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10 Jahre Peter Simonischek 10 Jahre Literatur im O-Ton ... · Elias Canetti „Die Sprache meines...

Date post: 26-Oct-2019
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10 Jahre Offenbacher Lesungen Literatur im O-Ton 10 Jahre Offenbacher Lesungen Literatur im O-Ton FOTO © PRIVAT Kartenvorverkauf im OF Info Center, Salzgässchen 1, oder online unter www.dienemann-formstecher.de Mit Peter Simonischek haben wir im November 2010 unsere Reihe „Offenbacher Lesungen / Literatur im O-Ton“ eröffnet. Damals las der Burgschauspieler Erzählungen von Arthur Schnitzler und Joseph Roth. Jetzt liest Simonischek aus dem Werk des Literatur- nobelpreisträgers Elias Canetti. Ob auf der eaterbühne oder der Filmleinwand: Peter Simonischek zeigt Präsenz. Mit Stimme und Körper. Sein Tonfall ist ebenso unverkennbar wie seine Körpersprache. Das gilt für Simonischeks fast zehn Jahre währenden Auftritt bei den Salzburger Festspielen als „Jedermann“ in einer den Domplatz füllenden, gebrochenen Vitalität wie nicht minder in der von Komik und Tragik durchzogenen Filmerzählung (2016) des „Toni Erdmann“: eines auf der Suche nach seiner Tochter und seiner selbst stehenden Mannes im späteren Alter. Simonischek und seine Partnerin, Sandra Hüller, sind mit diesem Film zwar knapp an der Verleihung des „Oscars“ vorbeigeflogen, wurden jedoch schon zuvor mit dem Euro- päischen Filmpreis ausgezeichnet. Simonischek hat ob seiner den Charakter des Menschen enthüllenden Ausdruckskunst mittlerweile fast dreißig inter- nationale Auszeichnungen erhalten. Erst im Mai dieses Jahres wurde der Schauspieler, der seit langem im Ensemble des Wiener Burgtheaters wirkt, zu dessen Ehrenmitglied ernannt. Eine Ehrung, die nur wenigen zuteil wird. Das Wort, das bei der Verleihung des Deutschen Schauspiel- preises für sein Lebenswerk im vorigen Jahr in der offiziellen Würdigung zu hören war, Simonischek „kann alles, spielt alles“, stimmt. Gleichwohl verkennt es: Simonischek dringt nur in Figuren ein, die ihn bewegen und von deren Kraft er überzeugt ist. Darin ist Simonischek, 1946 in Graz geboren, in Markt Hartmannsdorf aufgewachsen, ganz ein Steirer, verwurzelt, klaren Blicks, eigensinnig. Die Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft, von Juden und Nichtjuden 1995 gegründet, ist ein Forum für zeitgenössisches Judentum. In unserer Reihe Offenbacher Lesungen / Literatur im O-Ton stellen wir seit 2010 Jahr für Jahr Interpreten vor, die zur Spitze der deutschen Sprechkunst zählen und Werke jüdischer Autoren darbieten. www.dienemann-formstecher.de [email protected] In unserer Reihe Offenbacher Lesungen / Literatur im O-Ton stellten wir seit 2010 als Interpreten vor: Peter Simonischek, Luc Bondy, Hanns Zischler, Miguel Herz-Kestranek und Sandra Kreisler, Dominique Horwitz, Sophie Rois, Deborah Feldman, Perla Batalla & Band mit Hanns Zischler. Die Stadt Offenbach würdigte das Engagement der 1995 gegründeten Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft durch die Verleihung des Kulturpreises 2018. Simonischek liest Canetti Autobiographie, Erzählung, Aufzeichnung 03. November 209 Alte Schlosserei der EVO Off enbach, Goethering Beginn 20 Uhr, Einlass 19 Uhr, freie Platzwahl Eintritt: 28 € (zzgl. Vorverkaufsgebühr) Kostenlose Parkplätze, Bushaltestelle Andréstraße Zum 25. Todestag des Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti Simonischek liest Canetti Autobiographie, Erzählung, Aufzeichnung Musikalisches Zeitbild: Olaf Joksch (Klavier), Michael Veit (Violoncello) 03. November 209 Alte Schlosserei der EVO 10 Jahre Offenbacher Lesungen Literatur im O-Ton Peter Simonischek „Kann alles, spielt alles“ FOTO © BRIGITTE PFEIFFER COPYRIGHT DIENEMANN / FORMSTECHER GESELLSCHAFT Peter Simonischek , Offenbacher Lesungen, 2010
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Page 1: 10 Jahre Peter Simonischek 10 Jahre Literatur im O-Ton ... · Elias Canetti „Die Sprache meines Geistes wird die deutsche bleiben, und zwar weil ich Jude bin. Was von dem auf jede

