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بســم اهلل الرمحن الرحيـم
Die Moschee als Institution der Sozialen Arbeit
Theologische Begründung inklusive eines Abgleichs mit
relevanten Definitionen von Sozialer Arbeit
Im Folgenden wird durch eine theologische Erörterung der moscheezentrierten Sozialen
Arbeit des Propheten Muhammad (saw) in der Moschee in Medina belegt, dass
Moscheegemeinden innerhalb des Islam auch als Einrichtungen der Sozialen Arbeit
fungieren.
Die Abhandlung besteht aus Auszügen aus meiner Masterarbeit
„Leitbilderstellungsgrundsätze für Moscheegemeinden mit Fallbeispiel und unter
Einbeziehung einer Begründung von Moscheegemeinden als Sozialeinrichtungen“,
welche mit einer glatten „2“ bewertet wurde.
Mit Hinblick darauf, dass die vorliegende Abhandlung im Rahmen des Studiengangs
Management von Gesundheits- & Sozialeinrichtungen (MSG) verfasst wurde, setzt sich die
vorliegende Masterarbeit mit der Frage auseinander, ob die Moschee eine Sozialeinrichtung
bzw. eine sozialarbeiterische Einrichtung ist. Hierbei kommen zur Anwendung:
Eine quantitative und qualitative empirische Bestandsaufnahme von geleisteten
und angefragten sozialarbeiterischen Diensten in Moscheegemeinden anhand
eines Beispiels.1
Eine sprachliche Erörterung2
Eine im Folgenden theologische Ausarbeitung inklusive eines Abgleichs mit
relevanten Definitionen von Sozialer Arbeit
Soweit ersichtlich wird diese Thematik erstmals interdisziplinär anhand verschiedener
Methoden erörtert.
1 Siehe http://www.monajo.de/2014/05/die-moschee-als-institution-der-sozialen-arbeit-empirische-
begruendung-am-beispiel-des-i-i-s-e-v/ (01.07.2014) 2 Siehe http://www.monajo.de/2014/07/die-moschee-als-institution-der-sozialen-arbeit-sprachliche-eroerterung/
Theologische Begründung
Links: Model der Prophetenmoschee im 6. Jahr n. H./ 628 n. Chr. aus dem Sira- Museum in Medina. Rechts:
Der unter Muslimen bekannte spezielle Ort innerhalb der Prophetenmoschee, an welchem sich die Bedürftigen
aufgehalten haben, Dezember 2012
1. Angewandte Methodik
Methodisch wird wie folgt vorgegangen:
(1) Einleitend werden die Rolle der Moschee im Gemeindeleben sowie der Stellenwert
von sozialen Dienstleistungen im Islam im Allgemeinen dargestellt.
(2a) Daraufhin werden religiösen Quellen des Islam bezüglich der Rolle der Moschee
im Rahmen erbrachter sozialer Dienste herangezogen. Diese Quellen bestehen aus
dem Koran und den authentischen Überlieferungen bezüglich der Worte, Taten und
stillschweigenden Zustimmungen des Propheten Muhammad.
(2b) Zusätzlich wird auf diesen Quellen aufbauende Literatur von muslimischen
Gelehrten herangezogen, teil- und nötigerweise auch englisch- und arabischsprachige.
Dadurch wird sichergestellt, dass soziale Dienstleistungen in Verbindung mit der
Institution Moschee aus der islamischen Perspektive beleuchtet werden.
(3) Die Ergebnisse dessen werden dann gemäß der Wissenschaft des uṣūl al-fiqh3,
islamrechtlich beleuchtet.
(4) Daraufhin folgt ein Abgleich der in und durch die Moschee geleistete soziale
Arbeit mit der Definition des Bundesarbeitsgerichts wie Definitionen der International
3 Die islamwissenschaftliche Definition von uṣūl al-fiqh: Die Wissensaneignung über die Belegquellen von
Normen und Geboten praxisbezogenen Inhaltes, über das Wie ihrer Anwendung und über den Status ihrer
Anwender, vgl. Zaidan: Usuulul-fiqhi wa qawaa'iduh: Einführung in die Belegquellen und ihre Hermeneutik
sowie in die Fiqh-Regeln, S. 24ff.
Federation of Social Workers (IFSW)4, womit sichergestellt wird, dass für das Thema
der vorliegenden Arbeit die moscheezentrierte soziale Arbeit aus sozialarbeiterischer
Sicht betrachtet wird.
2. Die religiöse Rolle der Moschee und ihr Stellenwert im Gemeindeleben
Bevor die sozialen Dienstleistungen in der Prophetenmoschee, wie die Moschee in Medina
auch genannt wird5, thematisiert werden, wird zunächst im Folgenden die religiöse Rolle der
Moschee und ihr Stellenwert im Gemeindeleben dargestellt:
Dem täglich fünfmal stattfindenden Pflichtgebet der Muslime kommt innerhalb des Islam eine
zentrale Bedeutung zu. So bestimmte der Prophet Muhammad, dass das Gebet zu den
sogenannten „Fünf Säulen“ des Islam gehört:
"Der Islam ist auf fünf Säulen erbaut worden: Dem Bekenntnis, dass kein Gott
außer Allah anbetungswürdig ist, und dass Muhammad der Gesandte Allahs ist,
der Verrichtung des Gebets, dem Entrichten der Zakah, der Pilgerfahrt und dem
Fasten im Ramadan."6
Das Gebet soll idealerweise7 gemeinschaftlich in der Moschee vollzogen werden. Der
Prophet Muhammad spornte die Muslime u.a. mit folgenden Worten zum Aufsuchen
der Moschee dazu an, die Pflichtgebete dort zu verrichten:
„Jeder, der in seinem Haus Wudu8 vollzieht und zu einem Haus der Häuser
Allahs geht, um dort eine Pflicht der von Allah (vorgeschriebenen) Pflichten zu
verrichten, (erhält Belohnung) für jeden seiner Schritte dorthin; der eine Schritt
tilgt eine Sünde, der andere erhöht (ihn) eine Stufe (im Paradies).“9
4 Im Folgenden wird die International Federation of Social Workers nur noch mit ihrer Abkürzung „IFSW“
wiedergegeben. 5 Vgl. KRM - Koordinationsrat der Muslime o.V.: Moscheen und ihre Geschichte. o.J.
http://www.tagderoffenenmoschee.de/default.php?p=12 (09.04.2013). 6 Überlieferung von Al- Bukhari, vgl. Ben Abed Al- Latif Al- Zabedi, Zein- eddine Ahmad (Editor): A concise
volume of Al- Bukhari`s correct Traditions. 1. Auflage. Beirut, Libanon: Dar Al- Kotob Al-Ilmiyah, 2002, S. 23.
Die arabische Überlieferung wurde vom Autor übersetzt. 7 Das Gemeinschaftsgebet nach Mehrheit der Gelehrten eine sunna muʾakkada, d.h. etwas mit Nachdruck
Empfohlenes, vgl. Sabiq: Fiqh us-sunna, S. 201. Lediglich die Minderheit der muslimischen Gelehrten vertritt
die Meinung, dass das Gemeinschaftsgebet eine Pflicht ist, vgl. Radhan: Fiqh. Band 2 – Gebet, S. 487. 8 Damit ist die rituelle Waschung zum Gebet gemeint.
9 Überlieferung von Muslim. Pacic: Fiqh ul-`Ibadat., S. 144.
a) Zwischenergebnis
Die Moschee hält innerhalb der Religion des Islams einen hohen Stellenwert inne und nimmt
ebenso eine gesellschaftlich bedeutungsvolle Rolle ein, da sie von den Betenden fünfmal
täglich aufgesucht wird bzw. aufgesucht werden sollte.
