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1 Zusammenfassung 2 2 Probleme aus der Praxis 3 · PDF filegungen von Konsumenten diskutiert...

Date post: 06-Mar-2018
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1 Zusammenfassung 2 2 Probleme aus der Praxis 3 3 Definition und Ziele 4 4 Praktische Umsetzung im Unternehmen 5 5 Anwendung am Fallbeispiel 8 6 Zusammenfassende Bewertung 11 7 Erweiterungen 12 8 Literaturverzeichnis und weitere Informationen 13 Netnography
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1 Zusammenfassung 2

2 Probleme aus der Praxis 3

3 Definition und Ziele 4

4 Praktische Umsetzung im Unternehmen 5

5 Anwendung am Fallbeispiel 8

6 Zusammenfassende Bewertung 11

7 Erweiterungen 12

8 Literaturverzeichnis und weitere Informationen 13

Netnography

1 Zusammenfassung

Netnography (aus dem Engl. Internet und Ethnography) ist eine qualitative, interpretative Me-thode zur Beobachtung und Untersuchung sozialer Interaktion in Online-Communities.1 Das In-ternet wird von Konsumenten in zunehmendem Maße zum Austausch über Produktgruppen und spezifische Produkte genutzt wird. Dabei werden sowohl Erfahrungen als auch Wünsche und Bedürfnisse kommuniziert und diskutiert. Teilweise werden sogar durch Nutzer erarbeitete, kon-krete (technische) Optimierungsmöglichkeiten oder Konzepte für gänzlich neue, innovative Pro-dukte vorgestellt.2 Netnography macht sich diese Entwicklung für die Sammlung von Bedürfnis- und Lösungsinformationen zu Nutze. Die intelligente Nutzung der o.g. Informationsquellen kann Unternehmen dabei helfen, ihre In-novationsfähigkeit zu verbessern. Online-Communities bieten vergleichsweise kostengünstigen Zugang zu einer Vielzahl interessierter Konsumenten und deren weitgehend ungefilterter, un-beeinflusster Interaktion3. Aus dieser Interaktion können Informationen über Trends und Ver-änderungen der Kundenbedürfnisse aber zum Teil auch interessante neue Lösungsansätze gewonnen werden.4 Netnography kann bei der Erfassung und Auswertung dieser online verfügbaren Informationen helfen. Um zu einem möglichst guten Ergebnis zu kommen müssen einige methodische Beson-derheiten berücksichtigt werden, auf die im Folgenden eingegangen wird.

1 Vgl. Bartl et al. 2009, S.3 sowie zum Begriff der Online-Communities vgl. Alavi et al. 2011, S. 84 f.

2 Vgl. Ebd. S.1.

3 Vgl. Alavi et al. 2011 S. 89.

4 Vgl. Ebd. S.4.

2 Probleme aus der Praxis

Ein Unternehmen stellt unter anderem Produkte zur sonnenlosen Hautbräunung („Tanning-

Lotion“, „Selbstbräuner“) her.5 Um sich gegenüber der Konkurrenz behaupten zu können, soll

durch eine Marktstudie herausgefunden werden, welche Produkteigenschaften für die relevan-

ten Zielgruppen besonders wichtig sind. Außerdem wird vermutet, dass vor allem besonders in-

tensive Nutzer im Laufe der Zeit auf innovative (Anwendungs-)Ideen gestoßen sein könnten.

Dieses kreative Potenzial soll ebenfalls der weiteren Produktentwicklung und Marketingstrategie

dienstbar gemacht werden. Es ist bekannt, dass zum Thema Selbstbräunung und entsprechen-

den Produkten eine Vielzahl von Online-Communities existiert, in denen Wünsche und Anre-

gungen von Konsumenten diskutiert werden..6 Durch WiPro auf die Methode aufmerksam ge-

worden wird beschlossen, die Netnography-Methode zur Gewinnung dieser Informationen her-

anzuziehen.

