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S 8 Vom Meditationskissen auf die Barrikaden S 12 Der Geist ist unendlichS 20 Gewaltig, aber gewaltlos S 26 Politiker ins Kloster S 36 Licht aus! S 42 Komm mir nicht zu Nah… S 50 Der Krankheit davonlaufen S 58 Mein Herz fliegt durch die Schweiz S 66 Passfahrten – eine Hassliebe – und mehr!
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Sept. / Oktober 201210.– CHF / 8.– €
Für intell igente Optimist innen und konstruk t ive Skept iker
Ruhe bitte!
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impRessum
Zeitpunkt 121 septembeR / OktObeR 2012Erscheint zweimonatlich, 21. Jahrgang
VeRlag / RedaktiOn / abOVeRwaltungZeitpunktWerkhofstrasse 19CH-4500 SolothurnAboverwaltung: Hannah WillimannTel. 032 621 81 11, Fax 032 621 81 10mail@zeitpunkt.ch, www.zeitpunkt.chPostcheck-Konto: 45-1006-5IBAN: 0900 0000 4500 1006 5ISSN 1424-6171
VeRtRieb deutschlandSynergia Verlag und MediengruppeErbacher Strasse 107, 64287 DarmstadtTel. (+49)6151 42 89 10 info@synergia-verlag.de
RedaktiOnCécile Knüsel CK, Melanie Küng MK, Christoph Pfluger CP, Roland Rottenfußer RR; Ständige MitarbeiterInnen: Sagita Lehner SL, Alex von Roll AvR, Ernst Schmitter, Billo Heinzpeter StuderGrafik & IIllus*: tom hænsel | tintenfrisch.net (* falls nicht anders angegeben)
anZeigenbeRatungCécile KnüselZeitpunkt, Werkhofstrasse 19CH-4500 SolothurnTel. 032 621 81 11inserate@zeitpunkt.ch
abOnnementspReiseDer Abopreis wird von den Abonnentinnen und Abonnenten selbst bestimmt.Geschenkabos: Fr. 54.– (Schweiz), Fr. 68.– (Ausland), Einzelnummer: Fr. 10.– / Euro 8.–.
dRuck und VeRsandAVD Goldach, 9403 Goldach
heRausgebeRChristoph Pfluger
titelbildtintenfrisch.net
beilagenTeilauflagen dieser Ausgabe liegen Prospekte des Albergo Santo Stephano und des Versand-hauses Waschbär bei. Wir bitten um freund-liche Beachtung.
papieRRebello Recycling
«….» F.
Zeitpunkt 122 3
Editorial
schnelleRund schRilleR
Liebe Leserinnen und Leser
Auch ich muss kurze Sätze schreiben. Wenn sich die Informationsmenge alle zwei Jahre verdoppelt, müssen wir Journalisten und Verleger nachziehen und entweder den Output oder die Lautstärke erhöhen – oder doppelt so gut schrei-ben. Sonst sind wir weg vom Markt der Aufmerksamkeit.
Das Beispiel zeigt: Die Beschleunigung erfasst uns alle und Lösungen sind nicht einfach. Wir haben uns für die Qualität entschieden und versuchen, den Zeitpunkt im nächsten Jahr auf eine neue Ebene der Relevanz zu heben. Wir werden unser Radar feiner einstellen und die Spreu vom Weizen besser trennen. Dies erfordert auch Mehrinvestitionen in zwei klassische Funktionen des Journa-lismus: die Recherche und die Auseinandersetzung mit den Meinungsmachern. Mehr dazu in den Verlagsmitteilungen auf Seite 81. Wir sind gespannt, ob Sie als Abonnenten und alle, die es vielleicht noch werden, diesen Mehraufwand mittragen. Der Abobeitrag bleibt auf jeden Fall frei. (Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl).
Die Gehirne würden sich aufweichen, warnten namhafte Ärzte bei der Einfüh-rung der Eisenbahn vor über hundertfünfzig Jahren. Die Befürchtung trat nicht ein. Aber vielen Menschen wurde ob dem hohen Tempo von 30 Kilometern pro Stunde schwindlig. Heute geraten wir ob derselben Geschwindigkeit in ganz andere Zustände. Der Mensch passt sich also an die Beschleunigung an. Wie weit diese Anpassungsfähigkeit geht, wissen wir nicht. Die Zeichen häufen sich aber, dass manche eine gesunde Grenze bereits überschritten haben.
Nicht nur Individuen müssen mit dem schnelleren Tempo fertig werden, auch die Gesellschaft mit ihren vielen Regelkreisen und labilen Gleichgewichten. Die Demokratie zum Beispiel, kann nur funktionieren, wenn den Entscheidungs-prozessen genügend Zeit gegeben wird. Ob die Politik rasch genug auf die Be-schleunigung reagiert, werden wir sehen – vielleicht schneller als uns lieb ist.
Ich glaube nicht, dass wir der Beschleunigung entkommen – da spielen auch universelle Gesetze mit, an denen nichts zu ändern ist. Aber wir können und müssen mehr Ruhe in unser Leben bringen: den Informationshaushalt über-denken, weniger wollen, Ruheinseln schaffen und hie und da richtiggehend Zeit vergeuden. Dazu möchte Ihnen dieses Heft Hintergrund, Anregung und Hinweise bieten.
Ich wünsche Ihnen ein geruhsames Jahresende, viel Erfreuliches und einen leichten Zugang zur grossen Ruheinsel, die wir jederzeit mit uns tragen, der Tiefe der Seele. Das tönt zwar privat und religiös, darf aber durchaus auch einmal an öffentlicher Stelle gesagt werden.
Mit herzlichen GrüssenChristoph Pfluger, Herausgeber
Die Ruhe ist der Meister der Bewegung. Lao-tse»
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6 Alles wird noch schneller werden – und vergehen Christoph Pfluger
10 Was wir wissen können – die Informationsmenge verdop-pelt sich alle zwei Jahre Christina Ax
13 Die Medien der Zukunft – das ‹slow-Media› Manifest14 Das Internet macht dumm – Die Auslagerung des
Denkens auf Maschinen schadet dem Gehirn Interview mit Manfred Spitzer
16 Der Schrei nach Stille – vollkommene Ruhe ist unsere grösste Sehnsucht und unsere grösste Angst
Roland Rottenfußer20 Die Kraft, die aus der Ruhe kommt – Quelle des Lebens
ist für Vegi-Pionier Walter Dänzer die Meditation. Wolf Südbeck-Baur22 Die Erwachten – für die wichtigsten Lärmquellen gelten
Grenzwerte, nicht aber für Kirchenglocken Sagita Lehner23 Letzte Ruhe bitte ! 24 Rituale: Sonderzeiten im schnellen Strom Martina Degonda26 Den Ohren nach…
und andere Kurzmeldungen28 Stille Wasser lesen gern…
unsere Medientipps aus der Stille
30 Die nächste Welt – geht es so weiter, wenn es so weiter geht? Johannes Heimrath
37 Das Fass ist grösser geworden – zum ESM-Entscheid des Bundesverfassungsgerichts Christoph Pfluger
38 Warum ist Island kein Thema? 39 Und er schadet doch! – Gentech-Mais führt zu schweren
gesundheitlichen Schäden. David Fritz40 Es geht auch ohne Chefs – Eine Kooperative in Venezuela
mit 20 000 Mitgliedern und 100 Mio. Dollar Umsatz funktioniert hierarchiefrei Ute Scheub
42 Ungenutztes Potenzial Lärmschutzwand Paul Dominik Hasler43 Christoph Mörgeli – und andere Gespenster Christoph Pfluger / Andreas Strehle44 Energie und Frieden sind vernetzt – der Historiker
Daniele Ganser erklärt die Zusammenhänge 46 Epidemiegesetz: – Pharma-Umsatz statt Gesundheit Christoph Pfluger
Inhalt
schweRpunkt: Ruhe bitte!
30 entscheiden & aRbeiten
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Inhalt
48 VOllweRtig leben
62 hORiZOnte eRweiteRn
48 Wo das «Kien» auf die Welt kommt – im Kioentalerhof begegnen sich Körper und Geist
Alex von Roll52 Der Philosoph des Schenkens – Der Künstler Peter
Frank betreibt eine «Freie Küche», und hat auch sonst viel zu bieten. Roland Rottenfußer
54 Wahre Werte56 Früh übt sich – wer glücklich altern will 58 Schäm dich! – Oder schäm ich mich? und andere Kurzmeldungen59 Die gute Adresse – für Ihre Gesundheit60 Fondue – wer hat’s erfunden? und andere Kurzmeldungen61 Die gute Adresse – für Ihr Zuhause
62 «Es hat mich auch schon angehaucht» – der Fotograf Felix Schönberg glaubt nicht an Gespenster, aber er liebt alte, vermodernde Gebäude Alex von Roll
66 Der ‹Weltvagant› der neuen Zeit – Werner Zimmermann, ein Pionier der Lebensreform Roland Schutzbach
68 Frankoskop – Chance Westschweiz Ernst Schmitter 70 Wo Veränderung beginnt Markus Höning 71 Die gute Adresse – für sanften Tourismus 72 Der Wald kämpft weiter – 25 Jahre Waldhandschrift73 Die guten Adresse für
sanften Tourismus & zur Horizonterweiterung75 Meilenstein – 50 Jahre Findhorn und weitere Kurzmeldungen77 Agenda78 Kleinanzeigen80 Leserbriefe82 Brennende Bärte: von Denknetzen und -lücken
Christoph Pfluger
Ruhe bitte!
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die Beschleunigung wird uns auffressen, da besteht nicht der geringste Zweifel. Das soll uns indes nicht hindern, uns vor diesem speziellen historischen Mo-ment noch ein paar Gedanken zur Zeit
zu machen – eine erkenntnistheoretische Henkers-mahlzeit gewissermassen.
Nun bin ich weder Philosoph, noch Physiker oder Theologe, sondern bloss ein Mensch, der die Dinge verstehen muss, um sich verständlich zu machen. Mein Verständnis der allgegenwärtigen Beschleu-nigung ist möglicherweise unrichtig, aber es liest sich hoffentlich leicht. Zudem war mir die Einsicht, der Beschleunigung nicht entkommen zu können, eine grosse Erleichterung, die ich gerne teile. Der Kampf, den wir alle führen, ist nicht zu gewinnen. Nur wissen wir noch nicht, was im Augenblick der Kapitulation geschieht. Möglicherweise ist es ein Sieg, ein Paradox wie viele Geheimnisse der Schöpfung. Auch dieses:
In diesem Universum gilt das Gesetz der Entro-pie: Alle Vorgänge streben nach einer Zunahme der Unordnung. Aber wir beobachten gleichzeitig das Ge-genteil: Die Ordnung nimmt zu. Leben differenziert sich, multipliziert die Interaktionsmöglichkeiten und beschleunigt damit die Veränderung. Sehr anschau-lich zeigt sich dies in der Entwicklung des Lebens auf
der Erde. Während die Bildung einfacher Einzeller noch Milliarden von Jahren erforderte, brauchte die Entwicklung multizellulärer Organismen bloss noch hunderte von Millionen. Damit aus Fischen Säugetiere werden konnten, genügten dann schon Dutzende von Jahrmillionen. Und der Schritt vom Primaten
zum homo sapiens war in zwei Millionen Jahren vollzogen und läutete damit eine neue Epoche der beschleunigten Veränderungen ein. Nach der lang-samen Physik und der schnelleren Biologie wird die Erdoberfläche nun von der blitzartigen menschlichen Intelligenz gestaltet.
Während noch vor tausend Jahren die Kinder in die Welt ihrer Grosseltern geboren wurden, verändert sie sich heute während eines einzigen Lebens praktisch zur Unkenntlichkeit. Alles, was sich ändert, zwingt alles in Beziehung mit exponentieller Zunahme ebenfalls zur Veränderung. Und so geht das, immer schneller, bis zum Punkt der gleichzeitigen Verän-
Die Zeit ist relativ, aber die Beschleunigung ist absolut. Wir können ihr, so ist zu befürch-ten, nicht entrinnen. Wir werden dabei unsere Identität verlieren, wahrscheinlich aber eine neue gewinnen. von Christoph Pfluger
Alles, was sich ändert, zwingt alles in Beziehung mit exponentieller Zunahme ebenfalls zur Veränderung.
wiRd nOch schnelleR weRden – und vergehen
Ruhe bitte!
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derung von allem – dem «weissen Loch in der Zeit» (the white hole in time) in der schönen Terminologie des englischen Mathematikers und Philosophen Peter Russell, Autor von «The Global Brain» 1983.
Was dann geschieht, wissen wir nicht. Vielleicht dauert der erdgeschichtliche Augenblick der totalen Veränderung mehrere Menschenleben. Vielleicht geht es auch ganz schnell. Immerhin ist das Gleichgewicht auf der Erde längst nicht mehr nur von Physik und Biologie abhängig, sondern vor allem vom wandel-baren menschlichen Geist. Sicher ist: Der Weg zu diesem weissen Loch ist schmerzhaft, denn er löst unsere Identität zunehmend auf.
Identität ist eine Grundbedingung des Mensch-seins. Wer allein im Universum lebt, braucht keine Identität. Er ist einfach. Wer dagegen wahrgenommen werden will, muss jemand sein. Identität ist nicht nur erforderlich, um wahrgenommen zu werden, sie entsteht erst durch die gegenseitige Wahrnehmung. Ich bin also nicht nur der ich bin, sondern auch der, als den ich wahrgenommen werde. Wenn sich die andern verändern, ändert sich auch meine Identität, selbst wenn ich derselbe bliebe. Wenn ich über Jahr-zehnte an denselben Meinungen festhalte, werde ich langsam zum «schrulligen Sonderling», ohne mich im geringsten verändert zu haben. Es gibt vermut-lich keine Möglichkeit, sich diesem Prozess zu ent-ziehen. Identität, Wahrnehmung und Veränderung sind in einem Regelkreis miteinander verbunden. Je mehr Menschen wir sind und je mehr Kontakte (Wahrnehmungen) stattfinden, desto grösser ist die Beschleunigung der Veränderungen.
Das Tempo der Veränderung in unserer Umge-bung hat also eine fundamentale Bedeutung für unser Selbstverständnis, für unser Tun und unser Handeln. Je stabiler die Verhältnisse, desto stabiler die Identitäten. In dieser schnelllebigen Zeit staunen wir über die Gleichförmigkeit früherer Biographien und erschrecken gleichzeitig über die geringe soziale Durchlässigkeit, die vor der Reformation das Leben bestimmte: Einmal Knecht, immer Knecht, und Kind und Kindeskinder noch dazu. Ein Leben genügte nicht, um eine der inneren Wahrheit gemässe Iden-tität zu bilden. Wer Gelehrter werden wollte, musste zuerst gebildete Eltern haben – die erfreulichen Aus-
nahmen bestätigen die Regel. Buchdruck, Aufklärung und Industrialisierung gaben dann grossen Bevölke-rungsschichten die Möglichkeit der selbstbestimmten Identitätsbildung. Der Drang zur Freiheit erfasste den Menschen. Man wollte jemand werden, und jeder hatte das Recht dazu. Das Ich eroberte die Welt.
Nur: Mir scheint, ‹peak ego› liegt schon hinter uns. Die Segnungen der Individualisierung begin-nen sich zum Fluch zu wandeln. Das zeigt nicht nur die wachsende Zerstörung unseres globalen Biotops, sondern auch die zunehmenden Schwierigkeiten der Identitätsbildung. Es ist vor allem die ökonomische Dynamik 8mit dem Zins als eingebautem Beschleu-nigungsfaktor), die es dem Menschen zunehmend erschwert, sich selber zu finden. Die sich immer schneller verändernde Wirtschaft braucht den «fle-xiblen Menschen», den Richard Sennet 1998 in seinem wegweisenden Buch beschrieben hat, dessen eng-lischer Titel treffender, aber weniger eingängig «The Corrosion of Character» lautet. Der «flexible Mensch» ist als Begriff zu freundlich, zu neutral. Denn der fle-xible Mensch reagiert auf Zwänge – in dieser Hinsicht ist er Sklave –, und er nutzt Gelegenheiten – in dieser Hinsicht ist er Opportunist. In der Summe macht uns die Beschleunigung also zu opportunistischen Sklaven. Das ist vielleicht ein harter Begriff, aber wir stehen mit der Beschleunigung vor einem absoluten Phänomen, das nicht durch Vieldeutigkeit vernebelt werden darf.
«Der flexible Mensch funktioniert nicht,» sagt der Soziologe Hartmut Rosa, Autor von zwei vielbe-achteten Werken über die Beschleunigung und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen.1 «Aus zwei Grün-den: Wenn alle flexibel werden, haben wir keine Gesellschaft mehr. Heute haben wir flexible Eliten, die auf stabile Hintergrundbedingungen treffen.
Der Kampf, den wir alle führen, ist nicht zu gewinnen. Nur wissen wir noch nicht, was im Augenblick der Kapitulation geschieht.
Wir leben in einem derart beschleunig-ten Moment der Geschichte, dass wir die Gegenwart erst erkennen, wenn sie schon wieder verschwindet. R.D. Laing
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Das geht. Aber wenn alle flexibel sind, wenn alle jetten, geht nichts mehr. Dann haben wir rasenden Stillstand.»
Die Beschleunigung erschwert die Identitätsbildung in mehrfacher Hinsicht: Auf der einen Seite braucht sie als mit anderen Menschen rückgekoppelter Pro-zess ihre eigene Zeit. Wenn die nicht mehr zur Ver-fügung steht, weil meine Reaktion auf die veränderte Umwelt auf eine bereits wieder umgestaltete Umge-bung trifft, wird die Rückkoppelung gekappt und die Identitätsbildung gestört. Dies wiederum blockiert die Beziehungen. Man kann nur in Beziehung treten, wenn man jemand ist, in individuellen Verbindungen als gefestigter Mensch, in der Gesellschaft als Bürger mit einer Position oder als Wirtschaftssubjekt mit identifizierbaren Fähigkeiten. Menschen, die niemand sind oder täglich jemand anders, können weder Be-ziehungen noch Arbeitsplätze halten.
Schliesslich erfordert die Erschaffung von Wahr-nehmbarem, selbst etwas Immateriellem wie Bildung eine gewisse Beharrlichkeit. Beispielhaft zeigen dies die grossen Leistungen. Selbst Erfindungen beruhen weniger auf Geistesblitzen als vielmehr auf Hart-näckigkeit. Die grossen Entdeckungen wurden von Menschen gemacht, die unbeirrt ihren Weg gingen. Das ist heute viel schwieriger geworden, und nicht etwa, weil das Ziel des Fortschritts erreicht wäre. Ganz im Gegenteil.
Der Verdacht liegt nahe: Die Beschleunigung, die noch vor 50 Jahren die Identitätsbildung erleichterte, hat bereits begonnen, sie zu erschweren. Ein In-diz dafür ist die bereits wieder abnehmende soziale Durchlässigkeit. Wer heute in der Hyperglobalisie-rung reüssieren will, braucht Eltern, die bereits zu den Globalisierungsgewinnern zählten. Bildungschancen hat, wessen Eltern sie nutzten. Bei Lichte besehen ist das Versprechen des Kapitalismus «Freiheit für alle» ein Trug. Das Wachstum macht wenige freier und viele unfreier.
Die Identität des Menschen wird noch von ande-rer Seite bedroht, die ebenfalls ihre Wurzeln in der Beschleunigung hat: der Digitalisierung. In seinem Buch «Das geraubte Gedächtnis – digitale Systeme und die Zerstörung der Erinnerungskultur» (2004) zeigt der Kulturhistoriker Manfred Osten: «Wo das Gedächtnis schwindet, schwindet auch die Identität» oder im einfachen Satz von Hans Magnus Enzensber-ger: «Gespeichert heisst vergessen.» Gemäss Osten, dem Schöpfer des eingängigen Begriffs der «digitalen Demenz», verstehen wir Bildung heute «als Bologna-Prozess; als beschleunigten Erwerb von Zukunfts-kompetenzen ohne Herkunftskenntnisse. Dann kön-nen wir regiert werden nach dem Prinzip ‹es gilt das gebrochene Wort›, weil sich sowieso keiner mehr erinnern kann, was gesagt worden ist. Wir haben auch unsere kulturelle Identität aufgegeben. Wir sind das, was Nietzsche gesagt hat, ‹gedächtnislose Legio-näre des Augenblicks›.» Indes: Immer mehr Legionäre brennen aus, leiden an Aufmerksamkeitsstörungen oder können nur noch in Scheinwelten überleben.
Die treffendste Formel für diesen Prozess hat der deutsche Gesundheitswissenschaftler Georges Fül-graff mit dem Akronym DEBIL gefunden: Dynamik, Entgrenzung, Beschleunigung, Identitätsverlust, Lei-stungsdruck.
Der mehrfache Identitätsverlust muss natürlich kompensiert werden. Die Werbung hilft tüchtig in diesem Prozess und verwandelt einfache Verbrauchs-güter in Kultgegenstände, mit derer Hilfe wir zum jemand werden. Eine bestimmte Zigarette rauchen, und schon wird man zum freien Abenteurer. Das ist weniger harmlos als es klingt. Emotionale Werbung wird gemacht, weil sie funktioniert und Milliarden ihr folgen. Das Internet wird zunehmend bevölkert
Der flexible Mensch reagiert auf Zwänge – in dieser Hinsicht ist er Sklave –, und er nutzt Gelegenheiten – in dieser Hinsicht ist er Opportunist.
Jeder meint, nur indem er die Zeit optimal füllt, dem Leben Dauer zu verleihen. Je schnel-ler wir werden und je mehr wir versuchen, die Zeit zu verdich-ten, desto knapper wird sie. Peter Heintel, Präsident
des Vereins zur Verzögerung der Zeit»
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von synthetischen Identitäten, hinter denen vielleicht nicht halb so viel steckt, wie wir vermuten. Eine potemkinsche Netzwelt – wir wissen es nicht. Man müsste in Kulturpessimismus verfallen, wenn wir uns dadurch nicht der Handlungsmöglichkeiten be-raubten. Denn wenn die opportunistischen, bezie-hungslosen Sklaven, die wir sind, angesichts bedroh-licher Veränderungen um ihr Leben fürchten, dann möchte man doch besser handlungsfähig sein.
Es ist also durchaus sinnvoll oder sogar überle-bensnotwendig, sich nicht von der Beschleunigung mitreissen zu lassen, auch wenn sich ihre Folgen nicht aufhalten lassen. Gesucht sind geeignete Strate-gien. Zeit sparen ist Symptombekämpfung und kann ohnehin nicht funktionieren. Mehr in weniger Zeit zu erledigen, ist nur tauglich, wenn man das Gesparte sogleich wieder vergeudet, also nichts tut. Und das dürfte in den wenigsten Fällen gelingen. Die Meister der Zeitverdichtung, die Manager, hat ihre Kunst nur noch näher an den Abgrund des rasenden Stillstands gebracht. Entschleunigung in allen ihren Formen ist natürlich in Ordnung, aber sie kann nur gelingen, wenn ein substantieller Teil der Bevölkerung mittut. Wenn nicht, ist für sie ein hoher Preis zu zahlen. Die Verlangsamten riskieren, sich wie die Amischen der offiziellen Welt des Mainstreams zu entfremden.
Ich sehe zwei Wege, die Beschleunigung frucht-bar zu machen: sie einerseits zu verstehen und andrerseits mit ihr zu gehen. Sie zu verstehen heisst, sie als Naturkonstante zu akzeptieren, aber auch, ihre menschgemachten Komponenten zu erkennen und so gut es geht zu neutralisieren. Unter diesen Faktoren spielt das Geldsystem und der darin ein-gebaute Zins die absolut wichtigste Rolle, noch vor Flugzeugen, Handy, Internet, Hochfrequenzhandel und anderen Brandbeschleunigern. Der Zins mit seinem eingebauten Zwang zum Mehr konsumiert laufend mehr Gegenwart, als in Zukunft geschaffen werden kann. Seit das zinsbehaftete Kreditgeld mit der Gründung der Bank of England 1689 in die Welt gekommen ist und immer hemmungsloser vermehrt wird, hat der Um- und Neubau der Erde eine ganz neue, hyperexponentielle Dimension erreicht. Die Industrialisierung wurde erst mit dem Kapitalismus zur Notwendigkeit, wie die schon Jahrhunderte zuvor
im osmanischen Reich erfundene Dampfmaschine zeigt, die nichts weiter in Bewegung setzte als den Bratspiess am Fest eines reichen Gutsherrn.2
Einen perfideren Zeiträuber und Antreiber als die sich vermehrenden Schulden gibt es nicht. Die ganze Welt ist abhängig von dieser Droge. Wenn wir auf diesem Trip nicht an einen absolut unwirtlichen Ort verschlagen werden wollen, gibt es nur eines: sich vom Geld emanzipieren! Und das heisst eher weniger brauchen als viel haben. Das ist vielleicht nicht gerade einfach, aber es ist möglich.
Ob der zweite Weg des Umgangs mit der Be-schleunigung – mit ihr zu gehen – überhaupt an ein Ziel führt, weiss ich nicht. Aber eine Überlegung ist er allemal wert. Wenn die Beschleunigung die gewohnten Identitäten auflöst, könnte nämlich auch etwas Neues entstehen, dessen Geburtshelfer wir jetzt schon sein können. Peter Russell, seit 40 Jahren ein Praktizierender der transzendentalen Meditation, sieht im bevorstehenden «weissen Loch in der Zeit» die Entstehung eines globalen Bewusstseins. Das ist plausibel, selbst wenn es auf den ersten Blick eso-terisch klingt. Wir haben ja nicht nur Identität und Überlebensdrang als Individuum, sondern auch als Mitglied einer Familie, als Teil einer Nation und nicht zuletzt auch als Weltenbürger und Teil der Mensch-heit. Erdenbürger bleiben wir, auch wenn die Be-schleunigung die individuelle Identität erodiert, die Familien zersplittert und die Nationalstaaten zerreisst. Das Selbstverständnis als Erdenbewohner könnte also bei einem individuellen Identitätsverlust einen riesigen Sprung vorwärts machen. Ich bin überzeugt, dass es so etwas wie eine globale Solidarität unter allen Menschen dieser Erde gibt, eine umfassende Verbindung und eine elementare Kraft der Humani-tät. Auf diese Kraft mussten wir bis jetzt noch kaum zurückgreifen. Aber wenn alles andere wegbricht, werden wir sie erkennen. Und ich bin überzeugt: Sie wird uns tragen.
Für Entschleunigung ist ein hoher Preis zu zahlen. Die Verlangsamten riskieren, sich wie die Amischen der offiziellen Welt des Mainstreams zu entfremden.
Es gibt nur einen Fortschritt, nämlich den in der Liebe. Christian Morgenstern
1) Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung: Umrisse einer neuen Gesellschaftskritik (Suhr-kamp,2012) und Beschleunigung
– die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne (Suhrkamp, 2005)
2) Tamim Ansary: «Die unbekannte Mitte der Welt» (Campus, 2010)
Ruhe bitte!
Ruhe bitte!
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was wiR wissen könnenDie Informationsmenge verdoppelt sich alle zwei Jahre. Selbst Maschinen haben Mühe, mit dieser Flut klarzukommen, erst recht der Mensch. Wer sich treiben lässt, verliert alle Gewissheit. Wie sie zu erlangen ist, schreibt Christine Ax
Vor einigen Jahren erzählte mir eine Füh-rungskraft der deutschen Wirtschaft fol-gende Geschichte. Er hatte viel Gutes über ein japanisches Managementretreat gehört und wollte wissen, was dran ist.
Das Seminar war extrem teuer. Der japanische Lehrer liess seine Schüler den ersten und zweiten Tag auf eine weisse Wand schauen. Sonst geschah nichts. Am Abend des zweiten Tages wurde der Erzähler dieser Geschichte ungeduldig. Er hatte das Gefühl, man mache sich über ihn lustig. Er fragte seinen Lehrer, warum er auf die Wand blicken solle. Der Lehrer nahm ein mit Wasser gefülltes Glas und fragte: «Was muss geschehen, damit wir in dieses Glas neues Was-ser füllen können?» Ohne die Antwort abzuwarten, drehte er das Glas um. Der Manager verstand und brach das Seminar dennoch ab.
Schön, diese Geschichte. Und mit Vorsicht zu ge-niessen. Ganz gleich, wie sehr wir uns der Mühe des Entlernens unterwerfen: Wir sind niemals ein unbe-schriebenes Blatt. Wir kommen mit einem umfang-reichen «Betriebsprogramm» auf die Welt. Und selbst unser Einfluss auf die «Anwendungsprogamme» ist begrenzt. 90 Prozent dessen, was wir zu denken glau-ben, «denkt uns». Die vielen Programme, mit denen uns die Evolution auf die Lebensreise schickt, macht unsere Idee von Freiheit und Objektivität zu einem gewagten Konstrukt. Das muss uns nicht erschre-
cken. Es sollte aber nachdenklich machen. Nachden-ken hilft meistens. Vordenken manchmal auch.
Wem oder was dürfen wir blind vertrauen? Un-seren Sinnen? Auf keinen Fall! Wenigstens nicht naiv. Und heute schon gar nicht mehr. Denn noch nie war die Wahrheit (was ist das?) so wertvoll und so bedroht wie heute. Bilder werden retuschiert, Ge-räusche gefaked, Informationen gehübscht und über den Kontext, in den sie gestellt werden, manipuliert. Und wir werden mit Informationen überflutet, die wir nicht mehr überprüfen können. Unsere Meinungen werden ge-Macht.
Es bedurfte übrigens weder des Internets, noch der Erfindung philosophisch angehauchter Talkshows, damit Menschen die Frage nach der Echtheit unseres Erlebens stellten. Ein kritischer Geist genügte schon
immer, um zuerst für Unruhe und dann für Ruhe zu sorgen. Selber Denken und selber ausprobieren ist bis heute das wirksamste Heilmittel gegen Des-Infor-mation, Halbwissen und Manipulationen.
Das Neue verdrängt das Wichtige.
Roland Barthes
Je schneller theoretisches Wissen wächst, desto schneller wachsen auch die Unsicherheiten und Ungewissheiten.
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Und was wissen wir Teilnehmer der Wissens-gesellschaft heute wirklich? Und was sollten wir wissen? Der Umfang dessen, was wir rein theoretisch «wissen» könnten, wächst schneller denn je. Universi-täten, Forschungseinrichtungen und Labors schiessen überall wie Pilze aus der Erde: Für Forschung und Wissenschaft wird immer mehr Geld ausgegeben. Immer mehr Menschen verfügen über immer mehr Schulbildung. Fernsehen, Internet und Wikipedia tra-gen nicht nur das gesammelte Wissen, sondern auch allerlei «Gewäsch» in den letzten Winkel. Noch nie war es so einfach, sich eine Meinung zu bilden oder eine Meinung zu übernehmen. Die Zahl der täglich neu veröffentlichten Publikationen ist zu einer Flut angewachsen, die nicht einmal Experten in ihrem Fachgebiet überblicken.
Bedeutet diese anschwellende Flut an Neuem auch, dass «altes Wissen» deshalb weniger wert ist? Wohl kaum. Der mengenmässige Ansatz geht an der Sache vorbei. Das Gegenteil ist der Fall: Je mehr Informationen verfügbar sind, desto kostbarer ist die Fähigkeit, neue Informationen adäquat zu be-urteilen. Umso wichtiger sind Menschen, die Infor-mation in Wissen verwandeln können, die ganze Wissenssysteme bzw. Wissenssysteme als Ganzes verstehen. Menschen, denen wir ausserdem ver-trauen dürfen.
Ich kann es auch an einem Bild erläutern: In der Wüste des Wissens gibt es wenig Anhaltspunkte da-für, wo wir sind und welchen Weg wir gehen müssen, um ein Ziel zu erreichen. Um in dieser Wüste den richtigen Weg zu finden, sollten wir über die Fähig-keit verfügen, anhand der Gestirne die Himmelsrich-tungen zu bestimmen, die Lage der nächstgelegenen Oasen kennen und wissen, welche es zu meiden gilt. Neben Orientierungswissen brauchen wir Gewissheit über unsere Bedürfnisse und Ziele – sonst laufen wir im Kreis oder verfehlen es.
Problematischer als jede Wüste ist ein Aufent-halt im Urwald des «Wissens». Es ist ein Ort, der sich ständig ändert, weil er ununterbrochen von im-mer neuen Informationen überwuchert wird. Denn dort müssen wir vermutlich auf einen Baum klettern, um die Sonne und die Sterne überhaupt noch sehen zu können.
In beiden Fällen ist es übrigens klug, mit anderen Besuchern des Urwalds und der Wüste zusammenzu-arbeiten, um sich ein gemeinsames Bild von der Landschaft zu machen und mit ihnen darüber zu reden, welchen Weg man einschlagen möchte. Da-raus ergibt sich fast immer der bessere Plan und der sicherere Weg. Ausserdem kann man ihn gemeinsam gehen, es ist unterhaltsamer und, wenn man das Ziel erreicht hat, ist man nicht allein.
Um Informationen und Wissensbestände bewer-ten zu können, müssen wir ständig Entscheidungen treffen: Welche sind wichtig? Welche nicht? Welche wenden wir an? Welche geben wir weiter? Und wa-rum? Wem vertrauen wir? Wozu soll das neue Wissen dienen? Wem helfen diese Informationen? Wem nüt-zen bestimmte Formulierungen? Welche Absichten stehen dahinter? Wird manipuliert? Von wem? Gibt es gute Gründe für das Gegenteil? Was ist Fortschritt? Und wohin soll es überhaupt gehen?
Der Begriff der «Wissensgesellschaft» hat neben dem Mengenaspekt auch noch einen ideologischen Anteil. Der Begriff wird vor allem von den wichtigen und gut bezahlten Protagonisten der Wissensgesell-schaft verwendet. Er soll den Eindruck erzeugen, es gehe heute überall in der Welt hauptsächlich um Wissen. Wenn Personalverantwortliche diesen Begriff verwenden, dann unterstellen sie damit auch gerne, wir alle und die Mitarbeiter seien heute kaum noch in der Lage, den hohen «Wissensanforderungen» zu genügen.
Aber viel zu oft ist das Gegenteil der Fall. Es gibt immer mehr anspruchslose, und dequalifizierende Arbeitsplätze. Aus vielen Menschen, die einen Beruf gelernt haben und ihn gerne ausüben würden, sind «Jobholder» geworden. Der Arbeitsmarkt kennt nicht
nur «Beschäftigte», die nicht genug wissen, sondern auch Arbeitnehmer, die Unterforderung als Stress erleben. Niemand wird als Kassiererin, Callcenter-agent, Bankangestellter, Versicherungsvertreter,
Wir werden mit Informationen überflutet, die wir nicht mehr überprüfen können. Unsere Meinungen werden ge-Macht.
Bei der ungeheuren Beschleunigung des Lebens werden Geist und Auge an ein halbes und falsches Sehen und Urteilen gewöhnt.
Friedrich Nietzsche
Ruhe bitte!
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Assistentin oder Verkäufer geboren. Wir sind zum ganzen Menschen bestimmt, mit vielen Fähigkeiten und Begabungen, die gelebt werden wollen, damit sie sich nicht gegen uns wenden.
Die «Wissensgesellschaft» hat bisher keines-wegs dazu geführt, dass mehr Menschen mehr wissen und mehr können. Nehmen wir z.B. die Le-sefertigkeit oder das Konzentrationsvermögen beim Zuhören. Die Fähigkeit, über längere Zeit komplexe Informationen aufzunehmen und sie «mitzudenken» hat abgenommen, wohingegen die Geschwindigkeit, mit der wir Bilder sehen können, gewachsen ist. Noch im 19. Jahrhundert hielten Politiker stunden-lang programmatische Reden, denen ein dankbares Publikum zuhörte. Inzwischen muss jeder Politiker
lernen, seine Botschaften in 30 Sekunden «rüber-zubringen». Soviel Zeit gestehen ihm die Nach-richtenmagazine zu. Die Kinos zeigen Actionfilme, die so schnell geschnit-
ten sind, dass nur noch unsere Kinder, durchweg praktizierende Videogamer, deren Handlung folgen können. Mehr und schneller bedeutet weder wahrer, noch wichtiger noch besser. Es führt zu einem Sog von Beliebigkeit, der jedes echte, eigene Denken tö-tet. Ohne Wertung und Ordnung wird alles scheinbar gleich wichtig. Am Ende ist nichts mehr wichtig.
Diese Wissensgesellschaft hat keineswegs bewirkt, dass die Bevölkerung als Ganzes immer gebildeter ist. Die Konkurrenz um die immer selteneren, begehrten, echten Wissensarbeitsplätze, hat die sozialen Unter-schiede verstetigt und verstärkt. Im Wettbewerb um die besten Jobs und die höchste Bezahlung geht der Zuwachs an Wissen und Können Weniger auf Kosten der Vielen. Solange Herkunft und soziale Stellung über den Bildungsverlauf entscheiden, sind wir von einer Wissensgesellschaft weit entfernt. Solches Wis-sen ist Herrschaftswissen.
Nico Stehr, Experte in Sachen «Wissensgesellschaft», hält Wissen für die Fähigkeit, sozial sinnvoll zu han-deln und selber etwas in Bewegung zu setzen. Er bezieht sich vor allem auf Francis Bacon und dessen häufig zitierten Satz «Wissen ist Macht» und meint damit, dass «echtes Wissen» vor allem das Potential hat, Wirklichkeit zu gestalten.
Je mehr Informationen wir zu Verfügung haben, desto mehr Handlungsmöglichkeiten gibt es. Theoretisch. Praktisch allerdings nicht. Die schnell wachsende Zahl an theoretischen Handlungsoptionen führt weder zwangsläufig zu mehr Handlungsmög-lichkeiten, noch macht sie unsere Entscheidungen
einfacher oder sicherer. Je schneller theoretisches Wissen wächst, desto schneller wachsen auch die Unsicherheiten und Ungewissheiten. Regierungen, Unternehmen oder Organisationen, die weitrei-chende Entscheidungen treffen, sind immer mehr auf Expertenwissen angewiesen. Denn sie können nicht mehr überblicken, welche Folgen ihr Handeln morgen und übermorgen hat. Und: Sie beeinflussen das Ergebnis durch ihr Handeln selber. Doch wer kontrolliert diese Experten? Von wem werden sie bezahlt? Wessen Lied singen sie?
Wie kann man unter solchen Bedingungen wis-sen, welches Wissen wirklich relevant ist? Gewissheit haben wir immer erst, wenn wir Wissen angewen-det und erfahren haben, was geschieht. Gewusst ist nämlich noch lange nicht gekonnt. Und am Ende zählt nicht, wer etwas zu wissen glaubte. Am Ende zählen die Ergebnisse.
Angesichts der Komplexität heutiger Systeme sind alle Versuche, über Simulationen die Folgen unseres Handelns vorauszusagen mit hohen Unsicherheiten verbunden. Wir fahren immer «mit dem Blick in den Rückspiegel» in die Zukunft. Die Frage ist nur: Mit welcher Geschwindigkeit?
