+ All Categories
Home > Documents > 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog:...

1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog:...

Date post: 18-Oct-2020
Category:
Upload: others
View: 2 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
12
KOR 1.1 1 Korrosion 1.1 Grundlagen 1.1.1 Messung von Strom-Spannungskurven Die Messung von Strom-Spannungskurven spielt in der Korrosionskunde eine ausschlaggebende Rolle. Man unterscheidet grundsätzlich zwei verschiedene Meßverfahren: 1. Stationäre Verfahren Die stationären Meßmethoden untersuchen die funktionelle Abhängigkeit zwischen den Variablen einer elektrochemischen Reaktion (Stromstärke I, Potential e) im zeitunabhängigen Zustand. Es sei darauf hingewiesen, daß die auf die Elektrodenoberfläche A bezogene Stromdichte j I A = von größerem Interesse ist. Galvanostatische Messung Bei dieser Methode wird der Meßzelle ein konstanter Strom zwischen Meß- und Gegenelektrode aufgezwungen. Das sich an der Meßelektrode einstellende Potential wird gegenüber einer Bezugselektrode gemessen. Bild 1.1 a) zeigt schematisch das Schaltbild dieser Methode. Potentiostatische Methode Potentiostatische Messungen verlangen aufwendigere Schaltungen. Mit Hilfe eines Potentiostaten wird zwischen Meß- und Bezugselektrode ein konstantes Potential angelegt und der sich einstellende Strom gemessen. Über einen Regelkreis wird der Zellstrom so gesteuert, daß die Differenz zwischen einer vorgegebenen Sollspannung und dem sich einstellenden Potential minimal wird. Bild 1.1 b) zeigt das Prinzip dieser Schaltung. Bild 1.1 Schema der Schaltung zur a ) galvanostatischen und b) potentiostatischen Messung von Strom-Spannungskurven. 2. Instationäre Verfahren Für rein qualitative Untersuchungen reicht oft die Kenntnis des prinzipiellen Verlaufs von Strom-Spannungskurven aus. Bei diesem Verfahren wird der zeitliche Verlauf des Systemzustands untersucht.
Transcript
Page 1: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.1

1 Korrosion

1.1 Grundlagen

1.1.1 Messung von Strom-Spannungskurven

Die Messung von Strom-Spannungskurven spielt in der Korrosionskunde eineausschlaggebende Rolle. Man unterscheidet grundsätzlich zwei verschiedene Meßverfahren:

1. Stationäre Verfahren

Die stationären Meßmethoden untersuchen die funktionelle Abhängigkeit zwischen denVariablen einer elektrochemischen Reaktion (Stromstärke I, Potential ε) imzeitunabhängigen Zustand. Es sei darauf hingewiesen, daß die auf die ElektrodenoberflächeA bezogene Stromdichte j I

A= von größerem Interesse ist.

• Galvanostatische MessungBei dieser Methode wird der Meßzelle ein konstanter Strom zwischen Meß- undGegenelektrode aufgezwungen. Das sich an der Meßelektrode einstellende Potential wirdgegenüber einer Bezugselektrode gemessen. Bild 1.1 a) zeigt schematisch das Schaltbilddieser Methode.

• Potentiostatische MethodePotentiostatische Messungen verlangen aufwendigere Schaltungen. Mit Hilfe einesPotentiostaten wird zwischen Meß- und Bezugselektrode ein konstantes Potentialangelegt und der sich einstellende Strom gemessen. Über einen Regelkreis wird derZellstrom so gesteuert, daß die Differenz zwischen einer vorgegebenen Sollspannung unddem sich einstellenden Potential minimal wird. Bild 1.1 b) zeigt das Prinzip dieserSchaltung.

Bild 1.1 Schema der Schaltung zur a) galvanostatischen und b) potentiostatischen Messungvon Strom-Spannungskurven.

2. Instationäre Verfahren

Für rein qualitative Untersuchungen reicht oft die Kenntnis des prinzipiellen Verlaufs vonStrom-Spannungskurven aus. Bei diesem Verfahren wird der zeitliche Verlauf desSystemzustands untersucht.

