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02a 2003

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ZEITSCHRIFT DES LCH 2a/2003 Sonderheft Lehrmittel • Viele Köche würzen «federleicht und vogelfrei» • Staat und Privat als Lehrmittelpartner – wer profitiert? • Frisch ab Presse: Lehrmittel und Pädagogische Literatur Spiel und Sport • Berufssportlerlehre: Eidg. dipl. Eishockeystar? • Swissarena: Mit Filzpantoffeln durch die Schweiz
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Z E I T S C H R I F T D E S L C H 2 a / 2 0 0 3

Sonderheft Lehrmittel• Viele Köche würzen «federleicht und vogelfrei»• Staat und Privat als Lehrmittelpartner – wer profitiert?• Frisch ab Presse: Lehrmittel und Pädagogische Literatur

Spiel und Sport• Berufssportlerlehre: Eidg. dipl. Eishockeystar?• Swissarena: Mit Filzpantoffeln durch die Schweiz

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Inhalt

Neues Lesebuch4 Viele Köche würzen «federleicht

und vogelfrei»

Aktuell11 blmv: Abschied von der Verwaltung11 Gratis-Software für Lehrpersonen

und Schulen

Lehrmittel12 «Süssholz» fragt Kindern Löcher in

den Bauch15 «mathbu.ch» – mit Zahlen segeln16 «envol» – Abheben zum Austausch18 «Lesestufen» – griffiges Instrument20 Ein Thema einkreisen21 «Werkweiser 1» – Ideenfülle mit

leidenschaftlicher Begründung23 «Künstlerseelen»

Bildungspolitik26 Externe Schulevaluation: Der Teufel

steckt für einmal nicht im Detail29 Schulautonomie unter der Lupe

Pädagogik30 Die neue Generation Lehrer-

beurteilung31 Lehrpersonen machen sich selber

zum Fall

Spiel und Sport32 Sportstars eidgenössisch diplomiert34 In Filzpantoffeln durch die Schweiz

Magazin und Rubriken29 Impressum43 Bildungsmarkt

Rufnummer47 «Diskussion im Chorgestühl»

Titelbild: Lesebuchillustratorin am WerkFoto: Tommy Furrer

Nummer 2 a . 2003, 11. Februar 2003

Zeitschrift des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH)148. Jahrgang der Schweizer Lehrerinnen-und Lehrerzeitung (SLZ)

Guten Schultag!

Semesterwechsel, Halbzeit im Schuljahr und somit auch erst dashalbe Mathebuch, das halbe Sprachbuch durchgeackert. Für dieLehrmittelverlage, die rechtzeitig zum kommenden Sommer mitihrem aktuellen Programm auf dem Markt sein wollen, ist es aberbereits fünf vor zwölf. Als Schülerin freute ich mich jeweilen ganz besonders auf die neuenBücher zu Beginn eines Schuljahres. Das hiess, ein Jahr älter, eineStufe höher, ein Neuanfang und ein lockerer Morgen: Die Bücher inEmpfang nehmen, sie kontrollieren auf Tintenkleckse, fehlende oderzerrissene Seiten und bereits ausgefüllte Übungen. Spannend wars,auf der Einklebetikette im rückwärtigen Buchdeckel den vorherigenBenutzer oder die vorherige Benutzerin zu finden: «Wem sis hesch?Au de känn i.» Je nach dem weckten die Namen bereits Vermutun-gen über den inneren Zustand des Bandes.Überstiegen die Ovo-, Konfi- und Fettspuren ein bestimmtes Mass,konnte man mit einem neuen oder jedenfalls kaum gebrauchtenExemplar rechnen; Eselsohren hingegen waren kein Grund für einenAustausch. Die mussten wir mit dem Daumen «glätten» und imgleichen Aufwasch die Notizen des Vorgängers oder der Vorgängerin«ausgummeln». Letzteres taten wir, in weiser Voraussicht, nicht all-zu pedantisch. Für ein weiteres, wenn auch nur oberflächliches Lif-ting sorgte schliesslich der Einband meist mit einem floralen oderfaunalen Muster (umweltbewusste Eltern befahlen Packpapier).Eigentlich erzählen doch die abgegriffenen Bücher, die mit den amtiefsten eingegrabenen Charakterzügen die spannendsten Ge-schichten, noch ehe man sie aufgeschlagen hat. Man stelle sich nurvor, welche abenteuerlichen Geheimnisse die trocken-spröden dauer-gewellten Seiten eines Lesebuches bergen, das grade noch mal dasBad im Dorfbach überlebt hat. Wars ein Unfall, ein Versehen odergar Absicht? Stoff für jede Menge Geschichten im Deutschunterricht.Lassen wir es mit dem Bach erst weiterfliessen, durch Landschaftenbis zum Meer, oder mindestens bis in die nächste Kläranlage, undschon haben wir ganz ungezwungen fächerübergreifend Geografie,Biologie, Chemie samt Umwelterziehung eingebaut (letzteres denktnatürlich erst die spätere Lehrerin).Und dennoch hätte ich als Schülerin halt gern einmal ein nigelna-gelneues Lesebuch in Händen gehalten. Diese Chance steigt für diejetzigen Drittklässler bis zum nächsten Schuljahr gewaltig an; dannnämlich erscheint das neue Lesebuch «federleicht und vogelfrei».Wie es entstand und wer dazu beitrug, berichten wir auf den Seiten4 bis 8. Doris Fischer

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Rund 15 Jahre «hält» ein Lesebuch.Nicht weil es total abgegriffen oder zer-fleddert wäre, «aber weil es inhaltlichnicht mehr aktuell ist», stellt Otto F.Beck, Lehrmittelverantwortlicher imDepartement Bildung, Kultur und Sportdes Kantons Aargau, fest. Anfang Aprilerscheint der erste Band einer dreiteili-gen Lesebuch-Reihe für die Mittelstufe,eine Koproduktion des Aargauer Lehr-mittelverlags (lmvag) mit dem sabe Ver-

lag (Sauerländer Verlage AG). Otto F.Beck zeichnet als Projektleiter zusam-men mit einem Team von rund einemDutzend Personen für die neue Lese-buchgeneration verantwortlich.

Doris Fischer

Wer bestimmt eigentlich, wann einLesebuch veraltet ist? Mit jedem Lehr-plan werden an die Lehrpersonen neue

Forderungen gestellt. «Unter anderemmüssen die Erkenntnisse in der Lese-didaktik umgesetzt werden und dazubraucht es neue Impulse», erklärt OttoF. Beck. Mit einer Umfrage seien dieAnforderungen an ein neues Leselehr-mittel festgestellt worden, ergänzt Man-fred Bauer, Verlagsleiter des Lehrmittel-verlags des Kantons Aargau. 1995wurden 360 Lehrpersonen aus 120 Ge-meinden befragt. «Handlungsdruck gab

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Viele Köche würzen «federleicht und vogelfrei»Federleicht ist es nicht, das neue Lesebuch, aber ziemlich viel Freiheit konnte das Redaktions-team bei der Erarbeitung und Gestaltung der Inhalte der neuen Mittelstufen-Lesebuch-Reihebeanspruchen. Wie die Koproduktion des Lehrmittelverlags Aargau und des sabe Verlags zustande kam und vor sich ging, wollte BILDUNG SCHWEIZ von den Verantwortlichen des Projekts wissen.

Primarschulkinder in einer freien Lesestunde: Eine Vielzahl von Textformen macht ein Lesebuch attraktiv.

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es damals noch nicht», so Bauer, warendoch gegen ein Drittel der Lehrperso-nen mit dem alten Lesebuch nochimmer zufrieden und nur rund zehnProzent wollten eine Neuschaffung.»

Höchste Zeit für NeuesZu dieser Minderheit gehört die Mittel-stufenlehrerin Corinna Mezger: «Eswird Zeit, dass es etwas Neues gibt. Ichbrauche das jetzige Lesebuch nicht allzu

oft, aber damit ich doch so vieleGeschichten wie möglich mit meinenSchülerinnen und Schülern der viertenKlasse lesen kann, wählt sich jedes Kindeine Geschichte aus und stellt sie denanderen vor.» Im heutigen AargauerLesebuch 4 bemängelt die erfahreneLehrerin die zu geringe Vielfalt des Text-materials: «Es hat zwar Erzählungen,Fabeln und Witze, aber die Witze bei-spielsweise sind nicht wirklich witzig,

und was mir fehlt, sind Zeitungsartikel,Sagen, Legenden, und Märchen.»Ausserdem vermisst sie begleitendesÜbungsmaterial zur kreativen Verwen-dung der Texte, Übungen zum Lese-verständnis, zur Betonung, spielerischeFormen, Wortschatz und Aufgaben zum sinnerschliessenden Lernen. «Dasmusste ich mir bis jetzt alles aus denFingern saugen oder anderweitig be-schaffen.»

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Die Hand von Illustratorin Corinne Bromundt am Werk: Am liebsten malt sie Bilder zu Gedichten.

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Diesen Forderungen wurde im neuenLesebuch zum grossen Teil Rechnunggetragen. «federleicht und vogelfrei»,der Band für die vierte Primarklasse, solleinen offenen Leseunterricht und hand-lungsorientiertes Lesen ermöglichen.Grosses Gewicht habe man auf die Viel-falt der Textformen mit unterschiedli-chen Mitteilungsabsichten gelegt, beto-nen Manfred Bauer und Otto F. Beck.

Warum ein eigenes Lesebuch?Warum entwickelt der Aargauer Lehrmit-telverlag überhaupt ein eigenes neuesLesebuch, wo es doch auf dem Markt zu-hauf Leselehrmittel gibt? Manfred Bauer,Verlagsleiter des lmvag, betont, dass derKanton Aargau seit 1912 immer eigeneLesebücher kreiert habe und somit ineiner langen Tradition stehe. Die neueReihe sei die vierte oder fünfte Generation,rechnet er nach. Abklärungen hättenvor einigen Jahren ergeben, dass zweieinschlägige Produkte vorhanden wären.«Wir haben mit den beiden Verlagen Kon-takt aufgenommen und feststellen müs-sen, dass weder diese noch ein andererPartner in der Deutschschweiz die Ver-sorgung über die nächsten 12 bis 16 Jahregewährleisten können. Also musstenwir selber aktiv werden», erklärt Bauer.Im sabe Verlag wurden die zwei erfolg-reichen Lesebücher der Unterstufe«Knuddeldaddelwu» und «Platsch»(ausgezeichnet mit dem WorlddidacAward) entwickelt. «Es lag also nahe,mit dem sabe Verlag die Zusammenar-beit zu suchen und eine erfolgreicheReihe von Lesebüchern fortzusetzen.»

Die Partnerschaft mit sabe garantiertlaut Bauer auch einen grösseren Absatz-markt und ein professionelles Lektorat.Das Know-how der Anwender, Fachbe-ratung und eine pädagogische Begleit-kommission bringt hingegen der staatli-che Verlag ein. «Auf diese Weise nutzenwir Synergien optimal», ist Bauer über-zeugt. Der Start zur Zusammenarbeiterfolgte im Jahr 2001.

Verführen und sensibilisieren«Ein Lesebuch soll die Kinder zum Le-sen verführen und sie für gute Literatursensibilisieren», formuliert Regula Wen-zinger, Mitautorin des neuen Leselehr-mittels, das didaktische Ziel. Deshalbmüssen die ausgewählten Texte mög-lichst verschiedenartig sein und Anre-gung für gute wie für schwächere Lese-rinnen und Leser bieten. «Ziel war es,eine möglichst breite Palette verschie-dener Textsorten mit Gedichten, Prosa-texten, Zeitungsausschnitten, Comics,Briefen und Kurzgeschichten, zu denThemen, welche Viertklässlerinnen undViertklässler interessieren, auszuwäh-len», erklärt die 32-jährige Primarlehre-

rin, die für dieses Projekt im Umfangvon 40 Prozent als Autorin und Redak-torin freigestellt wurde. Nur gerade 10bis 15 Prozent der Texte wurden speziellfür dieses Lehrmittel in Auftrag gege-ben. «Das hiess lesen, lesen und noch-mals lesen.»Orientierungshilfe war dabei das vonMarkus Ramseier ausgearbeitete Fein-konzept, das aber in der Diskussionständig überprüft und angepasst wurde.«Die Freiheiten bei der Entwicklungund Gestaltung eines Lesebuchs sindsehr gross, gleichzeitig spürt man aberauch eine grosse Verantwortung»,betont Autor und Redaktor Walter Loe-liger. Unterstützt wurde das Autoren-team von einer Begleitkommission, inder unter anderem Vertreter derGoldauer Konferenz, verschiedene Lehr-mittelkommissionen und Fachgremie-nen (Gleichstellung, InterkulturellePädagogik) angehören.Erprobungslehrkräfte testeten Teile desLehrmittels in ihrem Unterricht. «DieKinder sind wichtige Partner; sie zeigen,was sie interessiert, aber auch was sieüberfordert», erklärt Regula Wenzinger.

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Die Partnerschaft mit sabe garantierteinen grösseren Absatzmarkt und einprofessionelles Lektorat. Das Know-howder Anwender, Fachberatung und einepädagogische Begleitkommission bringthingegen der staatliche Verlag ein.

«Für die Einheit von Text und Bild.»Lektorin Romana Leuzinger

«Grosse Freiheit, grosse Verantwor-tung.» – Autor Walter Loeliger

«Handlungsorientiertes Lesen.» –Projektleiter Otto F. Beck

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Parallel zur Textauswahl machte sichdas Autorenteam Gedanken zum didak-tischen Kommentar, der Hilfestellungenund Anregung sowie Zusatzmaterialienbieten soll und in Form eines Lehrer-handbuchs zum Gesamtpaket gehört.Zudem stehen mit einer CD-ROM undden geplanten Angeboten im Internetelektronische Ergänzungsmaterialienzur Verfügung. Die Lehrpersonen erhal-ten somit eine Vielfalt von Instrumen-ten, um den individuellen Lese- undLernprozess des einzelnen Kindes zuunterstützen und zu begleiten.Buchstaben allein reichen nicht: Bilder,Zeichnungen und Fotos sind wichtigeBestandteile eines Leselehrmittels. Co-rinne Bromundt aus St. Gallen qualifi-zierte sich vor etwas mehr als einemJahr in einem Illustrationswettbewerbund erhielt den Auftrag, das Werk zubebildern. Sie habe zum grossen Teilihrer Fantasie und ihren Gestaltungs-ideen freien Lauf lassen können, sagt sie.«Bei mir taucht oft beim Lesen einesTextes ein Bild auf, das eine Szene odereine Stimmung symbolisiert, ihn voneiner anderen Seite her erschliesst»,erklärt die Künstlerin und präzisiert:«Ich zeichne nicht genau das, was imText vorkommt, sondern wähle einenUmweg.» Etwas vom Dankbarsten seiendabei Gedichte. «Sie lassen viel Interpre-tationsspielraum offen, und ich kannden Schüttelbecher ganz ausleeren.» Für«federleicht und vogelfrei» wählteCorinne Bromundt vorwiegend Aqua-relltechnik und Tusche.

Dass Text und Gestaltung eine wirklicheEinheit bilden, dafür ist die Lektorin,Romana Leuzinger, zuständig. «In derDiskussion mit allen am Produkt betei-ligten Personen ist zu klären, wie einebestimmte Seite aussehen soll, ob dieBotschaft des Textes durch eine Grafikunterstützt wird, ob das Bild einfach dieStimmung eines Textes wiedergebensoll, oder ob man mit der Bildaussageeinen zusätzlichen Aspekt hervorhebenwill», erklärt sie. Und ganz zum Schlusssorgt sie mit dem Korrektorat auchdafür, dass möglichst alle Fehler ausge-merzt werden und die Verweise aufandere Werkteile stimmen.