3. Der Islam und soziale Dienstleistungen im Allgemeinen
Nachdem dargelegt wurde, dass der Moschee eine zentrale Rolle innerhalb des Islam
zukommt, widmet sich die Arbeit nun dem Stellenwert von sozialen Dienstleistungen im
Islam. Dabei geht es zunächst um soziale Dienstleistungen im Islam im Allgemeinen.
Der Koran fordert in zahlreichen Passagen dazu auf, sich um das Wohlergehen von
sozial und wirtschaftlich Schwachen und Bedürftigen zu kümmern. Dazu zählen
folgende Koranverse:
„…und sie geben - obwohl man sie liebt10
- Speise zu essen einem Armen, einer
Waisen und einem Gefangenen: „Wir speisen euch nur um Allahs Angesicht willen.
Wir wollen von euch weder Belohnung noch Dank.“11
„Nicht darin besteht die Güte, daß ihr eure Gesichter gegen Osten oder Westen
wendet. Güte ist vielmehr, daß man an Allah, den Jüngsten Tag, die Engel, die Bücher
und die Propheten glaubt und vom Besitz - obwohl man ihn liebt - der
Verwandtschaft, den Waisen, den Armen, dem Sohn des Weges, den Bettlern und für
(den Loskauf von) Sklaven hergibt, das Gebet verrichtet und die Abgabe12
entrichtet…“.13
a) Zwischenergebnis
Im Ergebnis wird deutlich, dass der Islam zur Verwirklichung von sozialen
Dienstleistungen aufruft.
10 Auch: Aus Liebe zu Ihm, ebd., S. 579, Fußnote Nr. 1.
11 Ebd., Sure 76, Vers 8-9, S. 579.
12 Arabisch: zakāt, ebd., S. 27, Fußnote Nr. 2.
13 Ebd., Sure 2, Vers 177, S. 27.
4. Entwicklung der Prophetenmoschee zur sozialen Einrichtung
Zu den ersten Handlungen, die der Prophet Muhammad bei seiner Ankunft als neues
Oberhaupt im Stadtstaat Medina vollzog, zählt, dass er den Bau einer Moschee initiieren
ließ.14
Noch bevor er in das Haus seines Gastgebers Abū Ayyūb zog, kaufte er ein
Grundstück, welches er für den Bau der Moschee vorsah.15
Die Moschee entwickelte sich zu einem Zufluchtsort und es wurde speziell für diese Funktion
sechs oder neun Monate (je nach geschichtlicher Ansicht16
) nach der Fertigstellung der
Moschee ein überdachter, schattenspendender Bereich eingerichtet.17
Zuerst und vor allem die
aufgrund der Verfolgungssituation aus Mekka nach Medina ausgewanderten Muslime -
welche al-muhāǧirūn, „die Auswanderer“, genannt wurden - nutzten dieses Angebot.
Deswegen wurde ihnen dieser Bereich der Moschee zeitweise auch sprachlich
zugeschrieben.18
Schließlich wurde den Bewohnern der Moschee der Name „Ahlu ṣ-Ṣuffa“,
die „Leute der Veranda“19
verliehen, nach der für sie eingerichteten Überdachung.20
Die al-muhāǧirūn kamen aus einer Gesellschaft von Händlern in eine
Landwirtschaftsgesellschaft und mussten oft ihren Besitz in Mekka zurücklassen, ohne die für
Landwirtschaft einschlägigen Berufsfertigkeiten mitzubringen. Diese Gesamtsituation
erschwerte den Einstieg in die Erwerbstätigkeit und es galt auch zu lösen, wo die
Auswanderer unterkommen konnten.21
Auch schlossen sich den Leuten der Veranda
Gesandtschaften an, welche die Annahme des Islams bekundeten und keine Bekannten in
Medina hatten.22
Ihre Gesamtzahl wird verschiedentlich beziffert, gemäß der festgehaltenen
Aussage eines Zeitzeugen der Prophetengefährten, Qatāda, betrug die Gesamtzahl 900,23
jedoch ist auch von lediglich insgesamt 400 „Nutzern“ des Angebotes bis zum Verscheiden
des Propheten die Rede.24
Auch wenn sich die Anzahl der Bewohner der Veranda im Laufe
14 Vgl: Lings: Muhammad, S. 174ff.
15 Vgl. An-Nadwī: As-Sīra an-nabawiyya, S.197.
16 Dies errechnt sich wie folgt: Die Überdachung wurde ca.16 Monate nach der Auswanderung eingerichtet, vgl.
al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 257. Die Zeit für die Fertigstellung der Moschee wird Muḥammad b. Isḥāq mit
zehn Monaten nach der der Auswanderung beziffert, vgl. An- Nadwi: As- Sira An- Nabawiya, S. 197, Ibn Kaṯīr
hingegen vertritt, dass der Zeitraum sieben Monate betrug, vgl: Ibn Kathier, Tafsier Al- Quran Al- Adhiem, S.
279. In. An- Nadwi: As- Sira An- Nabawiya, S. 197.
17 Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 258.
18 Vgl. Ebd. S.258.
19 Dies ist eine Bezeichnung, welche in englischsprachiger Literatur verwendet wird. Siehe beispielsweise:
Bewley, Aisha (Übersetzerin): Al-Qurtuby: Tafsir Al-Qurtuby, S. 701.
20 Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S.258.
21 Vgl. Ebd. S.257.
22 Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 258f
23 Al- Kattani: Nizam al- Hukuma an-Nabawiyya, S. 476-480. In: Al-Azami: The History of the Qur`ānic Text
from Revelation to Compilation, S. 61.
24 vgl. Bewley, Aisha (Übersetzerin): Al-Qurtuby: Tafsir Al-Qurtuby, S. 701.
der Zeit immer wieder änderte, so wird in der Regel von circa 70 Personen gesprochen,
welche gemeinsam die Veranda bewohnten. Diese Zahl stieg jedoch immer, wenn
Gesandtschaften zugegen waren.25
Die Ahlu ṣ-Ṣuffa als solche verblieb mindestens bis zum
Tode des Propheten in der Moschee.26
5. Moscheezentrierte soziale Dienstleistungen in Kategorien gegliedert
Im Folgenden werden die moscheezentrierten sozialen Dienstleistungen des Propheten
Muhammad nach folgenden Bereichen dargestellt: Abdeckung der Grundbedürfnisse,
Bildung, Ermöglichung von Teilhabe, Gemeindesozialarbeit, Motivation und Trost
sowie die Finanzierung der sozialen Dienstleistungen.
a) Abdeckung der Grundbedürfnisse
Obdach erhielten die Bedürftigen, wie bereits festgestellt, in der Moschee.
Überliefert wird27
, dass die Kleidung der Leute der Veranda so beschaffen war, dass sie
mit dieser nicht vermochten, sich genügend zu bedecken, um sich damit wohl zu fühlen
oder dass diese Kälteempfinden gänzlich abwendete.28
Überwiegend aßen die Leute der Veranda Datteln. Die ihnen zu Zeiten zugedachte
Tagesration belief sich für sie auf zwei Handvoll29
für zwei Personen.30
Es wurden ihnen
jedoch auch andere Speisen in die Moschee hingebracht31
und es waren oft die Reichen aus
dem Stamme der Qurayš, welche ihnen Speisen schickten. Häufig waren sie zum Essen bei
den Medinensern32
oder beim Propheten Muhammad eingeladen.33
Regelmäßig pflegte der
Prophet Muhammad die Leute der Veranda nach dem Nachtgebet für das Abendessen auf die
Prophetengefährten, welche in der Lage waren Gäste zu empfangen, aufzuteilen. Eventuell
25 Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa S. 259.