Page 2: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.2

• Potentiokinetische MessungAn die Meßzelle wird eine sich zeitlich linear ändernde Spannung potentiostatischangelegt und der sich einstellende Strom mit Hilfe eines Kompensationsschreibersregistriert. Bei sehr geringen Potentialvorschubgeschwindigkeiten (quasi-stationär) erhältman Kurven, die den stationären gleichen.

1.1.2 Die Durchtrittsüberspannung

Betrachtet man eine einfache Metallelektrode und die Durchtrittsreaktion

Me ↔ Me zez+ −+ (1.1)

so ist klar, daß der Übergang von der einen Phase in die andere und umgekehrt, d.h. derAustritt aus dem Metallverband bzw. das Abstreifen der Hydrathülle, eine Aktivierungsenergieerfordert. Da außerdem zwischen Metall und Lösung, entlang der HelmholtzschenDoppelschicht, eine Potentialdifferenz ∆φ besteht, setzt sich die Gesamtaktivierungsenergie alsSumme aus der freien Standard-Aktivierungsenthalpie ∆G0 und der auf einen Formelumsatzbezogenen elektrischen Arbeit zF∆φ zusammen.

Bild 1.2 a) Potentialverlauf in der Helmholtzschen Doppelschichtb) Aktivierungsenergien des anodischen und kathodischen Teilprozesses bei derDurchtrittsreaktion.

Der Wert der Aktivierungsenergie hängt davon ab, an welchem Ort der Doppelschicht deraktivierte Komplex vorliegt. Trifft man ihn dicht vor der Elektrode an (vgl. Bild 1.3 a), so istder Einfluß des elektrischen Potentials auf den kathodischen Prozeß groß, auf den anodischenklein, liegt er dicht an der äußeren Helmholtzfläche (vgl. Bild 1.3 b), so gilt das Umgekehrte.Ein Maß für den sich auf die Aktivierungsenergie auswirkenden Anteil der Galvani-Spannung∆φ ist der Durchtrittsfaktor α. In der schematischen Darstellung gibt α an, welcher Bruchteilder Helmholtz-Schicht durchlaufen werden muß, um auf den aktivierten Komplex zu stoßen.Für die Gesamtaktivierungsenergie des anodischen Prozesses gilt ∆ ∆φG zFa

0 −α , entsprechend

für den kathodischen Prozeß ( )∆ ∆φG zFk0 1+ − α . In Bild 1.3 wird der anodische Prozeß durch

die Potentialdifferenz ∆φ begünstigt und der kathodische erschwert.

Page 3: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.3

Bild 1.3 Änderung der Aktivierungsenergie durch die Lage des aktivierten Komplexes.

Die Reaktionsgeschwindigkeit beider Vorgänge kann, da es sich um den Durchtritt vonLadungsträgern handelt, durch die Größe der elektrischen Ströme bzw. Stromdichten Mej

r und

Mejs

ausgedrückt werden. Die anodische Teilstromdichte Mejr

ist gemäß der ArrheniusschenGleichung exponentiell abhängig von der Temperatur und der Gesamtaktivierungsenergie. Esgilt:

∆−∆−Θ=

RTzFG

kj aMeMe

φα0

exprr

. (1.2)

In der Geschwindigkeitskonstanten Mekr

sind Faktoren wie Ladung, Faraday-Konstante F, Zahlder Atome pro Flächeneinheit, Entropiefaktor und Frequenzfaktor zusammengefaßt. Θ ist derBedeckungsgrad von beweglichen Mead-Atomen in der Adsorptionsschicht, R ist dieallgemeine Gaskonstante, z die Ladung und T die absolute Temperatur.