5 Das folgende Fallbeispiel orientiert sich an einem realen Einsatzszenario, in dem die HYVE AG Netnography erfolgreich zur Gewinnung von

Bedürfnis- und Lösungsinformationen aus Online-Communities eingesetzt hat. Siehe dazu auch Punkt 5. 6 Nicht in jedem Fall existieren ausreichend geeignete Online-Communities, um mit Netnography aussagekräftige Daten gewinnen zu können.

In einem solchen Fall kann erwogen werden, eine solche Community, beispielsweise in Form eines Konsumentenforums auf der Internetseite eines Anbieters, selbst zu etablieren. Unter Umständen können dort nach einiger Zeit die gewünschten Informationen gewonnen werden.

3 Definition und Ziele

Der Begriff Netnography stellt ein aus den Einzelbegriffen „Internet“ und „Ethnography“ gebilde-

tes Kunstwort dar. Er geht auf Prof. Robert Kozinet zurück, der Netnography als „etnography on

the internet“7, also ethnographische Untersuchungen, die unter den spezifischen Rahmenbe-

dingungen des Internets durchgeführt werden, definierte.

Bei Netnography handelt es sich um eine Methode des Open Innovation. Die Methode kann zur

Anforderungsermittlung und Problemdefinition zugeordnet werden und gleichzeitig auch wert-

vollen Input für die Ideengenerierung liefern.

Unterstützt durch den technologischen Fortschritt und die ständig verbesserte Zugänglichkeit hat sich das Internet zu einer wichtigen sozialen Plattform entwickelt. Eine Nutzungsform dieser Plattform ist der Austausch von Erfahrungen, Erwartungen und Ideen zu Produkten und Herstel-lern zwischen Konsumenten.8 Dabei kommuniziert eine wachsende Zahl interessierter (potenzi-eller) Nutzer eines Produktes oder einer Dienstleistung über unterschiedliche Wege wie Online-Foren oder das im Rahmen des Web 2.0 populär gewordene Blog. Sie tauschen Erfahrungen und Erlebnisse aus, diskutieren vermeintliches oder tatsächli-che Optimierungspotenzial und äußern Wünsche für zukünftige Produkte. Dabei kommt es immer wieder vor, dass einzelne Nutzer oder Nutzergruppen aktiv neue Produktideen bis zu einem fortgeschrittenen Stadium entwickeln und ihre Ergebnisse der Community vorstellen.9 Neben Bedürfnis-Informationen können also aus der Kommunikation innerhalb derartiger On-line-Communities unter Umständen auch Lösungs-Informationen gewonnen werden. Außer-dem lassen sich gegebenenfalls Informationen zur Akzeptanz eines (eigenen) spezifischen Produktes ableiten. Mit Netnography steht Unternehmen, die von diesem Informationspool profitieren wollen, eine unterstützende Methode zur Verfügung. Sie basiert auf der Annahme, dass Konsumenten ihre Bedürfnisse und Ideen in der (relativen) Anonymität des Internets und unter ähnlich Interessier-ten freier, unvoreingenommener und offener austauschen als beispielsweise im Rahmen eines Produktinterviews. Somit lassen sich potenziell unverfälschte, wertvollere Bedarfs- und Lö-sungsinformationen gewinnen.10 Diese Informationen können eine wertvolle Grundlage für die Produktweiter- bzw. Neuentwick-lung sein. Darüber hinaus können sie helfen, das Kundenverhalten besser verstehen und somit im Unternehmensinteresse liegende effektive Maßnahmen frühzeitig beschließen zu können.

Die Netnography-Methode bietet geeignete Techniken an, um die Erfassung der internetbasier-ten Konsumenteninteraktion zu planen, durchzuführen und die gewonnenen Informationen ziel-gerichtet auszuwerten.11

7 Vgl. Kozinets 2002, S.2.

8 Vgl. Langer/Beckmann 2005, S. 191.

9 Vgl. Bartl et al. 2009 S.1 sowie Langer/Beckmann 2005, S.191.

10 Vgl. Alavi et al. 2011, S.89 sowie Kozinets 2006, S.281.

11 Vgl. Alavi et al. 2011, S.89 f.

4 Praktische Umsetzung im Unternehmen

Die praktische Anwendung der Netnography-Methode lässt sich in fünf Phasen gliedern12:

Phase I: Definition des Untersuchungsfokus Vor Beginn der eigentlichen „Feldarbeit“, also der Beobachtung und Aufzeichnung der elektro-nischen Interaktion, ist es zweckmäßig, zunächst diejenigen Fragen zu formulieren, die durch die Anwendung der Methode beantwortet werden sollen.13 Im Laufe der späteren Beobachtung der Online-Communites ist es möglich, dass sich der Untersuchungsfokus von den eigentlichen Fragestellungen hin zu anderen Themenkomplexen verlagert. Die Änderung des Fokus kann insbesondere dann relevant sein, wenn sich herausstellt, dass dieser für die Zielgruppe beson-ders relevant – und möglicherweise relevanter als die Initial verwendeten Forschungsfragen – ist.

Phase II: Identifikation geeigneter Onlinequellen Nach der Festlegung des Themenschwerpunktes sind geeignete Interaktionsplattformen zu identifizieren, die von einer möglichst großen Zahl solcher Nutzer frequentiert werden, und ein möglichst starkes Interesse an dem entsprechenden Produkt oder der Dienstleistung haben.14 Dabei ist anzunehmen, dass die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse mit der Fachkom-petenz der beobachteten Nutzer steigt.15 Um die im folgenden Schritt zu sammelnden Daten besser interpretieren zu können, sollten so viele Hintergrundinformationen wie möglich über die zu beobachtenden Plattformen und die dort kommunizierenden Gruppen und Einzelpersonen gesammelt werden.16

12

Vgl. Bartl et al. 2009, S. 6 ff. sowie Alavi et al. 2011, S. 89 ff. 13

Vgl. Kozinets 2002, S.4. 14

Vgl. ebd. 15

Vgl. ebd,, S.6. 16

Vgl. ebd. S.4.

Phase III: Beobachtung und Datensammlung Die Datensammlung im Rahmen der Netnography-Methode wird durch die technischen Mög-lichkeiten des Internets und der zu Grunde liegenden Informationstechnologie (beispielsweise weitgehend automatische Transkription heruntergeladener Dokumente) erleichtert.17 Die Sammlung der Daten lässt sich in zwei Kategorien unterscheiden. Zum einen in direkte Auf-zeichnungen der beobachteten Kommunikation, beispielsweise heruntergeladene Diskussions-verläufe aus Onlineforen. Daneben in diejenigen Beobachtungen, die der Untersuchende wäh-rend des Forschungsvorganges über die wahrgenommene Interaktion zwischen den observier-ten Personen (-Gruppen) aufzeichnet.18 Diese Beobachtungen sind insbesondere wichtig, um die sprachlichen Eigenheiten, die sich in vielen Online-Communities herausbilden, bei der Aus-wertung berücksichtigen zu können. Außerdem kann eine detaillierte Aufzeichnung über die Häufigkeit, Art und Güte der Beiträge einzelner Mitglieder dazu beitragen, mögliche Lead-User zu identifizieren.19 Um die spätere Auswertung zu unterstützen, können die aufgezeichneten Daten (Unterhal-tungsfragmente) bereits während der Datensammlung sortiert werden. Dazu kann ein im Einzel-fall zu entwickelndes Kodierungssystem verwendet werden, mittels dessen die gesammelten Daten sinnvoll gruppiert werden.20

Phase IV: Interpretation der gesammelten Daten Die zuvor gesammelten Daten sollten im vierten Schritt in Bezug auf die einleitende(n) For-schungsfrage(n) sowie auf gegebenenfalls aufgetretene weitere interessante Themenkomplexe ausgewertet und interpretiert werden. So könnte einem Elektronikhersteller beispielsweise bei der Beobachtung einer Online-Community, deren Mitglieder vornehmlich die Vorzüge unter-schiedlicher Mobiltelefone diskutieren, auffallen, dass ein starkes Interesse an einem bestimm-ten, bisher noch nicht angebotenen Zubehör besteht. Die durch Beobachtung gewonnenen Daten können im Folgenden mit Erkenntnissen aus der Anwendung anderer Methoden zum gleichen Untersuchungsfokus abgeglichen werden. Durch diesen Ergebnisabgleich können beispielsweise stark polarisierende Meinungsmuster identifi-ziert werden, die ihren Ursprung in den besonderen Strukturen der beobachteten Online-

17

Vgl. ebd., S.5. 18

Vgl. ebd. 19

Zur Thematik der Lead-User und deren Verbindung zu Netnography siehe Kapitel 7 „Erweiterungen“ 20

Vgl. Bartl et al. 2009, S.9.