Wünschbares und Zahlbares Einen wichtigen Part im Duett der bei-den Verlage spielt Roland Kromer, Her-stellungsleiter des lmvag. Er ist unteranderem dafür verantwortlich, dasszwar möglichst viel Wünschbares ver-wirklicht werden kann, die Kosten aberim grünen Bereich bleiben. Zu seinenAufgaben gehört das Einholen derAbdruckrechte; er klärt die Auflagen-höhe ab, macht Verkaufsprognosen,

kauft das Papier ein und bremst wennnötig allzu hochfahrende Pläne.«Mein Ziel ist es, vom Inhalt her dasMaximum herauszuholen, aber den-noch die Kosten im Griff zu behalten»,fasst er seine nicht ganz leichte Aufgabezusammen.Schliesslich muss er auch aushandeln,zu welchem Preis das Produkt verkauftwird. Das sei in diesem Fall nicht ein-fach gewesen, sagt Kromer. «Der staat-liche Verlag muss im Minimum kosten-deckend produzieren, während der pri-vatwirtschaftlich organisierte sabe Ver-lag natürlich Gewinn erwirtschaftenmöchte.» Ein solches Projekt ist jedochlangfristig angelegt. «Bis spätestens in15 Jahren wird das ein wirtschaftlichesBuch sein», ist Kromer überzeugt. Der Kooperationsvertrag regelt sowohldie Kosten- als auch die Gewinnauftei-lung. Diese werden nach der Auflagen-höhe (10 000 lmvag, 8000 sabe) geteilt.Rund eine halbe Million Franken für dieProduktionskosten hat der Kanton Aar-gau als Vorfinanzierung geleistet. «Beider ersten Auflage legen wir mit Sicher-heit beide drauf», schätzt der Marke-

Der staatliche Verlag muss im Minimum kosten-deckend produzieren, während der privatesabe Verlag natürlich Gewinn erwirtschaftenmöchte. Ein solches Projekt ist jedoch lang-fristig angelegt. «Bis spätestens in 15 Jahrenwird das ein wirtschaftliches Buch sein», istRoland Kromer überzeugt.

«Zuerst legen wir drauf.» –Marketingleiter Andreas Mächler

«Es wird ein wirtschaftliches Buch.»– Herstellungsleiter Roland Kromer

«Kantone sind heikle Kunden.» –sabe-Verlagsleiterin Eva Davanzo

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... «Kameraden», rief da das Jogurt, «wir verlassen dieses

Haus», und sie erhoben sich und gingen alle zusam-

men das Treppenhaus hinunter zur Tür hinaus und

standen nun auf der Strasse. Da es Sommer war,

schlug ihnen eine grosse Hitze entgegen. «Es ist heis-

ser als in einer Kuh», sagte eine Milchpackung zur

andern. «Ich schwitze», sagte der Krachsalat laut.

«Ich schmelze», sagte die Butter leise. «Uns wird

ganz schwabblig», sagten die Eier, die Tomaten liefen

rot an, und das Bier schäumte stumm vor sich hin.

«Gut», sagte das Jogurt nature, «dann halt zurück in

den Kühlschrank.» Aber hinter ihnen war die Haus-

tür ins Schloss gefallen, und da standen sie und

wussten nicht ein noch aus...

(Ausschnitt aus «federleicht und vogelfrei»)

tingleiter von Sauerländer, AndreasMächler, die Situation ein.

Marketingkanal LehrerschaftSeine Aufgabe wird es sein, das Produktden möglichen Kunden schmackhaft zumachen. «Wir suchen dabei den direk-ten Weg, beispielsweise im persönlichenKontakt mit der Lehrerschaft, denInspektoraten und den pädagogischenZentren», so Mächler. Eva Davanzo, Verlagsleiterin von sabe,weiss aus Erfahrung, dass gerade dieKantone heikle und zurückhaltendeKunden sind: «Es ist nicht ganz einfach,ein Buch auf die Lehrmittelliste einesKantons zu bringen.» Akzeptanz undGlaubwürdigkeit eines Lehrmittels seienin der Regel grösser, wenn es in Koope-ration mit einem kantonalen Verlagentwickelt worden sei, betont sie. «Esbekommt so fast einen amtlichenTouch.»Vertraglich geregelt ist die Aufteilungdes Verkaufsgebiets. Der Aargauer Lehr-mittelverlag darf seinen Teil nur inner-halb der Kantonsgrenzen an die Lehre-rin respektive den Lehrer bringen. sabewird in den Kantonen der GoldauerKonferenz (Uri, Schwyz, Obwalden,Nidwalden, Zug, Luzern, Wallis, Appen-zell IR, Freiburg und dem FürstentumLiechtenstein) den Markt bearbeiten.

Walter Loeliger, Regula Wenzinger(Redaktion): «federleicht und vogel-frei», Lesebuch, 4. Schuljahr, 2003,Lehrmittelverlag Aargau/sabe Ver-lag, ca. 208 Seiten, ca. Fr. 33.–; dazuKommentar, ca. 200 Seiten A4, Ord-ner, ca. Fr. 72.– (Angaben proviso-risch, erscheint im Frühjahr 2003)

Weiter im Netz:www.lmvag.chwww.sabe.ch

«Kinder zum Lesen verführen.» –Autorin Regula Wenzinger

«Eigene Lesebücher seit 1912.» – lmvag-Verlagsleiter Manfred Bauer.

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Kanton Zürich

Reform: Ja, aber62 Prozent der Mitglieder desZürcher Lehrerinnen- undLehrerverbands (ZLV) stimm-ten im letzten November ge-gen das neue Volksschulge-setz. Der ZLV hatte dieVorlage befürwortet.In einer Mitgliederumfragezeigte sich nun, dass die Leh-rerschaft des Kantons ZürichReformen nicht grundsätz-lich ablehnt. Als Gründe fürdas Nein stehen die beidenAntworten «Die Vorlage warüberladen» und «Weil ich dieGrundstufe verhindern woll-te» klar im Vordergrund.Acht von zwölf Elementender Reform beurteilten dieMitglieder mehrheitlich po-sitiv, unter anderem auch dieTeilautonome Schule undBlockzeiten. Der ZLV willsich für eine rasche Umset-zung der unbestrittenen Re-formteile einsetzen. B.S.Weiter im Netz: www.zlv.ch

Per Anfang 2003 wurde derblmv aus der kantonalberni-schen Verwaltung herausge-löst und in eine Aktienge-sellschaft mit dem NamenSchulverlag blmv umgewan-delt. Derzeit hält der KantonBern noch 100 Prozent derAktien dieser Gesellschaft,aber bereits in nächster Zeitsollen erste Aktienpakete anneue Mitträger veräussertwerden.

Gegen den Kantönligeist«Der Schulverlag hat sichzum Ziel gesetzt, Grenzengleich in mehrfacher Hin-sicht zu überwinden», heisstes in einer Pressemitteilung.Insbesondere möchte er diekantonsübergreifende Ent-wicklung und Vermarktungweiter vorantreiben und den

«Kantönligeist» im Lehrmit-telwesen überwinden helfen.Hauptkunden sollen zwardie Schulen und Lehrperso-nen im Kanton Bern bleiben,doch will sich der Verlag ver-stärkt für Kooperationen mitden verschiedensten Part-nern öffnen. Dafür in Fragekommen neben kantonalenund privaten Verlagen auchInstitutionen und Ämter,«welche für ihre Schulanlie-gen einen beweglichen Ver-lagspartner suchen», wie esin der Mitteilung heisst.Inhaltlich will der Schulver-lag blmv vor allem sein Pro-gramm im Bereich Natur-Mensch-Mitwelt konsequentweiterführen. Dieses erbrin-ge den Beweis, «dass fä-cherübergreifende Lehrplan-konzepte nicht Theorie blei-

ben müssen». (Vgl. Rezension«Süssholz», Seite 12.)

Kontinuität und AufbruchDie Führung des Verlags liegtseit Jahresbeginn einerseitsbei einem vierköpfigen Ver-waltungsrat, anderseits beider bisherigen Geschäftlei-tung mit Peter Uhr (Ge-schäftsführer) und WalterSchürch (Mitglied der Ge-schäftsleitung). «Die Verant-wortlichen wollen Konti-nuität und Aufbruch zu einerproduktiven Mischung ver-binden und freuen sich aufdie Herausforderungen, de-nen sich der teilprivatisierteVerlag nun zu stellen hat»,schliesst das Communiqué.

Weiter im Textwww.schulverlag.ch

Abschied von der VerwaltungDer bisher staatliche Berner Lehrmittel- und Medienverlag (blmv) erhieltprivatwirtschaftliche Strukturen und heisst neu Schulverlag blmv AG.

Software-Aktionen machen die teure Ausrüstung derSchweizer Schulen mit Informatik etwas günstiger.

Gratis-Software für Lehrpersonen undSchulenApple Schweiz stellt das Betriebssystem OS Xzur Verfügung, Sun Microsystems ein Office-Paket.

Alle öffentlichen Schulen derSchweiz können ab sofortdas Softwarepaket StarOffice6.0 gratis beziehen. Die Akti-on startete am 28. Januar mitder Unterzeichnung einesVertrags zwischen der FirmaSun Microsystems und derSchweizerischen Fachstellefür Informationstechnologi-en im Bildungswesen (sfib).StarOffice 6.0 enthält Text-verarbeitung, Tabellenkalku-lation, Grafik und Daten-bank. Die Module sind in derAnwendung vergleichbarmit dem Office-Paket vonMicrosoft. Es eignet sich für

die Betriebssysteme Solaris,Windows und Unix. In der Schweiz sind schät-zungsweise 55 000 Computermit dem Betriebssystem MSWindows in Betrieb. Somitkönnten die öffentlichenKassen dank diesem Angebotje nach verwendeten Pro-grammen zwischen 4,4 und6,6 Millionen Franken an Li-zenz- und Softwarekosteneinsparen, rechnet die sfib ineiner Pressemitteilung vor.Wer als Lehrperson an eineranerkannten Grund- oderweiterführenden Schule tätigist (staatlich oder privat) und

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mit einem Computer derFirma Apple arbeitet, kannsich bis zum 31. März 2003für die Aktion «X for Tea-chers Kit» anmelden underhält dann gratis alles Nöti-ge, um sich mit dem neuenBetriebssystem vertraut zu

machen: Installations-CDs,telefonische Unterstützung(90 Tage), Handbuch und Li-zenzvereinbarung. B.S.

Weiter im Netzwww.sun.chwww.apple.com/chde/

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schen Hinweisen des Begleithefts fürLehrpersonen heisst.Aber kann «Süssholz» diese Wirkungauch bei der Zielgruppe, bei Kindernvon der 3. Klasse an aufwärts entfalten?Ganz vorne in der Broschüre finden sieeinen grafisch raffiniert dargestellten«Lernparcours». Dabei steht: «DieserLernparcours bietet euch die Möglich-keit, euren eigenen Lernweg durch dasThemenheft ‹Süssholz› zu planen.» Dasscheint mir, mit Verlaub, zu anspruchs-voll; da muss doch einfach die Lehrerin,der Lehrer Regie führen.Aber ohne Plan und Schema in den Ka-piteln herumschneuggen, das werdendie Schülerinnen und Schüler mit Ga-rantie tun, denn «Süssholz» verknüpftdie zu vermittelnde Information engmit ihrer Erlebniswelt – vor allem,indem es ihnen wahre Löcher in denBauch fragt: Welche Produkte braucheich im Lauf eines Tages? Was brauchteine kleine Inderin und was ein Kind inGrönland? Was brauchen wir zumLeben? Wovon können wir träumen?Wer muss alles arbeiten, damit du Kar-toffeln im Laden kaufen kannst?

Ganz schön kniffligAber welches Kind kauft denn heutenoch Kartoffeln? Doch höchstens Kar-toffel-Chips! Weil das so ist, wird weiterhinten auch noch erklärt, wie solcheChips entstehen. Und ganz unschul-dig lila steht eine Frage «zum Nachden- ken und Weiterdenken» im Raum:«Weshalb werden immer mehr Fertig-produkte und weniger frische Kartoffelnverkauft?»Oder die Geschichte mit den Kunst-stoffen: Auf einer Doppelseite ist einaufgeschnittenes Haus abgebildet, vomKeller bis zum Estrich. «Wähle ein Zim-mer aus», sagt das Buch, «suche Gegen-stände, die aus Kunststoff sind. Schreibesie in einer Liste auf. Vergleiche deineListe mit einer Partnerin oder einem Part-ner, die/der dasselbe Zimmer gewählt

hat.» Und dann fragt das Buch noch:«Hat es auch Kunststoffe, die du auf demBild nicht sehen kannst (in den Wän-den, in den Gegenständen...)?» Ganzschön knifflig, sogar für Erwachsene.Oder zum Thema Textilien: «Was ist füreuch wichtig, wenn ihr Kleider kauft?Was ist für die Menschen wichtig, diediese Kleider herstellen?»

Kleine grosse KonsumentenWeshalb sollen Neunjährige solcheDinge lernen (womöglich bevor sie dieNebenflüsse der Aare auswendig kön-nen)? Das Begleitheft für Lehrpersonenantwortet: «Kinder nehmen in stärke-rem Masse am Konsumprozess teil als

Als das Lehrmittel mit dem Titel «Süss-holz» auf dem Pult lag, war meine Neu-gierde rasch geweckt. Süssholz – gibt esdas überhaupt noch? Ein Geschmackaus Kindertagen, ekligsüss im Gaumen.Der Vater wollte mir damals das billigeNaschwerk beliebt machen. Es «lupfte»mich gleich beim ersten Biss ins Holzund ich blieb der Schokolade treu.

Heinz Weber

Ich schwang mich also aufs Velo, fuhrzum nächsten Schulhaus und quatschteeine Gruppe Viertklässler an: «Kennt ihrSüssholz?» – «Klar, kennen wir. Sind soStengel zum Kätschen, kriegt man inder Apotheke.» – «Wollen Sie solche fürihr Kind kaufen?» – «Im Schwimmbadgabs das auch. Jetzt nicht mehr. Ichglaube, es ist veraltet.» – «Jetzt gibt esnur noch Gummischlangen.»Ab in die Apotheke. «Süssholz – gibtsdas noch?» «Natürlich», sagte die Frauim weissen Kittel und verschwand zwi-schen den Regalen. Sie kam wieder miteiner uralten Plastikkiste und hob denDeckel, unter dem sich ein Papiersackbefand, darin jede Menge Stängel vonunterschiedlicher Länge und Dicke. «Siedürfen selber nehmen. Es geht nachGramm.» Ich zupfte vier heraus, siekosteten 40 Rappen. «Verkaufen Sie dasöfters?» fragte ich. «Sicher, jede Wocheein paar Mal.» Als ich mich schon zumGehen wendete, warnte sie. «Passen Sieauf, zuviel davon gibt Durchfall!» KeineBange: Mir schmeckt nach wie vorSchokolade besser.

Auf eigenen Wegen lernen«Süssholz», das Themenheft von NadjaZbinden und Hans-Peter Wyssen überProduzieren und Konsumieren in derReihe «Lernwelten Natur – Mensch –Mitwelt» (NMM) hatte jedenfalls beimir seine Wirkung getan. Es hatte michangeregt, «auf eigenen Wegen Neues zuerschliessen», wie es in den didakti-

«Süssholz» fragt Kindern Löcher in den BauchWelche Produkte brauche ich im Lauf eines Tages? Was braucht ein Kind in Indien oder Grönland?«Süssholz» hilft Kindern, sich als Konsumenten zu erfahren und wichtige Fragen zu stellen.

© Schulverlag blmv, Bern

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Kinder haben im familiären Konsumverhalten zunehmend dasSagen. Sie nehmen nicht nur Einfluss auf die Wahl der Turn-schuhmarke für die eigenen Füsse, sondern lenken auch Käufefür die ganze Familie.

