen!
(Lebhafter Beifall bei der CSU - Abg. von Heckei: Eine ruhige, emotionslose Rede
war das! - Unruhe)
Präsident Dr. Vomdran: Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Will das Wort.
Will (CSU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wende mich zunächst einmal an Sie, Herr Kollege Hiersemann.
(Fortgesetzte Unruhe)
Herr Kollege Hiersemann, ich glaube, ich kann sagen, daß niemand hier im Saal heute wirklich weiß, was die Wiedervereinigung endgültig kosten wird. Wir sollten uns aber in einem einig sein, nämlich darin, daß wir froh sein sollten, daß wir sie haben und daß nicht das eingetreten ist, was die linke Seite des Hauses, die SPD, eigentlich bis 1989 noch gewollt hat, nämlich Zweistaatlichkeit unseres Volkes. Daran darf in aller Bescheidenheit erinnert werden.
(Beifall bei der CSU - Zuruf von der SPD: Das ist ja unglaublich!)
Meine Damen und Herren, lassen sie mich etwas humorvoll sagen: Wer hier im Hause unfehlbar und ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stei~. gerade in der Frage der sogenannten Steuerlüge.
(Abg. Dr. Fleischer: Die Bibel hilft euch auch nicht!)
Ich darf die SPD einmal an ihre Todsünde, die Rentenlüge, erinnern.
(Widerspruch bei der SPD)
Ich erinnere daran, was Sie Anfang der achtziger Jahre der Bevölkerung weiszumachen versucht haben. Sie kritisieren und machen Vergangenheitsbewältigung, aber wir handeln. Wenn wir heute unsere Gemeinden draußen fragen, wieweit sie bereit sind, die Wiedervereinigung auch finanzpolitisch mitzutragen, dann stoßen wir auf eine große Bereitschaft. Wir finden auch eine große Bereitschaft im wirtschaftlichen Bereich; darauf möchte ich in kurzen Worten eingehen.
Meine Damen und Herren, in der Zwischenzeit hat sich eine Qualifizierungsoffensive in den fünf neuen Bundesländern entwickelt, auf die nicht nur wir als Politiker stolz sein können. Auch unsere gesamte Wirtschaft kann stolz darauf sein, was in dieser kurzen Zeit bereits möglich gemacht worden ist.
(Abg. von Heckei: Darum läuft es doch auch so gut!)
- Herr Kollege von Heckei, es geht nicht alles von heute auf morgen. Ich darf beispielhaft das Berufsbildungs- und Technologiezentrum in Rohr unterhalb von Suhl nennen. Dort hat die unterfränkische Handwerkskammer in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der südthüringischen Handwerkskammer erreicht, daß innerhalb kürzester Zeit immerhin rund 360 praktische Ausbildungsplätze und 500 theoretische Ausbildungsplätze geschaffen werden können. Dort laufen bereits Umschulungsmaßnahmen.
Das sind Aktionen der Wirtschaft, die wirksam werden. Wir sollten in diesem Zusammenhang auch daran denken, daß wir die Wirtschaft z.B. in der Frage des Lehrstellenangebots unterstützen müssen. In den fünf neuen Bundesländern gibt es 120000 Schulabgänger, aber nur 30000 bis 40000 Lehrstellen werden drüben angeboten. Wir haben bei uns hier 300000 Ausbildungsangebote, denen nur 94000 Bewerber gegenüberstehen. Hier müßte man nach Möglichkeiten suchen, die Wirtschaft zu unterstützen. Ich meine, hier wäre ein bayerisches Angebot speziell für
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(Will [CSU])
den südthüringischen Bereich nötig, das eine oder andere zu tun, um Lehrstellen für Schulabgänger Ost anzubieten.
Wir begrüßen die Initiative des Bayernwerks, das in Thüringen die Verantwortung für die Energieversorgung auf regionaler Ebene übernommen hat und das in den nächsten fünf Jahren bis zu drei Milliarden in die Verbesserung der Energieversorgung Ost investieren will.
Wir begrüßen auch die Initiative unseres Bundesverkehrsministers Krause, der in den nächsten Jahren zum Beispiel 20 Milliarden DM für den Ausbau des Straßennetzes, 30 Milliarden DM für die Verbesserung des Schienennetzes und drei Milliarden DM für den Wasserwegebau ausgeben will. Dabei sollen wir darauf achten, daß alle diese Dinge in der Planung und im Genehmigungsverfahren möglichst vereinfacht durchgezogen werden können.
Wir begrüßen vor allen Dingen auch unsere bayerischen Initiativen, die ohne Belastung unserer Kommunen durchgeführt und eingeleitet worden sind, nämlich das Bund-Länder-Programm zum Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur im Grenzgebiet der ehemaligen DDR; inzwischen sind im Rahmen dieses Programmes für 23 Vorhaben in Thüringen und Sachsen insgesamt rund 80 Millionen DM aufgebracht worden. Rund 48 Millionen DM dienen der Erschließung von Industrie- und Gewerbeflächen, auf denen sich neue Betriebe ansiedeln können. Rund 22 Millionen DM werden aus dem Einzelplan 07 für Umschulungs- und Fortbildungsstätten investiert. Zehn Millionen DM werden für den Fremdenverkehr ausgegeben, ohne daß für uns irgendwelche Nachteile entstehen. Wir freuen uns auch darüber, daß die ersten Mittel aus dem bayerischen DDR-Mittelstandskreditprogramm, aus den Ergänzungsdarlehensprogrammen und den Bürgschaftsprogrammen der LIA genutzt und damit drüben Handwerksbetriebe neu aufgebaut werden, ohne daß bei uns gekürzt wird.
Einen letzten Satz, Herr Präsident: Ich möchte sagen, daß wir alle, die Bürger in der Bundesrepublik Deutschland, die Schwierigkeiten drüben kennen, daß wir aber von dieser Wiedervereinigung auch profitieren werden. Ich denke nur an das Wirtschaftswachstum dieses Jahres in Höhe von 4,5 Prozent, wovon mindestens ein Drittel auf die Wiedervereinigung zurückzuführen ist. Wir sollten zumindest bereit sein, die Erfolge miteinander zu teilen, um damit die Wirtschaft drüben im anderen Teil Deutschlands zu stärken. Vielen Dank!
(Beifall bei der CSU)
Präsident Dr. Vomdran: Das Wort hat Herr Abgeordneter Loew.
Loew (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist geradezu grotesk, zu welchen Wirrungen und Wendungen die Bonner Regierungsparteien fähig sind, wenn sie mit dem Vorwurf der Steuerlüge
konfrontiert werden, der ihnen aus jedem Spiegel entgegengrinst, in den sie selbst schauen.
(Beifall bei der SPD)
Die Spitze hat der Herr Kollege Gumppenberg geliefert, der sagte, die Steuererhöhungen waren nicht richtig, aber erforderlich. Darauf gibt es wohl nur eine einzige Antwort: Ihre Ankündigung vor der Wahl war nicht richtig, aber erforderlich, weil Sie damals nämlich Steuererhöhungen abgestritten haben. Sie sagen jetzt, Steuererhöhungen haben wir zwar gemacht, aber wir haben sie nicht gewollt. Meine Damen und Herren, wenn die FDP nicht mehr die Politik will, die sie macht, dann soll sie eine andere Politik machen. Am besten machen Sie eine Zeitlang gar keine Politik, denn wer so gelogen hat wie Sie, sollte sich schämen, und das am besten in der stillen Ecke.
(Beifall bei der SPD)
Das gilt in gleicher Weise für den Herrn Staatssekretär Meyer, der gesagt hat, wir haben nicht gelogen, sondern wir haben uns nur geirrt, und deshalb treffe der Vorwurf der Lüge nicht zu. Er sagte, das allgemeine Desaster, das wir nun drüben bewältigen müssen, war nicht absehbar.
Meine Damen und Herren von der CSU, Sie können zwischen zwei Vorwürfen wählen: Entweder Sie haben nicht gesehen, was jeder wußte, dann sind Sie unfähig und gehören endgültig ins politische Archiv. Andernfalls haben Sie als christliche Partei in einem alle Ausmaße sprengenden Volumen falsch Zeugnis geredet, in einem Ausmaß, daß sich die Balken nicht nur gebogen haben, sondern daß sie geborsten sind, so daß Sie jetzt vor den Trümmern Ihrer Prognosen stehen.
Herr Staatsminister Stoiber hat wieder einmal ein Musterbeispiel dafür geliefert, wie man in einer sich überschlagenden Stimme mit.Staccato-Rede zu einer ruhigen, nüchternen und beherrschten Diskussion auffordert. Daß er jetzt sagt, daß wir gewaltige Schwierigkeiten vor uns haben, daß wir die „Teilung durch Teilen" überwinden müssen, hätten wir von ihm hier schon vor einem Vierteljahr hören wollen.
(Beifall bei der SPD)
Damals haben Sie genau gewußt, daß Sie der Bevölkerung die Unwahrheit sagen, wenn Sie ihr immer einreden, wir hätten hier ein Problemchen, das wir ohne Steuererhöhungen lösen werden, daß diese Aufgabe den bayerischen Bürger nicht belasten werde. Nein, Sie haben damals bereits gewußt, daß Sie so hätten reden müssen, wie Sie heute hier geredet haben. Weil Sie damals gelogen haben, obwohl Sie wußten, daß die Schwierigkeiten so groß sind, glauben wir Ihnen auch jetzt nicht, wenn Sie zu dieser großen gemeinsamen Aufgabe aufrufen.
Meine Damen und Herren! Die größte innenpolitische Herausforderung der letzten Jahrzehnte ist die Überwindung der deutschen Teilung. Vor dieser Aufgabe hat die konservative Regierung in Bonn und haben die Regierungen in der ehemaligen DDR bisher in einem schlimmen historischen Ausmaß versagt. Das gilt für Lothar de Maiziere, den manche Lother de
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(Loew [SPD])
Malheur nennen, und es gilt natürlich auch für die Regierung Kohl und Genscher. Die . Gründe für dieses Versagen waren, daß Sie sich eine Zeitlang - das möchte ich Ihnen durchaus zugestehen - über das Ausmaß der zu bewältigenden Schwierigkeiten getäuscht haben. Als Sie dieses Ausmaß aber erkannt haben, fehlte der Mut, der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen. Daneben enthält der Einigungsvertrag eine Fülle von schweren politischen Fehlern und fundamental falschen Weichenstellungen, sei es nun die Lösung der Frage des Eigentums an Grund und Boden, oder sei es der fehlende politische Wille, mit dem Stasi-Apparat drüben endlich aufzuräumen.
Als die Etappe der Selbsttäuschung der Konservativen vorbei war, begann die Zeit der Beschönigungen, Verniedlichungen, Verharmlosungen und Verfälschungen, die Zeit der Lüge, die heute noch bei Ihnen herrscht. Noch wollen Sie sich dem vollen Ausmaß der Schwierigkeiten, die es gemeinsam zu überwinden gilt, nicht stellen.
Herr Professor Doeblin, wenn Sie hier von der vielzitierten Opferbereitschaft der Bevölkerung sprechen, dann sehe ich allein in dieser Formulierung eine Abwertung des solidarischen Bewußtseins, das in unserer Bevölkerung durchaus vorhanden ist. Die Bevölkerung in unserem Land erkennt, wie groß die Aufgabe ist, in den neuen deutschen Ländern. so schnell wie möglich unseren Ansprüchen und unserem Standard entsprechende Lebensverhältnisse zu schaffen. Aber dabei haben Sie, wie gesagt, bislang versagt. Ich halte es für das schlimmste innenpolitische Versäumnis, daß diese Regierung nicht die Kraft aufgebracht hat, diese große nationale Aufgabe des gemeinsamen Aufbaus der deutschen Länder politisch zu initiieren und voranzutreiben, obwohl Sie dauernd vom Teilen redet.
(Abg. Dr. Matsch!: Dabei hätten Sie sich nützlich machen können!)
Dies hat sie deswegen nicht getan, weil sie die Kraft zur Gestaltung sozial gerechter Verhältnisse in unserem Land nicht aufbringt, weil sie mit dem Wort „Teilung durch Teilen überwinden" nicht ernst macht. Die Bereitschaft der Bevölkerung," für den Aufbau der neuen deutschen Länder Opfer zu bringen, ist da, diese Bereitschaft wird aber nur dann bleiben, wenn dieser Aufbau auch mit einer sozial gerechten Lastenverteilung stattfindet.
Erster Vizepräsident Möslein: Herr Kollege, Sie haben bereits eine Minute Ihre Redezeit überzogen. Nachdem Sie auf mein Lichtzeichen nicht achten, darf ich Sie jetzt bitten, zu Ende zu kommen.
Loew (SPD): Sie bleiben unglaubwürdig, weil Sie Ihre Politik nicht sozial ausrichten, weil Sie jetzt Ihren Aufruf an die Bevölkerung, Opfer zu bringen, mit einer katastrophalen Steuerpolitik garnieren, z.B. dem Erlaß der Vermögenssteuer und höherer Belastung der Kleinen. Das ist die schlimme Situation, die uns leider noch in den nächsten Jahren begleiten wird. Danke schön!
(Beifall bei der SPD)
Erster Vizepräsident Möslein: Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Engelhard das Wort.
Engelhard Rudott (CSU): Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Angehöriger der Nachkriegsgeneration frage ich mich, was unsere Eltern 1946 getan haben, als die Bundesrepublik aufgebaut werden mußte. Wenn sie damals die Diskussion so geführt hätten, wenn sie sich ausschließlich mit der Frage beschäftigt hätten, ob der recht bekommt, der Steuererhöhungen für notwendig hält, dann säßen sie noch heute in den Luftschutzbunkern, und die Bundesrepublik hätte noch den Zustand von 1946.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, was soll ich denn meinen Freunden in der ehemaligen DDR sagen, wie sie dieses Land aufbauen sollten? Sie haben in den ganzen eineinhalb Stunden nur darüber debattiert, wer recht bekommt, ob die Steuererhöhungen angekündigt waren oder nicht. Ich lasse Ihnen gerne recht; denn die Bürger in der ehemaligen DDR wollen nicht diese Diskussion, sondern sie möchten sehen, daß man damit beginnt, das Land aufzubauen.
Sie haben wirklich eines übersehen: Es gab mittlerweile die Konferenz der Ministerpräsidenten. Dort wurden Gott sei Dank Beschlüsse gefaßt, die dazu dienen, die Finanznot der neuen Bundesländer zu überwinden. Worauf kommt es jetzt drüben an? Man muß Verwaltungen aufbauen, die in der Lage sind, die geplanten Investitionen und Mittel gezielt umzusetzen. Die neuen Bundesländer sind gerade fünf Monate alt. Vielleicht liegt es auch an der Übernahme der traditionellen Ländernamen wie Thüringen und Sachsen, daß manche bei uns glauben, die neuen Länder verfügten über gewachsene Verwaltungsstrukturen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Den Männern und Frauen, die in bewundernswerter Weise in den neuen Bundesländern an die Arbeit gehen, steht außer einem Schreibtisch meistens nichts zur Verfügung, selten ein Telephon; von Schreibkräften, EDV-Anlagen, Postauslaufstellen, Dienstwagen oder einem funktionierenden Verwaltungsunterbau kann man überhaupt nicht sprechen.