Community haben. So ist es möglich, dass eine Community überwiegend aus Nutzern besteht, die eine gemeinsame Sichtweise auf ein Produkt teilen. Dabei kann es zu kollektiv, einseitigen und unreflektierten Betrachtungen kommen, die möglicherweise von vielen anderen (potenziel-len) Konsumenten so nicht geteilt werden. Diese sind somit unter Umständen nicht Zielgruppen-repräsentativ.21 Im Zuge dieser Interpretation können auch aufgezeichnete Lösungsinformationen auf ihre Ver-wertbarkeit hin analysiert werden. Dabei ist es möglich, dass interessante Lösungsansätze gar nicht explizit als solche kommuniziert wurden. Oft enthält auch ein eigentlich eher wie eine Be-dürfnisinformation formulierter Diskussionsbeitrag Ideen, die für die tatsächliche Lösung eines Problems genutzt werden können. Eine intensive Analyse aller aufgezeichneten Informationen ist also besonders wichtig.

Phase V: Umsetzung der Ergebnisse Um die Erkenntnisse der voran gegangenen Phasen für das Unternehmen auch praktisch nutz-bar zu machen bedarf es der Transformation in tatsächliche Produkt- oder Serviceinnovationen. Diese Überführung von der Erkenntnis zur Konsequenz ist naturgemäß stark von den Parame-tern des Einzelfalles abhängig und kann keiner starren Anleitung folgen.

21

Vgl. Kozinets 2002, S. 65.

5 Anwendung am Fallbeispiel

Zum erfolgreichen Einsatz der Netnography-Methode gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Fall-

studien. Besonders interessant erscheint vor dem Hintergrund der Ermittlung sowohl von Be-

dürfnis- als auch von Lösungsinformationen ein publizierter Anwendungsfall der Hyve AG.22

Dieser reale Anwendungsfall wurde für die Zwecke dieser Methodenbeschreibung leicht modifi-

ziert übernommen.

Ein Unternehmen stellte unter anderem Produkte zur sonnenlosen Hautbräunung („Tanning-

Lotion“, „Selbstbräuner“) her. Um den entsprechenden Markt genauer zu analysieren und die

exakten Kundenwünsche und Ideen kennen zu lernen, sollte eine Onlineanalyse nach der Net-

nography-Methode durchgeführt werden.

Phase I: Definition des Untersuchungsfokus

Untersuchungsschwerpunkt war dabei, wie die Verwendung entsprechende Produkte zur son-

nenlosen Hautbräunung, auch im Vergleich zu anderen Bräunungslösungen wie Sonnenstudios

oder natürlicher Besonnung, durch eine interessierte Zielgruppe bewertet wurden.

Das Forschungsteam entwickelte eine Reihe von Leitfragen:

Was bewegt Kunden dazu, Bräunungsprodukte (langfristig) zu nutzen?

Wie werden Bräunungsprodukte im Alltag angewandt? Wie werden sie mit anderen Pflege-

produkten kombiniert?

Zu welchen Gelegenheiten werden Bräunungsprodukte auf welche Körperteile angewandt?

Welche Probleme bei der Verwendung von Bräunungsprodukten werden berichtet? Welche

Lösungen werden durch die Community angeregt?

Phase II: Identifikation geeigneter Onlinequellen

Das Forschungsteam identifizierte 437 Online-Plattformen aus fünf Sprachregionen, auf denen

relevante Diskussionen zum Thema sonnenlose Bräunungsprodukte stattfanden. Die Diskussi-

onen erfolgten dabei je nach Plattform aus unterschiedlichen Motivationslagen und durch unter-

schiedliche Nutzergruppen.