Es gibt gerade in einer Wissensgesellschaft gute Gründe, denen zu misstrauen, die den Fuss an-gesichts all dieser Unsicherheiten auf dem Gaspedal halten. Wo es doch manchmal viel klüger wäre, hie und da stehen zu bleiben. Innezuhalten. Auf die Bäume zu klettern. Eine Landkarte zu malen und gemeinsam darüber zu reden, wohin wir eigentlich wollen.
Die Produktion von immer mehr Informationen und immer mehr Wissen kann weder für den Einzelnen, noch für die Gesellschaft oder unser Bildungssystem Selbstzweck sein. Wissen und Wissensproduktion müssen sich immer wieder der Kritik unterziehen. Das Grundrauschen an Informationen, dem wir aus-gesetzt sind, sollte uns ein Anlass sein, denen umso wacher zu misstrauen, die uns mit ihrem Wissen beeindrucken und beeinflussen wollen. Wir dürfen unseren eigenen Erfahrungen, unseren eigenen Ge-danken und Fähigkeiten vertrauen. Denn unser Glück und unser Wohlstand hängt nicht so sehr davon ab, dass Wenige immer mehr wissen, als davon, dass wir eine Umgebung schaffen, in der möglichst viele die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten zu entfalten und zu leben: mit Kopf, Herz und Hand.
Christine Ax, M.A., ist Philosophin und Ökonomin und lebt in Hamburg. Sie ist Expertin für nachhaltige Entwicklung und Handwerk. 1997 erschien «Das Handwerk der Zukunft», 2009 «Die Könnensgesellschaft – mit guter Arbeit aus der Krise». www.koennensgesellschaft.de
Selber Denken und selber ausprobieren ist bis heute das wirksamste Heilmittel gegen Des-Information, Halbwissen und Manipulationen.
Wo alles dringend ist, ist nichts mehr dringend, und damit schlittern wir in eine Bedeutungslosigkeit hinein. Joseph Weizenbaum
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die medien deR ZukunftDas Slow Media ManifestWer in der Informationsüberflutung seine Ruhe finden will, braucht «Slow Media». Wir haben nicht gewusst, dass es sie gibt, stellen aber fest: Der Zeitpunkt gehört dazu. von Sabrina David, Benedikt Köhler und Jörg Blumtritt
Analog zu Slow Food geht es bei Slow Media nicht um schnelle Konsumierbarkeit, sondern um Aufmerksamkeit sowohl bei der Zubereitung als auch beim Verzehr. Slow Media teilen gerne.Das Manifest stammt von den deutschen Medienwissenschaftlern Benedikt Köhler, Jörg Blumtritt und Sabrina David und wurde am 22. Medienforum Nordrhein-Westfalen im Juni 2010 vorgestellt. Hier die Kurzversion:
1. Slow Media sind und wirken nachhaltigSie zielen auf Nachwirkung, werden fair und um-weltgerecht herstellt. Nutzer kommen gerne zu ihnen zurück.
2. Slow Media fördern MonotaskingSie laden die Nutzer ein, sich ihnen aufmerksam und konzentriert zu widmen. Nutzer vertiefen sich gerne in sie.
3. Slow Media zielen auf PerfektionierungSie verstehen sich als lernenden Organismus, tau-schen sich mit der Außenwelt aus und wollen sich kontinuierlich verbessern.
4. Slow Media machen Qualität spürbarSie sind gut gemacht und ihre Nutzer suchen diese Qualität gezielt auf.
5. Slow Media fördern ProsumentenProsumenten entscheiden bewusst, wie sie Me-dien rezipieren und produzieren und beteiligen sich aktiv.
6. Slow Media sind diskursiv und dialogischSie suchen und ermöglichen das Gespräch, spre-chen und hören zu.
7. Slow Media sind soziale MedienSie aktivieren die Entstehung von offenen Deu-tungs- und Interessengemeinschaften.
8. Slow Media nehmen ihre Nutzer ernstSie kommunizieren aufrecht, hierarchiefrei, freund-schaftlich einvernehmlich und auf respektvolle Art kontrovers.
9. Slow Media werden empfohlenSie rufen danach, zitiert, weitererzählt, verschenkt, geteilt und mitgeteilt zu werden.
10. Slow Media sind zeitlosSie sind vielschichtig und können auch Jahre später immer wieder neu rezipiert werden.
11. Slow Media sind auratischSie leben und strahlen eine Präsenz aus, die über das Material, auf dem sie dargereicht werden, hi-nausweist.
12. Slow Media sind progressivSie bauen auf den Errungenschaften der Netzwerk-gesellschaft auf und begegnen neuen Medienmög-lichkeiten offen und interessiert.
13. Slow Media zielen auf Verantwortung bei Rezeption und ProduktionSie fördern einen mündigen Umgang mit Medien und suchen die Kontexte hinter den Informati-onen.
14. Slow Media werben um Vertrauen und neh-men sich Zeit, glaubwürdig zu sein Hinter Slow Media stehen echte Menschen. Und das merkt man auch.Weitere Infos: www.slow-media.net
Ruhe bitte!
Ruhe bitte!
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deR cOmpi macht dummDie Auslagerung des Denkens auf Maschinen schadet dem Gehirn, sagt der Hirnforscher Manfred Spitzer, Direktor der Psychiatrischen Universitäts-klinik Ulm und Autor des neu erschienenen Buches «Digitale Demenz – wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen». Manfred Spitzer im Gespräch mit Johannes Pernsteiner, pressetext.austria
Johannes Pernsteiner: Praktisch jeder ist heute on-line, dank Smartphone sogar ständig. Sie machen eine Krankheit daraus und nehmen viel Gegen-wind in Kauf. Wofür?
Manfred Spitzer: Ich pathologisiere nicht, sondern stelle fest: Wo es Wirkungen gibt, sind auch Risiken und Nebenwirkungen. Digitale Medien erledigen geistige Arbeit für uns und nehmen uns das Den-ken ab, ähnlich wie uns das Auto körperliche Ar-beit abnimmt. Als Neurowissenschaftler weiss ich, dass man völlig ausschliessen kann, dass das keine Auswirkungen auf das Gehirn hätte. Genauso wie unser Körper durch die passive Lebensweise nun auf Joggen und Fitness-Center angewiesen ist, ist auch das Gehirn ein dynamisches Organ, das bei ausbleibendem Input verfällt.
Wo wird für Sie dieser Verfall sichtbar? Google macht uns weis, dass es über jegliche Infor-mation verfügt, die man nur suchen muss. Studien belegen aber, dass jemand gegoogelte Inhalte mit geringerer Wahrscheinlichkeit im Gehirn abspeichert als jemand, der sie auf andere Weise sucht. Oder etwa bei der Orientierung: Wir lagern sie an das Navigationsgerät im Auto aus – und dürfen uns nicht wundern, dass wir selbst immer schlechter navigie-ren. Ähnliches gilt für Geburtstage, Telefonnummern, Kopfrechnen oder die Rechtschreibung. Passiert we-niger im Gehirn, lernt man weniger, und die Gehirn-windungen bilden sich weniger aus.
Aber was hat das mit Demenz zu tun? Demenz heisst Abstieg. Steigt man von der Spitze eines Berges herab, so dauert das umso länger, je höher der Berg ist. Ebenso entscheidet sich auch
der Zeitpunkt des Einsetzens einer Demenzerkran-kung dadurch, wie gut die Bereiche des Gehirns zuvor durch die ständige Nutzung ausgebildet und trainiert wurden. Wer hier wenig hat, verliert es frü-her. Zudem beschleunigen die Medien den Abstieg: Indem Maschinen etwa Updates selbst vornehmen oder E-Mails, Postings und SMS sofortige Reaktion erfordern, sind wir nicht mehr Herr über unser Tun. Diese Kontrollabgabe führt zu Stress, der wiederum Nervenzellen im Gehirn absterben lässt.
Computer, Internet und Smartphones nutzt heute jeder. Werden wir deshalb schon alle dement?
Die Bezeichnung «Digitale Demenz» haben Kollegen aus Korea 2007 zur Beschreibung eines Phänomens eingeführt, das sich seither noch zugespitzt hat: Jun-ge Erwachsene konzentrieren sich immer weniger, merken sich nichts mehr, haben Probleme mit dem Lesen von Texten, sind müde und motivationslos und stumpfen emotional ab. Da die Betroffenen angaben, Computer und Internet exzessiv zu nutzen – Korea ist das Land mit der wahrscheinlich höchsten Mediati-sierung überhaupt – haben die Ärzte einen kausalen Zusammenhang hergestellt.
Drohen uns koreanische Verhältnisse? In Koreas junger Generation sind heute zwölf Prozent internet- und computersüchtig, haben also ernste Probleme damit, längere Zeit offline zu gehen. In Deutschland sind es laut dem Suchtbeauftragten der Bundesregierung drei bis vier Prozent, wobei 250.000 als süchtig und 1,4 Mio. als Risikofälle gelten. Das sind sehr viele junge Menschen, die am liebsten 18 Stunden pro Tag im Web wären und ihr Leben dabei nicht im Griff haben. Das ist schlimm für die Zukunft
Hauptsache Fortschritt – in welche Richtung ist egal.
DDR-Graffiti
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eines Landes und fatal für die Betroffenen selbst, wie ich aus entsprechenden Erfahrungen mit meinen Patienten gelernt habe.
Wie wirkt sich das auf die Lebensführung aus? Eine Stanford-Studie zeigt, dass acht- bis zwölfjäh-rige Mädchen sieben Stunden pro Tag online sind, doch nur zwei Stunden mit anderen Mädchen realen Kontakt haben – im Schnitt! Bei uns verbringen Ju-gendliche täglich doppelt so viel Zeit mit Medien als mit dem gesamten Schulunterricht. Als Folge werden wir oberflächlicher, gehen Dingen weniger auf den Grund, zudem wuchern Aufmerksamkeitsstörungen und Vereinsamung, da direkte Sozialkontakte durch Social Media ersetzt werden. Längst keine Ausnahme mehr sind Pärchen im Restaurant, bei dem jeder per Smartphone twittert, wie toll doch das Rendevouz ist. Miteinander kommunizieren die beiden jedoch kaum – das Rendevouz findet gar nicht statt.
Manche meistern den Umgang mit Medien also we-niger gut als andere. Wer gehört zur Problemgruppe der Süchtigen?
Die üblichen Randgruppen aus prekären Verhältnis-sen leiden am meisten darunter, denn sie verbringen heute statistisch gesehen die höchste Stundenanzahl mit digitalen Medien. Das ist jedoch brisant: Medien bringen nicht den Ausgleich, wie oft behauptet wird, sondern verstärken bestehende Ungleichheiten und wirken dadurch unsozial statt sozial. Die Gesellschaft müsste dies dringend mehr reflektieren, denn sie hat bisher noch gar nicht gelernt, mit den resultierenden Problemen umzugehen, zu denen sich Studien aus der Neurowissenschaft längst häufen.
Inwiefern ist die Politik für diese Er-kenntnisse hellhörig?
Gar nicht, da sie eine unheilige Allianz mit den Me-dien eingegangen ist. Intendanten werden durch die Politik bestimmt und Politiker unterliegen den Medien dahingehend, dass kritische Einstellung zur medialen Ächtung führt. Enquetes laden ausschliess-lich Experten ein, die von Medienunternehmen-ge-sponserten Medieninstituten stammen. Das erklärt, warum sie dann empfehlen, dass jeder Schüler einen Laptop haben soll, obwohl wir wissen, dass der dem Lernen mehr schadet als nutzt. Dass ausgerechnet die Bundesanstalt für gesundheitliche Aufklärung die Playstation zur Förderung der Medienkompetenz empfiehlt, ist ein Skandal, denn eine Playstation im Jugendzimmer verschlechtert die Schulnoten nach-weislich. Ebenso skandalös ist die Verleihung eines hochdotierten Preises für ein Ballerspiel durch den Kulturstaatsminister.
Wie wird man kompetent im Umgang mit Medien?
Der Vergleich mit dem Alkohol drängt sich auf: Nicht durch Einübung, sondern durch längstmögliches Fernhalten von ihm eignet man sich den gesündesten Umgang an. Dasselbe gilt für Medien: Sie erfordern ein Vorwissen an Fakten und Erfahrungen, das aus-serhalb der Medien entstand. Ein Kind sollte seine Umwelt nicht zuerst über Tablet und Smartphone ansehen, sondern sie selbst begreifen, fühlen, er-leben und handeln. Die Motorik nimmt ein Drittel des Gehirnvolumens ein. Bewegt man nur die Maus, so wird dieses Drittel zum Lernen und später zum Denken nicht benutzt.
Was sollte die Schule tun, was die Eltern? Schulen sollten für gute Bildung sorgen, jedoch ohne digitale Medien. In Kindergarten und Grundschule haben Computer und Internet nichts verloren. Statt in Laptopklassen sollten die Schulen lieber in Lehrer investieren, da Bildung Personen braucht, zu der eine Beziehung aufgebaut wird. Medienpädagogik ist etwa so sinnvoll wie Alkoholpädagogik – beides macht süchtig und beides brauchen wir nicht. Eltern rate ich deshalb, den Medienkonsum der Kinder auf ein notwendiges Minimum zu beschränken.
Manfred Spitzer: Digitale Demenz – wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. Droemer, 2012, 368 S. Geb. Fr. 29.90 / 20,– Euro
Foto
: zvg
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deR schRei nach stilleVollkommene Ruhe ist unsere grösste Sehnsucht und unsere grösste Angst. Handy, Infosmog, Verfügbarkeitsdruck und Selbstoptimierungs-wahn machen es immer schwerer, mit sich in Frieden zu sein. Diese äusseren Faktoren sind aber nur Spiegel einer inneren Getriebenheit. Wir können Massnahmen gegen zu viel Gedankenlärm ergreifen. Letztlich kommen wir aber nicht daran vorbei, Unruhe als Teil des Lebendigseins zu akzeptieren. von Roland Rottenfußer
Rankings sind Teil unserer Wettbewerbs- und Spassgesellschaft. Bei einem, das 2008 vom «Stern» öffentlich gemacht wurde, bleibt einem allerdings das La-chen im Hals stecken: Die «Greatest Hits
von Guantanamo» – die Liste der Lieder, die bei der Musikfolter angewandt werden. AC/DC, Metallica, Eminem stehen ganz oben im Ranking. Gefangene werden im US-Lager für Stunden, oft Tage mit lauter Musik gequält. «Du kannst dich nicht mehr konzen-trieren, du glaubst, du wirst verrückt», beschreibt Ex-Häftling Ruhal Ahmed die Erfahrung. Zugegeben, das Beispiel ist extrem. Aber es zeigt eines: Nimmt man Menschen die Ruhe, kann sie das zerbrechen.
Es gibt harmlosere Varianten desselben Phäno-mens. Jeder ist mal genervt, wenn er in Kaufhäusern, in Fahrstühlen, in der Sauna ungefragt mit Musik be-rieselt wird. In Restaurants dient das der Atmosphäre. Eros Ramazotti beim Italiener, Mikis Theodorakis beim Griechen. Reinhard Mey machte aus seiner musikalischen Missbrauchserfahrung ein Lied: «Ich werde gegen meinen Willen mit brutaler Gewalt aus
dem feigen Hinterhalt mit Musik beschallt.» Viel häu-figer als der erzwungene ist allerdings der Lärm, dem man sich freiwillig aussetzt. Technopartys werden oft mit 120 dB beschallt. Wird das zu viel, sorgt das Ohr mittels Hörverlust für die nötige Abdämpfung.
die gegenwaRt «wegspülen»Stille ist für viele schwerer auszuhalten als Lärm. Das zeigte 2005 Philipp Grönings Dokumentarfilm über die Kartäusermönche: «Die Grosse Stille». Der Regis-seur lebte ein halbes Jahr lang mit den Bewohnern
der Grande Chartreuse in Frankreich und filmte ihren Alltag. Fast drei Stunden lang wird in dem Film kein Wort gesprochen. Man sieht Mönche beim Gehen,
In der Moderne gibt es sowohl eine Sehnsucht nach als auch eine Flucht vor der Stille. Es kostet Mut, in diese Freiheit aufzubrechen.
Das Wirbeln um den Globus ist die Kehrseite der Sehnsucht nach dem ruhenden Punkt. Darko Survin
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Sitzen, Beten, Kochen, Essen. Die Doku spaltete das Publikum in zwei Gruppen. Die einen langweilten sich tödlich und fühlten sich durch den Film, in dem «nichts geschieht», veräppelt. Für die anderen war es eines der ergreifendsten Kinoerlebnisse ihres Lebens. Nach einer Weile nämlich merkt man, dass sich die Stille überträgt. Langsam kriecht sie in den Zuschauer hinein, nimmt immer mehr Raum ein. Das Licht, das die Steinmauern an den Rändern übergiesst. Das Auftropfen von Schritten auf dem Pflaster. Die Seele kommt merklich zur Ruhe, und sogar die Muskulatur entspannt sich.
Philipp Gröning versteht die Herausforderung des Mönchslebens so: «Bin ich bereit, meine eige-ne Gegenwart anzunehmen, oder lasse ich sie mir wegspülen durch Überflutung.» Hier liegt auch ein Grund dafür, warum es in der Moderne sowohl eine Sehnsucht nach als auch eine Flucht vor der Stille gibt. Es kostet Mut, in diese Freiheit aufzubrechen und Anstrengung, um vollkommen entspannt zu sein. Die Stille ist mit dem Geschmack des Todes behaftet. «Der Rest ist Schweigen» sind Hamlets letzte Worte. Und das «Nichts» hat einen schlechten Ruf, seit Mi-chael Ende aus ihm in der «Unendlichen Geschichte» ein Monster machte, das alle Fantasie Stück für Stück auffrass. Dabei ist es nicht wirklich «nichts», was auf dem Grund des Bechers wartet, wenn man den Trank der Sinneseindrücke leer getrunken hat. Wir gehen in die Stille, weil wir ahnen, dass dort «etwas» ist, das sonst übertönt wird. Wenn wir uns weit genug vom Bierzelt entfernen, ist es ruhig genug, um den Gesang der Blaumeise zu hören. Wir gehen in die Stille, um wieder hören zu lernen.
genug ist nie genugManche machen deshalb Ferien im Kloster, wo sie von geschäftstüchtigen Manager-Mönchen gecoacht werden. Wirklich sinnvoll ist das nur, wenn sich nachhaltig etwas verändert. Oft stabilisieren Pausen ja nur einen falschen Lebensstil, den wir nicht in Frage zu stellen wagen. Was aus dem Arbeitsleben syste-matisch vertrieben wird, treibt man in der «Freizeit» auf die Spitze. Ergebnis ist eine bipolare Störung des
Gehörsinns. Auf 20 Wochen Alltag (U-Bahn-Gedrän-ge, Telefon- und Konferenzen-Stress, Kindergeschrei usw.) folgen zwei Wochen Kloster. Danach von vorn. Gefürchtet und gemieden wird die Nicht-Aktivität. Denn auch Meditation, Retreats und Kuren sind Ak-tivitäten. Sie werden geplant und in die raren Pausen zwischen extrovertierte Events gequetscht. Wirkliche Frei-Zeit ist fast unbekannt. Die vermeintlich freie wird instrumentalisiert, um die eigenen Kräfte für die unfreie Zeit zu regenerieren.
Unsere Unfähigkeit zu innerer Ruhe hat natürlich auch einen sozialen Aspekt. Sie resultiert aus einem Selbstoptimierungsdrang. Der wird teilweise von aus-sen erzwungen, wenn etwa Unternehmen mit ihren Mitarbeitern jährlich Zielvorgaben absprechen. Damit wird gesagt: «So wie es ist, kann es auf keinen Fall bleiben. Es muss immer mehr, immer besser werden.» Ähnlich stark wie der äussere Druck ist aber der innere Antreiber. Ich beobachte das an mir selbst. Wenn ich meine Aufträge erledigt und genug Geld
verdient habe, schreibe ich weitere Artikel «frei», ohne konkrete Aussicht auf Veröffentlichung. Hätte ich ge-nug Geld, um nicht mehr arbeiten zu müssen, würde mich eine gefühlte «Lebensaufgabe» drängen, das Optimum aus mir herauszuholen. Ich würde Satiren schreiben, einen Roman usw. Um innerlich still zu werden, müssten wir also aufhören, etwas zu wollen oder zu beabsichtigen. Wir müssten ausserdem frei sein von der Furcht, etwas zu versäumen.
geist unteR daueRbeschussAuch ohne hohe Dezibelzahlen kann in unserem Kopf unerträglicher Lärm herrschen. Der Terror der Erreichbarkeit hält uns ständig in einem latenten Spannungszustand. Auch «richtige» Ferien sterben
Wir gehen in die Stille, weil wir ahnen, dass dort «etwas» ist, das sonst übertönt wird. Wir gehen in die Stille, um wieder hören zu lernen.
Du brauchst nur in Berührung zu kommen mit der Stille, die in dir ist und dich zu heilen vermag.
Anselm Grün
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allmählich aus – unter dem Druck, verfügbar sein zu müssen. 61 Prozent der Deutschen checken im Urlaub ihre Mails. Früher galt: Wenn man nicht da war, war man eben nicht da. Manchmal einen Anruf
zu versäumen war unver-meidlich. Dann kam der Anrufbeantworter. Heu-te hinterlässt jeder Anruf eine Telefonnummer auf dem Display. Unterbleibt ein Rückruf, reagiert der Anrufer beleidigt. Wäh-rend man telefoniert, wird
dem Partner angezeigt, dass ein Dritter anzurufen versucht. Oft wird ein Gespräch dann abgewürgt: «Du, bei mir kommt gerade ein Anruf rein. Ich mach dann Schluss.»
So zerfällt der Tag in lauter winzige, inhaltsarme Kommunikationsvorgänge mit dem Ziel, das Be-leidigtsein anderer zu vermeiden. Eine virtuelle Glückwunschkarte zum Geburtstag des Facebook-Friends. Ein Gefällt-mir-Klick zu einem (nur flüch-tig gelesenen) Artikel. Eine Dreisatz-Nachricht, um die Twitter-Followers bei der Stange zu halten. Man spart bei der Länge eigener Nachrichten («ok thanx mfg r.»). Längere Texte liest man schon gar nicht mehr. Die Zeit, die eingespart wird, indem man jede Vertiefung meidet, wird gleich wieder für 100 un-sinnige Kommunikationsvorgänge verpulvert. Der gepeinigte Geist holt sich die benötigte Ruhe dann durch erzwungene Mikropausen. Es sind Momente, in denen wir desorientiert darum ringen, die liegen gelassenen Gedankenfäden wieder aufzunehmen. Manche «erstarren» dann minutenlang. Die so herge-stellte Ruhe ist jedoch nicht wirklich erholsam.
duRch heilsame wORte ZuR stilleWird dann Gedankenstille «gefordert», etwa in Medita-tionsseminaren, können wir sie nur schwer erreichen. Länger als vier Minuten schafft es kaum einer, dass keine Worte oder Bilder in ihm aufsteigen. Versuchen Sie es mal! Nicht nur störende Gedanken, auch eine treibende Ungeduld stellt sich dann ein: «Ich wollte ja noch den Artikel zu Ende lesen. Und dann den Abwasch machen. Und dann …» Unsere Gedanken empfinden wir oft mehr als Fluch denn als Segen. Wenn mir die Sitzmeditation schwer fällt, hilft es mir, kleinere Ziele anzustreben, die mir Erfolgserlebnisse verschaffen. Gedanken sind nicht grundsätzlich «Ge-dankenmüll», wie es einige Lebenshilfebücher aus-drücken. Sie können ruhig und langsam fliessen und dabei wohltuend sein. Solche Gedanken sind Gäste, die man nicht vertreiben muss. Man lädt sie gern ein und lässt sie dann gelassen wieder ziehen.
Damit unsere Gedankenwelt einem erholsamen Garten gleicht, braucht es Vorbedingungen. Mir hilft es, meinen Körper in Schuss zu halten. Dann gleicht er einem gesunden Stamm, der gesunde Gedanken-früchte trägt. Ich bewege mich gern meditativ, ohne etwas leisten zu wollen, in der Natur. Dabei versuche ich, meinen Gedanken eine konstruktive Ordnung zu geben, bis sie für mich nährend sind, nicht mehr quälend. Bei der Betrachtung der Landschaftsformen stellt sich dann oft eine Stille ein, die ich mit geschlos-senen Augen nie erreiche. Ebenso gern arbeite ich mit heiligen Sätzen, mit Gebeten und Mantras. Unabhän-gig davon, aus welchen Traditionen sie stammen, geht von ihnen oft tiefer Frieden aus. Nach einer solchen Mantra-Übung ist die Stille stiller als vorher.
unRuhe ist menschlichJede Wortreligion verweist auf Stille. Diese ist eine aktive Qualität, nicht nur die Abwesenheit von Ge-räuschen. Jede spirituelle Technik, die Worte ver-wendet, mündet in Stille. Sufis, islamische Mystiker, arbeiten mit Dhikr – der Rezitation der Namen Allahs. Als höchste Form des Dhikr gilt jedoch das wortlose Anwesendsein vor Gott. Stille ist nicht nur das End-ziel des spirituellen Bemühens. Sie ist immer auch Quelle und Hintergrund all unserer Aktivitäten. So wie ein weisses Blatt Papier allen Farben als Hinter-grund dient. Der bioenergetische Therapeut Frank Moosmüller sagte in einem Seminar: «Jedes Wort ist eine Bitte um Stille.» Gottgläubige halten sich an das Gebet des Augustinus: «Du hast uns zu dir hin geschaffen, und unser Herz ist voller Unruhe, bis wir ruhen in dir». Dieser weise Satz bejaht die Unruhe als Teil des Menschseins, solange wir noch auf dem Heimweg sind.
Zu Lebzeiten ist vollkommener innerer Friede ein Traum. Wir können schrittweise den Schwer-punkt unserer Aufmerksamkeit von der bewegten Oberfläche hin zur ruhigen Tiefe des Lebens ver-lagern. Auch dies kann jedoch steril wirken, so
als sei die «äussere» Welt unter unserem Niveau. Wer vollkommenen Seelenfrieden anstrebt, sollte vermeiden, einen spannenden Beruf zu ergreifen. Er sollte keine Kinder bekommen, denn die stören nur bei der Selbstbesinnung. Er sollte vor allem nicht lieben. Dann aber verpasst er einen Gross-teil dessen, was Leben ausmacht. Wir tun besser daran, mit einem gewissen Mass an Unfrieden in Frieden zu leben.
Wir tun besser daran, mit einem gewissen Mass an Unfrieden in Frieden zu leben.
Wer vollkommenen Seelenfrieden anstrebt, sollte keinen spannen-den Beruf ergreifen, keine Kinder bekommen und vor allem nicht lieben. Dann aber verpasst er einen Grossteil des Lebens.
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die kRaft, die aus der Ruhe kommtDer Vegi-Pionier Walter Dänzer produziert seit 24 Jahren hochwertige vegetarische Lebensmittel. «Quelle des Lebens» ist für ihn die Meditation. von Wolf Südbeck-Baur
im hellen Entrée des alten Gaswerks in Schlie-ren empfängt ein unübersehbares Foto von Sri Chinmoy den Besucher. Meditierend sitzt der spirituelle Meister von Hausherr Walter Dänzer im grünen Gras und scheint die Eintretenden
lächelnd zu begrüssen. Natur ist Trumpf in Dän-zers Lebensmittelunternehmen Soyana. Wir sitzen an runden Baumklötzen mit rostbraun gemaserten Jahresringen. Im Glas perlt das Gärgetränk «Chi», ein biofruchtig fermentiertes Holundersprudelsektwas-ser. Der asketisch wirkende Dänzer kommt kaum zu einem erfrischenden Schluck, so sprudelt seine ungewöhnliche Geschichte aus ihm heraus.
Am Anfang steht eine abgelehnte wirtschaftswis-senschaftliche Doktorarbeit, mit der Dänzer bereits 1974 konkrete Vorschläge zur agrarpolitischen För-derung des Biolandbaus vorlegte.
Nach der schroffen Zurückweisung seiner Ar-beit zieht es Dänzer und einige Mitstreiter in die Tessiner Berger. Das einfache Leben ohne flies-
send Wasser und Strom schaufelte Raum frei für prägende Gemeinschafts-erlebnisse und innere Erfahrungen. «Uns wur-de klar, dass wir an uns selber arbeiten und uns verändern müssen, wenn
wir etwas bewegen wollen.» Zurück in Zürich macht sich der spirituell Hungernde auf die Suche nach
einem Weg, der diesen tiefen inneren Hunger stillen konnte. «Schliesslich habe ich in Sri Chinmoy einen Meister gefunden», wie Dänzer seinen spirituellen Lehrer indischer Herkunft nennt. In der Meditation habe er gemerkt, dass «ein Meister, wenn er echt ist, bei mir sein kann, in meinem Innern, in meiner Seele und meinem Herzen». Nach einem weiteren Sommer, diesmal allein, meditierend und arbeitend habe er «in einem inneren Geschenk seines Meisters erfahren, was die Wahrheit oder höchste Wirklichkeit ist: Existenz, Bewusstsein, unendliche Freude und ein Meer überströmender Liebe».
In der Folge forderte Sri Chinmoy den Zürcher auf, in die Gesellschaft zurückzukehren. Dabei habe er ihn, so erzählt Dänzer, Schritt für Schritt in der Meditation angeleitet, wie er das tun könne, was für das höchste Wesen und damit im Dienst an den Menschen wichtig sei, ohne aber konkrete Projekte vorzuschreiben. Der Ökonom wurde Verkaufs- und Werbeleiter in zwei Verlagen. Er nutzte seine Kennt-nisse auch dazu, die Bücher von Sri Chinmoy zu publizieren. 1988 kam für ihn die Zeit, eine eigene Firma zu gründen. Dies sei ihm als Arbeiterkind nicht gerade in die Wiege gelegt worden. Die innere Unterstützung durch Sri Chinmoy, wie Dänzer sagt, habe ihn geführt, wie er als Chef seinem Team am besten dienen konnte. Das nötige Kapital zur Soya-na-Gründung streckte Dänzers Vater vor. «Mit den 32 000 Franken konnte ich meinen ersten Container Soya-Eiweiss, die Verpackung und eine Werbebro-schüre finanzieren.» Nach einem Jahr bereits konn-
Für Dänzer, der warmherzig freundlich, aber klar und bestimmt auftritt, kann nur jemand, der täglich an sich arbeitet, Lebensmittel wirklich liebevoll herstellen.
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te der überzeugte Veganer in die Tofu-Produktion einsteigen und die ersten Mitarbeiter einstellen, drei Freunde und Meditationskollegen. Diese Geschichte hat Dänzer in seinem Buch «Tofu – die Einladung ins Schlaraffenland» festgehalten.
Nichts Tierisches. Heute stellt Soyana vom Chi-Ge-tränk über Soya-Drinks bis zum pflanzlichen Frisch-käse mit rund 30 Beschäftigten über hundert Vegi-Lebensmittel her. Alle pflegen laut Chef Dänzer ein inneres geistliches Leben. Bei Soyana gehört «gutes Bewusstsein» zu den wichtigen vier Qualitäts-Garan-tien für Soyana-Lebensmittel. Denn für Dänzer, der warmherzig freundlich, aber klar und bestimmt auf-tritt, könne nur jemand, der täglich an sich arbeitet, Lebensmittel wirklich liebevoll herstellen. Der Vegi-
Produzent erwartet «innere Reinheit und Lebensfreu-de». Diese innere Klarheit sei für einen Mitarbeiter bei Soyana wichtig. Andernfalls», erklärt der 65jährige, «dominieren Kräfte wie unerfüllte Wünsche, Frustra-tion und psychische Probleme das Innenleben eines Menschen und werden den Kunden mit dem Lebens-mittel automatisch weitergereicht». In der Konsequenz ist für Dänzer gleichsam offenbar, dass Fleisch und überhaupt Tierisches nichts auf den Speisezettel des Menschen zu suchen hat. Zurzeit arbeitet Dänzer mit Hochdruck am eigenen Restaurant, wo alles bio und pflanzlich ist. «Das wird ein Ort sein», so der Vegi-Pionier, «wo Menschen mit Freude erleben können, wie fein man pflanzlich speisen kann». Dort werde man konkret erfahren können, wie eine Zukunft gestalten sein kann, «die uns gefällt, die aber auch gut ist für die Menschheit, die Erde und die Tiere».
Die Firma Soyana wurde 1981 gegründet und stellt heute 130 verschiedene biologisch-vegane Produkte her, darunter 23 verschiedene Milchalternativen, eine weltweit einmalige Vielfalt. 1985 lancierte Soyana das erste Soja-Yoghurt der Welt, 1990 ein lebendiges Fermentgetränk unter der Bezeichnung Chi. Ihre Produkte seien «mit Liebe hergestellt» und enthielten «eine hohe feinstoffliche Energie» schreibt die Firma. Das wird von nicht wenigen Kunden bestätigt. Weitere Infos: www.soyana.ch
1974 wurde seine nationalöko-nomische Disseration über die Bedeutung der Bio-Landwirtschaft abgelehnt. Heute ist Walter Dänzers Soyana AG der führende Hersteller von vegetarischen Lebensmitteln in der Schweiz.
(Bild: Wolf Südbeck-Baur)
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die eRwecktenFür die wichtigsten Lärmquellen gelten Grenzwerte,
nicht aber für Kirchenglocken. Wenn das nächtliche Zeitgeläut zum Streitfall wird, hat das für Betroffene oftmals ungeahnte Folgen.
Ein Bericht von der Glocken-Front. «Wir waren naiv», sagt Christian Frei, 48. «Wir dachten, die Kirche läute nur am Sonn-tag.» Nicht so in Gossau/ZH. Ihre erste Nacht im neuen Zuhause, fand um fünf Uhr ein abruptes Ende: Reformiertes Frühgeläut. Die Freis, bekennende Atheisten, standen im Bett. «Wir meinten, da müsse was kaputt sein», erin-nert sich Christian. Als er im Ort herumfragte, bekam er von allen die gleiche Antwort: Tra-dition! Das sei schon immer so gewesen. Ob-wohl, es störe schon jeden hier.
200 schläge jede nachtDie Bitte an den Kirchgemeindepräsidenten, das Frühgeläut einzustellen, war vergeb-lich. Notgedrungen machte er seine Dro-hung war, den in einem ruhigen Quartier wohnhaften Präsidenten jeden Morgen tele-fonisch wach zu klingeln. Mit Erfolg. Nach drei Monaten wurde das ursprünglich für die Bauern gedachte Frühgeläut endgültig abgeschafft. Was blieb, war der nächtliche Zeitschlag – und die Freis.
Wegziehen bringe nicht viel, erklärt mir Christian, das hiesse ja nur, das Problem zu verdrängen. Deshalb baute er nur hun-dert Meter von seiner Wohnung entfernt ein Haus. Also, weiterhin jede Nacht 220 Schläge, die Christian Frei, der oft nachts wachliegt, problemlos mitzählen könnte. Er weiss, dass er in gewissen Kreisen kein gern gesehener Bürger mehr ist. «Gerade die Evangelikalen würden mich gerne auf dem Scheiterhaufen sehen.» – Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Stattdessen behelfen sich einige Gossauer, indem sie Christian Postkarten mit Bibelzitaten in den Briefkasten werfen, anonym.
Zweimal hat Christian seine Klage bis vors Bundesgericht gezogen – und verlor zweimal vor den selben Richtern. Beim eu-ropäischen Gerichtshof kämpft er nun für ein faires Verfahren. Trotzdem, da ist sich Christian sicher, arbeite die Zeit für ihn. «Je länger, je mehr sind der jüngeren Generati-on die Glocken fremd.»
glOcken sind lauteR als deR gRenZweRt füR gehöRschutZSo wie Andreas Steiner, 36, der seine Kraft aus der Meditation bezieht. Äusserliche Stille steht bei ihm zuhause nur zwischen dem viertelstündlichen Zeitgeläut zur Ver-fügung. «Wenn ich auf der Terrasse, ganz in ein Buch vertieft bin, schrecke ich jedesmal hoch», sagt Andreas. Er weiss, dass er auf Geräusche ganz besonders empfindlich re-agiert. Aber: Warum sollten sonntags 93 db auf dem Kirchplatz okay sein, während bei der Arbeit schon ab 80 db ein Gehörschutz empfohlen wird?
Vor drei Jahren organisierte Andreas erstmals eine Unterschriftensammlung im Quartier. Die Kirchenvertreter liessen sich zwar an einen langen, aber nicht an den runden Tisch bitten. Man halte am status quo fest, hiess es dort.
«Je mehr ich mich damit auseinandersetze, desto mehr Macht gebe ich der Kirche», sagt Andreas und genau das will er nicht. Deshalb kommt ein Engagement, das den Kampf gegen die Glocken zum Lebensinhalt
macht, für ihn nicht in Frage. «Das ist bei mir etwas Karmisches», glaubt Andreas. Grund dazu hat er: Als er kürzlich in einem Medita-tionszentrum sein Zimmer bezog, musste er feststellen, dass vor dem Fenster eine ganze Herde glockentragender Kühe weidete. An-dreas nahm es mit Humor.
Peter Uehlinger, 68, aus Affoltern am Albis meinte, einer solchen Überraschung vor-gebeugt zu haben. Er hatte gerade seine «Traumwohnung» entdeckt und wollte sich von der nächtlichen Ruhe, im kirchennahen Viertel, selbst überzeugen. An einem Sams-tag, erzählt er, sei er morgens um sechs extra hingefahren. Stille umfing ihn, als er zu den dunklen Fenstern seines zukünf-tigen Zuhauses hinaufschaute. Was Peter erst nach dem Einzug erfahren sollte: Die Gemeinde hatte das Frühgeläut nur sams-tags und sonntags eingestellt.
Weil Peter nicht nahe genug an der Kir-che wohnte und damit nicht klageberechtigt war, warb er mittels Flugblättern Kläger aus der Nachbarschaft an. Zum Prozess muss-te es im Bezirk Affoltern nicht mehr kom-men. Einsichtig verschob die Kirche das Frühgeläut auf christliche sieben Uhr. Und das nächtliche Zeitgeläut? «Das weckt mich nicht», meint Peter gelassen. Und wenn er doch mal wach würde, müsse er wenig-stens nicht auf den Wecker schauen. Ein Kirchenfreund, der sich vom Zeitgeläut in den Schlaf gewiegt fühlt, ist er aber nicht. Er ist und bleibt Aktivist.
Inzwischen haben die Glockenlärm-Be-troffenen von prominenter Seite Hilfe er-halten. Eine im Januar 2012 erschienene ETH-Studie ergab, dass Glockenlärm die Wahrscheinlichkeit für Aufwachreaktionen noch ausgeprägter erhöht als Fluglärm. Men-schen, die sich vom Glockengeläut gestört fühlen, künftig noch als «überempfindlich» abzutun, dürfte schwieriger werden.
