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Gläser und Verbindungen im System P4S4-A s4S4-A s4Se4- P 4Se4Glass and Compounds in the System P4S4-A s 4S4-A s 4Se4- P 4Se4 Roger Blachnik*, Peter Lönnecke und Jürgen NußAnorganische Chemie, Universität Osnabrück, Barbarastraße 7, D-49076 OsnabrückZ. Naturforsch. 48b, 1175- 1180 (1993); eingegangen am 19. Mai 1993Phosphorus Arsenic Chalcogenides, Chalcogenide Glasses, Solid Solutions
Glas forming regions and glass temperatures o f the system P4S4- A s 4S4- A s 4Se4- P 4Se4 have been determined by thermoanalytical and X-ray methods. In the whole system crystalline samples have been obtained by annealing. From the pure phases As4S4 and P4Se4 broad regions o f solid solutions extend into the system. In the P4S4 corner the formation o f A4B3 (A = P, As; B = S, Se) molecules is observed.
As with A4B3 molecules, a stepwise substitution o f P by As atoms, and o f S by Se atoms is possible. All molecules o f the series P4_„As„S4 and As4S4_„Sen (n = 0, 1, 2, 3, 4) were detected by 31P N M R and/or mass spectroscopy.
Einleitung
Die binären Systeme P(As)-S(Se) enthalten Verbindungen vom Typ A4B4 (A = P, As und B = S, Se). Während P4S4 [1], P4Se4 [2,3], As4S4 [4] und As4Se4 [5] schon eingehend untersucht wurden, existieren über ternäre und quaternäre Chalkoge- nide des Typs A4B4 keine Arbeiten. Mit Ausnahme von P4Se4, dessen Struktur noch unklar ist [6], entstehen bei der thermischen Synthese aus den Elementen Moleküle, deren Gerüst ein A4-Tetraeder ist, in dessen Bindungen vier Chalkogenatome eingeschoben sind (Abb. 1).
Abb. 1. Struktur des A 4B4-M oleküls (a-Form).
Eine Verbindung der Zusammensetzung (PS)„ wurde erstmals von Kuchen und Beckers [7] beschrieben. Nach einer neueren Arbeit [8] besteht dieses Produkt aus polymeren Komponenten und molekularen Phosphorsulfiden. Eine ähnliche, schwerlösliche Substanz wurde von Hoppe [9] durch thermische Reaktion aus den Elementen er
* Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. R. Blachnik.Verlag der Zeitschrift für Naturforschung,D-72072 Tübingen0932-0776 /93 /0900-1175 /$ 01.00/0
halten. Zwei metastabile Isomere des P4S4, a-P4S4 und ß-P4S4 wurden von Sheldrick et al. [1] hergestellt und durch eine Strukturbestimmung charakterisiert. Im System P -S e fanden Monteil et al. [2] die Verbindung P4Se4. Nach ihren Untersuchungen existiert sie in zwei allotropen Formen, a- P4Se4 wandelt sich bei 573 K reversibel in /?-P4Se4 um. Aus IR-Untersuchungen wurde gefolgert, daß beide Modifikationen aus P4Se3-Molekülen mit einem doppelt gebundenen Selenatom am P3-Ring bestehen. Neuere MAS-31P-NM R Untersuchungen [3] deuten auf eine M olekülstruktur analog zum a-P4S4, allerdings ist dieser allgemein angenommene, monomolekulare Charakter auf Grund der Eigenschaften des P4Se4 anzuzweifeln. Das As4S4-Molekül ist baugleich mit dem a-P 4S4-Mole- kül und kristallisiert ebenfalls in zwei M odifikationen [4], a-A s4S4 wandelt sich bei 539 K reversibel in /?-As4S4 um [11]. Kutoglu [12] berichtet von einem As4S4(II)-Molekül, das eine dem /?-P4S4-Mole- kül analoge Struktur besitzt. a-As4Se4-Moleküle sind wie a-P4S4-Moleküle [13] gebaut. Die kristal- lographischen Daten aller Verbindungen sind in Tab. I zusammengefaßt.
Mit dieser Arbeit sollen Ergebnisse vorgestellt werden, die wir bei der Untersuchung des Systems P4S4-A s 4S4-A s 4Se4- P 4Se4 gewonnen haben.
ExperimentellesZur Herstellung der Gläser wurden den Zusam
mensetzungen P8_mAswS8_„Se„ (mit n, m = 0, 1, 2 ,3 ,...8 ) entsprechende Mengen der Elemente (Phosphor (rot) 99,999%, Knapsack; Arsen 99,999%, Preussag; Schwefel 99,95%, Merck und
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1176 R. Blachnik et al. • Gläser und Verbindungen im System P4S4~ As4S4- A s 4Se4~ P 4Se4
Tab. I. Kristalldaten der Strukturen mit a-A 4B4-Molekülen.