Aus diesen Plattformen wurden nach qualitativen und quantitativen Kriterien wie Datenqualität,

verwendeter Sprache, Aktivität, Anzahl der Beiträge, Nutzungshäufigkeit etc. sechs Communi-

ties für die Datensammlung selektiert. Dabei wurden bewusst Plattformen ausgewählt, auf de-

nen Nutzergruppen interagieren, die dem Thema der sonnenlosen Bräunung aus unterschiedli-

chen Gründen nahestehen. So wurde auch eine Community aufgenommen, die sich mit dem

Thema Kraftsport auseinander setzt. Entscheidungsgrund ist hier die Beobachtung, dass viele

22

www.hyve.de

Kraftsportler, die sich an BodyBuilding-Wettkämpfen beteiligten, eine hohe Affinität zu möglichst

perfekter Hautbräunung zu haben schienen.

Phase III: Beobachtung und Datensammlung

Im Rahmen der Beobachtung der ausgewählten Online-Communities verfolgte das For-

schungsteam über einen Zeitraum von einem Monat alle neuen Beiträge und speicherte solche

mit relevantem oder interessant erscheinendem Inhalt für die spätere Analyse. Diese Daten-

sammlung stellte einen aufwändigen manuellen Prozess dar. Insbesondere die Tatsache, dass

im Rahmen von Internetkonversationen häufig eigene Sprachelemente verwendet wurden er-

schwerte die Nutzung einer automatisierten Erfassung deutlich. Auch etablierten sich innerhalb

verschiedener Communities häufig Begrifflichkeiten, die für Außenstehende zunächst schwer

nachvollziehbar waren. Um dennoch eine Erfassung der aussagekräftigen Beiträge zu gewähr-

leisten war die manuelle Bewertung der Marktforschungsexperten unverzichtbar.

Insgesamt wurden im Verlauf der Untersuchung 3.128 als relevant eingestufte Beiträge gespei-

chert. Diese wurden zur Erleichterung der späteren Datenauswertung bereits während der Er-

fassung durch die Sortierung in sinnvolle Unterthemen kategorisiert.

Beispiel für einen Forenbeitrag, der (potenzielle) Lösungsinformationen kommuniziert

Phase IV: Interpretation der gesammelten Daten

Aus den gesammelten Daten konnte eine Reihe von Erkenntnissen über die Zielgruppe und ih-re Gewohnheiten gesammelt werden. So wurden interessante Aussagen zu Problemen aufgezeichnet, die Konsumenten bei der Ver-wendung bestimmter Verfahren zur Applikation der Bräunungsprodukte erfahren hatten.

Andere Anwender berichteten von schlechten Erfahrungen bei der Verwendung bestimmter Produktlinien und warnten andere vor einem Kauf. Besonders häufig wurde in diesem Zusam-menhang von einer ungleichmäßigen, fleckig wirkenden Hautbräunung berichtet. Diese Anwen-dungsresultate waren für viele Nutzer so unbefriedigend, dass sie teils schmerzhafte und bis-weilen hautschädigende Versuche unternahmen, die Hautfärbung wieder zu entfernen.

Während der Datensammlung und der folgenden Auswertung fielen einige Nutzer auf, die eine

besondere Leidenschaft für das Themenfeld des sonnenlosen Bräunens zeigten. Es waren ge-

rade diese Community-Mitglieder, die besonders häufig und mit verhältnismäßig hoher Sach-

kompetenz Fragen anderer Anwender beantworteten, Produkte bewerteten und Verbesse-

rungsvorschläge publizierten. Einige dieser besonders engagierten Nutzer konnten als Lead-

User in späteren Produktentwicklungen eingebunden werden.

Beispiel für einen Forenbeitrag, der Bedürfnisinformationen kommuniziert

Phase V: Umsetzung der Ergebnisse

Aus den gewonnen Erkenntnissen konnten in der Folgezeit mehrere Produktinnovationen ent-

wickelt werden, die gezielt auf Probleme eingingen, welche durch die Auswertung der gesam-

melten Daten identifiziert wurden. Außerdem konnte die Kommunikationsstrategie des Unter-

nehmens in einigen Punkten besser an die Bedürfnisse der Konsumenten angepasst und somit

die Kundenzufriedenheit gesteigert werden.