Für die kathodische Teilstromdichte Mejs

gilt analog:

( )

∆−+∆−−= + RT

zFGckj k

MeMeMe zφα1

exp0ss

, (1.3)

wobei cMez + die Konzentration der Me z+ -Ionen im Elektrolyt ist. Da ∆φ einer Absolutmessung

nicht zugänglich ist, wird das Potential gegen eine Bezugselektrode (Elektrode 2. Art)gemessen. Beträgt die Potentialdifferenz gegen die Bezugselektrode ε [V] und ist ∆φ0 dasabsolute Potential der Bezugselektrode, so gilt:

∆φ ∆φ= +0 ε . (1.4)

Die Gln. (1.2) und (1.3) lassen sich mit Gl. (1.4) umformen, und man erhält bei konstanterTemperatur für eine einfache Metallelektrode, da ∆Gk, ∆Ga und ∆φ0 konstant sind:

=

RTzF

Bj MeMeMe

εαexp

r, (1.5)

Page 4: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.4

bzw.( )

−−=RT

zFAj Me

MeMeεα1

exps

. (1.6)

In Bild 1.4 ist die Abhängigkeit der anodischen und kathodischen Teilstromdichten von εschematisch dargestellt. Für den Gleichgewichtszustand, wie er sich beim Eintauchen einerMetallelektrode in eine entsprechende Metallsalzlösung ergibt, muß aus Gründen derElektroneutralität gelten:

j j jMe Me

→ ←= = 0 . (1.7)

Bild 1.4 Abhängigkeit der anodischen und kathodischen Teilstromdichten von derPotentialdifferenz ε.

Wie aus Bild 1.4 ersichtlich, ist dies der Fall bei einem bestimmten Potential EMe Mez/ +0 , dem

sogenannten Gleichgewichtspotential. Obwohl im Gleichgewicht im Außenstromkreis keinelektrischer Strom I fließt, kann der direkt nicht meßbare Innenstrom oder auchAustauschstrom I 0 bzw. die Austauschstromdichte j0 unter bestimmten Bedingungen einebeachtliche Stärke erreichen. Für die meßbare Summenstromdichte gilt mit Gl. (1.5) und (1.6):

j j j Bb

Aas Me Me Me

MeMe

Me= + =

− −

r sexp exp

ε ε, (1.8)

mit1

bzF

RTMe

Me=α

und( )1 1

azF

RTMe

Me=− α

.

1.1.3 Korrosion in sauren Lösungen

Wird ein festes, praktisch reines Metall in einer nichtoxidierenden, sauerstofffreien Säure unterWasserstoffentwicklung angegriffen, so spricht man von Säurekorrosion. Dabei soll daskorrodierte Metall von reaktionshemmenden Deckschichten frei sein. Das Volumen der

Page 5: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.5

Säurelösung sei so groß, daß zeitliche Konzentrationsänderungen in der wäßrigen Phasevernachlässigbar klein bleiben. In diesem Fall ist die Korrosionsbruttoreaktion allgemeingegeben durch

Me zH Mez

Hz+ → ++ +

2 2 . (1.9)

Das korrodierende Metall stellt eine Mischelektrode dar, da an dessen Oberfläche zumindestzwei verschiedene Elektrodenreaktionen gleichzeitig ablaufen:

1. anodische Metallauflösung

2. kathodische Wasserstoffentwicklung

Jede Reaktion kann als Gleichgewichtsreaktion stattfinden und zwar bei denGleichgewichtspotentialen E

Me Mez/ +0 und E

H H2

0/ + , wobei dann die Austauschstromdichten j Me

0

und jH0 eingestellt sind. Dadurch gestaltet sich die Korrosionsbruttoreaktion durch die

Überlagerung von vier Teilreaktionen mit den entsprechenden Teilstromdichten:

1. anodische Metallauflösung

Me Me zez→ ++ − mit rjMe

2. kathodische Metallabscheidung

Me ze Mez+ −+ → mit sjMe

Die Teilsummenstromdichte der korrespondierenden Elektroden beträgt:

j j jMe Me Me= +r s

. (1.10)

3. kathodische Wasserstoffabscheidung

zH zez

H+ −+ →2 2 mit

rjH

4. anodische Wasserstoffionisation

zH zH ze

2 2 → ++ − mit sjH

Die Teilsummenstromdichte beträgt:

j j jH H H= +r s

. (1.11)

Bei gleichmäßiger Korrosion hat das Elektrodenpotential an jeder Stelle der Metalloberflächedenselben Wert. Damit ergibt sich für die Teilsummenstromdichten:

( ) ( ) ( )j j jMe Me Meε ε ε= +r s

(1.12)

und ( ) ( ) ( )j j jH H Hε ε ε= +r s

. (1.13)