Die Dimension der vor uns stehenden Aufgabe wird uns erst klar, wenn wir uns vor Augen führen, daß aus einer SED-hörigen sozialistischen Verwaltung und Rechtspflege eine rechtsstaatliche Verwaltung und eine entsprechende Rechtspflege geschaffen werden müssen. Dazu kommt, daß der zentralistisch organisierte Einheitsstaat der DDR aufgelöst und fünf neue Bundesländer organisiert werden müssen. Das ist das Problem.
Die Gemeinde- und Landkreisverwaltungen haben es kaum leichter. Die früheren Beschäftigten werden in der Regel von den Bürgern abgelehnt, waren sie doch meist direkte Vollstrecker des unmenschlichen SED-Regimes vor Ort.
Es war für die CSU und für die von ihr getragene Staatsregierung eine Selbstverständlichkeit, sofort wirksam zu hetten. Dies geschah zunächst durch die
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(Engelhard Rudolf [CSU])
Entsendung geeigneter Beamter und durch die Zurverfügungstellung der notwendigsten Büromaterialien. Etwa 700 Beamte und Angestellte waren ganz oder teilweise in den neuen Bundesländern tätig und sind es heute noch. Die erforderlichen Kommunikationsmedien mußten hergestellt werden. Im Sächsischen Staatsministerium der Finanzen mußte beispielsweise ein Satellitentelephon installiert werden, um überhaupt die entsprechenden kommunikativen Verbindungen herstellen zu können. Wegen des Fehlens jedweder Infrastrukturen können wir nur helfen, wenn Teile der Aufgaben vorübergehend direkt in Bayern abgewickelt werden.
(Abg. Kamm: Sie dürfen laut Geschäftsordnung nicht ablesen!)
- Ich kann es Ihnen auch so sagen, Herr Kollege Kamm, aber Sie lesen auch gelegentlich ab.
Ich denke in erster Linie an die computergestützte Bezügeabrechnung für einige Bundesländer, die Erstellung von Musterrechtssammlungen, die Bearbeitung von Mustergesetzentwürfen für die dortigen Landtage. Darüber hinaus muß das spärlich vorhandene Personal intensiv nach westdeutschem Verfahrensrecht in Kurzlehrgängen geschult werden.
Die Finanzmisere der neuen Bundesländer ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die Finanzbehörden keine Kenntnisse des Umsatzsteuerrechts, des Ertragssteuerrechts und des Vollstreckungsrechts haben. Bayerische Schulungseinrichtungen halten entsprechende Lehrgänge ab.
(Abg. Kamm: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)
- Herr Kamm, Sie sollten sich vor dem Reden gelegentlich auch mal überlegen, was Sie sprechen, und sich vielleicht einige Notizen machen, dann wären Ihre Reden qualifizierter und nicht so oberflächlich wie sie es gelegentlich sind. '
Ich komme zum Ende. Im Doppelhaushalt sind 200 zusätzliche Planstellen vorgesehen, durch die wir geeignete Beamte für den Einsatz in Sachsen und Thüringen gewinnen können. Dafür müssen entsprechende Beförderungsanreize gegeben werden. Der Kabinettsbeschluß liegt inzwischen vor.
Der Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung ist für die Union das Rückgrat der Überwindung der Schwierigkeiten im Osten. Die Schaffung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in den neuen Bundesländern hängt davon ab. Investitionen können nur dann sinnvoll durchgeführt werden, wenn entsprechende Möglichkeiten gegeben sind, sie zu planen und abzuwikkeln. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CSU)
Erster Vizepräsident Mösleln: Zur Abgabe einer persönlichen Erklärung gemäß § 110 unserer Geschäftsordnung erteile ich das Wort unserem Kollegen Gerold Tandler.
Tandler (CSU): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! vorhin wurde der Versuch unternommen, eine Bemerkung von mir fehlzuinterpretieren. Ich habe vorher in meinem Redebeitrag von einem „teuren Vergnügen" gesprochen. Wie der Text meiner Ausführungen einwandfrei ergibt, bezog sich diese Bemerkung nicht auf den Krieg, sondern auf das, was ich als Bonner Sprachlosigkeit höflich umschrieben habe.
(Beifall bei der CSU)
Erster Vizepräsident Mösleln: Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe auf Tag e s o r d n u n g s p u n kt 2: E r s t e Lesung zum
Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück Alois, Diethel, Kling und anderer und Fraktion zur Änderung deS' Bayerischen Ingenieurkammergesetzes Bau (BaylKaBauG) - Drucksache 12/662 -
Wird der Gesetzentwurf begründet? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Gibt es Wortmeldungen? - Nein. Die Aussprache ist geschlossen.
Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf zu überweisen dem Ausschuß für Wirtschaft und Verkehr und dem Ausschuß für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen. -Damit besteht Einverständnis. Es ist so b e s c h 1 o s -sen.
Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 4:
Schreiben das Bundesverfassungsgerichts - Zweiter Senat - vom 18. 01. 1991 betreffend Antrag des Herrn Wüppasahl, MdB, festzustellen, daß der Antragsteller In seinen Rechten aus Artlkel 18 Absatz 1 Grundgesetz durch die Behandlung von Abänderungsanträgen bei der 2. Beratung des Entwurfes eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18.05.1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts. und Sozialunion verletzt worden Ist
Über die Beratungen im Ausschuß für Verfassungs-, Rechts- und Kommuna~ragen (Drucksache 12/701) berichtet der Abgeordnete Hilmar Schmitt. - Er ist nicht im Saal. Wird auf die Berichterstattung verzichtet? - Das ist der Fall. Gibt es Wortmeldungen? - Ich stelle fest, nein.
Wir kommen ·zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen! - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN ist so b e s c h 1 o s s e n.
(Abg. Loew: Zuerst schmeißen's ihn raus und dann sagen's nix!)
Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 4:
Haushaltsplan 1991/1992 des Einzelplans 06 für den
470 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode flenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Erster Vizepräsident Möslein)
Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen
und
Änderungsantrag der Abgeordneten Max von Hekkel, Sehleder und anderer SPD Haushaltsplan 1991/1992; Verbesserung der Stellenplansltuation bei den Finanzämtern (Kapitel 06 05) - Drucksache 12/524 -
Über die Beratungen zum Einzelplan 06 im Ausschuß für Staatshaushalt und Finanzfragen (Drucksache 12/573) berichtet Herr Kollege Strehle. Sie haben das Wort.
Strehla (CSU), Berichterstatter: Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausschuß für Staatshaushalt und Finanzfragen hat sich in seiner Sitzung am 19. Februar 1991 mit dem Einzelplan 06 für den Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen befaßt. Berichterstatter war ich, Mitberichterstatter war der Herr Kollege Schieder.
Als B e r i c h t e r s t a t t e r habe ich den Einzelplan 06 als einen klassischen Verwaltungshaushalt bezeichnet, weil der Geschäftsbereich des Finanzministerium mit seinen rund 30 000 Bediensteten der drittgrößte Personalkörper innerhalb der ganzen Staatsverwaltung sei. Der Haushaltsplan 06 bestehe zu 67 Prozent der gesamten Ausgaben aus Personalausgaben.
Insgesamt umfaßt der Haushaltsplan 06 im Jahr 1991 Gesamtausgaben in einer Größenordnung von 2218,8 Millionen DM. Die Steigerung der Ausgaben im Personalbereich ist maßgeblich durch Tarifabschlüsse, aber auch durch gesetzliche Besoldungsvorschriften bedingt. Die Quote der Personalausgaben wird im Jahre 1991 auf 41 Prozent gegenüber 40,9 Prozent im Jahr 1990 ansteigen. Sie liegt damit wieder erheblich über dem Länderdurchschnitt von 39,5 Prozent.
Ich habe weiterhin dargestellt, daß im Entwurf des Einzelplans 06 zusätzlich 80 neue Stellen und zusätzlich 120 Stellenhebungen ausgewiesen seien. Ferner habe ich über die Empfehlung im Gutachten des Bayerischen Senats berichtet, die Saisonarbeiter der Vermessungsverwaltung zu übernehmen. Diesem Wunsch wurde weitgehend entsprochen.
Ich habe auch auf die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Sachausgaben, die zur Verbesserung der Rationalisierungsmöglichketten führen sollen, hingewiesen. So können im staatlichen Hochbau Investitionsmaßnahmen im Wert von über 100 Millionen DM fortgeführt beziehungsweise neu begonnen werden.
Abschließend habe ich festgestellt, daß der Herr Finanzminister einen sachlich ausgewogenen Haushalt vorgelegt habe, der die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachte und zu einer weiteren Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Verwaltung führen werde.
Mitberichterstatter Schiede r ging auf die Steuerverwaltung ein. Ihm kam es darauf an, die Beamten in einen Stand zu versetzen, der es ihnen erlaube, Gesetze überhaupt vollziehen zu können. Deshalb meinte er, die Personalausstattung müsse verbessert werden, um eine gleichmäßige und umfassende Steuererhebung zu gewährleisten und Ungerechtigkeiten auszuschließen. Dabei bezog er sich auf die vom Finanzministerium durchgeführte Personalbedarfsberechnung. Demnach gebe es einen generellen Fehlbestand von 20 Prozent, bei den Prüfungsdiensten sogar von 30 Prozent. Im Sinne einer gerechten Steuererfassung halte die SPD eine verbesserte personelle Ausstattung der Prüfungsdienste für erforderlich. Als besonders skandalös bezeichnete Kollege Schieder die Verhältnisse bei der Steuerfahndung, wo 53 Prozent der Personalsollstellen nicht besetzt seien. Der Mitberichterstatter bezeichnete das vorliegende Gutachten des Senats als gute Diskussionsgrundlage.
Herr Kollege Z e c h von der FDP vertrat in seinem Beitrag die Ansicht, daß künftig Stellen für neue Aufgaben nur durch Umschichtungen gewonnen werden könnten. Diese seien in Bereichen möglich, in denen automatisiert werden könne. Um aus dem Ste,ift.ndefizit herauszukommen, schlug Kollege Zech vor, in einer Übergangszeit Leistungsprämien zu gewähren und Überstunden zu bezahlen. Zur Bewältigung der besonderen Probleme in den Ballungsräumen sollten die Ballungsraumzulage erhöht und Dienstwohnungen bereitgestellt werden; zudem sollten Behörden in andere Landesteile verlagert werden.
Frau Kollegin K e 11 n er von den GRÜNEN äußerte die Ansicht, die zum Teil katastrophale Personalsituation sei das zentrale Thema des Einzelplanes 06. Sie befürchtete einen Personalnotstand, wie er im Pflegebereich bereits zu beobachten sei. Deshalb beantragte sie von der Bayerischen Staatsregierung einen Bericht über die Personalsituation an den Finanzämtern und den Oberfinanzdirektionen.
In der anschließenden umfangreichen Diskussion wurden die zum Einzelplan 06 einschlägigen Anträge und Eingaberi behandelt. Schließlich wurde der Einzelplan 06 mit den Stimmen der CSU gegen die Stimmen von SPD, FDP und GRÜNEN angenommen. Ich bitte um Ihr Votum.
(Beifall bei der CSU)
Erster Vizepräsident Mösleln: Ich bedanke mich für die Berichterstattung. Über die Besohlußempfehlung des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen zum Änderungsantrag auf Drucksache 12/524 muß nicht berichtet werden, da sie einstimmig gefaßt wurde. Mit dem Änderungsantrag soll die Staatsregierung ersucht werden, mit Nachdruck darauf hinzuwirken, daß bei den Finanzämtern herausgehobene Sachbearbeitertätigkeiten des gehobenen Dienstes in die Funktionsgruppenverordnung einbezogen werden.
Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Schieder das Wort.
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Sehleder (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Einzelplan 06 werden die sächlichen und personellen Voraussetzungen für die Steuervereinnahmung bereitgestellt. Damit meine ich eine solide und seriöse Steuervereinnahmung. Die von Ihnen, meine Damen und Herren von der CSU, in der letzten Woche gefaßten Steuererhöhungsbeschlüsse beweisen aber, daß Sie den Boden von Seriosität und Solidität verlassen haben. Mit diesen Steuererhöhungsbeschlüssen haben Sie nicht nur Ihr Wort gebrochen und die Wähler verschaukelt, sondern Sie haben auch eindrucksvoll dokumentiert, daß Ihre Wahlversprechen nichts anderes als leeres Gerede und Makulatur sind. Deshalb sage ich klipp und klar: Wer so schamlos und lügnerisch wie Sie handelt,
(Zahlreiche Zurufe von der CSU, u. a. Abg. Josef Niedermayer: Das haben wir schon
gehört!)
erschüttert in verantwortungsloser Weise das Vertrauen unserer Bürger in die Politik und in die politischen Institutionen.
(Beifall bei der SPD)
Zur Steuervereinnahmung gehört eine funktionsfähige Steuerverwaltung, die in der Lage ist, die Steuereinnahmen ordnungsgemäß sicherzustellen. Zur Zeit ist die Funktionsfähigkeit unserer Steuerverwaltung über weite Strecken nicht mehr gewährleistet. Denn nach der Personalbedarfsberechnung des Finanzministers fehlen in der Steuerverwaltung 2800 Stellen, und die Angaben der betroffenen Gewerkschaften liegen noch weit darüber. Tatsache ist, daß die Personalausstattung mit der enormen Steigerung der Fallzahlen und der zunehmenden Komplexität der Materie in keiner Weise Schritt gehalten hat. Auf das Minus von 20 Prozent im Innendienst hat der Herr Berichterstatter bereits hingewiesen. Bei der Betriebsprüfung haben wir sogar eine Unterbesetzung von über 30 Prozent. Damit verzichtet der Freistaat auf ihm gesetzlich zustehende Einnahmen. Halten Sie sich doch einmal nur vor Augen, daß ein Betriebsprüfer zusätzlich im Jahr ein Mehrergebnis von 1,8 Millionen DM einbringen würde.
Ein besonderer Skandal ist die Personalausstattung bei den Steuerfahndungsstellen. Obwohl die Steuerfahndung ein Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft darstellt, ist hier nur jede zweite Stelle besetzt. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CSU, diesem Mißstand nicht abhelfen, müssen Sie sich schon gefallen lassen, daß wir sagen: Sie behandeln Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität wie Kavaliersdelikte!
(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU, u. a. Abg. Spitzner: Die Neue Heimat wäre
schon was für die Steuerfahndung!)
Die Arbeitnehmerschaft in diesem lande, die gläserne Taschen hat und jede Mark nachweisen muß, hat kein Verständnis dafür, daß über Steuerhinterziehung der Mantel der Großzügigkeit gedeckt wird.
(Zuruf der Frau Abg. Würdinger)
Meine Damen und Herren, die im Doppelhaushalt zur Mehrausstattung vorgesehenen 70 Stellen sind nur
ein Tropfen auf den heißen Stein. Demgegenüber hat die SPD-Fraktion mit ihren Anträgen gezeigt, wie sie sich eine zukunftsorientierte Personalgewinnungspolitik in den genannten Bereichen vorstellt. Das vorgeschlagene Mehr von 450 Stellen ist in den nächsten beiden Jahren auf dem Ausbildungsmarkt gewinnbar;es sollte vor allem in Fahndung und Betriebsprüfung eingesetzt werden. Außerdem haben wir Vorschläge gemacht, um die Attraktivität der Stellen in diesem Berufszweig zu verbessern und der Abwanderung entgegenzuwirken.