Sagita LehnerDie Websiten von Glockengegnern: www.stille.info www.kirchenglocken.ch
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Ruhe bitte!
Letzte Ruhe, bitteWas viele nicht wissen: Wer seine Organe spendet, wird keinen ruhigen Tod erleben. Der Sterbende wird intensivmedizinisch auf die Organentnahme vorbereitet, die sofort nach Feststellung des Hirntodes bei noch funktionierendem Kreislauf eingeleitet wird. Der Hirntod ist zwar nicht gerade ein willkürliches Kriterium – er kennzeichnet die Unumkehrbarkeit des Todesprozesses – aber er dient einem bestimmten Zweck. Als die Harvard Medical School 1968 das Kriterium des Hirntodes definierte, tat sie dies, um «Kontroversen bei der Beschaf-fung von Organen zur Transplantation» zu vermeiden.
Man muss nicht so weit gehen, wie der Sterbeforscher und Erziehungswissenschaft-ler Prof. Franco Rest von der Fachhochschu-le Dortmund, der sagt: «Den Hirntod gibt es überhaupt nicht. Er ist eine Erfindung der Transplantationsmedizin.» Sicher ist: Hirnto-te sind Sterbende und ihr Stoffwechsel läuft noch eine ganze Weile weiter. Diese Phase muss für die Organentnahme genutzt werden. Wie es sich auf der Intensivstation und bei lau-fenden Operationen fertig stirbt, wissen wir nicht. Aber mit «sanft entschlafen» oder mit Totenruhe hat es bestimmt wenig gemein.
Der Tod ist ein unfassbarer Vorgang. Vor allem die Religionen befassen sich mit ihm, am meisten wohl der Buddhismus, der auch eine klare Haltung zur Organspende entwickelt hat. Dazu schreibt Ralf Sogen Boeck in Buddhismus aktuell (4/2012):
«[Die Definition von ‹Hirntod› beruht ] auf der stillschweigenden Voraussetzung, der Tod sei die Loslösung der Seele vom Körper zu einem mehr oder weniger exakt bestimm-baren Zeitpunkt. Aus buddhistischer Sicht ist der Tod hingegen das allmähliche Erlöschen psychophysischer Prozesse – ist selbst ein Übergangsprozess im Kreislauf wechselseitig bedingten Entstehens und von grosser Bedeu-tung für dessen weitere Entwicklung. Nach dieser Auffassung ist die Organentnahme ein Eingriff in den Sterbeprozess, der durch den Hirntod lediglich in seine unumkehrbare Pha-se eingetreten ist. In buddhistisch geprägten Kulturen ist es daher Tradition, die Erfahrung des Sterbeprozesses, sein ‹Erleben›, zeitlich weit über das Verlöschen wahrnehmbarer körperlicher Funktionen hinaus möglichst frei von störenden Einflüssen zu halten, wobei ein Eingriff in die körperliche Integrität des Sterbenden sicher deren extremste Form ist. Aus der Unmöglichkeit, einen solchen Mo-
dus der Erfahrung nach dem Ausfall höherer Bewusstseinsfunktionen empirisch nachzu-weisen, kann nicht einfach auf seine Nicht-existenz geschlossen werden.
Dies bedeutet nun nicht zwangsläufig, dass aus buddhistischer Sicht die postmor-tale Organspende kategorisch abzulehnen wäre. Die bewusste Entscheidung für eine Organspende kann eine wertvolle Übung in Freigebigkeit und Mitgefühl sein; diese radikalste Form des Sich-Entäusserns zum Nutzen anderer kann auf heilvolle Weise die Überwindung von Anhaftung und Ich-Illusi-on fördern. Voraussetzung dafür ist jedoch als Vorbereitung eine intensive persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Ster-ben und ein bewusst gefasster, freiwilliger und vorbehaltloser Entschluss.» CP
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Wie sich die innere Ruhe verliert, und wie wir sie wieder finden«Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust.» Wie einleuchtend dieser viel zi-tierte Satz aus Goethes Faust ist, weiss jeder, der das Hin-und-Her in seinem eigenen Leben schon erfahren hat. Und wer hat das nicht! Man will das Eine und gleichzeitig das Andere, und dann sorgt man unbemerkt dafür, dass ja keine Kraft die Oberhand gewinnt – ein klassisches Problem und eine Quelle ständiger Unru-he. Aber es gibt Abhilfe. Sie stammt vom Florentiner Psychiater Roberto Assagioli (1888 – 1974), dem Schöpfer der Psychosyn-these. Im Gegensatz zur Psychoanalyse, die psychische Störungen durch Zerlegung der Triebe zu meistern versucht, zielt die Psy-chosynthese u.a. auf eine Harmonisierung innerer Kräfte. Sobald man offen ist für die Existenz von sich bekämpfenden Teilper-sönlichkeiten und der Blick sich schärft,
erkennt man ihre grosse Verbreitung, bei andern und hoffentlich auch bei sich selber: Der Sicherheitsfanatiker und der Abenteu-rer, der Schwärmer und der Chrampfer, der Rappenspalter und der Verschwender. Der Kreativität der Psyche sind keine Grenzen gesetzt.
In der Praxis haben diese Teilpersön-lichkeiten zwei unangenehme Wirkungen: Entweder unterdrückt die eine die andere oder sie neutralisieren sich. Dieses Gleich-gewicht des Schreckens lässt sich in ein Gleichgewicht des Respekts und der Liebe verwandeln, denn jede Teilpersönlichkeit hat durchaus ihre Existenzberechtigung.
In der therapeutischen Praxis der Psy-chosynthese werden zuerst die Teilpersön-lichkeiten identifiziert und in einen Dialog gebracht. In dessen Verlauf findet sich meist ein gesunder Kompromiss, bei dem bei-
de Teile Abstriche machen, aber unterm Strich Autonomie gewinnen – ein wunder-barer Prozess, wie ich an mir selber erfah-ren konnte. Das Verfahren, wie ich es bei Theres Messerli aus Burgdorf kennelernte, ist spielerisch und effizient, was insofern von Belang ist, als die Krankenkassen Psy-chosynthese-Sitzungen nicht bezahlen. Die Teilpersönlichkeiten sind nicht das einzige interessante Modell der Psychosynthese, aber das im Zusammenhang mit «Ruhe» re-levanteste. Die Psychosynthese distanziert sich explizit von biologistischen Konzepten und schliesst auch spirituelle Faktoren wie Sinn, Kreativität und Liebe mit ein, wenn es darum geht, «die Energien des Selbst zu befreien», wie Assagioli schreibt.
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Kontakt: Theres Messerli, Bahnhofstr. 14, 3400 Burgdorf, Tel. 034 422 56 57, www.theresmesserli.ch
Ruhe bitte!
24 Zeitpunkt 122
Rituale: Sonderzeiten im schnellen stROm
woran denken Sie beim Begriff Ritual – an schamanische Trommelrituale, an eine Visionssuche in der Wüste oder eher an spezielle, festliche Ze-remonien wie Hochzeit und Taufe?
Vielleicht kommen Ihnen aber auch Alltagsrituale wie das Händeschütteln, das Zuprosten oder das Klat-schen nach einem guten Konzert in den Sinn?
Das Wort ‹Ritus›, aus dem sich das Wort Ritual ableitet, wurde im 17. Jahrhundert aus dem Latei-nischen übernommen. Es bedeutet «Feierlicher, re-ligiöser Brauch, Zeremoniell». Rituale reichen weit zurück in die Menschheitsgeschichte und jede Kultur entwickelte spezielle Zeremonien, die für ihre Ge-meinschaft von Bedeutung waren. Rituale fanden vor allem in grösseren Gruppen statt und wurden bei bestimmten wichtigen Ereignissen oder Lebensüber-gängen durchgeführt. In der heutigen Zeit werden nur noch wenige Rituale wie Taufe, Hochzeit oder Beerdigung von einem Grossteil der Bevölkerung in einem feierlichen, speziellen Rahmen begangen. Dafür werden Rituale aus anderen Kulturen – vor-wiegend schamanischen Ursprungs – übernommen und mit Erfolg kommerziell angeboten.
Jedes Ritual unterbricht den alltäglichen Ablauf und schafft eine Sonderzeit. So wichtig und be-deutsam grosse Rituale sein können, so selten können wir in der Regel daran teilnehmen. Kleine Rituale
stehen uns jedoch immer offen, und – wir können sie auch allein durchführen. Im Gegensatz zu den grossen, initiatorischen, leben die kleinen Rituale von Wiederholungen. Bekannt sind Rituale bei Kindern, wie die Gute-Nachtgeschichte oder das Einschlaflied am Abend. Das stetig Wiederkehrende sorgt für Ver-trautheit, Geborgenheit und Struktur. Doch auch viele Erwachsene sehnen sich nach mehr Stabilität und Kontinuität im oft hektischen Alltagsleben und wün-schen sich ein Tor zu den eigenen Ressourcen. Rituale können dabei helfen, Zeit für innere Bedürfnisse zu schaffen und dadurch dem Stress entgegenwirken.
Doch was unterscheidet ein Ritual von einer Gewohnheit? Ist der wöchentlich stattfindende Jassabend mit Freunden, die morgendliche Dusche oder der Tee am Abend vor dem zu Bettgehen ein Ritual? Der Übergang zwischen Gewohnheit und Ritual ist fliessend und doch gibt es einen wichtigen Unterschied: Gewohnheiten geschehen meist unbe-wusst, während ein Ritual einen klaren Anfang, einen festgelegten Ablauf und ein klares Ende hat. Rituale verlangen eine bestimmte innere Einstellung, eine Haltung der Achtsamkeit, Konzentration und wenn möglich ein offenes Herz. Wie können wir selbst stimmige Rituale gestal-ten? Es ist sinnvoll, einen Platz zu suchen, an den man sich ungestört zurückziehen kann. Dies kann
von Martina Degonda
Wenn das Telefon nicht klingelt – ist es für mich! Elias Canetti
Ruhe bitte!
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ein Zimmer, der Balkon, der Garten, aber auch ein Ort in der freien Natur sein. Ein vorbestimmter, wie-derkehrender Ablauf dieser Rückzugszeit verhilft zu einem tieferen Ruhezustand. Auch ermöglicht ein klar definierter Anfangs- und Endpunkt eine Zeitspanne von hoher Achtsamkeit und Konzentration. Häufig werden diese Punkte mit einer Glocke oder dem Anzünden und Auslöschen einer Kerze markiert. Es eignen sich aber auch einfache Gesten wie sich kurz zu verneigen, zu klatschen oder einige bewusste, tiefe Atemzüge.
Hier ein paar Anregungen und Ideen, kleine Ri-tuale nach eigenen Bedürfnissen zu gestalten. Die «Anfangs-» und «Schlusszeichen» wählt jeder selbst. Ein Morgenmuffel wird frühmorgens kaum motiviert sein, ein Ritual auszuführen. Desgleichen dürften im Hochsommer die wenigsten ein Verlangen nach Ker-zenlicht und Zimtduft verspüren, während im Winter nur Hartgesottene bei Eis und Schnee im Freien me-ditieren. Jedem seine eigenen Rituale – Humor und Kreativität sind dabei übrigens kein Hindernis!
Tagesabschluss: Um die Altlasten des Tages loszu-werden, gibt es eine Reihe bekannter Rituale. Wir können das Noch-nicht-erledigte auf ein Blatt schrei-ben und dieses über Nacht wegschliessen. Eben-falls hilfreich ist es, den vergangenen Tag nochmals als Film ablaufen zu lassen und dadurch Distanz zu schaffen. Und wenn wir zudem darauf achten, wo-für wir heute dankbar sind und was uns besonders gefreut hat, erhöhen wir unsere Zufriedenheit und können so auch besser schlafen.
Rituale zur Förderung der Wahrnehmung: Wir setzen uns hin, kneifen den Mund und das ganze Gesicht zusammen. Nun nehmen wir den ‹Zeitpunkt› zur Hand und beginnen zu lesen. Was wir lesen, wird uns kaum gefallen. Nach einiger Zeit legen wir das Heft weg und atmen bewusst aus. Darauf ziehen wir die Mundwinkel nach hinten und setzen damit ein Lächeln auf. Wieder nehmen wir den ‹Zeitpunkt› zur Hand, und das Heft wird uns in einem völlig neuen Licht erscheinen. Diese Technik kann man selbstver-ständlich auch in andern Situationen und mit anderer Lektüre einsetzen!
Ein bekannter Fotograf fährt jeden Morgen früh, wenn das Licht am besten ist, aufs Land. Dort macht er mit höchster Konzentration genau 10 Aufnahmen – alles ohne Kamera!
Wir suchen einen schönen Startpunkt in der Natur und beginnen langsam zu gehen. Dabei öffnen wir sämtliche Sinne und nehmen alle Eindrücke ungefil-tert und ohne Auswahl auf – die vielfältigen Farben, Geräusche und Düfte. Wir lassen uns vom Weg füh-
ren, ohne bewusst zu wählen. Durch die Konzen-tration auf alle Sinneseindrücke entsteht eine grosse innere Ruhe und das bewusste Denken kann für eine Weile aussetzen. Wenn wir gesättigt sind (oder der Timer piepst) halten wir an und schliessen für eine Weile die Augen. Es wäre sicher auch ein spannendes Experiment, dieses Ritual in einem Einkaufszentrum durchzuführen!
Entsorgungs-Rituale: «Wenn du loslässt, hast du beide Hände frei» sagt eine chinesische Weisheit. In-dem wir uns von Altem trennen, haben wir die Chan-ce zu einem Neuanfang. Es gibt einige Möglichkeiten, wie wir unsere Altlasten, die wir nicht länger mit uns herumtragen möchten, ent-sorgen und verabschieden können. Besonders geeignet sind Rituale unter Einbe-zug der Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer. Nach-folgend einige Ideen dazu: Etwas Geschriebenes oder ein Foto übergeben wir dem Feuer und lassen es so bereinigen. Einen ausgewählten «Stein des Anstosses» werfen wir in den Fluss. Einen Gegenstand, der mit einem ungelösten Streit zusammenhängt, begraben wir im Wald. Unlösbare Wünsche schreiben wir mit wasserlöslichem Stift auf ein Stoffband und hängen es im Freien auf. Wasser, Wind und Sonne werden sich des Textes annehmen. Das folgende, aus den USA stammende und sehr wirkungsvolle Ritual ist nicht für Zartbesaitete geeignet (diese sollen bitte überspringen): Wenn wir auf jemanden wütend sind
und dies der betreffenden Person nicht direkt sagen können, geben wir beim nächsten Toilettenbesuch unseren Exkrementen den betreffenden Namen und spülen diese daraufhin herunter. Das Ritual heisst in den USA bezeichnenderweise «Name your Shit»!
Falls diese Anregungen nicht zur gewünschten Ruhe geführt haben, hier noch ein hilfreiches Ritual zum Schluss: Wenn Sie am Ende dieses Textes ange-kommen sind, schliessen Sie die Augen und begin-nen zu zählen: Ein Schäfchen, zwei Schäfchen, drei Schäfchen, vier …
Martina Degonda, Dr. phil., arbeitet als Psychotherapeutin mit ihrem Mann in der gemeinsamen Praxis in Brugg: Bahnhofstrasse 22, 5206 Brugg, Tel. 056 441 00 08. Weitere Angaben, auch zu Seminaren, finden sich auf www.lebendigsein.ch
Ein bekannter Fotograf fährt jeden Morgen früh, wenn das Licht am besten ist, aufs Land. Dort macht er mit höchster Konzentration genau 10 Aufnahmen – alles ohne Kamera!
Es hat keinen Sinn, eine Lampe für eine Moschee zu stiften, wenn sie zu Hause dringend benötigt wird. Aus Persien
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Ruhe bitte!
Was die Zeitsparer wirklich sparen
«Jeder Tag ist vierundzwanzig Stunden lang,» hat der Kabarettist Wolfgang Neuss einmal klug festgestellt, «aber unterschiedlich breit». Für Zeitsparer ist er stets gleich breit und deshalb immer zu kurz. Zeitsparer nämlich organisieren die Zeit, sie leben sie nicht, weil sie sie nicht erleben. Sie bringen ihr Leben nur hinter sich.
Gespart werden kann schliesslich nur ungelebte, qualitätslose, also unqualifizierte Zeit. Die aber ist so nutzlos wie sinnlos. Zeitsparer verstehen offenbar so viel von der Zeit und ihren Qualitäten, wie der Kuckuck von der Uhr. Zeit leben hingegen heisst, sie in ihrer qualitativen Vielfalt, in ihren bunten Formen zu leben. Das bedeutet konkret auch die Zeitformen zu (er)leben, die keinen Preis, wohl aber einen Wert haben: die abgebremsten Zeiten des Pausierens, des Wartens, der Wiederholungen und des Langsamen. Wenn zeitsattes und zeitreiches Leben heisst, mög-
lichst viele schöne Augenblicke zu sammeln, dann kann man dies nicht schnell und man kann es auch nicht durch Zeitsparen erreichen. Denn wer Zeit spart, spart keine Zeit, sondern Leben.»
Gefunden haben wir diesen Text in Karlheinz Geis-slers neustem Buch «Lob der Pause». Der Zeitexperte zeigt darin, warum wir Langsamkeit, Wiederholung und Warten wieder schätzen sollten. Denn es sind diese Zeiten des «Dazwischen», die die Dinge und Ab-läufe auf Abstand bringen und so für den Rhythmus im Leben sorgen. Es sind die «kleinen Sonntage unseres
Daseins», die uns die Freiräume schaffen, darüber nachzudenken, was war und was kommen wird.
Karlheinz Geissler: Lob der Pause – von der Vielfalt der Zeiten und der Poe-sie des Augenblicks. Oekom-Verlag, 2012. 128 S., Fr. 21.90 / 14,95 Euro
Der Zeitpunkt auf der Insel der StilleKristina Weiss, eine Leserin ist auf der Insel Orta San Giulio dem «Zeitpunkt» be-gegnet und hat uns dazu geschrieben:
«Sie heisst auch die Insel der Stille. Auf der Insel gibt es ein Kloster von Benedikti-nerinnen, das nicht öffentlich zugänglich ist. Um das Kloster und um die Insel führt ein Weg, nicht dem Ufer entlang, sondern in den Häusern. An verschiedenen Orten dieses Weges hat es ein Schild wie dieses (siehe oben). Meistens handeln die Texte von der Stille, wie: Die Reise beginnt ganz nah. Die Mauern befinden sich in deinem Geist. Öffne dein Wesen. Lasse das Ich und das Meine hinter dir. Nimm dich an, wachse, werde reif. Sei einfach, sei wie du bist. Der Zeitpunkt, heute, hier und jetzt. Der Weise lächelt wenn er sich irrt. Wenn du es erreichst, das zu sein was du bist, dann bist du alles. Wenn du bewusst geworden bist, ist die Reise zu Ende. Il viaggio continua boun cammino!
Wir waren mit den Velos unterwegs und haben in der Altstadt von Orta San Guilio im Hotel Olinda übernachtet. Ein wunder-schöner See und Ort.»
Den Ohren nach
Warum sind diese herrlichen Sommer-gewitter so selten? Weshalb sind die schönsten Vogelstimmen viel zu leise? Und ist es möglich, Wind aufzunehmen, ohne dass es wie ein Rauschen klingt? Diese und ähnliche Fragen, wird sich auch Vi-cente Florencio gestellt haben, als er vor Jahren mit seinem ersten Aufnahmegerät unterwegs war.
Durch und durch Autodidakt, bringt er sich selbst bei, wie man Aufnahmen am Computer schneidet und verstärkt. So
macht er Dinge hörbar, die man sonst gar nicht wahrnehmen würde, wie der Hall einer Felswand oder auch mal ein spre-chendes Eichhörnchen. Rund tausend Geräusche für Theater und Hörspielpro-duktionen, lagern zurzeit in Vicentes Ton-archiv.
Der Geräuschesammler ist bekennender Spätaufsteher, es sei denn, die Vögel ge-ben gerade das erste und einzige Konzert der Saison. «Vor Jahren hörte ich einmal einen Vogel singen und dann, drei Jahre später, nochmals die genau gleiche Me-lodie, am gleichen Ort», erzählt Vicente, der gerne alleine in der Natur unterwegs ist. Im Gebirge. Irgendwo, wo er noch nie war. Und dort an einem stillen Bergbach, wo die Essenz des Geräuschs am unver-fälschtesten ins Mikrofon gurgelt, bleibt er stehen und stellt die nebelfeuchten Beine des Stativs ins Heidekraut.
Auf seiner Website bietet er kostenlose Hörmuster und kostenpflichtige CDs mit Vogelstimmen, Wasserplätschern und Ge-räuschen von Räumen und Sphären – «au-diophole Raumakustik mit feinstofflicher Prägung.» SL
Kontakt: Vicente Florencio, 3636 Forst-Längenbühl, Tel. 076 360 26 41, www.naturgeraeusche.ch
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An der Grenze: Ruhe ohne GrenzenSchranken können einsperren, aber sie können auch be-freien. Ruhe findet, wer sich abzugrenzen weiss gegen den All-tagsstress, der uns das einfache Sein manchmal so schwer erschei-nen lässt. Bei einem Wanderwochenende in der Region des ‹Clos du Doubs›, dem jurassischen Hügelrücken inmitten der Flussschlei-fe des Doubs, finden wir unsere Schranke. Vor dem alten Zollhaus ‹Le Chaufour› markiert eine Barriere den Grenzübergang zu Frank-
reich. Roman wohnt hier alleine mit sei-nen zwei Katzen. In seinem Bed and Breakfast lässt er Gäste an der wohl-tuenden Abgeschie-denheit von Le Chau-four teilhaben.
Ein bisschen wie Yin und Yang fühlt es sich an: Roman – ein ehemaliger Hard-Rock-Musiker mit schneller Sprache und eiligen Schritten und sein Zollhaus – einsam und verankert in der Stille des Clos du Doubs. Der Energieausgleich scheint zu funktionieren. Am Abend sitzen wir gemeinsam mit unserem Gastgeber am Lagerfeuer im Garten, «wo das ‹Jetzt› allgegenwärtig ist», wie Roman sagt. Ohne Zweifel: die Stille, das Feuer und der fantastische Sternenhimmel lassen auch das Innere ruhig werden. Roman hat sich in Le Chau-four einen Kindheitstraum erfüllt. Als er im September 2011 in Münchenstein bei Basel seine Koffer packt, sucht er nicht nur die Herausforderung mit sich selbst, sondern auch mit der Natur. Be-sonders bei Schnee und Unwetter könne es ziemlich garstig werden, erzählt er. Letzten Winter mussten zwei Autos dran glauben.
Trotzdem fühlt er sich wohl fernab vom Puls der Stadt: «Inseln sind wichtig in unserer leistungsgetrimmten Gesellschaft. Hat man keine, steht man ständig unter Strom.» Auf der Ruheinsel auf 800 Metern über Meer finden auch unruhige Schläfer erholsamen Schlaf. Auch das Frühstücksbuffet am nächsten Tag enttäuscht nicht: Bei Roman sind Zopf und Konfitüre selbstgemacht – Ehrensache. Wäh-rend wir noch gemütlich essen, ist unser Gastgeber bereits in den Startlöchern für eine Kajaktour. Wir lassen auf der Hängematte im Garten noch ein wenig die Seele baumeln und geniessen die Ruhe, bevor wir uns auf den Weg machen. Nicht aber, ohne uns vorher im Gästebuch zu verewigen. Unser Aufenthalt ist schnell zusammengefasst: «Dieser Grenzübergang führt ins Paradies.» Melanie KüngKontakt: sleep and eat soubey: Roman Burkard, Tel. 032 955 15 03, Le Chaufour 76b, 2887 Soubey, www.sleep-and-eat-soubey.ch
Kurzmitteilungen
Die humorvollen Nachfolger von Sisyphos
Gemessen an seinem Ergeb-nis ist der «Verein zur Verzö-gerung der Zeit» wohl eine der erfolglosesten Initiativen der Gegenwart, und doch eine der wichtigsten. Der Verein ist der grösste interdisziplinäre Zu-sammenschluss von Zeitexper-ten und glücklicherweise mit einer gehörigen Portion Hu-mor gesegnet. Die Mitglieder haben offenbar genügend Musse, sich gründlich mit den Themen zu beschäftigen und
da fliesst eine gewisse Selbst-ironie wie von alleine mit. Der Verein führt eine Bera-tungsstelle, rüttelt mit künst-lerischen Aktionen auf und
gibt eine Zeitschrift heraus, die ZEITpresse, die «immer zur richtigen Zeit erscheint», aber mindestens dreimal jährlich. Sie enthält intelligente, gut ge-würzte Beiträge und Tipps, wie
man die Zeit sinnvoll vergeu-den kann. Die Mitglieder des Vereins geben viele Interviews und sind gern gesehene und gehörte Gäste in Talkshows. Leider werden sie wegen ihres humorvollen Charakters nicht so ernst genommen, wie sie es verdienten. Aber das könnten Sie mit einer Mitgliedschaft (75 Euro pro Jahr) ja ändern.
Kontakt: Verein zur Verzögerung der Zeit, Fakultät für Inter-disziplinäre Forschung und Fortbildung, der Universität Klagen-furt, Sterneckstr. 15, A-9020 Klagenfurt. www.zeitverein.com
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Spiritualität & Politik
Ein anderes Tempo ist möglich
Kontinuität im Wandel
Rituale helfen, das Leben – im Bleibenden wie im Wandel – bewusster zu erleben. Sie inszenieren Veränderungen und verdeutlichen sie dadurch. Rituale helfen, Entwick-lungen wahrzunehmen und Umbrüche als Chancen zu sehen. Sie vermitteln Kontinuität im Wechsel und Si-cherheit in der Unsicherheit des Übergangs. Dieses Buch erschliesst den Sinn von Ritualen und zeigt, was zu einer stimmigen Form gehört. Vor allem ermutigt es dazu, persönliche Rituale für den Alltag, den Jahres-
zyklus und die Lebenswenden selbst zu entwickeln.
Lukas Niederberger: Rituale – was uns Halt gibt. Herder, 2012. 160 S., Fr. 14.90 / 8,99 Euro
Stille Wasser lesen gern… und auch unruhige Menschen können mit diesen Buchtipps für eine Weile in die Stille eintauchen.
Das Kloster in mirDoris Idings Buch «Kloster Stille» ist kein Reiseführer und gibt keine Urlaubstipps. Vielmehr geht es um die Reise nach innen. Die Traditi-onen der Mönchorden und die Phi-losophie grosser Gründergestalten
wie Benedikt von Nursia werden kenntnisreich beschrieben. Vor allem wird der Leser aber ange-regt, wohltuende «mönchische» Gewohnheiten in seinen Alltag zu integrieren. Z.B. Fasten, Rück-zug und Kontemplation. Die Yoga-Lehrerin Doris Iding steht östlicher Spiritualität nahe und stülpt niemandem ein katholisches Weltbild über.
Doris Iding: Kloster Stille – Spiritualität und Ruhe in den Alltag bringen. Ludwig Verlag, 127 S., Fr. 28.50
Wer konkret wissen will, in welchen Klöstern man sich einmieten kann, der greife eher zum Merian GuideUrlaub im Kloster – zu Gast in den 100 schönsten Klöstern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Merian. 246 S., Fr. 26.90 / 14,95 Euro
Ratgeber und KunstwerkJürgen Werths Buch mit dem treffenden Titel «Pssst» verteilt nicht einfach Rat-Schläge, sondern führt behutsam in die Stille: durch Gedichte, Reflexionen, kleine Geschichten. Hintergrund ist der moderne Informations-Overkill. «Wer zu wenige Informationen hat, der ist schlecht informiert; wer zu viele Infos bekommt, ist auch schlecht informiert», behauptet der Autor. Entspre-chend ist sein Buch nicht geschwätzig, sondern bleibt beim Wesentlichen: Lesens-Werth!
Jürgen Werth: Pssst – Stille finden in einer lauten Welt. Gerth Medien, 127 S., Fr. 14.90 / 9,95 Euro
Offline leben statt online versumpfen
Internetsucht ist wie Ess-sucht: Entzug ist schwer, weil man mit dem Suchtstoff ständig konfrontiert wird. Tausende verdämmern in-zwischen ihr Leben vor der Mattscheibe und riskieren ihre psychische Gesundheit. Dies ist keine kulturkritische
Abhandlung, sondern wirklich ein Hilfe-Buch. Es bietet wissenschaftliche Fakten, Arbeitsblät-ter zur Selbsterforschung und Therapieangebote. Und solange man es liest, ist man wenigstens ein paar Stunden nicht im Netz.
Petra Schuhler, Monika Vogelgesang: Abschalten statt Abdriften – Wege aus dem krankhaften Gebrauch von Com-puter und Internet. Beltz Verlag, 173 S., Fr. 44.90 / 29,95 Euro
Gottesbewusstsein statt SelbstbewusstseinWer einen undogmatischen christlichen Ansatz schätzt und nach Seelenfrieden sucht, der kann bei Richard Rohr fündig werden. Der Franziskaner fordert Gelassenheit statt angestrengtem «Selbstsicherheitstraining», Vergebung statt moralischer Erbsenzählerei, Hingabe statt Willensheroismus. Die wohltuenden, kon-zentrierten Sätze des «Anti-Ratgebers» nähren die Seele für lange. Geistiger Slow Food für Anspruchsvolle.
Richard Rohr: Wer loslässt, wird ge-halten – das Geschenk des kontemplativen Gebets. Claudius 174 S., Fr. 29.90 / 14,80 Euro
Im Takt der elektronischen Kommunikationsmit-tel hetzen wir von einem Termin zum anderen. Für die wirklich wichtigen Dinge wie Freunde oder Familie scheint die Zeit nicht mehr zu rei-chen. Wer oder was treibt diese Beschleunigung eigentlich an? Ist sie ein gesellschaftliches Phä-nomen oder liegt alles nur am mangelhaften
Zeitmanagement des Einzelnen? Diesen Fragen geht der Regisseur und Autor Florian Opitz (Der grosse Ausverkauf) in seinem neuen Dokumen-tarfilm nach und sucht zuerst bei sich selber. Er besucht einen Burn-out-Spezialisten und einen Zeitmanagement-Guru und erkennt: Die Atem-losigkeit hat nicht nur persönliche Ursachen. Er begegnet Menschen, die die Beschleunigung vorantreiben und solche, die sich trauen, Al-ternativen zur allgegenwärtigen Rastlosigkeit zu leben. Er befragt Wissenschaftler nach Ursachen und Auswirkungen, trifft Unternehmensberater und Akteure, die im internationalen Finanzmarkt aktiv sind und an der Zeitschraube drehen. Und er lernt Menschen kennen, die aus ihrem ganz privaten Hamsterrad ausgestiegen sind und ent-deckt: ein anderes Tempo ist möglich, wir müs-
sen es nur wollen. Ein schöner, leichter Film mit eingängigen Argumenten für die persönliche Entschleunigung.
Florian Opitz: Speed – auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Dokumentarfilm, 101 Min., Dreamer Jointventure, 2012, Deutschland. www.speed-derfilm.de
Das Buch hinter dem Film: Florian Opitz: Speed – auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Riemann Verlag 2011. 288 S. Fr. 25,90 / 17.95 Euro
Einfach still Sit-ZenDie Werke des Priesters, Tao- und Zen-Experten Alan Watts ragen aus der Fülle der Literatur zum Thema hervor. Ohne enge Traditionsbezüge eignet sich dieses Buch bestens für westliche Einsteiger. Es ist Meditationshilfe und philosophische Einführung in einem.
Alan Watts: Zen – Stille des Geistes: Einführung in die Meditation. Theseus Verlag, 143 S., Fr. 24.40 / 16.95 Euro
1/8 internatKurzfilmtage 1/8 medico internat
massenmedien sind für die masse.
derist für dich!
Die Abokarte findest du im Umschlag
entscheiden & arbeiten
30 Zeitpunkt 122 Illus
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die nächste weltGeht es so weiter, wenn es so weiter geht? Nein, meinen immer mehr Men-schen und hoffen auf die grosse Umwälzung. Wir können nicht auf eine schöne nächste Welt hoffen, ohne jetzt schon an ihrem Bau zu arbeiten. Aber zuerst ist das Tal der Tränen zu durchqueren, schreibt Johannes Heimrath
ich möchte in einer Welt leben, die es noch nicht gibt. Seit ich denken kann, wirke ich dafür. Es ist eine ganz einfache Welt: In ihr lebe ich mit den Menschen, denen ich lebenslang zugeneigt bin – das sind relativ viele – und die mir das
erwidern – auch das sind mehr als eine Handvoll –, in einem stimmigen Grossfamilienverbund zusam-men. Mit meinen Nachbarinnen und Nachbarn ver-bindet mich ein von gegenseitiger Achtung, Wärme und Hilfsbereitschaft getragenes freundschaftliches Verhältnis. Ich habe egalitären Anteil an einem le-bendigen Gemeinwesen, das selbst Teil eines le-bendigen Verbunds von freundlichen Gemeinwesen in einer überschaubaren Region ist. Meine Stimme wird gehört, ich darf in Freiheit wachsen und kann meine Verantwortung für das Ganze selbstbestimmt erfüllen. In dieser einfachen Welt habe ich keine Angst vor Notlagen. Nahrung für den Leib, das Herz,
den Geist, die Seele ist immer da, und ich kann selbst dazu beitragen, dass alle innerlich und äusserlich satt werden und gesund bleiben. Es gibt niemanden, der den Menschen und der mehr-als-menschlichen Welt
Gewalt antut, der zu seinem eigenen Vorteil ein knappes Gemeingut ausbeutet, der sich im alleinigen Besitz der Wahrheit wähnt. Geld ist unbekannt – oder zumindest die Jagd nach ihm. Es gibt kein Ungetrö-stetsein, kein Frieren, kein Unbehaustsein, nichts,
das zur Neige ginge, ohne dass es erneuert werden könnte, denn was ein für allemal zur Neige gehen könnte, darf sein und bleiben, was und wie es ist. Die Menschen nah und fern wissen voneinander, sodass man sich abends beruhigt in die selbstgestopften Kissen bettet und weiss: Alle leben ein gutes Leben, alle sind mit allem versorgt, kein Kind ist allein, auf keinen ist eine Waffe gerichtet, kein Rücken blutet unter der Peitsche. Auf jeder Fieberstirn liegt ein kühlendes Handtuch, niemand steht sprungbereit auf der Balkonbrüstung, weil er oder sie keinen Sinn in dem findet, was er oder sie tut. Was blüht, blüht, was stirbt, stirbt, was getan werden kann, wird ge-tan, was besser nicht getan wird, wird unterlassen. Wissen und Weisheit begleiten sich geschwisterlich, die Künste sind in hohem Kurs, und die Liebe ist die grösste unter ihnen.
Eine einfache Welt. Noch niemand hat mir bis heute widerspruchsfrei und einleuchtend erklären können, warum diese einfache Welt nicht möglich sei. Jetzt und sofort. Einfach so. Wo doch alles an-dere, was da ist, die ganze mehr-als-menschliche Welt jenseits des Bruttosozialprodukts, jenseits von Arbeitsagenturen, Kreditanträgen und Wachstumsan-reizen, ausserhalb unserer Zollverwaltungen, For-schungslabore, Ganztagsschulen, Vorstandsetagen, Polizeiwachen und Parteizentralen so ist: unbedingt da. Frei, ohne Religionswächter. Unbegründet, auf eine transhumane Art liebend.
Eine Zeitlang dachte ich, ich könne durch meinen eifrigen Einsatz für das Gute einen zwar winzigen,
Während das Alte dem Desaster entgegeneilt, müssen wir eine neue – integrale, lebensfördernde, enkeltaugliche – Kultur aus dem Keimstadium in die Frühlings-bereitschaft hineinführen.
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aber doch ehrenhaften Beitrag dazu leisten, dass diese einfache Welt entstehe. Und vielleicht ist das sogar der Fall. Doch habe ich inzwischen grossen Zweifel: In den über 40 Jahren meines bewussten Die-Welt-Anschauens ist die industrialisierte Zivilisa-tion in nicht für möglich gehaltener, aber schon früh befürchteter Beschleunigung zum vollständigen Anta-gonisten meiner einfachen Welt herangewuchert. Ich kann keine Organisation, keinen Gipfel der grossen und kleinen Nationen, keine Einzelperson und kein
Parlament erkennen, von denen ein erfolgreiches, nämlich unwiderruflich global und sofort wirk-sames Zurücknehmen der Gashebel zu erwar-ten wäre, was den im-
mer steiler hochschiessenden «Dreamliner» bremsen und ihn wenigstens in eine stabile Fluglage bringen könnte, von einer sicheren Landung auf dem be-grenzten Boden der planetaren Leistungsfähigkeit ganz zu schweigen.
Die Weltgesellschaft strebt einem Kollaps entge-gen, der durch nichts aufzuhalten ist. Über die Fallhöhe darf spekuliert werden, darüber, welches lebenswichtige System als erstes überhitzt, ob es lang-sam oder schnell geschieht und in welcher Weltregion und in welchen gesellschaftlichen Bereichen ein wie grosser Schaden entstehen wird. Noch schimpfen die Wachstumsprediger die besonnenen Geister «Stein-zeit-Ökologen». Doch lassen sich aus der Kenntnis der Geschichte und dem Versuch einer Adaptation ihrer Lehren an bisher unbekannte Grössenordnungen und Dynamiken einige mögliche Kollaps-Szenari-en skizzieren. Als sicher ausgegebene Voraussagen kommen heute fast ausschliesslich von denjenigen, denen die Welt gehört und die obszönen Reibach mit der grössten Umgestaltung des Lebens machen, seit-dem der «zweimal weise» Mensch, der homo sapiens sapiens vor 40000 Jahren dem armen Neandertaler den Rang abgelaufen hat.