« - P4S4 [1] a-A s4S4 [4] /?-As4S4 [4] cc-As4Se4 [21]
monoklin monoklin monoklin monoklinRaumgruppe C 2/c (Nr. 15) P 2 ,/a7 (Nr. 14) C 2/c (Nr. 15) P2,//7 (Nr. 14)Gitterkonstanten a = 977,1(8) pm
b = 904,7(7) pm c = 874,6(8) pm ß = 102,67°
a = 932,0(6) pm b = 1355,1(6) pm c = 658,5(4) pm ß = 106,52(4)°
a = 995,7(3) pm b = 933,5(4) pm c = 888,9(5) pm ß = 102,48(4)°
a = 955,2(2) pm b = 1380,1(3) pm c = 671,9(1) pm ß = 106,44(1)°
Formeleinheiten Z = 4 Z = 4 Z = 4 Z = 4Volumen V = 113,6 cm3/mol V = 120,0cm3/mol V = 121,5 cm3/mol V = 127,9 cm3/molDichte q = 2,22 g/cm 3 q = 3,565 g/cm3 q = 3,523 g/cm3 q = 4,811 g/cm 3
Selen 99,999%, Retorte) in evakuierte Quarzglasampullen eingeschmolzen. Anschließend wurden die Proben zur Homogenisierung im Ofen stufenweise auf 793 K erhitzt, dort längere Zeit bei konstanter Temperatur gehalten und dann in einem Eis/Wasser-Gemisch abgeschreckt. Unter diesen Bedingungen bilden sich Gläser, die auf der selenreichen Seite selbst nach einjährigem Tempern [20] nicht kristallisierten. Um kristalline Verbindungen darzustellen, mußte daher für jede Zusammensetzung die optimale Rekristallisationstemperatur gesucht werden. Sofern in den Mischungen bei DSC- Messungen Schmelzeffekte erkennbar waren, wurden die Proben 20 K unterhalb dieser Effekte getempert, jedoch höchstens bei 523 K. Bei Fehlen eines Schmelzpunktes wurden die Proben auf die Rekristallisationstemperatur einer benachbarten Zusammensetzung aufgeheizt und dort getempert. Wenn sich nach ein wöchigem Tempern die ersten Kristallkeime zeigten, wurde die Temperatur belassen, war die Substanz zu einem Regulus geschmolzen, wurde die Ampulle geöffnet, die Probe gemörsert und bei einer um 20 K tieferen Temperatur getempert. Diese Prozedur wurde bis zum Erhalt kristalliner Proben wiederholt.
Die thermischen Analysen wurden mit einem DSC-990-Thermal-Analyser der Fa. DuPont durchgeführt. Die Aufheizgeschwindigkeit betrug 10 K/min. Röntgenaufnahmen von Pulvern wurden mit einer Vertikal-Guinier-Kamera Typ 620 der Fa. Huber mit C u -K a]-Strahlung angefertigt oder mit dem Diffraktometer STADI (Stoe Automated Diffractometer System) ebenfalls mit C u -K al-Strahlung und S i0 2 als innerem Standard erhalten. Mit diesem Gerät konnten auch temperaturabhängige Messungen durchgeführt werden. Die Massenspektren wurden mit einem Spektrometer des Typs CH-5 der Fa. Varian MAT aufgenommen (Elektronenstoßionisation bei 70 eV,
Quellentemperatur 473 K, Einlaßtemperatur 423- 523 K). Die 31P-NMR-spektroskopischen Messungen wurden mit dem Gerät AC 250 der Fa. Bruker aufgenommen, die Meßfrequenz für ?,P-Kerne betrug 101,256 MHz. Als Lösemittel wurde über P4O 10 getrocknetes CS2 verwendet. Die chemischen Verschiebungen beziehen sich auf 85-proz. Phosphorsäure. Zur Frequenzstabilisierung diente das Deuteriumsignal von D6-Benzol, das in abgeschmolzenen Glasröhrchen zugegeben wurde. Die HPLC-Untersuchungen wurden mit einer Pumpe vom Typ 2150 der Fa. LKB durchgeführt. Als stationäre Phase diente eine Säule der Fa. Merck, gefüllt mit LiChrospher-100-CH-18/2. Als Elutionsmittel wurde Methanol eingesetzt. Die Durchflußgeschwindigkeit betrug 1 ml/min. Der Nachweis der getrennten Komponenten erfolgte mit einem UV-Detektor der Fa. Merck (Gerät 655A-22; Wellenlänge 260 nm).