26 vgl. Elkabti, Asmaa: Abu Hurairah: Opportunity & Sacrifice. 2011.
http://www.suhaibwebb.com/ummah/community/abu-hurairah-opportunity-sacrifice/ (11.04.2013).
27 Dies ist wohl eine Überlieferung eines bedeutenden Ausschnitts aus dem Leben der Leute der Veranda, es ist
jedoch mit Hinblick auf die ansonsten durchaus erfolgreichen Gemeindeinitiativen für die Bedürftigen nicht
vorstellbar, dass dieses Problem für alle Bewohner der Veranda über den gesamten Zeitraum ihres Verbleibs
bestand.
28 Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 264.
29 Ein mudd (مد) beschreibt zur Zeit des Propheten die Menge, die zwei Händevoll eines durchschnittlich großen
Mannes aufnehmen kann. Bin Radhan, Neil: (Übersetzer): Fiqh. Band 3 – Zakah. Darulkitab Verlagshaus 2011.
Ein mudd (مد) ist ein Viertel von einem sāʿ (صاع): Ein sāʿ (صاع) wird heutzutage auf 2512 bzw. 2430 Milliliter
beziffert. Weiterhin haben Gelehrte für die heutige Zeit diese Maßeinheit auch in Gewicht umgerechnet (2035
Gramm bzw. 2600 Gramm). Ein sāʿ (صاع) macht vier mudd (مد),
http://ar.wikipedia.org/wiki/%D8%B5%D8%A7%D8%B9 (zuletzt abgerufen am 20.05.2014)
30 vgl. Al- Umari, Akram Diyaa`: As- Siera As- Sahieha. Muhaawalatun litatbieq qawaaid Al- Muhaddithien fie
naqd riwaajaat As- Sierah An- Nabawiyyah. Band 1. 6. Auflage. Medina: Maktabatu Al- Uluum wa Al Hikam,
1994, S.265.
31 Vgl. Muslim: Sahih Muslim, S. 1182.
32 Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 266.
33 Vgl. Ebd., S. 265.
Verbleibende verköstigte der Gesandte Muhammad selbst.34
b) Bildung
Ebenfalls empfingen die Leute der Veranda Allgemein- und religiöse Bildung innerhalb der
Moschee.35
So wird überliefert, dass einige von ihnen die Fertigkeit des Schreibens vom
Prophetengefährten ʿUbādat b. aṣ-Ṣāmit erlernten.36
Die Bewohner der Veranda sind im
speziellen dazu ermutigt worden, sich religiöses Wissen anzueignen.37
Tatsächlich kamen
einige Prophetengefährten, welche zuvor Zuflucht in der Prophetenmoschee gefunden haben,
später zu Ruhm als religiöse Gelehrte. Zu diesen zählt u.a. Abū Hurayra, der mehr als jeder
andere Prophetengefährte Worte des Propheten Muhammad überlieferte.38
c) Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mit familiärem Charakter
Die Bewohner der Veranda wurden jedoch nicht nur mit Unterkunft, Verpflegung und
Bildung versorgt, sondern auch soziale und auch eine gewisse familiäre Teilhabe wurde ihnen
ermöglicht, indem für sie Einladungen zum Essen bei Familien organisiert wurden. Es wird
überliefert, dass der Prophet Muhammad selbst solche Gemeindesozialarbeit organisierte,
indem er abends Bedürftige anwies, mit bestimmten Personen als Gäste zum Abendessen
deren Häuser aufzusuchen.39
Die Verbleibenden verköstigte er dann selbst.40
Als der Prophet
Muhammad sie speiste, entschuldigte er sich dafür, wenn das Essen nicht sehr gut war.41
Ebenfalls hat er Bedürftigen angeboten, bei sich zu übernachten.42
Derlei Gesten
unterstreichen die würdevolle Behandlung gegenüber den Bedürftigen, welche im Gegensatz
zur Abspeisung in beiden Bedeutungen des Wortes steht. Gleichfalls relevant für den Aspekt
der sozialen Teilhabe ist die Tatsache, dass es den Bewohnern der Veranda möglich war,
Besuch zu empfangen. Überliefert ist beispielsweise, dass den Leuten der Veranda
Krankenbesuche abgestattet wurden.43
Den Kerngedanken der Teilhabe ebenso verwirklichend ist die Tatsache, dass aufgrund der
besonderen spirituellen Lebensführung der Bewohnern der Veranda44
sich auch unbedürftige
34
Vgl. Ebd., S. 267. 35
Vgl. Imam Abu-Dawud: Hadith Sunan Abu- Dawud, S. 378. 36
Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 263. 37
Vgl. Muslim: Sahih Muslim, S. 455. 38
Vgl. Imam Bukhari: Sahih Bukhari, S. 146. 39
Vgl. Imam Bukhari: Sahih Bukhari, S. 146, 1392 40
Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 267 41
Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 265 42
Vgl. Imam Abu-Dawud: Hadith Sunan Abu- Dawud, S. 581. 43
Vgl. Imam Bukhari: Al- Adab Al- Mufrad, Seite 101. 44
Die Bewohner der Veranda lebten asketisch, eigneten sich religiöses Wissen an und vollzogen gemeinsam
gottesdienstliche Handlungen, Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 263
Medinenser zu ihnen gesellten, darunter Kaʿb b. Mālik al-Anṣārī, Ḥanẓala b. ʿĀmir al-Anṣārī
und Ḥāriṯa b. Nuʿmān al-Anṣārī.45
Die Bedürftigen waren also inmitten des gesellschaftlichen, religiösen und spirituellen Lebens
angesiedelt bzw. gegenwärtig, gerade weil die Moschee wie im Kapitel II. 2 erwähnt, für die
Gebete fünfmal täglich aufgesucht wurde.
Auch was die Lage innerhalb Medinas anbelangt, waren die Bewohner der Veranda innerhalb
der Gesellschaft zentral verankert, da die Moschee sich in ihrem Zentrum befand. Die
Zentralität der (Haupt-)Moschee innerhalb einer Siedlung hat sich seit dieser Zeit als
städtebauliches Merkmal muslimischer Stadtentwicklung etabliert.46
Weder also im
buchstäblichen, noch im übertragenen Sinne, wurden die Bedürftigen – und damit die soziale
Arbeit - an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
d) Gemeindesozialarbeit
Die moscheezentrierte Sozialarbeit war kein Alleingang des Propheten Muhammad, vielmehr
bezog er die Gemeinde mit ein, bzw. ergriff diese selbst die Initiative. Zu den bereits
erwähnten Aspekten der Gemeindesozialarbeit hinsichtlich der Krankenbesuche, der
Verköstigungs- und Besuchsaufteilung, des Baus der Überdachung sowie der
Bildungsdienstleistungen seien noch folgende Begebenheiten erwähnt:
Eine Gruppe von circa. 70 Medinensern, die wegen ihrer Verbundenheit mit dem Quran „Die
Leser“47
genannt wurden, da sie ihn nächtlich zu rezitieren und zu studieren pflegten,
kümmerte sich darum, dass stets Wasser für die Bewohner der Veranda in der Moschee war.