Durch Überlagerung der Teilstromdichte- wie auch der Teilsummenstromdichte-Spannungskurven wird die Summenstromdichte-Spannungskurve gebildet:

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )j j j j j j js Me H Me Me H Hε ε ε ε ε ε ε= + = + + +r s r s

. (1.14)

Da für saure Lösungen normalerweise angenommen werden kann, daß der Ladungsdurchtrittdurch die elektrische Doppelschicht für die Wasserstoffabscheidunggeschwindigkeitsbestimmend ist, eignet sich für die Teilsummenstromdichte jH ein Gl. (1.8)analoger Ansatz:

Page 6: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.6

j Bb

AaH H

HH

H=

− −

exp exp

ε ε. (1.15)

Mit den Gln. (1.8) und (1.15) ergibt sich aus Gl. (1.14) die Gleichung derSummenstromdichte-Spannungskurve als Summe von vier Exponentialgliedern, wobei jedesGlied eine Teilstromdichte-Spannungskurve darstellt. Bild 1.5 zeigt schematisch dieÜberlagerung der Teilstromdichte-Spannungskurven zur Summenstromdichte-Spannungskurve. Beim sogenannten Ruhepotential εR ist die Summenstromdichte js = 0 . Inder Nähe des Ruhepotentials sind die Teilstromdichten

sjMe und

sjH vernachlässigbar klein

verglichen mit den Teilstromdichten rjMe und

rjH . Unter diesen Bedingungen liegt das

Ruhepotential εR von den Gleichgewichtspotentialen EMe Mez/ +0 und E

H H2

0/ + weit entfernt.

Allgemein muß für die Säurekorrosion gelten:

εR Me MeE z≥ +/

0 und εR H HE≤ +

2

0/

. (1.16)

Bild 1.5 Vollständiges Stromdichte-Spannungsdiagramm einer unter Wasserstoff-entwicklung gleichmäßig korrodierten Metallelektrode (schematisch).

Die Korrosionsstromdichte ( )j jK Me R= ε wird durch die Länge des in εR nach oben

aufgetragenen Pfeils bezeichnet; sie ist wegen ( ) ( )j jMe R H Rε ε= − dem Betrag nach gleich derLänge des in εR nach unten aufgetragenen Pfeiles. Unter den in Bild 1.5 angenommenenBedingungen gilt für die Summenstromdichte jS in der näheren Umgebung von εR:

−−−

−=

H

R

Me

Rks ab

jjεεεε

expexp . (1.17)

Page 7: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.7

( )ε ε− R ist die Polarisation der Elektrode. Für hinreichend große Werte der Polarisation

( )ε ε>> R fällt die Summenstromdichte-Spannungskurve mit der Teilstromdichte-

Spannungskurve ( )rjMe ε der Metallauflösung zusammen:

( ) ( )j j jbs Me K

R

Meε ε

ε ε= =

rexp . (1.18)

Für hinreichend große negative Werte der Polarisation ( )ε ε<< R gilt analog:

( ) ( )j j jas H K

R

Hε ε

ε ε= = − −

rexp . (1.19)

Es besteht daher die Möglichkeit durch einfache Strom-Spannungsmessungen die Kinetik derTeilreaktionen zu untersuchen. Unter diesen Bedingungen hat die Summenstromdichte-Spannungskurve im halblogarithmischen ln j - bzw. log j -ε-Diagramm den in Bild 1.6skizzierten Verlauf.

Bild 1.6 Schematisches ln |j|-ε-Diagramm.

Sowohl bei kathodischer als auch bei anodischer Polarisation geht die Kurve schließlich in eineTafelgerade über. Aus den Parametern der Tafelgeraden kann nach den Gln. (1.18) und (1.19)die Korrosionsstromdichte jK berechnet werden. Allerdings ist die graphische Auswertungeinfacher zu handhaben, da man nur eine oder beide Tafelgeraden zum Potential εR zuextrapolieren hat, um als Ordinate die Korrosionsstromdichte ( ) ( )r r

j j jMe R H R Kε ε= = ablesen

zu können. Aus den Geradensteigungen m der Tafelgeraden lassen sich außerdem dieDurchtrittsfaktoren αH und αMe bestimmen. Logarithmieren der Gleichungen (1.18) und (1.19)ergibt:

mb

zFRTMe

Me

Me= =1 α

(1.20)

Page 8: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.8

und( )

ma

zFRTH

H

H= − = −−1 1 α

. (1.21)

1.1.4 Passivität der Metalle

Passiv nennt man üblicherweise Metalle, wenn die Korrosion sehr langsam abläuft und zwarwegen des vorliegens dünner, dichter, normalerweise oxidischer Deckschichten, die durch dieKorrosion selbst entstehen.