Diese Männer – und betrüblicherweise auch ihre Ehefrauen, ihre Lebensabschnittsgefährtinnen und die Mütter ihrer Kinder – sehen heute wie schon vor fünfzig Jahren ohne den geringsten Selbstzweifel vorher, dass wir um 2050 in einer perfekt designten «grünen» Welt leben werden, voll herrlicher Elektro-mobile, prächtiger Windmühlen, durchzogen von vor Intelligenz sprühenden Leitungsnetzen, mit implan-tierten RFID-Chips im Unterarm zum bargeldlosen Bezahlen unserer «nachhaltigen» Konsumgüter, mit Proteinen und Vitaminen aus üppig gedeihenden Hochhausgärten, die von smarten jungen Migran-
tinnen und Migranten aus den vom Klimawandel be-troffenen Dürregebieten in sonniger Harmonie mit einheimischen High Potentials gewässert werden, während innovative Unternehmen die ersten wüsten-tauglichen Gen-Getreidesorten ankündigen, die gar kein Wasser mehr brauchen. Dazu versprechen sie ein Finanzsystem, das nie mehr zusammenbrechen kann und den dann Hyperreichen garantiert keine Verluste mehr bescheren wird – wobei die restlichen 99 Prozent der Menschheit mit einem bedingungslosen Schweige-geld in Form eines auskömmlichen Grundeinkommens ruhiggestellt sind. Und das alles und mehr in einer heroisch-hedonistischen Allianz aus kapitalistischer Wirtschaft und ihr genehmen Pseudo-Regierungen von Bankers Gnaden. Sie vertrauen darauf, dass sich «die Märkte», vor allem in ihren indischen, chinesischen und brasilianischen Phänotypen, ständig etwas Neues einfallen lassen werden, das konsumiert werden kann, um immer grösseren Wohlstand für alle mit immer weniger Ressourcenverbrauch, Umweltverschmutzung und CO2-Ausstoss anzuhäufen. – Mir fehlt nicht nur der Glaube an all das, mich schüttelt es bei dieser «schönen neuen Welt».
Wer derlei Seifenblasen nicht mit stabilen Expedi-tionsfahrzeugen für die Reise ins Unbekannte ver-wechselt, dürfte, wie ich, wohl dazu neigen, nur die eine Aussicht für sicher anzunehmen: Dass unser Himmelsritt ein baldiges Ende finden wird, ja muss. Und da zumindest in den heute noch wohlhabenden Multioptionsgesellschaften erste Anzeichen zu erken-nen sind, dass sich ein nicht mehr ganz unerheblicher Teil der Bevölkerung den Machbarkeitsdogmen der Marktprofiteure nicht mehr unterwerfen will, könnte es womöglich auch eine Chance geben, dass nach dem Absturz eine Welt entsteht, die meiner einfachen Welt ähnelt.
Sie kommt aber gewiss nicht von alleine da-hergeschlichen, sondern sie hat nur dann – und auch dann noch immer eine verschwindend geringe! – Chance auf Verwirklichung, wenn diejenigen, die die Zeichen der Zeit zu lesen verstehen, jetzt und sofort damit beginnen, sich auf den Durchgang durch das Tal der Tränen vorzubereiten und alles tun, was nötig ist, um in einer völlig unbekannten Welt zu überleben, Fuss zu fassen und enkeltaugliche Sied-lungen des guten Lebens zu begründen – mit weniger Haben vom heutigen Schein, aber viel mehr vom Wesentlichen, wofür wir Menschen gebaut sind: vom Wahren, Guten und Schönen.
Um einem Missverständnis vorzubeugen: Ich bin nicht katastrophensüchtig. Ich gehöre auch beileibe nicht zur rasant wachsenden Subkultur der «Prep-pers»*, und ich hoffe, nicht auf dieselbe Art medial verunglimpft zu werden, wie es den Menschen ge-
Noch niemand hat mir wider-spruchsfrei und einleuchtend erklären können, warum diese einfache Welt nicht möglich sei.
*) Der englische Begriff ‹Prepper› (Plural: Preppers; Personenbezogene Ableitung von englisch: Preparedness, deutsch: Vorbereitet sein) bezeichnet Personen, die sich mittels eigener, in-dividueller Massnahmen auf jedwede Art von Katastrophe vorbereitet halten wollen. wikipedia
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schieht, die sich ganz ohne neue gesellschaftliche Zukunftsperspektiven allein um das eigene Überle-ben bei Zusammenbrüchen aller Art kümmern, ihre bunkerartigen Zuflüchte mit Vorräten füllen und das Gärtnern von Hand erlernen, um für alle Eventuali-täten gerüstet zu sein. Mich beeindruckt nur, dass in der Alltagswelt kaum jemand bei dem Gedanken an-hält, dass wir die erste Generation von Menschen auf der Erde sind, von deren Entscheidungen es abhängt, ob wir zugleich auch die letzte sein werden. Das haben einige von uns schon vor Jahrzehnten gesagt, zu Zeiten, wo viele Menschen noch als schlimmste Katastrophe ein nukleares Armageddon befürchteten. Es mag sein, dass ein gewisser Abstumpfungsprozess die Brisanz jener Einsicht gebrochen hat. Es hat ja auch tatsächlich an radioaktiven Desastern «nur» Har-risburg, Tschernobyl und Fukushima gegeben, alle drei friedliche Anlagen, bei denen sowieso nichts passieren konnte …
Es ist ein grosses Eulen-nach-Athen-Tragen, das ich seit langem beobachte und das mich ob seiner erschütternden Wirkungslosigkeit in all den Jahren immer nachdenklicher gestimmt hat. Würden all die aufrüttelnden Aktionen und Brandbriefe wirklich bei jenen zünden, die kräftig an den Ohren gepackt und durchgerüttelt werden müssten, weil sie all die guten Bürgerinnen und Bürger, die den Sturm noch nicht kommen sehen, ins Verderben führen, hätten wir heute nicht die Lage, in der wir uns befinden. Ich konstatiere, dass meine Kolleginnen und Kollegen Autoren immer nur die Leute ansprechen, die schon «dazugehören». Ihr innigster Wunsch aber ist, mit ihren Äusserungen «den Mainstream» zu erreichen.
Sie hoffen darauf, dass die Medien gerade ihre auf-rüttelnde Botschaft in die Wohnzimmer «der ande-ren» tragen und dort ein Aufspringen auslösen, ein Nicht-mehr-Ruhen-Können, bis alle Missstände der modernen Welt ausgeräumt sind. Ich bleibe lieber auf dem Teppich und schicke diesen Text hinaus, wie der Löwenzahn auf den überdüngten Fettwiesen seine Segelschirmchen loslässt, wenn sie fortwollen.
Vielleicht sind Sie bereit, sich mit einer grund-legenden Frage zu beschäftigen, die bei all den aufgeregten Demos und Aktionen, in Ihren bürger-schaftlichen Foren oder abendlichen Gesprächen im Freundeskreis, ja in all den Krisenbüchern, die Sie in jüngster Zeit auf der Suche nach Orientierung gelesen haben, selten gestellt werden. So eigenartig es ist: In all dem Tumult in der aufgeklärten Szene des bür-gerlichen Wandels, von den urbanen Gärtnern über die Transition-Town-Initiativen zu den Anti-Castor-Gruppen und den Occupy-Leuten, von Leadership-Experten, Geldrevolutionären über Ökodörfler bis zu erfolgreich publizierenden Post-Wachstums-Propheten habe ich bisher keine befriedigende Antwort auf die
Frage gehört, wie es denn eigentlich weitergehen soll, nach dem Crash, den alle kommen sehen, nach dem Kollaps – eben, wie eine Post-Kollaps-Gesellschaft, nüchtern und realistisch betrachtet, aussehen könnte.
Unter den guten Gründen, nicht an den Segen der Technik zu glauben, ist für mich der hand-festeste der, dass die Probleme dieser Welt exakt darin begründet liegen, dass Menschen geglaubt haben, mit der richtigen Technik liesse sich dieses und jenes Beschwernis einwandfrei lösen. Nun sind die Einwände alle da und stehen mit grossen Lettern an der Wand. Und ausgerechnet dasselbe Mittel soll helfen, das zu der ganzen Misere geführt hat? Kaum zu glauben. – Bevor ich mich wieder auf Technik einlasse, möchte ich mich erst an der Erfahrung er-freuen können, dass wir ein anderes Verständnis von unserem Dasein und unserem Wirken in dieser Welt entwickelt haben. Dann mag es vielleicht eine Technik geben, die nichts nimmt, was nicht in
Wir sind die erste Generation von Menschen auf der Erde, von deren Entscheidungen es abhängt, ob wir zugleich auch die letzte sein werden.
Johannes Heimrath ist u.a. Musiker und Verleger der Zeitschrift «Oya» und des Drachenverlags. Er lebt seit über 30 Jahren in Gemeinschaft und ist auf lokaler Ebene auch politisch aktiv, z.B. als Vizebürgermeister der einzigen Gemeinde Meckelnburg-Vorpommerns mit Bevölkerungszuwachs.
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… aber wichtig ist nicht der Fall, sondern die Landung.
‹La Haine›, Mathieu Kassovitz
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gleichem Mass wieder zurückgegeben werden kann, die nicht ein Loch stopft und damit zwei neue auf-reisst, die sich demütig in den Dienst des Menschen und der mehr-als-menschlichen Welt stellt und die ihren Anspruch, alleinige Weltherrscherin zu sein, ein für allemal aufgibt.
Es ist keine Frage: Die «Renaissance der Mensch-heit» kann nicht von einem einzelnen Buch ausgelöst werden, das haben noch nicht einmal die Bibel, der Koran oder die «Worte des Vorsitzenden Mao» ge-schafft. Und von einer Renaissance, wörtlich: «Wie-dergeburt», träumen viele. So verspricht der neue ägyptische Präsident Mohammed Mursi, Ex-Kan-didat der Muslimbruderschaft, seinen Landsleuten eine «Renaissance der islamischen Werte». Es gibt die «Renaissance des Sozialismus» in Lateinamerika. Dank neuer Bohrtechniken sieht die amerikanische Erdölindustrie eine «stille Renaissance des Erdöls» heraufziehen. Und so fort. Und als was sollte sich die Menschheit eigentlich «wiedergebären»? Gibt es denn ein historisches Modell, dem nachzueifern sich lohnte, wie es weiland die Antike für die in die Re-naissance aufbrechenden Menschen des ausgehenden Mittelalters in Europa war? Müssten wir angesichts der beispiellosen Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, nicht eher von der Notwendigkeit zu einem Quantensprung sprechen, der sich aus allen bisherigen Epochen herausbewegt, die ja in ihrer fürchterlich logischen Konsequenz der Abfolge nicht nur das, was wir heute an Kultur wertvoll erachten, sondern zugleich sämtliche konzeptionellen und technischen Vorbedingungen zu unserer heutigen Notlage geschaffen haben?
Wie aber kann sich ein solcher Quantensprung ereignen? Angesichts der Wirklichkeit, deren Fakten durchgängig von Menschen normiert werden, die mit ihrer ganzen Machtfülle – gleich, ob es sich um die «Macht der Massen», um von Wählern verliehene oder mit Gewalt usurpierte politische Macht oder die Macht
der grösseren Finanzmit-tel handelt – dafür sor-gen, dass alles so bleibt, wie es ist, erscheint so ein Quantensprung un-möglich. Es führen auch keine kleinen umstürzle-rischen Schritte dorthin, denn solche erlauben
dem System die ständige Möglichkeit zur Fehlerkor-rektur. Nur ein Zusammenbruch des derzeit domi-nierenden Zivilisationsmodells, der so viele seiner technischen, ökonomischen und politischen Stützen samt ihrer theoretischen Begründungen pulverisiert, dass es nicht wieder in gleicher Art aufgebaut und
«wiedergeboren» werden kann, kann die nötige En-ergie für einen fundamentalen Neuanfang liefern. Ohne den wird es kein gutes Leben für unsere Enkel geben. Ohne den gründlichen Kollaps des westlich geprägten, globalen Macht- und Ausbeutungsmodells wird kein Wandel hin zu einer wahrhaft nachhaltig guten Welt für alles, was lebt, möglich sein.
Das mag unmöglich erscheinen, und unter den wenigen Menschen, die es inzwischen überhaupt wagen, den Kollaps furchtlos zu denken, dominiert die Meinung, das System werde sich unter denselben Vorzeichen fortsetzen, je nach Tiefe des Absturzes auf mehr oder weniger demselben Niveau wie heute. Für etwas anderes sei der Mensch nicht gebaut. Ich mag aber meinen Traum von einer einfachen Welt voller Lebendigkeit nicht aufgeben. Unter den vielen pessimistischen Szenarien für einen Kollaps gibt es auch eines, in dem die Überlebenden – oder wenig-stens eine nennenswerte Anzahl von ihnen – sich weigern, zu jenen heutigen Verhaltensweisen zurück-zukehren, die ihnen die Last des Überlebens durch ihre fatalen Auswirkungen erst auferlegt haben. In dieser Weigerung einiger, zum Alten – dem Heutigen – zurückzukehren, liegt das Fünkchen Zuversicht, das mich antreibt, weiterhin an der Schaffung der Voraussetzungen dafür mitzuwirken, dass dies das dann auch tatsächlich geschehen kann.
Um nicht mehr zum Alten zurückzukehren, wird denjenigen, die dieses Fünkchen Zuversicht mit mir teilen, nichts anderes übrigbleiben, als bis zur ka-thartischen (von griechisch ‹καθαρσις›, kátharsis, «Reinigung») Entfaltung des sich anbahnenden De-sasters eine Vision davon erträumt zu haben, was das Neue ist. Wir – ich schliesse mich ein – müssen die wesentlichen Elemente des Neuen erarbeitet und erprobt haben, und wir müssen uns im Umgang mit den neuen Werkzeugen, die uns das nicht mehr am Alten orientierte Überleben nach dem Kollaps sichern helfen, üben und ausüben – noch während das alte System, sich beschleunigend, dem Desaster entgegen-braust, noch während ein grosser Teil der Menschheit für unsere Vorschläge taub ist, noch während wir nicht anders können, als dem Desaster durch unser eigenes Verhalten, unsere Mobilität, unsere weltweite Kommunikation und unseren ressourcenzehrenden, urbanen Lebensstil permanent zuzuarbeiten. Wenn also das Neue nichts weniger als ein Quanten-sprung in der Evolution der Menschheit sein kann, bedeutet es auch nichts weniger als die Entfaltung eines neuen Denkens, die Manifestation einer neu-en Qualität unserer Beziehung zum All-Bewusstsein – das wohl vorhanden sein muss. Wie sonst könnte unser Bewusstsein mit der mehr-als-menschlichen Welt kommunizieren? Das neue Bewusstsein setzt
So eigenartig es ist: Ich habe bisher keine befriedigende Antwort auf die Frage gehört, wie es denn eigentlich weitergehen soll, nach dem Crash, den alle kommen sehen.
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die dauerhafte Veränderung der neuronalen Struk-turen in unserem Gehirn voraus – etwas, das immer schon möglich war und was die akademische Welt inzwischen auch bemerkt und mit dem Etikett «Epige-netik» beklebt hat. Dazu müssen wir als erstes unser Denken mit Erfahrung verbinden, den Intellekt mit dem Gefühl und beides mit dem Körper verkoppeln. Wir müssen unsere Subjektivität, unsere Emotionen, unsere Bilder, die ganze Welt unserer ästhetischen, sozialen und lebensfördernden Empfindungen der heute einseitig aufs Höchste entwickelten sogenann-ten objektiven Wissenschaft als gleichberechtigte und gleichermassen taugliche Faktoren der Welterken-nung und -gestaltung gegenüberstellen.
Die gegenwärtige Gesellschaft bietet so gut wie keine Freiräume, in denen wir diese essen-zielle, an der höchstwahrscheinlichen Zukunft ori-entierte Lernaufgabe angehen können. Und selbst in den mühsam freigehaltenen Räumen der weltweit noch immer verschwindend wenigen intentionalen Gemeinschaften gedeiht mancher Unsinn, den ihre sinnsuchenden Mitglieder aus der Epoche des Alten mitgebracht haben.
Soll es um eine Kultur gehen, die sich nach dem Kollaps womöglich als integral beschreiben lässt, dann sind wir jetzt, heute, herausgefordert, zu prüfen, wie integral wir bereits denken und fühlen, wie inte-grativ wir unsere Pläne entwickeln, wie integrierend wir tatsächlich leben. Dabei ist einer der wichtigsten Prüfsteine für unsere Integrationsfähigkeit die Frage, wie wir mit unseren «Gegnern» umgehen, mit den Menschen, die genau das, was wir als Ursachen für das Desaster identifiziert haben, ihrerseits als er-strebenswertes Ziel ihres Lebens und der gesamten Zivilisation betrachten.
Das Desaster entwickelt sich derzeit noch schlei-chend, die eigentliche Zusammenbruchsphase aber dürfte sich vermutlich rasch eskalierend gestalten. Darauf lassen ansteigender Stress und zunehmende Beschleunigung in praktisch allen dynamischen Sy-stemen der Biosphäre schliessen.
Dieser Prozess ist insgesamt zu begrüssen, denn ein langsames, gleichförmiges Dahinsiechen beinahe der ganzen Weltgesellschaft – nämlich desjenigen 99-Prozent-Teils, dem der Zugang zu den zukunftsbe-herrschenden Ressourcen verwehrt ist –, dem durch immer restriktivere Reformen ständig der Anschein baldiger Besserung der Lage gegeben wird, wäre die schlechtere Variante.
Die Voraussetzungen für ein positives Modell einer Post-Kollaps-Gesellschaft des guten Lebens können derzeit nur in Grundzügen umrissen werden. Es kann und will kein Plan sein, den man nur abzukopie-ren brauchte, um ab sofort friedlich und versorgt
in einer anderen Welt zu leben. Das Modell steckt vielmehr voller Arbeit; es bedingt die konkrete Aus-einandersetzung mit dem Gegenwärtigen. Und es fordert zwei Tugenden, die heute sträflich unterbe-wertet erscheinen: Geduld und Demut. Wie immer es nämlich schliesslich zur Eskalation kommt, sie wird zwar einigermassen erwartet, aber dennoch in Zeitpunkt und Ursache überraschend eintreffen, und sie wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von den heute dominierenden Grossfaktoren ausgelöst, auf die wir alle starren wie das Kaninchen auf die Schlange: Politik, Finanzen, Ökologie.
Ein natürliches System passt sich steigendem Stress so lange an, bis der kritische Punkt erreicht ist, an dem es entweder plötzlich zusammenbricht – oder mutiert. Das ist die Herausforderung: Können wir – oder zumindest ein nennenswerter Teil der Menschheit – zu einem neuen «Wesen» mutieren? Zu einem Wesen, das gewissermassen eine neue
Denkdimension im Gehirn entwickelt? Bevor es zu spät ist – oder doch wenigstens so zeitig, dass die Kollaps-Überlebenden eine realistische Chance ha-ben, das Neue zu manifestieren? Und wie macht man das – mutieren?
Mutation ist ein Urprinzip der Evolution. Dabei wird nichts hinter sich gelassen, sondern das gesamte Erbe wird integriert und neu interpretiert. Unsere eigene Entwicklung vollzieht im Embryonalstadium alle stammesgeschichtlichen Phasen nach, die die Evolution auf unserem Weg zum «Homo not so sa-piens» durchlaufen hat. Und noch immer leben wir von und mit den allerersten Lebewesen, die die Erde geboren hat: Unser Körper ist ein auf freiwilliger Kooperation basierendes Ökotop unzähliger Einzel-ler, die, statt autonom zu bleiben, eine Haut, einen Fingernagel, eine Herzklappe, einen Schliessmuskel bilden. Dazu hausen 100 Billionen selbständige Ein-zeller in unseren Eingeweiden und sonstwo im und auf dem Körper, Bakterien, ohne die wir nicht das kleinste Stärkekorn verdauen könnten und die uns erfolgreich vor dem Gefressenwerden durch andere Einzeller schützen.
Das Bild des Körpers lässt sich auch für die ange-strebte integrale Gesellschaft der Kollaps-Überle-
Angesichts der Wirklichkeit, deren Fakten durchgängig von Menschen normiert werden, die mit ihrer ganzen Machtfülle dafür sorgen, dass alles so bleibt, wie es ist, erscheint so ein Quantensprung unmöglich.
Nach dem Zusammen-bruch aller Illusionen genügt die Suche nach der Wahrheit, um uns fest ans Leben zu ketten.
‹Sully Prudhomme
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benden mit Gewinn heranziehen: Kohärenz; Ordnung ohne Machtgefälle; Ausgleich der Kräfte; kollektive Intelligenz; Autonomie bei der Gestaltung der Schaf-fensdomänen; unverbrüchliches Einverständnis, den angestrebten Lebensweg gemeinsam zurückzulegen; ständige Bereitschaft, sich zu erneuern; konzertierte Aktion beim Bewältigen komplexer Aufgaben; schlag-artige Mobilisierung aller Kraftreserven beim Schul-
tern einer schweren Last; Schönheit als Ergebnis des freien Ausdrucks der Lebensfreude; Konsens-gemeinschaft; Klugheit und Augenmass bei der Anwendung notwendig werdender Schutzstra-tegien; unmittelbares
Handeln; Empathie etc. – das alles und mehr sind Eigenschaften unserer organischen Wirklichkeit, die wir nur von den Funktionen unseres eigenen Körpers abzugucken bräuchten, um uns als Menschheit (über-)lebensfähig zu machen. Das Ganze ist in keiner Weise abstrakt – es ist vielmehr der Inbegriff des Pragma-tischen, des Geerdeten, des stofflich Manifesten! Es ist das, was in jeder Lebenssekunde konkret da ist, was wirkt und uns wirken lässt, was uns ausmacht.
Und da bin ich wieder bei der einfachen Welt: Um dorthin zu gelangen – zu einer utopischen Menschheit, deren Bewusstsein zu dem eines pla-netaren «Superorganismus» mutiert ist und die sich der neuen, mutierten Qualität entsprechend verhält –, reicht es nicht, sich innerlich von den Auswüchsen des «megatechnischen Pharaos» – wie der Philosoph Jochen Kirchhoff die von uns immer hektischer mit unserer Lebensenergie gefütterte Weltmaschine nennt – wegzubewegen und äusserlich zu den Graswurzeln zurückzukehren. Wir können uns physisch nicht vom alten System trennen, so sehr wir uns auch innerlich davon bereits gelöst haben mögen.
Ich sehe vielmehr die Fortsetzung des Bilds vor mir: Aus dem Geflecht der Graswurzelbewegung sind in den vergangenen vierzig, zwanzig, fünf Jahren überall Triebe gesprossen, viele, wirklich viele. Erst wenige nehmen sie wahr, und noch weniger ahnen ihre grosse Zahl, denn die hochgeschossenen Grä-ser des letzten Sommers, dürr und braun und von den Herbststürmen gebeutelt, verdecken sie noch. Doch sie sind da und warten unter der vor Frost schützenden Decke des absterbenden Alten den Win-ter lang auf den Sonnenstrahl, der den Auftakt zum nächsten Lebenszyklus gibt.
Das müssen wir schaffen: Während das Alte dem Desaster entgegeneilt, müssen wir eine neue – inte-grale, lebensfördernde, enkeltaugliche – Kultur aus
dem Keimstadium in die Frühlingsbereitschaft hinein-führen. Das genügt schon. Niemand erwartet von uns, dass wir vorwegnehmen, was unsere Enkel tun wer-den. Und es reicht, wenn wir diejenigen mit in den Frühling nehmen, die bereit sind, die im Winter muffig gewordenen Kleider abzulegen. Wenn es wenigstens einem kleinen Teil der Menschheit gelingt, sich zu sammeln und die Bausteine im Fundament der neuen Kultur so zu formen und auszurichten, dass sich nur sinnvolle Anschlüsse ergeben, wenn die Folgebau-steine dieselbe integrative Kraft, denselben Willen zum Masshalten, dieselbe Liebe zum Leben der ganzen Erde verkörpern, dann kann zumindest an einigen Orten auf dem Erdenrund diese neue Kultur entstehen.
Die Wurzeln unserer neuen Welt-Wiese sind stellenweise bereits gut entwickelt; nach einem halben Jahrhundert Graswurzelbewegung können wir einige der «Roots» sich selbst überlassen. Jetzt geht es um die jungen Triebe, die das Grassroots-Netzwerk hervorgebracht hat, die «Sprouts». Das beste Wissen, das beste Können, das beste Wollen und einiges an Erfahrung für die Zukunft nach dem Desaster sind inzwischen vorhanden und sichtbar – nicht nur in indigenen Kulturen, die gar nichts anderes ken-nen, sondern auch an einigen Orten der westlich geprägten Welt. Die Herausforderung heisst, heraus-zufinden, wie wir uns gegenseitig stärken, weiterbil-den und organisieren können, wie wir Gärtnerinnen und Gärtner des Neuen werden, in harmonischem Aufwärtsschwung komplementär zum Prozess des Absterbens des Alten in uns und um uns herum, ohne erneut in technologischen Träumen nach Höhen fern von der Erde zu streben. Es scheint mir an der Zeit, dass wir «Sprouts Gardeners» werden, Hüterinnen und Hüter der Lebensgrundlagen unserer globalen Post-Kollaps-Dorfgemeinschaft – und das müssen wir jetzt, heute, hier, an unserem Lebensort beginnen, wenn wir auch Hüterinnen und Hüter der Zukunft unserer Enkelinnen und Enkel sein wollen.
Der vorliegende Text ist ein gekürzter Ausschnitt aus der Einleitung des soeben erschienenen Buchs »Die Post-Kollaps-Gesellschaft«. Johannes Heimrath plä-diert dafür, uns heute schon mit aller Kraft auf eine menschlichere, einfachere Welt vorzubereiten, anstatt unsere Energien bei dem Versuch zu vergeuden, den unvermeidlichen Kollaps aufzuhalten. Der Weg durch ein Tal der Tränen hält er allerdings für unvermeidlich. Im Gegensatz zu anderen Autoren hat Johannes Heimrath seine Ratschläge während mehreren Jahrzehnten erprobt, in Gemeinschaften, als Unternehmer und als kulturkreativer Akteur. Er ist u.a. Gründer des Drachen-Verlags, Herausgeber der Zeitschrift Oya und lebt in einer Gemeinschaft in Mecklenburg Vorpommern.
Johannes Heimrath: Die Post-Kollaps-Gesell-schaft – wie wir mit viel weniger viel besser leben werden und wie wir uns schon heute darauf vorbereiten können. Scorpio-Verlag, 2012. 336 S., Fr. 29.90 / 19,95 Euro www.post-kollaps.de • www.oya-online.de
Ohne den gründlichen Kollaps des westlich geprägten, globalen Macht- und Ausbeutungsmodells wird kein Wandel hin zu einer wahrhaft nachhaltig guten Welt für alles, was lebt, möglich sein.
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ESM-Entscheid des Bundesverfassungsgerichts:
das fass ist gRösseR gewORden
«Ein guter Tag für Deutschland» ist für Angela Merkel die Ablehnung der Verfassungsklage gegen die deutsche Beteiligung am Europäischen Stabili-tätsmechanismus ESM. Warum, das bleibt ihr Ge-heimnis. Immerhin muss Deutschland jetzt bis zu 190 Milliarden Euro zahlen, damit Staaten gerettet werden können, die gemäss geltendem EU-Recht so gar nicht gerettet werden dürften. Und immerhin bezeichnete Andreas Vosskühle, Vorsitzender des zweiten Senats des deutschen Bundesverfassungsge-richts die Klage von rund 37 000 Bundesbürgerinnen und -bürgern als «überwiegend begründet». Das war ein klassischer Freudscher, den er umgehend mit rotem Kopf korrigierte.
Denn der ESM-Vertrag impliziert u.a. klar und deutlich eine (verbotene) Beschränkung des Haushaltsrechts des deutschen Bundestags. Auf Beschluss seines Gouverneursrats (der Finanzmini-ster) kann der ESM eigenmächtig sein Stammkapital erhöhen und den beteiligten Staaten entsprechende Milliardenrechnungen präsentieren – ohne Rekurs-möglichkeit.
Diese Ermächtigung darf nicht ohne Einwilligung des deutschen Vertreters im Gouverneursrat erfolgen, das hat das Bundesverfassungsgericht unterstrichen. Das steht aber bereits im ESM-Vertrag. Unsere Rechts-ordnung muss schon sehr unordentlich geworden sein, wenn ein hohes Gericht ausdrücklich befindet, eine bestimmte Rechtsvorschrift müsse auch tatsäch-lich angewandt werden. Implizit heisst das: Die an-deren kann man getrost vergessen.
Gleichzeitig interpretiert das Bundesverfassungs-gericht die Bestimmungen im ESM-Vertrag über
Der Staatsrechtler Prof. Albrecht Schachtschnei-der, der die Einheitswährung in verschiedenen Klagen vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht bekämpft, wirkt nach der neusten Niederlage resigniert und sieht schwere Zeiten auf Europa zukommen:
«Wie müssen davon ausgehen, dass die politische Klasse die Euro-Rettung bis zum bitteren Ende fortführen wird. Der Grund ist, dass man mit dem Euro und der Euro-Rettungspolitik im Grunde den euro-päischen Staat erzwingen will. Die politische Union wird gegen Vertrag und Verfassung aufgebaut.
Diese Politik wird unvermeidlich in den wirtschaft-lichen Niedergang aller Völker führen. Im Süden ist dies bereits deutlich spürbar: Die Rezession und Deflation – und irgendwann dann die Inflation. –
Das betrifft auch mehr und mehr Frankreich und wird auch bald Deutschland mit in den Abgrund ziehen.
Die Zinsen werden auch in Deutschland steigen. Die Verschuldung wird dann nicht mehr bezahlbar sein, mit fatalen Folgen für alle:
Man wird den Bürger in jeder Weise in Anspruch nehmen, ihre Vermögen abzuliefern. Die kurzfristigen Einlagen in Höhe von zwei Billionen werden durch Kontosperrungen eingezogen. Aber auch die Grund-stücksvermögen werden durch Zwangsanleihen belastet werden. Gold wird beschlagnahmt werden. Es wird ein Goldhandelsverbot geben.
Die Vermögen der Deutschen sind in Anbetracht der eingegangen Verpflichtungen bereits verausgabt – sie müssen nur noch in Anspruch genommen werden. Aber sie sind eigentlich schon verloren und es wird sehr schwierig, sie irgendwie noch zu retten.
Das Ganze führt in eine schwere politische Krise. Die Bevölkerung wird dann möglicherweise rebellieren. Und diese Rebellion wird mit allen Mitteln niedergeschla-gen und zwar auch durch ausländische Polizeikräfte. Dafür sind die Truppen bereits aufgebaut.
Aber die Revolution wird im Zweifel nicht erfolgreich sein. Der Umsturz ist weitestgehend gelungen und wir werden ein Europa erleben, das despotisch bzw. dikta-torisch beherrscht werden wird.
Die einzige Chance dagegen ist, dass sich die Men-schen in Europa politisch gruppieren und anders wählen. Noch sind die Parlamente halbwegs funktionsfähig. Dann könnten die Parlamente aufgrund anderer Besetzung andere Politik machen. So könnte man zurück finden zu einem europäischem Europa, einem Europa der Völker, der Republiken, die bestmöglich zusammenarbeiten.»
Rettung bis zum bitteren Ende: Der Umsturz ist gelungen
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die Schweigepflicht und die Immunität der deutschen Vertreter im ESM so, dass sie «nicht der umfassenden Unterrichtung des Bundestags und des Bundesrats ent-gegensteht», bzw. entgegenstehen. Daraus für Kapitalerhöhungen und andere weitrei-chende Entscheidungen eine Bewilligungs-pflicht durch den Bundestag abzuleiten, wie dies verschiedene Medien getan haben, ist hanebüchen. Alles, was entschieden wurde, ist: Der Finanzminister als Mitglied des Gou-verneursrates kann beschliessen, und man muss den Bundestag informieren können, ob vorher oder nachher oder überhaupt ist nicht festgehalten.
Natürlich hätte das Gericht anders ent-scheiden müssen. Nachdem es sich aus-
serordentlich viel Zeit für einen Entscheid ausbedungen hatte, bestanden berechtigte Hoffnungen auf ein differenzierteres Ur-teil. Es hätte zum Beispiel für Kapitalerhö-hungen ausdrücklich einen Bundestagsent-scheid fordern können, anstatt sich mit der Zustimmung des Finanzministers zufrieden zu geben. Ein gewähltes Parlament und ein ernannter Minister sind doch sehr unter-schiedlich legitimiert. Die Kompetenzen des Finanzministers nun durch ein noch zu schaffendes Gesetz zu erweitern, ist kei-ne Lösung.
Mit dem Entscheid des Bundesverfas-sungsgerichts können die seit vier Jahren laufenden Rettungsmassnahmen auf einer neuen Ebene weitergeführt werden. Die Erfahrung zeigt: Sie werden die Probleme
verlagern und verschärfen. Man kann nicht Schulden mit noch mehr Schulden aus der Welt schaffen. Mussten vor vier Jah-ren private Banken von den Staaten geret-tet werden, müssen jetzt die Staaten von Staatengemeinschaften und Zentralbanken gerettet werden. Und am Ende bürgen wir, die Bürger.
Die Kompetenzverlagerung in zwischen-staatliche Körperschaften wird die demo-kratische Einflussnahme erschweren und den Frust der Steuerzahler verstärken. Ein-mal wird auch dieses Fass überlaufen. Dann wären wir froh, die Richter in Karlsruhe hätten sein Fassungsvermögen früher ein-geschränkt. Die Flut wäre dann weniger verheerend. Christoph Pfluger
waRum ist island kein thema?Erinnern Sie sich noch: Island war das Wirtschaftswunderland, das sich über sei-ne grossen Banken Landsbanki, Kaupthing und Glitnir und enorm viel Fremdkapital an die Spitze der OECD-Ranglisten kata-pultiert hatte. Das Risiko war enorm – die Bilanzsumme der drei Grossen lag beim Neunfachen des Bruttoinlandprodukts. Der Absturz 2008 war entsprechend tief und die mediale Begleitung laut. Seit die Insel den erstaunlichen Turn-around geschafft hat, ist es erstaunlich still um Island geworden. Warum nur?
Island hat nach Ausbruch der Krise ein paar Dinge beispielhaft richtig ge-macht, die offenbar möglichst nicht be-kannt werden sollen:• Das Inlandgeschäft der drei Grossen Banken wurde in neue Institute über-geführt, die vom Staat und erstaunlicher-weise auch vom Int. Währungsfonds IWF kapitalisiert wurden. Der damalige Premi-erminister Geir Haarde: «Wir wollten nicht, dass der Steuerzahler für die ausländischen Schuldner aufkommt. Aber wir haben mit einem Notfallplan dafür gesorgt, dass der heimische Finanzsektor trotzdem weiter funktioniert.» Trotz technischer Pleite kam noch Geld aus den Automaten.
• Der Staat half den Opfern der Krise, nicht den Banken und Spekulanten. Die Sparpolitik war moderat, die Rentenkür-zungen und Steuererhöhungen betrafen vor allem die Wohlhabenden.• Die isländische Krone wurde abge-wertet, und Kapitalverkehrskontrollen – ge-gen den Willen des IWF – verhinderten eine Kapitalflucht.• 100 Sonderermittler machten Jagd auf die Verantwortlichen der Krise. Gemessen an der Bevölkerungszahl wären dies in der Schweiz 2600 Untersuchungs-richter, die sich allein mit dem Bankwesen befassen. Selbst Premier Geir Haarde wurde verurteilt, blieb indes straffrei. • Das Land widersetzte sich erfolg-reich dem Druck von aussen, obwohl zum Beispiel Grossbritannien das Anti-Ter-rorismus-Gesetz von 2001 dazu verwendete, isländische Guthaben einzufrieren. Als die
Regierungen der Hauptgläubiger aus Gross-britannien und den Niederlanden harte Schuldverträge mit einer Last von knapp 50 000 Euro pro Familie diktieren wollten und die neue Regierung unter Johanna Si-gurdadottir und das Parlament bereits ein-geknickt waren, ging die Bevölkerung wo-chenlang in der Winterkälte auf die Strasse. Konsequenz: Staatspräsident Olafur Ragnar Grimsson verweigerte die Ratifizierung des Gesetzes und liess eine Volksabstimmung durchführen. Zweimal lehnten die Isländer an der Urne eine Entschädigung der auslän-dischen Anleger ab. • Die Erholung wurde nicht schon im Keim durch Sparen erstickt. Erst 2010, als der Aufschwung wieder spürbar war, be-gann die isländische Zentralbank mit dem Schuldenabbau. Fazit in den Worten von Staatspräsident Grimsson: «Was ist in der Krise wichtiger: die Interessen der Finanzmärkte oder der demokratische Wille der Bevölkerung? Is-land hat sich dafür entschieden, den de-mokratischen Weg zu gehen und das ist vermutlich auch der Grund, warum sich die isländische Wirtschaft schneller erholt hat, als die anderer Länder.» CP
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und eR schadet dOch!Roundup-toleranter Gentech-Mais führt zu schweren gesundheitlichen Schäden. Dies belegt eine Langzeitstudie mit Ratten an der französischen Universität Caen.* von David Fritz, Biovision
nur Wochen nach einer aufwän-digen Nationalfondsstudie, ge-mäss der grüne Gentechnik nur geringe Risiken berge, zeigt die
französische Studie, dass Tumore, chro-nische Nierenprobleme und weitere ernste gesundheitliche Probleme bei mit Gen-Mais gefütterten Ratten gehäuft auftreten.
Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, dass vergleichbare Studien bislang immer auf 90 Tage oder weniger beschränkt waren, während die Studie mit den Ratten in Caen über ihre gesamte Lebenszeit von rund zwei Jahren lief. Die ersten ernsthaften Probleme sind denn auch erst nach vier Monaten auf-getreten.
Doch wenn man weiss, dass Agrokonzerne wie Syngenta und Monsanto sich nur von ihnen genehmen Forschern in die Karten schauen lassen und mit diesen Publikations- und Mitspracherechte schriftlich vereinba-ren, kann man sich vorstellen, weshalb aus-sagekräftigere Studien bislang Mangelware sind. Kommt hinzu, dass sich nationale und internationale Zulassungsstellen ebenfalls mit 90-Tag Studien zufrieden geben.
natiOnalfOnds: RisikOstudien einfach nicht beRücksichtigtLaut der französischen Studie sind bei den männlichen Ratten nach vier Monaten die ersten Tumore aufgetreten, bei den Weib-chen nach sieben Monaten. Allerdings wur-de die grösste Anzahl an Tumoren nach 18 Monaten registriert.
Rund 50 Prozent der Männchen und 70 Prozent der Weibchen sind vorzeitig ge-storben, verglichen mit 30 Prozent und 20 Prozent in der Kontrollgruppe.
Die Nationalfondsstudie zu «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch verän-derter Pflanzen» stützte sich auf 30 durchge-führte Forschungsprojekte und drei ausführ-liche Analysen einer Vielzahl von Studien aus dem Ausland. Allerdings beschäftigte sie sich in erster Linie mit dem möglichen Nutzen und kaum mit den Risiken der Gen-technologie. Forschungsprojekte, die solche Risiken genauer untersuchen wollten, wur-den schlicht nicht in das Programm aufge-nommen. Langzeitstudien zu den Risiken fanden jedenfalls keine statt.