Auch verwendeten sie die Gewinne ihres Brennholzhandels für die Verköstigung der Leute
der Veranda. Zu den weiteren Ideen aus der Gemeinde zählt, dass eine Leine zwischen zwei
Säulen gespannt wurde, auf welcher die Medinenser regelmäßig Dattelrispen für die Leute der
Veranda anbrachten. Der Prophet Muhammad versprach, dass durch die Spende die Ernte vor
Schäden bewahrt werden würde und tadelte diejenigen, welche Datteln geringerer Qualität
spendeten. Der Brauch der aufgehängten Dattelrispen wurde noch mindestens bis zum Ende
des zweiten Jahrhunderts nach islamischer Zeitrechnung beibehalten.48
45 Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 259
46 Email von Dipl. Ing. Derya Adigüzel (28.02.2013), Architektin und Mitarbeiterin des Architekturbüros
„Gesamtplanungsbüro“.
47 Arab.: القراء Al- Qurraa`.
48 Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 268.
e) Motivation
Die geleisteten sozialen Dienstleistungen waren nicht nur materieller Natur, vielmehr
pflegte der Prophet Muhammad die Leute der Veranda in harten Zeiten auch zu trösten
und ihnen in ihrer Not Geduld ans Herz zu legen.49
Auch predigte er ihnen Askese und
verhieß ihnen jenseitigen Lohn Gottes.50
Ebenfalls stattete der Prophet Muhammad den
Kranken Besuche ab und erkundigte sich im Allgemeinen nach dem Wohlbefinden der
Leute der Veranda.51
Diese Tätigkeiten sind besonders vor dem Hintergrund interessant, als dass gemäß einer
Studie die Motivation nach der Beratung sich als charakteristischste Tätigkeit eines
Sozialarbeiters/Sozialpädagogen herausstellte. 52
f) Die Finanzierung der sozialen Dienstleistungen
Die genannten Dienstleistungen bedurften selbstverständlich der Finanzierung. Die Moschee,
welche grundsätzlich keinen Privatbesitz darstellt, diente als Wohn- und Lehrstätte. Die
Speisungen basierten in den bisher thematisierten Überlieferungen einerseits auf Spenden,
andererseits wurden die Bewohner der Veranda oftmals im Rahmen der Gastfreundschaft
versorgt.
Bezogen auf die Bildungsleistungen wird nicht überliefert, ob die Lehrer einen Lohn dafür
empfingen, jedoch, dass es einem Lehrern der Bewohner der Moschee untersagt war,
materielle Geschenke von den Schülern anzunehmen.53
Persönliche Geschenke pflegte der Prophet Muhammad für sich anzunehmen und mit den
Bewohnern der Veranda zu teilen. Erreichten ihn jedoch Spendengelder, so leitete er diese,
ohne davon für sich zu nehmen, weiter.54
Auch andere Gelegenheiten nutzte er, um die
Finanzierung der sozialen Arbeit innerhalb der Moschee sicherzustellen. So gab er seiner
Tochter Fāṭima bei Geburt ihres Sohnes auf, für die Bewohner der Veranda zu spenden. Auch
wies er die Prophetengefährten im Allgemeinen dazu an, den Bewohnern der Veranda
Spenden zukommen zu lassen.55
49
Vgl. Ebd. S. 265. 50
Vgl. Ebd. S. 266. 51
Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S.266. 52
Vgl. Klüsche, Befähigung zur Konfliktbewältigung, S. 93. In: Kleve: Geschichte, Theorie, Arbeitsfelder und
Organisationen Sozialer Arbeit. S 56f. 53
Vgl. Imam Abu-Dawud: Hadith Sunan Abu- Dawud, In: S. 378. 54
Vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S.266. 55
Vgl. Ebd., S. 267.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Islam nicht nur eine soziale Gesellschaft
über den privaten Sektor zu initiieren suchte, sondern auch ein Sozialstaatsmodel etablierte,
welches u.a. die Finanzierung der Sozialen Arbeit über die staatlich institutionalisierte Zakat
(soziale Pflichtabgabe) abzusichern gedachte.56
g) Zwischenergebnis
Die soziale Arbeit, welche vom Propheten Muhammad initiiert wurde und für welche er die
Moschee als Zentrum auswählte, begegnete den sozialen Problemen Flucht, Obdachlosigkeit,
Hunger, Arbeitslosigkeit, Analphabetismus und Unwissenheit, psychische
Niedergeschlagenheit einer gesellschaftlich gesehen relevanten Gruppe sowie
Integrationsschwierigkeiten. Hierin miteingeschlossen gehören in Konsequenz, was mit
diesen sozialen Problemen an Diskriminierung, Marginalisierung, Kriminalität wie auch
weiteren sozialen (Folge-) Problemen einhergeht. Die Hilfen erfolgten durch die
Einbeziehung der Tatkraft und Ideen der Gemeinde sowie vielfältiger Sicherstellung der
Finanzierung der notwendigen Kosten unter Berücksichtigung der Würde der KlientInnen.
6. Islamwissenschaftliche Betrachtung
Rechtsgelehrte des uṣūl al-fiqh konstatieren, dass der Prophet Muhammad durch das
verrichten einer Tat diese zumindest für statthaft innerhalb der Gebote des Islams erklärt.
Darüber hinaus kann diese Tat aufgrund weiterer Belege bzw. Indizien, zu denen vor allem
kommentierende Worte des Propheten selbst zählen, als Empfehlung oder aber gar als
verpflichtend eingeordnet werden.
Die Zentrierung der sozialarbeiterischen Aktivitäten innerhalb der Moschee, welche
vom Propheten Muhammad initiiert wurde, lässt in der Gesamtbetrachtung aller
relevanten Belege und Indizien darauf schließen, dass es sich um eine empfohlene Tat
handelt, soziale Arbeit innerhalb der Moschee anzusiedeln.
Für diese Gesamtbetrachtung ist wesentlich, dass der Prophet Muhammad die
moscheezentrierte soziale Arbeit nicht weiter klärend kommentierte und die
sozialarbeiterischen Aktivitäten innerhalb des Gebetsraums ca. neun Jahre57
bis zum
56 Vgl. Al Qaradawi: Fiqh Al Zakah, S. 113. 57
Die neun Jahre errechnen sich wie folgt: Für die bedürftigen Obdachlosen wurde die Überdachung in der
Moschee ca. 16 Monate nach der Auswanderung eingerichtet, vgl. al-ʿUmarī: As-Sīra aṣ-ṣaḥīḥa, S. 257. Die
sogenannten Ahlu ṣ-Ṣuffa verblieben mindestens bis zum Tode des Propheten in der Moschee, vgl. Elkabti,
Asmaa: Abu Hurairah: Opportunity & Sacrifice. 2011. http://www.suhaibwebb.com/ummah/community/abu-
hurairah-opportunity-sacrifice/ (11.04.2013). Der Prophet verstarb im dritten Monat des 11. Jahres nach der
Ableben des Propheten Muhammad Bestand hatten. Andere Räumlichkeiten dafür zu
nutzen oder mindestens für solche verbal einzutreten, war durchaus möglich, was
verdeutlicht, dass der Gebetsraum nicht bzw. nicht ausschließlich aus der Not heraus zu
einem Sozialarbeitszentrum umfunktioniert wurde. Vielmehr geht im Islam das
Gottesdienstliche, für welches speziell die Moschee errichtet wurde, nicht nur mit dem
Sozialen einher, sondern Letzteres ist Teil des Ersteren.58
7. Vergleich der Ergebnisse mit Definitionen von Sozialer Arbeit
Nach der Thematisierung der Funktion der Moschee innerhalb der Sozialleistungen zur
Wirkungszeit des Propheten Muhammad, folgt nun die Perspektive zweier in Deutschland
relevanten Definitionen von Sozialer Arbeit auf dieses Phänomen.