‹früher›, ihre Kaufkraft hat stark zuge-nommen. (...) Taschengeld, Geschenk-geld, Geld für Kommissionen undTätigkeiten – das jährliche Budgetbeträgt bei Kindern im Alter zwischensieben und zwölf Jahren bereits durch-schnittlich ca. 1000 Franken.» Nicht nur das: Kinder haben im fami-liären Konsumverhalten zunehmenddas Sagen. Sie nehmen nicht nur Ein-fluss auf die Wahl der Turnschuhmarkefür die eigenen Füsse, sondern lenkenauch Käufe für die ganze Familie.Gleichzeitig (und aus diesem Grund)sind sie einer für ältere Generationenunvorstellbaren Werbeoffensive ausge-setzt. «Drei Viertel der Schweizer Kinder

Kinder sind Bewohnerinnen und Bewohner einer grossen Konsumlandschaft.

im Alter zwischen 5 und 14 Jahren», soder Begleitband, «dürfen den Fernseherungehindert bedienen.» Wenn da so einKonsumentlein nicht lernt, Fragen zustellen, wird es von den Kommerzwel-len überspült und weggeschwemmt.

Anspruchsvoll für LehrpersonenDie Illustrationen in «Süssholz» vonTina Cavelti erinnern an ein geliebtesKinderlexikon, mit dem ich viele Stun-den zubrachte: Zeichnungen, auf denenviel los ist und auf denen wir bei jedemHinschauen noch etwas entdecken. Sietragen, obwohl etwas altmodisch wir-kend, sicher viel dazu bei, die Ent-deckungslust zu fördern.

Was sich den Kindern so spielerischzeigt, ist für die Lehrpersonen an-spruchsvoll und aufwändig in der Vor-bereitung. «Selbstgesteuertes, offenes,forschend-exploratives Lernen verlangtZeit für Umwege», schrieb Anton Stritt-matter vor zwei Jahren bei der Vorstel-lung des «Lernwelten-Konzepts» in BIL-DUNG SCHWEIZ. Daran hat sich nichtsgeändert.Hartnäckig wiederkehrend werden imdidaktischen Konzept die Fragen ge-stellt: «Worum geht es?» – «Woran er-kenne ich den Entwicklungsstand bzw.den Lernfortschritt und das Bemühenzu lernen?» – «Wie gehe ich vor beimBegutachten bzw. Beurteilen?» Ander-seits biete das Lehrmittel auch umfang-reiches, für den Unterricht geeignetesMaterial, das den geforderten hohenAufwand erträglich mache, berichtet imBegleitband eine Lehrerin, die «Süss-holz» praktisch erprobte.Ja, und wie kommt nun das Süssholzzwischen unsere Zähne? Das Themen-heft gibt nur spärlich Auskunft über dasProdukt, das ihm den Namen leiht.«Auch das kannst du erkunden: Süssesund anderes Holz», schreiben die Auto-ren am Schluss und entlassen die Schü-lerinnen und Schüler mit einem dickenFragezeichen im Kopf.

Nadja Zbinden, Hans-Peter Wyssen:«Süssholz: Produzieren – Konsumie-ren», Reihe «Lernwelten Natur –Mensch – Mitwelt», Schulverlagblmv, 2002, Themenheft, 88 Seiten,Fr. 16.50, Klassenmaterial (Kopier-vorlagen), 213 Blatt, Fr. 94.–, Hin-weise für Lehrerinnen und Lehrer, 56 Seiten, Fr. 20.50

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förderung»: Lernziele feststellen undernst nehmen – das Lernverhaltenwahrnehmen – das Lernergebnis kri-tisch würdigen (am Ziel messen) –Schlüsse für das weitere Vorgehen zie-hen.Zur Praxistauglichkeit trägt sicher bei,dass «mathbu.ch» durch Teams vonLehrpersonen verschiedener Stufengeschaffen wurde und parallel zu ihrerUnterrichtstätigkeit entstand. Zusätz-lich wurde das Manuskript in einemfrühen Stadium in ca. 40 Klassen derSekundarstufe I in verschiedenen Kan-tonen erprobt.Für die Arbeit mit «mathbu.ch» stehenden Lehrerinnen und Lehrern nebsteinem Lösungsheft auch ein Begleit-band mit CD-ROM (erst provisorischeVersion erhältlich) und die Homepagewww.mathbu.ch zur Verfügung.

Nützliches BegleitmaterialDer Begleitband enthält eine kurze Ein-führung in die dem Lehrmittel zu

«mathbu.ch» setzt die Lehrwerksideedes für die Primarschulstufe geschaf-fenen «Zahlenbuchs 1-6» auf der Se-kundarstufe I fort. «Lernumgebungen»mit Informationen und Problemstellun-gen aus verschiedenen Fachgebietenbieten den Lernenden realitätsbezogeneEinstiege in ein Mathematikthema.

Pia Wermelinger

Im Arbeitsheft «Grundansprüche» oder«erweiterte Ansprüche» wird das Ge-lernte mit Übungen gefestigt und ver-tieft. Die Themen sind nicht curriculargeordnet, sondern in sich geschlossen.Daher ist es nicht zwingend, das Buchvon vorne nach hinten durchzuarbeiten.Wegen der starken Vernetzung ist esmöglich, einzelne Lernumgebungen nurzu streifen oder gar ganz wegzulassen.Die Lernumgebungen sind nicht alsAufgaben für Einzelarbeit konzipiert,sondern sollen für gemeinsames Lernenim Klassenverband oder in Gruppenunter der Moderation der Lehrpersoneingesetzt werden. Ziel ist das aktiv-ent-deckende Lernen. So können die Ler-nenden etwa anhand der Segelregatta«America’s Cup» Winkel messen undabtragen oder berechnen, bei welchemGewicht sich ein Snowboard wie starkdurchbiegt.

Planen, Steuern, ReflektierenDas Arbeitsheft ist das persönliche Lern-medium der Schülerinnen und Schüler.Es soll die individuellen Lernprozessedokumentieren und ist zur selbstständi-gen Erarbeitung durch die Schülerinnenund Schüler gedacht. «mathbu.ch» baut auf dem heutigenStand der Lernforschung auf und för-dert Lernen als einen autonomen undkommunikativen Prozess, der vom Ler-nenden selbst geplant, bewusst gesteu-ert, kontrolliert und reflektiert wird. DieLehrperson begleitet die Schülerinnenund Schüler, indem sie Leitplankensetzt, die deren Bedürfnissen und Mög-lichkeiten angepasst sind. Dabei soll diepersönliche Auseinandersetzung mitder Situation provoziert und zum ernst-haften Umgang mit Problemen angelei-tet werden. Zur Beurteilung der Lernfortschrittedient das «Vierphasenmodell der Lern-

«mathbu.ch» – mit Zahlen segelnDer «America’s Cup» als Anlass für Mathematik. Das Ziel heisst aktiv-entdeckendes Lernen.

Wer findet den schnellsten Kurs? Die weltberühmte Segelregatta «America’sCup» ist ein attraktiver Aufhänger für mathematisches Arbeiten.

Grunde liegenden Forschungsergebnis-se, eine brauchbare Vorlage für einenElternbrief, didaktische Kommentare zuden Lernumgebungen mit Richtzielen,eine Liste der benötigten Hilfsmittel,Vorgehensvorschläge und Lösungen,Kopiervorlagen und Lernzielkontrollen.Leider wird die CD-ROM mit Lexikon(Theorieteil), zusätzlichen Übungsauf-gaben und Abenteuerspiel für die Rück-schau oder das Auffrischen des Gelern-ten erst mit der definitiven Fassung desBegleitbandes ausgeliefert (Mitte 2004).Auf www.mathbu.ch lassen sich Pla-nungshilfen und zusätzliche Übungenabrufen. Es werden auch fertig ausgear-beitete Vorschläge für die Jahrespla-nung auf «Grundanspruchniveau» undfür «erweiterte Ansprüche» zur Verfü-gung gestellt. Infos über Neuerschei-nungen, Daten der Impulstagungen,eine Liste der bisher gefundenen Druck-fehler, theoretische Grundlagen sowieBestellmöglichkeiten für Lehrmittelund Newsletter ergänzen das Angebot.

Div. Autoren: «mathbu.ch 7», 2002,blmv/Klett und Balmer, Lernumge-bungen (Schulbuch) Fr. 24.80,Arbeitsheft Grundniveau odererhöhtes Niveau Fr. 16.20, Lösungs-hefte und Begleitband: provisorischeAusgabe, kostenlosBestellungen und Infos online überwww.mathbu.ch oder beim Klettund Balmer Verlag, Zug, bzw. Schul-verlag blmv, Bern

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allenfalls einem «lexique» auskommt,steht kaum zur Diskussion. «envol» bie-tet denn auch eine Fülle von Unter-richtsmaterial.Pro Lernjahr sind dies:• Schülerbuch (mehrmals verwendbar)• Arbeitsheft (persönliches Eigentum

des Schülers)• Lernkartei mit Box• Schüler-CD• Lernsoftware: «Bandes dessinées»,

CD-ROM• Lernsoftware: «On s’entraine»,

CD-ROM• Lehrerkommentar• Transparentfolien

(Band 5: 37 Folien)• CD für Lehrpersonen mit Hörtexten• CD mit Chansons aus dem Schüler-

buch mit Playbacks

Weiter kommen dazu (oft für zwei odermehr Lernjahre):• Videokassetten (z.B. für «envol 5/6»)• Wortschatzuhr (für «envol 5/6»)• Kater Felix, Handpuppe aus Plüsch• Module (z.B. für «envol 6»: «La

météo» und «Un camp de classe»)• «Der moderne Fremdsprachenunter-

richt» (Geschichte des Fremdspra-chenunterrichts, Theorien über denFremdsprachenerwerb, die Umset-zung der Erkenntnisse in «envol»und in der Praxis des heutigenFremdsprachenunterrichts)

Auf der Homepage werden folgendeInhalte angeboten (www.envol.ch): • actuel: Neuerscheinungen. Inhalts-

verzeichnis der Homepage• infos: Einführung in das Lehrmittel,

Produkteübersicht• ressources: Linkliste mit nützlichen

Internetadressen, Internetaufgaben,Lexique, Corrections, Lektionenplä-ne (ZH)

• logiciels: Softwareübersicht• dialogue: Vorstellen der Autoren,

Forum, Newsletter, Chat

Die gezielte Auswahl und der Einsatz derangebotenen Medien sind für Lehrper-sonen keine einfache Sache. WichtigeOrientierungshilfe bietet der Lehrer-band mit der Übersicht über die einzel-nen Lektionen sowie einer klar geglie-derten Einführung in das Lehrmittel.Eine weitere nicht zu unterschätzendeKomponente ist das Vorhandensein derentsprechenden Infrastruktur in derSchule. Der Einsatz von CD, CD-ROMund Video kann nur erfolgreich gestal-tet werden, wenn Videogerät, Stereo-Anlage und Computer im Schulzimmerverfügbar sind. Andernfalls übersteigtder organisatorische Aufwand für dieLehrperson das leistbare Mass.Die auf den ersten Blick verwirrendeFülle von Material bietet aber auch dieChance, den Fremdsprachenunterrichtso zu gestalten, dass zukünftigen Schü-lergenerationen die französische Spra-che nicht in erster Linie als schwierigesSchulfach in Erinnerung bleibt, sondernals Mittel zur Verständigung und zumGedankenaustausch.«envol» begleitet die Schülerinnen undSchüler vom Beginn des Französisch-unterrichts im 5. Schuljahr bis zumEnde der Volksschulzeit im 9. Schuljahr.Damit lässt sich der oft als demotivie-rend empfundene Bruch vom spieleri-schen Sprachenerwerb ohne Noten-druck in der Primarschule zum plötzlichals Promotionsfach geltenden Franzö-sisch in der Oberstufe weitgehend ver-meiden.

Autorenteam: «envol», diverse Lehr-mittel und Medien Lehrmittelverlagdes Kantons Zürich (www.lehrmittel-verlag.com), 2000 ff.

«envol: Start, Abflug» steht als Überset-zung im Dictionnaire. Der Name ist Pro-gramm. Allerdings sind sich die Autorenbewusst, dass Höhenflüge im Erlernenvon Fremdsprachen nicht automatischmit dem «richtigen» Lehrmittel zu erzielen sind. «envol» baut auf der Er-kenntnis auf, dass autonomes, themen-zentriertes und textorientiertes Lernenbesser auf die Verwendung einer Fremd-sprache im ausserschulischen Bereichvorbereitet als der traditionelle, aus-schliesslich auf grammatikalische Struk-turen aufbauende Unterricht.

Pia Wermelinger

Gleichzeitig will man die oft sehr künst-lichen Situationen des kommunikati-ven Unterrichts vermeiden, bei denendie Lernenden innerhalb vorgegebenerDialogstrukturen gestellte Alltagszenennachspielen. Die Kommunikation sollecht sein, das heisst die Teilnehmendensollen sich wirklich etwas mitzuteilenhaben. Als Fernziel wird der fremdspra-chige Sachunterricht (Immersion) ange-peilt.Die Herausgeber von «envol» weisendarauf hin, dass es nicht sinnvoll ist,zugunsten eines textorientierten Unter-richts vollständig auf den traditionellenstrukturorientierten Unterricht zu ver-zichten. Sie streben mit ihrem Lehrmit-tel einen Kompromiss an, wobei auf derOberstufe der Unterricht mit dem Lehr-buch auf der einen und den Modulenauf der andern Seite buchstäblich aufzwei Gleisen verläuft. Nebst dem Text-verständnis und der mündlichen Kom-munikation wird auch auf den Aufbaudes Wortschatzes, die Fähigkeit zurschriftlichen Kommunikation und dieSelbst- und Fremdkontrolle über das Er-reichen der Lernziele Gewicht gelegt.Schülerinnen und Schüler sollen durchaktives Mitgestalten des Unterrichtsund eigenes Engagement zum selbstän-digen Lernen und zur Reflexion über ihr Lern- und Arbeitsverhalten geführtwerden.Dass ein solches Konzept nicht mehrmit einem Schülerbuch, einem Lehrer-kommentar samt einigen Folien sowie

«envol» – Abheben zum Austausch Die Fülle von Material ist verwirrend, aber sie bietet auch die Chance, dass zukünftigeSchülergenerationen Französisch nicht in erster Linie als schwieriges Schulfach inErinnerung behalten.

«envol» begleitet die Schülerinnen und Schüler vom Beginndes Französischunterrichts bis zum Ende der Volksschulzeit.Damit lässt sich der oft als demotivierend empfundene Bruchvom spielerischen Sprachenerwerb in der Primarschule zumPromotionsfach in der Oberstufe weitgehend vermeiden.

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Unité

7

Ouh, ouh!Je suis le fantôme

de la rue du Paradis.

Hi, hi, hi, c’est toi Joël,

hein?

Nooon, je suis un fantôme.

Salut,fantôme.

Venez!Ouais,génial!

Oh, regarde cette robe blanche!

... et ceschaussures!

Super, ce costume de tigre!

On se déguise?

Chiche!*

Moi, je suis la dame blanche,

et toi?

Moi,euhh... moi,

je me déguise en Chinoise.

Et moi, en tigre.

Et moi, en clown avec le nez rouge et la bouche blanche.

Ça fait houou, ça fait grrr...

Du lernst

1 die Teile des Gesichts benennen;

2 einige Kleidungsstücke benennen;

3 das Verb être im Singular;

4 nach der Beschaffenheit eines Gegenstandes fragen

und darauf antworten;

5 den französischen Laut ch und sein Schriftbild.

Und du erfährst etwas über den Fasnachtsbrauch

Les Brandons in Payerne VD.

Mascarade

Plus tard…

«envol» wagt den Spagat: Mündliche Kommunikation fördern und den schriftlichen Ausdruck nicht vernachlässigen.

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ton

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rich

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«Lesestufen» – griffiges Instrumentder LerndiagnoseMit dem Diagnose-Instrument «Lesestufen» lässt sich für jedes Kind bestimmen,über welche Wahrnehmungs- und Lesefertigkeiten es bereits verfügt.

