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1. Der Wunsch, ein anderer zu...

Date post: 18-Sep-2018
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1. Der Wunsch, ein anderer zu sein Sehn Sie, meine Herrn, ei Mensch, ei tierische Mensch und doch ei Vieh, ei bête. So bschäm die société! Sehn Sie das Vieh ist noch Natur unverdorbe Natur! Lern Sie bei ihm.
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1. Der Wunsch, ein anderer zu sein

Sehn Sie, meine Herrn, ei Mensch, ei tierische Mensch und doch ei Vieh, ei bête. So bschäm die société! Sehn Sie das Vieh ist noch Natur unverdorbe Natur! Lern Sie bei ihm.

Georg Büchner

Woyzeck

Theater und Philharmonisches Orchesterder Stadt Heidelberg

4 5

Doktor

Hagen von der Lieth

Andres

Nikolaos Eleftheriadis

Karl, ein Idiot

Stephan Schäfer

Margreth, Nachbarin Maries

Christina Lisperoglou

Käthe, Mädchen beim Tanz

Joanna Kitzl

Unteroffi zier / Jude / Wirt

Jens Koch

Ausrufer einer Schaubude

Christian Schulz

Christian, Kind Maries & Woyzecks

Leo Burmedi / Thorben Lang

Besetzung

Woyzeck

Björn Bonn

Marie

Ute Baggeröhr

Tambourmajor

Till Bauer

Hauptmann

Ronald Funke

Woyzeckvon Georg Büchner

* 08.04.2006

6 7

Inszenierungsteam

Regie

Martin Nimz

Ausstattung

Bernd Schneider

Dramaturgie

Katrin Spira

Regieassistenz

Ila Schnier

Mitarbeit Kostüme &

Ausstattungsassistenz

Helke Hasse

Kostümassistenz

Anne Dehof

Regiehospitanz

Viktoria Adam

Kinder

Lisa Bless

Cara Burmedi

Friederike Fischer

Alina Friede

Nora Kiss

Nina Kreutzer

Lea Langenfelder

Noemi von der Linde

Minne Nakamura

Daria Schlotmann

Agnes Schubert

Charlotte Senges-Andersson

Zoe Ueberhofen

Kristin Weiser

(in wechselnder Besetzung)

8 9

Dramaturgiehospitanz

Helena Weiß

Ausstattungshospitanz

Rosa Hirn

Inspizienz

Silvia Edvesi

Souffl age

Miguel Wegerich

Technik und Werkstätten

Technische Leitung

Ivica Fulir

Technische Einrichtung

Benjamin Neuen

Licht

Steff Flächsenhaar

Ton

Wolfgang Freymüller, Andreas Legnar

Leiter Kostümabteilung

Frank Bloching

Gewandmeisterinnen

Dagmar Gröver, Alexandra Partzsch

Leiterin Maske

Kerstin Geiger, Anja Dehn (Stv.)

Leiterin Requisite

Esther Hilkert

Leiter Malsaal

Dietmar Lechner

Dekorationswerkstatt

Markus Rothmund

Leiter Schlosserei

Karl-Heinz Weis

Leiter Schreinerei

Klaus Volpp

10 11

Zum Stück

Vom guten Menschen zum Mörder

F

Woyzeck hat mit seiner Geliebten Marie

ein uneheliches Kind und er arbeitet

zuviel. Er ist Soldat mit Zusatzdiensten,

Frisör eines depressiven, hundsgemeinen

Hauptmanns, Versuchsobjekt eines

wissenschaftsbesessenen und höchst

ehrgeizigen Doktors. Seine Familie,

die ihm alles auf der Welt ist, sieht

er kaum. Woyzeck ist immer auf

dem Sprung, ständig gehetzt, ein

Job jagt den nächsten. Trotzdem ist

nie genug Geld im Haus. Obwohl es

eine gute Geldquelle ist, schwächt

ihn das ernährungswissenschaftliche

Experiment. Woyzeck isst Erbsen – den

ganzen Tag lang. Und er wird krank: die

Haare fallen ihm aus, er ist psychisch

instabil, er halluziniert.

Woyzeck ist ein guter Mensch und gilt

als Sonderling. Die Natur ist ihm näher

als alles andere. Niemand versteht ihn.

Der Hauptmann bezeichnet Woyzeck

als dumm und unmoralisch. Woyzecks

Freund Andres versucht seine Worte

wegzusingen und zu verdrängen. Und

auch Marie fürchtet sich, wenn Woyzeck

ihr sagt: „Marie, es war wieder was. Es ist

hinter mir gegangen bis vor die Stadt.“

Marie lenkt sich ab und sieht den

schönen Männern in Uniform nach.

Zum Beispiel dem machohaften

Tambourmajor, der ihr Geschenke

macht und ihr schmeichelt. Marie

betrügt Woyzeck. Dieser verdrängt

zunächst seine eifersüchtige Ahnung.

Doch als der Hauptmann ihn in seiner

Angst bestätigt und Woyzeck Marie

und den Tambourmajor sogar beim

Tanz beobachtet, dreht er durch. Seine

Gedanken überschlagen sich, die

Eifersucht brennt in ihm, er redet im

Fieber – mehr noch: Es spricht zu ihm!

„Stich sie tot, stich die Zickwolfi n tot!“

ruft es in seinem Kopf. Diese Stimmen

12 13

lassen ihn nicht mehr los. Er handelt

wie im Fieber und zieht das Messer. Die

Wunde brennt.

