+ All Categories
Home > Documents > 1. Was sind Emotionen? - TU Dresden

1. Was sind Emotionen? - TU Dresden

Date post: 22-Feb-2022
Category:
Upload: others
View: 1 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
23
1. Was sind Emotionen? 1
Transcript

1. Was sind Emotionen?

1

2

Was sind Emotionen?

Liebe, Hass, Zorn, Freude, Trauer, Enttäuschung, Angst, Ärger…

Was haben diese Zustände gemeinsam?Was unterscheidet Emotionen von Kognitionen?

Bewertung? Aber: Nicht jede Bewertung ist eine Emotion

Physiologische Erregung?Aber: Nicht jeder körperliche Erregungszustand ist eine Emotion

Subjektiv erlebtes Gefühl? Aber: Was unterscheidet das Erleben einer Emotion von anderen bewussten Zuständen (z.B. Hunger, Anstrengung, Unentschiedenheit)?

3

Was sind Emotionen?Kategorisierung von Emotionsdefinitionen

Bewusstes Erleben „Zustand, in dem eine Person ein bestimmtes Gefühl erlebt“

Physiologisch „Verhalten, primär durch viszerale Reaktionen beeinflusst“

Kognitiv / evaluativ „schließen Bewertungen von Sachverhalten ein“

Ausdruck „Emotionen und ihr Ausdruck bilden eine existentielle Einheit“

Syndromal „komplexes Konzept mit neurophysiologischen, muskulären und phänomenologischen Aspekten“

Motivational „motivationale Zustände“

Adaptive Funktion „Signal, das den Organismus … vorbereitet“

Störung / Unterbrechung  „führt zur Unterbrechung der üblichen Verhaltensmuster“

Kleinginna, P. R., & Kleinginna, A. M. (1981). A categorized list ofemotion definitions, with suggestions for a consensual definition. Motivation and Emotion, 5, 345‐379.4

Was sind Emotionen?

Eine präzise Definition von Emotionen ist keine Voraussetzung, sondern ein Ziel der Emotionsforschung 

Empirischen Forschung beginnt meist mit vorläufigen Arbeitsdefinitionen eines Gegenstands

Im Lichte neuer Erkenntnisse können sich Begriffsdefinitionen verändern

5

Eine Arbeitsdefinition 

Emotionen sind psychophysische Reaktionsmuster, die auf mehr oder weniger komplexen Bewertungen einer Reizsituation beruhen, 

die mit einer Reihe peripherer physiologischer Veränderungen sowie der Aktivierung bestimmter zentralnervöser Systeme einhergehen, 

zu bestimmten Klassen von Verhalten motivieren, 

sich in spezifischer Mimik und Körperhaltung ausdrücken können 

und häufig (aber nicht notwendig) mit einer subjektiven Erlebnisqualität verbunden sind. 

(Goschke & Dreisbach, 2006)6

Emotionen vs. Stimmungen

Emotion Stimmung

Beschreibung Zentralnervös ausgelöstes psychophysisches Reaktions‐muster 

Milde „Tönung“ / Hintergrund des Erlebens

Dauer Sekunden bis Minuten Stunden bis Tage

Effekte Handlungsbereitschaft Kognitive Verarbeitung

Auslöser Spezifisches Ereignis (z.B. Ärger oder Freude über etwas; Angst vor etwas; Stolz auf etwas)

Unspezifisch; oft keine eindeutigeUrsache

Intensität Stark Schwach

Autonome Erregung

Akut, evtl. spezifisch Variabel, diffus

Neuronales Substrat

Subkortikale Hirnregionen (?)Phasische neurochemische Veränderungen

Kortikale Prozesse (?)Tonische neurochemische Veränderungen

11

Aktuelle emotionale Zustände vs. emotionale Dispositionen

Emotion als aktueller Zustand („state“)z.B. Freude über ein Geschenk; Ärger über eine Beleidigung

Emotionale Disposition („trait“), unter bestimmten Anregungsbedingungen in einen bestimmten emotionalen Zustand zu kommen

z.B. Ängstlichkeit als Persönlichkeitsdisposition

12

Der subjektive Erlebensaspekt von Emotion

Emotionen sind zumeist mit einem subjektiven Erlebensaspekt („Gefühl“) verbunden

Die Erlebnisqualität einer Emotion (z.B. wie es sich anfühlt, traurig zu sein) ist nur der Person selbst zugänglich ( sog. „Qualia“‐Problem in der Philosophie)

Emotionen anderer Lebewesen können wir nur aus beobachtbaren Indikatoren (z.B. Mimik, verbale Aussagen, physiologische Reaktionen) erschliessen ( sog. „other minds problem“ in der Philosophie)