1. Eisen

Der bestuntersuchte Fall regulärer Passivität ist der des Eisens in verdünnter Schwefelsäure.Im Falle einer Passivierung ändert sich die anodische Polarisationskurve völlig (vgl. Bild1.7). Ausgehend vom Ruhepotential erfolgt zunächst die aktive, anodische Eisenauflösung,gekennzeichnet durch den steilen Anstieg der Stromdichte-Spannungskurve. Das Eisen gehtdabei zweiwertig in Lösung. Vor der eigentlichen Passivierung der Elektrode tritt einGrenzstrom auf. Dieser rührt daher, daß bei einer hinreichend hohen Stromdichte derMetallauflösung das Löslichkeitsprodukt des Eisensulfats überschritten wird. DieMetalloberfläche überzieht sich mit einer primären, porösen Salzdeckschicht. Diediffusionsabhängige Lösungsgeschwindigkeit der Primärschicht ist gleich derGrenzstromdichte vor Eintritt der Passivierung. Man nennt sie die kritische passivierendeStromdichte jkr. Bei hinreichender Verengung der Poren steigt die Stromdichte, bis dasPotential εP1 der Redoxreaktion Fe2+ ↔ Fe e3+ −+ erreicht wird (Für Passivierung mußallgemein gelten: j jMe kr≥ ). Die Elektrodenoberfläche überzieht sich mit einer porenfreienelektronenleitenden Oxidschicht (die Passivoxidbildung ist bei Eisen in Wirklichkeitkomplexer, [3]). Diese löst sich nur sehr langsam, der starke Abfall derKorrosionsgeschwindigkeit wird verständlich. Die kleine Stromdichte bleibt in einem weitenPotentialbereich konstant, steigt aber nach Einsetzen der anodischen Sauerstoffentwicklungwieder an. Die Summenstromdichte-Spannungskurve deckt sich dann im wesentlichen mitder Tafelgeraden der Teilreaktion 2 4 42 2H O O H e→ + ++ − .

Bild 1.7 Schematische Stromdichte-Spannungskurve von Fe in verdünnter H2SO4. εP1 -Passivierungspotential, εP2 - Aktivierungspotential.

Page 9: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.9

2. Chrom

Analoge Verhältnisse wie beim Eisen liegen bei dem unedleren Chrom vor. Allerdingserfolgt hier der Übergang aktiv → passiv ohne Primärschichtbildung. Das RedoxpotentialεP1 für den Übergang Cr 2+ ↔ Cr e3+ −+ liegt sehr nahe beim Aktiv-Ruhepotential desChroms. Dementsprechend ist jkr um einige Zehnerpotenzen kleiner als beim Eisen. Chromist also leichter passivierbar als Eisen und liegt normalerweise passiv vor. Die anodischeSauerstoffentwicklung wird beim Chrom nicht erreicht, da vorher als nächsthöhere Reaktiondie anodische Auflösung des Chroms zu Dichromat-Anionen erfolgt. Man spricht hier vomBereich der Chromtranspassivität.

3. FeCr-Legierungen

Wie Eisen und Chrom sind auch die Chromstähle durch die Ausbildung elektronenleitenderOxidhäute passivierbar. Dabei sind die Legierungen mit mehr als 15 At.% Cr eherchromähnlich. Bild 1.8 zeigt die Stromdichte-Spannungskurve einer FeCr-Legierung mitmehr als 15 At.% Cr. Solche Legierungen lassen sich leicht passivieren ( j jkr

FeCrkrFe<< ) und

zwar um so leichter, je mehr Cr zulegiert wird. Auch die Passivstromdichte ist kleiner als beireinem Fe. Im Unterschied zu reinem Cr erfolgt nach dem transpassiven Bereich einÜberschwingen in den Bereich eisenähnlicher anodischer Sauerstoffentwicklung. DiesenBereich nennt man sekundärpassiv oder auch eisenpassiv, weil hier wieder Fe3+-Ionen inLösung gehen. Den Bereich bis zum Ende der Transpassivität nennt man auch chrompassiv.