Sicher hat auch die französische Studie ihre Schwächen, doch der internationale Sturm der Empörung gegen die franzö-sischen Wisssenschafter und ihre Studie lässt vermuten, dass viel Geld auf dem Spiel steht. Dass die verwendete Rattenart im späteren Leben ohnehin zur Entwicklung von Tumo-ren neigt, ist zwar richtig, aber die Forscher haben bewusst dieselbe Rattenart gewählt wie die Firma Monsanto bei ihren Tests. Und auch die monierten zu kleinen Test-gruppen waren nicht kleiner als die von Monsanto. Wirklich erschütternd ist doch, und das wird von den Kritikern nicht er-wähnt, dass es eine solche Studie über die gesamte Lebensspanne bis jetzt nie gegeben hat (oder Monsanto und Syngenta halten sie unter dem Deckel).
gentech löst das hungeRpROblem nichtDie Stiftung Biovision warnt seit langem vor der Verbreitung von gentechnisch ver-änderten Pflanzen, auch wegen der un-wägbaren Risiken für Mensch und Umwelt. Hinzu kommt das ökonomische Risiko für die Bauern, wenn das Saatgut in rasantem Tempo von einer Handvoll Grossunterneh-men monopolisiert und patentiert wird. Als Konsequenz muss das Gentech-Saatgut Jahr für Jahr neu bezahlt werden – zusammen mit dem unabdingbaren Kunstdünger und den notwendigen Pestiziden. Alles aus ei-ner Hand.
Unter solchen Umständen ist es nicht möglich, den Hunger auf dieser Welt zu be-siegen. Denn das wirkliche Problem lässt sich nicht mit der reinen Steigerung der Mengen-Produktion lösen. Tatsächlich pro-duzieren wir heute weltweit rund 4 000 Ka-lorien pro Kopf und Tag. Die Hälfte würde eigentlich ausreichen – und trotzdem leidet über eine Milliarde Menschen Hunger auf unserem Planeten. Der Weltagrarbericht hält unmissverständlich und wissenschaftlich er-härtet fest, dass die heute vorherrschende konventionelle Nahrungsproduktion nicht nachhaltig ist und ein Kurswechsel nicht eine Frage der Weltanschauung ist, sondern des Überlebens kommender Generationen.
PS: Ein Fachmann hat uns als Reaktion auf unsere Infor-mation Folgendes geschrieben (was wir allerdings noch nicht verifizieren konnten): «Vor etwa 40 Jahren machten die Forscher Ähnelt und Hahn Versuche mit Stickstoff gedüngtem Futter einerseits und Kompost gedüngtem Futter anderseits an vier Generationen von Ratten und Kaninchen.Bei den ersten zwei Generationen waren nur minime Veränderungen feststellbar. Ab der dritten Gene-ration waren die Tiere deutlich unfruchtbarer und wiesen Behinderungen im Körperbau auf. Die vierte Generation war praktisch unfruchtbar, zum Teil blind.»
*) Séralini, G.-E., et al. Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize. Food Chem. Toxicol. (2012), http://is.gd/SIY5N2
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40 Zeitpunkt 122
es geht auchOhne chefs
Eine Kooperative in Venezuela mit 20 000 Mitgliedern und 100 Mio. Dollar Umsatz funktioniert hierarchiefrei, mit Einheitslohn und Job-Rotation. Entscheidungen werden im Konsens getroffen. von Ute Scheub
ein Modell wollen sie nicht sein. «Es gibt kein Patentrezept, jeder muss seine ei-genen Lösungen finden», sagen sie ein ums andere Mal. Und doch beweist die venezuelanische Kooperative Cecoseso-
la: Eine Assoziation von Freien und Gleichen lässt sich scheinbar auch mit zehntausenden Menschen realisieren. Worin liegt ihr Geheimnis?
Ein Leben ohne Chefs? Wie soll denn das gehen, dass sich so viele Menschen andauernd im Konsens-verfahren verständigen? Und kommt man bei so vielen Treffen und Gesprächen überhaupt noch zu Musse, Leben und Lieben? «Wenn wir unsere Kommunika-tion als Arbeit sehen würden, wäre das furchtbar», sagt die 34-jährige Carolina Colmenaves, die seit 16 Jahren bei Cecosesola arbeitet. «Aber wir gehen auch in Parks oder machen Liebe, sonst hätten wir keine Kinder. Und wir haben viele!»
Vielleicht liegt das Geheimnis in der besonde-ren Geschichte der Kooperative. Allerdings nicht in ihrer Gründung, denn die hatte ironischerweise
eine antikommunistische Schlagseite. 1961 hob John F. Kennedy die «Allianz für den Fortschritt» aus der Tau-fe, um mit Sozialprogram-men die Guerillabewegung
in Lateinamerika einzudämmen. Mit Mitteln der CDU-nahen Adenauer-Stiftung und der katholischen Ca-ritas unterstützte das jesuitische Centro Cumila in Venezuela die Gründung von Genossenschaften.
Cecosesola, das für «Dachverband der Genossen-schaften für soziale Dienstleistungen im Bundesstaat Lara» steht, wurde 1967 als Dachverband initiiert.
Doch 1972 kündigten ihre Gründer das Bündnis mit der Allianz und schlossen sich der «Stiftung für kommunitäre Organisierung der Marginalisierten» an. Cecosesola ist bis heute linksorientiert, zur Re-gierung von Hugo Chavéz mit seinem autoritären Staatssozialismus hält sie aber Distanz. Die lebende Selbstorganisation passt nicht in dessen autoritären Staatssozialismus.
«Von privaten Busbetreibern und der Stadt heftig bekämpft», wurde 1974 mitten im Kampf gegen städtische Fahrpreiserhöhungen eine Trans-port-Genossenschaft gegründet, wie Jorge Rath er-zählt. Der 61-jährige Deutsche arbeitet seit 13 Jahren bei Cecosesola – inzwischen als Akkupunktur-The-rapeut und Website-Betreuer. Die Kerngruppe von Cecosesola habe sich anfangs täglich getroffen und alles gemeinsam entschieden. So sei eine besondere Gesprächskultur entstanden, die es bis heute gebe. Durch den Abbau von Hierarchie und den Aufbau von Vertrauen sei die «kollektive Energie» geradezu explodiert, heisst es dazu im Buch «Auf dem Weg», das anlässlich des 45-jährigen Bestehens der Koope-rative herausgegeben wurde. Solidarität vervielfache sich «genau dann, wenn wir verschwenderisch mit ihr umgehen».
In den 70er Jahren organisierte die Buskooperative unzählige Demos, Märsche und Umsonst-Transporte für die Bevölkerung. Doch viele Busse wurden be-schlagnahmt und zerstört, der Ruin drohte. 1983 be-gann die Gruppe, die restlichen Busse zu mobilen Gemüsemärkten umzubauen. Diese – inzwischen stationären – Märkte wurden ein Riesenerfolg, zumal die Cooperativistas Gemüse billiger verkauften. Aber das war wohl nicht der einzige Grund: «Offensichtlich
Das Unsichtbare, die menschliche Verbundenheit ist der kostbarste Schatz der Cooperativistas.
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wird, sobald in einer Organisation der Kampf um die Macht als zentrales Motiv zum Verschwinden
gebracht wird, eine kol-lektive Energie freigesetzt, die unter anderem in einer vorher ungekannten wirt-schaftlichen Produktivität zum Ausdruck kommt», ist im Buch zu lesen.Ilse Marquez (40), die unter anderem in der Buchhal-
tung arbeitet, weiss viel über die «patriarchalisch-kapitalistische Kultur» zu sagen, die sie überwinden
wollen. «Wenn einer etwas klaut, fragen wir in seiner Gegenwart: Was steckt dahinter? Warum haben wir als Kollektiv es nicht geschafft, ihm bei der Trans-formation zu helfen?» Für Aussenstehende, gibt sie zu, sei das nicht leicht zu erklären. Sie würden eben eine neue Form des Denkens praktizieren.
«Kommunikation wird überraschend flüssig», steht dazu im Buch. «Manchmal brauchen wir nicht einmal mehr darüber zu reden, um zu wissen, was wir alle denken. Telepathie wird greifbar.» Womög-lich sei man schon «auf dem Weg zum kollektiven Gehirn». Vielleicht liegt darin das Geheimnis: Die Cooperativistas sehen das Unsichtbare, die menschliche Verbundenheit, als ihren kostbarsten Schatz, den sie hegen und pflegen.
Weitere Informationen (auf spanisch) unter http://cecosesola.org
20 000 Mitglieder, 1200 MitarbeiterInnen – und alles im Konsens
Cecosesola heisst ausgeschrieben und übersetzt «Dach-verband der Genossenschaften für soziale Dienstlei-stungen im Bundesstaat Lara» und besteht seit 1967. In Laras Hauptstadt Barquisimeto mit einer Million Einwoh-ner betreibt Cecosesola drei Wochenmärkte, auf denen sich rund 55 000 Familien mit Gemüse von verband-seigenen Landkooperativen versorgen. Zum Verbund gehören über 50 Basisorganisationen mit rund 20 000 Mitgliedern: ein Transportbetrieb, eine Sparkasse, ein Solidaritätsfonds, Läden für Möbel und Haushaltgeräte, ein Beerdigungsunternehmen sowie sechs Gesundheits-projekte einschliesslich Krankenhaus, in dem jährlich knapp 200 000 Menschen behandelt werden. Jahres-umsatz: etwa 100 Millionen US-Dollar.
Chefs gibt es nicht, Job-Rotation ist üblich, Entschei-dungen werden im Konsens getroffen. 2011 hielten die 1 200 «hauptamtlichen» Cooperativistas insgesamt 3 300 kleine und grosse Treffen während der Arbeits-zeit ab. Sie erhalten einen Einheits-«Vorschuss», der dem Doppelten des staatlichen Mindestlohns entspricht. Nur Ärzte bekommen eine prozentuale Bezahlung pro Patient und rotieren nicht – «wegen ihrer grösseren Verantwortung».
Der chilenische Neurobiologe und Philosoph Humber-to Maturada hat mit seinem Konzept der Autopoiesis (Selbstentwicklung) Cecosesola wesentlich beeinflusst. Maturada zufolge sind alle lebenden Systeme zur Selbst-
organisation ohne hierarchische Steuerung fähig. Kom-munikation sieht er als Verhaltenskoordination durch wechselseitige Koppelungen: «Wir sind organisierter als eine Bewegung und bewegter als eine Organisation», sagen die Cooperativistas von sich selbst.
Anlässlich ihres 45-jährigen Bestehens haben die Cooperativistas ein Buch veröffentlicht, das nicht im Buchhandel, sondern nur beim Verlag erhältlich ist.
Cecosesola: Auf dem Weg – gelebte Utopie einer Kooperative in Venezuela. Verlag Buch-macherei 2012. 168 S., 9,00 Euro, www.buchmacherei.de
Ist nicht mehr der Kampf um Macht zentrales Motiv, wird eine kollektive Energie freigesetzt, die in einer ungekannten wirtschaftlichen Produktivität zum Ausdruck kommt.
«Durch alles was wir tun, lernen wir. Unser Leben ist ein transformativer Prozess, mit dem wir versuchen Transparenz, Vertrauen, Respekt und Verant-wortung aufzubauen.» Im Bild: eine der vielen Sitzungen in Cecosesola.
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Gesetzliches Zahlungsmittel wird immer ungesetzlicher:
Immer mehr Länder schränken die Verwen-dung der gesetzlichen Zah-lungsmittel ein und ver-langen von den Banken geschöpftes Buchgeld. Das jüngste Land ist Italien, wo seit dem 1. Juli 2012 Bar-
geldzahlungen über 1000 Euro verboten sind. Mit der Massnahme soll die Schat-tenwirtschaft ausgetrock-net und die Steuerdiszi-plin gestärkt werden, aber die Implikationen gehen tiefer: Bargeld ist das ein-
zige gesetzliche Zahlungs-mittel, dessen Herstellung durch den Souverän, den Gesetzgeber, bzw. die Zen-tralbank in seinem Auftrag kontrolliert wird. CP
Ungenutztes Potenzial läRmschutZwandDie Eisenbahntrassen unserer Bahnen verlaufen mitten durch Siedlungsgebiet, bzw. diese sind nach deren Bau darum herum entstanden. Die Lärmschutzwände, die zur Zeit an vielen Abschnitten gebaut werden, bieten Potenzial für weitere Nutzungen.
In Chur wird derzeit eine Fuss- und Velo-verbindung entlang der Bahn realisiert, die sich dank dem Bau der Lärmschutzwände mit deutlich geringerem Aufwand umsetzen lässt. Der Vorteil dieser Parallelführungen von Langsamverkehrswegen zu Bahntrassen ist der niveaufreie Zugang ins Zentrum, also dem Bereich der Stadt, der für Fussgänger und Velofahrende besonders interessant ist.
Die SBB selber erkennen den Synergienut-zen dieser Langsamverkehrsförderung noch zu wenig. Man ist sich zu wenig bewusst, dass Fussgänger und Velofahrende zu den Kernzielgruppen der Bahn gehören und ein attraktiver Zugang zum Bahnhof ein entschei-dendes Qualitätskriterium für die Wahl des Verkehrsmittels ist.
Eine zweite Nutzung liegt in der Kombi-nation von Lärmschutz und Energiege-winnung. In Münsingen wurde Ende 2008 die erste stromerzeugende Lärmschutzwand realisiert. Die Glaspanels sind beidseitig mit Solarzellen bestückt. Der Wirkungsgrad ist aufgrund der vertikalen Ausrichtung gerin-ger, dafür wird von morgens bis abends Strom produziert und der Zusatzaufwand zu nor-
malen Glaswänden ist bescheiden. Philipp Frabetti, Gesamtprojektleiter Lärmsanierung der Schweizerische Bundesbahnen kann zwar die erwähnten Potenziale erkennen, sieht die SBB aber nicht in einer aktiven Rolle. Er ver-weist auf die Gemeinden, die in diesen Fällen vorstellig werden sollen, sei es als Investor bei den Solaranlagen oder als Projektleiter für die Fuss- und Veloverbindungen entlang der Bahntrassen. Die defensive Haltung ist bedauerlich, denn viele Gemeinden sind nicht in der Lage, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und kurzfristig ein Projekt zu starten und zu finanzieren. Eine strategische Prüfung der Potenziale wäre also weitsichtiger.
Empfehlung: Wenn Sie in einer Gemeinde mit einem Bahndamm zum Zentrum oder ei-ner noch zu realisierenden Lärmschutzwand wohnen, machen Sie die Gemeinde auf diese Potenziale aufmerksam oder formulieren Sie einen politischen Vorstoss, damit die Möglich-keiten geprüft werden. Zwar sind zwei Drittel der Lärmschutzwände inzwischen gebaut, zu spät aber ist es noch nicht. Paul Dominik Hasler
Paul Dominik Hasler ist Zeitpunkt-Autor, führt ein Büro für Utopien und ist Gründungsmitglied der Büro für Mobilität AG in Bern. Sein Projekt «Velohochstrasse» in Burgdorf erhielt 2010 den Prix Velo Infrastruktur von Pro Velo Schweiz. Es handelt sich um die Nutzung eines Bahndammes für die bessere Zentrumsanbindung für den Langsamverkehr.
Neue Lärmschutzwand mit Solarzellen in Münsingen. Bild: zvg
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Zeitpunkt 122 43
Christoph Mörgeli und andere Gespenster
Lieber Res Strehle 4. Oktober 2012Christoph Mörgeli, der Meister der versteckten
Feindseligkeiten, ist weg – nicht zuletzt dank dem Ta-ges-Anzeiger. Man könnte zufrieden sein, die Giftspritze ist entsorgt. Aber man will es einfach nicht werden. Sie beruhigen: «Wer die Entlassung von Christoph Mörgeli als Konservator an der Universität Zürich als Ergebnis von Mobbing und einer politischen Schlammschlacht bezeich-net, sieht Gespenster».
Einspruch: Wenn eine Zeitung innerhalb von knapp zwei Wochen Dutzende von Artikeln mit Vorwürfen ge-gen einen einzigen Mann publiziert, dann sind Mobbing und Schlammschlacht die einzig zutreffenden Begriffe. Und wenn diese Artikel dann noch auf Berichten basie-ren, die Ihnen angeblich anonym zugespielt wurden, muss man schon sehr naiv sein, kein systematisches Vorgehen zu vermuten. Sie haben es in der Hand, Transparenz zu schaffen, Ihre Quellen zu nennen und den Gespenstern einen Namen zu geben. Andernfalls bewegen Sie sich auf demselben Niveau der fiesen Attacken, mit denen sich Christoph Mörgeli ausserhalb seiner Kreise so unbeliebt, ja unmöglich gemacht hat.
Ich schreibe Ihnen nicht aus Sorge um Christoph Mörgeli, sondern um die journalistische Kultur. Wenn der Tages-Anzeiger mit anonymen Informanten ge-meinsame Sache macht, um missliebige Personen aus dem Verkehr zu ziehen, beschädigt er das Prädikat «Qualitäts-journalismus» – und wir können nach zuverlässigeren Informationsquellen Ausschau halten.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen auch noch nahe legen, den Konflikt mit der SVP etwas weniger zu befeuern. Diese Partei und vor allem Christoph Blocher nähren sich zu einem guten Teil aus dem Konflikt, den sie mit dem Rest der Schweiz laufend herstellt. Ohne Tages-Anzeiger müssten wir uns viel weniger über die SVP ärgern und uns als Folge viel weniger Sorgen um den inneren Zusammen-halt dieses Landes machen.
Ich bin gespannt auf Ihre Antwort und würde sie gerne zusammen mit diesem Brief in unserer nächsten Ausgabe und in unserem Infoportal veröffentlichen. Darf ich bis in einer Woche mit Ihrer Antwort rechnen?Mit kollegialen GrüssenChristoph Pfluger
(Res Strehle ist Ko-Chefredaktor des Zürcher «Tages-Anzeiger»)
Sehr geehrter Herr Pfluger 11. Oktober 2012
Besten Dank für Ihre Zuschrift. Ich kann Ihnen allerdings nicht beipflichten: Das war keine Kampagne gegen Christoph Mörgeli. Wir haben einfach einen Konkflikt um eine Lei-stungsbeurteilung an der Universität Zürich dargestellt. Das hat uns und die Leser interessiert und deshalb blieben wir am Ball. Natürlich war das Interesse grösser, weil es sich um einen prominenten Politiker handelte, die Parteizugehörigkeit spielte aus meiner Sicht allerdings nur insoweit eine Rolle, als der Betroffene selber den Konflikt zu einem politischen Fall hochstilisierte und Sozialgeschichte per se als linken Wissen-schaftsansatz versteht. Das sehen wir anders. Wir haben auch immer zwischen dem Politiker und dem Medizinhistoriker Mörgeli unterschieden.
Ebenfalls nicht zustimmen kann ich Ihrer These, wonach wir mit anonymen Informanten gemeinsame Sache gemacht hätten, um den Kurator Mörgeli «aus dem Verkehr zu ziehen». Erstens ist es falsch, dass mein Kollege Iwan Städler sein Wissen von anonymen Informanten hatte. Er hat im gesamt-en wissenschaftlichen Umfeld von Prof. Mörgeli recherchiert und mit möglichst allen Beteiligten geredet. Dass er in der Berichterstattung danach seine Quellen schützte, gehört zum journalistischen Handwerk. Andernfalls wäre eine journali-stische Recherche um vieles schwieriger. Mörgeli als Kurator zu entlassen, war ein Entscheid der Uni. Entscheidend dafür scheinen die fachliche Leistung und die Klagedrohung ge-gen den Vorgesetzten gewesen zu sein. An beiden Gründen waren wir unbeteiligt.
Zu Ihrem zweiten Punkt, dass wir den Konflikt mit der SVP zu stark befeuern. Das mag sein, aber in nahezu allen euro-päischen Ländern beschäftigt die Bruchstelle zwischen nati-onalistischem, traditionellem Gedankengut versus Öffnung Richtung Ausland/Welt die Medien stark. Und die SVP ist nun mal die wichtigste Exponentin auf der nationalistischen Seite, spätestens seit der erfolgreichen Bekämpfung des EWR 1992, den Kampagnen gegen die Zuwanderung (inklusive Freizügigkeit) und dem steten Liebäugeln mit dem Bruch mit der Konkordanz. Themen, Stil und Exponenten dieser Partei scheinen mehrheitlich unsere Leser auch stark zu interessie-ren, wie die Nutzung der entsprechenden Beiträge zeigt. Wir versuchen dabei eine kritische Haltung einzunehmen, ohne allerdings voreingenommen zu sein.
Ich hoffe Ihnen, mit diesen Angaben gedient zu haben – eine Veröffentlichung auf Ihrem Infoportal steht Ihnen frei.Bester GrussAndreas Strehle, Chefredaktor
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eneRgie und fRieden sind VeRnetZtMit dem Erdöl ist es wie mit dem Berg-steigen: Wer einen Gipfel erklimmen will, muss auch wissen, wie er wieder runter-kommt. Und er muss im Auge behalten, dass sich die meisten Unfälle beim Abstieg ereignen. Mit diesem eingängigen Bild illus-trierte der Basler Historiker Daniele Ganser in einem Vortrag am Ökozentrum Langen-bruck das grosse Problem der Erdölabhän-gigkeit. Unsere Zivilisation ist vom Erdöl komplett abhängig geworden, aber es gibt keinen Plan für den Ausstieg.
Warum sind wir so blind für die Gefahren der zu Ende gehenden Erdölreserven? Da spielen gemäss Ganser zwei weitere Fak-toren eine Rolle: Einerseits kennen wir nichts anderes als einen scheinbaren Über-fluss. Und andrerseits lesen wir «es reicht noch 40 Jahre» in der Zeitung – genug für uns – und blättern weiter zum Sport. Dass die Förderung bis dahin bei weiterhin stei-gendem Verbrauch abnimmt und damit zu markant höheren Preisen führt, blenden wir aus.
Die trügerische Sicherheit wird bewusst gefördert, u.a. von der Int. Energie-Agen-tur IEA in ihrem «Global Energy Outlook». Rund die Hälfte der für 2035 prognosti-zierten Förderung entfällt auf Ölfelder, die erst noch gefunden werden müssen. Dabei sind die neu entdeckten Vorkommen seit den 90er Jahren rückläufig, entsprechend sinkt auch die Förderung konventionellen Erdöls seit 2006. Den Rückgang der Entde-ckungen illustriert Daniele Ganser mit dem «Osterhasen-Effekt»: Die grössten werden zuerst gefunden, an Weihnachten findet man vielleicht noch ein letztes Häschen hinter der Waschmaschine.
Wettgemacht wird die Lücke durch «un-konventionelles» Erdöl aus Teersand (mit enormen Kosten und Umweltschäden) und tiefen Meeren (mit erheblichen Risiken). Das sind höchst unsichere Quellen, die zudem zwingend zu markanten Preissteigerungen führen. Die Prognosen der IEA sind vielleicht geschönt und von den Interessen der Erdö-lindustrie bestimmt, aber sie bestimmen die Politik. Bis vor kurzem ging auch die offizielle Energiepolitik der Schweiz von den prognos-tizierten Fördermengen der IEA aus.
Die Kriege der letzten Jahrzehnte sind überwiegend Ressourcenkriege, das steht für den Historiker Ganser ausser Zwei-fel. Da kein Volk bereit ist, für Erdöl Krieg zu führen (Völker greifen generell nur in eindeutigen Situationen der Selbstverteidi-gung zu den Waffen), müssen andere Grün-de vorgeschoben werden. Den Ausschlag für den ersten Golfkrieg gegen den Irak gab die getürkte Geschichte, nach der irakische Soldaten in ein Kinderspital in Kuweit ein-gedrungen seien, die Babies auf den Boden geworfen und die Brutkästen weggeschleppt hätten. Inszeniert wurde die tränenrührige Geschichte am Vorabend der Kriegsabstim-mung im amerikanischen Kongress von der PR-Agentur Hill&Knowlton mithilfe der Tochter eines kuwaitischen Botschaftsan-gestellten. Die angeblichen Massenvernich-tungswaffen des Irak ein gutes Jahrzehnt später waren ebenso eine kriegswirksame Fiktion, die die Besitzverhältnisse über die drittgrössten Erdölreserven der Welt dauer-haft veränderten. Auch im Fall von Lybien mit den grössten Erdölreserven Afrikas und dem strategisch wichtig gelegenen Syrien werden Menschenrechte nach Ansicht von Ganser nur vorgeschoben. Nur: Historiker kommen naturgemäss erst hinterher zu den entscheidenden Erkenntnissen. Die Politik dagegen wird von ungesicherten und oft manipulierten Tagesereignissen bestimmt.
Gegen diese Kräfte kann der einzelne Mensch wenig unternehmen. «Aber wir haben die Wahl», sagt Ganser, «in welcher Gruppe wir mitmachen wollen»: Bei den fossilen Brennstoffen, die die Umwelt zer-stören und immer wieder zu Kriegen führen oder bei den erneuerbaren Energien, die uns die Sonne und die Natur im Überfluss zur Verfügung stellen und um die keine Kriege geführt werden können.
Kaum eine Organisation steht so sehr für diese zweite Gruppe wie das Ökozen-trum Langenbruck, an dem seit 33 Jahren die Grundlagen der nachhaltigen Energie-versorgung erforscht, praktische Lösungen
Das Erdölzeitalter auf lan-ger Zeitachse: Den Aufstieg haben wir geschafft. Jetzt kommt der anspriuchsvolle Abstieg. Grafik: SIPER
Umstellung auf erneuerbare Energien ist aktive Friedens-politik, die jedermann betreiben kann: Friedensforscher und Peak-Oil-Experte Daniele Ganser. Foto: CP
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entwickelt und das dazugehörige Know-how verbreitet werden. Die bestehenden Gebäude wurden umfassend saniert, mit einer Forschungshalle erweitert und am 22. September der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Forschungshalle erlaubt nicht nur die Integration von externen Werkstätten, son-dern auch die Durchführung von grösseren Anlassen. Es ist zu hoffen, dass das Ökozen-trum davon Gebrauch macht. Es hat etwas zu sagen. Christoph Pfluger
Vor kurzem erschienen:Daniele Ganser: Europa im Erdöl-rausch – die Folgen einer gefährlichen Abhängigkeit. Oreel Füssli, 2012. 414 S., Fr. 37.90 / 24,95 EuroDer Peak-Oil-Experte und Friedensforscher legt die erste Gesamtdarstellung zu Euro-pas Erdöl-Abhängigkeit vor. Er schildert den
Beginn der Erdölindustrie, das durch billige Energie angetriebene Wirtschaftswachstum, die Erdölkrisen der 1970er-Jahre und die Hintergründe des andauernden, blutigen Kampfs ums Erdöl bis hin zu den jüngsten Kriegen im Irak und in Libyen. Absoluten Neuig-keitswert hat Gansers Nachweis, dass beim konventionellen Erdöl weltweit bereits 2005 das Fördermaximum erreicht wurde.Daniele Ganser ist Gründer und Leiter des Swiss Institute for Peace and Energy Research (SIPER) in Basel. www.siper.org
Kontakt Ökozentrum Langenbruck, Schwengiweg 12, 4438 Langenbruck, Tel. 062 387 31 11, www.oekozentrum.ch
rechts: Das Oekozentrum Langenbruck wurde umfassend saniert und erweitert.
Foto: zvg
Unglücklich durch Karriere?
Was man leidenschaftlich verfolgt, sollte wenigstens glücklich machen. Neben auf-regendem Sex und der harmonischen Klein-familie steht für die meisten «Karriere» ganz oben auf dem Wunschzettel. Aber hält der Traum von Macht, Geld und Selbstverwirk-lichung, was er verspricht? Australische Wissenschaftler haben dazu gemeinsam mit dem ‹Institut zur Zukunft der Arbeit› (Bonn) Befragungen durchgeführt. Das Ergebnis ist ernüchternd: «Es ist interessant, dass Menschen trotz der negativen Effekte eine Karriere anstreben». Laut der Studie führt eine Beförderung zwar zu einem Gefühl der Befriedigung, dieses hält aber nicht lange
an. Die meisten der 2000 Befragten freuten sich zwar über die bessere Bezahlung, klag-ten aber auch über gestiegenen Stress und längere Arbeitszeiten. Nach spätestens drei Jahren sank das Zufriedenheitsgefühl wie-der auf das Niveau vor der Beförderung. Für einige waren die Effekte sogar negativ. Bei ihnen traten verstärkt Nervosität und Unruhezustände auf. Soll man also freiwillig auf den unteren Sprossen der Karriereleiter dahindümpeln? Nicht unbedingt. Aufsteiger sollten sich hingegen bewusst sein, dass nur ihre Gestaltungsmöglichkeiten wachsen werden, nicht unbedingt ihr persönliches Glück. RR
Friedensbildung, praktisch & persönlichUm Frieden verbreiten zu können, müssen wir ihn zuerst bei uns selber finden. Nach diesem Grundsatz organisiert das Zentrum für integrale Friedensförderung auch 2013 wieder einen Friedenslehrgang. Er beginnt im Februar mit einem Schweigewochenende und geht nach einem «Friedensdialog» im dritten Modul zum Thema «Frieden politisch umsetzen» über. Im letzten Teil unter dem Titel «Frieden entwickeln» wird an konkreten Friedensprojekten gearbeitet. Die Module können auch einzeln belegt werden.
Weitere Infos: www.integrale-friedensfoerderung.ch
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Fragwürdige Freisetzung transgener InsektenZwei positive von insgesamt 170 Studien zur Um-weltverträglichkeit genetisch veränderter Insekten genügten den USA 2008 für einen umfassenden Persilschein. Das Gutachten gilt seither weltweit als Referenz für weitere Freisetzungen. Die Öffentlich-keit wurde über die Versuche unzureichend oder gar nicht informiert. Die Missstände betreffen nicht nur die USA, sondern alle Länder, in denen bereits Feldversuche durchgeführt wurden. Dies sind die ernüchternden Ergebnisse einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön über die Freisetzungsverfahren genetisch veränderter
Insekten in den USA, Malaysia und auf den Kaiman-Inseln. Freisetzungsexperimente mit genmodifizierten Insekten zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten und Pflanzenschädlingen haben in den letzten zwei Jahren zugenommen.
Die Forscher richten sich nicht gegen den potenziell nützlichen Einsatz von transgenen Insekten. Jegliche Akzeptanz und Weiterentwicklung der Technologie be-dingt aber die Veröffentlichung aussagekräftiger wis-senschaftlicher Daten im Vorfeld der Freisetzung. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, korrekt informiert und in die Verfahren mit einbezogen zu werden. MK
epidemiegesetZ:
phaRma-umsatZ statt gesundheitDas hat niemand erwartet: Das Referen-dum gegen das Tierseuchengesetz ist zustan-de gekommen. Getragen wurde es von zwei kleinen Gruppierungen: den impfkritischen Bauern, die vom harten Durchgreifen der Veterinär-Behörden gegen Impf-Verweigerer schon angeschlagen waren und den natur-medizinisch Orientierten, die im Impfzwang für Tiere eine Vorstufe des Impfzwangs für Menschen sehen. Das Referendum hatte zwei grosse Hindernisse zu überwinden: Der Impfzwang für Tiere ist kein Thema, das die Massen bewegt und Impfen wird als präventive Massnahme eher positiv wahrge-nommen. Der Erfolg des Referendums zeigt: Die Meinungen sind noch nicht gemacht und das Komitee unter der Leitung von Da-niel Trappitsch hat ganze Arbeit geleistet. Am 25. November wird abgestimmt.
Das Timing für die Impfkritiker ist al-lerdings ungünstig. Anstatt die Kräfte auf den Abstimmungskampf richten zu können, müssen sie sich bereits mit dem Referen-dum gegen das revidierte Epidemiegesetz herumschlagen, für das seit dem 9. Oktober Unterschriften gesammelt werden, u.a. von Gruppierungen aus dem rechten Spektrum, die sich gegen Behördenwillkür wehren. Bei dieser Vorlage geht es um die Hauptsa-che, und der ganze Mainstream schwappt ihnen entgegen.
Sinn und Zweck von Impfungen werden von der Volksmeinung kaum bestritten, ob-wohl die wissenschaftliche Basis erstaunlich dünn ist. So gibt es keine einzige Placeo-kontrollierte Doppelblindstudie über die Wirksamkeit von Impfungen. Als Begrün-dung für diesen eklatanten Mangel meint etwa die deutsche Zulasseungsbehörde für Impfstoffe, das ‹Paul Ehrlich-Institut›, es sei ethisch nicht vertretbar, jemanden im Rah-men einer vergleichenden Studie nicht zu impfen, ihm also den Schutz vorzuenthal-ten. Dabei ist der Schutz gar nicht bewiesen. Stattdessen misst man die Zahl der durch die Impfung entstandenen Antikörper. Aber auch hier gähnt eine wissenschaftliche Lücke: Keine einzige Studie beweist, dass Menschen mit mehr Antikörpern gesünder sind.
Den einzigen langfristigen Vergleich zwi-schen Geimpften und Ungeimpften führte der dänische Anthropologe Peter Aaby mit seinem Team 1990 bis 1996. Resultat: Ge-gen Diphterie, Tetanus und Keuchhusten geimpfte Kinder hatten ein doppelt so ho-hes Sterberisiko wie ungeimpfte Kinder. Die WHO musste die Ergebnisse nach eigenen Untersuchungen bestätigen.
Ein weiterer Schwachpunkt: Als Begrün-dung für den Impfzwang wird immer wie-der angeführt, man könne damit die Aus-breitung von Seuchen unterbinden. Aber auch hier ist nicht bewiesen, dass Geimpfte den Erreger nicht weitergeben.
Verständlich, wenn sich so kein Ver-trauen entwickeln kann. Verstärkt wird das Misstrauen durch die Politik der interna-tionalen und nationalen Gesundheitsbehör-den und ihrem Umgang mit Schweinegrip-pe, SARS, Vogelgrippe etc. Weltweit lagern Impfstoffe für Milliarden, die in Panik und auf schwacher wissenschaftlicher Grundla-ge gekauft wurden und demnächst verfallen und entsorgt werden müssen. Problematisch sind auch die personellen und finanziellen Verflechtungen zwischen Weltgesundheits-organisation, Impfherstellern, Wissenschaft-lern und zum Teil Politikern.
Unter diesen Umständen besteht absolut keine Notwendigkeit, einen gesetzlichen Impfzwang einzuführen. Das revidierte Epi-demiegesetz hat mehr mit Wirtschaft als mit Gesundheit zu tun. CP
Den Unterschriftenbogen für das Referendum gegen des revi-dierte Epidemiegesetz finden Sie hier: http://epg-referendum.chSehr gute Informationen liefern die Website www.impfkritik.deund die Zeitschrift «Impf-Report» (www.impf-report.de), die beide von Hans U. Tolzin betreut werden.
vollwertig leben
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vollwertig leben
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wO das «kien» auf die welt kOmmtDie Kientaler wissen zwar nichts davon, aber es wirkt trotzdem: Der Fluss Kien, Namensgeber des Tales, steht im chinesischen I Ging für das Schöp-ferische, den Himmel. von Alex von Roll
das grosse Buch des Lebens beginnt mit dem Zeichen «Kien». Der Kien-talerhof ist also gewissermassen die Verbindung zwischen Himmel und Erde, der Ort, wo sich Geist und Kör-
per begegnen. Dies ist vielleicht eine etwas gewagte Interpretation. Aber wer den Kientalerhof kennt, wird mir beipflichten. Wer ihn nicht kennt, soll bitte weiterlesen.
Den heutigen Kientalerhof gäbe es nicht, wenn nicht vor 27 Jahren ein Mann auf der Rückkehr von einer langen Skitour dieses alte, verlassene Hotel ent-deckt hat. In Tat und Wahrheit wartete aber das Haus auf ihn, Mario Binetti. Mit seinen 33 Jahren hatte der fünffache Familienvater schon einiges bewegt. Nach dem Primarlehrerpatent bildete er sich in den USA zum Heilpädagogen aus und lernte die Makrobiotik kennen, die japanisch beeinflusste Ernährungslehre des «grossen Lebens», die ihn von seiner Asthma be-freite. Zurück in der Schweiz gründete er mit Freun-den in Bern das Restaurant Sesam, die «Chornstu-be», einer der ersten Bioläden, die erste Tofurei der Deutschschweiz und ein Grosshandelsunternehmen für Bioprodukte. Daneben organisierte er Kurse in Makrobiotik und Shiatsu. Zu seinen makrobiotischen Sommercamps in Lenk im Berner Oberland kamen über tausend Menschen aus ganz Europa. Der Mann merkte also früh, was Menschen brauchen, um Ganz-heit in ihr Leben zu bringen.
Mit diesem Hintergrund fiel es ihm nicht schwer, das Potenzial des Hauses zu erkennen. In-nert kurzer Zeit trieb der das Geld für den Kauf und eine einfache Renovation auf. Vier Monate später kamen die ersten Gäste. Der Kientalerhof hatte Glück. In London und Mailand schlossen zwei Institute von Michio Kushi, einem Nachfolger des Makrobiotik-Be-gründers Georges Ohsawa. Der Kientalerhof wurde zum europäischen Zentrum der Makrobiotik. Yin und Yang, naturbelassene regionale Nahrungsmittel und der Verzicht auf tierische Produkte bestimmten die Küche. 1987 kam die erste Shiatsu-Schule der Schweiz dazu, später ständige Ausbildungsstätten für Crani-osacral- und Rebalancing-Therapie. Während die et-was doktrinäre Makrobiotik langsam verschwand, etablierte sich der Kientalerhof als ein führendes Institut für Ausbildungen in verschiedenen Formen der Körperarbeit. Studenten und Dozenten aus allen Kontinenten strömten in das unbekannte Bergtal im Berner Oberland, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln und eine neue Einstellung zu sich, ihrem Körper und ihrer Arbeit zu finden. Die verschiedenen Richtungen befruchteten einander und sorgten für einen freien, innovativen Geist.
Aber das über hundert Jahre alte Haus wollte irgendwie nicht mitspielen. «Es war ein Fass ohne Boden», sagt Mario Binetti, das die Versäumnisse der Vergangenheit immer wieder auf den Tisch legte und für Kopfzerbrechen in der Buchhaltung sorgte.
vollwertig leben
50 Zeitpunkt 122
Das Einmaleins der EnergieIch gehöre wahrscheinlich einfach hierher, obwohl das Kiental im Vergleich zur Ostseeküste, wo ich herkomme,
ein totales Kontrast-programm ist. Gleich nach der Wende habe ich in Berlin mit Kung Fu angefangen. Der Lehrer legte grossen Wert auf Meditation und Qi Gong, wörtlich Energie-Arbeit. Wie
zentral die Stille und die Energie für alles ist, habe ich zwar erst später begriffen. 1994 machte ich die Shiatsu-Ausbildung, später in Qi Gong. Ich wollte es intensiv, nicht einfach an Wochenenden, deshalb bin ich an den Kientalerhof gekommen. Seit 1999 lebe und arbeite ich nun hier und habe ein bisschen alles gemacht, was es an einem Ausbildungszentrum zu tun gibt. Seit fünf Jahren gebe ich nur noch Kurse und bin für die Qi Gong-Ausbildung verantwortlich. Qi Gong ist die absolute Basis. Es ist das kleine Einmaleins der Energie und des Lebens. Ron Timm, 42
Es brauchte den Unternehmer Urs Osann, der dem Kientalerhof aus der Patsche half. Aber das war auch nur die halbe Miete. Nach seinem plötzlichen Tod sorgten seine Nachfolger vor zwei Jahren mit einer grosszügigen Geste für einen veritablen Neustart. Sie schenkten Mario Binetti das Haus für einen symbo-lischen Betrag. Seither arbeitet er mit seiner Partnerin Mona Achermann und einer motivierten Truppe von rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Aus-bau des Programms und auch des Hauses.