Ob Kinder souveräne Leserinnen undLeser werden, hängt wesentlich von derUnterstützung ab, die sie beim Einstiegin die Welt der Schrift erfahren. DieBegleitung der ersten Leseschritte stelltallerdings eine ganz besondere didakti-sche Herausforderung dar, weil sowohlMotivationen und Interessen gewecktals auch technische Hilfen und Erleich-terungen angeboten werden müssen.Nur so können sich Leselust und Lese-kompetenz überhaupt entwickeln.

Andrea Bertschi-Kaufmann

Zur Unterstützung der Techniken in derPhase des Leseanfangs ist in den vergan-genen Jahren viel gearbeitet und ent-wickelt worden, die entsprechendenLehrgänge, Lernkarteien stehen imLehrmittelmarkt zur Verfügung. Gefehlthaben bisher aber die Materialien, mitwelchen Lehrerinnen und Lehrer dieKinder beim Lesenlernen beobachten,den Stand ihrer Entwicklung feststellenund entsprechend gezielt weiter fördernkönnen.

Lücke geschlossenSeitdem die Ergebnisse aus PISA 2000bekannt sind, wird nicht nur für dieersten Schuljahre, sondern generell zurVerbesserung der Diagnosekompetenzvon Lehrpersonen geraten: ein hoherAnspruch, denn Lernbeobachtungenbrauchen Kontinuität und Aufmerk-samkeit für das einzelne Kind. Abgese-hen davon, dass die äusseren Umständewie Klassengrössen unter anderem dafürgünstig sein müssen, setzt die Lern-diagnose vor allem ein fundiertes undzugleich griffiges Instrument voraus,das den Blick auf das Wesentliche rich-tet und dieses festhalten lässt. Mit den «Lesestufen», die im letztenJahr bei Klett und Balmer neu erschie-nen sind, ist ein solches Instrument zurFeststellung und Förderung der Leseent-wicklung geschaffen. Den Autoren,Albin Niedermann und Martin Sassen-

roth, beide im Bereich der Heilpädago-gik wissenschaftlich und praktisch tätig,ist ein Werk gelungen, das dieLernstandsdiagnose im Bereich Lesennicht nur wesentlich fundiert underleichtert, sondern für Situationen derBeobachtung auch ein äusserst attrakti-ves Angebot macht.

Hinsehen, Reden, LesenDa ist zum einen die Bilderbuchge-schichte «Dani hat Geburtstag», ur-sprünglich von Studierenden mitent-wickelt, jetzt neu und überzeugendgestaltet von Vera Eggermann: eineGeschichte, die viele Bezüge zum Alltag

der Kinder herstellt. Dani hat Ge-burtstag, er plant ein Fest, schreibt Ein-ladungen, darunter auch eine für Lena.Am Fest schliesslich sind die Geschenke,die Überraschungen, die Torte wichtig.Das Bilderbuch fordert zu vielerlei auf:zum genauen Hinsehen, zum Redenüber die Details auf den Bildern undüber die eigenen Erfahrungen, undnatürlich zum Lesen. Zu Letzterem bie-tet fast jede Buchseite Einfacheres (Ein-zelwörter als Aufschrift wie ‹Die Post›,‹Pizzeria› u.a.) und Schwierigeres (Sätzeund Satzfolgen), auch längere Textteile. Lehrerinnen und Lehrer können sichmit dem einzelnen Kind und dem Buch

Lehrerin undLehrer könnenmit dem Kinddurch die Ge-

schichte gehenund dabei beob-achten, was das

Kind bild- undtextlesend ver-

steht.

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zusammensetzen, in der gemeinsamenKommunikation durch die Geschichtegehen und dabei beobachten, was dasKind bild- und textlesend versteht, wel-che Strategien es anwendet, wie esInformationen verbindet. Die Kunst derBeobachtung muss die Lehrperson aller-dings nicht alleine bewältigen – sie wirddabei ganz wesentlich unterstützt.Denn da ist zum anderen das förder-diagnostische Instrumentarium vonNiedermann und Sassenroth: eineHandreichung, welche den theoreti-schen Rahmen des Verfahrens kurz mitBezügen auf den Forschungszusammen-hang (Brügelmann, Dehn, Günther,

Scheerer-Neumann u.a.) erläutert undauf dieser Grundlage sieben Phasenbzw. Stufen des Lesenlernens unter-scheidet.

Modell und WirklichkeitIm zweiten Teil wird dann detailliertgezeigt, wie die Beobachtungen bei denKindern im Umgang mit dem Bilder-buch geschärft und wie Merkmale vonLeseleistungen unterschieden werdenkönnen. Sie sollen im (ebenfalls in derHandreichung enthaltenen) Beobach-tungsbogen eingetragen und schliess-lich nach klaren Vorgaben ausgewertetwerden – zur Bestimmung der Lesestufe,

auf der sich das Kind eben befindet undvon wo es auf dem Weg zur Stufe dernächsten Entwicklung gefördert werdenkann.Lernentwicklungsmodelle, wie sie Nie-dermann und Sassenroth entwickelthaben, sind Schemen, nach denen Ent-wicklungen idealtypischerweise verlau-fen. In Wirklichkeit, wir wissen es,gestaltet sich der Lernweg von Kindernselten modellhaft, sondern meistsprunghaft und teils überraschend.Modelle können aber wichtige Grundla-gen und Hilfen sein, den Entwicklungs-verlauf des einzelnen Kindes überhauptwahrzunehmen, mithin Hilfen zu ebender in der Folge von PISA 2000 so ofteingeforderten Diagnosekompetenz. Gerade für die vielerorts neu gestaltetenÜbergänge vom Kindergarten in daserste Schuljahr kommt das Diagnose-Instrument «Lesestufen» zum richtigenZeitpunkt. Mit ihm lässt sich für jedesKind bestimmen, über welche Wahr-nehmungs- und Lesefertigkeiten esbereits verfügt. Da bleibt nur noch, denKindern zu wünschen, dass für die För-derung und Anregung ihrer nächstfol-genden Leseschritte ebenso differen-zierte und dazu vielfältige Materialienverwendet werden.

Martin Niedermann/Albin Sassen-roth: «Lesestufen – Ein Instrumentzur Feststellung und Förderung derLeseentwicklung», 64 Seiten, in Kom-bination mit dem Bilderbuch «Danihat Geburtstag», illustriert undgestaltet von Vera Eggermann, 12Seiten, 2002, Klett und Balmer, Zug,Fr. 54.–

Die Autorin Andrea Bertschi-Kaufmannist Leiterin Forschungsprojekte am Zen-trum Lesen der Fachhochschule Aargau(www.zentrumlesen.ch)

Der Lernweg von Kindern gestaltet sich selten modellhaft,sondern meist sprunghaft und teils überraschend. Modellekönnen aber wichtige Grundlagen und Hilfen sein, den Ent-wicklungsverlauf des Kindes überhaupt wahrzunehmen.

Dani hat das Zebra gefunden.Sein Lieblingstier gibt es leider nicht im Zoo.Es ist der Dinosaurier.

Jetzt muss Dani aber schnell ins Bett.Lieber ist der wunderschöne Geburtstag vorbei,aber Dani kann sich auf den Zoobesuch freuen.

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Lerninhalte werden über die verschie-denen Sinneskanäle aufgenommen,und zwar je vielfältiger, desto nachhalti-ger. Verankert werden sie durch dasWiedergeben in eigenen Worten, dasselbstständige Einordnen und Bezüge-Schaffen. Neue Verhaltensweisen wer-den durch beispielhaftes Handeln, z.B.im Rollen- oder Planspiel, eingeübt. Das Angebot an unterstützenden Medi-en ist gross: Folien, Dias, Fotolangagen,Videos, Bilderbücher, Kassetten, CDs,DVDs; assortierte Themenkoffer mitRohstoffen und Anregungen für dieintellektuelle, emotionale und sozialeAuseinandersetzung; Strategie- undandere Lernspiele sowie ganze Klas-sensätze für die gemeinsame Lektürevon Originaltexten.

Das Thema steht, und nun?Die Annäherung der Lehrperson an einThema kann in mehreren Schritten undzirkulär erfolgen, zum Beispiel ins er-weiterte Feld «Flucht – Migration – Asyl– Lebenswelten von MigrantInnen –Vielkulturalität – Jugend und Rassis-mus»: • Hintergrundinformationen allgemei-

ner Art und spezifisch zur Situation inder Schweiz lesen

• aufbereitete Materialien für denUnterricht sichten

• stufengerechte audiovisuelle Medienund Spiele visionieren und Lektüre-texte prüfen

• zusätzliche Hintergrundinformatio-nen zur Klärung von Fragen beizie-hen.

Dabei ist die jeweilige Quelle und derenPerspektive im Blick zu behalten: DasSchweizerische Flüchtlingshilfswerk(SFH) wird die Situation in der Schweizanders darstellen als das Bundesamt fürFlüchtlinge (BFF). Ein Dokumentations-

video über eine Asylbefragung hateinen anderen Aussagewert als eine Zei-tungsmeldung. Und historische Infor-mationen über Schweizer Auswandererim 19. Jahrhundert werfen nochmalsein anderes Licht auf die Thematik. Die folgende Palette von Lehr- undUnterrichtsmaterialien kann bei derBearbeitung des Themenfeldes «Migra-tion – Flucht – Asyl» auf der Oberstufehilfreich sein und ermöglicht verschie-dene Schwerpunktsetzungen:

MaterialienZur Lage der Flüchtlinge in der Welt. 50Jahre UNHCR. Diez 2000Entschieden im Abseits. Frauen in derMigration. Turtschi u.a. 1996Fremd ist der Fremde nur in der Frem-de. Riepe 2001 Die Schweiz, die Entwicklungsländerund globale Zusammenhänge aus derSicht von Jugendlichen. Guldimannu.a. 1997

UmsetzungshilfenZur Zeit: Flüchtlingspolitik. blmv 2000 Flüchtlinge Projektmappe. Geisz 1995Heimat und Fremde. SKV 1998Konfliktstoff Kopftuch. Bauer 2001

Medien The Cookie Thief. Video. Sehringer1999Asyl. Dokumentarfilm. Vollmer 1995 Du bist nicht wie wir. Geschichten vomAnderssein. Ueberreuter 2001Rückkehr nach Sarajewo. Video. Jardine1996

Sämtliche Materialien können bezogenwerden bei der Stiftung Bildung undEntwicklung, Zentralsekretariat, Mon-bijoustrasse 31, 3001 Bern, Tel.031 389 20 20, www.globaleducation.ch

Was braucht eine Lehrperson an Lehr-und Lernmitteln, um gut gerüstet zusein für einen Unterricht, der sich ankomplexe Themen wagt und zukunfts-tauglich ist? Der Begriff «Lehrmittel»wird weit gefasst. Die Rede ist im Fol-genden von drei Gruppen von Materia-lien, die sich auf verschiedenen Ebenenbewegen und die sich im Hinblick aufden Unterricht optimal ergänzen:

Marietta Rohner Reinhard,Stiftung Bildung und Entwicklung

Erstens Materialien zur Wissenserweite-rung für Lehrpersonen, zweitens Hilfs-mittel zur Umsetzung im Unterricht,drittens Medien, welche die Sinne an-sprechen und dadurch zur Vertiefungder Lerninhalte beitragen. Hintergrundmaterialien in Form vonBüchern, Heften und Magazinen mitaktuellen Daten und Fakten ermögli-chen eine Auslegeordnung von bereitsBekanntem bis hin zu spezialisiertemWissen, das über das für die Schule Not-wendige hinaus geht. Unser Mathematik-lehrer am Seminar antwortete vor vie-len Jahren auf die Frage einer Studentin«Wozu müssen wir das wissen? Das fragtuns doch nie ein Schüler!» – «Ein Leh-rer, der nur wenig mehr weiss als seineSchüler, steht auf unsicherem Grund.»

Lernen durch SinneserfahrungenLehrpersonen haben oft den verständ-lichen Wunsch, zu einem aktuellengesellschaftlichen Thema eine komplettdidaktisierte Mappe mit Lektionsvor-schlägen und Kopiervorlagen zu erhal-ten. Solche Lehr- und Unterrichtsmittelsind jedoch nicht sehr zahlreich. Gesell-schaftliche Strömungen verändern sichhäufig schneller, als gute Lehrmittelproduziert werden. Zudem sind Publika-tionen aus Deutschland oder Österreichteilweise an unsere Verhältnisse anzu-passen. All das hat zur Konsequenz, dassdie Lehrpersonen aus einer Palette vonUmsetzungshilfen in Verkauf und Aus-leihe selbst zusammenstellen müssen,was dem Unterrichtsziel und den Be-dürfnissen der eigenen Klasse am meis-ten entspricht.

Ein Thema einkreisen: Flucht, Migration, Asyl Gesellschaftliche Strömungen verändern sich schneller, als gute Lehrmittel produziert werden.Lehrpersonen müssen bei aktuellen Themen oft selber beschaffen, was ihrem Unterricht dient.

Unser Mathematiklehrer am Seminar antwortete vor vielenJahren auf die Frage einer Studentin «Wozu müssen wir daswissen? Das fragt uns doch nie ein Schüler!» – «Ein Lehrer, dernur wenig mehr weiss als seine Schüler, steht auf unsicheremGrund.»

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knoten, flechten», wird zuerst Wissens-wertes zum Lernbereich vermittelt,werden pädagogische, kulturgeschicht-liche, technische und technologischeInformationen gegeben und erörtert.Einstiege in die Atelierarbeit, praktischeHinweise zur Begleitung der Kinder undMöglichkeiten der Auswertung einerAteliersequenz werden aufgezeigt.«Weiterführendes» verweist auf Unter-richtsvorhaben, in denen Erfahrenesund Erkanntes weiterentwickelt werdenkann. Eine Fülle von Anregungen undIdeen eröffnet sich beim Durchlesenund Schmökern. Die Checkliste in derRandspalte gibt nützliche und prakti-sche Tipps zu Material und Werkzeugenund deren Anwendung. Abschliessendwerden ausgewählte, in den Beispielenangewandte Werkstoffe und Verfahren,ausführlicher dargestellt.Das Buch bietet in seiner Fülle eine guteBasis für prozessorientierten individua-lisierenden, stufengerechten Unterrichtim technischen und textilen Gestalten.Die beschriebenen Produkte und Werke

sind mit gut zugänglichem Materialherstellbar. Ihre Herstellung ist nichtabschliessend und lässt vielfältige Wegeder Entstehung und Weiterentwicklungoffen.Schwarz-Weiss-Fotos dienen zur Infor-mation und dokumentieren zum TeilSchritte der Werkarbeiten. Eine beige-legte CD-ROM enthält Fotos, Skizzen,Texte der Aufgabenstellungen etc. zumEinsatz in der eigenen Unterrichts-gestaltung.Ein nützliches, informatives Unter-richtsmittel, das eindrücklich die Bil-dungsmöglichkeiten des technischenund textilen Gestaltens aufzeigt undechte Hilfen zur Umsetzung im Unter-richt bietet.

Karolin Weber: «Werkweiser 1 fürtechnisches und textiles Gestalten»,Handbuch für Lehrpersonen inkl. CD-ROM, Kindergarten bis 2. Schul-jahr, 2001, blmv, sabe, Swch.ch, 224 Seiten, Fr. 72.50

«Der Werkweiser für technisches undtextiles Gestalten ist ein praxisorientier-tes Handbuch für Lehrkräfte, das denLehr- und Lernweg zum Werk (der Schü-lerinnen und Schüler) weist.» Diesereinleitende Satz fasst zusammen, wound wie dieses Buch zur Anwendungkommt und einsetzbar ist.