Zur Steuervereinnahmung bedarf es einer funktionsfähigen Finanzverwaltung, die Steuerquellen maßvoll, aber konsequent ausschöpft. Angesichts der Finanzlage der öffentlichen Haushalte muß es darum gehen, diese Steuerquellen auch schon nach den bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Der maßvolle Ausbau der Prüfungsdienste, die konsequente Erfassung der Kapitaleinkünfte, der Verzicht auf die Abschaffung der Vermögenssteuer und die von uns vorgeschlagene Ergänzungsabgabe - dies sind die Eckpunkte unseres Konzepts einer soliden Finanzpolitik, die sich qualitativ von Ihrem Konzept des Steuerbetrugs unterscheidet.
(Beifall bei der SPD)
Erster Vizepräsident Mösleln: Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Dr. Zech das Wort. Bitte, Herr Kollege!
(Abg. Spitzner: Jetzt gib's ihm!)
Dr, Zech (FDP): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wahrscheinlich werde ich die Erwartungen des Herrn Kollegen Spitzner enttäuschen.
(Abg. Spitzner: Wie immer, erfüllen!)
- Nein, nein, ich bin doch nicht Ihr Befehlsempfänger!
(Allgemeine Heiterkeit)
Meine Damen und Herren! Das sinnlose Blutvergießen am Golf hat aufgehört. Dies ist für sich allein ein Grund für ein Gefühl der Erleichterung und der Dankbarkeit, auch wenn die Schädigung der Umwelt weiter fortdauert mit dem Brand vieler Ölquellen. Damit hat aber auch die internationale Wirtschaftsentwicklung wieder eine günstige Perspektive zurückgewonnen. Der Finanzbedarf für den Wiederaufbau am Golf spricht eher für einen niedrigen Ölpreis, weil infolge dieses Finanzbedarfs mehr Öl auf den Markt gebracht wird. Wenn wir also Glück haben, dann ist die Steuererhöhung in Bonn einigermaßen leicht zu verkraften, weil sich dann die Verbraucherpreise nicht so stark nach oben bewegen werden, wie es die Steuererhöhung hätte befürchten lassen.
Ich gestehe zu, daß die jetzt vom Bund beschlossenen Steuererhöhungen peinlich wirken und peinlich sind, weil vorherige Absichten und Versprechungen nicht eingehalten werden konnten. Ich nehme jedoch den Handelnden in Bonn ab, daß sie im guten Glauben gehandelt haben. Dabei darf nicht vergessen werden, daß jedenfalls die 1991 mit den Steuererhöhungen zu erzielenden Mehreinnahmen von 17 bis 18
472 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode Plenarprotokoll 12/10 v. 05. 03. 91
(Dr. Zech [FDP])
Milliarden DM gerade so hoch sind wie die deutschen Ausgaben für den Golfkrieg. So betrachtet halte ich den Irrtum noch verständlich. Sicher ist die politische Regel verletzt worden, daß man nie „nie" sagen soll. Man wäre besser über die Runden gekommen mit dem Versprechen, die Belastungen so gering wie irgend möglich zu halten.
Der FDP-Fraktion im Bundestag ist es schwer gefallen, dem Steuererhöhungspaket zuzustimmen. Viele Abgeordnete waren mit einzelnen Elementen des Pakets nicht einverstanden. Dies galt insbesondere für den Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer und zur Körperschaftssteuer. Die Zustimmung zu diesem Solidaritätsvorschlag erfolgte nur, weil gleichzeitig zehn Milliarden an direkten und indirekten Subventionen abgebaut werden und weil von Partei- und Fraktionsführung ein strenges Augenmerk auf die Ausgabenseite zugesagt wurde. Wirtschaftspolitisch sind bei dem Solidaritätszuschlag die zeitliche Begrenzung und der relativ geringe Prozentsatz für die Entscheidung der FDP-Bundestagsabgeordneten von Bedeutung gewesen. In den Jahren 1991 und 1992 werden beispielsweise die Unternehmen bei einem Steuersatz von 50 Prozent mit 50 Prozent von 3,75 und somit nur mit jeweils 1,88 Prozent ihres Gewinns mehr belastet. Dasselbe gilt selbstverständlich für Arbeitnehmer. Die von der SPD kritisierte Abschaffung der Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer war, ist und bleibt weiterhin ebenso notwendig wie die gesamte Reform der Unternehmensbesteuerung.
(Beifall bei der FDP)
Unsere Unternehmen müssen im Interesse von Investitionen und Arbeitsplätzen eine steuerpolitische Perspektive haben, die über die haushaltspolitisch schwierigen nächsten zwei Jahre hinausreicht. Verschwiegen wird von der SPD dabei, daß die erste Stufe, nämlich die Abschaffung von Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer, nach der Koalitionsvereinbarung durch den Abbau der degressiven Abschreibung auf Betriebsgelände und Betriebseinrichtungen finanziert wird. Das heißt, es erfolgt lediglich eine Umschichtung bei der Unternehmensbesteuerung.
Meine Damen und Herren! Wie weit ist der finanzpolitische Spielraum Bayerns ausgeschöpft? In der allgemeinen Aussprache im Ausschuß zum Haushalt des Finanzministeriums stellte Kollege von Heckei seinen Ausführungen die Bemerkung voran, die vorhandenen Spielräume seien nicht ausgeschöpft worden. Kollege Wengenmeier sagte etwa in derselben Richtung, Neuverschuldungen könnten zwar noch finanziert werden, aber die Stabilität der Währung wäre gefährdet.
Tatsächlich haben wir mit fünf Prozent Zinsanteil am Haushalt in Bayern eine Obergrenze erreicht, die ohne besondere Not nicht weiter überschritten werden sollte. Wenn nämlich bei zusätzlicher Verschuldung die Zinsquote des Haushalts die volkswirtschaftliche Wachstumsrate ereicht, kann dauerhaft kein Nettogewinn mehr für den Haushalt erzielt werden. Darüber hinausgehende, im Vergleich zum Ge-
samthaushalt schneller wachsende Schuldenlast, die unausweichlich mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden müßte, würde andere Ausgaben verdrängen. Die günstige Annahme, daß der Zins die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts nicht überschreitet, trifft in Wirklichkeit nicht zu. Wer also jetzt weiter in die Verschuldung geht, darf die Zurückzahlung nicht mehr als exotischen Ausnahmefall betrachten. Alternative ist dann nur, eine unproduktive Zinslast ewig mitzuschleppen.
Meine Damen und Herren! Die Stellenvermehrung ist ein besonderes bayerische Problem. Sie ist in einem solchen Tempo erfolgt, daß die anderen Bundesländer längst auf der Strecke geblieben sind. Dieses schnelle Tempo muß verlangsamt und gestoppt werden. Wir sehen durchaus, daß es in der Finanzverwaltung ein Defizit an Stellen gibt, die nötig wären zu einer ideal gründlichen Erledigung der Aufgaben. Wir glauben jedoch den Versicherungen des Finanzministers und seines Staatssekretärs, daß eine ordnungsgemäße Erledigung der Arbeiten noch gewährleistet ist. Im Grunde genommen können wir selbst bei unseren Steuererklärungen beobachten, daß dies der Fall ist. Es macht keinen Sinn, jetzt Stellen zu schaffen, die in einigen Jahren nach weiteren Automatisierungserfolgen wieder abgebaut werden könnten und müßten. Vor dem Einsatz der neuauszubildenden Beamten liegt ja die Ausbildungszeit, in der noch keine produktiven Leistungen erbracht werden.
Wir wollen eine weitere Vereinfachung der Steuergesetze, nachdem Erfolge mit der Steuerreform erzielt werden konnten. Auch von daher bleibt wenig Spielraum für den Vorschlag einer Ausbildung auf Vorrat. Immerhin erscheint mir sinnvoll, eine Sehwundquote bei der Ausbildung einzukalkulieren und somit einen begrenzten Puffer zusätzlicher Kräfte vorzusehen.
Das Finanzministerium ist in Bayern. allgemein auch für den öffentlichen Dienst zuständig. Daher komme ich zurück auf die Anträge zur Einziehung von Personalstellen, die ich in der Ersten Lesung angekündigt habe. Sie sind mittlerweile eingebracht und haben zum Ziel, i~ den meisten Verwaltungsbereichen jede vierte freiwerdende Stelle einzuziehen, dafür aber auf die Wiederbesetzungssperre zu verzichten, weiter die vorgesehenen neuen Stellen, mit Ausnahme der Haushalte des Kultus- und des Umweltministeriums, auf die Hälfte zu reduzieren und das so eingesparte Geld für Leistungsprämien und eine korrekte Überstundenbezahlung zu verwenden. Damit könnte die Durststrecke bis zu Automatisierungserfolgen überbrückt werden. Insbesondere für Leistungsprämien und verbesserte Überstundenbezahlung wären bundesrechtliche Voraussetzungen zu schaffen. Unser Antrag fordert die Staatsregierung zu entsprechenden Initiativen auf. Verwaltung ist in erster Linie Ländersache. Daher ist es auch nicht nur legitim, sondern notwendig, daß die Initiativen aus den Ländern kommen.
Bei den Forderungen der Beamten nach Stellenmehrungen und Kürzung der Wiederbesetzung,ssperre spielt sicher.gelegentlich auch der Wunsch mit, daß
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(Dr. Zech [FDP])
entsprechend dem Stellenschlüssel neue Beförderungsmöglichkeiten geschaffen werden. Der Stellenschlüssel wirkt so als Lex Parkinson, eine gewisse Entkoppelung von Stellenschlüssel und Beförderungsmöglichkeit ist daher notwendig. Ich betone aber in diesem Zusammenhang besonders, daß es nicht unsere Absicht ist, sozusagen blindwütig Stellen im öffentlichen Dienst einzusparen. Vielmehr ist es unser Ziel, Motivierung und Leistungsbereitschaft im Interesse der Bürger zu verbessern und zu belohnen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß wir uns für eine Entspannung der Situation besonders in den unteren Gehaltsgruppen in den Ballungsräumen einsetzen. Hier kann nur eine Kombination verschiedener Maßnahmen greifen wie Ballungsraumzulage, vermehrte Anstrengungen zum Bau von Dienstwohnungen, auch Baudarlehen, wenn es überhaupt noch für Beamte möglich ist, in diesen Gebieten Wohnungen und Häuser selbst zu errichten; schließlich auch das Instrument der Behördenverlagerung.
Wir erkennen gerne die Bemühungen an, die die Bayerische Staatsregierung unternimmt, Beamte zum Aufbau der Verwaltung in die neuen Bundesländer zu entsenden. Vor allen Dingen aber danken wir den Beamten, die sich zu diesem Einsatz bereiterklären.
(Beifall bei der FDP)
Wenn es gelänge, ungefähr ein Prozent des Personals der alten Bundesländer in die neuen Bundesländer zu entsenden, wäre damit ein wesentlicher Beitrag geleistet. Bei dem Verhältnis der Bevölkerungszahlen von West und Ost käme damit auf ca. 25 Beschäftigte im Osten ein Beamter aus dem Westen. Eine solche globale Zahl läßt offen, daß in speziellen Bereichen die Beratung, wo notwendig, noch enger gestaltet werden muß.
Wenn ich diese Überlegung mit dem vergleiche, was die Bayerische Staatsregierung bislang geschafft hat, so bedeutet dies, daß es gilt, noch mehr zu tun, um die desolate Verwaltung im Osten zu einem leistungsfähigen öffentlichen Dienst aufzubauen. Natürlich bringt man einen engagierten Einsatz unserer Beamten im Osten nicht zustande, wenn wir uns nur auf Vaterlandsliebe als einziges Motiv verlassen. Es müssen verbesserte berufliche Chancen und einigermaßen großzügige Aufwandsentschädigungen hinzukommen.
Zu prüfen ist im Zusammenhang mit der Hi~e für die östlichen Bundesländer auch, ob nicht auch Fachleute zu entsenden wären, die nicht im Staatsdienst tätig sind. Weiter gilt es, Pensionäre zu gewinnen, gegebenenfalls mit der Möglichkeit. wieder in ihrer bisherigen Behörde Dienst zu leisten, damit jüngere und belastbarere Beamte nach Ostdeutschland geschickt werden können. Es sind auch alle weiteren Formen der Hilfe mit einzubeziehen, Patenschaften von Behörden, Kurse und Weiterbildungsseminare. Auch ist in Betracht zu ziehen, Zuständigkeiten unserer Gerichte und Ämter für einen Teil der Aufgaben in Sachsen und Thüringen freizumachen. Wir alle mussen bereit sein, auf Perfektion zu verzichten. Das könnte
z.B. auch eine Verringerung oder Vereinfachung der Rechtswege bedeuten. Nicht jedoch können wir auf den Rechtsstaat als solchen verzichten und zulassen, daß dieser in Bayern sozusagen mit der linken Hand abgeschafft wird. Danke schön.
(Beifall bei der FDP)
Erster Vizepräsident Möslein: Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Kamm das Wort.
Kamm (DIE GRÜNEN): Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des Finanzministeriums ist vorrangig ein Personaletat. Wir von der Fraktion DIE GRÜNEN haben uns damit auseinandergesetzt, ob einerseits die Aufgaben in der Finanzverwaltung ausreichend erfüllt werden können, andererseits ob auch die Arbeitssituation der Beschäftigten fair und erträglich ist. Wir haben deshalb einen Antrag eingebracht, dem zugegebenermaßen im laufe der Haushaltsberatungen schwer nachzukommen war; wir wollten, daß in einer Anhörung im Haushaltsausschuß die Stellen- und Personalsituation in der Finanzverwaltung unter Einschaltung auch der Vertreter des Personals aus den beiden einschlägigen Gewerkschaften besprochen wird. Wir halten das für richtig, weil der Haushaltsausschuß und der Landtag quasi als Kontrolleur und Auftraggeber des Dienstherrn doch einmal die Leute in Rede und Gegenrede hören sollten, die in vielen Briefen an uns immer die Situation dort beklagen. Diesem Antrag wurde nicht entsprochen. Es wurde gesagt, das sollte besser in Einzelgesprächen zwischen den Fraktionen laufen. Aber wir denken, es wäre ein besserer Stil, solche Anhörungen im Landtag zu machen; sie wären dann nicht fraktionsintern.
Wir haben weiterhin Anträge gestellt, zu verstärkter Betriebsprüfung die Stellen zu vermehren. Wir haben schon bei den letzten Doppelhaushalten angeprangert, daß Betriebsprüfung und Steuerfahndung so schlecht ausgestattet sind, so daß uns Jahr für Jahr Milliarden an Steuergeldern entgehen. Das ist eigentlich ein doppelter Skandal: Einerseits entgehen dem Staat und somit der Gesellschaft insgesamt Gelder zur Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben, andererseits haben steuerunehrliche Betriebe, die aufgrund mangelnder Steuerprüfung durch die Maschen schlüpfen, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber steuerehrlichen Betrieben. Deshalb sollten wir alles daran setzen, die Steuer- und Betriebsprüfung zu verbessern. Wir wollen keine Über-Prüfung, wir wollen nicht. daß die Betriebe nicht mehr arbeiten können und durch Prüfungen quasi lahmgelegt werden. Aber wir halten die gegenwärtigen Verhältnisse für nicht akzeptabel, und wir halten deswegen eine Verstärkung der Steuerprüfung für erforderlich.