Im Gegensatz zu anderen Seminarhäusern wird der Kientalerhof nicht von einer «Gemeinschaft» be-trieben. Die Mitarbeiter führen ihr eigenes Leben und wohnen teilweise auch nicht am Ort. «Gemeinschaft bildet sich über ein gemeinsames Ziel und die Arbeit und nicht über einen ständigen Austausch der Befind-lichkeiten», sagt Mario Binetti. Wichtig ist ihm der in-ternationale Austausch, zum Beispiel über das Work-study-Programm. Acht Studentinnen und Studenten sind jeweils im Kientalerhof und verdienen sich ihre Ausbildung (vorallem Qi Gong) in Teilzeitarbeit.
Der Kientalerhof ist aber nicht nur Ausbildungstät-te, sondern hat auch ein Behandlungszentrum und versteht sich als eine Art Kulturzentrum, in dem die Schleusen der natürlichen Kreativität geöffnet wer-den. Sinnbild dafür ist das «Natural Sound Open Air», das jeweils im Juli ein bunt gemischtes Publikum für eine gemütliche, musikalische Auszeit ins Kiental bringt. Eigentlich dürfte man nicht zu viel Werbung für diesen einmaligen Anlass machen ;-).
Für den gesamtheitlichen kulturellen Anspruch ste-hen auch die Musik-Improvisationskurse, die Tanz-Events oder die Natur-Exkursionen, die der Kienta-lerhof organisiert.
Natürlich möchte man das alles auch gerne zu Hause in der Stadt haben. Aber die Nähe zu sich selber braucht auch ein bisschen mehr Nähe zum «Kien», zum Schöpferischen, zum Himmel. Und so weit ist dieser magische Ort auch wieder nicht. In gut zwei Stunden ist man mit öffentlichen Verkehrs-mitteln von Zürich im Kiental, und die Begegnung mit sich selber kann beginnen.
Kontakt: Kientalerhof, Griesalpstr. 44, 3723 Kiental, Tel. 033 676 26 76, www.kientalerhof.ch
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Zeitpunkt 122 51
Vom Ausstieg zum EinstiegMit den vielen Schulen für Alternative Heilmethoden ist der Kientalerhof ein durch und durch «gesunder», aber auch ein sehr in-ternationaler Ort. Die Welt trifft sich hier in diesem schönen Tal. Meine Beziehung zum Haus begann 2004 mit einem work-stu-dy-Aufenthalt. Die drei Monate waren als Ausstieg aus meinem Leben als Verlagskauffrau in Lübeck gedacht, aber daraus wurde ein Einstieg. Im Kientalerhof wurde eine Stelle im Büro frei, die ich gerne übernahm. Heute bin ich für das Management der dreieinhalbjährigen Craniosacral-Ausbildung ver-antwortlich. Ich organisiere die Dozenten, betreue die 60 Studenten, schaue, dass sie die Hausaufgaben alle machen und bringe die unterschiedlichen Ausbildungs-kriterien der Verbände unter einen Hut. Nina Pries, 36
Was der Zufall so willVor drei Jahren stand ich an einem Scheideweg: Als Projektleiter für den Bau von Rechenzentren arbeitete
ich 14 Stunden am Tag und war ständig unterwegs. Wenn man einem solchen Leben keine Grenzen setzt, zwingt einen die Gesundheit frü-her oder spät dazu. So weit wollte ich es
nicht kommen lassen. Als ich 2010 zufälligerweise den Kientalerhof besuchte, fragte ich, ob sie nicht je-manden brauchen könnten. Das war vielleicht nicht ganz ernst gemeint. Aber mit der Gegenfrage zwei Monate später – «willst du immer noch?» – wurde es ernst. Ich bin hier für die Häuser, die Technik und den Unterhalt zuständig. Neben dem daily business war ich in den letzten zwei Jahren vor allem mit der Leitung verschiedener Umbauprojekte beschäftigt – kein we-sentlicher Unterschied zu meiner frühderen Tätigkeit, aber wesentlich sinnvoller und nicht stressig. Übrigens brauchen wir noch einen Allrounder… Eugen Duff, 51
Reich beschenkt Den ersten Anstoss gab eine Anzeige. Dann hörte ich, dass der Kientalerhof die älteste Shiatsu-Schule der Schweiz ist. Nach einem Besuch wusste ich: Hier will ich meine Ausbildung machen. Es war Intuition, und das Vertrauen wurde nicht enttäuscht. Die Einfachheit, der Spirit, die Art des Lernens – nicht nur auf der reinen Wissensebene – haben mich unglaublich beschenkt. Der Kientalerhof wurde zu meiner zweiten Heimat. Hier bin ich Schritt für Schritt erwacht. Auch zur Gründung der eigenen Praxis hat mir der Kientalerhof wichtige Impulse gegeben, nicht zuletzt Mario Binetti, ein bescheidener Mensch mit einem grossen Charisma. Monika Abächerli, 45 kant. appr. Heilpraktikerin und Shiatsu-Therapeutin
alles, was ein alpental ausmachtBesucher des Kientalerhofs bezeichnen das Tal immer wieder als Kraftort. Was hat es damit auf sich? Der Experte Pier Häni weiss mehr.
Zuerst die Entwarnung: «Ein Kraftort pas-siert letztlich in uns», sagt Pier Häni, der seit Ende der 60er Jahre als Seminarleiter und Autor zahlreicher Bücher die Naturmytholo-gie, Kraftorte und das Wechselspiel zwischen Natur und Bewusstsein erforscht. Aber es gibt auch objektive Eigenschaften von Kraft-orten, und da zählen Strahlungen und Erd-kräfte nicht einmal dazu. Je weniger bebaut ein Gebiet beispielsweise ist, desto höher sei die «vegetative Energie», die Vitalität der Pflanzen, sagt Pier Häni. Das sei im Kiental eindeutig der Fall. Dazu noch eine kleine Spekulation: Wenn Pflanzen untereinander kommunizieren – was erwiesen ist – und Menschen Pflanzen spüren, dann sollten die Pflanzen auch die Menschen wahrnehmen können, meint Pier Häni. Auf jeden Fall sei
das dünn besiedelte und touristisch wenig genutzte Kiental ein Ort, an dem die Pflan-zenwelt kaum gestört würde.Auch der freie Fluss des Wassers spielt eine wichtige Rolle. Und da steht das Kiental mit Ausnahme eines Kleinkraft-werks gut da: Kein Wasser wird in Stollen abgezogen und für die Stromproduktion genutzt. Die zahlreichen Bäche führen ent-sprechend viel Wasser. Einen Spaziergang vom Kientalerhof entfernt rauschen ein-drückliche Wasserfälle mit sehr viel ionisier-tem Wasser, ein beliebter Ort für intensive Naturbegegnungen.
Pier Häni zeigt den Besuchern auf sei-nen Wochenendexkursionen auch die Kost-barkeiten abseits der Wege: Prägnante alte Bäume, magische Talkessel und Schauplätze alter Sagen. Fazit des Experten: Alles, was ein Alpental ausmacht, ist hier auf kleinem Raum vorhanden. AvR
Das Tal hat Kraft, und die Pflanzen erreichen mitunter ausser-ordentliche Dimensionen, wie dieser Holunder.
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deR philOsOph des schenkensDer Künstler Peter Frank betreibt eine «Freie Küche», in der er umsonst oder gegen Spenden Mittagessen kocht. Auch sonst hat er viel zu bieten. Roland Rottenfußer
an jedem Werktag kommt Uwe* in die Cantina, Peter Franks Miniatur-Restau-rant am Stadtplatz in Weilheim/Oberba-yern. Uwe lässt sich eine gute Mahlzeit servieren, plaudert mit den anderen
Gästen, steht auf und geht. Lange half er nie beim Abwasch, bezahlte keinen Cent – und dies seit es die Freie Küche gab (Dezember 2011). Wie denkt Peter Frank über seinen unkooperativen Dauergast? «Ich bin ihm dankbar», sagt er. «Durch Uwe habe ich Erkenntnisse über die wahre Natur des Lebens gewonnen. Da ist jemand immer da und nimmt das Angebot in Anspruch. Er ermöglicht mir zu tun, was ich tun will: Kochen und Gastgeber sein.»
Die Cantina ist nur ein Raum, nicht grösser als ein Wohnzimmer. Eine Küchennische und ein langer
Tisch, an dem sich ein paar Gäste versammeln. Ausser Uwe sind auch Georgi da, eine Frau mit ungarischen Wurzeln, und Ulrich, ein seriös wirkender Anwalt mit Interesse an Spiritualität. Sofort ist man im Gespräch, und Georgi bietet an, für uns Altkleider zum Second Hand-Shop zu bringen. Solche Vernetzungsversuche liegen durchaus in Peter Franks Absicht. Er möchte Menschen zusammenbringen, an der Erschaffung einer Kultur mitwirken, die auf Wertschätzung und Freigebigkeit fusst. Die Anonymität professioneller Restaurants hat in der Cantina nichts zu suchen. Die meisten werfen eine kleine Spende in das Riesenspar-schwein am Eingang: jeder, so viel er kann.
Achtsamkeit, ja Stille gehören zu den Idealen dieses Platzes, wie ein Flyer auf dem Tisch verrät. Lebhafte Gespräche und Stille sind für Peter kein Widerspruch. «Stille ist nicht einfach die Abwesenheit von Worten, sondern eine innere Verfassung: Weite. Stille kann auch da sein, wenn jemand spricht.» Die meisten Gäste fand Peter Frank bisher im Kreis der Gleichgesinnten. Nur wenige sind in einer sozialen Notlage, so dass sie froh sind, ihr Essen umsonst zu bekommen. «Es gibt schon viele von uns», sagt der Küchenchef. «Wir müssen uns nur besser kennen lernen und zusammen arbeiten». Wen meint Peter mit «uns»? «Selbstermächtigte Menschen, die wissen, dass sie selbst Schöpfer sind, um eine Kultur der Liebe und des Friedens zu etablieren.»
Peters Ideale erscheinen hoch fliegend, entschei-dend ist aber, dass er sie mit Leben füllt: Tag für Tag. «Die meisten fragen zuerst: ‹Wie kannst du dir das überhaupt leisten?› Kaum einer sagt: ‹Wie schön, dass du das machst!› Ich bin emotional fast verhun-gert.» Für Peter ein Zeichen dafür, wie stark wir in Kriterien von Leistung und Gegenleistung denken. Tatsächlich ist Peters «Konzept» vor allem ein uner-schütterliches Vertrauen in das Leben. Seine Räume mitten im Stadtzentrum wurden ihm vom Vermieter umsonst überlassen. Peter ist von Haus aus Künstler, er gestaltete Steinskulpturen in der Landschaft. Aus-serdem beschäftigt er sich mit Geomantie, gibt Semi-nare. Ein Kunstwerk ist für ihn aber auch die Cantina: «Menschen als Teil einer lebendigen Skulptur».
Bedingungsloses Schenken ist seine Grund-idee. Die herkömmliche Ökonomie beruht auf dem Prinzip: «Ich muss mich verkaufen, dafür kann ich mir etwas kaufen.» Dabei werden wir von Kindsbeinen an reich beschenkt: Zuerst von unseren Eltern und von der Natur, die uns Wasser, Luft, Boden und reichlich Früchte spendet. «Wenn es aber um Umweltschutz geht, darum, der Natur auch mal was zurückzuge-ben, heisst es: Dafür ist kein Geld da», kritisiert Peter. Selbst Regionalgeld und Tauschkreise gehen dem Visionär nicht weit genug. «Da schwingt noch etwas Bedingtes mit: Gibst du mir was, gebe ich dir was.» Die Grundlage einer neuen Zeit muss eine andere sein: «Unsere Frage sollte nicht sein: Kann ich es mir leisten?, sondern: Wie ist es schön?» Wie erhalten meine Arbeit und ihre Ergebnisse ihre höchste und vollendete Form?
Peters Traum wäre ein Netzwerk von Projekten, die auf dem Schenken basieren und sich gegenseitig tragen, so dass Geld zunehmend überflüssig wird. Solange dies nicht Realität ist, steht Peter Frank, der Philosoph des Schenkens, fast allein auf weiter Flur. Dauergast Uwe wird gewiss wiederkommen. Und auch ich werde wiederkommen, zumal Kürbissuppe und Mangoreis bestens gemundet haben. Verdauen muss ich auch erst einmal Peters Ideen. Sie wirken ansteckend – wie Zündfunken einer neuen Zeit.
Kontakt: Peter Frank, Cantina – die freie Küche, Rathausplatz 15, D-82362 Weilheim. Tel. +49 0881 9277 99 00, www.neue-raeume.com * Name geändert
«Gibst du mir was, gebe ich dir was.» Die Grundlage einer neuen Zeit muss eine andere sein: «Unsere Frage sollte nicht sein: Kann ich es mir leisten?, sondern: Wie ist es schön?»
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endlich PostUnsere Postkarten erregen dop-pelte Aufmerksamkeit: vorne mit den Sujets von Dieter Zimmer-mann, hinten mit Ihrem Text.
Dieter Zimmermann ist Maler und Objektkünstler aus Herdwangen am Bodensee. Seine Werke stehen und hängen in aller Welt, u.a. auch im Moma New York. www.dizi.de
Zehn Sujets: Fr. 10.-Das Sujet «Bethlehem» als Weihnachtsaktion mit zwölf Karten: Fr. 10.-
Bestellungen mit der Karte im Umschlag, oder: Zeitpunkt, Werkhofstrasse 19CH-4500 SolothurnTel. 032 621 81 11mail@zeitpunkt.ch
deR philOsOph des schenkensDer Künstler Peter Frank betreibt eine «Freie Küche», in der er umsonst oder gegen Spenden Mittagessen kocht. Auch sonst hat er viel zu bieten. Roland Rottenfußer
an jedem Werktag kommt Uwe* in die Cantina, Peter Franks Miniatur-Restau-rant am Stadtplatz in Weilheim/Oberba-yern. Uwe lässt sich eine gute Mahlzeit servieren, plaudert mit den anderen
Gästen, steht auf und geht. Lange half er nie beim Abwasch, bezahlte keinen Cent – und dies seit es die Freie Küche gab (Dezember 2011). Wie denkt Peter Frank über seinen unkooperativen Dauergast? «Ich bin ihm dankbar», sagt er. «Durch Uwe habe ich Erkenntnisse über die wahre Natur des Lebens gewonnen. Da ist jemand immer da und nimmt das Angebot in Anspruch. Er ermöglicht mir zu tun, was ich tun will: Kochen und Gastgeber sein.»
Die Cantina ist nur ein Raum, nicht grösser als ein Wohnzimmer. Eine Küchennische und ein langer
Tisch, an dem sich ein paar Gäste versammeln. Ausser Uwe sind auch Georgi da, eine Frau mit ungarischen Wurzeln, und Ulrich, ein seriös wirkender Anwalt mit Interesse an Spiritualität. Sofort ist man im Gespräch, und Georgi bietet an, für uns Altkleider zum Second Hand-Shop zu bringen. Solche Vernetzungsversuche liegen durchaus in Peter Franks Absicht. Er möchte Menschen zusammenbringen, an der Erschaffung einer Kultur mitwirken, die auf Wertschätzung und Freigebigkeit fusst. Die Anonymität professioneller Restaurants hat in der Cantina nichts zu suchen. Die meisten werfen eine kleine Spende in das Riesenspar-schwein am Eingang: jeder, so viel er kann.
Achtsamkeit, ja Stille gehören zu den Idealen dieses Platzes, wie ein Flyer auf dem Tisch verrät. Lebhafte Gespräche und Stille sind für Peter kein Widerspruch. «Stille ist nicht einfach die Abwesenheit von Worten, sondern eine innere Verfassung: Weite. Stille kann auch da sein, wenn jemand spricht.» Die meisten Gäste fand Peter Frank bisher im Kreis der Gleichgesinnten. Nur wenige sind in einer sozialen Notlage, so dass sie froh sind, ihr Essen umsonst zu bekommen. «Es gibt schon viele von uns», sagt der Küchenchef. «Wir müssen uns nur besser kennen lernen und zusammen arbeiten». Wen meint Peter mit «uns»? «Selbstermächtigte Menschen, die wissen, dass sie selbst Schöpfer sind, um eine Kultur der Liebe und des Friedens zu etablieren.»
Peters Ideale erscheinen hoch fliegend, entschei-dend ist aber, dass er sie mit Leben füllt: Tag für Tag. «Die meisten fragen zuerst: ‹Wie kannst du dir das überhaupt leisten?› Kaum einer sagt: ‹Wie schön, dass du das machst!› Ich bin emotional fast verhun-gert.» Für Peter ein Zeichen dafür, wie stark wir in Kriterien von Leistung und Gegenleistung denken. Tatsächlich ist Peters «Konzept» vor allem ein uner-schütterliches Vertrauen in das Leben. Seine Räume mitten im Stadtzentrum wurden ihm vom Vermieter umsonst überlassen. Peter ist von Haus aus Künstler, er gestaltete Steinskulpturen in der Landschaft. Aus-serdem beschäftigt er sich mit Geomantie, gibt Semi-nare. Ein Kunstwerk ist für ihn aber auch die Cantina: «Menschen als Teil einer lebendigen Skulptur».
Bedingungsloses Schenken ist seine Grund-idee. Die herkömmliche Ökonomie beruht auf dem Prinzip: «Ich muss mich verkaufen, dafür kann ich mir etwas kaufen.» Dabei werden wir von Kindsbeinen an reich beschenkt: Zuerst von unseren Eltern und von der Natur, die uns Wasser, Luft, Boden und reichlich Früchte spendet. «Wenn es aber um Umweltschutz geht, darum, der Natur auch mal was zurückzuge-ben, heisst es: Dafür ist kein Geld da», kritisiert Peter. Selbst Regionalgeld und Tauschkreise gehen dem Visionär nicht weit genug. «Da schwingt noch etwas Bedingtes mit: Gibst du mir was, gebe ich dir was.» Die Grundlage einer neuen Zeit muss eine andere sein: «Unsere Frage sollte nicht sein: Kann ich es mir leisten?, sondern: Wie ist es schön?» Wie erhalten meine Arbeit und ihre Ergebnisse ihre höchste und vollendete Form?
Peters Traum wäre ein Netzwerk von Projekten, die auf dem Schenken basieren und sich gegenseitig tragen, so dass Geld zunehmend überflüssig wird. Solange dies nicht Realität ist, steht Peter Frank, der Philosoph des Schenkens, fast allein auf weiter Flur. Dauergast Uwe wird gewiss wiederkommen. Und auch ich werde wiederkommen, zumal Kürbissuppe und Mangoreis bestens gemundet haben. Verdauen muss ich auch erst einmal Peters Ideen. Sie wirken ansteckend – wie Zündfunken einer neuen Zeit.
Kontakt: Peter Frank, Cantina – die freie Küche, Rathausplatz 15, D-82362 Weilheim. Tel. +49 0881 9277 99 00, www.neue-raeume.com * Name geändert
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Dieter Zimmermann ist Maler und Objektkünstler aus Herdwangen am Bodensee. Seine Werke stehen und hängen in aller Welt, u.a. auch im Moma New York. www.dizi.de
54 Zeitpunkt 122
Biomilk - Milchprodukte «mit Hörnern» und Geschmack!Die Biomilk verarbeitet seit 1988 Demeter-Milch zu Jo-gurts und Dessertspeziali-täten, 400 000 kg Kuhmilch und 80 000 kg Schafmilch pro Jahr. Die Kuhmilch stammt von sechs bio-dynamisch bewirtschafteten Höfen, auf denen die Kühe ihre Hörner noch tragen und aus-reichend auf der Wiese grasen dürfen. Die Biomilk ist stolz auf ihre Bauern; darum steht auf den Naturejogurts immer auch der Name des Milchlieferanten.
Da die Biomilk streng nach den Grundsätzen von Demeter arbeitet, unterscheiden sich die Pro-dukte von jenen anderer Produzenten. Die Milch wird weder standardisiert und homogenisiert noch durch lange Leitungen gepumpt, sondern schonend pasteu-risiert. Gerade bei den stichfesten Jogurts wie Nature, Vanille und Mocca zeigt sich dies deutlich, da diese Produkte während der Fermentation noch aufrahmen und eine feine Rahmschicht bilden. Zudem ist das Jo-gurt dünnflüssiger, weil weder Magermilchpulver noch Molkenproteine eingesetzt werden. Auch die Früchte werden von den 10 Mitarbeitern der Biomilk immer frisch zubereitet. Da in den Jogurts weder Aromen noch Farben enthalten sind, sind etwas mehr Früchte nötig, im Normalfall 10 Prozent.
So kann die Biomilk garantieren, dass in den Jogurts nichts als Milch, viele Früchte und wenig Rohrohr-Zucker enthalten ist.
Nach der Einführung der «milden Wilden», einer Jogurtlinie mit Wildfrüchten wie Hagebutten, Schwarz- und Weissdorn oder Kornelkirschen trumpft die Biomilk diesen Herbst mit einem Marroni-Schafjogurt auf. Die Marronicreme aus dem Piemont ist unten im Becher und darüber ist einer feines Naturejogurt aus Schafmilch.
Die Produkte der Biomilk sind überall im Biofachhandel erhältlich. Weitere Infos unter: www.biomilk.ch
Nützliches Therapeuthen-Verzeichnis Natürliche Heilweisen sind gefragt. Aber, – wo finde ich eine HeilpraktikerIn in meiner Umgebung? – fragen sich heute Viele. Dass es ein vielfältiges und umfangreiches Angebot gibt, zeigt dieses für die Schweiz einzigartige Buch mit über 3400 Therapeuten-Portraits inkl. persön-licher Tätigkeitsangabe. Alle Infos sind auch auf www.gesund.ch abrufbar.
GANZHEITLICHDass es bei der Gesundheit nicht nur um den Körper, sondern auch um geistige und seelische Ausgewogen-heit geht, gewinnt in der heutigen Zeit zunehmend an Bedeutung. Diesem Umstand wird in der Alternativ- oder Ganzheitsmedizin seit jeher in besonderer Weise Beach-tung geschenkt. Zahlreiche Anwendungen und Therapien
entwickelten sich auf zum Teil sehr alten Grundlagen zu modernen Therapiesystemen. Infos dazu finden Sie im Buch sowie auch im entsprechenden Portal www.gesund.ch
NEUE BERUFSCHANCENDie Alternativmedizin bietet gerade für Wiedereinstei-gerInnen interessante und vielfältige Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten. Das Angebot erstreckt sich von Massage bis Homöopathie. Viele Tätigkeiten können nach absolvierter Ausbildung zuhause, vielleicht in einem speziell dafür hergerichteten Raum, ausgeübt werden. Vom Klienten wird die persönliche Atmosphäre, und dass man ohne Zeitdruck behandelt oder beraten wird, be-sonders geschätzt. Mittlerweile arbeiten in der Schweiz
einige tausend HeipraktikerInnen und TherapeutInnen. Sie erbringen einen wertvollen und kostengünstigen Bei-trag für unsere Volksgesundheit. Obwohl die Leistungen von den Kassen oft nur teilweise abgegolten werden, sind alternative und ganzheitliche Heilweisen sehr gefragt.
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wahre Werte
vollwertig leben
Zeitpunkt 122 55
es geht ans eingemachte!Rund die Hälfte des Essens wird fortge-worfen. Zu diesem haarsträubenden Ergeb-nis kommt der deutsche Filmautor Valentin Thurn in seinem preisgekrönten Film «Taste the Waste – warum schmeissen wir unser Essen auf den Müll?» Mit den Lebensmitteln, die allein in Europa fortgeworfen werden, könnte man die Hungernden dieser Welt ernähren.
Während bereits in der Produktion viel auf der Strecke bleibt und in der Handelsket-te erschreckend nachlässig mit wertvollen Lebensmitteln umgegangen wird, bleiben doch wir Konsumenten die Hauptverant-wortlichen. Dabei spielt der Kühlschrank eine paradoxe Rolle. Während er erfunden wurde, um den Verlust an Lebensmittel zu
reduzieren, bewirkt er heute das Gegen-teil. Wir kaufen mehr, als wir brauchen und bewahren es im Kühlschrank auf, bis es weggeworfen werden muss.
Der Film dokumentiert die Sorglosigkeit im Umgang mit Lebensmitteln auf allen Stufen, zeigt Alternativen und hinterlässt eine gesunde Betroffenheit. Wer diesen Film gesehen hat, ändert fast zwangsläufig seine
Einkaufsgewohnheiten. In Deutschland hat sich sogar eine Bewegung gebildet.
Wir verlosen fünf DVDs dieses Films im Wert von je Fr. 20.–, zur Verfügung ge-stellt von «Filme für die Erde». Diese rührige Organisation lanciert Umweltfilme, die zum Weitergeben bestimmt sind, sodass sie ein möglichst grosses Publikum erreichen. Alle Einsender der Zeitpunkt-Bestellkarte bis zum 19. Dezember nehmen automatisch an der Verlosung teil.
Weitere Informationen über «Filme für die Erde»: www.filmefuerdieerde.ch
VerlosungGewinnen Sie eine DVD von «Taste the Waste»!
vollwertig leben
56 Zeitpunkt 122
fRüh übt sich, wer glücklich altern will
Menschen, die füreinander da sind, werden älter und bleiben dabei länger ge-sund, sagt eine englische Studie. Immer mehr ältere Menschen schliessen sich denn auch zu Alterswohngemeinschaften zusam-men. Aber müsste man nicht etwas früher beginnen, dem dritten Lebensabschnitt fri-sche Strukturen und vor allem neuen Sinn geben?
Davon sind der Feng-Shui-Fachmann Ber-nard Bischoff, die Therapeutin Sonja Bi-schoff und die soziale Unternehmerin und Gründerin von Together to One Susanne Triner überzeugt – alle drei zwischen 55 und 60 Jahre alt. Den Unterschied zu einer normalen WG beschreibt Bernard so: «Wir wollen voneinander lernen und miteinander wachsen.
Wir sind eine Gemeinschaft von Men-schen, die mit Offenheit Themen aussu-chen, die sie für ein erfülltes Leben betrach-
ten möchten. Das Zusammenwohnen hilft uns, Werte zu leben und Gelerntes konkret umzusetzen.»
In ihrem grosszügigen «Kesslerhaus» in Lüterkofen bei Solothurn bieten sie denn auch inspirierende Vorträge, Seminare und Retreats an. Treibende Kraft hinter dem aktuellen Seminarprogramm ist Susanne Triner, die diesen Herbst unter dem Titel «Das grosse Finale» einen Zyklus zum evolu-tionären älter werden anbietet. Sie ist über-zeugt, dass die sich wandelnde Gesellschaft die Aufgaben des Alters neu definieren muss. «Das Alterwerden ist kein langsames Ableben, sondern ein Crescendo hin zum grossen Finale», sagt sie. Talente hervorho-len, Träume abstauben, sich sammeln, sich wandeln und sich (gegenseitig) nähren sind ein paar Stichworte dazu. Wer sich diesen Themen schon ab 50 widmet, gewinnt für
die nächsten 30 Jahre nebst vielem anderen Klarheit und Leichtigkeit.
Auch das Kesslerhaus ist noch im Wan-del begriffen. Das grosse, geschmackvoll umgebaute Bauernhaus bietet Platz für bis zu sechs Menschen, denen nebst grosszü-gigen Gemeinschaftsräumen je zwei Pri-vaträume zur Verfügung stehen. Zudem ist eine grosse Wohnung noch zu kaufen. Der weitläufige Garten mit altem Baumbestand bietet eine Insel der Ruhe und ist die idyl-lische Basis für den schöpferischen Unru-hestand. CP
Die nächsten Anlässe im Kesslerhaus: 17. – 18.11.2012: Vorwärts in die Freiheit! Zyklus mit Susanne Triner – 30.12.2012: Vorwärts in die Freiheit Jahresend-Retreat
Kontakt und Anmeldung: Kesslerhaus, Kesslergasse 14, 4571 Lüterkofen, Tel. 032 677 07 66, www.kesslerhaus.ch
Was man nicht sieht auf diesem Bildern: Das Innere des grossen Hauses strahlt eine buddhistische Ruhe aus. Fotos: zvg Bereit zum grossen Finale: Susanne Triner, Bernard und und Sonja Bischoff (von links) vom Kesslerhaus.
Lernend Frieden schaffenEin Lehrgang in integraler Friedensförderungmit konkreter Umsetzung von Friedensprojekten im 2013 auf der Schweibenalp:
1 / 1. – 3. Februar – Frieden finden 2 / 12. – 14. April – Frieden leben 3 / 28. – 30. Juni – Frieden umsetzen 4 / 29. Nov. – 1. Dez. – Frieden entwickeln
www.integrale-friedensfoerderung.ch
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58 Zeitpunkt 122
schäm dich! Oder schäm ich mich?Unsere Scham überwinden zu wollen, hält er für einen Denkfehler. Reto Stern, Betriebsökonom und Wirtschaftspsy-chologe, ist Autor des neu erschienenen Buches «Scham in der Beratung». Was an der Scham in Ordnung ist, verrät er im Kurzinterview.
Zeitpunkt: Herr Stern, warum schämen wir uns?
Reto Stern: Scham ist ganz individuell. Wir schämten wir uns schon, bevor wir reden konnten. Scham schützt uns. So lernen bei-spielsweise kleine Kinder ihre Grenzen ken-nen. Während wir ganz am Anfang völlig aus unserem Wesenskern heraus leben, also eins mit allem sind, führt das Übertreten unserer Grenzen dazu, dass wir sie über-haupt kennen lernen. Somit ist Scham ein wichtiger Teil unserer Persönlichkeits- und Charakterentwicklung.
Kann dieser Prozess auch schieflaufen?Ja. Werden unsere Grenzen z.B. zu schmerz-haft überschritten, neigen wir dazu, unser Innerstes zu verschliessen. Im schlimmsten Fall finden nicht einmal mehr wir selber den Zugang zu unserem Wesenskern.
Was geschieht dann?Wir verdrängen die Scham, die wir empfin-den, und setzen eine Maske auf. Ist man z.B. in einer armen Familie aufgewachsen und wurde dafür gehänselt, kann es passieren, dass man später die empfundene Scham mit der zur Schaustellung von Reichtum betäubt: «Seht her, ich war arm, aber jetzt fahre ich einen teuren Mercedes.» Oder man wird zynisch, will perfekt sein oder proji-ziert auf andere: die «faulen Afrikaner» oder die «ameisenhaften Japaner». Das sind meist Abwehrmechanismen.
Was ist der häufigste Auslöser für Scham?Das ist schwierig so zu sagen. Nicht der Norm zu entsprechen ist ein häufiger Aus-löser. Es scheint, als dürfe man heute nur noch jung, schön, erfolgreich, kräftig und gebräunt sein, makellos eben – alle ande-ren sollten sich schämen und etwas tun. Beispielsweise ist krank oder überfordert zu sein, als Mann eine weibliche Seite zu haben, ein behindertes Kind zu bekommen oder Arbeitslos zu sein oft schambesetzt.
Für was schämen Sie sich?Das sag ich nicht (lacht). Trotzdem ein Bei-spiel: ich schämte mich oft im Nachhinein für meine unwirschen Reaktionen, wenn ich ermüdet von der Arbeit nach Hause kam und Ruhe wollte, meine Kinder aber sofort auf mich los stürmten. Ödön von Horvath hat einmal gesagt: «Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich selten dazu».
Interview: Sagita Lehner
Reto Stern: Scham in der Beratung – zum Umgang mit Scham der Coachee im Coachingprozess. Edition Forschung, 2012. 224 S. Fr. 53.90/€39.90. Die Arbeit zeigt Zusammenhänge zwischen Scham und Würde im Beratungskontext Coaching: wo blockiert unerkannte Scham und wie sieht ein konstruktiver Umgang mit ihr aus? Scham spielt sind vor allem bei Führungskräften eine wichtig Rolle.
Gemüseferien weltweitWer sich konsequent fleischlos ernährt, möchte nicht unbedingt in einem Hotel übernachten, wo Kartoffelstock mit Bra-tensosse als Vegi-Menu auf der Karte steht. Eine deutsche Internetseite greift nun den Trend auf und empfiehlt weltweit 300 Hotels und Pensionen, die das Label «konsequent vegetarisch» tragen. Will heissen: In der Kü-che werden weder Fleisch noch Fisch ver-arbeitet. Doch den meisten Gastronomen, die sich auf «VeggieHotels» eintragen lassen, ist das noch nicht genug. Die einen kochen für ihre Gäste mit rein biologischen Zutaten, während die anderen ein Rohkostbuffet an-bieten oder sich auf vegane Küche spezia-lisiert haben. Die teils wunderschön gele-genen Pensionen, stehen selbstverständlich auch Fleischessern offen. SL
www.veggie-hotels.de
Share for food – von Familie zu FamilieMit der Familie gemeinsam zu essen bedeutet, eine Mahlzeit zu teilen. Leider gibt es für viele Familien dieser Welt kaum etwas zu teilen, über eine Milliarde Menschen leiden an Hunger. Nun können Schweizer Familien mit einem Prozent ihres Essensbudget dafür sorgen, dass benachteiligte Familien in Afrika und Asien ebenfalls satt werden. Der «share for food»-Familienbeitrag macht es möglich. In der Schweiz werden durchschnittlich 3600 Franken pro Jahr für
Essen und Trinken ausgegeben. Mit einem Beitrag von 36 Franken pro Erwachsene und 18 Franken pro Kind können Familien den Kampf gegen den Hunger unter-stützen. Die Spendengelder fliessen ungekürzt in den Hilfsfonds des Vereins «swiss share for food coalition». Dieser finanziert nachhaltige Projekte zur Stärkung der lokalen Selbstversorgung von Familien und kleinbäu-erlichen Betrieben in Afrika und Asien.
Das «share for food»-Zeichen gibt Unternehmen die Möglichkeit, sich für die Hungerhilfe zu engagieren. Entsprechend markierte Produkte garantieren, dass ein Prozent des Kaufpreises dem «share for food»-Hilfsfonds zugute kommen. Der Familienbeitrag ist eine Erweiterung dieses Projektes und setzt auf die direkte Solidarität zwischen Familien. Wetten, dass das Essen noch viel besser schmeckt, wenn es nicht nur am eigenen Tisch geteilt wird? MK
Infos und Antragsformular unter: www.shareforfood.ch/familie
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fOndue: weR hat’s eRfunden?Das Fondue? Die Schweizer natürlich, den-ken alle. Doch so eindeutig ist das nicht: Sowohl die Savoyer als auch die Piemonte-ser erheben Anspruch auf unser Nationalge-richt. Und selbst in der Schweiz behaupten mehrere Regionen, sie seien die Fondue-Pi-oniere gewesen. Wer es genau wissen will, dem sei die gut recherchierte Internet-Seite www.ogs-seebach.ch (unter: Gastronomie – Geschichte – Entstehungsgeschichte des Fondues) empfohlen. Hier sind alle Theo-rien aufgelistet. Seebach befindet sich im Kanton Zürich, quasi auf neutralem Boden, und kann unbefangen darüber schreiben.
schweRteR Zu fOnduegabelnWobei auch Zürich mindestens teilweise den Anspruch aufs Fondue erheben könnte. Genau auf der Zürcher Kantonsgrenze, nämlich bei Kappel am Albis, soll anno 1529 eines der ersten grossen Fondue-Es-sen stattgefunden haben. Zumindest etwas Ähnliches. Die Kappeler Milchsuppe wür-den wir heute als Fondue wohl zurück-
weisen. Aber gemeinsam mit Freund und Feind in einem Topf zu rühren und daraus zu essen, hat schon damals für gute Lau-ne gesorgt. Und dadurch den Bruderkrieg zwischen Zürchern und Innerschweizern beendet. Die Schweizer Armee hat den Wert dieser kulinarischen Friedensförde-rung erkannt und das Fondue seit den 1950er-Jahren in den Militärküchen zum Einsatz gebracht. So verbreitete sich das Schmelzkäse-Gericht im ganzen Land und wurde zum Nationalgericht der Schweiz. Der Schuss Kirsch darin sorgte für die gei-stige Landesverteidigung.
die fRibOuRgeR haben es eRfundenUnd wie kam der Kirsch ins Fondue? Man kann sichs denken: Schon unseren Urahnen muss klar gewesen sein, dass die fettige und zäheMasse mit Kirsch viel bekömm-licher ist. Den ältesten schriftlichen Beleg für die Zugabe von Kirsch fanden wir auf Speisekarten von Restaurants in der Stadt
Fribourg aus dem Jahr 1877. Womit wir hiermit beschliessen: Das heute bekannte Fondue mit Käse, Weisswein, Knoblauch und Kirsch haben die Fribourger erfunden. Lorenz Humbel
Der Autor führt die Spezialitätenbrennerei Humbel in dritter Genera-tion und organisiert zwischen dem 14. November und dem 6. Januar ein tägliches, öffentliches Fondue-Essen auf dem Bahnhofplatz in Baden. Bei der «Aarüerete» am 14. November mit dabei: die Neu-Jodlerin Christine Lauterburg. Kontakt: Humbel Speziali-tätenbrennerei, Baumgartenstr. 12, 5608 Stetten,
Tel. 056 496 50 60, www.humbel.ch
Weissklee statt Soja
Der Import von Soja hat in den letz-ten Jahren drastisch zugenommen, auch im Biosektor. Dort hat sich die Importmenge in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt. Dies ist nicht nur aus ökologischer Sicht fragwürdig, sondern scha-det auch dem Image der Knospe-produzenten. Die Alternative, Im-port-Soja durch Weisskleepellets zu ersetzen, wird zurzeit in der Ostschweiz getestet. Weissklee hat einen hohen und stabilen Ei-weissgehalt, ist als Flachwurzler aber anfällig für Trockenheit, wes-halb noch nach einer geeigneten Mischung mit anderen Kleesorten gesucht wird. Kleepflanzen sind als Stickstoffsammler auch ein wertvoller Gründünger. SL
Quelle: bioaktuell
«More than Honey» – wenn Bienen verstummen
«Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus.» Dieser schöne und vielleicht wahre Satz stammt nachweislich nicht von Albert Einstein, obwohl er ihm immer wieder zuge-schrieben wird. In der Tat: Die Honigbiene macht längst nicht nur Honig, als Bestäuber unzähliger Nutzpflanzen gilt sie volkswirtschaftlich gesehen nach Rind und Schwein als drittwichtigstes Nutztier. Und sie verliert langsam ihre Kräfte. Der neue Dokumentarfilm «More than Honey» des Schweizer Regisseurs Mar-kus Imhoof zeigt, wie Bienen einen unentbehrlichen Beitrag an unsere Ernährungskette leisten, erzählt von ihrem Schicksal als Laufbandarbeiter für die indus-trielle Landwirtschaft und geht dem Mysterium des weltweiten Bienensterbens auf den Grund. Der Film ist nicht nur eine Reise zu den Bienen dieser Welt, son-dern auch in die Welt der emsigen Alleskönner selbst. Eindrückliche Makroaufnahmen zeigen die Tierchen beim Pollen abstreichen, beim Wabenbau und beim Fliegen und gewähren Einblicke in die Geburt einer Königin.