GläserAuf Grund früherer Arbeiten über die ternären
Systeme P -A s -S e [9] und P - S - S e [14] erwartet man auch für das quasiquaternäre System P4S4- As4S4-A s 4Se4- P 4Se4 die Ausbildung von Gläsern. Um die Lage des Glasbereiches zu bestimmen, wurden abgeschreckte Proben röntgenographisch und thermoanalytisch untersucht. In der P4S4- Ecke des Systems erhielten wir hochviskose Schmelzen, so daß keine Röntgenmessungen durchgeführt werden konnten.
Auf der As4S4-reichen Seite waren die abgeschreckten Proben kristallin oder teilkristallin und enthielten die Hochtemperaturmodifikation /?-As4S4. Ihre Röntgenreflexe wurden mit steigendem Selengehalt und mit steigendem Phosphorge
R. Blachnik et al. ■ Gläser und Verbindungen im System P4S4- A s 4S4- A s 4Se4- P 4Se4 1177
halt der Proben schwächer. Bei einem Selengehalt von mehr als 37,5 Mol-% und/oder bei einem Phosphorgehalt von mehr als 12,5 Mol-% ging das System in den glasigen Zustand über. Abb. 2 zeigt den röntgenographisch ermittelten Glasbereich des Systems.
duktilerBereich
homogenerGlasbereich
Abb. 2. Glasbereich der abgeschreckten Proben.
Tab. II enthält die thermoanalytisch bestimmten Glastemperaturen Tg. Die Tg-Werte der Randkomponenten stimmen mit Literaturwerten [15,16] sehr gut überein. Die kristallinen Bereiche in den As4S4-reichen Proben ergaben in den DSC-Messungen ein ausgeprägtes endothermes Schmelzsignal. In zahlreichen Proben ließ sich auch ein Rekristallisationseffekt beobachten. Bei31 Mol-% Selen erreichte dieser Effekt sein Maximum, fiel dann aber ab, da die Gläser mit zunehmendem As4Se4-Gehalt rekristallisationsstabiler wurden. In As4Se4-reichen Gläsern wurde nur noch die Glasstufe beobachtet. Die Farbe der G läser änderte sich fließend vom durchsichtigen Zitronengelb der P4S4-Ecke über Rubinrot zum metallisch glänzenden Schwarzviolett des As4Se4.
Kristalline FestkörperMit Hilfe der Röntgenuntersuchung von getem
perten Proben war es möglich, die Existenzbereiche der unterschiedlichen Strukturtypen festzulegen (Abb. 3). Das System teilt sich in sechs Bereiche auf. Das große a;-As4S4-Strukturfeld erstreckt sich weit in das quaternäre System. Die Gitterkonstanten und Molvolumina der Mischkristalle sind in Tab. III aufgeführt. Mit zunehmender Selenkonzentration steigen sie linear an. Der Einbau von Phosphor bewirkt nur auf der schwefelreichen Seite eine geringe Abnahme der Molvolumina.
Mit steigender Phosphorkonzentration treten andere Kristallstrukturen auf. Dieser S trukturwechsel erfolgt nie abrupt, sondern fließend. Vor allem auf der selenreichen Seite wurden dabei die amorphen Anteile groß und die Kristallqualität schlecht, so daß die Beugungsmuster der kristallinen Komponenten nur schwer zu erkennen waren. So fanden wir nach dreimonatigem Tempern von Proben des quasibinären Schnittes As4Se4- P 4Se4 beim Übergang vom a-As4S4-Typ zum /?-P4Se4- Typ einen breiten amorphen Bereich (6). Um die kristallinen Komponenten eindeutig identifizie-
Abb. 3. Strukturtafel der getemperten Proben.
Tab. II. Glastemperaturen Tg [K],
P s- PvA s - P6A s2- P5A s3 P4A s4- P3A s5 P2A s6- PAs7- A s8-
8̂- S 7Se— S6Se 428 405- S 5Se3 428 420 424- S4Se4 433 426 425 435 433- S 3Se5 443 447 441 439 433 435 436—S2Se6 449 444 444 436 438 432 436 447 440-S S e 7 454 452 446 440 442 436 448 423 437— Se8 461 458 441 445 445 450 451 446 448
1178__________________________R. Blachnik et al. ■ Gläser und Verbindungen im System P4S4- A s 4S4- A s 4Sed- P4Se4
Tab. III. ■Gitterkonstanten der a-A s4S4-Mischkristalle.