Allerdings werden in der Finanzverwaltung viele Stellen gar nicht mehr besetzt. Insofern ist der Ausweg, neue Stellen zu schaffen, kein Ausweg mehr, weil die Einkommenssituation in der freien Wirtschaft mittlerweile für Steuerberater offensichtlich viel attraktiver ist als in der Finanzverwaltung. Diese Situation hatten wir in unserem lande schon einige Male; dann können wir nur mit Stellenhebungen dafür sorgen, daß
474 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode ~Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Kamm [DIE GRÜNEN])
auch die Finanzverwaltung ausreichend qualifiziertes Personal bekommt.
Wir haben in unseren Anträgen auch Einsparungen vorgeschlagen. Die Finanzverwaltung beinhaltet auch die Finanzbauämter, die quasi Bauherrenfunktion für viele Bereiche haben. Wir können bei den Ausschreibungen immer wieder sehen, daß viele militärische Aufträge gerade von den Finanzbauämtern ausgeführt werden. Dort wäre sehr schnell viel einzusparen; Gott sei Dank brauchen wir keine neuen großen Kasernen oder Flughäfen für militärische Dienste mehr.
Einer unserer kleinen Anträge hat zum Schmunzeln und teilweise auch zu ironisch bissigen Bemerk411-gen bei den anderen Fraktionen geführt.
(Abg. Diethei: Zu Recht!)
Wir wollten keine Einrichtungen neuer Parkplätze mehr bei den Finanzverwaltungen. Uns geht es dabei vorrangig nicht um Geld, sondern ein Symbol. Wenn an einer Finanzfachhochschule, einer Beamtenfachhochschule in Herrsching oder Hof - Hof untersteht auch dem Finanzministerium - immer mehr Parkplätze gebaut werden, wir gleichzeitig aber beispielsweise mit dem Ausbau der Zugverbindungen nach Hof nicht vorankommen, ist das ökologisch ein Fehlweg, den wir uns angesichts der derzeitigen Situation nicht mehr leisten sollten.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Wir GRÜNEN drängen immer wieder darauf, daß auch der Staat vorbildlich ist. Also nicht vermehrt Parkplätze bauen, sondern den öffentlichen Personenverkehr so ausbauen, daß gerade Orte mit Massenverkehr auch mit Bahn und Bus erreicht werden können.
Alle unsere Anträge wurden wie im Bayerischen Landtag üblich abgelehnt.
(Abg. Strehla: Liegt an den Anträgen!)
- Herr Strehla, das war ein netter Zuruf. Glauben Sie wirklich, wir können einen finanzwirksamen Antrag stellen, dem Sie dann zustimmen? Hat es das einmal in den zurückliegenden fünf Jahren gegeben, daß Sie einem finanzwirksamen Antrag der GRÜNEN oder der SPD im Rahmen der Haushaltsberatungen zugestimmt haben? Nei~ !
(Abg. Diethei: Jawohl, hat es gegeben!)
- Sie kennen doch den Mechanismus: Den Finanzetat stellt das Ministerium auf, und dann gibt es Besprechungen zwischen dem Ministerium und der Mehrheitsfraktion, der CSU, und da wird die Spielwiese ausgemacht, wo die CSU Abänderungsanträge stellen kann.
Auf jeden Fall werden Sie nicht dulden, daß in irgendeiner Weise einmal die SPD oder die FDP oder gar die GRÜNEN in den Haushaltsberatungen einen Erfolg hätten. Sie haben bisher alle unsere Haushal.tsanträge abgelehnt. Das hat nichts mit Güte oder Nichtgüte zu tun, sondern das hat etwas mit Ihrem
Prinzip zu tun, daß Sie nicht bereit sind, daß das Parlament gemeinsam einen Haushalt macht.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Lassen Sie mich in einem zweiten Teil meiner Ausführungen zum Etat des Finanzministers kurz auf das eingehen, was gegenwärtig in der Steuerdebatte in unserem lande diskutiert wird. Wir haben in den letzten Wochen einige steuerpolitische Beschlüsse gehabt, die finanziell notwendig sind, weil die Finanzsituation in der DDR so ist, wie sie ist. Aber, meine Damen und Herren, lassen sie uns daran erinnern, daß wir hier im Landtag vor zwei Jahren eine große steuerpolitische Debatte hatten. Damals haben wir gesagt, Sie können diese Steuerkürzungen nicht bezahlen, wenn Sie nicht ein gigantisches Wachstum haben, und Sie werden über kurz oder lang hergehen und die Mehrwertsteuer erhöhen. Wir haben dann erlebt, daß Sie im Zusammenhang mit der europäischen Einigung mehrfach mit dem Gedanken gespielt haben, Steuern zu erhöhen. Man kann ja nicht von Steuerharmonisierung sprechen, wenn man die Mehrwertsteuer nach oben zieht. Dann kam die deutsche Einigung, und es kam der Golfkrieg; Sie haben damit immer neue Anlässe gefunden, in der Steuerpolitik zu erhöhen.
Wir GRÜNEN haben deutlich gemacht, daß wir einen Umbau unseres Steuersystems in eine andere Richtung wollen. Lassen Sie mich dies jetzt in einem groben Zug darstellen, um dann im einzelnen zu detaillieren.
Wir sind der Meinung, daß wir in unserem Land nicht weiter die menschliche Arbeit so hoch besteuern sollten, während wir andere Tatbestände wie hemmungsloses Autofahren, hemmungsloses Energieverschwenden Müll machen steuerlich im Grunde überhaupt nicht zur Kasse bitten oder nur minimal zur Kasse bitten.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Wenn wir hergehen und die menschliche Arbeit steuerlich immer höher belasten, werden Dinge wie Reparieren, Dienen, Bedienen, aber auch Dienstleistungen im Krankenh\'US, in Altersheimen, in Kindergärten, in dieser Gesellschaft immer teurer. Wir haben den Maschineneinsatz, den Rohstoffeinsatz, der in unserer Gesellschaft billig ist, aber all das, wo Menschen eingesetzt werden, können wir uns vielfach nicht mehr leisten.
Deshalb sind unsere Steuerumbauvorschläge davon getragen, daß wir die menschliche Arbeit steuerlich entlasten und daß wir Steuern erheben auf Dinge, die in unserer Gesellschaft schädlich sind. Wir sind auch der Meinung, daß eine pauschale Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 15 bis 17 Prozent, wie sie im Rahmen der EG diskutiert wird, eigentlich falsch ist. Lassen sie uns ein Beispiel zitieren: Kommen auf eine normale ·Glühlampe, vielleicht sehr stromfressend, die vieReicht eine Mark kostet, 14 Prozent Mehrwertsteuer drauf, dann sind das 14 Pfennige. Wenn aber jemand - ökologisch sinnvoll - sich eine Energiesparlampe kauft, die in der Herstellung wesentlich teurer ist und netto vielleicht 40 Mark kostet, dann kommen darauf auch noch einmal 14 Prozent
Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91 Bayeriecher Landteg . 12. Wahlperls>d!' . 475
(Kamm [DIE GRÜNEN])
Mehrwertsteuer, das sind 5,60 Mark. Somit wird deroder diejenige, der oder die ökologisch verantwortlich ein besseres Produkt kauft, wesentlich höher mit Mehrwertsteuer belastet.
Die Mehrwertsteuer unterscheidet nicht nach ökologisch sinnvollen und erwünschten Käufen und ökologisch nicht erwünschten Käufen. Wir haben zwar das Splitting bei Lebensmitteln und Druckerzeugnissen in einem erwünschten Bereich, aber wir müssen die Mehrwertsteuer auch ökologisch nutzen. Das können wir dadurch tun, daß wir sie nicht pauschal erhöhen, eher sogar an Senkung denken, und daß wir auf der anderen Seite Ökosteuern einführen.
So habe ich hier 1987 und auch 1988 dargelegt. Ich meine, gerade in dieser Zeit wäre es ausgesprochen sinnvoll, über die Mineralölsteuer zu sprechen. Es sind mindestens drei Vorzüge, wenn wir sie erhöhen: Der erste Vorzug ist, daß die Einnahmen dem Bund zufließen, der ja im Rahmen des deutschen Einigungsprozesses mit besonders vielen Aufgaben belastet ist.
(Abg. Dr. Matschl: Sie begrüßen also die Steuererhöhung?)
- Die Erhöhung der Mineralölsteuer, Herr Dr. Matschl, begrüßen wir auf das eQergischste.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Herr Dr. Matschl, wir GRÜNEN waren so ehrlich, das vor der Landtagswahl und vor der Bundestagswahl zu sagen, was uns viele Leute sogar in der eigenen Partei übelgenommen haben, die gesagt haben: Wie konntet Ihr nur vor der Wahl damit durch die lande ziehen, daß Ihr sagt: Autofahren ist viel zu billig, die Mineralölsteuer muß erhöht werden, und zwar stufenweise, mit einem Endpreis pro Liter von fünf Mark, dies sei aus ökologischen Gründen anzustreben. Wie konntet Ihr damit nur übers Land ziehen!
(Abg. Dr. Matschl: Das ist aber jetzt ein bißchen übertrieben!)
Wir sind so ehrlich gewesen, wir haben diese Zahlen vor der Wahl genannt, wir sind dann nicht mehr in den Bundestag hineingewählt worden. Sie haben das Gegenteil gemacht, Sie stellen wieder die Regierung, und man sieht, in unserer Demokratie werden Lügen häufig leider Gottes belohnt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Wir sind also der Meinung, die Mineralölsteuer zu erhöhen hätte mindestens drei Vorteile. Erstens fällt sie dem Bund zu.
(Abg. Hofmann: Dann können nur noch die Reichen fahren!)
- Herr Hoffmann, könnten Sie dann noch fahren, wenn die Mineralölsteuer so erhöht würde?
(Abg. Hofmann: Ich würde es mir leisten!)
- Das ist ein gutes Argument für die Diätenerhöhung. Aber Spaß beiseite: Eine Mineralölsteuererhöhung
würde dadurch kompensiert, daß dann die Industrie, wie das früher schon einmal der Fall war, hergeht und massiv auf _benzinsparende Autos hin entwickelt. Was haben wir in den zurückliegenden Jahren denn erlebt? Ich erinnere an die Ölkrise in den 70er Jahren. Da war es doch so, daß der Benzinverbrauch des Au_tos ein wichtiges Kriterium war. Heute kommen Autos heraus - Mercedes stellt gerade in Genf seine neue S-Klasse vor -, die schon wieder im Drittelmix 20 Liter verbrauchen. Stellen Sie sich diesen Wahnsinn einmal vor!
Der Kollege Werkstetter hatte das in der letzten Legislaturperiode erfreulicherweise auch angesprochen. Wenn Sie heute die Werbung betrachten, dann geht es der Autoindustrie nur noch um Geschwindigkeit, nur noch um PS. Aussagen über den Benzinverbrauch kommen ganz klein hinten und spielen bei der Kaufentscheidung heute leider keine Rolle mehr.
Wenn wir den Benzinpreis erhöhten, Herr Hofmann, dann wäre es so, daß auf die Kaufentscheidung die höhere Benzinsteuer sehr wohl Einfluß hätte. Das wäre aus ökologischen Gründen sehr erwünscht. Wenn Sie auf die soziale Komponente hinweisen, Herr Hofmann, dann haben Sie durchaus recht; Sie kommen ja aus einer ländlichen Gegend, und ich glaube sehr wohl, daß das Autofahren dort viel nötiger ist als etwa in München. Aber heute sah ich einen Landtagskollegen gerade mit seinem neuen BMW aus Augsburg-Stadt kommen, obwohl wir einen wunderbaren IC haben.
(Zuruf von der FDP: Vielleicht war der von den GRÜNEN!)
Leider Gottes ist es so, daß falsches Fahrverhalten in unserer Gesellschaft noch ungebrochen ist. Nehmen Sie auch zur Kenntnis, daß heute Autos trotz allen technischen Fortschritts im Schnitt mehr Benzin verbrauchen als in den 50er Jahren. Natürlich haben wir in der Motorenentwicklung Fortschritte erzielt, aber das ist mehr als aufgafressen worden dadurch, daß wir schneller fahren und daß wir größere, stärkere und schwerere Autos haben.
Meine Damen und Herren! Deshalb sind wir der Meinung, die Mineralölsteuer muß dringend erhöht werden. Wir sind der Meinung, daß die Vermögenssteuer erhöht werden müßte, und der Spitzensteuersatz bzw. die Ergänzungsabgabe sollten auch zu Steuermehreinnahmen genutzt werden. Auch eine Schwerlastverkehrsabgabe, ~ine Chlorsteuer und eine Stickstoffsteuer werden aus unserer Sicht gewünscht. Aber die Lohn- und Einkommensteuer generell zu erhöhen, so wie Sie es gegenwärtig vorhaben, lehnen wir ab.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Erster Vizepräsident Mösleln: Als nächstem Redner erteile ich dem Herrn Abgeordneten· von Heckei das Wort. - Er ist nicht im Saal. Damit ist die Wortmeldung verfallen.
Nächster Redner ist der Abgeordnete Strahle.
Strahle (CSU): Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Aussprache zu diesem Einzelplan 06 hat
476 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode · Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Strehle [CSU])
weit auseinandergehende Auffassungen aufgezeigt. Einmal wurde von einer katastrophalen Personalsituation gesprochen, die wir im öffentlichen Dienst haben sollen, auf der anderen Seite hat der Kollege Zech von einer Stellenvermehrung als einem besonderen bayerischen Problem gesprochen. Die Wahr-· heit wird wohl in der Mitte liegen, und die Wahrheit wird sein, was ich auch schon in den Beratungen im Ausschuß ausgeführt habe, daß wir gerade bezüglich der Personalausstattung bei unseren Finanzämtern ein Problem haben, das gelöst werden muß, das wir aber gerade schon in den vergangenen Jahren auf besondere Weise angegangen haben. Ich erinnere daran, daß wir in den beiden letzten Doppelhaushalten hier in Bayern insgesamt 8900 zusätzliche Stellen geschaffen haben und daß allein dieser vorliegende Haushaltsentwurf 3000 neue Stellen vorsieht. Wir liegen damit sicherlich wieder an der Spitze aller Bundesländer, und wir können uns auch sehen lassen, was die Ausstattung unserer Finanzverwaltungen betrifft.