a) Einführung
Auf der Suche nach einer Definition von Sozialer Arbeit stößt man auf verschiedene
Ergebnisse. Dies ist u.a. dem „unscharfen Berufsprofil“ geschuldet.59
Auch zu der Frage, ob
Soziale Arbeit eine ausgeübte Profession ist, werden unterschiedliche Perspektiven
eingenommen.60
Die IFSW vertritt die Position, dass Definitionen von Sozialer Arbeit zeit-
und kontextabhängig sind - was eventueller Haarspalterei vorbeugt - und hat dieses
Verständnis in der (noch) offiziellen Definition verankert.61
Für die in Zukunft in Kraft
tretende Definition wurde ebenfalls bereits konstatiert, dass diese für die „nächsten Jahre“
gelten werde, also keinesfalls Zeitlosigkeit beansprucht.62
Der Deutsche Berufsverband für
Soziale Arbeit e.V. (DBSH) vertritt ebenfalls die Relativität der Definition.63
Die Definition des IFSW wird an dieser Stelle herangezogen, da sie nicht nur internationale64
,
sondern auch nationale Relevanz insofern besitzt, als dass der DBSH diese Definition für
Auswanderung, vgl. Saifur Rahman al-Mubarakpuri: Ar-Raheeq Al-Makhtum. (The Sealed Nectar). Memoirs of
the Noble Prophet [pbuh]. o.J., S. 304f. 58
Interview mit Dr. Khaled Hanafy, Imam und Rechtsgelehrter sowie Vorsitzende des RIGD e.V. (Rat der
Imame und Gelehrten in Deutschland) am 10.04.2013.
59 vgl.: Spiegel: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit, Seite 23. In: Ramseier/Bozic: Islam und Soziale
Arbeit, S. 33.
60 vgl. Ramseier/Bozic: Islam und Soziale Arbeit, S. 34. 61
International Federation of Social Workers o.V.: Definition of Social Work, 2012.
http://ifsw.org/policies/definition-of-social-work/ (11.03.2013).
62 vgl. International Federation of Social Workers o.V.: The Future of Social Work. http://ifsw.org/get-
involved/the-future-of-social-work/ (11.03.2013).
63 Stark-Angermeier/Leinenbach/Nodes: Grundlagen für die Arbeit des DBSH e.V. S. 13. http://www.dbsh-
bund.de/grundlagenheft_-PDF-klein.pdf (11.03.2013). 64
Der IFSW hat 90 Mitglieder aus 90 Ländern aller Kontinente und repräsentiert über 750.000 Sozialarbeiter.
Darüber hinaus berät er den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen wie auch die UNICEF. Ebenfalls
arbeitet der IFSW mit der United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) sowie dem United
Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR) zusammen, vgl.: International Federation of Social
Workers o.V.: What we do. http://ifsw.org/what-we-do/ (08.04.2013).
Soziale Arbeit verwendet.65
Ebenfalls relevant für den bundesdeutschen Kontext ist die
Definition des Bundesarbeitsgerichts, auf welche sich u.a. auch der DBSH bezieht.66
b) Definitionen des IFSW
Soziale Arbeit wurde vom IFSW auf dem Delegates Meeting in Montreal 2000 wie folgt
definiert:
The social work profession promotes social change, problem solving in human
relationships and the empowerment and liberation of people to enhance well-being.
Utilising theories of human behaviour and social systems, social work intervenes at
the points where people interact with their environments. Principles of human rights
and social justice are fundamental to social work.”67
Diese Definition ist zwar offiziell noch in Kraft, jedoch wird gegenwärtig68
an der
Verabschiedung einer neuen Definition gearbeitet. Eine neue Rohfassung dient bereits als
Grundlage für eventuelle weitere Änderungen, kann also durchaus auch die Endversion
darstellen. Diese Rohfassung lautet:
“The social work profession facilitates social change and development, social
cohesion, and the empowerment and liberation of people. Principles of social justice,
human rights, collective responsibility and respect for diversities are central to social
work. Underpinned by theories of social work, social sciences, humanities and
indigenous knowledges, social work engages people and structures to address life
challenges and enhance wellbeing.”69
65
Stark-Angermeier/Leinenbach/Nodes: Grundlagen für die Arbeit des DBSH e.V. S. 2f und 7.
http://www.dbsh-bund.de/grundlagenheft_-PDF-klein.pdf (11.03.2013). 66
Vgl. Stark-Angermeier, Gabriele/Leinenbach, Michael/Nodes, Wilfried: Grundlagen für die Arbeit des DBSH
e.V. Hrsg. von DBSH – Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V., S. 14. http://www.dbsh-
bund.de/grundlagenheft_-PDF-klein.pdf (11.03.2013). 67
International Federation of Social Workers o.V.: Definition of Social Work, 2012.
http://ifsw.org/policies/definition-of-social-work/ (09.04.2013). 68
Die Rohfassung wird bis Ende des Jahres 2013 besprochen. Daraufhin werden eventuell aufgrund von
Verbesserungsvorschlägen Änderungen vorgenommen. Im Juli 2014 ist die Verabschiedung einer finalen
Version von Vertretern der IFSW und IASSW geplant, vgl. International Federation of Social Workers o.V.: The
Future of Social Work. http://ifsw.org/get-involved/global-definition-of-social-work/ (09.04.2013). 69
International Federation of Social Workers o.V.: The Future of Social Work. http://ifsw.org/get-
involved/global-definition-of-social-work/ (09.04.2013).
c) Definition des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht brachte anlassbedingt eine Definition von Sozialer Arbeit, welche
im Folgenden zitiert wird:
„Knapp definiert besteht die Aufgabe des Sozialpädagogen in der Hilfe zur besseren
Lebensbewältigung, was sich je nach der Problemsituation und auslösender
Lebenslage als Entwicklungs-, Erziehungs-, Reifungs- oder Bildungshilfe verstehen
lässt. Durch psychosoziale Mittel und Methoden sollen die als Bedürftigkeit,
Abhängigkeit und Not bezeichneten Lebensumstände geändert werden. Die Tätigkeit
des Sozialarbeiters hat die Veränderung des Menschen, seiner Lebenslage und
Lebensqualität und der sie bedingenden gesellschaftlichen Strukturen als Ziel
beruflichen Handelns.“70
d) Miteinander harmonierende Aspekte
Die soziale Arbeit, welche vom Propheten Muhammad in der Moschee in Medina initiiert
wurde, erfüllt die folgenden Kernpunkte der sich noch in Kraft befindenden Definition der
IFSW:
Förderung des Gemeinwohls71
Förderung des sozialen Wandels und der Lösung von Problemen in
zwischenmenschlichen Beziehungen72
Befähigung der KlientInnen dazu, in freier Entscheidung das Leben besser zu
gestalten73
Eingriff dort, wo Menschen mit ihrer Umwelt in Interaktion treten74
Darüber hinaus harmoniert die moscheezentrierte soziale Arbeit des Propheten Muhammad
mit folgenden neu aufgenommenen Elementen der neuen Rohfassung der IFSW:
Die Förderung von sozialer Entwicklung und sozialem Zusammenhalt/ Solidarität75
70
BAG Urteil vom 18. Juni 1997 - 4 AZR 764/95 - AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 38 mwN; 26. Juli 1995
- 4 AZR 318/94 - AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 8. In: Benjamin Bremert o.V.: BAG · Urteil vom 13.