Woyzeck ermordet Marie und versucht

die Spuren zu verwischen. Doch das Blut

verrät ihn. Noch einmal kehrt er an den

Tatort zurück und versenkt die Waffe.

Es ist ein Mord, der die Stadt in Aufruhr

bringen wird. Ein Mord, der alles, was

Woyzeck hatte, zerstört. Wird er jemals

zur Ruhe kommen?

Das Fragment Woyzeck

1836 schrieb Georg Büchner, damals 23-

jährig, das szenische Fragment Woyzeck,

das auf einem wahren Fall beruht und

das er bis zu seinem frühen Tod im Jahr

darauf nicht vollendete. Von Woyzeck

liegen drei verschiedene Handschriften

Büchners vor, die jeweils Grundlage der

heute verfügbaren Lesefassungen sind.

„Zieht man die durch Streichung als

verworfen gekennzeichneten und durch

Neufassungen überholten ab, verbleiben

grundlegend für die Textkonstitution

31 Szenen. Diese gehören vier

unterschiedlichen zum Teil umstrittenen

Entstehungsstufen an, und es ist nicht

ohne weiteres erkennbar, in welcher

Reihenfolge Büchner sie angeordnet

wissen wollte. Keine der als Einheiten

in sich auszumachenden Handschriften

ist paginiert. Ebenso fehlt in allen

Handschriften eine Nummerierung

der Szenen. Die strukturelle Eigenart

des Dramas ohne Akteinteilung, die

ungewöhnliche Kürze der Szenen und

ihre relative Eigenständigkeit erhöhen

die Schwierigkeit.“1 Es gibt von Woyzeck

mehrere Lesefassungen. Grundlage

der Heidelberger Inszenierung ist

die Kombinierte Werkfassung von

Henri Poschmann, die einen aktuellen

Forschungsstand der Editionsgeschichte

darstellt und möglichst viele Szenen

des Fragments in eine gut lesbare Folge

bringt.

Der historische Woyzeck

Grundlage von Büchners Woyzeck ist

ein zeitgenössischer Kriminalfall: Neben

mehreren anderen Quellen stützte sich

14 15

Büchner auf den Mord des arbeitslosen

Perückenmachers Johann Christian

Woyzeck an seiner Geliebten Johanna

Christiane Woost. Johann Christian

Woyzeck wurde am 03.01.1780 in Leipzig

geboren, brach eine Handwerkerlehre ab

und arbeitete dann als Perückenmacher,

Diener und Bote, bis er sich schließlich

als Soldat von holländischen, dann

schwedischen und mecklenburgischen

Truppen anwerben ließ. Nach langen

Jahren als Soldat, kehrte er 1818

nach Leipzig zurück, wo er sich als

Gelegenheitsarbeiter durchschlug, weil er

als Stadtsoldat keine Anstellung bekam.

Johanna Woost wurde seine Geliebte,

war ihm aber nicht treu, sondern trieb

sich gerne mit Stadtsoldaten herum.

Es kam zu Eifersuchtsszenen. 1821

wurde Woyzeck wegen kleinerer

Delikte verhaftet und zu acht Tagen

Arrest verurteilt. Danach fand er keine

Gelegenheitsarbeiten mehr und musste

betteln gehen. Johanna Woost lauerte er

weiterhin auf und beobachtete sie beim

Tanz mit anderen Männern. Dann hörte

Woyzeck in sich eine Stimme: „Stich

die Woostin tot.“ Er erstach sie einige

Tage darauf mit einer abgebrochenen

Degenklinge im Hauseingang ihrer

Wohnung.

Der Gerichtsprozess fand damals

große Beachtung. Es gab damals

– ein Novum – medizinische Gutachten

zur Tat. Hofrat Dr. Clarus attestierte

Woyzeck in einem ersten Gutachten

volle Zurechnungsfähigkeit und

Verantwortung.2 Am 11.10.1821 wurde

Woyzeck zum Tode verurteilt. Es folgten

mehrere Gnadengesuche Woyzecks,

die seine geistige Zerrüttung beweisen

sollten. Diese wurden allerdings

16 17

abgelehnt und stattdessen in einem

weiteren Gutachten von Clarus die

Zurechnungsfähigkeit Woyzecks

bekräftigt. Am 27.08.1824 wurde Woyzeck

öffentlich auf dem Marktplatz von Leipzig

hingerichtet – mit wünschenswerter

„Präcision und Schnelligkeit“ wie das

Leipziger Tageblatt berichtet.

Büchner schrieb trotz allem kein

Dokumentarstück dieses Falles. Er legte

den Schwerpunkt seines Stückes auf

den Menschen, der in gesellschaftlichen

Abhängigkeiten und Zwängen gefangen

ist. Interessant sind gerade die

Abweichungen von der historischen

Vorlage: Das Paar Marie-Woyzeck

ist im Stück viel jünger, Woyzeck ist

nicht arbeitslos, sondern von Arbeit

überfordert, vor allem aber stellt

Büchner mit Woyzeck andere Fragen als

das Gutachten. Die schon in Büchners

Dantons Tod aufgeworfene Frage: „Was

ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und

mordet?“ wird hier in neuer Radikalität

aufgenommen.

1 Henri Poschmann (Hg.): Georg Büchner.

Dichtungen, Frankfurt a. M. 2002, S. 680

2 Ein weiteres Dokument wurde erst

kürzlich entdeckt. Es bekräftigte damals

die Entscheidung für das Todesurteil.