Zu den angesprochenen Personalbedarfsberechnungen möchte ich noch einmal ausführen, daß es sich hierbei sicherlich um theoretische Berechnungen handelt, die sich nicht immer auf der Höhe der Zeit befinden, weil gerade die fortschreitende Automatisierung, die auch im Bereich des Finanzamtswesens gerade hier in Bayern vorangebracht wird, Entsprechendes dann natürlich wieder in Frage stellt. Es ist schon gesagt worden, daß sich diese Personalbedarfsberechnungen als Idealzustand, als Idealzahlen nirgendwo, auch in anderen Bundesländern nicht, immer völlig decken. Und dazu hat Herr Staatssekretär Meyer im Ausschuß die Zahlen bereits dargelegt, daß es nämlich in Nordrhein-Westfalen 10,50/o, in Hessen 10,60/o, in Schleswig-Holstein 8,40/o usw. Abweichungen von der Wirklichkeit gibt.
Nun ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist hier auch noch von dem Problem der Stellenbesetzung gesprochen worden. Wir sehen das natürlich ähnlich, daß nämlich selbst vorhandene Stellen nicht mehr besetzt werden können. Hier stimmen wir überein, daß wir Entsprechendes veranlassen müssen.
Ein Punkt, den Sie, Herr Dr. Zech, hier noch einmal . angesprochen haben, ist die Frage der Behördenverlagerung. Sie wird gerade von der CSU-Landtagsfraktion ganz intensiv verfolgt; wir haben dazu in einem Arbeitskreis unter der Leitung von Herrn Abgeordneten Diethei entsprechende Vorschläge zu machen. Gemeinsam mit der Staatsregierung wollen wir zur Lösung dieses Problems kommen.
Ich meine, daß trotz der vorhandenen Schwierigkeiten eine Ordnungsmäßigkeit in der Steuererhebung auch in der Zukunft gewährleistet ist, und ich brauche jetzt nicht mehr auf die Einzelanträge einzugehen. Gerade Sie, Herr Kollege Kamm, betrifft das, nachdem ich Ihnen ja schon durch den Zwischenruf versichert habe, daß wir gegenüber allen vernünftigen Anträgen aufgeschlossen sind. Aber der von Ihnen als Beispiel angeführte Antrag auf Parkplatzstrei-
chung gibt wirklich keinen Sinn; denn bei diesem konkreten Antrag soll es darum gehen, nach der Stellplatzverordnung vorgeschriebene Stellplätze, die natürlich auch für die öffentliche Hand gelten, einfach nicht zu bauen. Das, glaube ich, kann bei diesen im Einzelplan 06 vorgesehenen Maßnahmen keinen Sinn geben.
Insofern meine ich, daß wir gerade auch mit diesem vorliegenden Haushaltsplan und den entsprechenden Stellen eine ordnungsgemäße Verwaltung nach den auch bisher geltenden Prinzipien der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit erfüllen können. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Einzelplan 06.
Erster Vizepräsident Möslein: Nächste Wortmeldung der Abgeordnete Großer. Sie haben das Wort, Herr Kollege!
Großer (FDP): Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der Tatsache, daß der Herr Staatssekretär freundlicherweise auf seine Haushaltsrede verzichtet hat, will ich mich selber mit vier Bemerkungen in dieser Debatte begnügen.
Erstens. Ich halte es für dringend notwendig, daß das Finanzministerium und alle Ressorts, die betroffen sind, die Funktionsgruppenverordnung, insbesondere für die technischen Berufe der Fach- und Hochschulingenieure, endlich umsetzen. Ich denke da beispielsweise an die Forstingenieure.
Zweitens sollte das Beamtenministerium die Vorbildfunktion, die es in Sachen Umsetzung des Schwerbehindertengesetzes hat, im eigenen Hause endlich ein, mal regeln. Sie soll hier den Vortritt nicht dem Sozialministerium, dem Landtag und dem Senat überlassen, sondern unbedingt die Sechs-Prozent-Regelung doch wohl einhalten.
(Beifall bei der FDP)
Drittens sollte es unsere gemeinsame Aufgabe sein, meine Kolleginnen und Kollegen, zusammen mit dem Bund darauf hinzuwirken, daß wir die starren Regelungen der Besoldungsgesetze in bezug auf das Laufbahnde.nken endlich einmal etwas aufweichen.
(Beifall bei der FDP)
Meine Kolleginnen und Kollegen, wie wollen wir eigentlich zu einem leistungsbezogenen Beamtentum kommen, wenn wir nur in diesen starren Regelungen - niederer, mittlerer, gehobener und höherer Dienst -denken und all die Gefahren, die im Moment entstehen, zum Beispiel, daß wir bei den Ingenieuren keinen Nachwuchs mehr bekommen, einfach negieren, indem wir sagen, dieses ist Bundesrecht, und dem haben alle Länderfinanzminister zugestimmt, und daran darf nicht gerüttelt werden. Sollen wir uns denn von der Industrie die guten Leute direkt von den Fachhochschulen zum Beispiel wegkaufen lassen, nur weil wir nicht in der Lage sind, sie besser als in A 10 einzustufen, und ihnen nicht einmal die Chance geben, höher als bis A 13 zu kommen? Damit ist eine gerechte, vernünftige Verwaltung auf Dauer nicht zu führen. Der Staat kann einen Berufsanfänger erst einstellen, wenn er sein Abschlußzeugnis in der Tasche
Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode
(Großer [FDP])
hat; in der Zwischenzeit haben die Industrie und die Wirtschaft die Leute -schon aus dem fünften, sechsten und siebten Semester herausgekauft. Wir finden nur noch eine Negativauslese für unseren öffentlichen Dienst in wichtigen Bereichen, meine Kolleginnen und Kollegen, wenn wir nicht gemeinsam, und da ist das ganze Haus gefordert, einen entsprechenden Vorstoß beim Bund unternehmen.
(Richtig! und Beifall bei der FDP)
Und eine letzte Bemerkung. Wir haben zu unserem Antrag im Rahmen der von uns gewünschten Instandsetzung der beiden Pavillons in Lustheim die Bemerkung gehört, daß ihm in diesem Haushalt entsprochen sei. Wir werden die Sache kontrollieren, Herr Staatssekretär, ob der unwürdige Zustand dieser beiden Pavillons neben der Perle im Schloß Lustheim mit dem Meißner Porzellan auch innerhalb der zwei Jahre beseitigt werden kann. Ansonsten werden wir dafür sorgen, daß dies in dieser Legislaturperiode geschieht.
(Beifall bei der FDP)
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst abstimmen über den E i n z e 1 p 1 an 06. Der Abstimmung zugrunde liegen der Entwurf des Haushaltsplanes 1991/1992 des Einzelplans 06 und die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen, D r u c k s a c h e 12/600.
Im Zusammenhang mit der Beratung des Einzelplanes 06 hat der Ausschuß für Staatshaushalt und Finanzfragen einen Antrag und sechs Änderungsanträge zur Ablehnung vorgeschlagen. Die Liste der abgelehnten Anträge liegt Ihnen vor:
Die vom Ausschuß abgelehnten Änderungsanträge stelle ich insgesamt zur Abstimmung. Die Voten des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen zu diesen Änderungsanträgen sind Ihnen bekannt. Hinsichtlich der zustimmenden Kenntnisnahme, die sich auf das Abstimmungsverhalten der eigenen Fraktion im Ausschuß für Staatshaushalt und Finanzfragen bezieht, bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig. Dann so bes c h 1 o s s e n.
Damit übernimmt der Landtag die vom Ausschuß für Staatshaushalt und Finanzfragen jeweils empfohlenen Voten. Der Einzelplan 06 wird vom Ausschuß für Staatshaushalt und Finanzfragen mit den in der Beschlußempfehlung auf Drucksache 12/600 aufgeführten Änderungen empfohlen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Sc h 1 u ß abstimm u n g. Wer dem Einzelplan 06 entsprechend der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platze zu erheben. - Das ist die Fraktion der CSU. Die Gegenstimmen bitte ich auf die gleiche Weise anzuzei-
•Anlage 1
gen! - Das sind die Fraktion der SPD, die GRÜNEN und die FDP. Damit ist der Einzelplan 06 an g e -nom m e n.
Außerdem schlägt der Ausschuß für Staatshaushalt und Finanzfragen noch folgende Beschlußfassung vor:
Das Staatsministerium der Finanzen wird ermächtigt, die aufgrund der vorstehenden Änderungen erforderlichen Berichtigungen in den Erläuterungen, der Übersicht über die Verpflichtungsermächtigungen und den sonstigen Anlagen beim endgültigen Ausdruck des Einzelplans 06 vorzunehmen.
Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Fraktion der CSU. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen! - Keine. Stimmenthaltungen? - Das restliche Hohe Haus. Dann ist dies so bes c h 1 o s -s e n.
Durch die Annahme des Einzelplans 06 in der Fassung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen haben folgende Anträge bzw. Änderungsanträge ihre Erledigung gefunden:
- Antrag der Abgeordneten Straßer, Franzke, Starzmann u. a. betreffend einfacher vermessungstechnischer Dienst - Weiterbeschäftigung der Gehilfen (Drucksache 12/252)
- Änderungsantrag der Abgeordneten Prof. Dr. Doeblin, Großer, Hiersemenzel u. a. und Fraktion betreffend lnstandsetzungarbeiten am Südlichen und am Nördlichen Pavillon des Schlosses Lustheim (Drucksache 12/340)
- Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Eykmann, Strehle, Engelhard Rudolf betreffend Fortführungsvermessungsdienst (Drucksache 12/518)
Die Beratung des Einzelplans 06 ist damit abgeschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf D r u c k s a c h e 12/524. Der Ausschuß für Staatshaushalt und Finanzfragen empfiehlt eine NeufassuAg des Antrags. Ich verweise auf Drucksache 12/573. Wer dieser Neufassung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 5:
Abstimmung über Anträge, die nicht einzeln beraten werden.
Ich stelle die in der Anlage aufgelisteten Anträge insgesamt zur Abstimmung. Ausgenommen hiervon sind die Nummer 6 und die Nummer 6 der Liste, über die auf Wunsch der Fraktion DIE GRÜNEN gesondert beraten werden soll.
Ich rufe deshalb zunächst auf die N u m m e r 6 der Anlage:
Antrag der Abgeordneten Dr. Fleischer, Kamm, Kellner und Fraktion DIE GRÜNEN betreffend Keine
478 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund)
Subventionierung der Entwicklung von Regionalflugzeugen (Drucksache 12/317)
Über die Beratungen des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr (Drucksache 12/494) berichtet Herr Kollege Dr. Magerl. Ich erteile ihll) das Wort.
Dr. Magerl (DIE GRÜNEN), Berichterstatter: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wirtschaft und Verkehr hat über diesen Antrag in seiner 10. Sitzung am 7. Februar dieses Jahres beraten. Mitberichterstatter war Kollege Dinglreiter, Berichterstatter war ich selbst.
Als solcher trug ich das Antragsbegehren vor, daß keine Regionalflugzeuge subventioniert werden sollen. Ich begründete dies damit, daß hier eine Luftverkehrsart, nämlich der Kurzstreckenverkehr, der besonders nachteilig für die Umwelt sei, subventioniert werden solle.
(Fortgesetzte allgemeine Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Mitberichterstatter Kollege D i n g 1 r e i t e r wies darauf hin, daß der Antrag nicht an den Landtag hätte gerichtet werden sollen, sondern Richtung Bund. Er verwies weiter darauf, daß ein Bedarf gerade für Regionalflugzeuge mit einem Sitzplatzangebot von 80 bis 130 Plätzen vorhanden sei. Er plädierte dafür, daß derartige Flugzeuge subventioniert werden sollten.
Ich selbst formulierte dann den Antrag allgemein um, daß die Staatsregierung aufgefordert werden soll, dafür zu sorgen, daß die Entwicklung von Regionalflugzeugen nicht aus Steuermitteln subventioniert wird.
Weiter meldete sich noch Kollege v o n G u m p -p e n b er g, der sich zwar für die Abschaffung von Subventionen einsetzte, aber nicht global wie die GRÜNEN, und meinte, daß dem Antrag nicht zugestimmt werden könne.
Auch Kollege N a u m a n n vermerkte, daß er nicht zustimmen könne, weil dabei ein Konversionsprojekt - nämlich Nichtbau des Jägers 90 einerseits und Subventionierung eines zivilen Regionalflugzeugs andererseits - gefährdet würde. Er kündigte deshalb an, dagegen zu stimmen.
Es wurde dann folgendes Votum gefaßt: Mit den Stimmen der CSU, SPD und FDP wurde der Antrag gegen die Stimme des Vertreters der GRÜNEN abgelehnt. Ich bitte das Hohe Haus um Entscheidung.
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Danke für die Berichterstattung. Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen? - Bitte schön, Herr Kollege Kamm!
Kamm (DIE GRÜNEN): Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Monaten war ich zu Besuch bei MBB in Augsburg. Dort stöhnte mir ein MBB-Mitarbeiter vor, wie schlecht denn mittlerweile die Situation am deutschen Himmel sei; er habe doch jüngst zur Niederlassung von MBB nach Hannover gemußt, und er sei morgens um halb sechs Uhr in Augsburg losgefahren, weil die Maschine um sieben
Uhr von München abfliegen wollte. Er habe allerdings über Frankfurt fliegen müssen, weil es keine Direktverbindungen nach Hannover von München aus gegeben habe; allerdings sei München so zu gewesen, daß man erst knapp vor acht Uhr zum Start gekommen sei, und dann sei es ihm passiert, daß irgendwann der Flugkapitän gesagt habe, man überfliege zum Warten auf die Landeerlaubnis in Frankfurt zum drittenmal Würzburg, und irgendwann um Viertel nach neun oder halb zehn Uhr hätten sie dann in Frankfurt landen können, und er habe Glück gehabt und sei dann schon kurz nach zehn in der Maschine gesessen, die Richtung Hannover gestartet sei. Kurz nach elf Uhr sei er dann in Hannover gewesen.
Diese Leidensgeschichte erzählte mir der Mitarbeiter von MBB. Ich zog daraufhin meinen Taschenfahrplan über die Zugverbindungen von Augsburg heraus und sagte ihm, wenn er von Augsburg um sechs Uhr 45 mit dem IC abgefahren wäre, wäre er schon um elf Uhr 33 mit dem IC in Hannover gewesen.
Meine Damen und Herren! Diese kleine Geschichte beleuchtet wohl, wie „sinnvoll" Kurzstreckenfliegerei im Regionalbereich ist. Dieses Fliegen soll jetzt ausgeweitet werden. Wir wurden hellwach, als Minister von Waldenfels am 14. November letzten Jahres vor dem Wirtschaftsausschuß seinen Bericht über MBB gab und darin ausführte, ich zitiere:
Für das Regionalflugzeugprojekt gibt es noch keine definitive Entscheidung. Die Überlegungen gehen auf ein Flugzeug in der Größenordnung .unterhalb des kleinen Airbus 8 A 320 für 80 bis 130 Passagiere, das in internationaler Kooperation gebaut werden soll. Da ein derartiges Projekt ohne Förderung aus öffentlichen Mitteln nicht realisierbar ist, bedarf es unserer gemeinsamen Anstrengung, eine entsprechende politische Entscheidung beim Bund herbeizuführen.
Meine Damen und Herren! Eine verstärkte Förderung des Regionalfliegens ist durchaus verständlich, wenn es darum geht, zu überlegen, wie können wir dem Konzern MBB, der in den letzten Jahren 50 bis 70 Prozent seines Umsatzes mit Rüstungsgütern gemacht hat, hetten, auf zivile Produkte umzustellen. Daraus rühren ja auch manche Überlegungen. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen uns sehr klar darüber sein, daß das Fliegen, speziell auch das Regionalfliegen, ein ökologischer Unfug ist.
