Post on 20-Jun-2020
transcript
Zum Umgang mit Kompetenzrastern bei der Beurteilung komplexer
Schülerleistungen
10. SH-Sommeruniversität
Akademie Sankelmark
Stefan D. Keller Pädagogische Hochschule FHNW
Universität Basel
Kompetenzraster – ein unterschätztes Unterrichtsinstrument!
10. SH-Sommeruniversität
Akademie Sankelmark
Stefan D. Keller
Pädagogische Hochschule FHNW Universität Basel
Kompetenzraster können mehr als Du denkst!
10. SH-Sommeruniversität
Akademie Sankelmark
Stefan D. Keller
Pädagogische Hochschule FHNW Universität Basel
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 4
Ziele von Vortrag und Workshop Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen a) Grundlegende Funktionen von KR als Instrumente des
Lernens und Beurteilens verstehen b) Selber über deren Einsatz in der eigenen Praxis
nachdenken
Grundstruktur eines Kompetenzrasters – Kriterien und Qualitätsstufen
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 5
(Rogers 2010)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 6
Kompetenzraster und „Rubrics“ - schillernde Begriffe Assessment rubrics: Beurteilungsraster, Beurteilungsmodelle; erlauben die Einschätzung einer gewissen Fähigkeit; Instructional rubrics: aufgaben- oder themenspezifische Kompetenzraster; zeigen auf, was jemand bei einer bestimmten Aufgabe können sollte, oder was dabei Qualitäten sind
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 7
Beurteilungsraster (Beispiel: Schleswig Holstein)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 8
Aufgabenspezifisches KR (Instructional Rubric)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 9
Kompetenzraster & Rubrics The good, the bad and the ugly
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 10
The Good - Kompetenzraster helfen mit, den Unterricht auf klare Ziele auszurichten und
die konkreten Erwartungen an die Lernenden zu klären - Können eine Basis für „Backwards Planning“ sein: Lk weiss, wo sie hin will,
und arbeitet dann ein Unterrichtsarrangement aus, in dem die Lernenden diese Ziele erreichen können
- Kompetenzraster helfen den Schülerinnen und Schülern, zu verstehen, um was es im Unterricht geht
- SuS sollen verstehen, was genau eine gute Leistung in einem Gebiet ausmacht und wie man diese erreichen kann
- Sie können helfen, häufiger und hilfreicheres Feedback an die Lernenden zu geben (Prozessorientiert) à Wirkungskraft von Feedback (Hattie, 2011)
- Sie sind Grundlage für peer feedback und Selbstreflexion der Lernenden: Was kannst du schon? Was kann ich davon lernen? Wo stehe ich selber? Wo gehe ich hin?
- Rubrics helfen, die Leistungsbeurteilung klarer, objektiver und transparenter zu machen
- Sie führen zu empirisch nachweisbar höheren Leistungen (Coe, 2001)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 11
Mit Kompetenzrastern den Begriff von Leistung und Leistungsbeurteilung erweitern Der eigentliche Zweck von Leistungen in der Schule ist, dass sich die SuS daran bilden. Gesellschaftlich gesehen sind die Leistungen des SuS wertlos. Daher müssen sie vor allem von den Lernenden selber als Leistung betrachtet werden. (Winter, 2004, 149) Die Verbesserung der schulischen Leistungen führt über die Verbesserung der Lernprozesse. Kompetenzraster können dabei eine wichtige Rolle übernehmen, allerdings nicht alleine (Keller, 2014) Auf Ebene der Lernenden heisst das: Lernziele kennen, Aufzeichnung zur eigenen Arbeit machen, Muster analysieren, Feedback geben, Interesse für das eigene Vorgehen entwickeln, Produkte vergleichen, Leistungen präsentieren.