„Entscheidend an diesem wiedergefundenen

Gutachten ist, dass es die vorhandene

Expertenmeinung nicht ergänzt, sondern

bestätigt. Es belegt den Zusammenhalt

innerhalb einer wissenschaftlichen Peergroup,

hier angeführt von K. G. Kühn, dem Dekan der

Medizinischen Fakultät. J. C. Heinroth – die

eigentliche psychiatrische Autorität der Zeit

– war wohl aus formalen Gründen nicht an

der Sache beteiligt. Aber auch er hätte sich

dem Votum von Clarus nicht entgegengestellt.

In einer Rezension zu Clarus erklärt er

unmissverständlich: „Rec. Stimmt gänzlich

den Hauptansichten und dem Urtheile des Vfs.

Bey.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom

27.03.2006

18 19

Zum AutorP

Georg Büchner, geboren am

17.10.1813, gestorben am 19.02.1837,

schrieb innerhalb von drei Jahren

sein gesamtes literarisches Werk.

Er studierte Medizin in Gießen und

in Straßburg. 1834 verfasste er die

sozialrevolutionäre Flugschrift

Der hessische Landbote und ein

Jahr später das Revolutionsdrama

Dantons Tod. Kurz darauf wurde

er steckbriefl ich gesucht, fl oh ins

Exil nach Straßburg und übersetzte

nebenbei zwei Dramen von Victor

Hugo. Dann schrieb er die Novelle

Lenz und promovierte Über das

Nervensystem der Barben. 1836

schrieb er, ursprünglich für einen

literarischen Wettbewerb, das

Lustspiel Leonce und Lena. Im

Oktober desselben Jahres zog er nach

Zürich und begann eine Lehrtätigkeit

an der Universität. Ab Winter 1836

schrieb er an Woyzeck. Das Stück

blieb unvollendet. Büchner starb

mit 23 Jahren an Typhus. Er konnte

keines seiner Dramen auf der Bühne

erleben. Seine Stücke wurden erst

um 1900 wiederentdeckt. Woyzeck

wurde am 08.11.1913 im Münchner

Residenztheater uraufgeführt.

21

Zur Inszenierung

Psychothriller Woyzeck

B

Kurz vor dem Tod

Die Stimmen lassen ihn nicht los, das Blut an den Händen hat ihn verraten.

Seine Geschichte ist ein Flashback: Alles ist vorbei und kommt doch wieder

– in Woyzecks Kopf. Wie ein Mensch, der kurz davor ist, zu sterben, erlebt er

sein Leben noch einmal, teilweise verzerrt, teilweise deutlicher, manchmal

schneller, manchmal langsamer als zuvor. Seine Nahtoderfahrung: Er sieht alles

wieder vor sich, „er jagt mit rasender Schnelligkeit sein Leben durch“ (Georg

Büchner: Lenz). Textpassagen aus Lenz öffnen die Krankenakte „Woyzeck“. Es

ist der Erinnerungsschrei einer verliebten, verrückten, kranken und verhassten

Er wurde ruhig, es war ihm als träten alte Gestalten, verges-sene Gesichter wieder aus dem Dunkeln, alte Lieder wachten auf, er war weg, weit weg.

Georg Büchner: Lenz

22 23

Zeit. Das Leben eines stummen Underdogs, der schließlich doch grausam

aufbegehrt. Woyzeck schreit laut, ausdauernd, stumm, hilfl os, unerträglich.

Er sieht sich wie einen Anderen und kommt nicht hinterher. Wird der Schrei

heilen, andauern oder immer wieder kehren?

Körper holt Seele ein

Woyzeck ist ein guter Mensch, ein braver Mann. Er versucht alles, doch er

kommt seiner Arbeit nicht hinterher. Der Druck, seine Pfl ichten zu erfüllen,

hetzt Woyzeck durch den Tag. Dahinter steht seine Liebe und Fürsorge für

Marie und das Kind. Sie brauchen Geld zum Leben – und zwar so viel Geld,

dass es eben nicht reicht, nur einen Job zu haben. Obwohl Woyzeck es besser

weiß, ist er immer ein wenig zu spät dran. Und jedes Mal wird es noch später,

denn Woyzeck wird immer schwächer. Der medizinische Versuch zerfrisst

seinen Körper schleichend und unaufhaltsam. Woyzeck hat Halluzinationen

und Angstzustände. Er steigt nicht aus. Er hetzt sich weiter. Er hofft auf

Ruhe, auf eine Zeit, in der die Familie abgesichert und die Zukunft nicht mehr

schwarz ist.

Woyzecks Hoffnung erfüllt sich nicht: Was kommt, ist noch schwärzer, als er

jemals vermuten wollte und konnte. Marie ist Fluchtpunkt seiner Welt. Sie be-

trügt ihn. Woyzeck redet sich mit Ruhe und Verstand ein, dass das nicht wahr

sein kann. Doch irgendwann platzt das Andere aus ihm heraus: Sein Körper

überholt seine Vernunft. Woyzeck läuft Amok.

Sieben Mädchen treten aus den Ecken der Bühne und als Woyzeck-Abspal-

tungen mitten in sein Leben, in dem Moment, wo Woyzecks Vernunft leer

läuft. Die Kinder laufen schneller als Woyzeck es jemals konnte. Der eigent-

liche Woyzeck sieht sich dabei zu als sei er weit weg. Er sieht sich in seiner

Erinnerung laufen: ein Teil von ihm, der jetzt von ihm getrennt ist.