Wenn jemand mit dem Flugzeug fliegt, verbraucht er pro Kilometer vier- bis fünfmal soviel Energie wie bei der Fahrt mit der Eisenbahn. Die Flugzeuge stoßen ihre Abgase ohne Filter, ohne Katalysator aus und tragen erheblich dazu bei, daß in sensiblen Luftschichten sehr viele Schadstoffe ausgetragen werden.
Deshalb ist auch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zum langfristigen Klimaschutz zu der Empfehlung gekommen, weitgehend das Regionattliegen einzuschränken. Wir GRÜNEN sind daher der Meinung, daß wir jetzt nicht mit Steuermitteln das Regionalfliegen noch anschieben sollten. Und wir stehen möglicherweise am Anfang einer unheilvollen Entwicklung, meine Damen und Herren. Bisher wird
Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91 Bayerischer Landtag · 12. Wahl~ 479
(Kamm [DIE GRÜNEN])
ja im Kurz- und Mittelstreckenbereich noch relativ wenig geflogen. Aber wenn wir jetzt die Schleusen öffnen und durch Subventionen dazu beitragen, daß das Fliegen auch im Kurzstreckenbereich billig wird,
(Allgemeine Unruhe - Glocke des Präsidenten)
kann es uns doch passieren, daß wir in zehn, 15 Jahren eine große Flotte dieser Flugzeuge haben, daß wir viele Regionalflughäfen haben. Beispielsweise höre ich, daß auch der Regionalflughafen im Allgäu wieder in die Diskussion gebracht wird.
(Abg. Diethei: Das ist überhaupt nicht wahr!)
- Oh, Herr Diethei, dann sind Sie als Kemptener, der Sie sich ja so rühmlich dafür eingesetzt haben, daß dort die Müllverbrennungsanlage nicht fertiggebaut wird,
(Abg. Diethei: Natürlich!)
aber nicht ausreichend informiert,
(Abg. Diethei: Ausreichend! -Weitere Zurufe von der CSU)
daß von Ihrer Partei, nachdem im Regionalen Planungsverband der Flughafen ad acta gelegt worden ist, wieder Leute dabei sind zu schreiben und sich an die IHK gewandt haben.
(Abg. Diethei: Wer denn bitte schön, wer denn? - Abg. Wengenmeier: Wer denn, wer
denn?)
- Wissen Sie nicht? Also ich habe die Zeitungsartikel jetzt nicht dabei.
(Abg. Diethei: Ach, das ist aber schade!)
Ich gebe sie Ihnen gerne, weil im Herbst für uns ein Alarmzeichen war, daß dies im Allgäu auch schon wieder erwogen wird.
(Zuruf des Abg. Wengenmeier)
- Ich gebe es Ihnen gerne, Herr Wengenmeier.
(Abg. Diethei: Das war ein Fehlalarm! Solche Sprüche! Hinten und vorn keine Namen nennen, und dann solche Erklärungen
abgeben! Was Sie sagen, ist einfach falsch!)
- Herr Diethei, sind Sie denn bereit, den Zeitungsartikel von mir in Empfang zu nehmen? Ich kann doch nicht immer alles dabeihaben!
(Abg. Diethei: Ich nehme von Ihnen alles entgegen, wenn es etwas Vernünftiges ist, aber meistens ist es nichts Vernünftiges!)
-' Prima, Herr Diethei, über Kleinigkeiten kann man sich mit Ihnen ja einigen.
Jetzt machen wir aber weiter beim Thema Regionalflugzeuge. Wenn wir dazu beitragen, daß jetzt viele dieser Flugzeuge gebaut werden, werden - natürlich mit Steuermitteln - auch die entsprechenden Flughäfen gebaut, unq dann werden wir möglicherweise
eine Kultur haben, in der es üblich ist, zum Eishokkey-Bundesligaspiel nach Hamburg zu fliegen,
(Zuruf von der CSU: In Hamburg gibt es keine Eishockey-Bundesligamannschaft!)
am verlängerten Wochenende Kurzurlaub an einer Sonnenküste zu machen, wenn es hier Nebeltage gibt, wobei für Kurzstreckenflüge an die Sonnenküste im Preisbereich von vielleicht 150 DM viele, viele Interessenten in Frage kommen. Seien wir doch ehrlich! Die meisten von uns, mich eingeschlossen, hätten bei bestimmten Wetterlagen viel Spaß, wenn sie für 150 DM wirklich mit einem Kurzstreckenflug nach Jugoslawien oder Italien fliegen und dort ein schönes, sonniges Wochenende verbringen könnten.
(Abg. Diethei: Zugfahren ist schöner!)
Eine solche Versuchung ist doch groß! Also müssen wir ökologisch aufpassen und ökologisch nachdenken.
Deshalb, meine Damen und Herren, sagen wir: Wehret den Anfängen und tragt jetzt nicht durch eine falsche Subventionierung dazu bei, daß das Regionalfliegen auch noch künstlich billig und damit attraktiv gemacht wird.
Ein drittes Argument, und da wende ich mich gerade - Herr von Gumppenberg ist da, Herr Zech ist da - an die Vertreter der FDP.
(Zuruf von der FDP: Es sind noch mehr da!)
Überall sagen wir, wir wollen die Subventionen verringern.
(Abg. Freiherr von Gumppenberg: Hören Sie doch damit auf!)
Es gibt ja guten Grund, manche Subvention zu haben, beispielsweise im Wohnungsbereich und beispielsweise im Landwirtschaftsbereich. Aber es macht doch keinen Sinn, Luxuskonsum oder Geschäftsreisen durch Subventionen künstlich billig zu machen. Geschäftsreisen mit dem Flugzeug soll es in vielen Fällen durchaus geben; aber die Geschäftsleute können das ja zahlen, ihnen brauchen wir das Fliegen nicht zu verbilligen. Zum Luxuskonsum durch Subventionen erst zu verlocken,.macht noch viel weniger Sinn.
Wir sagen unserer Gesellschaft, wir wollen Subventionen kürzen. Es gab ja einmal - ich glaube, bei der letzten Bildung einer Bundesregierung vor vier Jahren - einen Minister von Ihnen, der sagte, er habe im Tresor eine Liste mit Subventionskürzungen von einigen zig Milliarden. Er hat den Tresor leider nie aufgemacht. Aber wenn so etwas möglich ist, sollten Sie hier sagen: Auch für das Fliegen noch Subventionen zu leisten ist wirklich nicht in unserem Interesse.
Deshalb, meine Damen und Herren, meine ich, Sie sollten mit uns dem Antrag in der umformulierten Form, die mein Fraktionskollege Dr. Magerl vorgeschlagen hat, zustimmen. Sie machen sich dann sowohl um die Ökologie als auch um den Subventionsabbau in unserer Gesellschft verdient.
480 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode ,Plenarprotokoll 12110 v. 05. 03. 91
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Nächster Redner ist Herr Kollege Dinglreiter. Bitte!
Dinglreiter (CSU): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Leidensgeschichte, mit der Herr Kamm begonnen hat, nicht erweitern; ich könnte sie leicht um einige persönliche Erfahrungen auf der Straße und mit der Bahn bereichern. Aber es führt nicht weiter, Herr Kamm, wenn Sie Ihre Argumentation, weil sie schwach ist, mit Vermutungen und Verdächtigungen zu untermauern versuchen wie eben damit, wir bräuchten neue Flughäfen und ähnliches mehr.
(Abg. Kamm: Die CSU in Augsburg kämpft darum!)
Das, was hier mit „Regionalflugzeug" gemeint ist, hat mit der Relation Augsburg - Frankfurt, die Sie eben angezogen haben, überhaupt nichts zu tun, sondern es geht um ein Regionalflugzeug für Europa, um ein Regionalflugzeug, das eine Reichweite von 2000 km hat und europäische Verkehrsverbindungen erschließen soll. Dies ist wohl etwas anderes als Ihr Fahrplan zwischen Augsburg und Frankfurt. Hier werden wir auf das Flugzeug auch künftig nicht verzichten können.
(Abg. Diethei: Da fehlt wieder einmal der Durchblick!)
Wir entwickeln absolut keine Kultur des Fliegens, sondern wir entwickeln eine sinnvolle Abstimmung der Verkehrsträger und der Verkehrssysteme im einzelnen, und dazu gehört eben auch das Flugzeug in Europa.
Ich denke; wenn Sie so vehement gegen die Fliegerei sind, sollten Sie wenigstens Ihre GRÜNEN-Kameraden und -Kameradinnen überall im lande dahin belehren, daß sie nicht dauernd die Entwicklung des ICE stören. Obwohl die Strecke München-Nürnberg noch nicht festliegt, haben wir das Problem, daß Ihre Leute schon wieder Protestversammlungen veranstalten, um das Projekt zu verhindern.
(Abg. Kamm: Was?)
Hier müssen Sie konsequent bleiben.
(Weiterer Zuruf des Abg. Kamm)
- Moment! Ihre Leute laden im Altmühltal zu einer Veranstaltung im April ein, obwohl noch keine Entscheidung getroffen ist.
(Abg. Kamm: Mit CSU-Bürgermeistern!)
Nun aber konkret zur Sache. Ihr Antrag, das habe ich schon im Wirtschaftsausschuß deutlich gemacht, richtet sich an die falsche Adresse; denn die Zuständigkeit für eine Förderung liegt nicht beim Freistaat, sondern ganz eindeutig beim Bund.
Ein zweiter Punkt! Bayern hat, das will ich ganz deutlich hinzufügen, ein legitimes Interesse an der Entwicklung eines solchen Regionalflugzeuges, weil zugesichert ist, daß Bau und Montage in Oberpfaffenhofen erfolgen sollen. Damit entstehen wichtige Hochtechnologiearbeitsplätze für unser Land.
Ein Drilles! Sie wissen auch, daß die Entwicklung eines derartigen Technologieprojekts ohne Subvention des Staates nicht mehr möglich ist. Wir in Bayern sind aber gerade auch deswegen an der Entwicklung eines solchen Flugzeuges interessiert, weil damit eine Chance besteht, daß Rüstungsproduktion durch zivile Produktion ersetzt werden kann. Es ist deshalb im Interesse Bayerns, Ihren Antrag abzulehnen.
(Beifall bei der CSU)
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Nächster Redner Herr Kollege Naumann.
Neumann (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Leidensgeschichte, mit der der Kollege Kamm seinen Beitrag begonnen hat, hat mit dem Thema, das wir im Moment diskutieren, nichts zu tun. Dasselbe gilt für einen Flughafen Kempten. Ich bedanke mich im übrigen für die Unterrichtung in Sachen Fahrplangestaltung der Deutschen Bundesbahn.
Sie, Herr Kollege Kamm, haben über das Fliegen gesprochen. Das Fliegen schlechthin hat in der Tat ökologisch problematische Auswirkungen. Das ist bekannt, und mit ihnen setzen wir uns auch tagtäglich auseinander. Aber wenn man sie so stark betont, wie Sie das tun, muß man auch konsequent sein und den Ausbau des Hochgeschwindigkeitssystems ICE voll unterstützen.
Aber genau das haben die GRÜNEN im Bundestag, als es noch eine GRÜNEN-Fraktion dort gab, nicht getan, sondern Ihre Kollegen im Bundestag haben zu dem Hochgeschwindigkeitssystem - ich sage es einmal vorsichtig - immer ein gebrochenes Verhältnis gehabt. Von einer Unterstützung konnte überhaupt keine Rede sein. Das gilt auch für Einzelstrecken, beispielsweise zwischen Köln und Frankfurt.
An dieser Stelle muß ich noch folgendes sagen: Wenn man ein Beförderungsmittel dermaßen konsequent ablehnt, wie Sie das mit dem Flugzeug tun, hat das natürlich auch für die eigene Person Konsequenzen. Dann müssen selbstverständlich auch Politiker · der GRÜNEN auf das Fliegen völlig verzichten. Anders geht es nicht.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren! Die ganze Diskussion über dieses Thema leidet unter einer falschen Bezeichnung. Wenn wir im Bayerischen Landtag früher bei anderen Gelegenheiten von „Regionalflugverkehr" gesprochen haben, haben wir Strecken wie die zwischen Hof und Frankfurt oder die zwischen München und Saarbrücken gemeint. Solche Relationen sind „Regionalflugverkehr".
Aber das Flugzeug, um das es hier geht, das wurde eben schon ausgeführt, fliegt über ganz andere Entfernungen, nämlich in etwa 1800 oder 2000 km, ist also - das wurde auch schon gesagt - ein Regionalflugzeug für Europa, d. h. für europäische Verdichtungsräume, und hat mit Bereichen, die wir in Bayern und in Deutschland als „Regionen" bezeichnen, überhaupt nichts zu tun. Die beteiligte Firma wäre
Plenarprotokoll 12110 v. 05.03.91 Bayerischer Landtag . 12. Wahlperiod<\ • 481
(Naumann [SPD])
sehr gut beraten, würde sie das Flugzeug anders als „Regionalflugzeug" benennen. Sonst ergibt sich, wie wir es gerade erlebt haben, eine völlig falsche verkehrspolitische Diskussion.
zweitens. Im Moment ist bei MBB nur die Rede von einer E n t w i c k 1 u n g dieses Flugzeugs; es ist noch nicht einmal die Rede von der Produktion. Nun gut, gehen wir einmal davon aus, daß den meisten Entwicklungen irgendwann eine Produktion folgt. Daraus folgt doch noch lange nicht, daß dieses Flugzeug in der Bunderepublik auch tatsächlich zum Einsatz kommen muß!
(Zuruf)
- Zum Beispiel in anderen Ländern. Das ist ein Exportartikel. In anderen Ländern, z.B. in den USA, wird ebenfalls an der Entwicklung und Produktion einer in etwa ähnlichen Maschine gearbeitet.
Die Lufthansa-Maschinen sind zur Zeit im Inlandsverkehr der BRD etwa zu 65 Prozent ausgelastet. So gesehen, wäre es für bestimmte Strecken sogar sinnvoll, wenn wir nicht mit Boeing flögen, sondern mit einer kleineren Maschine.
Auch wenn in der Bundesrepublik Deutschland eine solche Maschine nicht entwickelt wird, so wird sie doch mit Sicherheit irgendwo anders entwickelt. Der internationale Markt an Maschinen aller Art ist wegen Übernachfrage nahezu zusammengebrochen. In der Tat werden heute Maschinen, die fünfzehn oder zwanzig Jahre alt sind, und zwar egal in welcher Größenordnung, zu Preisen gehandelt, die höher liegen als der ursprüngliche Preis, zu dem sie gekauft worden sind. Das ist so, als könnte man beispielsweise heute ein fünfzehn Jahre altes Auto teurer verkaufen als zum alten Preis, zu dem es gekauft worden ist.
Meine Damen und Herren, daraus kann man aber nicht den Umkehrschluß ziehen, wir würden, weil wir gegen diesen Antrag stimmen, jegliche Subventionshöhe für jegliches Flugzeug befürworten. Die Firma DASA oder MBB muß natürlich in der Lage sein, zu erklären, was das Flugzeug kostet, mit welchen Zeiträumen gerechnet werden muß und welche öffentlichen Gelder bis zur Produktionsreife notwendig sind.