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 12
Rubrics – The Bad - Kompetenzraster sind für die SuS oft schwer zu verstehen - Sie sind kein Selbstläufer, kein Allerheilmittel und ersetzen nicht den
guten Unterricht - Die Arbeit mit KR ist aufwändig für Lehrer und Lernende - Sie sind beim Lernen wirkungslos, wenn sie nicht durch guten
Unterricht gerahmt, durch geeignete Aufgabenformate operationalisiert und durch gute Rückmeldungen gestützt werden
- Anspruch, durch das Lernen mit KR erhöhe sich die Motivation beim Lernen, durch empirische Studien nur teilweise gestützt (Brookhart et al. 2016)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 13
Rubrics – The Ugly - KR können die Kreativität vermindern oder stören (Ito, 2010); - Sie können beim Schreiben zu höheren Leistungen führen, aber
auch zu „sinnentleerten Texten“ (Wolf and Stevens, 2007; Mabry, 2013)
- Können Lernenden vorgaukeln, es gäbe einen „geraden Weg“ zum Können, dem man gedankenlos folgen könne (Bloxham et al. 2010)
- Peer-feedback kann belanglos oder verletzend sein - Selbstreflexion ist manchmal Augenwischerei - Sind Kompetenzraster reine Instrumente der Leistungsbeurteilung,
die nie in die Hände der SuS gelangen, versetzen sie die SuS in einen Zustand der Gedankenlosigkeit und Hilflosigkeit (Goodrich-Andrade, 2005).
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 14
Murmelphase Sind Kompetenzraster in meinem Unterricht / an meiner Schule ein Thema? In welchen Funktionen habe ich sie bisher eingesetzt? - um Lernziele klar zu machen - als Advance Organiser - als Grundlage für Peer Feedback - für prozessbegleitendes (formatives) Lehrer-Feedback - als Beurteilungsinstrumente / zur Notengebung - anderes, nämlich .................
Welche dieser Funktionen erscheinen mir wichtig oder sinnvoll? Wo habe ich Vorbehalte?
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 15
Kompetenzraster als Unterrichtsinstrumente
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 16
„Instructional Rubrics“ – aufgabenspezifische Raster Beschreiben konkret Qualitäten von Produkten, Artefakten und Schülerleistungen, welche als Lernziele vorgegeben sind oder im Rahmen der Arbeit im Unterricht erreicht werden sollen Meistens sind sie konkreter, aufgaben- und themenspezifischer als allgemeine Beurteilungsraster, welche „von aussen“ vorgegeben sind. Es gibt heute vielfältige IRs, die man sich besorgen und anpassen kann. Aber man kann sie auch selber herstellen – durch „Kompetenzexegese“ (Ziener, 2008)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 17
Instructional Rubric – Essay Writing in English
Das Raster beschreibt konkrete Herausforderungen, welche die SuS meistern sollen
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 18
Übung zur „Kompetenzexegese“ 1. Lesen Sie die kompetenzorientierten Lehrplanziele (nächste Folie)
durch. Skizzieren Sie nach ihrem eigenen Verständnis den Inhalt einer bestimmten Kompetenz bezogen auf ein bestimmtes Thema (Ziener 2008).
2. Drücken Sie so konkret als möglich aus, welche Qualitäten oder
Eigenschaften ein Produkt aufweist, welches die betreffende Kompetenz nachweist
3. Sein Sie dabei so konkret wie möglich und so allgemein wie nötig.
Hauptadressaten: die Schülerinnen und Schüler! Diese sollen verstehen, worum es bei einer bestimmten Sache konkret geht. Also einfache und klare Sprache verwenden.
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 19
Beispiele zur Auswahl: - Sich sprachlich verständlich, differenziert, und der Situation entsprechend
ausdrücken (Deutsch, Primarstufe, KR SH)
- Mathematisch argumentieren: mathematische Situationen erkunden, Zusammenhänge herstellen, mathematische Regeln nutzen (Math, Prim, SH)
- In der Fremdsprache argumentieren und gute Essays schreiben (Fremdsprachen, Oberstufe, International)
- chemische Reaktionen unter stofflichen und energetischen Aspekten erläutern; Chemie, 10. Schuljahr, SH);
- Eigene und fremde Meinungen und Überzeugungen auf zu Grunde liegende Argumente (Fakten, Interessen, Werte) hin befragen (Überfachliche Kompetenzen: LP21)
- Etwas anderes, nämlich .......................................................