10 Jahre Off enbacher LesungenLiteratur im O-Ton

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im OF Info Center, Salzgässchen 1,

oder online unter

www.dienemann-formstecher.de

Mit Peter Simonischek haben wir im November 2010 unsere Reihe „Off enbacher Lesungen / Literatur im O-Ton“ eröff net. Damals las der Burgschauspieler Erzählungen von Arthur Schnitzler und Joseph Roth. Jetzt liest Simonischek aus dem Werk des Literatur-nobelpreisträgers Elias Canetti.

Ob auf der Th eaterbühne oder der Filmleinwand: Peter Simonischek zeigt Präsenz. Mit Stimme und Körper. Sein Tonfall ist ebenso unverkennbar wie seine Körpersprache.

Das gilt für Simonischeks fast zehn Jahre währenden Auftritt bei den Salzburger Festspielen als „Jedermann“ in einer den Domplatz füllenden, gebrochenen Vitalität wie nicht minder in der von Komik und Tragik durchzogenen Filmerzählung (2016) des „Toni Erdmann“: eines auf der Suche nach seiner Tochter und seiner selbst stehenden Mannes im späteren Alter. Simonischek und seine Partnerin, Sandra Hüller, sind mit diesem Film zwar knapp an der Verleihung des „Oscars“ vorbeigefl ogen, wurden jedoch schon zuvor mit dem Euro-päischen Filmpreis ausgezeichnet.

Simonischek hat ob seiner den Charakter des Menschen enthüllenden Ausdruckskunst mittlerweile fast dreißig inter-nationale Auszeichnungen erhalten. Erst im Mai dieses Jahres wurde der Schauspieler, der seit langem im Ensemble des Wiener Burgtheaters wirkt, zu dessen Ehrenmitglied ernannt. Eine Ehrung, die nur wenigen zuteil wird.

Das Wort, das bei der Verleihung des Deutschen Schauspiel-preises für sein Lebenswerk im vorigen Jahr in der offi ziellen Würdigung zu hören war, Simonischek „kann alles, spielt alles“, stimmt. Gleichwohl verkennt es: Simonischek dringt nur in Figuren ein, die ihn bewegen und von deren Kraft er überzeugt ist. Darin ist Simonischek, 1946 in Graz geboren, in Markt Hartmannsdorf aufgewachsen, ganz ein Steirer, verwurzelt, klaren Blicks, eigensinnig.

Die Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft, von Juden und Nichtjuden 1995 gegründet, ist ein Forum für zeitgenössisches Judentum.

In unserer Reihe Off enbacher Lesungen / Literatur im O-Ton stellen wir seit 2010 Jahr für Jahr Interpreten vor, die zur Spitze der deutschen Sprechkunst zählen und Werke jüdischer Autoren darbieten.

[email protected]

In unserer Reihe Off enbacher Lesungen / Literatur im O-Ton stellten wir seit 2010 als Interpreten vor:

Peter Simonischek, Luc Bondy, Hanns Zischler, Miguel Herz-Kestranek und Sandra Kreisler, Dominique Horwitz, Sophie Rois, Deborah Feldman, Perla Batalla & Band mit Hanns Zischler.

Die Stadt Off enbach würdigte das Engagement der 1995 gegründeten Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft durch die Verleihung des Kulturpreises 2018.

SimonischekliestCanettiAutobiographie, Erzählung, Aufzeichnung

03. November 209Alte Schlosserei der EVOOff enbach, GoetheringBeginn 20 Uhr, Einlass 19 Uhr, freie PlatzwahlEintritt: 28 € (zzgl. Vorverkaufsgebühr)Kostenlose Parkplätze, Bushaltestelle Andréstraße

Zum 25. Todestag des Literaturnobelpreisträgers

Elias Canetti

SimonischekliestCanetti

Autobiographie, Erzählung, Aufzeichnung

Musikalisches Zeitbild: Olaf Joksch (Klavier), Michael Veit (Violoncello)

03. November 209Alte Schlosserei der EVO

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Peter Simonischek „Kann alles, spielt alles“

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Page 2: 10 Jahre Peter Simonischek 10 Jahre Literatur im O-Ton ... · Elias Canetti „Die Sprache meines Geistes wird die deutsche bleiben, und zwar weil ich Jude bin. Was von dem auf jede