Wir werden bei diesem Thema die Airbus-Erfahrungen nicht vergessen. Wenn es an die Bewilligung der öffentlichen Gelder geht, werden wir selbstverständlich die alten Airbus-Erfahrungen heranziehen und sehr genau prüfen, ob Entwicklung und Produktion tatsächlich zu verantworten sind. Das ist doch ganz klar.
Der letzte und wichtigste Punkt ist die Frage: Will man die beginnende Konversion arbeitsmarktpolitisch absichern? Das werden wir nicht mit Kofferradios und Fernsehapparaten tun können; das geht in dem hochentwickelten und hochtechnisierten Produktionsland BRD nicht. Das werden wir in der Tat nur mit High-Tech-Produkten erreichen können. Da wird es eine Reihe solcher Produkte geben, die wir
tatsächlich bis zur Rentabilität für den Markt öffentlich fördern müssen. Das wird vor allen Dingen in den Regionen so sein, wo eine örtlich konzentrierte Rüstungsindustrie vorhanden ist. Das ist in Südbayern der Fall. Deshalb können wir jetzt aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die 10000 Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz aus Konversionsgründen gefährdet ist, nicht im Stich lassen.
(Beifall bei der SPD -Abg. Dr. Zech: Vor allem, wo uns das nichts kostet!)
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Nächster Redner, Kollege Freiherr von Gumppenberg !
Freiherr von Gumppenberg (FDP): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will zwar die Debatte nicht unnötig verlängern, aber, Herr Kamm, Sie geben mir Veranlassung, dieses Thema noch einmal aufzugreifen.
Hier besteht ein extremer Widerspruch. Ich sehe mich veranlaßt, über diesen Widerspruch zu sprechen, nachdem ich immer noch einen Antrag von Ihnen zum Thema Milan-Raketen/MBB vor Augen habe, dem ich auch noch zugestimmt habe, wie ich schmerzlich bemerken muß. Herr Kamm, ich glaube, daß Sie den ganz, ganz großen Fehler begehen, mit Schaufensteranträgen den Versuch zu unternehmen, zum einen dieses Hohe Haus und zum anderen die Öffentlichkeit zu täuschen.
(Beifall bei der FDP und der CSU -Abg. Diethei: Mit unrichtigen Fakten!)
Herr Kamm, ich ergreife die Gelegenheit, weil immer wieder das Stichwort MBB fiel. Als junger Parlamentarier kann ich das ruhig einmal sagen: Ich habe in gutem Glauben, im Vertrauen auf Ihre Ernsthaftigkeit und die sachliche Prüfung von Anträgen einem Antrag ihrerseits zugestimmt, weil ich angenommen habe, daß jemand, der einen Antrag stellt, so genau recherchiert, daß der Antrag seine Richtigkeit hat. Ich bin von Ihnen getäuscht worden, Herr Kamm.
(Zustimmung bei der FDP und der CSU)
Ich will hier keine rüstungspolitische Debatte führen, sondern zu Ihrem Antrag betreffend Subventionierung von Regionalflugzeugen sprechen. Ich kann doch nicht einerseits - da liegt der Widerspruch, in den Sie sich begeben, und deswegen habe ich die Milan-Raketen noch einmal angesprochen - glaubhaft und wohlgemerkt berechtigterweise fordern, Herr Kamm, daß unsere Industrie - insoweit stimme ich mit dem Kollegen der SPD, Herrn Naumann, vollends überein - die Waffenexporte reduziert und andererseits diese Industrie, von der ich verlange, daß sie diesen Bereich reduziert, in dem sie bisher exportiert hat, nicht mehr so subventioniere, wenn sie sich im zivilen Bereich bewegt. Das ist eine Unlogik, Herr Kamm, und deswegen lehne ich Ihren Antrag ab.
(Beifall bei der FDP)
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Weitere Wortmeldung? - Bitte, Herr Kollege Kamm!
(Zurufe von der CSU: Roßtäuscher!)
482 llllyertscher Landtag · 12. Wahlperiode Plenarprotokoll 12110 v. 05.03.91
Kamm (DIE GRÜNEN): Rufen Sie ruhig kräftig weiter „Täuscher". Ich sage zwei Sätze zu dem Sachverhalt, den der Herr von Gumppenberg so fürchterlich gewurmt dargestellt hat. Wir können das dann in der einschlägigen Debatte im Haushaltsausschuß am Donnerstag austragen.
Die Milan-Geschichten von MBB und Euromissile sind 1981 abgeschlossen worden.
(Abg. von Gumppenberg: Jetzt sagen Sie es!)
Im Januar 1991 - hören Sie bitte zu - haben der FDPWirtschaftsminister und der SPD-Außenminister einer Restlieferung von ca. 2000 Stück an Indien zugestimmt. Das wurde mir erst gesagt, nachdem unser Antrag in der Presse gestanden war. Vorher hat man mir gegenüber die Aussage verweigert. Das ist der Sachverhalt. Herr von Gumppenbe'tg, ich schlage Ihnen vor, daß wir darüber am Donnerstag im Haushaltsausschuß diskutieren. Lassen Sie uns jetzt über Regionalflugzeuge diskutieren!
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen von Gumppenberg?
Kamm (DIE GRÜNEN): Ungern.
Freiherr von Gumppenberg (FDP): Auch wenn es ungern geschieht, frage ich Sie: Beziehen Sie Ihre Informationen ausnahmslos aus den Medien, so auch die Antragstellung bezügßch der Milan-Raketen? Ich frage Sie: Woher haben Sie die Information, daß es sich um 2000 Stück handelt? Ich habe meinerseits auch recherchiert. Ich frage Sie also: Woher beziehen Sie diese Information?
Kamm (DIE GRÜNEN): Herr von Gumppenberg, wenn ich als Grüner im Bonner Wirtschafts- oder Außenministerium anrufe, habe ich natürlich nicht die Möglichkeiten, die ein FDP-Abgeordneter hat, zumal wenn er vor Ort unter Druck ist, weil sein Wirtschaftsund sein Außenminister offensichtlich eine politisch sehr brisante Entscheidung getroffen haben.
(Zurufe von der FDP)
Es ist sehr naheliegend, woher ich meine Information habe. Sie haben doch den „Spiegel" lesen können. Sie brauchen nur den Autor anzurufen, der lange zu dem Thema recherchiert und die Zahlen auf den Tisch gelegt hat.
(Abg. von Gumppenberg: Geben Sie eine Antwort, Herr Kamm! - Weitere Zurufe von der FDP und der CSU - Unruhe - Glocke
des Präsidenten)
- Ich habe die Antwort doch gegeben. Wer ist denn so aufgeregt, daß er nicht mehr hören kann? Ich bitte Sie!
Kommen wir zurück zu den Regiona~lugzeugen!
Achten Sie bitte darauf: Wir haben keinen Antrag gestellt, die Regionalfliegerei zu verbieten, sondern den
Antrag gestellt, nicht zu subventionieren. Wenn Sie der Meinung sind, Herr Naumann, daß eine Nachfrage da ist, frage ich Sie: Warum entwickeln die Konzerne das Flugzeug dann nicht auf ihre Kosten? Ist denn der Konzern Daimler-Benz/MBB nicht der Konzern, der im Jahre 1990 den größten Gewinn in Deutschland erwirtschaftet hat? Sind diese Firmen denn nicht in der Lage, das zu tun? Laufen denn nicht gerade GATI-Verhandlungen, bei denen es darum geht, Wettbewerbsverzerrungen im Außenhandel abzubauen, weswegen solche Subventionen tunlichst vermieden werden sollen? Wenn wirklich die Nachfrage da wäre, könnten die Konzerne die Entwicklung selbst bezahlen.
Meine Damen und Herren! Wir hatten vor vier Jahren im Landtag weitgehend dieselbe Debatte, als es um den Müll ging. Damals haben wir GRÜNEN als manchmal die letzten Marktwirtschaftler in diesem lande dafür gekämpft, daß nach dem Verursacherprinzip alle Kosten der Müllbeseitigung, der Mülltrennung und des Müllrecyclings auf die Müllgebühren aufgeschlagen werden; über den sozialen Ausgleich haben wir sehr wohl auch geredet. Damals waren wir so die letzten Marktwirtschaftler. Ich verstehe nicht, wie Sie in einer Marktwirtschaft für das Fliegen Subventionen verlangen wollen. Mit dem Argument der Arbeitsplätze bei MBB muß man sich ernsthaft auseinandersetzen. Alle anderen Argumente aber ziehen doch nicht, Herr von Gumppenberg. Wenn die Nachfrage gegeben ist, dann ist auch die Firma Daimler Benz/MBB in der Lage, diese Entwicklung zu bezahlen.
Meine Damen und Herren, machen Sie deshalb einen Anfang und sprechen Sie sich gegen diese Subvention aus.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, wir kommen zur Abstimmung. Die Ausschüsse empfehlen die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dieser Empfehlung für die Annahme ist, den bitte ich um das Handzeichen. -, Fraktion DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen! - Das ist das übrige Haus. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich rufe auf Ziffer 8 der Liste:
Drlngllchkeltsantrag der Abgeordneten Paulig, Schramm, Scheel und anderer und Fraktion betreffend Raumordnungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb eines Technologie- und Recyclingzentrums, bestehend aus Metallaufbereitung und Umschmelzanlagen für Nichteisenmetalle und Nebeneinrichtungen (Drucksache 121414)
Über die Beratungen des Ausschusses tür Landesentwicklung und Umweltfragen (Drucksache 12/488) berichtet Frau Kollegin Paulig. Ich erteile ihr das Wort.
Frau Paullg (DIE GRÜNEN), Berichters t a tt e -r i n: Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!
l
Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03. 91 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode . 483
(Frau Paulig [DIE GRÜNEN])
.Jn dem Dringlichkeitsantrag, der am 7. Februar im Umweltausschuß beraten wurde, geht es darum, für die Errichtung und den Betrieb eines Technologieund Recyclingzentrums zur Umschmelzung von Nichteisenmetallen durch die Firma Bruch im Landkreis Neustadt an der Aisch/Bad Windsheim ein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Auf die einzelnen Argumente, die in der Aussprache im Umweltausschuß gebracht worden sind, werde ich in meinem Redebeitrag eingehen.
Die Mitberichterstatterin, Frau Schweder, hat es nicht für notwendig gehalten, daß ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wird, weil diese Anlage in einem Gemeindegebiet angesiedelt und dafür auch die Gemeinde verantwortlich sei. - Nun kenne ich keine Bauvorhaben, die nicht in einem Gemeindegebiet angesiedelt wären. Nein, das gehört nicht zur Berichterstattung.
Der Vertreter der Staatsregierung, Regierungsdirektor Te t z n er vom Umweltministerium, erklärte, daß die Regierung von Mittelfranken die Frage der überörtlichen Raumbedeutsamkeit geprüft habe. Er konnte jedoch keine Gründe angeben,. warum das Vorhaben nicht raumbedeutsam sei.
Diese fehlenden Aussagen führten dann im Verlauf der Debatte dazu, daß die SPD beantragte, die Behandlung des Antrags um 14 Tage zu vertagen, damit · die Staatsregierung Gelegenheit habe, ihre Argumente in die Ausschußdebatte einzubringen. Diesem Vertagungsantrag, dem ich zustimmte, hat die CSU nicht zugestimmt. Bei Stimmengleichheit wurde der Vertagungsantrag mit acht Stimmen der CSU abgelehnt, wobei ein CSU-Mitglied für die Vertagung stimmte.
In der Abstimmung über den Antrag selbst wurde der Antrag dann gegen die Stimmen der SPD, der GRÜNEN und der FDP abgelehnt.
Ergänzend sei noch festgestellt, daß Herr Dr. Ritzer eine persönliche Erklärung abgegeben hat, daß er für dieses Raumordnungsverfahren gestimmt habe, weil seine Zweifel nicht hätten ausgeräumt werden können, ob diese Frage sachgerecht geprüft worden sei.
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Danke für die Berichterstattung. Ich eröffne die Aussprache. Frau Kollegin, Sie haben das Wort!
Frau Paullg (DIE GRÜNEN): Bei dem vorliegenden Bauvorhaben im Landkreis Neustadt an der Aisch/ Bad Windsheim handelt es sich um eine Umschmelzanlage für Nichteisenmetalle, die doch einen erheblichen Umfang annimmt. Bereits im Januar wurde ein Erörterungsverfahren zur bundesimissionsschutzrechtlichen Genehmigung durchgeführt. Dieses Erörterungsverfahren wurde nach zwei Tagen abgebrochen, weil wesentliche Fragen nicht beantwortet werden konnten. Zum einen wurde die meteorologische Situation nicht ausreichend geprüft, zum anderen konnte über den Input dieser Anlage nichts ausgesagt werden. In diesem Werk, das in einer gut 2000
Einwohner zählenden Gemeinde angesiedelt werden soll, werden auf etwa zehn Hektar Betriebsfläche im 24-Stunden-Schichtbetrieb Aluminiumlegierungen produziert. Wir haben insgesamt einen erheblichen Durchsatz. Aus den Antragsunterlagen ergibt sich, daß stündlich ungefähr 130000 Kubikmeter Abgas abgegeben werden sollen, was einem Stundendurchsatz von 23,6 Tonnen entspricht.
(Abg. Rudolf Engelhard: Der Herr Kamm hat gesagt, man soll nicht vorlesen!)
- Ich lese nicht vor, wenn ich aber Zahlen nenne, dann nenne ich sie aus den Unterlagen, weil ich sie nicht alle auswendig gelernt habe. Ich denke, daß das doch einer qualifizierten Rede entspricht.
(Abg. Rudolf Engelhard: Dann sagen Sie das auch dem Herrn Kamm!)
In der morgigen Fragestunde wird von Herrn Loscher-Frühwald von der CSU eine Frage gestellt werden, die sich auf ein anderes Metallhüttenwerk in Neustadt an der Aisch bezieht. Da fragt der Kollege Loscher-Frühwald, ob derartige Metallhüttenwerke bezüglich Dioxinfreisetzung den Bestimmungen der Bundesimmissionsschutzverordnung unterliegen, die für Müllvertirennungsanlagen gelten, ob also bei Dioxinen und Furanen der TE-Wert von 0, 1 Nanogramm eingehalten werden muß. Darauf kann ich Herrn Loscher-Frühwald bereits jetzt sagen, daß dies für Recycling-Anlagen nicht zutrifft. Dieses Werk kann also freisetzen, soviel es lustig ist, weil dort kein Grenzwert greift, wie er bei Müllverbrennungsanlagen nach der Bundesimmissionsschutzverordnung grei-fen muß. ·
Es gibt die Erklärung des Landesamtes für Umweltschutz, die eine Emission von fünf Nanogramm TE pro Kubikmeter Abgas für realistisch hält. Dies entspricht in etwa dem Ausstoß von 50 Müllverbrennungsanlagen nach dem neuesten Standard. Dies sei nur gesagt, um zu sehen, in welcher Dimension Freisetzung von Dioxinen und Furanen zu erwarten ist.