Loretta van Oordt

In einem leidenschaftlichen Plädoyerder Fachbegründung und des Bildungs-ansatzes zeigt die Autorin auf, welchenStellenwert Gestaltungsunterricht aufFörderung und Entwicklung von Kin-dern hat. Neben den Ausführungen imLauftext erscheinen in den RandspaltenModelle, Thesen und Literaturangabenzu den beschriebenen Entwicklungs-und Förderungsbereichen. Ein Kapitel widmet sich dem Aspekt derEntwicklungstheorien im Bezug auf«Gestalten». Mit Beispielen, wieder inden Randspalten, werden interessanteEntwicklungsschritte von Kindern imVorschul- und Unterstufenalter im Be-reich Gestalten aufgezeigt. Überlegungen zur Planung von techni-schem und textilem Gestalten auf derKindergarten- und Unterstufe, leitenüber zu den zwei stufenspezifischenLernformen, die die Schwerpunkte indiesem Handbuch bilden: Ateliers undUnterrichtsvorhaben. Als Ateliers werden Lernfelder mit offe-nen Lernangeboten bezeichnet. Unter-richtsvorhaben unterteilt die Autorin infolgende stufendidaktische Schwer-punkte: Individualisieren, Primärerfah-rungen ermöglichen, Spiel und Nach-ahmung, Prozesse und Produkte, Verwei-len und Vertiefen. Den theoretischenÜberlegungen zu diesen Lernformen isteine Tabelle mit Planungselementenbeigefügt, die als Checkliste bei denÜberlegungen zur Planung dienenkann. Speziell erwähnt und mit Tippsversehen wird auch die Problematik derLinkshändigkeit.Den grössten Teil des Handbuches neh-men die Anregungen und Anweisungenzu den Ateliers ein. Zu einem themati-schen Schwerpunkt wie etwa «wickeln,

Ideenfülle mit leidenschaftlicher Begründung«Werkweiser 1» ist weit mehr als nur ein nützliches Handbuch für den Textil- und Werkunterricht.

Aus dem «Werkweiser 1», Atelier Rollen: Röhrenfahrzeug mit exzentrischer Lagerung.

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Kinder sollen selber aktivBilder erkunden, malen,zeichnen und den Künstler,die Künstlerin und dieWerke kennen lernen.Dabei ist der Arbeitsprozesswichtiger als das End-produkt.

In Kindern«Künstler-seelen»weckenSchülerinnen und SchülernKunstwerke nicht nur vor-führen und erklären, sonderndurch aktives Erkunden erleb-bar machen – eine junge Leh-rerin und eine Illustratorinhaben ein eigenwilliges Lehr-mittel geschaffen.

Es war in Paris, wo Barbara Heeb so rich-tig in die Welt der Kunst eintauchte.Während eines ausserschulischen Zwi-schenjahres machte sie in der Kultur-hauptstadt ein Praktikum: «Dieser Auf-enthalt in der Stadt voller Kunstschätzeverstärkte mein Kunstinteresse», be-schreibt die 1976 in Buchs SG geborenePrimarschullehrerin ihre Erfahrung.

Madlen Blösch

«Paris» wirkte in der Schweiz weiter.Barbara Heeb, nun Lehrerin für die 5./6.Klasse in Parpan, hatte sich ein ehrgeizi-ges Ziel gesetzt: Sie wollte ein Lehrmit-tel schaffen, das den Kindern die Kunstnäher bringt, und sie durch die Welt derBilder für Kunst begeistern – als «Künst-lerseelen». Dies in Anlehnung an eineWeisheit von Goethe: «Die Menschheitwird erst glücklich sein, wenn alle Men-schen Künstlerseelen haben werden,das heisst, wenn allen ihre Arbeit Freu-de macht.»«Künstlerseelen» ist denn auch der Titeldes vor kurzem im Verlag der ZürcherKantonalen Mittelstufenkonferenz er-schienenen Lehrmittels. Selbst wahreKünstlerseelen, haben es Barbara Heebals Autorin und die Illustratorin Georgi-na Brandenberger verstanden, ein faszi-nierendes, von Lust und Leidenschaftgeprägtes Kunstlehrmittel zu gestalten.Mit seiner Hilfe sollen, so Heeb im Vor-wort, «die Kinder selber aktiv Bildererkunden, malen, zeichnen und denKünstler, die Künstlerin und die Werkekennen lernen. Dabei ist der Arbeitspro-zess wichtiger als das eigentliche End-produkt». Ihr Ziel sei es, dadurch Ideen,Fantasie und Freude am Experimentie-ren zu fördern und die Kinder für dasThema Kunst zu sensibilisieren.

Die Unterteilung des Buchs ist einfach,aber zweckmässig. Neben nahe liegen-den didaktischen Möglichkeiten wieBildbetrachtung oder Museumsbesuchzählt dazu auch die Elternarbeit, indembeispielsweise die Eltern an einer Aus-stellung mit Vernissage sehen können,was die Kinder geschaffen haben.Bekannte Künstler wie Paul Klee, Alber-to Giacometti, Vincent van Gogh oderKeith Haring, aber auch regional veran-kerte Kunstschaffende werden in derFolge mit Blick auf ihre Biografie undihre Werke, insbesondere anhand einesvon Georgina Brandenberger nachge-zeichneten Bildes oder einer Skulpturvorgestellt. Die Bildbesprechungen sindpersönlich geprägt und auch für Kinderleicht verständlich gehalten. Sie gehenoft von eigenen Erlebnissen und Emp-findungen der Autorin aus. Dazu gehö-ren jeweils praktische Tipps, so genann-te «Unterrichtsbausteine», für die Um-setzung im Schulalltag. Als Beispiel sei die Plastik «Femmes deVenise» von Alberto Giacometti ge-nannt. Weil der Bündner Bildhauer undMaler stets mehrere Kunstwerke gleich-zeitig in Arbeit hatte und über mehrereTage an einem Bild malte, sollen auchdie Schüler nun jeden Tag zehn Minu-ten an einem Bild malen oder zeichnen.Oder jedes Kind modelliert aus Toneinen Körperteil der Skulptur nach, undzwar möglichst genau – wie auch Giaco-metti die Nachbildung von Details lieb-te. Die Heimat des Künstlers, das Ber-gell, kann ein anregendes Thema fürden Mensch/Umwelt-Unterricht sein.Die Präsentation wirkt etwas sparta-nisch, das Buch kommt in gediegenemGrau auf Weiss daher, und Portraits wieBilder sind Bleistiftzeichnungen. Erstauf der Buchrückseite werden die Werkein ihrer ganzen Farbkraft, allerdingssehr klein, vorgestellt. Glossar und Lite-raturverzeichnis runden das kleineKunstwerk ab. Alle im Lehrmittel besprochenen Werkesind übrigens im Postkartenformaterhältlich. Die Sammlung von Postkar-ten wird ergänzt durch weitere Kunst-abbildungen, Farbaufnahmen aus demUmfeld der Künstler sowie Bildern zuUnterrichtsideen (insgesamt 28 Karten).

Barbara Heeb (Text), Georgina Bran-denberger (Illustrationen), SimoneSchaer (Grafik): «Künstlerseelen»2002, Verlag der Zürcher KantonalenMittelstufenkonferenz (ZKM), Elgg,96 Seiten, Fr. 49.–, dazu 28 Kunst-karten A6, Fr. 25.–

Giacometti-Skulptur, nachgezeichnetvon Georgina Brandenberger.

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Anton Strittmatter, LeiterPädagogische Arbeitsstelle LCH

Vorneweg: Der Titel ist leicht irrefüh-rend. Denn das Handbuch ist im zür-cherischen Kontext des Pilotprojekts«Neue Schulaufsicht» entstanden. DasKonzept sieht eine angeordnete periodi-sche externe Inspektion der Schulen mitBerichten an sanktionsmächtige Be-hörden vor. Externe Evaluation ist aberauch in ganz anderen Interessenlagenmöglich und üblich.

Gutes HandwerkszeugUnabhängig davon kann die Anschaf-fung von Nutzen sein. Etwa wenn eineSchule im Rahmen ihrer Selbstevaluati-ons-Kultur eine externe Evaluation bei-ziehen will. Das Handbuch gibt sowohlzur Verhandlung mit Evaluierenden(Aushandlung der Bedürfnisse und Spiel-regeln) als auch zu den vielen hand-werklichen Aspekten eines Evaluations-vorhabens eine Fülle guter Hilfen.Der Hauptteil des Handbuches bestehtaus der Beschreibung von zehn Schrit-

ten der externen Evaluation, die einzu-halten sich lohnt. Dem Handbuch kannattestiert werden, dass es den modernenStandards von Schulevaluation Rech-nung trägt* und überdies eine Fülle vonbrauchbaren praktischen Instrumentenzur Verfügung stellt. Die CD-ROM er-laubt es, die Instrumente direkt herun-terzuladen und für die eigenen Bedürf-nisse zu bearbeiten. Wer eine externe Evaluation nach denhandwerklichen Kunstregeln anlegenwill, ist hier gut beraten. Man kann sichnamentlich darauf verlassen, dass heikleSchlüsselstellen, an denen solche Pro-jekte häufig abstürzen, direkt angespro-chen und gut kommentiert werden.

Problematische ArgumentationDer «Teufel» steckt hier für einmal nicht im Detail, sondern in den erstenallgemeinen Kapiteln zum Verwen-dungskontext des Handbuchs. Und dastösst der kritische Leser fast auf jederSeite an. Beispiele:Im Vorwort behauptet der Zürcher Bil-dungsdirektor, dass sich künftig die

Schulpflege auf die «strategische Füh-rung der Schule konzentrieren» könne,«indem sie beispielsweise überprüft, obdie vereinbarten Ziele im Schulpro-gramm erreicht wurden». Als ob eineSchulpflege wirklich strategische Optio-nen hätte! Die strategischen Optionenim Schulwesen sind doch der Lehrplan,die Stundentafel, die obligatorischenLehrmittel, die Selektionsnormen, dieQualifikationen des Personals und dieDefinition der finanziellen, personellenund räumlichen Grundausrüstung.Diese Koordinaten bestimmen auch imKonzept der Teilautonomen Schulen zu90% Aufgabe und Handlungsweisen derSchulen. Das Bisschen Lokalprofil, wel-ches in diesem Rahmen möglich ist, mit«strategische Führung» zu bezeichnen,grenzt an Etikettenschwindel. Unddann soll ausgerechnet ein Laiengremi-um die extrem anspruchsvolle Aufgabeübertragen bekommen, die Zielerrei-chung der Schulen zu überprüfen?Die Irritation setzt sich fort im Vorwortdes Präsidenten der bildungsrätlichenAufsichtskommission «Neue Schulauf-

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Der Teufel steckt für einmal nicht im DetailDie Bildungsdirektion des Kantons Zürich legt ein Handbuch «Verfahrensschritte der ExternenSchulevaluation» vor. Hauptautoren sind Norbert Landwehr und Joseph Hildbrand zusammen miteiner Gruppe von Fachleuten. Die Schrift ist ein breit einsetzbarer Werkzeugkoffer, gleichzeitigaber auch Transportmittel eines nicht unproblematischen bildungspolitischen Konzepts.

Schutz und Pflegeder Schulentwick-

lung durch dieBildungspolitik.

Foto: Adrian Zeller

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sicht»: Gleich einleitend wird behaup-tet, die Schweizer Volksschulen seien«immer schon vergleichsweise ‹autono-mer› als Schulen im Ausland» gewesen.Als ob dieses liebenswürdige Clichénicht längst durch seriöse Vergleichsstu-dien widerlegt wäre. Die Klärung derreal existierenden Autonomie ist abervon höchster praktischer Bedeutsam-keit. Nur wenn die realen Zwänge undGestaltungsräume glasklar offen liegen(und nicht durch romantische Autono-mie-Rhetorik verwischt werden), kön-nen Schulen im Masse ihrer Autonomieauch wirklich Verantwortung für ihrenTeil von Schulqualität übernehmen.Bleibt die Autonomiefrage diffus, ent-stehen falsche Verantwortungen. Unddas ist Gift für Qualitätsarbeit.

Rührende SchonbehauptungGleich darauf die nächste gewagte Be-hauptung: Selbstevaluation sei in Bezugauf heikle Themen eine Überforderung.«Kollegialität ist ein zu hohes Gut, umüber Gebühr konfliktär belastet werdenzu können. Daher ist professionelle,nicht inspektorale Schulaufsicht einexternes Ereignis.» Daran ist natürlichwahr, dass es an Schulen Tabuthemen,Verdrängungsthemen, kollegiale Rück-sichtnahmen und Pflege gemeinsamerblinder Flecke gibt. Die Folgerung, dass man deshalb dasAnpacken dieser Themen nicht denSchulen selbst zumuten, sondern dieseiner externen Evaluation anvertrauensollte, ist aber nicht schlüssig. Dennerstens ist nicht erwiesen, dass externeEvaluation wirklich die Fähigkeit derDurchdringung solcher Schutzwällehat, und zweitens zeigen gerade dieErgebnisse der Evaluation des Pilotpro-jekts «Neue Schulaufsicht», dass bei derUmsetzung gewonnener Erkenntnisserasch wieder Blockaden auftreten. Dagegen gibt es viele gute Beispiele, wieüber sorgfältige Prozesse die Zugäng-lichkeit von schwierigen Themen imKollegium selbst erheblich gesteigertwerden kann – und finden sich ander-seits in der Fachliteratur zahlreicheZeugnisse gescheiterter externer Evalua-tionen. Angeordnete externe Evalua-

tion, welche als Inspektion mit Berich-ten an sanktionsbefugten Stellen wieSchulpflegen oder Inspektorate daherkommt (und dies ist im Zürcher Modellklar der Fall), löst allen internationalenErfahrungen zu Folge sehr rasch defen-sive Reaktionen an den Schulen aus. DieSchulen verwenden ihre Energie danndarauf, «gut auszusehen», Kulissen zumalen, Zustände zu schönen. Es bleibt letztlich kein anderer Weg, alsdas zu Recht angesprochene Problemzum Dauerauftrag der Schule selbst zuerheben (z.B. über eine entsprechendeSchulleitungsausbildung) und externeEvaluation als Holbewegung im Rah-men eines Konzepts der Selbstevalua-tion zu fördern. Denn in der Tat kann esder externen Evaluation, welche vonder Schule selbst bestellt ist, leichter fal-len, unangenehme Themen mit demKollegium zusammen anzugehen, alswenn dies nur mit eigenen Akteurengeschehen würde.Im ganzen Systembeschrieb (Teil B)wird der Kontrollzweck der angeordne-ten externen Schulevaluation verbalverharmlost oder gar unterschlagen. Dawird nur in einer ganz kleinen Ecke alseiner der vielen Zwecke die «externeEvaluation zur Kontrolle» erwähnt.Ansonsten wird der Eindruck geschaf-fen, dass es vor allem um formative, dieSchulen in ihrer eigenen Autonomieund Entwicklung stützende externeHilfe gehe. Wäre dem so, würde ein Angebot exter-ner Evaluationsfachleute an Schulen imRahmen ihrer professionellen Selbst-evaluation ausreichen. Hier wird aberexterne Evaluation in einem festenRhythmus und mit teils vorgegebenenThemen sowie mit Bericht an die Behör-den inszeniert. Da zu behaupten, eshandle sich um «nicht-inspektoraleSchulaufsicht» ist verbale Vertuschungs-akrobatik.

Fragwürdige Erkenntnisqualität...Im Handbuch wird immer wieder vonder Annahme ausgegangen, durch ange-ordnete externe Evaluation lasse sichein Informationszugewinn erreichen,welcher Selbstevaluation so nicht lie-

fern könne. Dafür gibt es keinen einzi-gen empirischen Beleg. Es wäre absolutnotwendig, einmal «Blindversuche» zustarten, welche die Validität gewonne-ner Informationen in verschiedenarti-gen Evaluationssettings vergleichen wür-den. Dazu sind lauter ungeprüfte Be-hauptungen (auch meine eigenen) imUmlauf, was für eine sachliche Diskus-sion natürlich misslich ist.