Als besonders wertvoll erwies sich die Einbeziehung der Kraftsport-Community. Dort konnte das

Forschungsteam einen innovativen Vorschlag eines Mitgliedes verfolgen. Dieser hatte, motiviert

durch seine berufliche Tätigkeit als Spritzlackierer, in Vorbereitung eines BodyBuilding-

Wettkampfes den Versuch unternommen, eine Bräunungslotion mittels Druckluft auf die Haut-

oberfläche aufzusprühen. Er berichtete von erstaunlich positiven Ergebnissen mit dieser Metho-

de, die er als wesentlich effektiver beschrieb als das bisherige manuelle Auftragen der Lotion.

Inspiriert durch diese Idee – die in der Community sehr positives Feedback erhielt – entwickelte

das Unternehmen eine Bräunungslösung, die, aus einer Dose versprüht, ein besonders gleich-

mäßiges Bräunungserlebnis garantieren sollte. Tatsächlich wurde diese Nutzerinnovation am

Markt ein großer Erfolg, wie sich sowohl anhand der Absatzzahlen als auch im Rahmen einer

späteren erneuten Netnography-Marktuntersuchung zeigte.

6 Zusammenfassende Bewertung

Die Netnography-Methode trägt der technischen Entwicklung der vergangenen Jahre Rechnung und bietet ein Marktforschungswerkzeug mit dessen Hilfe es möglich ist, von im Internet geführ-ten Diskussionen über Produkte und Dienstleistungen zu profitieren. Dabei können je nach Ein-zelfall sowohl Bedürfnis- (welche Eigenschaften des Produktes/der Dienstleistung sollten wie modifiziert werden?) als auch Lösungsinformationen (wie könnte eine Modifikation konkret um-gesetzt werden?) gewonnen werden. Aufgrund der Struktur - vor allen Dingen der (vermeintli-chen) Anonymität des Internet - gibt es jedoch auch Ansatzpunkte für Kritik an der Methode. Für Unternehmen, die online verfügbares Konsumentenwissen, Informationen über Kundenbe-dürfnisse und –Wünsche sowie gegebenenfalls nutzergenerierte Lösungsideen nutzen wollen, kann Netnography als unterstützende Methode dienen. Vorteile

Einfacher Zugang zu einer größeren Anzahl von „Befragten“ im Gegensatz zu traditionellen Interview-Verfahren. Dadurch können je nach betrachteter Nutzerzahl deutlich mehr Infor-mationen gewonnen werden, als dies bei einer traditionellen Konsumentenbefragung mög-lich wäre.

Möglichkeit die geäußerten Ansichten der Beobachteten Nutzer über einen längeren Zeit-raum hinweg zu studieren.

Das Verfahren ist häufig kostengünstiger als traditionelle Marktforschungsmethoden, da eine große Zahl interessierter (potenzieller) Nutzer ohne Reisetätigkeit oder die Durchführung von Einzelbefragungen analysiert werden können.

Einfache Dokumentation und elektronische Weiterverwertung, da die beobachtete Kommu-nikation bereits digital zur Verfügung steht.

Größere Flexibilität in der Verfolgung der Forschungsfrage(n): zeichnet sich im Laufe der Datensammlung ein diskutierter Themenkomplex als interessant ab, der bisher nicht im Fo-kus der Betrachtung lag, so ist es problemlos möglich, diesen sowohl in der zukünftigen als auch in der bisher dokumentierten Interaktion detailliert zu analysieren.

Wird die Beobachtung betrieben, ohne dass die beobachteten Nutzer dies wissen, so kön-nen besonders unverfälschte Informationen gewonnen werden, da die Aussagen und geäu-ßerten Bewertungen der Nutzer nicht durch die künstliche Atmosphäre einer Testsituation beeinflusst werden.