Emotionen als „hypothetische Konstrukte“

Messung des Emotionserlebens über Adjektiv‐Checklisten / Ratingskalen

14

Messung des Emotionserlebens

Introspektive Berichte

ProblemeUngenauigkeit 

z.T. mangelnde Reliabilität

z.T. mangelnde Kenntnis der Auslöser von Emotionen

Einfluss subjektiver Theorien / kultureller Stereotype

15

Messung des Emotionserlebens

Erlebnisstichproben (experience sampling)Tagebuchaufzeichnungen

Beeper zu zufälligen Zeitpunkten; Proband berichtet seine zu diesem Zeitpunkt bewussten Gedanken/Gefühle

Fragebögen und Ratingskalen (Trait vs. State!)Beck Depression Inventory (BDI)

Beck Anxiety Inventory (BAI)

Spielberger Trait‐State Anxienty Inventory (STAI)

Profile of mood states (POMS)

Positive and negative affect scales (PANAS)

Multiple affect adjective checklist (MAACL)

16

Messung des Emotionserlebens

17

Messung des Emotionserlebens

Self‐Assessment Manikin (SAM) 

(Bradley, M.M., Lang, P.J.  (1994) J Behav Ther Exp Psychiatry, 25, pp. 49‐59.

18

Der subjektive Erlebensaspekt von Emotion:Gibt es unbewusste Emotionen?

Zwei kontroverse Auffassungen:

Bewusstes Gefühlserleben als notwendiger Bestandteil von Emotionen

Annahme unbewusster emotionaler Reaktionen (insb. in evolutionspsychologischen und neurowissenschaftlichen Theorien, z.B. LeDoux, 1996)

E. beruhen auf evolutionär entstandenen Reaktionssystemen 

E. müssen sich notwendigerweise im subjektiven Erleben manifestieren 

E. sind auch bei vielen Tieren vorhanden

19

Der Verhaltensaspekt von Emotionen

Emotionsspezifische instrumentelle HandlungenWut  Kampf / Aggression

Ekel  Vermeidung

Liebe  Annäherung

Angst  Flucht

AusdrucksverhaltenMimik

Gestik 

Körperhaltung

Körperbewegungen (z.B. plötzliches Zusammenzucken) 

Intonation und Sprachmelodie

20

Der Verhaltensaspekt von Emotionen: Mimik und Ausdrucksverhalten

21

22

Der peripher‐physiologische Aspekt von Emotion

durch das autonome Nervensystem kontrollierte periphere physiologische Reaktionen (z.B. Herzrate, Erröten, Atemfrequenz, Hautleitfähigkeit)

23

Der peripher‐physiologische Aspekt von Emotion

24

Multiple Indikatoren des Aktivationsniveaus

Einige IndikatorenSubjektive erlebte Anspannung oder AnstrengungHerzfrequenzAtemfrequenzHautleitfähigkeit / elektrodermale Reaktionenhirnelektrische Aktivität / EEG (relative Power im Bereich der Alphafrequenz)Elektromyogramm (z.B. Anspannung des Stirnmuskels)Lidschlagrate

Problemeverschiedene Aktivationsindikatoren korrelieren häufig nicht untereinander (L Reaktionsspezifität ; Lacey 1967; s.a. Neiss, 1988)Personen zeigen individuell unterschiedliche Muster psychophysiologischer Reaktionen 

25

Zentralnervöse Prozesse

Funktionelle Magnetresonanztomografie(fMRT)

Elektroenzephalogramm und ereigniskorrelierte Potentiale

Transkranielle Magnetstimulation (TMS)Einzelzellableitungen im Tierversuch

27

Pessoa, L., Kastner, S., Ungerleider, L.G. (2002). Attentional control of the processing of neutral and emotional stimuli. Cognitive Brain Research 15, 31–45.

Aktivierung der Amygdala beim Ansehen ängstlicher Gesichtsausdrücke

29

Emotion

KonativeKomponente

PhysiologischeKomponente

Vegetative Reaktionen

(z.B. EDA; Puls)

KognitiveKomponente

Bewertung derSituation

(z.B. gut vs. schlechtBedrohlich vs. harmlos)

ExpressivesVerhalten

(Mimik, Gestik, Körperhaltung, Sprachmelodie)

Instrumentelles Verhalten

(Kampf, Flucht, etc.)

Zentral-nervöse Prozesse

(z.B. Aktivierung d. Amygdala)

Erlebens-komponente

Subjektives Gefühl

(Verbalreport;Ratings; Adjektivchecklisten)

30


Recommended