...und «Unabhängigkeit»Schliesslich ist als Problemkonstruktiondie im Handbuch behauptete Unabhän-gigkeit der Fachstelle für externe Schul-evaluation zu nennen. Solche Unab-hängigkeit wäre durchaus denkbar,wenn man (wie dies in einzelnen Län-dern der Fall war oder ist) diese Fachstel-le direkt dem Parlament unterstellt (undnicht der Regierungslinie). Es ist wohl in der Praxis ziemlich gleichgültig, ob die Fachstelle direktdem Generalsekretariat der Bildungs-direktion oder dem Amt für Volksschu-len unterstellt ist. Die Fachstelle wird sooder so als verlängerter Kontrollarm derRegierungslinie funktionieren oder zu-mindest so wahrgenommen werden.Die Fachstellen für Schulevaluationwerden auf Dauer in den Schulen nurunter zwei Voraussetzungen Akzeptanzfinden: Wenn ihnen auch die Regie-rungsseite eine Art «Hofnarrenstatus»zugesteht, wenn sie als unabhängigemoralische Autorität nach allen Seitenauftreten können. Und wenn die ge-wonnenen Erkenntnisse auch auf Seitendes Schulsystems zu Reaktionen führen,welche die Schulen als hilfreich, stär-kend und ihre Arbeitsbedingungen ver-bessernd erleben.

Bildungsdirektion des Kantons Zürich(Hrsg.): «Verfahrensschritte der Externen Schulevaluation – Qualitäts-sicherung an der Volksschule», Lehrmittelverlag des Kantons Zürich,2001, Handbuch, 98 Seiten, inkl. CD-ROM, Fr. 62.–

* Das Lob gilt mit einer Einschränkung: Wenn im Handbuch

kategorisch festgeschrieben wird, dass die Evaluatoren ihre

«Kernaussagen» auch nach Anhörung des Kollegiums nicht

ändern sollen, spottet das jeglicher Forscherhaltung.

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Nur wenn Zwänge und Gestaltungsräume glasklar offenliegen, können Schulen im Masse ihrer Autonomie auch wirklich Verantwortung für ihren Teil von Schul-qualität übernehmen.

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Impressum BILDUNG SCHWEIZ erscheint monatlichBILDUNG SCHWEIZ-Stellenanzeiger erscheint inallen Ausgaben sowie nach Bedarf separat; 148. Jahrgang der Schweizer Lehrerinnen- undLehrerzeitung (SLZ)

Herausgeber/VerlagDachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer

(LCH)• Beat W. Zemp, Zentralpräsident, Erlistrasse 7,

4402 Frenkendorf E-Mail: [email protected]

• Urs Schildknecht, ZentralsekretärE-Mail: [email protected]

• Anton Strittmatter, Leiter PädagogischeArbeitsstelle LCH, Jakob-Stämpflistr. 6, 2504 Biel-BienneE-Mail: [email protected]

Zentralsekretariat/Redaktion: Ringstrasse 54, Postfach 189, 8057 Zürich

Telefon 01 315 54 54 (Mo bis Do 8.00 bis 9.00und 13.00 bis 17.00 Uhr, Fr bis 16.00 Uhr)Fax 01 311 83 15, E-Mail: [email protected]

Redaktion• Heinz Weber (hw.), Verantwortlicher Redaktor,

Doris Fischer (dfm.), RedaktorinE-Mail: [email protected]

• Peter Waeger (wae), Grafik/Layout E-Mail: [email protected]

Ständige MitarbeitMadlen Blösch (mbl.), Thomas Gerber (ght.), UteRuf, Martin Schröter (ms.), Pia Wermelinger (pia),Adrian Zeller (aze.)

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Schweiz AuslandJahresabonnement Fr. 95.50 Fr. 162.–Studierende Fr. 67.50

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ISSN 1424-6880

Schulautono-mie-Politikunter der LupeUnter dem Titel «Schulpolitik auf neuenWegen?» legt der Politologe Jürgen Kus-sau in der Reihe «Pädagogik bei Sauer-länder» eine höchst spannende undgescheite, ja brillante Begutachtungaktueller Schulautonomie-Politik vor.Das reich dokumentierte Buch lieferteine Deutung der Triebkräfte der Schul-autonomie-Bewegung der letzten Jahre,untersucht die verschiedenen Interes-sen und vor allem die dazugehörigeRhetorik, zeigt messerscharf die Dilem-mate, falschen Heilsversprechungenund logischen Klippen auf und illus-triert das Phänomen dann am Beispielder beiden Kantone Aargau und Zürich.Die beiden Kantone mit ihren ProjektenSEGRA beziehungsweise TaV vertretenzwar gleiche oder ähnliche Konzeptevon Schulautonomie, haben aber einsehr unterschiedliches politisches Vor-gehen gewählt.Leider – und deswegen bleibt die Rezen-sion so kurz – ist das Buch sprachlicheine Zumutung. Durchschnittsleserin-nen und -leser werden es nach den

ersten drei Seiten erbost zum Fensterhinaus werfen. Kostprobe gefällig?«Autonomiepolitik versteht sich als wir-kungsorientierte Output-Steuerung, diedie bisher dominante Input- und Regel-steuerung hinter sich lässt, indem sieEntregelung und Entbürokratisierung,professionelle Autonomie und quali-tätswirksame Entwicklungsdynamik ineiner zwingend kurzfristigen Perspek-tive mit dem politischen Zugriff auf dieSchule verbindet und damit in derempirisch wahrscheinlichsten Gemen-gelage von Staat/Hierarchie, Markt undGemeinschaft als sozialen Koordina-tionsmechanismen bleibt.» (S. 6) So geht es dann leider auf 200 Seitenweiter. Wen das nicht schreckt, wer sichdie Zeit für «Übersetzungsanstrengun-gen» nimmt, lernt aus dem Buch jedocheine ganze Menge über das, was Schulenmit Bildungspolitik heute erleben, wasfunktioniert und was nicht bzw. nichtfunktionieren kann.

Anton Strittmatter

Jürgen Kussau: «Schulpolitik aufneuen Wegen? Autonomiepolitik.Eine Annäherung am Beispiel zweierSchweizer Kantone», Bildung Sauer-länder, Aarau, 2002, 247 Seiten, Fr. 69.–

Bildungsmarkt

Wo steht die Schweiz?Im Rahmen einer Schwerpunktwoche «Bil-

dungsland Schweiz» hat Radio DRS mehrere

Beiträge realisiert. Der Radiokiosk bietet 5

Sendungen auf 3 CD zum Sonderpreis von

Fr. 45.– (Einzelpreis pro CD Fr. 29.–) an.

Seit der Publikation der PISA-Ergebnisse ist

die Diskussion um Schulleistungen und Län-

derbestenlisten lanciert. Radio DRS griff in

der Sendung «Kontext» diesen Themenbe-

reich auf. Die CD dazu umfasst drei Beiträge:

«Hirnfreundliches Lernen», «Das Pisa-Gegen-

gift» und «Gut ist nur, wer besser ist».

Im Gespräch mit Willi Stadelmann, Physiker,

Psychologe, Pädagoge und Leiter der Pädago-

gischen Fachhochschule Zentralschweiz, wird

die Rolle der Emotion bei Lernprozessen auf-

gezeigt und nachgefragt, wie dieses Wissen

in Pädagogik und Lernpsychologie einfliesst.

Eine Optimierung der Lernprozesse führt zu

«hirnfreundlichem Lernen» – der Grundlage

für nachhaltiges Lernen. Es ist eine Absage

an stundenlanges sinnloses Pauken.

«Das PISA-Gegengift» stellt das «Zentrum

Lesen» der Pädagogischen Fachhochschule

Aargau vor. Anhand der freien Lesestunde in

der Realklasse von Thomas Sommer werden

neue Wege des Leseunterrichts vorgestellt

und von der Leseforscherin Andrea Bertschi-

Kaufmann kommentiert.

Die dritte Sendung «Gut ist nur, wer besser

ist», versucht aufzuzeigen, warum Finnland

im europäischen Vergleich an der Spitze

steht. Professor Jürgen Oelkers, Johannes

Gruntz und Gisela Zeller Steinbrich kommen

zum Schluss, dass ein System, welches erst

nach der Matura selektioniert, ohne Spezial-

klassen integrativ arbeitet und den Wett-

kampf («ich muss besser sein als die andern»)

ausschaltet, erfolgreicher ist als das schweize-

rische System mit seiner frühen Selektion

und seinen vielfältigen Sonderklassen.

Eine weitere CD mit dem Titel «Schulerfolg

dank Wunderdroge?» ist dem Thema Hyper-

aktivität und Aufmerksamkeitsdefizitsyn-

drom und deren medikamentösen Behand-

lung mit Ritalin gewidmet. Fachleute

diskutieren über die derzeit sehr umstrittene

Abgabe dieses Medikaments an Kinder: Sind

die Pillen ein bequemes Mittel, um Erzie-

hungsmängel zu überdecken oder helfen sie

den Betroffenen wirklich? Die dritte CD ent-

hält ein Interview mit Ernst Buschor, Bil-

dungsdirektor des Kantons Zürich. pia

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302 a • 2 0 0 3

Die gelegentlichen Unterrichtsbesuchevon Schulinspektoren oder Mitgliedernvon Laienbehörden zwecks Beobach-tung und Beurteilung von Lehrerinnenund Lehrern gehören bald der Vergan-genheit an. Seit mehr als zehn Jahrenwerden Verfahren diskutiert, erprobtund eingeführt, die Beurteilungen inunterschiedlicher Art in den Dienst derQualitätsentwicklung stellen wollen.

Urs Vögeli-Mantovani, SKBF*

Das Formative Qualifikationssystem(FQS) des LCH stellt die individuelleberufliche Förderung und die Qualitäts-entwicklung in der Institution in dieVerantwortung der Lehrerinnen undLehrer einer Schule, welche mit geeig-neten Methoden die Selbstevaluationund die Entwicklung zielgerichtet undkonsequent miteinander verbinden. Das Lohnwirksame Qualifikationssys-tem (LQS), das seit einiger Zeit in denKantonen Zürich und St. Gallen vonoben eingeführt wurde, will die Qualitätder Schule durch eine Fremdbeurteilungvon Lehrpersonen sichern und weiter-entwickeln. Eine Selbstbeurteilung wirddurch Unterrichtsbesuche und Dossier-beurteilung von Beauftragten der Schul-behörden ergänzt.

Das 2Q-Verfahren in der BewährungDas 2Q-Verfahren von Karl Frey undMitarbeitenden verbindet die Personal-entwicklung mit der Qualifizierung. AmAnfang steht die Entscheidung derLehrpersonen, für sich Jahresziele derberuflichen Entwicklung sowie Erfül-lungskriterien zu formulieren und diesemit der Schulleitung zu vereinbaren.Die Verfahren werden zwar alle eva-luiert, doch eine eigentliche Wirkungs-forschung in Bezug auf Lehrerbeurtei-lung stehe noch am Anfang, stellt dieAutorin fest. Eine solche liefert sie fürzwei Erprobungen des 2Q-Verfahrens,nämlich an den Berufsschulen des Kan-tons Schwyz und an drei Gymnasien imKanton Bern. Entscheidend für dieunterschiedliche Wirkung war ein Un-

terschied bei der Einführung und Ziel-orientierung. Der Entscheid für dieEinführung an den Schwyzer Berufs-schulen provozierte bereits Widerstän-de, denn im Rahmen der Verwaltungs-reform wurde das Verfahren bzw. seinBeurteilungsergebnis an den Lohn ge-bunden. Das Interesse der Behörden widersprichtin diesem Punkt den Interessen derLehrpersonen: Einer Verbesserung derUnterrichtsqualität stimmen die Unter-richtenden zu, die Koppelung an denLohn, diktiert durch die Verwaltungsre-form, lehnen sie ab. Anders im KantonBern, wo die beteiligten Gymnasien vonAnfang an in die Entscheidungen einbe-zogen wurden.Abgesehen vom Stolperstein Lohnwirk-samkeit sind die Ergebnisse der Evalua-tionen mehrheitlich positiv bis sehrpositiv ausgefallen, wenn auch an denGymnasien regelmässig positiver als anden Berufsschulen. Der Anteil an Selbst-bestimmung in der Verfahrenspraxiswird sehr hoch eingeschätzt: 100 bzw.90 Prozent. Die Rückmeldungen derSchulleitungen werden von den Lehr-personen vor allem beim Auswertungs-gespräch als gut qualifiziert. Die Umsetzung des Entwicklungsvorha-bens ist verbindlich, was nur 10 Prozentder Berner und 22 Prozent der Schwyzerals negativ erleben, weil nicht fremdbestimmte, sondern selbst gewählteAufgaben in den «Qualifikationsplan»aufgenommen werden können. DieArbeit an den gewählten Aufgaben«bringt persönlich etwas» für 90 Prozentder Berner und für etwas mehr als dieHälfte der Schwyzer. Auf die Frage, obdas Verfahren allgemein etwas bewirke,liegen die positiven Antworten in Bernzwischen 55 und 76 Prozent, in Schwyzzwischen 23 und 40 Prozent.

Wenn es gelingen soll, dann...Die Dissertation schliesst mit Empfeh-lungen, die unabhängig vom unter-suchten 2Q-Verfahren, allgemein fürdie Entwicklung und Einführung vonVerfahren der Beurteilung von Lehrper-

sonen gelten und gleichzeitig auch dieSchulentwicklung fördern sollen. • Bei der Beurteilung sind Schätzskalen

zu vermeiden, denn diese bauenmeist auf wenig differenzierten undeindeutigen Kriterien auf und könnendie Komplexität der Berufsausübungnicht erfassen.

• Die unterschiedlichen Interessen undMotive für die Beurteilung bei Lehr-personen einerseits und Behördenandererseits sind zu berücksichtigen:Autonomie und Entwicklung stehenQualitätskontrolle und Leistungs-nachweis gegenüber.

• Bei der Entwicklung und Einführungvon Beurteilungsverfahren sind dieLehrpersonen mit einzubeziehen. Esist ein Entwicklungsprozess im Rah-men eines Projekts der Schulent-wicklung durchzuführen, das mit aus-reichenden Ressourcen auszustatten ist.

• Das «Grunddilemma» zwischen Auto-nomie und Verpflichtung muss ent-schärft werden. Vorgeschriebene Ver-fahren mit hoher Verbindlichkeit undgeringer Respektierung der Selbstbe-stimmung verfehlen die erwünschteWirkung für die Qualitätsentwicklungebenso wie Verfahren, die in hoherSelbstbestimmung entstehen und dieVerpflichtung wenig gewichten.

Gespannt darf man auf Evaluationenvon unabhängigen Fachleuten sein, dienicht nur einzelne Verfahren untersu-chen, sondern die Wirkungen von ver-schiedenen Verfahren vergleichen. Eineunabhängige Instanz, die jenseits vonInteressen den Markt der Q-Verfahrenuntersucht («Stiftung Q-Verfahrens-test»), wäre erst noch zu gründen.

Doris Kunz Heim: «Qualität durchQualifizierung – Lehrerbeurteilungals Instrument zur Förderung vonQualität im Unterricht», Juventa Ver-lag, Weinheim und München, 2002,240 Seiten, Fr. 34.50

*SKBV = Schweizerische Koordinations-stelle für Bildungsforschung, Aarau

Die neue Generation Lehrerbeurteilung«Qualität und Qualifizierung», kurz 2Q-Verfahren genannt, ist ein Beurteilungsverfahren für Lehrpersonen, dasin den 90er-Jahren erprobt und auf seine Wirksamkeit hin überprüft wurde. Doris Kunz Heim hat in ihrerDissertation alle Erhebungen anlässlich der Erprobungen in den Kantonen Schwyz und Bern einer Analyse unter-zogen. Resultat: Die Beurteilung und Entwicklung von Lehrpersonen wird besser akzeptiert, wenn sie in dieQualitätsentwicklung von Schulen eingebettet ist.