24 25

Er beobachtet, wie er rennt und rennt, wie der eigene Körper die Seele hinter

sich liegen lässt und losprescht ohne sich umzusehen.

Die Kinder stehen bildlich für ein Handeln ohne Logik. Durch sie wird

Woyzeck zum Subjekt, zum Handelnden. Die moralischen Werte sind außer

Kraft gesetzt. Die Gesellschaft zählt nicht mehr. Kinder handeln instinktiv,

sie machen einfach, während der Geist nur nachmachen kann. Marie stirbt

nicht, weil Woyzeck sich vernunftgeleitet rächen will, sondern weil er nicht

anders kann. Ab da, wo Trieb und Natur sein Handeln bestimmen, ist er

nicht aufzuhalten. Sein Körper ist hilfl os, unschuldig, die reine Natur und

gleichzeitig brutal wie ein wildes Tier, brutal wie es der vernünftige, gute

Mensch Woyzeck niemals sein konnte. Es ist die größte Kraft seines Lebens,

die seine größte Lebensüberzeugung bei Weitem übertrifft: Er tötet, was ihn

am Leben hielt. Er befreit sich. Er ist grausam ein Anderer geworden und doch

nah bei sich geblieben.

Seine Nahtoderfahrung erlebt Woyzeck in einem Zwischenraum: Im

abgesenkten und mit Sperrholz ausgekleideten Orchestergraben steht er

wie in seinem Sarg. Die Bühne ist ein assoziativer Raum: Einzelne Teile aus

Sperrholz könnten Tribünenteile, Hochsitze oder eine Hörsaalformation

sein. Sie bilden ein Halbrund. Der Raum wirkt durchlässig und hermetisch

zugleich. Während in der Inszenierung ein intimer und zurückgenommener

Ton intendiert ist, unterstützt die elegische Musik das Pathos des Leidens

im Stück: Die 3. Sinfonie (UA 1977) des polnischen Komponisten Górecki

(*1933) handelt von den Leiden des polnischen Volkes.

26 27

Regie

Martin Nimz

Martin Nimz, 1956 in Brandenburg geboren, studierte Schauspiel an der Staatlichen

Schauspielschule Rostock und war anschließend als Schauspieler und Regisseur u. a. in

Gera, Eisenach, Rostock und Berlin engagiert. Von 2002 bis 2004 war Nimz Schauspiel-

direktor und Regisseur am Staatstheater Kassel. Außerdem inszenierte er u. a. sehr er-

folgreich am Landestheater Württemberg-Hohenzollern Ein Volksfeind und Die Nacht

des Leguan, sowie in dieser Spielzeit am schauspielfrankfurt Die Gerechten und Wer

hat Angst vor Virginia Woolf. Am Theater und Philharmonischen Orchester ist Woyzeck

in dieser Spielzeit nach Die Räuber und Effi Briest bereits seine dritte Inszenierung.

Ausstattung

Bernd Schneider

Der gebürtige Berliner Bernd Schneider arbeitete u. a. als Hallenwart, Farbenreiber,

Theatermaler, Taxifahrer und Regieassistent. Er studierte von 1992 bis 1997 bei Prof.

Volker Pfüller an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

Als freier Bühnen- und Kostümbildner arbeitet er neben Martin Nimz mit Regisseuren

wie Florian Fiedler und Armin Petras zusammen, für den er demnächst am Thalia

Theater Bühne und Kostüme für Abalon – one nite in Bangkok von Fritz Kater entwirft.

28 29

Woyzeck

Björn Bonn (*1978) 00-04 Schauspielstudium an der Folkwang

Hochschule Essen, Studiengang Schauspiel Bochum. Gast an den

Wuppertaler Bühnen und am Schauspielhaus Bochum. 04/05 Engage-

ment am Landestheater Württemberg-Hohenzollern. Seit 05_06 fest

am Theater und Philharmonischen Orchester der Stadt Heidelberg.

Hauptmann

Ronald Funke (*1954) studierte an der Staatlichen Schauspiel-

schule Rostock. Engagements in Eisleben, Schwerin, am Theater Mag-

deburg, am Nationaltheater Mannheim, am Theater Biel Solothurn,

am luzernertheater, am Volkstheater Rostock, am Hans-Otto-Theater

Potsdam und am Theater Osnabrück. Seit 05_06 fest in Heidelberg.

Marie

Ute Baggeröhr (*1973) Studium an der Hochschule für Musik

und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy; Gastengagements u. a.

am Thalia Theater Hamburg, Theater Freiburg, Theaterhaus Jena,

schauspielfrankfurt, an den sophiensaelen, Berlin, am TIF Dresden

und am LTT. Seit 05_06 Festengagement in Heidelberg.

Tambourmajor

Till Bauer (*1974) studierte Schauspiel am “theater der Kel-

ler” in Köln. Gastengagements in Bochum, Köln, Hamburg. Festes

Ensemblmitglied am Theater der Altmark Stendal und 04/05 am

Landestheater Württemberg-Hohenzollern, seit 05_06 festes Ensem-

blemitglied in Heidelberg.

30 31

Hagen von der Lieth (*1975) 97-98 Musikstudium in Dresden;

98-02 Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater

Felix Mendelssohn-Bartholdy, Leipzig. 00-02 Schauspielhaus Leip-

zig; 02-05 Landestheater Württemberg-Hohenzollern. Seit 05_06

am Theater und Philharmonischen Orchester der Stadt Heidelberg.