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 20
Kompetenzraster und Lernaufgaben
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 21
Kompetenzraster im Unterricht brauchen dazu passende Aufgaben:
Zentrale Elemente der Arbeit mit guten Lernaufgaben: - jene Denk- und Lernformen operationalisieren, die in den
Kompetenzzielen vorgegeben sind - Am Vorwissen der anknüpfen - Auf komplexe, vielschichtige Lernprodukte ausgerichtet sein - Die Prozesse des Lernens dokumentieren und anderen
zugänglich machen (à Portfolio, Journal) - Unterschiedliche soziale Lernformen einfordern (gemeinsames
Problemlösen; peer feedback) - Durch Materialien und Scaffolding gestützt sein
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 22
Beispiel Mathematik
- K-Ziel: Mathematisch argumentieren: mathematische Situationen erkunden, Zusammenhänge herstellen, mathematische Regeln nutzen
- Daraus themenspezifische Kompetenzen ableiten: Ich kann in meiner Umwelt Wenn-Dann Zusammenhänge herstellen und in mathematische Regeln überführen (Proportionalität – „zwei Welten verbinden“).
- Dann in eine Aufgabe überführen: Wenn ein Maler eine Telefonkabine anmalt, braucht er dazu einen Tag. Wie lange brauchen 2 Maler? Erkläre, was passiert, wenn immer mehr Maler dazukommen. Wie lange brauchen z.B. 30 Maler? Formuliere weitere so verrückte Aufgaben und gib sie auch Erwachsenen zum lösen (Gallin, 2011)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 23
(Gallin, 2008)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 24
Murmelphase Gibt es in meinem Unterricht gute Lernaufgaben, die spezifisch auf die Kompetenzraster bezogen sind? Wo könnte ich solche Aufgaben finden? Mit wem könnte ich solche Aufgaben entwickeln?
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 25
Rückmeldeprozesse auf der Basis von Kompetenzrastern organisieren
26
Lernende, die gutes Feedback erhalten, sind erfolgreicher Einfluss typischen Unterrichts
Einfluss von Unterricht mit gutem Feedback
3 2 DankIhremFeedbackkannsichdieLernleistungumbiszu1ganzeNotesteigern ..oderz.B.dieDauerdesver=e>en
WohlbefindensummehralsdieHäl>e
Feedback als zentrales Kriterium von effizienten Lernprozessen (Hattie, 2011)
Plus: Feedback ist hilfreich für Ausbilden von Selbstregulation und Selbständigkeit
SH Sommerakademie 2017
(Hattie, 2011)
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 27
Warum Feedback und Peer-Feedback? - Rückmeldungen sind besonders nützlich im Lernprozess, bei der Lösung
eines Problems, beim Erstellen eines Produkts - Formative Assessment, Assessment for Learning: Leistungsbeurteilung
soll dem Lernen der SuS nützen, nicht nur Aussagen über sie treffen - Peer Feedback: Lernende sollen Interesse am eigenen Vorgehen und dem
von anderen entwickeln
- Ziel von (Peer-)Feedback ist es, etwas vom Experten-Wissen der Lk (d.h. Beurteilungswissen) auf die Lernenden zu übertragen. Sie sollen „zu ihren eigenen Lehrkräften werden“ (Hattie, 2011)
- Damit dies gelingt, braucht es Qualitätskriterien, und ein Verständnis, was
diese in der Praxis konkret bedeuten
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 28
Instructional Rubric als Grundlage für Feedback
Dieses Raster gibt nun konkrete Anhaltspunkte, an denen die SuS ihre Leistungen einschätzen können.
Rückmeldung zu einem Kurzvortrag
SH Sommerakademie 2017 29
Achtung: dient ausschliesslich dem formative assessment und der Lernförderung; keine gegenseitige Benotung durch Schülerinnen und Schüler!
17.09.17
Plakat zu einer „Awareness Campaign“ beurteilen (Keller & Williams, 2012
Kriterien mit den Lernern entwickeln
30 17.09.17 SH Sommerakademie 2017
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 31
Beispiel Englischunterricht obere Gymnasialstufe Kompetenzstandard Gymnasium, 12. Schuljahr): SuS können argumentative Texte verfassen und ihre Gedanken im Format eines „essays“ ausdrücken (EDK, 1994) Aufgabe: Versuche eine spannende, aufregende Rede in Englisch zu schreiben. Fehler sind nicht so schlimm. Drücke deine eigene Meinung aus und versuche, die Leserschaft (Klassenkollegen) von deiner Meinung zu überzeugen. Peer Feedback in offenem Format: Stärken und Schwächen erkennen und rückmelden (gleich am Anfang der Einheit) Je erfahrener und fortgeschrittener die Lernenden, desto grösser ist das Potential von Peer Feedback
Should English be taught in kindergarten in Switzerland?