Nachteile

Die weitgehende Anonymität des Internets erschwert die Identifikation und Einordnung der einzelnen beobachteten Benutzer einer Onlineplattform. So ist es nur sehr schwer oder gar nicht möglich, persönliche Angaben der Nutzer zu beispielsweise Alter, Beruf oder Einkom-men objektiv nachzuprüfen

Die Auswertung der Daten kann durch die im Internet verwendete, häufig nicht korrekte oder simplifizierte Textsprache kompliziert werden.23

Die gesammelten Informationen bilden den Markt nicht in jedem Fall realistisch ab. Abhän-gig vom Einzelfall kann es zu Verzerrungen kommen, insbesondere, wenn die beobachteten Communities im Vorfeld nicht sorgfältig genug ausgewählt werden.

23

Vgl. Xun/Raynolds 2009 sowie Kozinets 2002.

Neben der Chance, wertvolle Bedürfnis- und Lösungsinformationen sammeln zu können, birgt die Methode auch das Risiko, trotz eventuell hohem Aufwand nur wenige tatsächlich verwertbare Informationen zu gewinnen.

7 Erweiterungen

Netnography kann als Methode zur Identifikation von Lead-Usern dienen. Lead User sind Nut-zer, die künftige Bedarfe des Marktes bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt antizipieren, und ein hohes (Eigen-)Interesse an einer Lösung zur Befriedigung dieser Bedarfe haben. Die An-wendung der Netnography-Methode kann, insbesondere in Kombination mit anderen Methoden, die Suche nach Lead-Usern unterstützen.24 Weiterführende Informationen zum Themenkomplex Netnography und Lead-User Identifikation finden sich beispielsweise bei Belz / Baumbach: Netnography as a Method of Lead User Identi-fication.

24

Vgl. Belz/Baumbach 2010, S. 310 f.

8 Literaturverzeichnis

8.1 Verwendete Literatur Kozinets, Robert V. (2002): „The Field Behind the Screen: Using Netnography for Marketing Re-

search in Online Communities“, Journal of Marketing Research, 39 (February), S. 61-72 (Zitiert als

Kozinets 2002)

Bourke, S., Cikoratic, J., Mack, G. (1999): Researching organisational behaviour: An Introduc-

tion to grounded theory, http://www.bechervaise.com/DBAR5.htm (Zitiert als Bourke et al. 1999)

Xun, J., Raynolds, J. (2009): Applying netnography to market research: The case of the online fo-

rum (Zitiert als Xun/Raynolds 2009)

Bartl, M., Hück, S., Ruppert, S. (2009): Netnography Research, Consumer Insights 2009

(Zitiert als Bartl et al. 2009)

Alavi, S, Ahuja, V., Medury, Y. (2011): An empirical approach to ECRM-increasing consumer

trustworthiness using online product communities, Database Marketing & Consumer Strategy

Management Vol. 18, 2, 83-96 (zitiert als Alavi et al. 2011)

Langer, R., Beckman, S. (2005): Sensitive research topics: netnography revisited, Qualitative

Market Research; 2005; 8, 2, ABI/INFORM Global S. 189 (Zitiert als Langer/Beckmann 2005)

Kozinets, R. (2006): Click to Connect: Netnography and Tribal Advertising, Journal of Advertis-

ing Research, September 2006 (zitiert als Kozinets 2006)

Belz, F., Baumbach, W. (2010): Netnography as a Method of Lead User Identification, Creativi-

ty and Innovation Management, Volume 19, Nr. 3, 2010 (zitiert als Belz/Baumbach 2010)

8.2 Weitergehende Literatur

8.3 Interessante Links 1. http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=vZnbZ792X_A

Interview mit mehreren leitenden Mitarbeitern von NetBase zum Thema Social Media For-

schung.

http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=ErCyFmvzpFc

Interview über die Verwendung von NetBase bei AquaSana (Hersteller von Filtrationslösun-

gen).

2. http://www.youtube.com/watch?v=Zho3SL9MdXM&feature=player_detailpage

Dr. Stephan Rupert im Interview über die Anwendung der Netnography in der Marktfor-

schung.

3. http://vimeo.com/20284679

Alex Batchelor, (COO, Brainjuicer) über die Entwicklung der Konsumentenforschung und den

einsatz automatisierter Systeme in der (Massen-)Netnography


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