Doktor

Nikolaos Eleftheriadis (*1976) studierte von 00-04 Schauspiel

an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart.

04/05 Landestheater Württemberg-Hohenzollern. Seit dieser Spiel-

zeit fest im Heidelberger Ensemble.

Andres

Stephan Schäfer (*1977) 98-02 Schauspielstudium an der

Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, Berlin; 2000 Gast

am Berliner Ensemble und Maxim Gorki Theater, Berlin; 02-05

Ensemblemitglied am Landestheater Württemberg-Hohenzollern.

Ab 05_06 im Festengagement in Heidelberg.

Karl, ein Idiot

Christina Lisperoglou (*1975) 96-99 Ausbildung am Hambur-

ger Schauspiel-Studio Frese. Seitdem freiberufl iche Schauspielerin

für Theater, Film und Fernsehen; 02/03 Gast, 03-05 fest am Lan-

destheater Württemberg-Hohenzollern. Ab 05_06 fest am Theater

und Philharmonischen Orchester der Stadt Heidelberg.

Margreth, Nachbarin Maries

32 33

Joanna Kitzl (*1980) studierte 98-02 an der Hochschule für Mu-

sik und Theater Hamburg. 02 Solopreis des Schauspielschultreffens.

99-01 Gastengagements u. a. am Ernst-Deutsch-Theater und am

Deutschen Schauspielhaus Hamburg. 02-04 am LTT, 04/05 Zürcher

Theater am Neumarkt. Ab 05_06 fest in Heidelberg.

Käthe, Mädchen beim Tanz

Jens Koch (*1978) 99-03 Schauspielstudium am „theater der

keller" in Köln; 03-05 Gastengagements in Neuss, Köln, Singen, Tri-

er und Aachen. Seit dieser Spielzeit fest am Theater und Philhar-

monischen Orchster der Stadt Heidelberg engagiert.

Unteroffi zier / Jude / Wirt

Christian Schulz (*1963) 1985-1989 Schauspielausbildung an

der Otto-Falckenberg-Schule, München; 89-93 Engagement an den

Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld/Mönchengladbach; 93-00

Theater Lübeck; 00-05 Theater Aachen. In Der Sturm und Effi Briest

zunächst als Gast, seit 2006 fest in Heidelberg.

Ausrufer einer Schaubude

35

Wenn der Atem aussetzt und der Arzt es bestä-tigt: sind Sie sicher, dass man in diesem Augenblick keine Träume mehr hat?

Max Frisch

Nahtoderfahrung

R

„Obwohl ich noch im Koma war, sah ich

plötzlich von ganz weit oben auf mich

selbst hinab. Und dann schwebte ich

in einen Tunnel. Einem Licht entgegen.

Und es war das schönste Licht, das ich

je gesehen habe ...“ - ein Nahtodbericht

aus dem Film Flatliners. Immer wieder

berichten Koma-Patienten von ähnlichen

Erfahrungen: Tunnelblick, helles Licht,

Glücksgefühl, Trennung des Ichs vom

eigenen Körper, fi lmartiger Rückblick auf

das eigene Leben.

Sind die Erlebnisse auch ähnlich, sind die

Auslöser verschieden. Michael Schröter-

Kunhardt, Arzt, Neurologe, Psychiater und

Experte für Nahtoderfahrungen erklärt:

36 37

„Es gibt einmal typische Auslöser: das

wären todesnahe Situationen, z. B. ein

Autounfall oder ein Herzinfarkt. Und dann

die so genannte psychologische Todes-

nähe: Man erwartet zu sterben, etwa bei

einem Bergsturz kann man das schon im

freien Fall erleben, obwohl man gar nicht

verletzt ist.“

Mediziner können die Nahtod-Erlebnisse

teilweise sogar durch elektrische Reize

erzeugen. Prof. Gerhard Roth erklärt:

„Das ist ja ein Konstrukt, das über lange

Jahre langsam im Kleinkind ausreift und

das uns sagt, was zum eigenen Körper

gehört und was nicht. Das wird über einen

Teil der Hirnrinde vermittelt. Wenn dieser

Scheitellappen mit zu wenig Sauerstoff

oder zu wenig Zucker versorgt wird, geht

die Wahrnehmung auseinander. Dann sieht

man sich oberhalb seines Körpers. Das

kann man übrigens auch träumen.“

Auch für das allumfassende Glücksge-

fühl – ein weiteres Standardelement der

Nahtoderlebnisse – liefert er eine unspek-

takuläre Erklärung: „Dieses Wohlgefühl

ist zurückzuführen auf eine Ausschüttung

der hirneigenen Opiate. Wenn sehr starke

Schmerzen auftreten, kommt es zu einer

übermäßigen Ausschüttung, und man fühlt

sich richtig ‚high‘.“

Unerklärbar scheint dagegen die Tatsa-

che, dass ein Patient Tage nach seiner

Wiederbelebung präzise weiß, in welche

Schublade die Krankenschwester sein

Gebiss gesteckt hat und wie der Raum in

der Notaufnahme aussah – obwohl er im

Koma lag.

Peter Fenwick vom Institute of Psychiatry

in London plant eine einmalige Studie:

Kameras sollen Koma-Patienten dauerhaft

fi lmen. Außerdem werden LCD-Anzeigen

über dem Bett angebracht, sodass sie nur

von der Zimmerdecke aus zu sehen sind.