English here, English there. You can hear it, you can see it written everywhere you go! There is the question that bothers us all. Should English be taught in Kindergarten in our lovely Switzerland? I say no! I say it out loud so that everybody shall hear it. Teaching English in Kindergarten doesn’t make any scense. We all know that English is our world language. You can use it in every country! But think about… its is necessary to teach it in Kindergarten? Think of the children’s welfare!
Gib deiner Partnerin / deinem Partner eine Rückmeldung. Wie wirkt der Text auf Dich, wo siehst du Stärken und Verbesserungspotential?
32"SH Sommerakademie 2017" 17.09.17
Peer Feedback von Nicola
I like the way you argue even though your arguments are always a bit similar. I think the points with ‘school system’ and the ‘cost’ are convincing. Good vocabulary and good sentences. If you had more time your speech would have been better, clearer, and more convincing. But you wrote a good one.
I think you forget what type of audience you have. Structure it more, don’t get too patriotic. I think you should have mentioned the positiv aspects as well to make your arguments even more convincing. Maybe add some personal experience as well.
Well done, Swissboy!
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 33
„Toolbox“: Qualitätskriterien mit den SuS gemeinsam entwickeln!
34"17.09.17 SH Sommerakademie 2017
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 35
Kompetenzraster als Beurteilungsinstrumente
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 36
Kompetenzraster als Beurteilungsinstrumente Evaluation von Möller und Machts (2016) in SH auf der 4. Jahrgangsstufe zeigte, dass... ... Eltern (92,9%) und die Lehrkräfte (69.8%) die Kompetenzraster als
verständlich bzw. eher verständlich betrachten
... einzelne Begriffe schwierig sind (Mathe: „Modellieren, was heißt das?“)
... Kompetenzraster mit Noten hoch korrelieren und deshalb als extern
validiert gelten können ... sich daraus in jedem Fach ein konsistentes Gesamturteil ergab ... Kompetenzrastereinschätzungen differenzierter sind als Noten
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 37
Weitere Vorteile von Kompetenzrastern bei der Beurteilung ... Es lassen sich damit Leitungen beurteilen, die nicht nur fachlich
kognitiv sind (Sozialkompetenzen, überfachliche Kompetenzen) ... Es lassen sich Leistungen beurteilen, die ausserhalb von klassischen
Prüfungssituationen erbracht wurden (Vorträge, Präsentationen, Essays, Laborberichte, Portfolios)
... Sie können einen Prozess begleiten, in welchem die SuS ihre
Leistungen präsentieren
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 38
Beispiel Englisch: Auftritt mit der eigenen Rede vor Klasse – Benotung mit Raster durch Lehrkraft
Ich zeige, was ich kann!
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 39
Murmelphase In welchen Situationen zeigen SuS in meinem Unterricht jene Leistungen, die „notenrelevant“ sind? Entstehen in meinem Unterricht Dokumente, Artefakte etc., welche die Kompetenzen der SuS direkt dokumentieren (und auf welche die SuS auch stolz sein können): Projekte, Exponate, Vorträge, Essays, Werkstattberichte... Gibt es in meinem Unterricht Anlässe, bei welchen die SuS ihre Leistungen präsentieren? Was könnten solche sein?
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 40
Take Home Message KR können helfen, Lernprozesse zu verbessen und Beurteilungen stärker lernwirksam zu gestalten. Allerdings nicht allein, sondern nur mit passenden Aufgaben und Rückmeldungen Aus Sicht des Lernens sind die Hauptadressaten von KR die Schülerinnen und Schüler – diese sollen verstehen, worauf es in einem Fachbereich ankommt. Sie sollen einen eigenen, inneren Kompass für Qualität ausbilden. KR sind wertvolle Instrumente zur Leistungsbeurteilung. Wer sie nur in dieser Funktion verwendet, nutzt ihr Potential nicht aus.
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 41
Noch viel mehr Infos und konkrete Ideen finden Sie in...
Lernprozesse - an Kompetenzzielen ausrichten - mit Portfolios begleiten und
dokumentieren - mit Kompetenzrastern bewerten
Mit vielen praktischen Beispielen aus allen Schulstufen!
Erscheint im Nov. 2017 beim hep Verlag
17.09.17 SH Sommerakademie 2017 42
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!
stefan.keller@fhnw.ch