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31P Ä D A G O G I K2 a • 2 0 0 3

leginnen und Kollegen in 15 Fallana-lysen davon. Diese reichen von der Pri-mar- zur Oberstufe. Man findet eineReihe von Arbeiten zu Lernfragen, wieLesen lernen, Fördermassnahmen ent-wickeln, Schreibmotivation entwickeln,Rechtschreiben, kreatives Schreiben.Andere geben Auskunft zu pädagogi-schen Fragen, wie Selbstständigkeit ent-wickeln, Eltern und Lehrerin als Partnererfahren, eine aggressionsfreie Klasseführen, Teamarbeit entwickeln.Allen gemeinsam ist der Wille zur Ent-wicklung einer Idee aufgrund einesBedürfnisses, das zuerst konzeptionellund begrifflich erörtert wird. Dann wer-den Entwicklungsmassnahmen ergrif-fen und deren Erfolg beobachtet undgemessen bzw. eingeschätzt. In unseremFall wurden diese Arbeiten von der Her-ausgeberin als externer Expertin – zumTeil über einen Weiterbildungskurs,wenn ich recht verstanden habe – ange-regt und im Folgenden auch superviso-risch begleitet. Dieser externe Supportist sicher eine der Bedingungen zumErfolg.

Unvorhergesehene Folgen Das Buch legt in natürlicher und leben-diger Art Rechenschaft über die Ergeb-nisse ab. Es liest sich leicht und ist anre-gend. Da es sich um Praxisforschunghandelt, kann und soll man nicht mitwissenschaftlichen Ellen messen. Dienarrative Form überwiegt: Es werdenviele und manchmal ausführliche Ge-schichten erzählt, wo meines Erachtens

Material, Tabellen und genauere Fra-gestellungen mehr Sachinformationbieten würden, wo man kritischer undweniger emphatisch urteilen könnte. Es liegt in der Versuchsanordnung, dassdie Selbstbezüglichkeit der Arbeitenstark ist. Es wird oft nicht klar, ob undwie Distanz zur eigenen Arbeit herge-stellt wurde. Dies ist notwendig, umsich nicht zu sehr an den eigenen Mass-stäben zu messen.Für den Leser ist die Einsicht in dieDatenlage und die Wissensbasis dazuoft sehr schmal. Das tut der Sache aberkeinen Abbruch. Wer die Fazits der klei-nen Forschungsprojekte liest, stellt fest,dass die Arbeit Folgen hat: Jemand be-ginnt mit einem Studium, andere inter-essieren sich weiter und vertieft für Pra-xisforschung und wieder andere stellenfest, dass sich ihr Unterricht anhand derArbeit grundsätzlich verändert habe.Das macht Mut und lädt ein, es selbst zuversuchen; es kann durchaus unbeab-sichtigte Wirkungen haben.

Juna, Johanna: «Selber forschen –selber verändern, Lehrerinnen undLehrer verändern ihren Unterrichtdurch Aktionsforschung», StudienVerlag, Innsbruck, 2002, 171 Seiten,Fr. 33.80

* Der Autor, Claude Bollier, ist Präsidentder Pädagogischen Kommission desLCH.

Bis zu 50 Entscheide fällt eine Lehr-person pro Lektion. Der Handlungs-druck im Lehrberuf ist dementspre-chend hoch. Erfahrene Lehrpersonenhaben ein vielfältiges und detailliertesPraxiswissen. Vieles kann aufgrund die-ses Praxiswissens im Alltag schnell undeffizient organisiert, entschieden unddamit gehandhabt werden.

Claude Bollier*

Das ist möglicherweise einer der Grün-de, weshalb viele Lehrpersonen Theorieund wissenschaftliche Ergebnisse fürwenig hilfreich halten. Diese sind in derRegel zu abstrakt, damit nicht direktanwendbar oder dann wieder zu regel-haft, im Ratschlag zu simpel oder sche-matisch und zu wenig situationsbezo-gen. Eine Lösung dieses Dilemmas liegt meines Erachtens in Fallgeschichten, welche sowohl eine grundsätzliche,exemplarische Seite als auch einen Situationsbezug haben, in ihrer dichtenBeschreibung (Geertz) und fertigen nar-rativen Form abgeschlossen, kompaktund nachvollziehbar sind. Fallgeschich-ten sind oft gute Lern- und Lehrsituatio-nen für die Berufsausbildung.

Beobachten, reflektieren, verändernEine Möglichkeit, solche Fallgeschich-ten systematischer zu produzieren, bie-tet die Praxisforschung, auch Aktions-forschung genannt, wie sie inÖsterreich schon seit langem, auch inPraxiskreisen, üblich ist. Die Lehrperso-nen schauen dabei etwas systematischerund beobachtungsgestützt auf ihre Pra-xis, verändern dann einen Teil dersel-ben aufgrund der Ergebnisse und beob-achten wiederum die Folgen dieserveränderten Praxis. Wie sieht das konkret aus? Im neuenBuch von Johanna Juna berichten Kol-

Lehrpersonen machen sich selber zum Fall15 Fallbeispiele zeigen, wie Lehrerinnen und Lehrer ihren Unterricht beobachten, analysieren und verändern. Die Folgen der Aktionsforschung können überraschend sein.

Die Lehrpersonen schauen etwas systematischer undbeobachtungsgestützt auf ihre Praxis, verändern dann einen Teil derselben aufgrund der Ergebnisse und beobachten wiederum die Folgen dieser veränderten Praxis.

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«Mit dieser Ausbildung kann ich hun-dert Prozent auf den Sport setzen», sagtFabian Schnyder aus Schüpfheim, Kan-ton Luzern. Während seine gleichaltri-gen Kollegen beispielsweise in einemRestaurant als Kochlehrling hinter demHerd oder an der Kreissäge einesSchreinerbetriebs stehen, setzt FabianSchnyder auf dem Eisfeld des EV Zugrasant zum Dribbling um seine Gegen-spieler an. Wenn der Schreinerlehrlingam Sonntagmorgen ausschläft, schiesstder Eishockey-Junior die Tore für seineMannschaft.Fabian ist einer der 35 Jugendlichen in derDeutschschweiz, die sich für die Lehre«Berufssportler» entschieden haben.Neben dem Eishockey-Verband bieten

der Fussball-Verband und Swiss-Ski (Ski-springer) in Zusammenarbeit mit demBundesamt für Berufsbildung und Tech-nologie BBT und Swiss Olympics jungenTalenten seit zwei Jahren die Möglich-keit, ihr Hobby zum Beruf zu machen.

Doris Fischer

So gross, wie man sich das vielleichtvorstellt, sind die Unterschiede zwi-schen einem «normalen» Lehrling undeinem Sportlerlehrling gar nicht. FabianSchnyder besucht, wie seine Kollegenanderer Berufsgattungen, an anderthalbTagen der Woche die allgemeine Berufs-schule, allerdings in der eigens für die«Berufssportler» gebildeten Klasse in

Zürich. Die Lehre dauert vier Jahre unddie Absolventen schliessen mit dem eid-genössischen Fähigkeitsausweis ab.

Clubs warten ab Im Moment werden dort drei Klassenfür Sportler geführt, eine für das 1. Lehr-jahr mit 13 Schülern und zwei für das 2.Lehrjahr mit 22 Schülern, zum grösstenTeil Eishockeyaner. Den Grund für denRückgang im zweiten Ausbildungsjahrkann sich der Leiter der allgemeinenAbteilung an der Berufsschule Zürich,Jürg Walser, noch nicht erklären. «Ver-mutlich warten die Clubs ab, bis Erfah-rungen vorhanden sind.» Im Allgemei-nen sei das Projekt gut angelaufen unddas Echo der unterrichtenden Lehrper-sonen positiv, so Walser. Die Pläne derLehrbetriebe werden mit denjenigen derSchule abgestimmt und es sei durchausein regelmässiger Schulbetrieb ohnegrosse Ausfälle möglich. Wer dennochfür längere Zeit fehlt, kann Verpasstesteilweise via Internet und e-learningnachholen. Das Angebot sei allerdingserst im Aufbau, wie Walser betont.Das Fächerangebot und die Anzahl derLektionen (13 Wochenstunden) istweitgehend gleich wie bei gewerblichenBerufen. Schwerpunkte bilden die Spra-chen und die kaufmännischen sowiedie allgemein bildenden Fächer.

Arbeit auf und neben dem EisFabian Schnyder hat seine ersten Schrit-te auf dem Eis im zarten Alter von unge-fähr vier Jahren im Eishockeyclub Küss-nacht gemacht, wo er seinem älterenBruder nacheiferte. Schon bald erkann-te wohl sein Trainer das Potenzial, dasin ihm steckt, und ermunterte ihn zueinem Wechsel in einen grösseren Club.«Nur bei einem grossen Club habe ichdie Chance, Profisportler zu sein»,betont der sympathische junge Mann.Voraussetzungen dazu sind Talent undeine Menge Durchhaltevermögen. DieClubs unterstützen nicht ganz uneigen-nützig ihren Nachwuchs. Für sie dürftesich die Investition dann gelohnthaben, wenn ein Talent als Stammspie-ler in ihren Reihen bleibt, oder wenn eran einen andern Club für gutes Geldverkauft werden kann.

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Sportstars eidgenössisch diplomiertSport oder Berufslehre? Seit zwei Jahren können talentierte Fussballer, Eishockeyspieler und Ski-springer beides unter einen Hut bringen. Die Lehre «Berufssportler/Berufssportlerin» schafftunter anderem Grundlagen für das Leben nach der Sportkarriere.

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Fabian Schnyders Lehrbetrieb ist der EVZug. «Lehrmeister sind hauptamtlichangestellte Nachwuchsverantwortlichemit Abschluss der höchsten Trainings-ausbildung in ihrem Verband», schrei-ben die Trägerorganisationen.Rund acht Stunden pro Woche steht derJunior trainingshalber auf dem Eis, dreibis vier Stunden sind für Krafttrainingreserviert, hinzu kommen die Matches.An zwei Halbtagen organisiert der Clubeinen Stützunterricht vorwiegend zumSprachenlernen und für Hausaufgaben.Neben allgemeinen Arbeiten (zum Bei-spiel Putzen der Garderoben) sind auchVideoaufnahmen von Trainings undMatches zu sichten und auszuwerten.Am Sonntag findet jeweilen ein Meister-schaftsspiel statt. Zur Erholung gibtsMassage, und der Samstagnachmittagsteht für Freizeitaktivitäten zur Verfü-gung. Viel Zeit bleibt ihm aber für seineHobbys, Tennis, Unihockey und Fuss-ball, nicht.

Gerüstet für das Leben danach Natürlich sei die NHL (National HockeyLeague) ein Ziel, lacht der talentierteInnerschweizer. «Aber wenn es ausirgendeinem Grund mit der Profikarrie-re nicht klappen sollte, habe ich immer-hin eine Alternative mit meiner Ausbil-dung», ist er überzeugt. Was hat der junge Mann denn tatsäch-lich im Rucksack nach der vierjährigenBerufsausbildung? «Die Lehre ermög-licht es dem Berufssportler, der Berufs-sportlerin auf höchstem Niveau zu trai-nieren, um später mit dem Sport denLebensunterhalt ganz oder teilweise zufinanzieren. Zudem befähigt die Grund-ausbildung die Athleten und Athletin-nen, sich nach einem Ausstieg aus demBerufssport weiterzubilden», heisst esim Berufsbild. «Praktisch bedeutet das,dass die jungen Leute sich mit dieserLehre die Grundlagen schaffen für eineWeiterbildung im kaufmännischen Be-reich, für die Sparte Verkauf oder alsTrainer», bestätigt Jürg Walser.Das nächste Ziel für Fabian Schnyderdürfte vorerst ein vorderer Platz in derMeisterschaft mit seinem Club sein.Und damit das mit der NHL Wirklich-keit wird, muss er «sich zeigen können»und in absehbarer Zeit zumindest in der ersten Mannschaft des Clubs undspäter in der Nationalmannschaft mit-spielen.

Weiter im Netzwww.abzal.chwww.swiss-sport.ch

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«Wenn es aus irgendeinem Grund mit derProifikarriere nicht klappen sollte, habe icheine Alternative.»

Fabian Schnyder

Trägerschaft des Projekts Lehre Berufssportler/Berufssportlerin ist die SwissOlympics Association, der Schweizerische Eishockeyverband, der Schwei-zerische Fussballverband, Swiss-Ski und die Kantone. Die gesetzlichenGrundlagen legt das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie, BBT,fest. Ausbildungsplätze bieten die grösseren Clubs. Die Lehre dauert vierJahre und wird abgeschlossen mit einem eidgenössischen Fähigkeitsaus-weis. Der Berufsschulunterricht findet an der allgemeinen BerufsschuleZürich oder an der gewerblich-industriellen Berufsschule Fribourg statt.Lehre, Berufsschulunterricht und Sport sind zeitlich und inhaltlich aufein-ander abgestimmt. Die Kosten für die praktische Ausbildung trägt derLehrbetrieb, die Kosten für den Berufsunterricht übernehmen die Kantone.

Fabian Schnyder aus Schüpfheim LU bereitet sich professionell auf dieZukunft vor (und der Sponsor wird auch schon profihaft ins Bild gerückt).

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Wem würden wir wohl glauben, wenner behauptete, er habe den Gotthardmit einem einzigen Schritt überquert?Oder sie sei aus dem Stand über denGenfersee gehopst ohne nasse Füsse zu bekommen? Wer die Ausstellung«Swissarena» des Verkehrshauses derSchweiz in Luzern besucht, kann esselber versuchen.

Doris Fischer

Wir betreten den Raum in der AbteilungSchifffahrt, Seilbahnen und Tourismusüber eine Galerie, von der aus wir dieganze Schweiz überblicken, so wie siesich einem Astronauten aus 75 Kilome-tern Entfernung zeigen würde. Eine rie-sige Luftbildaufnahme im Massstab1:20 000 zeigt, gestochen scharf, Ge-

birgsketten und Täler, die grossen Grün-flächen des Mittellands, Seen- und Fluss-landschaften. Einzelheiten lassen sichmit kleinen Fernrohren näher heran-zoomen.

Ein Sprung über den Gotthard Über ein paar Treppenstufen steigen wirhinunter und betreten, ausgerüstet mitFilzpantoffeln, das 200 Quadratmetergrosse farbige Panorama. Wir sehen esnun aus rund 35 Kilometern Höhe. Inwenigen Schritten können wir vomBodensee bis zum Genfersee oder vonBasel bis Chiasso gelangen. Und miteinem einzigen Schritt werden dieAlpen überquert oder der Bodenseeübersprungen. Details wie Kiesgruben, Tennisplätze,Flugzeuglandepisten und Lawinenver-

bauungen sind von blossem Auge zuerkennen, und wer sein Wohn- oderFerienhaus sucht, findet es bei guterOrtskenntnis problemlos. Und mit denbereitstehenden mobilen Lupen sindeinzelne Details noch genauer auszu-machen. Dominique (13) und Tanja (11) aus Grä-nichen AG sind an diesem Morgen mitihren Eltern in der Swissarena – nichtzum erstenmal, wie sie betonen. Sieschieben eine der Lupen über die RegionWallis und erklären stolz: «Wir habenunser Ferienhaus auf der Bettmeralpgesucht und gefunden.» Geografie seikeineswegs ihr Lieblingsfach, aber sowie das hier präsentiert werde, mache esSpass, sich mit der Schweiz zu befassen,betonen die beiden. «Wir wollen mit diesem aussergewöhn-lichen Angebot den Leuten eine ganzneue Sicht auf die Schweiz vermitteln»,erklärt Sibylle Maurer, Leiterin desSchuldienstes des Verkehrshauses. «Da-bei haben wir uns bewusst nicht auf dieStädte und Siedlungszentren konzen-triert, sondern wollen vor allem denNaturraum Schweiz zeigen.» Spannend,aussergewöhnlich, witzig und informa-tiv kommt die Ausstellung daher undsie lässt sich auf vielfältige Art erleben.