Wenn jemand dann wirklich eine außer-

körperliche Erfahrung hat, und sich selbst

von oben sieht, müsste er auch diese

Anzeige sehen können. Peter Fenwick

ist auf alles gefasst: „Wenn jemand einen

Code erfassen kann, obwohl er bewusst-

los ist, würde das bedeuten: Körper und

Geist sind voneinander unabhängig. Wir

müssten uns dann ernsthaft fragen, was

unseren Verstand eigentlich ausmacht.

http://www.br-online.de/wissen-bildung/arti-

kel/0404

39

It's not dark yet - but it's getting there

Bob Dylan

40 41

42

44 45

Nur für Verrückte

g

Es war einmal einer namens Harry,

genannt der Steppenwolf. Er ging auf

zwei Beinen, trug Kleider und war ein

Mensch, aber eigentlich war er doch

eben ein Steppenwolf. Er hatte vieles von

dem gelernt, was Menschen mit gutem

Verstande lernen können und war ein

ziemlich kluger Mann. Was er aber nicht

gelernt hatte, war dies: mit sich und

seinem Leben zufrieden zu sein. Das kam

wahrscheinlich daher, dass er im Grunde

seines Herzens wusste, dass er eigentlich

gar kein Mensch, sondern ein Wolf aus

der Steppe sei.

Der Steppenwolf hatte also zwei Naturen,

eine menschliche und eine wölfi sche,

dies war sein Schicksal und es mag wohl

sein, dass dies Schicksal kein so beson-

deres und seltenes war. Es sollen schon

viele Menschen gesehen worden sein,

welche viel vom Hund oder vom Fuchs,

vom Fisch oder von der Schlange in sich

hatten, ohne dass sie darum besonde-

re Schwierigkeiten gehabt hätten. Bei

diesen Menschen lebte eben der Mensch

und der Fuchs, der Mensch und der

Fisch nebeneinander her, und keiner tat

dem andern weh, einer half sogar dem

andern und in manchem Manne, der es

weit gebracht hat und beneidet wird,

war es mehr der Fuchs oder Affe als der

Mensch, der sein Glück gemacht hat.

Dies ist ja jedermann bekannt. Bei Harry

hingegen war es anders, in ihm liefen

Mensch und Wolf nicht nebeneinander

her und noch viel weniger halfen sie

einander, sondern sie lagen in ständiger

Todfeindschaft gegeneinander und einer

lebte dem andern lediglich zu Leide und

wenn zwei in einem Blut und einer Seele

miteinander todfeind sind, dann ist das

ein übles Leben.

von Hermann Hesse

46 47

Diese Vision dauerte nur einen Moment. Dann überschritt Bowman eine

Schwelle des Bewusstseins, die noch kein Mensch vor ihm erreicht hatte.

Die Quellen seiner Erinnerung wurden freigelegt: er durchlebte seine Vergan-

genheit, wenn auch in umgekehrter Folge. Aber nicht nur die Szenen, auch

alle Wahrnehmungen seiner Sinne und alle je empfundenen Gefühle durch-

lebte er erneut in rasendem Tempo.

Er durchschritt den Korridor der Vergangenheit, und während er in seine

Kindheit zurückkehrte, wurde alles, was er gewusst und erfahren hatte, aus

ihm herausgeholt. Nichts ging verloren. Schneller, immer schneller bewegte

er sich in längst vergessene Jahre zurück. Menschen, die er einst geliebt hatte

und die seiner Erinnerung entwichen waren, lächelten ihn freundlich an.

Er lächelte zurück, zärtlich aber ohne Wehmut. Dann verlangsamte sich der

rasende Rücklauf und die Quellen seiner Erinnerung trockneten aus.

Rücklauf

F

David Bowman warf sich unruhig hin und her. Er schlief nicht länger, er war

auch nicht wach; er träumte nicht, aber er war auch nicht völlig besinnungs-

los. Einmal hatte er durch ein Mikroskop auf den Querschnitt eines mensch-

lichen Gehirns geschaut, und dessen Netzwerk von Fasern besaßen die

gleiche labyrinthartige Zeichnung. Aber es war tot und unbeweglich gewesen,

während das hier das Leben selbst war oder noch mehr. Er wusste – oder

glaubte zu wissen -, dass er die Arbeit eines gigantischen Geistes beobachtete,

ein Universum, von dem er selbst einen winzigen Teil vorstellte.

von Arthur C. Clarke

48 49

Im Vergleich zu den anderen empfand ich mich als eher unan-genehmen Kranken. Ich hatte gewisse Schwierigkeiten, wieder Besitz von mir selbst zu ergreifen. Seltsame Erfahrung. Die eige-nen Beine als fremde Gegenstände zu sehen, als etwas, das mit dem eigenen Geist nichts zu tun hat, dem sie mehr oder min-der zufällig zugeordnet sind, und das eher schlecht. Sich selbst – fast ungläubig – als einen Haufen von Gliedmaßen in Bewe-gung vorzustellen. Und man braucht sie, diese Gliedmaßen, man ist unbedingt auf sie angewiesen. Trotzdem sehen sie manchmal ziemlich merkwürdig aus, ziemlich bizarr. Vor allem die Beine.

Michel Houellebecq

Horror-Experiment

v

London, 16. März – Dass man bei der US-

Firma Parexel, die für Pharmaunterneh-

men klinische Tests durchführt, vorsorg-

lich die Schotten dicht gemacht hat, liegt

daran, dass sich diese Woche hinter der

Glastür im siebten Stock des Northwick

Park Hospital eine der folgenschwersten

und gruseligsten Pannen in der Geschichte

jüngerer pharmakologischer Forschung

ereignet hat. Sechs gesunde junge Männer,

an denen ein neues Medikament gegen

Leukämie und Rheuma getestet werden

sollte, brachen nur Minuten nach der

Injektion zusammen.