Mit «More than Honey» hat sich Markus Imhoof erneut einem Thema mit grosser gesellschaftlicher
Relevanz gewidmet. Seine frühen Dokumentarfilme über das Wohl der Pferde im Militär und über den Gefängnisalltag wurden vor ein paar Jahrzehnten noch verboten. Einen Namen gemacht hat sich der Regisseur insbesondere mit dem Film «Das Boot ist voll» von 1981, einer Geschichte von Flüchtlingen des Zweiten Weltkriegs. Die Hauptdarsteller von «More than Honey», die Bienen, begleiten Imhoof schon ein Leben lang. Als Enkel eines Imkers hat er bereits als Kind gelernt, dass es einen Drittel von dem, was die Menschen essen, ohne Bienen nicht gäbe. An den eifrigen Alleskönnern fasziniert ihn vor allem deren Schwarmintelligenz: Reduktion von Individualität zugunsten des Ganzen.
Egal auf welchen Kontinenten, den Bienen scheint es immer weniger zu gefallen in unserer Welt. «Die Bienen sterben nicht einfach an Pestiziden oder Milben oder Antibiotika oder Inzucht oder Stress: Es ist die Summe von allem», sagt Imhoof. MK
More than Honey: Markus Imhoof. Frenetic Films Zürich, 2012. 94 Min.Kinostart Schweiz: 25. Oktober 2012 (Deutschland: 8. November / Österreich: 12. November)
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62 Zeitpunkt 122
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Zeitpunkt 122 63
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«es hat mich auch schOn angehaucht.»Der Solothurner Fotograf Felix Schönberg glaubt nicht an Gespenster, aber er liebt alte, ver-modernde Gebäude, die man sich als Aufenthaltsort von gequälten Geistern nur zu gut vorstellen kann. Und er musste sie auch schon verlassen, weil die Stimmung nicht mehr auszuhalten war. Begonnen hat seine Leidenschaft vor rund fünfund-zwanzig Jahren mit einem leer stehenden alten Haus in seiner Nachbarschaft, das er mit der analogen Ka-mera fotografierte. Diese Art der Fotografie zwischen Dokumentation und Gestaltung liess ihn nicht mehr los. Mittlerweile hat er schon über 75 Schlösser, Kli-niken, Sanatorien, Industrieruinen, alte Hotels, aber auch einfache, verlassene Wohnhäuser fotografiert, in Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien und der Schweiz.
Bevor es an die konkrete Arbeit geht, muss aus-führlich recherchiert werden. Das Internet ist das zentrale Arbeitsinstrument. Aber auch das Studium alter Bücher oder Postkarten sind fruchtbare Quellen. Dann gibt es auch befreundete Fotografen mit denen man sich austauscht und sich mit Tipps versorgt. Wem gehören die Liegenschaften? Was ist ihre Geschichte? Braucht das Fotografieren eine Bewilligung? – lauter Fragen, die vor der Feldarbeit zu klären sind. Dann geht es über verschlungene Pfade und durch Busch-werk ans Ziel.
Die meist schwere Geschichte der Häuser ist oft noch deutlich spürbar: Riesige psychiatrische Kliniken, in denen Hunderte von Menschen langsam ihrem Lebensende entgegentrauerten; Luxushotels
mit dem vergänglichen Glanz des grossen Geldes oder Schlösser mit vertrackten Familienschicksalen – das alles lebt nicht nur in den Gemäuern, sondern auch in den Bildern. Viele der verfallenden Liegenschaften gehören In-vestoren, die mit ihren Projekten nicht vom Fleck kommen. Entweder fehlt das Geld, unerwartete Hin-dernisse stehen im Weg oder die neue Idee will sich an den alten Orten einfach nicht ausbreiten.
Felix Schönberg arbeitet ausschliesslich mit vor-handenem Licht, setzt verschiedene Belichtungs-techniken ein und bearbeitet die Bilder im digitalen Labor. Sein Anspruch: eine Zeitkapsel zu schaffen, in der man die Stimmung förmlich riechen kann. Seine Leidenschaft teilt er mit zwei Kolleginnen, Madeleine Heinz und Nicole Staniewski. Am aufregendsten ist es allerdings allein – aber auch nicht ungefährlich: Böden könnten wegbrechen, Balken herunterfallen oder alte Seelen ihr Unwesen treiben. Wer weiss. Felix Schönberg kann von seiner Kunst noch nicht leben. Immerhin: In einer ersten Ausstellung 2011 verkaufte er einen grossen Teil der Bilder und hie und da bestellen Besucher seiner Website einen grossformatigen Abzug als fertiges Bild. Sein grösster Wunsch aber wäre das Verlegen eines Fotobuches als Bildband. Er arbeitet nebst Architekturaufträgen als Fotograf hauptsächlich als Sozialarbeiter in der Betreuung von Suchtkranken in einer Fachstelle für soziale Dienstleistungen in Solothurn. Alex von Roll
Kontakt: Felix Schönberg, Tel. 079 599 09 87. www.fotofactum.ch
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zu den Bildern:links: ehem. Heilstätte – Ostdeutschland;
rechts: ehem. Sanatorium – Schweiz; umseitig links: ehem. Fabrikantenvilla – Italien;
umseitg rechts: Schloss – Ostdeutschland, ehem. VEB Bürogebäude – Ostdeutschland,
ehem. Psychiatrische Klinik – Italien
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66 Zeitpunkt 122
deR «weltVagant» der neuen ZeitWerner Zimmermann (1893 – 1982) war ein Pionier der Lebensreform in der Schweiz und Anhänger der Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells. Er begründe-te das Naturisten-Gelände «Die neue Zeit» in Thielle am Neuenburger See, das dieses Jahr sein 75-Jähriges Jubiläum feierte. Das Portrait eines zu we-nig beachteten Vordenkers der neuen Zeit. von Roland Schutzbach
eine Lebensbeschreibung von Werner Zimmermann? Das ist schwer, denn der Mann hat eigentlich mindestens drei Le-ben gelebt: Eines als Weltreisender, eines als unermüdlicher Aktivist in der Heimat
und obendrein ein ungeheuer reiches inneres Leben. Sein Name steht für eine Fülle von Themen:• Die Mystik: die Vereinigung des Menschen mit
Gott, wodurch der göttliche Mensch entsteht• Die Freiwirtschaft: die Befreiung der Gesellschaft
mit wirtschaftlichen Mitteln.• Die Lebensreform: die Nacktheit, der Verzicht auf
Genuss- & Rauschmittel, die Philosophie der Liebe• Die Gründung des Geländes «Die neue Zeit» am
Neuenburger See in der Schweiz• Der Kampf gegen die Atomkraft.
Dies sind nur scheinbar verschiedene Themen, denn alles in Zimmermanns Leben folgt einem hö-heren Zweck: Eine neue Zeit der Freiheit und Liebe philosophisch vorzubereiten und praktisch in Angriff zu nehmen.
Mit 26 macht sich Werner Zimmermann als «Welt-vagant» auf den Weg aus der engen Schweiz in die weite Welt. Seinen Beruf als Lehrer hat er nach sechs Jahren hinter sich gelassen. In Amerika verdingt er sich als Farmarbeiter. Er, der abstinente Asket mit den hohen Ideen, schliesst Freundschaft mit rauen Gesel-len, spielt ihnen nachts in der Bar klassische Musik vor, dass ihnen die Tränen kommen und weiss nicht recht, wo er hingehört. Zurück in der Schweiz hält er Vorträge und schreibt seine Bücher «Weltvagant» und «Lichtwärts». Seine lichtvollen Ideen ziehen Kreise und begeistern. Er ist auf einem goldenen Weg, wie er selbst sagt: «Ich weiss, dass mir alle Dinge zum besten dienen müssen, dass ich den goldenen Faden nie verlieren werde.»
Was für ein Mensch ist Werner Zimmermann? Begeisterungsfähig, intelligent, visionär, willensstark, asketisch, freudig, streng, weich, furchtlos, wissens-durstig, charismatisch, durchtrainiert, humorvoll, ernst, liebessehnsüchtig, konsequent. Er liebt es, hohe Berge zu besteigen: den Mount Shasta in Kali-fornien, wo ihm ein Berglöwe begegnet. Den Popo-catépetl in Mexiko. Den Fujiyama, wo er nachts bei stürmischem Wetter eine mystische Ritual-Handlung durchführt. Auf seinen grossen Reisen verbindet er sich intensiv mit anderen Kulturen. Gandhi, den er persönlich kannte, ist sein grosses Vorbild.
Eduard Fankhauser, ein jugendlicher Freund Zim-mermanns, will dessen Ideen in die Realität umset-zen. 1927 hatte er den «Schweizer Lichtbund» gegrün-det, die Organisation der Naturisten. Die Bewegung, deren Vordenker Zimmermann ist, setzt sich für ve-getarische Ernährung, Tabak- und Alkoholabstinenz, die Pflege des Geistes sowie die Freikörperkultur ein. 1936 kauft Fankhauser das Gelände «Die neue Zeit» in Thielle. Der Aufbau eines Naturisten-Geländes in
Zusammenarbeit mit Eduard und dessen Frau Elsi wurde für Werner zu einem Lebensprojekt.
Werner Zimmermann war gleichzeitig ein suchen-der und ein findender Mensch. Sein Hauptwerk «Ich
Der abstinente Asket mit den hohen Ideen schliesst in den USA Freundschaft mit rauen Gesellen, spielt ihnen nachts in der Bar klassische Musik vor, dass ihnen die Tränen kommen und weiss nicht recht, wo er hingehört.
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bin» zeugt von breiter philosophischer und theolo-gischer Bildung. Seine eigentliche Domäne ist aber nicht die Theorie, sondern Lebendige Philosophie – eine existenzielle Form des Philosophierens. Sie blüht nicht hauptsächlich in Büchern, sondern im täglichen Leben, in Gesprächen, in der Gesellschaft. Die antiken Philosophen lebten ihre Lehre: Diogenes in seiner Tonne, Epikur in seinem Garten, Pythagoras mit seinen göttlichen Zahlen. Der amerikanische Na-turphilosoph Henry David Thoreau zog in den Wald, um ganz auf sich gestellt existentielle Erfahrungen zu machen. In seinem Kultbuch «Walden» schrieb er: «Ich zog in die Wälder, weil ich bewusst leben, mich nur mit den wesentlichen Dingen des Lebens ausein-andersetzen wollte (…) um nicht auf dem Sterbebett einsehen zu müssen, dass ich nicht gelebt hatte.»
Lebendige Philosophie ist Wesensschau von innen. Werner Zimmermann schreibt über sie: «Auf geistigen Gebieten kann vom einzelnen Menschen nur das als Wahrheit betrachtet werden, was in sei-nem besten Innersten als solche empfunden, erlebt wird. Wirklicher Beweis liegt innen, nicht aussen.» Le-bendige Philosophie bezieht das Persönliche mit ein. Wie jeder andere, erschafft sich auch der Philosoph seine eigene Welt. Es ist besser, sich dessen bewusst zu sein, anstatt Objektivität vorzutäuschen.
Werner Zimmermann war ein wichtiger Vorreiter dieser Richtung. Seine kosmopolitische, mystische und freiheitsliebende Weltsicht inspiriert bis heute. Ich nenne Zimmermann deshalb einen Pionier der neuen Zeit. Welcher neuen Zeit? Spätestens seit 2011 scheinen sich die politischen Ereignisse zu überschla-gen. Europa schlittert von einer finanziellen Notsitu-ation in die nächste. Die arabische Welt, aber auch europäische Staaten wie Spanien werden von demo-kratischen Bewegungen in Atem gehalten. Im Okto-ber 2011 werden die Finanzzentren «okkupiert»…
Zur selben Zeit formieren sich in den USA 13 «Wei-se», um eine Botschaft an die Menschheit zu richten, darunter Neale Donald Walsch, der Autor der «Ge-spräche mit Gott». Diese Gruppe interpretiert das Jahr 2012 mit seinen angekündigten grossen Veränderungen als «Geburt». Der Arzt und Bestseller-Autor Deepak Chopra sammelt währenddessen rund 60 «Evolutio-nary Leaders» um sich, die gemeinsam an der Evo-lution des Bewusstseins arbeiten. Während sich die Wall Street-Proteste gegen die Profitorientierung der Grossbanken richten, interpretieren spirituelle Lehrer das Geschehen von höherer Warte aus: Sie wollen nicht Protest, sondern Vision und Einheit. Mich interessiert vor allem, wann dieses neue Bewusstsein den Main-stream erreicht. Wann werden die Politiker menschlich, die Banken grosszügig, die Unternehmen visionär? Ich glaube, der Zeitpunkt ist jetzt gekommen.
Der Aufbruch in eine neue Zeit braucht heraus-ragende Persönlichkeiten. Um das Wort «Führer» zu vermeiden, nenne ich sie in der indianischen Tradition gern «Älteste». Diese geben ihrem Stamm Orientierung aus einem spirituellen Verständnis he-raus. Ein solcher Ältester war Werner Zimmermann, der nach einem langen, erfüllten Leben 1982 starb. Er ging uns in vielem voraus, weil er auf die we-sentlichen Dinge hingewiesen hat, weil er sie gelebt hat und kompromisslos «das Höchste forderte». Er begnügte sich nicht mit der Vision, sondern wollte sie auf die Erde bringen. Sonst hätte er sich nicht z.B. mit der Wirtschaftstheorie Silvio Gesells befasst, die eine umfassende Reform der Gesellschaft anstrebt.
Welches wären die Merkmale einer neuen Zeit, in der wir gern leben würden? Das Lachen, die Le-bensfreude, die Liebe, die Inspiration, die Kunst, die Verbundenheit. Werner Zimmermann stand all dem nahe, was u.a. dieses Zitat belegt: «Lebe fröhlich drauflos, wie ein Baum blüht, ohne zu denken, ob jemand Nutzen davon habe! Dann erst wirst du Sonne strahlen auch den anderen.»
Dr. Roland Schutzbach ist studierter Philosoph, praktizierender Narrosoph und u.a. Autor der Broschüre «Werner Zimmermann – Pionier der neuen Zeit». (80 S., Fr. 12.–), aus der dieser gekürzte Ausschnitt stammt.Bestellungen: Roland Schutzbach, Seestrandweg 111, 3235 Erlach oder unter: www.is.gd/lwX1sx
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fRankOskOpChance Westschweiz von Ernst Schmitter
Die Frau ist verschwunden, aber zum Glück nicht vergessen! Zur Information für jüngere Le-serinnen und Leser, für ältere zur Erinnerung: Die Jurassierin Isabelle von Allmen, Jahrgang 1950, hat in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Frankreich eine fulminante Bühnenkarriere gemacht. Am ein-dringlichsten wirkte sie, wenn sie als Zouc allein auf
der Bühne stand, korpu-lent, in flachen Schuhen, mit fettigem, strähnigem Haar, ganz schwarz geklei-det. Sie verwandelte sich in eineinhalb Stunden in zahlreiche sehr verschie-dene Personen, brachte das französische Publikum mit ihrem schleppenden Jura-Akzent zum Lachen und beeindruckte alle mit einer einmalig ausdrucks-vollen Gestik und Mimik. Um sich auf Youtube ihre Nummer «Le téléphone»
anzusehen, muss man fast kein Französisch verste-hen: Eine Frau von Allmen im Jura bekommt kurz vor Mittag einen Anruf der Dorforganistin. Gegen deren Redeschwall kommt sie kaum zu Wort. Erst nach sieben endlosen Minuten kann sie das «Gespräch» abbrechen. Das Gelächter im Publikum ist nicht ein-gespielt, sondern echt; und beim Zuschauen vor dem Bildschirm lacht man unwillkürlich schallend mit. http://is.gd/mfWY9Q.
Man bemerkte ihr Verschwinden zuerst nicht; aber plötzlich war es klar. Zouc erschien nicht mehr in der Öffentlichkeit und in den Medien. Sie trat nicht mehr auf, war nirgends mehr zu sehen und zu hö-ren. Warum? War sie gestorben? Lebte sie noch? Des Rätsels Lösung: 1997 hatte sie nach einer Operation eine lebensgefährliche Krankenhausinfektion erlitten. Zwar überlebte sie schliesslich; aber sie ist heute schwer atembehindert und wird wohl nie mehr auf einer Bühne zu sehen sein. Einem Journalisten ver-traute sie 2006 an, sie entdecke gegenwärtig alles neu, wie wenn sie eben erst zur Welt gekommen wäre.
Sie erzählte ihm auch von ihrem Bedürfnis, in der Erinnerung der anderen zu existieren.
Zouc ist unvergessen, weil sie unvergesslich ist. Das bezeugt gerade jetzt die junge jurassische Thea-tertruppe Extrapol. Mit ihrem Stück «Z. forfait illimi-té» zieht sie bis zum 16. Dezember durch die West-schweiz. Das Thema des Stücks ist die Beziehung junger Menschen zu dem, was sie nie gekannt haben, was aber als Erinnerung für ältere Menschen noch existiert, zum Beispiel der jurassische Befreiungs-kampf, die 3,5-Zoll-Diskette, die Usego-Läden oder eben die unvergessliche Zouc. www.extrapol.ch.
* * *
Ganz nah und doch so anders als bei uns. So kann man Genf erleben. Es gibt da so viel Un-verwechselbares, dass man sich dafür ein wenig Zeit nehmen sollte. Für einmal lässt man Jet d’eau, Altstadt und Reformationsdenkmal links liegen und beginnt zum Beispiel einen herbstlichen Nachmit-tagsspaziergang auf der Place Neuve, vor dem Grand Théâtre. Nicht weit vom Theater entfernt steht die grosse Synagoge, die einen kurzen Besuch lohnt. Sie gehört zu Genfs geschützten Baudenkmälern. Dann bummelt man Richtung Plaine de Plainpalais, einer grossen unüberbauten Fläche, auf der mittwochs und samstags ein grosser Flohmarkt stattfindet.
Wer das französische Chanson gegen alle Trends immer noch liebt, sollte sich diese Adresse in Plainpa-lais merken: Rue des Savoises 9bis. Dort findet jeden Freitag Abend ein so genanntes Café-Concert statt. Das Café-Concert oder caf’conc ist eine Erfindung aus dem Paris des 19. Jahrhunderts. Wer damals nicht ins Theater oder Konzert gehen mochte, konnte sich in einem Café einige Chansons anhören und dazu etwas trinken. Später, in den verrückten Zwanzigerjahren, ist das Café-Concert durch seine jüngere Schwester, die Music Hall, verdrängt worden. Aber die fast ver-gessene Tradition lebt heute im Café-Concert des Savoises wieder auf. Essen wird ab 19 Uhr serviert. Der Eintritt zum Konzert, das um 21 Uhr beginnt, ist frei. Am Schluss gibt es einen «Chapeau» (Kollekte). www.resto-savoises.org.
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Zeitpunkt 122 69
Durch den Stadtteil Plainpalais führte vor 150 Jah-ren die erste Tramlinie der Schweiz. Sie verband die Place Neuve mit Carouge. Man nannte das neue Transportmittel noch nicht Tram, sondern «Chemin de fer américain». Es war eine von Pferden gezogene Strassenbahn auf Normalspur. Es lohnt sich, heute das Tram Nummer 12 Richtung Carouge für einmal nicht zu nehmen und sich in Plainpalais noch ein we-nig umzusehen. Zum Beispiel an der Tramhaltestelle Plainpalais. Nicht erschrecken! Einige Passagiere, die hier stehen oder sitzen, sind aus Bronze. Zweihundert Meter weiter, in der Rue de Carouge, befinden sich «Les Recyclables». Das ist gleichzeitig ein Buchanti-quariat und ein Café. Man kann im gleichen Raum in Büchern schmökern, essen und trinken. Ganz in der Nähe befinden sich die imposante Uni Mail und das Hochhaus des Westschweizer Fernsehens. Die Uni Mail beherbergt übrigens eine der ältesten Dolmetscherschulen der Welt.
Man überquert eine Brücke, und plötzlich wirken Strassen und Gebäude südländisch. Wir sind in Ca-rouge, einer Stadt, die Viktor Amadeus III., Herzog von Savoyen und König von Sardinien, im 18. Jahr-hundert als katholische Konkurrenzstadt zum prote-stantischen Genf bauen liess. Wenn man nicht extra für einen Besuch des berühmten Théâtre de Carouge hergekommen ist, wird man seinen kurzen Ausflug in den Süden in einem der zahlreichen Bistros und Strassencafés in der Nähe der Place du Marché ab-schliessen, bevor man mit dem Tram wieder in den Norden zurückfährt.
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Kann man sich einen Sportbetrieb ohne brutalen Erfolgszwang, ohne Doping und Korruption vorstellen? Der berühmte französische Sportkritiker Fabien Ollier gibt in einem kürzlich erschienenen Artikel seine persönliche Antwort auf diese Frage:
Wer glaubt, man könne den heutigen Sportbetrieb mit Reformen moralischer, spielerischer, kooperativer gestalten, macht sich grausame Illusionen. Der Sport – Ollier meint vor allem den Spitzensport – ist mit dem olympischen Motto «Schneller, höher, stärker!» zu einem Abbild, ja zu einem Teil der globalisier-ten Wachstumswirtschaft geworden, die sich ja auch nicht mit einigen gut gemeinten Massnahmen einfach so humanisieren lässt. Sport ist ein undurchsichtiges Riesengeschäft, ein multinationaler Finanzkrake, eine Schule für Egoismus, Unhöflichkeit, Betrug und Na-tionalismus. Eine langfristig angelegte Radikalkritik zum Beispiel des Internationalen Olympischen Komi-tees, das seinen Sitz in Lausanne hat, wäre demnach eine lohnende Aufgabe für schweizerische Wachs-tumskritiker, meint der Autor.
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Geplant, gewagt, gewonnen! Der oben erwähnte Artikel findet sich in der ersten schweizerischen Dé-croissance-Zeitschrift, die kürzlich gestartet ist. Sie heisst «Moins!», erscheint zweimonatlich und wird in Lausanne produziert. Die erste Nummer ist so gut gelungen, dass es nur eines gibt: Abonnieren! Den Abonnementspreis bestimmen die Abonnen-tinnen und Abonnenten, wie beim ‹Zeitpunkt›, selber. «Moins!» ist werbefrei und wird ausschliesslich durch unbezahlte Freiwillige gemacht. Dennoch wirkt das Heft professionell und bietet auf 32 Seiten eine Fülle von Informationen, Hintergrundbeiträgen, Kommentaren und Hinweisen. Wenn die Zeitschrift genügend Abonnemente verkaufen kann, wird sie für schweizerische Wachstumsverweigernde vielleicht schon bald zu einem unentbehr-lichen Medium werden. www.achetezmoins.ch.
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70 Zeitpunkt 122
wO VeRändeRung beginnt von Markus Höning
wie ist es möglich, dass einleuchtende politische, soziale und ökonomische Zu-kunftskonzepte trotz unmenschlicher Zustände auf so wenig fruchtbaren Bo-den fallen? Muss sich das fähige und doch zerbrechliche Wesen Mensch grundsätzlich entscheiden, wie es mit seinen paradie-sischen Ursehnsüchten und seinem Gefähr-det-Sein umgehen will: vertrauensvoll oder ängstlich, mit Zuversicht oder doch eher mit Macht und Gewalt, in Verbundenheit mit Andern oder in Konkurrenz?
Jeder Mensch hat seinen ureigenen Weg, in Freude zu leben – bei allem Schmerz, der zum menschlichen Leben in seiner Begrenzt-heit gehört. Allen diesen Wegen ist gemein, dass sie in einer von Ablehnung und Ausgren-zung beherrschten Welt gegangen werden, einem das Leben verneinenden System.
Wer dieses «System des Neins zum Le-ben» ändern will, muss zuerst verstehen, warum wir nicht nur Nein zum Verhalten eines Menschen sagen, sondern gleich zur ganzen Person und warum wir uns über-haupt gegen Menschen entscheiden, seien dies Dritte oder wir selber.
An der Wurzel dieser Ablehnung liegt die Angst, die erlernte Angst nicht genug zu haben, nicht genug zu sein, nicht zu genügen. Diese Angst stellt sich unweiger-lich ein, wenn unser Empfinden als Kind nicht bestätigt wird und ein Widerspruch zwischen der eigenen Wahrheit und dem verneinenden Verhalten der Umwelt ent-steht. Dann erscheint das ganze «Projekt», als Mensch in der Welt zu sein, undurch-sichtig und gefährlich. Der kleine Mensch fragt sich dann: Was stimmt nicht mit mir, dass ich so anders wahrnehme als die ande-ren? Was stimmt nicht mit der Welt, dass sie so anders wahrnimmt als ich? Was stimmt nicht mit diesem Leben, in dem so etwas möglich ist?
Je mehr diese eigene Wahrnehmung von der Familie, der Schule und der Gesell-schaft abgelehnt wird, desto konsequenter bekämpfen wir dieses Andere in uns – und
später auch in anderen. In einem solchen System des Neins zu leben, bedeutet, nur mit dem familiär und gesellschaftlich annehm-baren Teil der eigenen Person angenommen zu sein, also den nicht angenommenen Teil zu verbergen und ihn zu bekämpfen – bei sich und den anderen.
Der teilangenommene Mensch, der Mensch des Neins lebt in der Not, sein abgetrenntes, isoliertes und deshalb zer-brechliches Dasein mit aller Macht zu erhal-ten, und zwar letztlich bedingungslos, mit allen Graden der Abgrenzung, des Besser-Sein-Wollens, bis hin zur Ausbeutung und Vernichtung der als nichtvertrauenswürdig erlebten Anderen. Der Mensch des 21. Jahr-hunderts steht vor einer Grundentscheidung: Entweder es gelingt ihm, das Andere in sich und den anderen anzunehmen – letztlich bedingungslos –, oder er wird das Andere in sich und den anderen weiterhin ablehnen und bekämpfen müssen, und zwar im Zwei-felsfall nicht weniger bedingungslos – mit den absehbar katastrophalen Folgen.
Wir fassen zusammen: Was auf der Ebene der Gesellschaften das friedliche, freudvolle und schöpferische Miteinanderleben verhin-dert und immer stärkeren Druck ausübt, verhindert auf der Ebene des Einzelnen dessen Existenz. Sich auf individueller und gesellschaftlicher Ebene wechselseitig er-haltend und verstärkend, kann das System des Neins jedoch nur solange Unheil und Vernichtung produzieren, wie es Menschen findet, die die Verneinung bei sich und an-deren praktizieren.
Daraus schliessen wir: Wer sein Gegen-über in erster Linie als gleichwürdiges Du statt als Objekt eigener Bedürfnisse zu be-handeln vermag, kann dies nur, wenn er dessen einzigartiges Leben ungeteilt bejaht, was kaum vorstellbar ist ohne das unge-teilte Ja zum eigenen einzigartigen Leben. Bildet das Verhältnis jedes Menschen zu sich selbst unweigerlich den Massstab für alle anderen Verhältnisse zur Welt, könnte eine grundlegende Aufgabe für Menschen,
die zu einer freudvolleren und friedlicheren Welt beitragen wollen, darin bestehen, ihr Grundverhältnis zu sich selbst von Zweifeln und Misstrauen zu klären.
Dies könnte bedeuten, sich auch im Engagement für eine bessere Welt mehr in den Wegen des Ja zu üben und weniger auf Strategien der Überlegenheit und Durchsetzung zu spekulieren, seien sie noch so moralisch oder demokratisch. Wir könnten versuchen, jedem Vertreter der Gegenseite als einem mit uns verbundenen Mitmenschen zu begegnen, dessen unan-genehme Verhaltensweisen vielleicht ent-fernte Ähnlichkeiten mit unseren eigenen ungeliebten Seiten aufweisen. Wir könnten versuchen, in unangenehmen Lebenssituati-onen zuerst uns selber anzunehmen, bevor wir sie und uns zu verändern suchen (Herz-weg). Wir könnten versuchen, Gegenpositi-onen immer gleichberechtigt mitzudenken und diesen Gegensatz in uns auszuhalten (Denkweg). Dies würde viel Mut und Ge-duld erfordern, allerdings könnten wir so mindestens uns und unsere Mittel mit der friedvollen und freudvollen Farbe unserer hehren Ziele durchdringen.
Kurz: Wir könnten uns als die Menschen akzeptieren, die wir waren und immer noch sind, und damit zu den Menschen werden, die wir sein können. Wir könnten die anderen als die Menschen akzeptieren, die sie waren und sind, und ihnen damit helfen, die Menschen zu werden, die sie sein können. All dies uns selbst, unseren Mitmenschen und der Gemeinschaft allen Lebens zur Freude. Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir?
Dr. Markus Höning hat Wirtschaftswissenschaften studiert, in strategischer Unternehmensführung promoviert und in diesem Bereich gearbeitet. Nach einer philosophisch-therapeutischen Ausbildung (v.a. Existenzanalyse, Logotherapie nach Viktor Frankl und Existenzielle Begleitung nach Susanne Rütter) Beschäftigung mit Grundlagen des Menschseins. Markus Höning unterrichtet an einer Schule für Hotellerie und Gastronomie und begleitet Menschen auf ihrem Weg, die zu werden, die sie sind und sein können. Er lebt vor allem im Schwarzwald und der Ostschweiz. m.hoening@gmx.de.
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Zeitpunkt 122 71
Die gute Adresse für sanften Tourismus
La Gomera Travel ServiceLas Cabezadas No. 3E-38820 HermiguaTel. & Fax 034 922 14 41 00www.travel-gomera.com
La Gomera – eine pfiffige InselWir vermitteln Ferienunterkünfte an den schönsten Plätzen La Gomeras und die günstigsten Miet-wagen der Insel. Die Unterkünfte sind handverlesen, wir kennen alle Vermieter persönlich, ebenso die Anbieter der Mietwagen. Planen Sie Ihren Urlaub auf der schönsten kanarischen Insel mit uns – individuell und mit unserem persönlichen Engagement !
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Das Eco-hotel Cristallina liegt im Grünen und bietet den idealen Ausgangspunkt für Wande-rungen im Maggiatal. In fünf Minuten erreicht man zu Fuss schöne Strände am Fluss Maggia. ■ Das Cristallina wird nach ökologischen Prinzipien geführt, garantiert Qualität des Ambiente und Achtung vor natürlichen Ressourcen. Es fördert damit einen nachhaltigen Tourismus. ■ Das Restaurant-Pizzeria bietet Naturkost an, die Produkte von möglichst regionaler, saisonaler und biologischer Herkunft benützt. Besonderen Wert legen wir auf die vegetarische Küche.
orbis reisen Poststrasse 16, 9001 St.GallenTel. 071 222 21 33 / Fax 071 222 23 24 info@orbis-reisen.chwww.orbis-reisen.ch
Religion und Kultur Seit 50 Jahren organisieren wir Pilgerfahrten und Kultur-Reisen. Wir sind der einzige Anbieter von Direktflügen Zürich-Lourdes-Zürich. Mit Begleitung von Redemptoristen-Patres. Unsere Reise-palette bietet u.a. Malta, Jordanien, Heiliges Land, Rom, Türkei, Portugal. Alles auf kirchlicher, gemischter oder rein kultureller Basis. orbis-Spezialität: Organisation von Pfarrei-Reisen.
Hotel MacunBarbara & Georg Freimann Janett7559 TschlinTel. 081 866 32 70 / 079 705 44 21info@hotelmacun.ch
Hotel Restorant Macun in Tschlin /GR Georg und Barbara Freimann Janett heissen Sie herzlich willkommen im Hotel Restorant Macun. Geniessen Sie die Ruhe im sonnenverwöhnten Engadiner Dorf, lassen Sie sich verwöhnen und kosten Sie typische Spezialitäten, die es so nur in Tschlin gibt! Sieben individuelle Zimmer warten auf ebenso individuelle Gäste.
Auberge la PlaineMourier, La PlaineF-26400 ChabrillanTel. 033 475 62 82 69www.aubergelaplaine.ch
Der Reiz der DrômeAm einzigen unverbauten Fluss Europas gelegen, in direkter Nähe zum Naturreservat «Les Ramières», bietet unser Hotel eine idyllische Atmosphäre für Seminare aller Art. Das Innere des charmanten historischen Gemäuers lässt Komfort-gewohnte Besucherinnen und Besucher nichts missen. Auch unsere Küche sorgt mit regionalen Leckereien der Saison dafür, dass keine Wünsche offen bleiben.
HängemattenparadiesHofstettenstrasse 7, 3600 ThunTel. 033 437 00 67www.haengemattenparadies.ch
Die grösste Auswahl der schönsten Hängemattenfinden sie in unserem Laden in Thun. Auf über 100 m2 Hängematten testen und auslesen (spezielle Öffnungszeiten). Wir produzieren u.a. mit einer Kooperative in Guatemala und auch der Öko-Bambus-Arco ist unsere Entwicklung. 30 Jahre Arbeit mit Hängematten. Unsere Erfahrung ist Ihr Profit. FAIR & GUT!
Reisen auf PilgerwegenChristine Dettli Brunnweg 44143 Dornachwww.pilgerwege.org
In der Stille der Wüste – Reisen zu inneren und äusseren Kraftquellen• Meditatives Kameltrekking – Innehalten und einfach Sein • Visionssuche in der Wüste – Neuorientierung und Sinnfindung Der Mutter Erde anvertraut, den endlosen Himmel mit seinen nächtlichen Sternen über uns, begeben wir uns auf den Weg in unser inneres Selbst.
Seminar Hotel Wasserfallen 4418 Reigoldswil Tel. 061 941 20 60www.hotel-wasserfallen.ch
Der ruhige Ort für die besonderen Momente im Leben. Geniessen Sie die Landschaft, die Ruhe, die Natur, das Leben in unserem gemütlichen Haus auf der Baselbieter Sonnenterrasse. Lernen – Tagen – Feiern – Sein. Ob Seminar, Wanderwochenende oder Auszeit – hier finden Sie was Ihnen gut tut: www.hotel-wasserfallen.ch.
Ayurveda-Pension Le CoconJ. Wäfler und M. DürstRue de la Combe-Grède 33, 2613 VilleretTel. 032 941 61 63mail@lecocon.ch, www.lecocon.ch
Ayurveda-Kuren im JuraLe Cocon, die kleine Kurpension mit familiärer Atmosphäre, ist ein idealer Ort zur Erholung.Mit ayurvedischen Massagen, Anwendungen und naturärztlicher Beratung sowie mit einer schmackhaften Ayurvedaküche unterstützen wir unsere Gäste, so dass sich Körper, Geist und Seele regenerieren können.Unser Name zeigt unsere Zielsetzung: Le Cocon – von der Raupe zum Schmetterling.
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72 Zeitpunkt 122
deR wald kämpft weiteR – 25 Jahre WaldhandschriftDie Waldhandschrift ist ein quasi un-sichtbares Phänomen. Rund 100, zum Teil bedeutende Autoren wie Adolf Muschg, Eveline Hasler oder Franz Hohler, steuerten Texte bei, die von Scriptoren zu Pergament gebracht und wunderbar gebunden wurden. Vor 25 Jahren trat die Waldhandschrift von ihrer Heimat, der Stiftsbibliothek St. Gallen aus, ihre Reise zu Dutzenden von Ausstel-lungen und Bibliotheken in ganz Europa an, wo sie von Tausenden von Menschen bewundert und gelesen wurde. Inwiefern sie zur Heilung des sterbenden Waldes bei-getragen hat, wissen wir nicht. Auf alle Fälle konnte 2002 die damalige deutsche Umwelt-ministerin Renate Kühnast das Waldsterben offiziell für beendet erklären. Der Wald hat gewissermassen die Intensivstation verlas-sen.
Aber er ist immer noch im Spital. Da waren sich die Teilnehmer eines Podiums einig, die sich an der 25-Jahr-Feier der Waldhandschrift vom 15. September in St. Gallen über den Wald Gedanken machten. Die ehemalige grüne Nationalrätin Pia Hol-lenstein, Leiterin einer Ausbildungsstätte für Pflegeberufe, sieht den Wald in der Pflege-abteilung, ein Ort, wo hohe Sensibilität und Aufmerksamkeit für die Ressourcen nötig sind. Ähnlich die Diagnose der Umweltak-tivistin und St. Galler Stadtparlamentarierin Cecile Federer: chronisch krank. Für Lukas
Straumann von der Bruno Manser-Stiftung ist das Waldsterben in Europa zu einem «Waldmord» in den Tropen geworden. Ge-mäss Interpol habe der illegale Holzhan-del die Dimension des Drogenhandels er-reicht. Für ihn gehört der Wald deshalb in die gerichtsmedizinische Abteilung. Sabi-ne Augustin, Expertin der Abteilung Wald im Bundesamt für Umwelt, stellte fest, der Wald wachse heute viel stärker als früher, u.a. aufgrund eines Stickstoffeintrags, der den landwirtschaftlichen Düngermengen der 50er Jahre entspricht. Sie würde den Wald in die Abteilung für Dauergestresste verlegen und unter Beobachtung stellen. Der Förster Christian Trionfini konstatierte ein eindeutiges Flächenwachstum und auch eine Zunahme der Durchmischung. Um Siedlungsfläche zu gewinnen, seien die Chirurgen der Politik aber bestrebt, die Waldflächen wieder zu reduzieren. Drin-genden Handlungsbedarf zugunsten der einheimischen Wälder sehen alle fünf Ex-perten nicht, wohl aber die Notwendigkeit einer Änderung der Konsumgewohnheiten (Palmöl!) und eine verstärkte Einmischung zum Schutz der Regenwälder. Labels wie die des «Forest Stewardship Councils» FSC oder zur Kennzeichnung «nachhaltigen» Palmöls genügten dazu bei weitem nicht. Der Initiant der Waldhandschrift, der ökologisch engagierte Experte für
alte Handschriften, Beat von Scarpatetti, mahnte in eindringlichen Worten daran, dass nur eigene Beobachtung der Bäume und Pflanzen erkennen lässt, wie es ihm wirklich gehe. Weder High-Tech-Labor-Ana-lysen, noch technologische Massnahmen könnten für sich allein dem Wald Gutes tun. Auch der sog. Laie könne heute viele eindeutige Phänomene erkennen: müde hängendes Blattwerk (besonders bei den Birken), Lammettagehänge bei den Tannen, Kronenverlichtung, verdorrte Flecken in den Baumkronen. Trotzdem kämpfe der Wald seit Jahrzehnten mit staunenswerter Resi-stenz weiter! Beim Wald-Codex symbolisiert das Hand-schriftliche die Eigenverantwortung jedes Menschen, das Abschreiben die vertiefen-de Langsamkeit. Der Verzicht auf Druck, Fotographie oder Scan steht für die Absage an schnellen Besitz, an technisch-mechani-stische Lösungsmodelle. Die märchenhaften Miniaturen, Initialen, Bordüren, Schriften verschiedener Stile versinnbildlichen die Einmaligkeit und Schönheit von Baum, Wald und Natur Jede Frau, jeder Mann darf die Texte der Waldhandschrift abschreiben, mit eigener Hand. CP
Die Waldhandschrift, 1987 auf dem Rütli mit einer markanten Rede von Adolf Muschg der Schweiz übergeben, wird treuhän-derisch verwahrt von der Stiftsbibliothek St. Gallen und ist dort frei einsehbar.