September 2006 · Az. 4 AZR 236/05. http://openjur.de/u/171177.html (08.04.2013). 71
Siehe dazu Kapitel II. 5. 72
Ebd. 73
Ebd. 74
Ebd.
Befähigung der KlientInnen76
Die Zentralität von getragener Verantwortung seitens der Gemeinde77
Der im aktualisierten Entwurf neu aufgenommene Aspekt des Respekts vor Diversität steht
ebenfalls mit dem islamischen Konzept in Einklang, da der Quran unter Beachtung der
Glaubensfreiheit („Euch eure Religion und mir meine Religion“78
) nach einer multireligiösen
Nachbarschaft strebt, welche sich Wohltaten erweist:
„Und dient Allah und gesellt Ihm nichts bei. Und zu den Eltern sollt ihr gütig sein und
zu den Verwandten, den Waisen, den Armen, dem nahen Nachbarn, dem fernen
Nachbarn79
…“.80
Den Vers weiterhin erläuternd, konstatieren Korankommentatoren, dass sich die Nähe bzw.
Ferne, auf die Verwandtschaftsbande, die räumliche Nähe wie auch auf die Religion zu
beziehen vermag. Somit ist also gemäß dieser Auslegung auch der nichtmuslimische Nachbar
in der Aufforderung des Verses miteingeschlossen. Unabhängig davon steht durch Aussagen
des Propheten Muhammad fest, dass dem nichtmuslimischen Nachbarn ebenfalls Wohltaten
zu erweisen sind81
, darunter:
„Keiner von euch kann als ein wirklicher Gläubiger gelten, wenn er sich satt ißt,
derweil sein Nachbar hungert.“82
Für die Frühgeschichte des Islam bezüglich staatlicher Sozialleistungen für
nichtmuslimische Einwohner ist u.a. festgehalten, dass Khalid ibn Walid, der muslimische
Heerführer Mitte des 7. Jahrhunderts, mit den christlichen Bewohnern von Hira einen Vertrag
eingegangen ist, der folgenden Gruppen das Recht auf staatliche Versorgung bei Befreiung
75
Ebd. 76
Ebd. 77
Ebd. 78
Bubenheim /Elyas (Übersetzer): Der edle Qur'an, Sure 109, Vers 6, S. 603. 79
Hier wurde die in dieser Arbeit durchgängig verwendetet Übertragung des Korans von Bubenheim und Elyas
bereits interpretativ übersetzt, jedoch ist zunächst die Ausgangsbedeutung von الجار ذي القربى والجار الجنب„Der
nahe und der ferne Nachbar“. vgl.: Ministerium für Islamische Angelegenheiten o.V.:
http://www.islamweb.net/newlibrary/display_book.php?flag=1&bk_no=65&ID=480 (07.04.2013) 80
Bubenheim /Elyas (Übersetzer): Der edle Qur'an, Sure 4, Vers 36, S. 84. 81
Vgl.: Ministerium für Islamische Angelegenheiten o.V.:
http://www.islamweb.net/newlibrary/display_book.php?flag=1&bk_no=65&ID=480 (07.04.2013) 82
Asad, Muhammad; Zbinden, Hans. Hrsg.: Islam und Abendland: Begegnung zweier Welten: eine
Vortragsfolge. Olten: Walter, 1960, Seite 14.
http://books.google.de/books?id=8NElAQAAIAAJ&q=Islam+und+Abendland&dq=Islam+und+Abendland&hl=
de&sa=X&ei=zkplUf_1LYXRsgaK4oGQCA&ved=0CD4Q6AEwAQ (10.04.2013).
von Steuern garantierte: Arbeitsunfähige Senioren, von Schicksalsschlägen Heimgesuchten
wie auch bedürftige Verschuldete. Dass diese Rechte kein Politikum sind, sondern aus den
zentralen Lehren des Islam entspringen, wird daran deutlich, dass der zweite Kalif des Islam,
ʿUmar, als er erfuhr, dass ein alter jüdischer Mann aufgrund von Alter und Bedürftigkeit
bettelt, ihn zur muslimischen Staatskasse führte und befahl, dass man ihn und
seinesgleichen ausreichend versorgen solle. Begründet hat er dies mit dem universalen Wert
der Gerechtigkeit.83
Bezüglich der Definition des Bundesarbeitsgerichts, so ist es ersichtlich, dass die
moscheezentrierte soziale Arbeit des Propheten Muhammad diese vollkommen erfüllt, da die
moscheezentrierten sozialen Dienste insgesamt zur besseren Lebensbewältigung beitrugen.
Vor allem sind dabei Erziehungs- und Bildungshilfen deutlich zum Vorschein getreten.
Bedürftigkeit sowie die sie bedingenden gesellschaftlichen Strukturen wurden der besseren
Lebensqualität der Klienten willen durch psychosoziale Mittel und Methoden angegangen.
e) Debattierbare Aspekte
Zur Debatte steht, bzw. ferner zu erörtern gilt, ob die behandelten Definitionen auch insoweit
erfüllt werden, als es um wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und
sozialer Systeme und Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit geht. Im
weiteren Verlauf werden diese Thematiken erörtert
aa) Wissenschaftliche Verankerung
Auf den Einwand, dass die beschriebenen Hilfen nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse
über menschliches Verhalten und sozialer Systeme gestützt waren, ist einerseits zu entgegnen,
dass aufgrund der relativ einfachen Beschaffenheit der thematisierten sozialen Probleme dies
auch nicht vonnöten gewesen ist.
Zum anderen ist festzuhalten, dass der vom Propheten Muhammad vermittelte Islam als
gelebte Religion offenbar wirksam darin war, u.a. durch die verwirklichten sozialen Dienste
den damaligen sozial Schwachen eine Lebensperspektive sowie Lebensaufgaben zu
vermitteln, welche verschiedenen persönlichen und sozialen Problemlagen vorbeugte, sie
linderte und auch löste. Somit sollte das damalige Erfolgsmodel als Gegenstand
wissenschaftlicher Forschung insbesondere von der Sozialarbeitswissenschaft auf eventuelle
83
Vgl. Abu Yusuf: Al-Kharadsch. In: Mourad, Rami: Multireligiöse Gesellschaft und Integration im
Osmanischen Reich. Heidelberg: Europäische Gesellschaft für Friedensforschung und Dialog zwischen den
Kulturen e.V., 2003, S.109.
Übertragungsmöglichkeiten untersucht werden. Wenn dies jedoch im Vorhinein kategorisch
mit der Begründung ausgeschlossen wird, dass damalige Hilfen sich nicht auf
wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und sozialer Systeme stützten, ist
dies gerade aus sozialarbeitswissenschaftlicher Sicht kontraproduktiv, da es gilt, aus
Erfolgsmodellen induktiv wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Dieser Auftrag
gründet sich einerseits ihm Wohl der Klienten und anderseits im Dienst an die Profession und
Wissenschaft der Sozialen Arbeit.
In dieser Argumentationslinie steht ebenfalls, dass sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt,
dass Soziale Arbeit nicht ausschließlich auf wissenschaftlichen Quellen basiert, sondern auch
auf „indigenes“ bzw. „einheimisches“ Wissen, wie die der neue Definitionsentwurf der IFSW
für Soziale Arbeit belegt:
„Underpinned by theories of social work, social sciences, humanities and indigenous
knowledges, social work engages people and structures to address life challenges and
enhance wellbeing.”84
bb) Soziale Arbeit und Prinzipien der Menschenrechte sowie sozialer Gerechtigkeit
Es wird in sozialarbeitswissenschaftlichen Diskursen u.a. vertreten, dass Soziale Arbeit,
welche per Definition auf Menschenrechte fußt, mit dem Islam bzw.