Das Medikament mit der Bezeichnung

TGN1412 hat die Aufgabe, die Killerzel-

50 51

len des menschlichen Immunsystems zu

aktivieren, damit sie Krankheitserreger

bekämpfen können. Bei dem Test freilich

scheint es auf grauenvoll gründliche

Weise gewirkt zu haben. Denn was sich

vor den Augen der fassungslosen Ärzte

abspielte, erinnerte eher an einen Horror-

fi lm als an einen klinischen Versuch: „Sie

rissen sich die Hemden vom Leib und

klagten über Fieber. Einige schrieen, weil

sie glaubten, ihre Köpfe könnten jeden

Moment explodieren. Andere brachen be-

wusstlos zusammen, übergaben sich oder

krümmten sich vor Schmerzen in ihren

Betten.“ Ein anderer Mann habe den Rü-

cken nach vorne durchgedrückt, „als ob

ihm jemand ins Kreuz treten würde“ und

die Ärzte um Schmerzmittel angefl eht.

Das Einzige, was die Ärzte bislang zu wis-

sen scheinen, ist, dass bei den Versuchs-

personen lebenswichtige Organe einfach

versagten. „Seine Lungen, sein Herz, und

seine Nieren müssen künstlich unterstützt

werden“ erklärte die Freundin eines Be-

troffenen. Eine andere erzählt, „Sein Kopf

ist aufs Dreifache angeschwollen, und

sein Hals ist sogar noch breiter als sein

Kopf. Seine Haut ist dunkelviolett und

seine Augen sind mit Tesafi lm zugeklebt.“

Und er leide unmenschliche Schmerzen:

„Es war die reine Agonie“.

Die menschlichen Versuchskaninchen

hätten ein Honorar von 2000 Pfund (etwa

3000 Euro) für die Teilnahme an dem Test

erwarten können. Die furchtbare Panne

von London freilich wird nicht dazu füh-

ren, dass klinische Tests von Medikamen-

ten an Menschen aufhören. Derweil noch

immer zwei Menschen auf der Intensiv-

station des Northwick Park Hospital mit

dem Tode ringen, sitzt hinter der Glastür

im siebten Stock ein junger Mann auf der

Couch. Kräftig, gesund – und nicht so

wohlhabend, dass er auf ein paar tausend

Pfund verzichten würde. In der Hand

hält er einen Stift und ein Stück Papier.

Sorgfältig und voller Konzentration füllt

er sein Formular aus.

Süddeutsche Zeitung vom 17.03.2006

52 53

Multijobber in Deutschland

j

Freizeit ist für sie ein Fremdwort. Nach

einem Job wartet bereits der nächste. Ihr

Terminkalender ist voll, und es gibt Tage,

da klingelt das Handy im Minutentakt.

Ihre Arbeitszeiten ändern sich kurzfristig.

Und ein geregeltes Einkommen haben sie

nicht. Für traditionelle Arbeitnehmer ist

das eine Horrorvorstellung. Für Multijob-

Voß von der Universität Chemnitz. Viele

Menschen leiden unter hohen Bela-

stungen. Sie sind gezwungen, sich eine

weitere Arbeit zu suchen, weil ihnen das

Geld aus dem Hauptberuf zum Leben

nicht reicht. In Amerika nennt man das

„working poor“. Jeder fünfte US-Bürger

verdient in seinem Erstjob weniger als

den Sozialhilfesatz. Immer mehr Deut-

sche sind gezwungen, „relativ vogelwilde

Beschäftigungsverhältnisse einzugehen“,

beobachtet Voß.

Gerade junge, gutausgebildete und un-

gebundene Menschen sehen die neuen

ber ein Lebensstil. In Deutschland domi-

niert zwar die klassische Vollzeitarbeit,

doch der Trend zum Zweit- und Drittjob

ist unaufhaltbar. Über zwei Millionen

Multijobber gibt es heute.

Multijobbing ist kein pures Lifestyle-Phä-

nomen. „Das Leben ist anspruchsreicher

geworden“, sagt der Soziologe Günter

Arbeitsbedingungen dagegen oft positiv.

Denn wer mehr als eine Arbeit hat, hat

nicht nur mehr zu tun, sondern auch

mehr Chancen. Viele Akademiker pro-

bieren nach dem Uni-Abschluss mehrere

Arbeitsstellen aus – teils parallel – bevor

sie sich für eine entscheiden.

Ulrike Seidl, 44, drei Jobs: Buchhal-Ulrike Seidl, 44, drei Jobs: Buchhal-

terin für eine Heizkostenablesefi rma, terin für eine Heizkostenablesefi rma,

Anwaltsassistentin & alleinerziehende Anwaltsassistentin & alleinerziehende

Mutter von zwei Kindern (7 & 12 Jahre).Mutter von zwei Kindern (7 & 12 Jahre).

„Vormittags arbeite ich von Montag bis

Freitag viereinhalb Stunden in einer

54 55

Anwaltskanzlei. Von dem Geld, das ich

dort verdiene, kann ich gerade meine

Miete zahlen. Danach fahre ich jeden Tag

eins meiner Kinder zum Bogenschießen,

Tanzen oder was sonst noch anfällt.