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Zeitpunkt 122 73
Die gute Adresse für sanften Tourismus
Hitsch-HuusDinner | Bed | BreakfastAlte Kirchgasse 17215 FanasTel. 081 325 14 19 / Fax 081 325 32 44info@hitschhuus.ch / www.hitschhuus.ch
Ein Haus zum SEIN, Entspannen und Wohlfühlen.Kleines individuelles Hotel mit Charme für Gäste, die das etwas Andere suchen. Wir führen unseren Betrieb nach ökologischen Kriterien, was nicht Strohmatratze heissen muss, sondern Hüs-ler-Nest ist. Auch nicht Chörnlipickerei, sondern regionale und saisonale Frischküche. Wir leben eine echte, herzliche und unkomplizierte Gastfreundschaft.
Casa Santo Stefano Hotel und Seminarhaus 6986 Miglieglia Tel. 091 609 19 35 info@casa-santo-stefano.ch www.casa-santo-stefano.ch
Eine spezielle Atmosphäre erwartet Sie in zwei typischen, stilvoll renovierten Tessinerhäusern aus dem 18. Jh. Hier entspannen Sie sich in gepflegten Räumen (15 individuelle Zimmer, nach Trauben oder Kräutern benannt), in hellen Loggias oder an offenen Kaminen. Eine herrliche Terrasse lädt zum Verweilen ein. Das reichhaltige Frühstück – selbstgebackenes Brot, Zopf und andere Lecke-reien – wird in der Tessinerküche serviert. Gelegen am Fusse des Mte. Lema (Gondelbahn), inmit-ten eines wildromantischen Wandergebietes, bieten sich Ihnen vielfältige Freizeitmöglichkeiten.
Château de Promenois Dorothea & Georg FankhauserTel. 078 633 61 03dorothea.fankhauser@gmail.comwww.dorotheafankhauser.ch
Der ideale Rahmen für Ihre Kunst- oder SeminarwocheSeit über 20 Jahren werden in unserem sorgfältig renovierten, komfortablen und gepflegten Schloss mit Park im Burgund Musikwochen, Malkurse und kleine Seminare und Klausurtagungen für maximal 15 Personen durchgeführt. In unserer Küche legen wir Wert auf abwechslungsreichen Genuss aus biologische Produkte und Gemüse aus dem eigenen Garten. Gerne besprechen wir mit Ihnen Ihr Kursvorhaben für 2013.
Die gute Adresse zur Horizonterweiterung
Ausbildungsinstitut perspectivaAuberg 9, 4051 Baselinfo@perspectiva.chwww.perspectiva.ch
Perspektiven finden - Kompetenzen erweiternWeil wir davon überzeugt sind, dass es möglich ist, friedvoller mit sich selbst und mit anderen zu leben, bieten wir Seminare und Weiterbildungen an, die dazu beitragen: Gewaltfreie Kommunikati-on, Mediation als Konfliktlösung, Integrative Friedensarbeit, Lösungsfokussierung und Systemische Strukturaufstellungen, Gruppen leiten.
Raum für Bewusst SeinAhlaad Piwnik & Mallika Geier Hardturmstrasse 124, 8005 Zürich Tel. 044 586 47 27, www.rfbs.ch
Ruhe und Frieden als urbanes Lebensgefühl entdecken
Dogmenfreie Meditations- und Bewusstseinskurse «Beeing in Love», Beziehungskurse für Paare
Spiritual Coachings für eine tiefgehende Transformation Spirituelle Jahresausbildung, Matrixarbeit
und Seminare.
PädagoSchaffhausenTel. 052 624 97 11easael@paedago.chwww.paedago.ch
«Selbstvertrauen aufbauen»Das Pädago ist eine kleine, private Schule. Hier können Eltern ihre Kinder für die Bewältigung spezieller, schulischer Herausforderungen anmelden. Das Pädago arbeitet mit allen schulischen Institutionen zusammen.
Eutonie-SchuleZinggstrasse 16, 3007 Bern Tel. 022 362 79 28 info@eutonie-formation.ch www.eutonie-ausbildung.ch
Körpererfahrung • Selbsterkenntnis • Bewusstseinsentwicklung
Eine pädagogische, therapeutische und künstlerische Ausbildung, die berufsbegleitend über vier Jahre zu einem vom Schweizerischen Berufsverband für Eutonie Gerda Alexander® anerkannten Diplom führt.
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aber die Anregungen dazu!
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Kurzmitteilungen
Sie ist schöner und jünger als der Zeit-punkt und hat mehr Anzeigen – Gründe genug, als Verleger neidisch zu werden auf «Transhelvetica – das Schweizer Magazin für Reisekultur». Aber ich bin es nicht. Ich freue mich vielmehr, dass es dem Herausgeber Jon Bollmann, von Haus aus Jurist, gelungen ist, ein an-
regendes Magazin über die vielfältigen Entdeckungen vor unserer Haustüre zu lancieren. Transhelvetica ist nicht kritisch, aber es zeigt den kritischen Zeitgenossen all die wunderbaren Orte, die ihr Leben rund und voll machen – Naturschauspiele, der Globalisierungswüste abgetrotzte Oa-sen und die vielen Inseln, in denen das
bessere Leben nicht nur geträumt, son-dern gelebt wird. Eine Aboempfehlung ohne Einschränkung! CP
Transhelvetica erscheint sechs Mal jährlich, jeweils Mitte der geraden Monate, kostet Fr. 10.– und Fr. 50.– im Abo. www.transhelvetica.ch
Die Schweiz, wie sie sein müsste – und ist
meilenstein: 50 jahRe findhORnVor 50 Jahren wurde die Findhorn-Community gegründet und vor 25 Jahren nahm mein Leben dort eine Wende – aber dazu hätte ich gar nicht hinfahren müssen.
Doch alles schön der Reihe nach: Die Geschichte von Findhorn beginnt 1962 mit der Entlassung von Peter und Eileen Caddy, die das abgewirtschaftete Cluny Hill Hotel im schottischen Forres in der Nähe von Inverness zu neuer Blüte führten und sich mit den Eigentümern überwarfen. Peter (1917 bis 1994), ein Rosenkreuzer, diente 15 Jahre lang als Versorgungsoffizier im Rang eines Majors in der englischen Luftwaffe. Eileen (1917 bis 2006), Tochter eines englischen Bankers in Ägypten, war spiritistisch veranlagt. Zusam-men mit ihrer Familie und der Hotelsekretärin Dorothy McLean (*1920), zogen sie am 17. November 1962 in einen Caravanpark in den Dünen des nahe gelegenen Fischerdörfchens Findhorn. Die drei hatten herausragende, zum Teil ungewöhnliche Fähigkeiten: Peter war ein ausgezeichneter Organisator mit starkem Vorwärts-drang. Eileen hörte die Stimme «Gottes», was immer man als auf-geklärter Mensch darunter verstehen mag. Und Dorothy konnte mit den Devas, den Pflanzengeistern sprechen. Diese Mischung, bzw. die 20 Kilo schweren Kabisköpfe, die sie auf dem sandigen Boden kultivierten, brachte sie schon nach kurzer Zeit in die na-tionalen Schlagzeilen und zog Menschen an. In den 70er Jahren transformierte der Amerikaner David Spangler Findhorn in eines der wichtigsten Begegnungszentren des New Age.
Dorthin zog ich 1987, um als Wirtschaftsjournalist über eine Konferenz «From Organisation to Organism» zu berichten. Im Kopf trug ich schon seit längerer Zeit die Idee eines Newsletters mit mir herum, mit dem ich mich von den Mainstream-Medien unabhängig machen und neue Werte in der Wirtschaft thematisieren konnte. Wie in Findhorn üblich, musste ich am ersten Konferenztag aus einem Korb eine Engelkarte ziehen, die mich durch die Woche be-gleiten würde. «Willingness» – Bereitschaft, war genau das, was mir zur Umsetzung der Idee noch fehlte. Nach fünf Minuten hätte ich heimfahren können. Zum Glück bin ich geblieben: Ich lernte wun-derbare Leute kennen, wie Godric Bader, Kriegsdienstverweigerer und Präsident der englischen Chemiefirma Scott Bader, die den Angestellten übertragen wurde. Oder Anita Roddick, Gründerin des Body Shop, die für ihre Mitarbeiterinnen soziales Engagement bis zu ihrem Tod zur Pflicht machte. Und nicht zuletzt Margrit und
Declan Kennedy, die mir das grundlegende Wesen von Geld und Zins eröffneten.
Findhorn habe ich seither noch zweimal besucht und dabei die grossen Veränderungen in ein Ökodorf beobachten können. Heute hat der Ort an globaler Strahlkraft verloren. Aber viele Gemeinschaften auf der ganzen Welt lernten von den Pionieren aus Schottland und ihrem grossartigen Experiment – das mit einer Entlassung begann. Christoph Pfluger
In diesem Caravan und mit riesigen Kohlköpfen begann vor 50 Jahren die Erfolgsgeschichte von Findhorn. (oben)
Das verlotterte Golfhotel «Cluny Hill» (unten links) brachten Peter und Eileen Caddy zu neuer Blüte, bevor sie entlassen wurden. Jahre später kaufte die Findhorn-Gemeinschaft das Haus und nutzt es für ihre Zwecke. Der grösste Teil der Gemeinschaft lebt in einem Ökodorf in den Dünen, u.a. in kleinen Häusern aus alten Whisky-Fässern (unten) Fotos: Findhorn Foundation
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Horizonte erweitern
Die gute Adresse zur Horizonterweiterung
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Kurzmitteilungen
Mit Geld dreht sich die WeltDIhr Titel lautet zwar «Kapital», aber die neuste Sonder-ausstellung des Landesmuseums dreht sich weder um das Finanzwesen, noch um Banken oder den Kapita-lismus. Im Zentrum der Ausstellung steht der Reichtum zweier Städte, die während ihrer goldenen Zeitalter im Zentrum der Welt standen: Venedig ab dem 13. und Amsterdam im 17. Jahrhundert. Beide Städte verdank-ten Macht und Reichtum nicht nur seefahrerischem Geschick, sondern vor allem finanziellen Innovationen. Venedig erfand die Staatsanleihen und finanzierte damit seine Handelsflotte. In den Niederlanden entstanden die ersten Aktiengesellschaften, die erste Börse und mit der Vereinigten Ostindischen Compagnie der grösste multinationale Konzern seiner Zeit. In beiden Städten lösten die grossen Gewinne eine handwerkliche und kulturelle Blüte aus, die wir bis heute bewundern kön-nen, bis zum 17. Februar 2013 auch im Landesmuseum in Zürich. Wer in die interessanten Hintergründe der venezianischen und niederländischen Geldgeschichte hinabtauchen will, dem sei das Buch zur Ausstellung empfohlen. Es ist kein Katalog im herkömmlichen Sinn, sondern ein handliches, gut verständliches Bändchen, das sich mit Vorteil vor dem Ausstellungsbesuch liest.
Kapital – Kaufleute in Venedig und Amsterdam. Schweiz. Landesmuseum, 14. 9. 2012 bis 17. 2. 2013. www.kapital.landesmuseum.chKapital. Hrsg.v. Walter Keller. Mit Beiträgen von Bernd Roeck, Doris Stöckly, Ulrich Ufer, Kees Zandvliet. Kein&Aber. Fr. 20.-.
Früh übt sichBildung ist eine langfristige Investition und entsprechend risikoreich. Wer hätte vor zwanzig Jahren, als die heute dreissig-jährigen Akademiker voller Hoffnung in die Gymnasien eintraten, gedacht, dass sie der-einst vor den Arbeitsämtern Schlange stehen würden? Eltern sind deshalb gut beraten, die Bildungslaufbahn ihrer Sprösslinge nicht nach den eigenen Träumen zu planen, son-dern nach den Bedürfnissen der Zukunft. Nicht beim Berufsberater ist da Rat zu ho-len, sondern beim Futurologen. Franck Bi-ancheri, Forschungsdirektor des Laboratoire européen d’anticipation politique (LEAP), das wegen seiner Treffsicherheit gerne für Crashprognosen zitiert wird, erklärte kürz-lich, Sprachen seien eine der «wenigen Bil-dungsinhalte, die ihre Nützlichkeit über 20, 30 oder 40 Jahren behalten». Aber natürlich nur, wenn man weiss, welche Sprachen die
Welt in den nächsten Jahrzehnten spricht. Sprachen sind auf der einen Seite sehr träge – man denke nur an das Vietnamesische oder an das Gälische, die sich gegen tausend Jahre Fremdherrschaft erhalten konnten. Auf der anderen Seite eroberte das Französische Westafrika in kurzer Zeit.
Das Internet verändert nun die Sprachdy-namik erheblich. Vor zehn Jahren waren 90 Prozent der Inhalte in Englisch, heute sind es noch 40 Prozent. Dafür hat Chinesisch gewaltig aufgeholt und wird in den nächsten zwei Jahren an die erste Stelle rücken. Auf der sprachlichen Landkarte von 2030 sieht das LEAP drei internationale Verkehrssprachen mit bedeutungsvollem Stammgebiet – Eng-lisch, Chinesisch und Französisch – und vier regionale Verkehrssprachen mit starker in-ternationaler Dimension: Spanisch, Arabisch, Russisch … und Tagalog. Tagalog ist die ur-sprüngliche Sprache der Philippinen und steht in den USA bereits an sechster Stelle.
Seit rund einem Jahr empfehle ich spasses-halber, Kinder doch ins Frühchinesisch zu schicken, um sie fit für den globalisierten Arbeitsmarkt zu machen. Ab sofort ist diese Empfehlung ernst gemeint. CP
Positives Denken – und seine negativen Folgen
Joseph Murphy, Rhonda Byrne oder Pierre Franck – Bestsellerautoren verkaufen Millio-nen Bücher mit der simplen These, dass wir uns unser Schicksal selbst kreieren und das Begehrte einfach herbeiwünschen können. Die rosa Welt der Positivdenker wirft aber einen beträchtlichen Schatten. Murphy etwa hält Armut für eine «Krankheit des Geistes». Das Positive Denken wurde so zur geistigen Begleitmusik der neoliberalen Ära. Statt Brot und Mitgefühl bekamen Notleidende Belehrungen über versäumte Eigenverant-wortung. Was viele schon diffus spürten, hat der systemische Therapeut Mike Hellwig jetzt klar formuliert. In seinem Buch «Wie wir uns vom Positiven Denken heilen» geht er hart mit den Schönfärbern ins Gericht. Der Untertitel heisst «Über die Freiheit, alles fühlen zu dürfen». Da liegt der Knackpunkt: Enttäuschung, Leid und Verzweiflung, so Hellwig, gehörten zum menschlichen Le-ben. In einer Gesellschaft, in der ein Zwang zum Positivsein herrsche, müssten wir di-ese Regungen aber unterdrücken. Werde der Schmerz verleugnet, führe dies zur Abspaltung unserer wahren Gefühle. Dem stellt der Autor sein Konzept der «radikalen Erlaubnis» gegenüber. Wenn alle Persön-lichkeitsanteile, auch unliebsame, integriert
werden, müssen sie nicht gegeneinander kämpfen. Negative Gefühle sollten wir wie Gäste behandeln, sagt Mike Hellwig. Das heisst: Wir geben ihnen Aufmerksamkeit, solange sie da sind. Aber wir sollten auch dafür sorgen, dass sie nicht bei uns wohnen bleiben. RR
Mike Hellwig: Wie wir uns vom positiven Denken heilen – über die Freiheit, alles fühlen zu dürfen. Verlag Herder 2012, 200 S., Fr. 15.90 / 9.99 Euro
Horizonte erweitern
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Agenda
2. November Urban Agriculture 18.30 Uhr: Führung im Missions- und Permakulturgarten 19.30 Uhr: Inputreferat und Podiumsgespräch Hotel Bildungszentrum 21 Missionsstrasse 21 4055 Basel www.mission-21.org Eintritt frei
Immer schon wurde in der Stadt ge-gärtnert. Seit einigen Jahren hat das Phänomen einen neuen Schub erfahren: Urban Agriculture. Die Bewegung – in Nordamerika «erfunden», in den Städten der Entwicklungs-länder schon lange eine Alltagsrealität – tritt mit dem Anspruch auf, nicht nur in ordentlich abgesteckten Schrebergärten, sondern auch auf Balkonen, Dächern, Vorgärten und Brach-flächen Lebensmittel anzubauen.
In der Schweiz spielt die Stadt Basel eine Vorzeigerolle. Exponenten von Urban Agricul-ture Basel, der Stadtgärtnerei Basel, aus Land-wirtschaft und Wissenschaft diskutieren die Chancen und Grenzen der neuen Bewegung. mission 21, evangelisches missionswerk basel, in Zusammenarbeit mit Urban Agri-culture Netz Basel und dem Tagungsort Leuenberg.
ab 2. November Schweizer Tournée «Kathak & Amour» Manisha Gulyani – KathakPiu Nandi – Vocal, HarmoniumBhaskar Das – Bansuri/Bamboo FluteUdai Mazumdar Concept, Music, Tabla
http://is.gd/j2pGrN
Kathak ist einer der populärsten Indischen klassischen Tanzstile. Der Stil zeichnet sich aus durch zwei hauptsächliche Charakteri-stiken: Rhythmus und Ausdrucksweise.In unserem Projekt «Kathak & Amour» stellen wir die Ausdrucksform des Kathak ins Zentrum und erforschen all die verschie-denen Erscheinungsformen der Liebe:
die Liebe zwischen Mutter und Kind, die Liebe zwischen Mann und Frau, die Liebe zwischen Lehrer und Schüler, die Liebe zwischen Gott und Gläubigen und viele weitere Formen.«Kathak & Amour» wird mit Life-Musikern aus Indien präsentiert, welche sowohl instrumentale Musikaufführungen als auch Solo-Darbietungen präsentieren.
3. November SAFE-Seminar:
Informations-gesellschaft ?? Vortrag und Diskussion mitWalter Zubler
Ausschreibung und Anmeldung unter www.safeswiss.ch/veranstaltungen
Wir leben in einer Informationsgesell-schaft und können uns gegen die Flut von Informationen kaum noch wehren. Doch werden wir richtig informiert? Mit Recht fragen wir uns, durch welche Kanäle die Information eigentlich fliesst und welche Filter sie passieren muss, bis sie zu uns auf den Tisch gelangt. Wie wird Informa-tion aufbereitet? Dieses Thema betrifft alle Gebiete der Gesellschaft, sei es Politik,
Wirtschaft und Naturwissenschaft, Religion, Geschichte oder Erziehung. Unser Welt-, Menschen- und Selbstbild hängt davon ab! Dazu verrät uns der Referent aus seinem grossen Erfahrungsschatz tiefe Einsichten. Bekannt für seine ausserordentliche Bega-bung, Querbezüge zu den verschiedensten Gebieten herzustellen, gelingt es ihm regelmä-ssig, unsere Aufmerksamkeit für sein reiches Hintergrundwissen zu fesseln.
6. – 11. November 16. Internationale Kurzfilmtage Winterthur Mehr Infos unter: www.kurzfilmtage.ch
Das beliebte Film Festival zeigt kurze Delikatessen aus aller Welt und macht Winterthur für eine Woche zur Kurzfilm-Hauptstadt. Dieses Jahr werden wir nebst den Wettbewerbsfilmen, Kurzfilme aus dem Balkan ins Zentrum rücken, gemeinsame Visionen für die Zukunft des Kapitalismus entwickeln, schlecht geendeten Liebesbe-
ziehungen nachtrauern, unveröffentlichte Musikvideos bestaunen und altersspezifische Programme für Kleine und Jugendliche anbieten.
Vom 6. – 11. November 2012 erwartet Sie in Winterthur die 16. Ausgabe eines zu Recht, äusserst beliebten Festivals.
17. November 75 Jahre medico international schweiz mehr zum Jubiläumsprogramm unter:www.medicointernational.ch
75 Jahre basismedizinische SolidaritätGegründet während des Spanischen Bür-gerkrieges, setzt sich medico international schweiz seit 75 Jahren für die Gesundheit von Menschen ein, die für ihre Rechte kämpfen.Diese 75 Jahre bewegter Geschichte feiern wir am Samstag, 17. November 2012 mit einer vielfältigen Jubiläumsveranstaltung in Zürich. Wir laden Sie ein zu einem Tag voller
Erlebnisse und Begegnungen. Den Auftakt macht ein Konzert des Chors kreisch drei, weiter geht es mit einem Parcours auf den Spuren solidarischen Handelns in Zürich. Am Abend folgt eine Podiumsdiskussion zum Thema Solidarität und schliesslich ein Fest mit Fotoausstellung, Essen und Musik.
Das ausführliche Programm finden Sie auf www.medicointernational.ch
ab 21. November Bedingungsloses Grundeinkommen Workshops und PodiumsgesprächeNovember 2012 bis April 2013 in Bern
www.forum-grundeinkommen.ch
Im April 2012 ist in der Schweiz eine Volksinitiative lanciert worden, die grund- sätzliche Fragen über Arbeit, Lohn und Leben aufwirft: Jeder Mensch, der fest in dieser Gesellschaft lebt, soll monatlich bedingungslos einen Betrag erhalten.
Welche Auswirkungen hätte die Aufhe-bung unserer latenten Existenzängste für das gesellschaftliche und individuelle Leben? Mit einer Veranstaltungsreihe und vielen Gästen beleuchtet die Regionalgruppe Grundein-kommen Bern verschiedene Aspekte dieses neuen Gesellschaftsmodells.
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80 Zeitpunkt 122
Leserbriefe
aus mist wachsen ROsen«Holy shit», ZP 121«De Mischt isch gfüehrt» und doch begin-nt jeder Tag immer wieder wie ein neues Leben. Fast, auf jeden Fall. Ihr treffender «Scheiss-Artikel» hat mich zum Schmunzeln gebracht. Die Fäkalsprache dient mir auch sporadisch als verlässliches und nachhaltiges Überdruck-Ventil. Gut, dass aus Mist Rosen wachsen! Eva Guhl, Zug
Re-inkaRnatiOn: nach meinem abtReten bin ich fein Raus...«Spiritualität und Politik» ZP 121Wie würden wohl gewisse Entscheidungen, die Langzeitfolgen unseres katastrophalen Umgangs mit der Umwelt betreffend, ausfal-len, wenn die Hypothese der Re-Inkarnation nicht so radikal aus unserem Bewusstsein ausgeblendet würde? Das verantwortungslose Handeln ge-wisser Politiker und Wirtschaftsführer ist ja eigentlich nur dadurch zu erklären, dass die Betroffenen offensichtlich denken: Nach meinem Abtreten bin ich fein raus… Ist das so? Wenn nun die zukünftigen Ge-nerationen, denen wir dieses schreckliche Erbe hinterlassen, von uns selber gebildet würden? Wenn wir in einer künftigen Wie-dergeburt geradestehen müssten für unsere heutigen Sünden? Nun? Auch wenn wir davon keine absolute Ge-wissheit haben, ahnend lebt diese Möglich-keit vermutlich in den meisten von uns… Martin Rodi, Sugnens
egOismus heilen statt besiegen«Und vergib uns…» ZP 121Christoph Pfluger hat in seinem ausführ-lichen Artikel «Und vergib uns…» gefragt «Wie überwinden wir den Egoismus?», ohne dessen Ursachen nachzugehen. Egoismus ist eine allgemein verbreitete menschliche Erscheinung und schient da-rauf abzuzielen, uns auf Kosten anderer Menschen Vorteile zu verschaffen, die uns eigentlich nicht zustehen. Auf diese Wei-se soll unsere Seele ein Stück weit befreit werden. Im Allgemeinen steht Egoismus als etwas nicht zu Hinterfragendes im Raum, das wir aber durch geistige Anstrengung überwinden sollten, müssten und könnten. Doch wie die Erfahrung lehrt, klappt das nicht. Also müssen wir tiefer graben. Nach meiner Erfahrung und Überzeugung geht es darum, hinter Egoismus und vielen unverstandenen menschlichen Regungen die mehr oder weniger tiefen Seelenwun-den im Unbewussten zu erkennen, die Menschen in der Vergangenheit geschlagen worden sind und die ständig nach Heilung rufen. Egoismus hat seine Wurzeln in le-benswichtigen Grundbedürfnissen, die in unserer frühen Kindheit nicht befriedigt wurden: Zuwendung, Nähe, Wärme, Zärt-lichkeit, Körperkontakt, Zugehörigkeit und Gemeinschaft, aber auch Wissbegier und Entfaltung von Fähigkeiten und noch vieles mehr. Ihr Nichtbefriedigen lässt unsere ge-sunde seelische Entwicklung ins Stocken und unser Wesen schief geraten. Von da
an sucht die unbewusste Weisheit in uns ständig nach dem Entbehrten. Bewusst aber fühlen wir uns getrieben von etwas Unbe-stimmtem. So entsteht Egoismus. Wir wollen etwas erleben, wissen aber nicht genau, was. Oder es ist nie genug, weil es das Falsche war. Wir nehmen Anderen das Ihre weg und werden in schlimmen Fällen kriminell oder sexuell verbogen. Ver-flixt wird das Ganze dadurch, dass die ur-sprünglichen einfachen und eigentlich kla-ren Bedürfnisse sich mit der Zeit verfälschen und nicht mehr erkennbar sind. Wenn uns das Entbehrte nicht doch noch geschenkt wird, bleiben wir blockiert und suchen un-bewusst weiter, oftmals lebenslang. Unsere Seele kann nur geheilt werden, wenn wir das Entbehrte nachholen kön-nen. Oft sind dazu tiefe menschliche Begeg-nungen notwendig. Ist dadurch eine Nach-reifung möglich, so verliert der Egoismus seine Grundlage und fällt von selbst in sich zusammen. Dann kann sich die unterbro-chene Entwicklung fortsetzen. Wir sehen: Egoismus hat einen sinnvollen Hintergrund. Die Art und Schwere der un-befriedigten Grundbedürfnisse ist – neben der Vererbung – mitbestimmend für das Wesen, das wir werden. Je weniger wir von dem Notwendigen erleben können und je länger wir darauf verzichten müssen, um so mehr werden wir zum Aussenseiter, Widerspenstigen, Rebellen, Menschenhas-ser, Duckmäuser und Drückeberger oder Schwächling, zum Betrüger, Dieb oder Mörder, eigentlich zum Neurotiker. Viele unserer Untugenden stehen im Dienst der Suche nach dem Entbehrten. Dahinter steht meist das sonderbare Empfinden, dass uns das Fehlende einfach zustehe und wir ir-gendwie doch im Recht seien. Da die Kräfte, die hinter Egoismus ste-hen, unbewusst sind, richtet jeder Appell an unsere Vernunft und unsere Selbstbeherr-schung auf Dauer nicht viel aus. Stattdessen sollten wir Egoismus verstehen und nach Heilmöglichkeiten Ausschau halten, statt ihn unterdrücken zu wollen. Das braucht
leseRbRiefe@Zeitpunkt.ch
Zeitpunkt 122 81
Leserbriefe
Der
nächste Zeitpunkt
Farbe bekennen
Wie würde die Welt aussehen, wenn
wir alle zu unserer Wahrheit stehen
würden? Welchen Einfluss haben Farben
auf unser Leben? Wie bringen wir Farbe in
den Alltag? Diesen Fragen geht der näch-
ste Zeitpunkt nach, der sie zudem
mit verschiedenen Neuerungen über-
rascht, Ende Dezember, am Kiosk
oder in Ihrem Briefkasten.
auf der einen Seite viel Bewusstseinsarbeit, auf der anderen eine Menge Einfühlungs-vermögen und Liebe.
Eberhard Knöller, Bern
ökOlOgische tOiletten in bOliVienZum Leserbrief «Zu enger Blickwinkel» aus ZP 121 (betreffend «Urin – Dünger der Zu-kunft» ZP 120)Ich stimme Jan Suter voll zu, wenn er schreibt, dass der Blickwinkel im Artikel «Urin – Dünger der Zukunft» zu eng ist. In Bolivien sind die ökologischen Toiletten relativ weit verbreitet, weil sie sehr grosse Vorteile haben:
• Keine Verschmutzung der Bäche, Flüsse und Seen,• Urin und Fäkalien werden als Dünger benutzt,Es braucht kein Wasser (für das bolivia-nische Hochland ein ganz grosser Vorteil)und kein Abwassersystem. Ich selber habe in La Paz seit ein einhalb Jahren ein ökologisches WC eingerichtet. Die Fäkalien fallen in einen Trog, ich be-streue sie mit Sägemehl (oder Asche) um sie sofort zu trocknen und den Geruch zu neh-men. Die Fäkalien entnehme ich dem Trog alle sechs Monate. Es bleibt überraschend wenig übrig, wenn die Fäkalien trocken sind. Dann gebrauche ich sie als Futter für
die Würmerzucht. Daraus ensteht ein sehr wertvoller Dünger. Den Urin sammle ich und lagere ihn – luftdicht abgeschlossen – während drei Monaten. Urin und Fäka-lien werden durch diese Prozesse absolut keimfrei. Der natürliche Kreislauf ist dann geschlossen, wenn wieder Lebensmittel wachsen. Das einzige Problem: Wenn wir Gäste haben muss man immer zuerst erklä-ren, wie das WC funktioniert. In La Paz existiert eine NGO – Sumaq Wasi – , die dieses System verbreitet. In der Stadt El Alto hat die Organisation bereits etwa 800 solche WC’s eingerichtet. Urin und Fäkalien werden regelmässig eingesammelt und die Fäkalien für die Wurmzucht ge-braucht und der Urin gelagert. Die NGO hat grosse (Gemüse)Felder auf denen sie die beiden Dünger verwendet. Pedro Brunhart, La Paz
leseRbRiefe@Zeitpunkt.ch
Verlagsmitteilung
Lieber Beat Hugi, lieber Walter KellerDass ihr eure Namen in den Verlagsmit-
teilungen zu lesen bekommt, musstet ihr erwarten. Aber gerade in Form eines Briefes, den ihr hier zudem erstmals lest?
Du Beat, wirst als Verlagsleiter und Produ-zent den Zeitpunkt massgeblich mitprägen. Du wirst es möglicherweise nicht immer leicht mit mir haben. Denn nicht einmal 25 wechselvolle Jahre als Verleger konnten mich von einer gewissen Besserwisserei ku-rieren. Dabei kann ich noch so viel lernen von dir, der du ungefähr jede journalistische Funktion aus eigener Erfahrung kennst, die die Medien zu bieten haben, von der Ta-geszeitung über das Radio bis zur Magazin-produktion.
Dich Walter kannte ich bis vor kurzem nur von deinem klingenden Namen, als Mitbegründer der Zeitschriften «Der Alltag, die Sensationen des Gewöhnlichen» und «Parkett», des Fotomuseums Winterthur, als Verleger des Scalo-Verlags und als kurzzei-tigen Chefredaktor des «Du». Es ist mir eine Ehre, dass du dich auf den Zeitpunkt ein-gelassen hast.
Dank euch hängt wieder die Inschrift «Hier entsteht die beste Zeitschrift der Schweiz»
am Verlagseingang. Das heisst weder, dass er die beste ist, noch dass er es sein wird. Aber dass wir es anstreben und zu neuen Ufern aufbrechen. Dahin wollen wir die be-ste aller Leserschaften mitnehmen, die den Zeitpunkt mit ihren freien Abobeiträgen zu dem gemacht haben, was er ist.
Was macht das Wesen des Zeitpunkt aus? Darüber haben wir mehrmals gesprochen, ohne konkrete Formulierungen zu finden. Ich denke, man hat hier guten Willen, eine Meinung, Selbstironie, etwas subversive Phantasie, Leidenschaft für Sprache und ei-nen gewissen Spieltrieb; man leistet einen Dienst an den Leserinnen und Lesern, an der Gerechtigkeit und der Liebe auf der Welt; und man ist ein freier Geist und kein Materialist, weder philosophisch noch wirtschaftlich.
Das ist viel Verpflichtung. Ich bin froh und dankbar, dass ich sie mit euch teilen darf.
Herzgruss, Christoph
Mit diesem Heft übernimmt Ruth Blum, die Frau von Beat Hugi die Anzeigenver-waltung von Cecile Knüsel. Vielen Dank für deinen Einsatz und die gute Betreuung der Kunden, Cecile und herzlich willkommen Ruth.
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Von Denknetzen und -lücken von Christoph Pfluger
Motto: Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemand-em den Bart zu versengen.
Lichtenberg
der gewerkschaftsnahe Thinktank «Denknetz» beehrt die Vollgeld-Reform in seinem jüngsten Jahrbuch gleich mit zwei ausführlichen Kritiken. Die eine ist eine Auftragsarbeit des Finanzjour-
nalisten Gian Trepp, die andere stammt von Beat Ringger, dem Chef des Denknetzes selber. Beide erklären den Zweck der Vollgeldreform, die Unterbin-dung der Geldschöpfung durch die privaten Banken korrekt. Trepp lehnt sie ab, weil sie ihr Ziel, die Stär-kung der Realwirtschaft, nicht erreiche und schlägt stattdessen «Trennbanken statt Vollgeld» vor. Es ist natürlich nicht verboten, die Vollgeld-Initiative an einem erwünschten Nebeneffekt zu messen – dem Nutzen für die Realwirtschaft –, aber dann bitte rich-tig. Rund drei Viertel der von den privaten Banken in den letzten Jahrzehnten geschöpften Gelder dienten nicht der Finanzierung von realwirtschaftlichen Pro-jekten, sondern flossen in den Kapitalmarkt. Das viele Geld ermöglichte dort schöne Buchgewinne. Derweil geriet die weniger profitable Realwirtschaft unter Druck. Entlassungen, Auslagerungen in Billig-lohnländer, Lohnsenkunen waren die Folge. Würde der Staat unter einem Vollgeldregime die Anleger bevorzugen, wie dies die Banken jetzt tun, wäre die Reform tatsächlich ein Schlag ins Wasser. Wird er aber nicht. Er wird vielleicht Schulden abbauen, dann können die Anleger selber schauen, wo sie ihr Geld am besten einsetzen (warum nicht in der Realwirtschaft?). Vor allem aber wird er sein neu geschöpftes Geld in Infrastruktur, Bildung und Be-schäftigung investieren wollen. Dort werden sich die Gewerkschafter darüber freuen, dass ihre Vordenker ihre Meinung geändert und die Vollgeld-Initiative unterstützt haben werden.
Das Missverständnis von Beat Ringger liegt etwas tiefer. Seiner Ansicht nach muss «irgendwo auf der Welt jemand profitable Arbeit verrichten, damit Ge-winne erzielt werden können.» Das stimmt nur unter zwei Bedingungen, die allerdings bei weitem nicht erfüllt sind: Erstens darf die Geldmenge nicht schnel-ler wachsen als das Bruttosozialprodukt. Und, falls sie schneller wächst, müssten alle Gewinne in reale Werte umgewandelt werden. Aber dieser Moment ist noch nicht da, und wenn er kommt, wird es für einen realistischen Umtausch zu spät sein. Zur Zeit wandert das von den Banken geschöpfte neue Geld wie erwähnt überwiegend in die Finanzwirtschaft,
wo es den Buchwert der Anlagen mehrt. Der Gewinn besteht aus aufgeblasenem Geld, der erst dann real wird, wenn es auch für reale Güter ausgegeben wird. Das wird zwar vermehrt getan, aber das meiste rast nach wie vor durch die riesige, globale Finanzblase.
Warum schöpfen die Banken mehr Geld, als die Realwirtschaft benötigt? In unserem Kreditgeldsy-stem liegen die Schulden (Amortisation und Zins-verpflichtungen) logischerweise immer höher als die vorhandene Geldmenge. Um die notwendigen Gelder schöpfen zu können, kreierten die Banken laufend neue, von der Realwirtschaft zunehmend abgekop-pelte Papiere, die belehnt werden konnten und neue, zunehmend kreditunwürdige Schuldner. Das Pro-blem liegt weniger in den spekulativen Investment-banken, wie Trepp und Ringger behaupten, sondern in einem System der privaten Geldproduktion, das die Spekulation für sein Überleben zwingend braucht. Mit solchem Blasengeld lässt sich nicht wirtschaften, sondern nur spekulieren – natürlich nicht auf Dauer, wie wir in der Krise erkennen. Ihr Vorschlag, das Trennbankensystem einzuführen, nützt zwar etwas, aber er trennt nur die Verwalter des Blasengeldes von denen des realeren Geldes. Zudem konnte das Trennbankensystem, wie es in den USA bis 1999 galt, weder die zerstörerische Flut von Petrodollars in den 70ern, noch die Schuldenkrise der 80er und die Dotcom-Exzesse der 90er Jahre verhindern.
Und so «keimfrei» und «unbefleckt von sozialen Fragen», wie Beat Ringger schreibt, ist die Vollgeld-Reform auch wieder nicht. Immerhin greift sie mit der zinsbehafteten Kreditgeldschöpfung durch die pri-vaten Banken einen fundamentalen Umverteilungs-mechanismus in unserer Wirtschaft auf. Vom Zins profitieren nur die 15 Prozent Reichsten, alle anderen, namentlich alle Arbeitnehmer zahlen drauf. Die Voll-geld-Reform eliminiert zumindest den Zins auf der Stufe der Geldschöpfung und realisiert so einen Nut-zen für die Allgemeinheit von rund 20 Mrd. Franken pro Jahr. Das ist der Geldschöpfungsgewinn, den bis jetzt die privaten Banken für sich einbehalten.
Es wäre zu begrüssen, wenn im Denknetz nicht nur unter seinesgleichen gedacht, sondern auch mit Andersdenkenden gesprochen würde. Ich halte mich für ein Gespräch bereit, gerne auch öffentlich. Zuerst kontrovers und dann einvernehmlich. Schliesslich arbeiten wir alle für das gleiche Ziel, eine gerechte Wirtschaft.
Brennende Bärte