Menschenrechtsdeklarationen, welche auf dem Islam beruhen, nicht zu harmonieren
vermag.85
Diese Ansicht zu belegen versuchend wird aufgeführt, dass der Islam mit seinen
Regelungen zum Teil als nicht kompatibel mit den AEMR betrachtet wird, insbesondere im
Bereich von Frauenrechten, Rechten von Nichtmuslimen sowie in Angelegenheiten, welche
die Religionsfreiheit betreffen.86
Darauf entgegnend ist festzustellen, dass die von der IFSW in ihren Definitionen erwähnten
Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit in den Definitionen selbst oder
Kommentaren zu diesen nicht einschlägig definiert bzw. eingegrenzt werden,87
auch wenn die
84
International Federation of Social Workers o.V.: Global Definition of Social Work. http://ifsw.org/get-
involved/global-definition-of-social-work/ (09.04.2013). 85
So sind dieser Diskussion beispielsweise in dem Buch von von Ramseier/Bozic: Islam und Soziale Arbeit
zwei Unterkapitel dieser Frage gewidmet: „Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit aus islamischer Sicht“
(Seiten 63-68) sowie „Übertragungsfrage im Kontext der Menschenrechte“ (S. 113-116). 86
Vgl. Ramseier/Bozic: Islam und Soziale Arbeit, S. 115. 87
Vgl. International Federation of Social Workers o.V.: The Future of Social Work. http://ifsw.org/get-
involved/global-definition-of-social-work/ (09.04.2013); International Federation of Social Workers o.V.:
Definition of Social Work, 2012. http://ifsw.org/policies/definition-of-social-work/ (09.04.2013).
IFSW sich auf der Homepage u.a. auf die AEMR bezieht88
.
Soziale Arbeit im übergeordneten Sinne ist etwas, dass die Menschheit seit jeher in der einen
oder anderen Form begleitet hat und von ihrem Kern her in diesem Sinne eine universelle
Erscheinung ist und daher nicht in der Form zu politisieren, dass lediglich ein einziges
Verständnis von sozialer Gerechtigkeit bzw. Menschenrechten die Basis von Sozialer Arbeit
sein kann. So schreiben Simone Ramseier und Jerko Bozic:
„Soziale Arbeit ist grundsätzlich ein moderner Begriff und deswegen in den
Weltreligionen inexistent. Die Idee der Nächstenliebe ist allerdings so alt wie die
Menschheit selbst und selbstverständlich auch im Islam vorhanden.“89
Auch belegt die Praxis des IFSW, dass die Organisation verschiedene kulturelle
Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit anerkennt, denn sie erkennt die Soziale Arbeit von
über 90 Mitgliedern aus verschiedenen Staaten durch die Mitgliedschaft in der IFSW an. Die
betreffenden Staaten haben verschiedene Rechtssysteme, Gesetze sowie verschiedene
kulturellere Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit. Als Beispiel werden an dieser Stelle
Deutschland und die USA herangezogen. Beide Staaten haben verschiedene Vorstellungen
von sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten im Detail, welche sich auch auf die
Verfassung und die Gesetzgebung auswirk(t)en. So ist beispielsweise in Deutschland im
Grundgesetz das Sozialstaatsprinzip verankert und in den USA nicht. In den USA hingegen
ist das Recht eines jeden Bürgers auf Waffenbesitz Teil der Verfassung90
und die Todesstrafe,
welche in Deutschland durch das Grundgesetzt aufgehoben wurde91
, ist in 33 von 50
Bundesstaaten anwendbar.92
Vorangegangenes Verständnis unterstützend, wurde auf Anfrage hin, ob sich die Definition
von Sozialer Arbeit auf die AEMR bezieht, kein Bekenntnis zur AEMR gegeben. Auch wurde
die Frage, ob es in Staaten, welche bei Abweichungen der AEMR von der Cairo Declaration
88
vgl. International Federation of Social Workers o.V.: Human rights. http://ifsw.org/policies/human-rights-
policy/ (11.03.2013). 89
Ramseier/Bozic: Islam und Soziale Arbeit, S. 89. 90
The U.S. National Archives and Records Administration o.V.: Bill of Rights 1789.
http://www.archives.gov/exhibits/charters/bill_of_rights_transcript.html (13.04.2013) 91
Vgl. Deutscher Bundestag. Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland. Artikel 102 GG [Abschaffung
der Todesstrafe]: Hrsg. von: Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Berlin, 2010.
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gg/gesamt.pdf (11.04.2013) 92
Vgl.: Death Penalty Information Center o.V.: States With and Without the Death Penalty.
http://www.deathpenaltyinfo.org/states-and-without-death-penalty (13.04.2013)
Human Rights in Islam (CDHRI)93
, die CDHRI94
heranziehen, ihrer Definition nach
überhaupt „Soziale Arbeit“ geben kann, nicht verneint.95
Antwortend auf eine einschlägige Anfrage wurde von Vishanthie Sewpaul, der Vorsitzenden
des Komitees für die internationale Definition von Sozialer Arbeit der International
Association of Schools of Social Work (IASSW), geäußert, dass der neue Entwurf sich auf
keine Menschenrechtsdeklaration bezieht:
“The new proposed definition certainly does not make reference to any specific
declaration.”96
Ferner ist festzuhalten, dass die CDHRI nicht aufgrund von inhaltlichen Konflikten
unberücksichtigt blieb, vielmehr gab es keine Auseinandersetzung mit der CDHRI, da die
Aufnahme einer religiösen Menschenrechtserklärung von Vertretern der IASSW97
, welche
gemeinsam mit der IFSW die künftig in Kraft tretende Definition ausarbeitet98
, als unpassend
im Hinblick darauf gesehen wird, dass die IFSW und IASSW als internationalen Organisation
allen Religionen gerecht werden möchten.99
Weiterhin das Argument stützend, dass die IFSW die AEMR nicht zum einzig gültigen
Maßstab erhoben hat, ist die Tatsache, dass die „Afrikanische Charta der Menschenrechte und
der Rechte der Völker“, kurz „Banjul Charta“100
, ein Dokument ist, welches die IFSW als
Dokument aufführt, das die „grundlegenden Instrumente der Menschenrechte bekräftigt“101
.
Dabei widerspricht die Banjul Charta in zentralen Punkten anderen Dokumenten, welche die
93 Deutsche Übersetzung einsehbar in: Gewissen und Freiheit. Heft 36. Dossier: Religionsfreiheit moslemische
Länder, 1991. In: Alexander Müller o.V. http://www.dailytalk.ch/wp-
content/uploads/Kairoer%20Erklaerung%20der%20OIC.pdf (11.03.2013).
94 Im Folgenden wird Cairo Declaration on Human Rights in Islam nur noch mit der Abkürzung „CDHRI“
wiedergegeben.
95 Vgl. Email von Susan Lawrence (04.01.2013). Susan Lawrence ist Vorsitzende der European Association of
Schools of Social Work sowie Vorsitzende der Fakultät für Sozial- und Humanwissenschaften der London
Metropolitan University.
96 Email von Vishanthie Sewpaul (18.03.2013). Professor Vishanthie Sewpaul Vorsitzende des Komitees für die
internationale Definition von Sozialer Arbeit der IASSW.
97 Im Folgenden wird International Association of Schools of Social Work nur noch mit der Abkürzung
„IASSW“ wiedergegeben.