Die Kinder und Haushalt sind ein echter

Fulltime-Job. Seit ich von meinem Mann

geschieden bin, arbeite ich abends von

zu Hause aus. Ich mache Abrechnungen

für eine Heizkostenablesefi rma. Ich bin

gottfroh, dass ich diese Arbeit habe

– sonst könnte ich nicht überleben. Das

wichtigste ist, dass man sich den Tag

gut organisiert. Aber das ist Routine

Nina Kränsel, 31, fünf Jobs: Musikerin, Nina Kränsel, 31, fünf Jobs: Musikerin,

Promoterin für Clubs, Schallplattenver-Promoterin für Clubs, Schallplattenver-

käuferin, DJ, Autorin von Kunstbüchernkäuferin, DJ, Autorin von Kunstbüchern

„Ich lehne einen geregelten Job grund-

sätzlich ab. In diese Mühle möchte ich

nicht hineingeraten. Nach dem Abitur

hatte ich kurz ein regelmäßiges Einkom-

men und konnte mir leisten, mit meinem

Freund eine Woche nach London zu

fl iegen. Aber ich war entsetzlich unglück-

lich über diesen starren Montag-bis-

Freitag-Rhythmus. Meine Entscheidung

war dann, hauptsächlich Musik machen

und andere Jobs drum herum basteln. Ich

für mich. Freie Zeit gibt es so gut wie

keine. Besonders schwer ist es, wenn die

Kinder Ferien haben. Ab und zu muss

ich Freunde bitten, dass sie auf meine

Kinder aufpassen – ich hab’ ja keine Zeit.

Und sonst hilft mir keiner. Mein Exmann

bezahlt keinen Unterhalt für die Kinder.

Trotzdem: Eigentlich bin ich ganz glück-

lich so. Ich mache das für meine Kinder.

Das lohnt sich. Vielleicht treffe ich einen

neuen Partner, und es wird entspannter.

Dass mir einmal das Geld nicht gereicht

hätte, kam noch nie vor. Dafür bin ich zu

fl eißig.“

lebe von ca. 1000 Euro im Monat. Das ist

ein rechtes Jonglieren, aber ich brauche

kein Polster auf meinem Konto. Für mich

ist es ein Lebensentwurf. Man kann nie

abschalten. Manchmal renne ich von

einem Termin zum nächsten. Da denke

ich mir schon: Wo bleibt jetzt die Zeit für

mich? Das denke ich mir allerdings nur an

schlechten Tagen. An guten Tagen denke

ich: Hey, mach’ ich viel, das ist cool. Und

deshalb will ich so weitermachen.“

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

vom 02.04.2006

Ich hatte alle äußeren Kennzeichen eines menschlichen We-sens – Fleisch, Haut, Haare –, aber meine Entmenschlichung war so gravierend, reichte so tief, dass die Fähigkeit zur An-teilnahme abgetötet, einem schleichenden, zielstrebigen Ver-fall zum Opfer gefallen war. Ich imitierte einfach die Wirk-lichkeit, die grobe Karikatur eines menschlichen Wesens, und nur ein düsterer Winkel meines Hirns blieb in Betrieb. Das einzige, was mir Linderung brachte, war der angenehme Klang von Eiswürfeln, die in ein Glas J&B fallen. In den Stunden vor der Dämmerung fand ich mich über unser Bett gebeugt, einen Eis-pickel in der Hand und wartete, dass Evelyn die Augen aufschlug.

Bret Easton Ellis

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Bret Easton Ellis: American Psycho, Köln 1991

Nicht gekennzeichnete Texte sind Originalbei-

träge von Katrin Spira.

Wenn wir trotz unserer Bemühungen Rechtein-

haber übersehen haben sollten, bitten wir um

Nachricht.

Internet: www.theaterheidelberg.de

Theater und Philharmonisches Orchester der

Stadt Heidelberg

2005_06, Programmheft Nr. 23

Impressum

Herausgeber: Theater und Philharmonisches

Orchester der Stadt Heidelberg

Intendant: Peter Spuhler

Verwaltungsleiterin: Andrea Bopp

Redaktion: Katrin Spira

Redaktionelle Mitarbeit: Helena Weiß

Gestaltung: atelier september

Herstellung: abcdruck GmbH, Heidelberg

Anzeigen: Greilich / Neutard

Nachweise

Probenfotos: Helke Hasse & Bernd Scheider

Bilder: http://www.amrep.org/images/woyzeck/

woyzeck3.gif (S. 15)

http://coverpearl.piranho.de/Bildung/pix/

buechner.jpg.de (S. 19)

Texte: Hermann Hesse: Der Steppenwolf,

Frankfurt a. M. 1974

Michel Houellebecq: Ausweitung der

Kampfzone, Reinbek 2000

Arthur C. Clarke: 2001 - Odyssee im Weltraum,

München 1976

Gerhard Zacharias (Hg.): Das Böse, München

1972

„Blum Antiquitäten & Kunst“74937 Spechbach i. Kraichgau

Wolfstraße 2 Tel 06226- 44253 Mitglied im Deutschen Kunsthandelsverband e.V.

Ihr Restaurator und Händler

im Rhein-Neckar-Kreis

für anspruchsvolle antike Möbel und Spiegel des 18. und frühen 19. Jahrhunderts

Restaurierung, Beratung, Polsterarbeiten Seit über 20 Jahren qualitätsvolle Arbeit

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Öffnungszeiten nach telefonischer Vereinbarung

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