Bild 1.8 Schematische Stromdichte-Spannungskurve einer FeCr-Legierung in H2SO4. εP1

- Passivierungspotential, εP2 - Aktivierungspotential. Der Verlauf bei Lochfraßist gestrichelt eingezeichnet. εL - Durchbruchspotential, εLI - Inhibitionspotential.

1.1.5 Die Lochfraßkorrosion

Bei Anwesenheit von Halogenidionen tritt häufig trotz einer Passivschicht ein punktförmigerKorrosionsangriff auf, der mit hohen örtlichen Stromdichten verbunden ist und sich in derStromdichte-Spannungskurve durch einen starken Stromanstieg bemerkbar macht. DieseKorrosionsform wird als Lochfraß bezeichnet. Eine für den Lochfraß allgemein typischeErscheinung ist die Existenz einer Schwelle des Elektrodenpotentials εL, nach deren

Page 10: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.10

Überschreiten Lochfraß in der in Bild 1.8 skizzierten Art auftritt. Dieses Lochfraß-Durchbruchpotential ist von der Halogenidionenkonzentration abhängig. Es gilt:

HalL c

1logε . (1.22)

• Mechanismen des Lochfraßstarts

Für den Vorgang der Lochkeimbildung, also der Bildung der ersten, kleinsten Stelle aktiverMetallauflösung inmitten der passiven Oberfläche werden drei mögliche Mechanismendiskutiert, wobei immer von einer Störung der Passivschicht auszugehen ist.

1. SchichtrißUnter anderem ist in den Passivoxiden aufgrund der unterschiedlichen Volumina von Oxidund Metall mit erheblichen inneren Spannungen zu rechnen. Reißt die sehr dünneOxidschicht (≈ 1 nm), so hat der aggressive Elektrolyt direkten Zutritt zur ungeschütztenMetalloberfläche.

2. PenetrationAggressive Anionen werden in das Oxidgitter eingebaut, wandern aber auch aufZwischengitterplätzen zur Metalloberfläche.

3. AdsorptionClusterartige Adsorption der aggressiven Anionen an gestörten Bereichen derOxidoberfläche.

• Lochfraß-Inhibition

Das Einsetzen des Lochfraßes läßt sich gewöhnlich durch den Zusatz inhibierend wirkenderSalze zur Elektrolytlösung unterdrücken. In anderen Fällen beruht die Wirkung des Inhibitorsdarauf, daß ein sogenanntes Lochfraß-Inhibitionspotential εLI auftritt, d.h. der Potentialbereichwird eingeengt (vgl. Bild 1.8). Das Durchbruchspotential bleibt unbeeinflußt. Für dasInhibitionspotential gilt:

εLIHal

Inh

cc

log . (1.23)

1.2 Aufgabenstellung

1. Die Strom-Spannungskurven von reinem Fe und einer Fe-20 At.% Cr-Legierung in 1 nH2SO4 sollen mit Hilfe des potentiokinetischen Verfahrens aufgenommen werden. Es sinddie kritischen passivierenden Stromdichten jkr zu bestimmen.

2. Mit Hilfe der potentiostatischen Methode soll die Umgebung des Ruhepotentials εR

derselben Probe aufgenommen werden (15-20 Meßpunkte). Die ln j -ε-Diagramme sind zuzeichnen. Durch graphische Auswertung sollen die Durchtrittsfaktoren α (jeweils αH undαMe) sowie die Korrosionsstromdichten jK bestimmt werden. Die Ruhepotentiale ε R könnender potentiostatisch bestimmten Strom-Spannungskurve entnommen werden.