98 Vgl. International Federation of Social Workers o.V.: Definition of Social Work, 2012.
http://ifsw.org/news/new-draft-global-definition-of-social-work-for-your-feedback/ (19.03.2013).
99 Vgl. Email von Vishanthie Sewpaul. (18.03.2013).
100 Deutsche Übersetzung einsehbar in: Dr. Ragnar Müller o.V.:
http://www.dadalos.org/deutsch/Menschenrechte/Grundkurs_MR2/Materialien/dokument_7.htm (11.03.2013).
101 Vgl. International Federation of Social Workers o.V.: Human rights. http://ifsw.org/policies/human-rights-
policy/ (11.03.2013) .
IFSW als „grundlegende Instrumente der Menschenrechte“ bezeichnet. So sind u.a. folgende
Abweichungen der Banjul Charta in diesem Zusammenhang erwähnenswert:
Das Recht zur freien Wahl des Ehegatten, welches u.a. in Art. 16 der AEMR102
erwähnt wird, ist nicht festgehalten.
Das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, welches in Art. 11 des
Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte103
verbrieft
ist, findet keine Erwähnung.
Das Recht auf Freizeit und bezahlten Urlaub, welches in Art. 24 der AEMR104
Eingang gefunden hat, wurde ausgespart.
Das Recht auf Schutz des Privatlebens, welches u.a. in Art. 17 des Internationalen
Paktes über bürgerliche und politische Rechte105
Eingang gefunden hat, findet keine
Erwähnung
Ebenfalls nicht erwähnt wurde eine Ächtung der Todesstrafe oder deren Eingrenzung,
wie sie in Art. 6 des UN Menschenrechtspaktes über bürgerliche und politische
Rechte106
festgehalten ist.
Die Aufnahme der Banjul Charta von der IFSW unter den Dokumenten, welche
„grundlegenden Instrumente der Menschenrechte bekräftigen“, ist ein weitere Beleg, dass
Unterschiede zwischen der AEMR und der CDHRI nicht relevant für die Sozialer Arbeit als
solche sowie für deren Definition sein müssen.
cc) Zwischenergebnis
Die Erwähnung von Prinzipien der Menschenrechte sowie der sozialen Gerechtigkeit
innerhalb Sozialarbeitsdefinition der IFSW ist nicht als striktes Bekenntnis zur AEMR bzw.
zu einem einzigen Verständnis von sozialer Gerechtigkeit zu werten. Folglich steht der Islam
mit dem heutigen Verständnis von Sozialer Arbeit nicht in Konflikt wie anhand der obigen
102 Vgl. Resolution 217 A (III) der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948: Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte. http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger (14.03.2013)
103 Vgl. Auswärtiges Amt o.V.: Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom
19.Dezember 1966. http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/360806/publicationFile/3618/
(14.03.2013).
104 Vgl. Resolution 217 A (III) der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948: Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte. http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger (14.03.2013).
105 Vgl. Auswärtiges Amt o.V.: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.Dezember
1966. http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/360794/publicationFile/3613/IntZivilpakt.pdf
(14.03.2013).
106 Vgl. Ebd.
Ausführungen wie auch aufgrund der für diese Frage relevanten Stellungnahmen von
Vertretern der IFSW gezeigt wurde.
8. Fazit
Aus der Darstellung der moscheezentrierten sozialen Dienstleistungen des Propheten
Muhammad, der islamwissenschaftliche Betrachtung sowie aus den Ergebnissen des
Abgleichs der moscheezentrierten sozialen Dienste mit den Definitionen von Sozialer Arbeit
der IFSW und des Bundesarbeitsgerichts geht die Begründung der Moschee als
Sozialeinrichtung hervor.
Gesamtergebnis
Die Literaturrecherche zu dieser Arbeit hat gezeigt, dass die Materie der sozialarbeiterischen
Sicht auf den Islam als Religion und Muslime als Klienten relativ unerforscht ist. Die
vergleichsweise wenigen Abhandlungen zu diesen Thematiken bieten darüber hinaus oftmals
nur eine geringe und oberflächliche Auseinandersetzung anhand der religiösen Quellen,
obgleich einige Buchtitel anderes erwarten lassen.
Einige Missverständnisse werden so in einem Bereich bedingt, innerhalb dessen von
vornherein schon wenig Wissen herrscht. So konnte die Arbeit zunächst die Auffassung
widerlegen, der Islam sei inkompatibel mit dem heutigen Verständnis von Sozialer Arbeit.
Weiter hat die vorliegende Untersuchung dargelegt, dass Moscheegemeinden als
Sozialeinrichtungen betrachtet werden können, so dass sich das behandelte Thema als
tauglicher Gegenstand einer Abschlussarbeit des Studiums Management von Gesundheits- &
Sozialeinrichtungen qualifiziert.
Sowohl Muslime in Deutschland, insbesondere die Verantwortungsträger innerhalb der
Moscheen, wie auch Sozialarbeiter stehen aufgrund ihres Berufes bzw. Berufung in der
Pflicht, zum Wohl des einem anvertrauten Menschen zu handeln. Aufbauend auf der - auch
und gerade für in Moscheen Engagierte - wichtigen Erkenntnis, dass Moscheen auch
Funktionen von Einrichtungen der Sozialen Arbeit erfüllen, sind zahlreiche Potenziale für die
Soziale Arbeit an sich erschließbar, um das Wohl der Klienten zu fördern und so auch den
eigenen Handlungsauftrag zu erfüllen. Dazu ist vor allem Zusammenarbeit zwischen den
jeweiligen Institutionen nötig, welche eine Öffnung auf beiden Seiten voraussetzt. In diesem
Sinne möchte die vorliegende Arbeit als Schlüssel und Brücke dieser bilateralen Öffnung
dienen.
Gleichfalls vermag die Begründung der Moschee als Sozialinstitution einen Impuls innerhalb
theologischer Studiengänge zu setzen, welcher die Moschee bzw. die Moscheegemeinde im
Lichte des Gemeinwohls beleuchtet. Letzteres wäre auch der gesellschaftspolitischen Debatte
zu wünschen, welche zu oft im Dienste von islamophoben Stereotypen steht.
Quellen und Literaturverzeichnis
I. Allgemeine Quellen
Auswärtiges Amt o.V.: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom
19.Dezember 1966. http://www.auswaertiges-
amt.de/cae/servlet/contentblob/360794/publicationFile/3613/IntZivilpakt.pdf (14.03.2013).
Auswärtiges Amt o.V.: Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
vom 19.Dezember 1966. http://www.auswaertiges-
amt.de/cae/servlet/contentblob/360806/publicationFile/3618/ (14.03.2013).
BAG 18. Juni 1997 - 4 AZR 764/95 - AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 38 mwN; 26. Juli
1995 - 4 AZR 318/94 - AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 8. In: Benjamin Bremert o.V.:
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Association of Schools of Social Work sowie Vorsitzende der Fakultät für Sozial- und
Humanwissenschaften der London Metropolitan University.
Email von Vishanthie Sewpaul (18.03.2013). Professor Vishanthie Sewpaul Vorsitzende des
Komitees für die internationale Definition von Sozialer Arbeit der IASSW.
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Menschenrechte und der Rechte der Völker“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
Bearbeitungsstand: 31. Januar 2013, 11:49 UTC.
URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Afrikanische_Charta_der_Menschenrechte_u
nd_der_Rechte_der_V%C3%B6lker&oldid=113619882 (Abgerufen: 14. März 2013, 20:37
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