Für dieses Werk soll nun ein Raumordnungsverfahren nicht durchgeführt werden. Bezeichnend war, daß· der Vertreter der Staatsregierung in der Ausschußdebatte nicht darlegen konnte, welche Überlegungen die Regierung von Mittelfranken veranlaßt haben, kein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Es war wirklich blamabel, daß im Ausschuß keine Sachdebatte geführt werden konnte. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, hat sich auch der Bürgermeister von Bad Windsheim, einem Ort mit Kur- und sonstigen Erholungs- und Genesungseinrichtungen, gegen dieses Vorhaben ausgesprochen, weil Bad Windsheim in der Hauptwindrichtung liegt und dort mit erheblichen Immissionen zu rechnen wäre.
Weiter ist festzustellen, daß in der Nähe dieses Werks die Naturparke Frankenhöhe und Steigerwald liegen, die auch erhebliche lmmissionen,zu erwarten
. hätten. In diesen Naturparken ist ein Biosphärenreservat geplant.
Deshalb meine ich, daß man mit diesem Werk nicht so leichtfertig umgehen kann. Neben weiteren Bürgermeistern, die sich für ein Raumordnungsverfahren
484 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode • Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Frau Paulig [DIE GRÜNEN])
ausgesprochen haben, hat sich auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald an die Regierung von Mittelfranken gewandt und ebenfalls um die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens gebeten, weil gerade die Träger öffentlicher Belange bei diesem Werk nicht gehört worden seien, weder die Wasserwirtschaft noch die Forst- und Landwirtschaft, der Naturschutz und die Verkehrswirtschaft. Aufgrund des Umsatzes und der Dimension dieses Werkes sind eben ganz erhebliche strukturelle und ökologische Belastungen zu erwarten.
Ich habe eingangs bereits erwähnt, daß der Erörterungstermin unterbrochen wurde. Dies gäbe die Möglichkeit, doch ein Raumordnungsverfahren einzuleiten, ohne die Planung allzu sehr zu verzögern. Damit würden die planungsrechtlichen Bestimmungen, die wir in Bayern aus gutem Grunde haben, auch bei dieser Anlage Fuß fassen.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß man Dioxin- und Furanbelastungen, die etwa dem Ausstoß von 50 Müllverbrennungsanlagen entsprechen, nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Hier geht es darum, die Standortfrage zu klären. Es ist gut möglich, daß sich in einem Raumordnungsverfahren günstigere Standorte finden lassen. Im nächsten Schritt, bei der Erörterung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens, geht es darum, darauf hinzuwirken, daß dieses Werk mit anderen technischen Einrichtungen ausgestattet wird. Der Input der Nichteisenmetalle, die zu recyclen sind, muß ein anderer sein. Diese Metalle müssen gereinigt werden, um dann die Abluftsituation zu verbessern.
Ich denke, es wäre wirklich an der Zeit, die planungsrechtlichen Notwendigkeiten greifen zu lassen, damit dieses Werk und sein Standort überprüft werden, um danach in die bundesimmissionsschutzrechtlichen Verfahren einzusteigen. Dies wäre der ordnungsgemäße Weg.
Ich hoffe, daß Sie von der CSU sich heute doch dazu durchringen können, die Standortfrage mit Hilfe eines Raumordnungsverfahrens nach den Kriterien der Überörtlichkeit noch einmal zu prüfen. Ein Umkreis von zwei Kilometern reicht eben nicht aus. Die Auswirkungen dieser Umschmelzanlage werden wesentlich größer und vehementer sein, als sie sich derzeit nach Ihrem Informationsstand vorstellen können.
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schweder.
Frau Schweder (CSU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anlagen wie diese sind keine Seltenheit. Es gibt sie zu Dutzenden, es gibt sie auch in dichtbewohnten Städten. Die Stadt Burgbernheim möchte diese Anlage. Sie verspricht sich davon Arbeitsplätze und Einnahmen. Sie hat deswegen schon im vorigen Jahr ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, das am 1. Juli 1990 genehmigt wurde. Dabei wurden natürlich auch Standorttragen geprüft und vor allen Dingen auch die Belange des Umweltschutzes und des Naturschutzes, und es werden wasserrechtliche Um-
stände zu berücksichtigen. Ein Raumordnungsverfahren, wie es jetzt von den GRÜNEN gefordert wird, brächte keine Erkenntnisse über die bereits vorliegenden Detailkenntnisse hinaus.
Die Bevölkerung interessiert vor allen Dingen, ob von dieser Anlage Beeinträchtigungen der Umwelt und der Gesundheit zu erwarten sind. Aus diesem Grund läuft zur Zeit das immissionsschutzrechtliche Verfahren. Es ist bereits weit fortgeschritten, es wird jetzt noch ergänzt durch ein meteorologisches Gutachten, das Auskünfte über Windverhältnisse und mögliche Beeinträchtigungen in der weiteren Umgebung geben soll. Dieses Verfahren läuft bereits, und es sollte nicht unterbrochen werden.
(Frau Abg. Paulig: Es ist aber schon unterbrochen!)
Wir sprechen dieser Anlage, die in ihrer Größenordnung relativ klein ist, ganz ausdrücklich eine überörtliche Bedeutung ab. Wir meinen, daß das Verfahren so, wie es im Augenblick läuft, fortgeführt werden soll. Wir brauchen solche Recyclinganlagen. Man kann doch nicht, Frau Paulig, überall absolute Wertstofftrennung fordern und davon sprechen, daß als Restmüll nichts mehr übrigbleiben soll, wenn man nicht trennt; man kann dann nicht der Bevölkerung sagen, daß die Aufbereitungsanlagen, die notwendig sind, um die gesammelten Rohstoffe zu verwerten, so schädlich sind, daß man sie verneinen müßte.
(Bettall bei der CSU)
Sie reden hier genauso doppelzüngig, wie Sie es beim Volksentscheid getan haben.
(Beifall bei der CSU)
Ein Antrag auf ein Raumordnungsverfahren, das eben keine weiteren Detailkenntnisse erbringen kann, gerade nicht die Kenntnisse, die Sie angesprochen haben, würde die ganz dringend notwendige Anlage nur verzögern. Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CSU)
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Nächster Redner ist der Kollege Schultz. Bitte schön!
Schultz (SPD): Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion stellt sich eindeutig hinter ein Raumordnungsverfahren. Ein solches ist bei der Größe der Anlage und dem Standort, an dem diese situiert werden soll, unbedingt erforderlich.
Lassen Sie mich zur Größenordnung etwas sagen. Sie läßt sich am besten an dem erkennen, was dort zu verarbetten ist und was hinterher entsorgt werden muß. Es sind jährlich etwa 2000 Tonnen Waschwasserschlämme, 10000 Tonnen organische Shredderteile, etwa 100 Tonnen Filterstäube; es sind pro Stunde etwa 130000 Kubikmeter Abluft, die durch vier bis zu 40 Metern hohe Kamine in die Luft geblasen werden, und das bei einer Anlage, die einen Energieverbrauch hat, der der US-Garnison in lllesheim bei Bad Windsheim entspricht.
Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91 Bayerischer Landtag · 12.Wahlperio<le ~ 485
(Schultz [SPD])
Insgesamt muß man sagen, daß jährlich etwa 180000 Tonnen Material angeliefert werden müßten mit den entsprechenden Konsequenzen aus der An- und Ablieferung für den gesamten Raum. Dies alles in einer Gegend, in einem Ort, der ein staatlich anerkannter Erholungsort ist, am Rande des Naturparks Frankenhöhe; in einer Gegend, in deren Hauptwindrichtung wenige Kilometer weiter der Naturpark Steigerwald mit seinen Naturschutzgebieten liegt.
Der Standort liegt in der Nähe eines Gebietes, das im Regionalplan als „Gebiet mit besonderer Bedeutung für die Erholung" ausgewiesen ist. Wer kann hier noch davon reden, daß keine überörtliche Bedeutung gegeben sei, wo doch Fremdenverkehr und Erholung massiv beeinträchtigt werden können? Wie anders ließe sich dies nachprüfen, wenn nicht in einem Raumordnungsverfahren? Im übrigen wurde ein gleiches Ansiedlungsvorhaben dieser Firma nach Einholung eines Umweltverträglichkeitsgutachtens in Crailsheim abgelehnt. Auch dies zeigt, daß hier nachgeprüft und nachgebohrt werden muß.
Die Überörtlichkeit ergibt sich auch daraus, daß die benachbarten Gemeinden mit Windsheim an der Spitze sich massiv tangiert fühlen. Das Gutachten einer Firma aus Garching, das von Bad Windsheim und fünf anderen Nachbargemeinden eingeholt worden ist, zeigt massive Fehler der Vorlagen auf, auch erhebliche Umweltprobleme, die von den bisherigen Prüfbehörden offenbar nicht bemerkt worden sind. So ist die Reststoffentsorgung nicht gesichert, für die Filterstäube sind keine Unterlagen vorgelegt worden, und es ist festzustellen, daß die landwirtschaftliche Nutzung der umliegenden Böden nach fünf Jahren nur noch mit Einschränkungen möglich ist. Der Ausstoß von Dioxinen und Furanen ist gleichzusetzen mit dem von 50 Müllverbrennungsanlagen.
Es ist nicht zu erwarten, daß allein im immissionsschutzrechtlichen Verfahren alle rechtserheblichen Einwendungen vorgebracht und zuverlässig und unvoreingenommen gewürdigt werden können. Die Anlage hat im gesamten Raum des Landkreises Neustadt a. d. Aisch/Bad Windsheim für Aufruhr gesorgt. Das ist ein weiterer und deutlicher Hinweis darauf, daß ihre Raumbedeutsamkeit gegeben ist. Für eine ähnliche Anlage der Firma SASAG in Geiselbullach hat man ein Raumordnungsverfahren angeordnet.
Ich bin auf die Antwort gespannt, Herr Loscher-Frühwald, wenn morgen in der Fragestunde Ihre Frage aufgerufen wird, in der es darum geht, wie es mit Dioxinen und Furanen in Neustadt a. d. Aisch/Bad Windsheim aussieht. Wäre es nicht angemessen, sich schon im Vorfeld, wenn es zu verhindern gilt, daß solche Beeinträchtigungen vorkommen, dafür auszusprechen, daß alle denkbaren Verfahren durchgeführt werden? Die Bevölkerung hat einen Anspruch darauf.
Die Darstellung der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, aus der ich abschließend kurz zitieren möchte, ist, so glaube ich, eindeutig, daß sie für viele spricht, die sieh dazu geäußert haben. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald führt aus, daß es sich bei der
Anlage um ein raumbedeutsames Vorhaben handelt. Der vorgesehene Standort der Aluminiumschmelzanlage am Rande des Naturparks Frankenhöhe und in Hauptwindrichtung dem nur wenige Kilometer entfernten Naturpark Steigerwald vorgelagert bedarf hinsichtlich seiner Unbedenklichkeit einer umfassenderen Prüfung. Zu diesem Zweck erscheint die Anordnung eines Raumordnungsverfahrens und in dessen Gefolge ein Umweltverträglichkeitsgutachten unbedingt notwendig. Ich habe erwähnt, daß ein solches in Crailsheim eingeholt wurde und zu einer Ablehnung geführt hat. Weiterhin ist die Beteiligung aller bisher noch nicht gehörten Träger öffentlicher Belange, so der Wasserwirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, des Naturschutzes, der Verkehrswirtschaft und anderer einschlägiger Verbände, notwendig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie deswegen alle, diesem Antrag zuzustimmen. Wir meinen jedenfalls, daß ein entsprechendes Raumordnungsverfahren dringend nötig ist. Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Das Wort hat der Herr Kollege Großer.
Großer (FDP): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß wir derartige RecyclingWerke und -Firmen brauchen, ist unbestritten. Wenn wir aber das Vertrauen der Bevölkerung in solche Anlagen gewinnen wollen, müsse.n wir auch den vorgesehenen rechtsstaatlichen Verfahrensweg einhalten.
(Zustimmung des Abg. Kamm)
Es ist nicht einzusehen, kleine Vorhaben wie zum Beispiel Stromtrassen und ähnliches einem Raumordnungsverfahren zu unterwerfen, ohne dies auch bei Anlagen mit einem Verkehr von 180000 Tonnen zu tun. Sie müssen sich doch nicht darum sorgen, meine Kolleginnen. und Kollegen von der CSU, daß eine Nichtgenehmigung das Ergebnis sein wird. Wir wollen die in der Bevölkerung entstehenden Zweifel, Verfahren würden umgangen, um einfach nach Baurecht genehmigen zu können, ausräumen.
(Beifall bei der FDP)
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothamund: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
(Frau Abg. Paulig meldet sich zu Wort)
- Ich bitte, sich rechtzeitig zu Wort zu melden. Bitte, Frau Kollegin Paulig!
Frau Paullg (DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Schweder! Noch kurz einen Hinweis. Die Firma hat den Betrieb der Anlage in BadenWürttemberg vollständig eingestellt, denn dort hat sich herausgestellt, daß der Boden erheblich mit Dioxinen verseucht ist. Da Sie nun in der Debatte angeführt haben, es seien Arbeitsplätze zu gewinnen, muß ich Ihnen sagen: Was wir im Gegenzug in der Landwirtschaft, im Tourismus und im Naherholungsgewerbe verlieren können, ist ungleich größer. Auch das sollte in die Bilanz einfließen.
486 Bayerischer Landtag · 12. Wahlperiode . Plenarprotokoll 12/10 v. 05.03.91
(Frau Paulig [DIE GRÜNEN])
Zum anderen: Wir GRÜNEN stehen zu Recyclinganlagen, allerdings nach dem derzeit bestmöglichen technischen Standard, um die Emissionen gering zu halten. Werfen Sie uns also bitte nicht Zwiespältigkeit vor, denn im Erörterungsverfahren für die Anlage hat sich gezeigt, daß nach unzureichendem technischem Standard gearbeitet werden soll.
(Abg. Freiherr von Redwitz: Das wird doch im Raumordnungsverfahren gar nicht
geprüft!)
Deshalb der Widerstand im Erörterungsverfahren und der Abbruch des Verfahrens.
Zweiter Vizepräsident Dr. Rothemund: Wir kommen zur Abstimmung. Von den Ausschüssen wird Ablehn.ung vorgeschlagen. Wer entgegen dieser Empfehlung für die Annahme ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD, der
GRÜNEN und der FDP. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen! - Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? - Keine.
(Abg. Langenberger: Von der CSU hat sicH einer enthalten! - Zustimmendes Nicken des
Abg. Loscher-Frühwald) ·
Damit ist der Dringlichkeitsantrag ab g e 1 e h n t.
Meine Damen und Herren, die Voten der Ausschüsse zu den übrigen Anträgen liegen Ihnen vor. Hinsichtlich der zustimmenden Kenntnisnahme, die sich auf das Abstimmungsverhalten der eigenen Fraktion in den Ausschüssen bezieht, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit übernimmt der Landtag die von den Ausschüssen empfohlenen Voten.
Das, was heute abzuhandeln war, ist erledigt. Ich schließe die Sitzung.'
(Schluß der Sitzung: 18 Uhr 23 Minuten)