3. Die Lochfraßkurven der FeCr-Legierung in 100 ml 1 n H2SO4 sollen nach Zugabe vonviermal jeweils 5 g KCl potentiokinetisch aufgenommen werden. Die Lochfraß-Durchbruchpotentiale εL sind zu bestimmen. Außerdem soll die Abhängigkeit desDurchbruchspotential ε L von der Cl--Konzentration nach Gl. 1.22 graphisch dargestelltwerden.

Page 11: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.11

4. Die Inhibitionswirkung unterschiedlicher NO3−-Konzentrationen (viermal jeweils 0,25 g

KNO3) soll an der FeCr-Legierung in 100 ml 1 n H2SO4 nach Zugabe von 10 g KClpotentiokinetisch untersucht werden. Die Abhängigkeit der Inhibitionspotentiale ε LI von derElektrolytkonzentration nach Gl. 1.23 ist graphisch darzustellen.

1.3 Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung

Die Versuchsanordnung ist in Bild 1.9 schematisch dargestellt. Als Zelle dient ein mitElektrolyt gefülltes Becherglas, in das die Probe mittels einer Halterung so gelegt wird, daß dieProbenfläche senkrecht steht. Gegenüber der Probe befindet sich eine Platinelektrode alsGegenelektrode. Die Kalomelelektrode taucht in eine gesättigte KCl-Lösung und steht übereinen Stromschlüssel mit der Zelle in Verbindung. Es empfiehlt sich den Stromschlüsselmöglichst nahe an die Probenfläche zu bringen, um eine optimale Potentialmessung zugewährleisten. Die zylinderförmigen Proben müssen vor jeder Messung geschliffen, poliert undmit verdünnter HCl angeätzt werden. Auf diese Probenvorbereitung sollte besondere Sorgfaltverwandt werden, da dies einen wesentlichen Einfluß auf die Meßergebnisse hat. Die FeCr-Probe muß vor der Messung zur Beseitigung der stets vorhandenen Passivschicht einigeSekunden kathodisch polarisiert werden. Vor Beginn der Messung ist der x-y-Schreiber zujustieren. Die Strom-Spannungskurven von Fe und FeCr sind von ca. -900 mV bis zurSauerstoffentwicklung zu durchfahren. Die Lochfraßkurven sind bis zum erreichen desDurchbruchpotentials aufzunehmen. Die Messung sollte dann abgebrochen werden, da sonsttiefe Löcher in der Probe entstehen. Für Aufgabenteil 4 wird genauso verfahren und zusätzlichdas Inhibitionspotential von großen ε kommend aufgenommen. Falls erforderlich ist die Probeerneut zu schleifen und kathodisch zu polarisieren.

Potentiostat Potentialmeßgerät

Motor-potentiometer

SchreiberSchreiberxy

Kalomel-elektrode

Platin-elektrode

Meß-elektrode

a)

Page 12: 1 Korrosion - wewi.matthiasjasch.dewewi.matthiasjasch.de/attachments/Korrosion.pdf · gilt analog: j ( ) j ( ) j s H K a R H e e e e = = − − − r exp . (1.19) Es besteht daher

KOR 1.12

gesättigte KCl-Lösung

Platin-elektrode

Probe

Haber-Luggin-Kappillare

1n H SO2 4

Kalomel-elektrode

Meß-elektrode

Stromschlüssel1n H SO

2 4

b)

Bild 1.9 a) Schematische Darstellung der Versuchsanordnungb) Detailabbildung der Zelle

1.3.1 Versuchsparameter

Schrittmotoreinstellung Schreibereinstellungdd

mV

sεt

( )x =

ε mVcm

( )y I=

mAcm

Fe 1 100 10

FeCr 0,2-0,5 100 5

Vor allem die Messung der Strom-Spannungskurve von FeCr ist problematisch. DiePotentialvorschubgeschwindigkeit sollte deshalb möglichst klein gewählt werden.

1.4 Literatur

[1] G. Kortüm, Lehrbuch der Elektrochemie, Verlag Chemie, Weinheim, 1957

[2] K. J. Vetter, Elektrochemische Kinetik, Springer-Verlag, Berlin, 1961

[3] H. Käsche, Korrosion der Metalle, Springer-Verlag, Berlin, 1979

[4] P. W. Atkins, Physikalische Chemie, VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim, 1996


Recommended