Interaktives LernangebotVerschiedene Lerntools können zur Ver-tiefung eingesetzt und benützt werden:So gibt es beispielsweise ein aus sechsTeilen bestehendes, massstabgetreuesHöhenprofil, das sich von Basel über dieganze Schweiz bis nach Chiasso anein-ander reihen lässt und die Höhe derBerge veranschaulicht. Tanja und Dominique haben sich unter-dessen einem weiteren spannendenAngebot zugewandt: Sie haben sicheinen der 26 scheibenförmigen Karten-ausschnitte geholt und versuchen, dasPuzzleteil am entsprechenden Ort auf

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In Filzpantoffeln durch die SchweizVon Basel bis Chiasso sind es gerade mal ein paar Schritte. Die «Swissarena» im VerkehrshausLuzern lädt Besucherinnen und Besucher ein, auf einer fast 200 Quadratmeter grossen Luftauf-nahme die Schweiz in Filzpantoffeln zu erkunden.

Problemlos finden Dominique (13) und Tanja (11) aus Gränichen das Ferien-haus der Familie auf der Bettmeralp.

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der Karte zu platzieren. Lange müssensie nicht suchen, bis sie den Ausschnittals Teil des Vierwaldstättersees identifi-ziert und die Lösung (die Puzzleteilegehören zu einem Wettbewerb) einge-tragen haben.Ein anderer Besucher staunt unterdes-sen ob dem Grössenvergleich derSchweiz mit der Weltmetropole Lon-don; das Luftbild im gleichen Massstabbedeckt beinahe den gesamten KantonGraubünden. Zwei Knaben ziehen den Seilzug, wel-cher die Gesamtlänge aller Eisenbahn-brücken veranschaulicht, über das Pan-orama. «Das besondere Erlebnis und derSpass sollen im Vordergrund stehen»,sagt Sibylle Maurer. Aus diesem Grundwerden die Erfahrungen innerhalb derProjektgruppe des Museumsdienstesund der Abteilung Bildung und Vermitt-lung des Verkehrshauses ausgetauschtund eine permanente Weiterentwick-lung der Angebote in Zusammenarbeitmit dem Bundesamt für Bildung undWissenschaft ins Auge gefasst.Dominique und Tanja haben unterdes-sen die ausgefüllte Wettbewerbskarteeingeworfen und diskutieren, ob siesich noch zum virtuellen Flug über dieSchweiz an den Computer setzen sol-len. Schliesslich bleiben sie fasziniertvor den Distanzvergleichen zu anderenStädten stehen (gleicher Massstab wiedie Schweizerkarte): Nach Lissabonwären es bloss 85 Meter und die 830Meter bis Sydney wären auch nach demBesuch der Swissarena noch locker zuschaffen.

Öffnungszeiten4.11.02–29.03.03 täglich 10–17 Uhr30.03.03–25.10.03 täglich 10–18 Uhr

Weiter im Netzwww.verkehrshaus.org, Rubrik Informa-tion, LehrerInfo. Eine vierfarige Doppel-seite A4 zum Herunterladen zur Vorbe-reitung des Besuchs der «Swissarena».Das Infoblatt ist auch per Post unter fol-gender Adresse zu beziehen: Verkehrs-haus der Schweiz, Bildung und Vermitt-lung, Lidostrasse 5, 6006 Luzern.

35S P I E L U N D S P O R T2 a • 2 0 0 3

Genf–Schaffhausen 15 MeterDas 200 Quadratmeter grosse Luftbild der Schweiz in der Swissarena besteht aus 7800

einzelnen Bildern. Die Strecke Basel–Chiasso misst 12 Meter, die Strecke Genf–Schaffhausen 15 Meter. Fotografiert wurde von Juni 1995 bis September 1996. In dernachfolgenden Bildbearbeitung (digitalisieren, entzerren, georeferenzieren, auf dasLandeskoordinatensystem abstimmen, Farbabgleichung, Wolken retuschieren usw.)steckt die Arbeit von 16 Mannjahren. Realisiert wurde das Projekt von der FirmaEndoxon, dem Gestaltungsbüro Steiner Sarnen und dem Team des VerkehrshausesLuzern unter der Leitung von This Oberhänsli.

Welcher See ladet da zum Bade? Die Mädchen müssen nicht lange suchen.

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43B I L D U N G S M A R K T2 a • 2 0 0 3

Lust und Frust jungerLehrer

Ein Ratgeber für Berufs-

anfängerinnen und -anfänger

Trotz Berufseinführungskursen

für Junglehrerinnen und Jung-

lehrer bleiben immer noch viele

Fragen und Problemkreise offen,

die auch der beste Kurs nicht be-

antworten bzw. lösen kann.

Einen Teil dieser Lücken vermag

das Buch «Lust und Frust junger

Lehrer» von Ursula Drews zu

schliessen. Die Bandbreite reicht

von der Gefahr des Hangs zur

Vollkommenheit über die

Vermeidung von «dummen»

Fehlern bis zur Lösung von

Disziplinproblemen.

Obschon das Buch für deutsche

Verhältnisse geschrieben ist und

sich auch immer wieder

Hinweise darauf finden, bietet

der Ratgeber aus dem Verlag

Cornelsen auch Schweizer

Lehrberufsanfängerinnen und

-anfängern nützliche Tipps und

Erklärungen. pia

Ursula Drews: «Anfänge, Lust

und Frust junger Lehrer», 159

Seiten, Cornelsen scriptor, ISBN

3-589-21634-4, Fr. 22.30

Tod im Schulalltag

Ein Tabuthema praktisch

angepackt

«Danke, lieber Fuchs», ein

Bilderbuch zum Thema Tod im

Schulalltag, öffnet Kindern und

Lehrpersonen den Zugang zu ei-

nem schwierigen und oft noch

tabuisierten Thema. Der Fuchs

in der Gemeinschaft der Wald-

tiere stirbt. Die Geschichte zeigt,

wie die andern Tiere das Erlebnis

verarbeiten, einander trösten,

unterstützen und zuletzt wieder

zum fröhlichen Spiel zurückfin-

den. Seminaristinnen des Leh-

rerseminars Wattwil haben das

Buch kreiert und jetzt neu aufge-

legt. Es liegt auch eine räto-

romanische Ausgabe vor.

Daniela Villiger, Anna-Barbara

Wickli: «Danke, lieber Fuchs»,

Eigenverlag Villiger/Wickli, 9622

Krinau, Telefon 071 988 10 28,

Fr. 24.80

An einem gewöhnlichen Tag begegnen sich zwei fremdeVögel im Klassenzimmer. Ein Männchen und ein Weibchen,unterwegs von hier nach dort. Es entspinnt sich eine heftigeVogelliebe, aus der ein Ei resultiert. Aber so sehr die beidenauch brüten, es will nichts schlüpfen.Das Theaterstück «Vielleicht werde ich ein Schwan» richtetsich an junge Menschen, die sich und ihre Welt hinterfragen,neu entdecken und begreifen wollen. Das «luki*ju theaterluzern» führt das Stück von Heleen Verburg in der Mundart-fassung von Nicole Davi als Schulvorstellung auf. ImAnschluss an die Vorstellung nehmen die Schauspieler dieThemen des Stücks mit der Klasse nochmals auf, spielend undphilosophierend.Spieldauer und Nachbereitung je 45 Minuten; Kosten nachAbsprache. Information und Kontakt: www.luki-ju.ch

«Vielleicht werde ichein Schwan»Eine lange Reise als Theaterstück über Seelen-wesen, Sexualität, Geburt und Tod.

Zwei fremde Vögel im Klassenzimmer: Das «luki*jutheater luzern».

Spotlight, Spot onFremdsprachen lernen und

Neues aus aller Welt lesen

Das Magazin «Spotlight» stellt in

der Februar-Ausgabe britische

Krimiautorinnen und -autoren

an den Schauplätzen ihrer Stories

vor. Für Lehrpersonen ist eine

Beilage mit Unterrichtsideen er-

hältlich. Die Magazine des Spot-

light Verlags in vier Sprachen

helfen beim Sprachenlernen,

und berichten über Lebensweise

und Kultur von Menschen in

aller Welt. www.spotlight-ver-

lag.de

Time in, Time outKreative Auszeit – Erfolgreiche

Rückkehr

Sabbatical? Bildungsurlaub?

Sozialzeit? Familienpause? –

Karin Ammann zeigt anhand

von 18 Erfahrungsberichten und

Zitaten von über 200 Personen

die verschiedenen Timeout-

Formen auf. Mit Rechts- und

Versicherungsteil.

Karin Ammann: «Time in, Time

out. Kreative Auszeit – Erfolg-

reiche Rückkehr», 332 Seiten,

Fr. 35.–, im Buchhandel oder via

Internet www.bod.de

Blaue Brillenschlangefür «Frische Fische»Kinder- und Jugendbuchpreis

für eine Geschichte aus

Tansania.

«Mit Witz und Ironie lässt John

Kilaka Tiere und Menschen spre-

chen. Wir erhalten Einblick in

eine Gesellschaft, die wir viel-

leicht als afrikanisch bezeich-

nen», schreibt die Fachjury zum

preisgekrönten Buch «Frische

Fische» aus Tansania. Am 27.

November erhielt John Kilaka

den Kinder- und Jugendbuch-

preis «Blaue Brillenschlange».

Der Preis ist mit 4000 Franken

dotiert und wird von den ent-

wicklungspolitischen Organisa-

tionen Erklärung von Bern und

terre des hommes verliehen. Aus-

gezeichnet werden Werke, die

differenziert und vorurteilsfrei

fremde Kulturen thematisieren.

John Kilaka: «Frische Fische»,

Übersetzung aus dem Kisuaheli,

28 Seiten, Verlag Pro Juventute

(Atlantis:Baobab), Fr. 23.–

Sich finden und behauptenDie Entwicklung kultureller

Identität am Beispiel einer

Realschulklasse

Am Beispiel einer zweiten

Realschulklasse in Zürich mit

Jugendlichen aus zwölf verschie-

denen Herkunftsnationen zeigt

die Autorin Gisela Unterweger

auf, was die jungen Menschen

bei der Identitätsfindung beein-

flusst und wie sie sich in ihrem

Umfeld behaupten. Die Autorin

legt dar, dass die Entwicklung

kultureller Identität bei Kindern

von Migrantinnen und Migran-

ten nicht primär als «Sonderfall»

untersucht werden muss.

Gisela Unterweger: «Klasse und

Kultur – Verhandelte Identi-

täten in der Schule», Zürcher

Beiträge zur Alltagskultur,

Volkskundliches Seminar der

Universität Zürich, 230 Seiten,

Fr. 34.–

Die Hinweise in der Rubrik«Bildungsmarkt» beruhenauf Einsendungen sowie aufInformationen von Inseren-ten in BILDUNG SCHWEIZ.

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47R U F N U M M E R2 a • 2 0 0 3

Martin, mein Coiffeur, meinte beim Tönen, ich hätte 40% graue Haare. Er war meinSchüler gewesen und ein schlechter Rechner, deshalb kann man diese Angabe nurmit Vorbehalt betrachten. Aber angenommen, sie stimmt, dann kommen etwa 8%graue Haare vom Ärger mit Lehrmitteln – das heisst vor allem mit den Illustrationender Lesehefte, für die ich den Text geschrieben habe.Da war das Titelbild zu «Die Bulldogge im Klassenzimmer». (Mit Bulldogge bin ichgemeint.) Mein Cousin, der Grafiker, fand bei meinem entsetzten Blick, er habeschliesslich den Titel nicht gemacht und wenn es «Der Windhund im Klassenzim-mer» geheissen hätte, hätte er mich als schönen Greyhound mit Chiffontuchgemalt. Nun – ich verlor dieses Titelbild auf dem Weg zum Verleger und Harry maltenoch mal eines, diesmal verpasste er mir, der Bulldogge, wenigstens rote Lippen.Für SJW-Heft Nummer zwei engagierte ich den Vater einer Schülerin. Sehr schönhat er dieses Bastelheft illustriert, aber als ich das Titelbild sah, erschrak ich schonwieder: Der Maulwurf war nackt! Auf mein Betreiben hin bat der Verleger den Illus-trator, dem Tier ein Fell zu geben, aber der weigerte sich.

Inzwischen hatte ich Richi kennen gelernt – Aquarelllehrer. Wunderbar seine Reheim Winterwald! Genau so sollte er auch meine Lawinenhundgeschichte, ein ELK-Heft, illustrieren. Alles gelang ihm vorzüglich: Gondel und Rettungsschlitten, Bergeund Tannen. Nur – eben – der Riesenschnauzer sei kein Riesenschnauzer, bemän-gelte der Verleger und machte diesem Tier mit dem Computer eine eckige Schnau-ze. Und wer musste den empörten Richi zu einem teuren Versöhnungsbesuch beiConelli einladen? Natürlich ich.

An diesem Abend erinnerte ich Richi vorsichtig an seinen zweiten Auftrag, an dasPolizeihundeheft. Er winkte ungehalten ab – er mag keine Polizei. «Abgabeterminnächsten Montag, denk bitte dran.» «Jajaja!»Dann das Treffen im Fraumünster eine Woche später. Wir sassen seitlich im Chor-gestühl und ich hatte kein Auge für Chagall, nur für Richi, der aus seiner 200 Jahrealten Ledermappe die Illustrationen hervorzog. Der schöne Richi sah schrecklichaus: rote Augen, unrasiert und ungekämmt, die ganze Nacht durchgezeichnet. «Und die Frau, Richi?» flüsterte ich.«Welche Frau?»«Auf dieser Seite fehlt die Blondine, in die sich der Verbrecher verkleidet hat.»«Sie ist auf dem WC.»«Ja, auf dem WC hat er sich verkleidet und kommt dann raus als Blondine mitStöckelschuhen.»«Sie ist noch immer auf dem WC.»«Aber meine Geschichte...»Richi sagte: «Ich kann keine Menschen zeichnen. Wusstest du das nicht?»«Nein! Dann lern es!», fauchte ich. Er wollte mich nun auf die Schönheiten von Chagalls Fenstern aufmerksammachen, aber Eseli hin oder her: «Ich brauch eine Blondine, Richi. Morgen. SelbeZeit, selbes Gestühl.»Richi stopfte das Manuskript in die Mappe und trottete aus der Kirche. Aus seinerJacke guckte das Pyjamaoberteil hervor.

Diskussion im Chorgestühl

BILDUNGSCHWEIZdemnächst• Unterricht im Nebel?Die Stellungnahme der LCH-Geschäfts-leitung gegen eine Legalisierung desCannabis-Konsums hat ein starkes undkontroverses Echo gefunden. BILDUNGSCHWEIZ befragt Lehrpersonen undPräventions-Fachleute über ihre Erfah-rungen mit dem Kiffen bei Jugendli-chen und seinen Auswirkungen auf denUnterricht.

• PISA zum zweitenFür die zweite Runde der internationa-len Leistungsmessungen PISA beginnendemnächst die Tests ausgewählter Schü-lerinnen, Schüler und Klassen. Washaben die Projektverantwortlichen aus«PISA 2000» gelernt? Hat die SchweizChancen auf bessere oder jedenfalls aus-sagekräftigere Resultate?

• Suche nach dem KernWas gehört zum Kernauftrag der Schuleund der Lehrpersonen? Welches sindberechtigte, welches unberechtigte An-sprüche von Eltern und Gesellschaft?Eine erste Vorschau auf die LCH-Fach-tagung zu diesem Thema vom 24. Mai2003 in Hergiswil.

Die nächste Ausgabe erscheintam 26. Februar.

Ute Ruf


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