Elias Canetti

„Die Sprache meines Geistes wird die deutsche bleiben, und zwar weil ich Jude bin. Was von dem auf jede Weise verheerten Land übrig bleibt, will ich als Jude in mir behüten. Auch ihr Schicksal ist meines.“

Elias Canetti, „Provinz des Menschen“, 1973

Erst mit acht Jahren lernte Canetti Deutsch. Seine Mutter brachte ihm Deutsch bei, doch auf welch ihn demütigende Weise. Gleichwohl, von allen Sprachen, die Canetti seit den frühen Kindertagen gehört hatte, blieb ihm Deutsch die liebste, die Sprache, in der er dachte und schrieb. Und es war jene Sprache, in der seine Eltern redeten, wenn sie miteinander vertraut umgingen oder den Kindern etwas verbergen wollten.

In der bulgarischen Donaustadt Rustschuk, heute Russe, 1905 geboren, wuchs Elias Jacques Canetti in einer traditionell eingestellten jüdischen Familie auf, die zum Zweig der Sepharden gehörte. Sepharden werden jene Juden genannt, die nach der Verfolgung 1492 aus Spanien und wenig später aus Portugal teils in die Türkei, teils nach Südost- und in geringerer Zahl nach Westeuropa flohen. Canetti spricht in seinem Werk jedoch nicht von Sepharden, sondern „Spaniolen“, was indes gleichbedeutend ist. In einer Umgebung aufzuwachsen, in der die Spaniolen unter den vielen Minderheiten der Stadt – Bulgaren, Griechen, Albaner, Armenier, Zigeuner – eine wichtige Stellung einnahmen, hörte der Junge am Tag bis zu acht Sprachen.

Wach zu sein war eine Eigenschaft, die Canetti früh lernte. Wo immer die Familie lebte, ob in Rustschuk, Manchester, Zürich, Wien oder Frankfurt – an der Wöhlerschule erlangte er das Abitur – die Neugier auf das Leben und die Menschen blieb.

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Elias Canetti Ein Menschenleser, Menschenerzähler.

War die Welt für Canetti bloß ein Buch, in dem er sich früh vergrub? Noch bevor der Junge zu lesen lernte, hatte er Nöte durchlitten, die ihn an den Rand des Todes trieben. Davon erzählt Canetti in „Die gerettete Zunge“, dem ersten Band seiner Autobiographie. Nüchtern zwar, aber so genau, dass es den Leser immer noch zu grauen vermag.

Der junge Canetti begann alsbald, die Welt zu lesen, doch nicht wie ein Buch, nicht Satz für Satz, noch nicht mal Wort für Wort, sondern Buchstabe für Buchstabe. So entblätterte sich dem Bub die Welt Stück für Stück als ein Kosmos, der aus einzelnen Menschen besteht, die zu einer Masse anwachsen konnten. Einer gefährlichen zumal. Neben dem für ihn Ungeheuerlichsten – den Tod – sollten das die Lebensthemen des Schriftstellers Canetti werden

So wie Canetti Zeitungen und Bücher las, so las er Menschen: er entblätterte sie. Seine Erzählungen in den Bänden „Der Ohrenzeuge“ und „Stimmen von Marrakesch“ zeugen davon. Canetti war nicht nur Menschenleser, sondern auch ein Menschenerzähler. 1981 erhielt er den Literaturnobelpreis. Zu Canettis Hauptwerken gehören sein früher Roman „Die Blendung“ (1936) und seine Studie „Masse und Macht“ (1960). Canetti starb am 14. August 1994 in Zürich. Sein Grab auf dem Friedhof in Fluntern liegt neben jenem von James Joyce, einem anderen Großen der Weltliteratur.

Die Facetten Canettis als eines Zeitgenossen, der Menschen mikroskopisch beobachtete und von ihnen zu erzählen vermochte, nehmen wir mit unserer Lesung aus Anlass seines 25. Todestags in den Blick.

Die Musik, die unsere Interpreten Olaf Joksch und Michael Veit darbieten, ist die Musik, die Canetti in seinem Leben begleitete und die er genoss.

10 Jahre Offenbacher Lesungen Literatur im O-Ton

„Ablegen kann ich die Worte nicht. Ich könnte mich, wenn es sein muß,

nackt zum Sterben hinlegen. Ohne die Worte kann ich’s nicht.“

ELIAS CANETTI, 1993


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