■4 * *■'■’4 ^ 4 ‘ *■ 4 1 4 ° ^ 4
s8 S7Se S6Se2 S5Se3 S4Se4 S3Se5 S2Se6 SSe7 Se8
A s8 a bcßV
932,8(2)1356,7(2)658,9(2)106,49(2)120,38(3)
937,3(3)1358,2(3)661,2(2)106,60(3)121,45(4)
941,4(2)1360,7(3)662,7(2)106,49(3)122,55(4)
944,0(2)1366,2(6)664,6(2)106,57(3)123,68(5)
947,5(2)1366,0(3)666,6(2)106,53(3)124,52(4)
950,1(2)1370,0(3)668,0(2)106,54(2)125,48(3)
952,3(3)1373,0(6)669,6(4)106,58(4)126,33(7)
954,0(4)1378,2(7)671,1(4)106,62(5)127,28(8)
955,7(3)1381,1(4)672,3(3)106,60(4)128,03(6)
A s7P a bcßV
932,4(4)1353,6(5)656,7(4)106,52(5)119.64(6)
938,8(5)1355,3(8)661,4(3)106,37(6)121,57(6)
941,0(4)1358,0(6)662,9(4)106,61(6)122,22(7)
944,9(4)1362,6(5)663,9(3)106,65(7)123,29(7)
947,8(4)1362,6(6)665,1(4)106,42(7)124,04(8)
950,3(2)1366,5(3)667,7(2)106,52(3)125,15(4)
952,6(4)1370,7(6)669,3(3)106,45(5)126,18(6)
954,6(3)1375,3(6)670,5(3)106,46(4)127,10(6)
954,7(3)1378,6(4)672,6(3)106,59(3)127,73(5)
A s6P2 a bcßV
932,2(6)1350(2)656,9(5)106,47(6)119,4(1)
939,4(6)1354,3(7)658,1(6)106,7(1)120,7(1)
942,3(3)1353,8(4)662,8(3)106,50(3)122,06(5)
946,4(8)1359(2)664,2(6)106,3(2)123,4(2)
948,5(3)1361,4(5)665,6(2)106,33(4)124,18(5)
950,0(3)1366,4(6)667,2(4)106,53(5)125,01(7)
952,5(5)1367,9(9)669,2(5)106,5(1)125,8(1)
953,8(3)1371,5(5)670,5(3)106,53(3)126,59(5)
As^P j a bcßV
957,5(6)1357,1(7)663,9(4)106,2(1)123,4(1)
950,1(3)1362,4(5)666,3(2)106,42(4)124,56(5)
952(2)1365(2)667(1)106,3(2)125,3(3)
952,9(3)1367,9(6)668,8(3)106,41(4)125,90(6)
A s4P4 a bcßV
948,7(5)1358(1)664,8(4)106,3(1)123,8(1)
948,5(3)1361,6(4)667,5(3)106,50(3)124,43(5)
a, b, c in pm, ß in °, V in cm3/mol.
ren zu können, mußte die Temperzeit in diesem Fall auf sechs M onate gesteigert werden. Auf der schwefelreichen Seite traten bei den Strukturübergängen zweiphasige Bereiche auf, was durch die punktierten Flächen angedeutet werden soll.
In der P4S4-Ecke wird das A4B4-System verlassen. Beginnend mit 25 Mol-% Phosphor (Bereich 4) wurde röntgenographisch nur das Beugungsmuster von PAs3S3 beobachtet. Die besondere Stabilität von PAs3S3 [17,18] kommt damit deutlich zum Ausdruck. Bei noch höheren Phosphorkonzentrationen (Bereich 5) wurden die Röntgenaufnahmen komplex, so daß nur ein Teil der Reflexe der a-A s4S3-Struktur zugeordnet werden konnte. In diesem Bereich kann die thermische Synthese nicht zu A4B4-Molekülen führen, da P4S4 bei höheren Temperaturen in P4S3 und P4S5 und dieses in P4S3 und P4S7 [13] zerfällt. Aus diesem Grund entstand immer ein Gemisch aus Phosphorsulfiden und A rsensulfiden.
Längs des Diagonal-Schnittes As4S4- P 4Se4 treten zunächst die a-A s4S4-, dann die a-P4Se4-Struk- tur auf, die mit zunehmender P- und Se-Konzen- tration in /?-P4Se4 übergeht. a-P4Se4 und /?-P4Se4 entsprechen den von Monteil [2] beschriebenen Phasen. Die a-P4Se4-Modifikation konnte weder in ihrem phosphorreichen Bereich noch in ihrem arsenreichen Bereich durch Änderung der Temperatur in /?-P4Se4 bzw. ct-As4S4 umgewandelt werden. Die Ausbildung der Strukturen ist also von der Zusammensetzung abhängig. Über die Besonderheiten des P4Se4 [6] soll in einer späteren Arbeit berichtet werden. Die Guinier-Aufnahmen der aus der Schmelze durch Abschrecken erhaltenen Proben auf diesem Schnitt besaßen auf der As4S4-rei- chen Seite das für /?-As4S4 charakteristische Beugungsmuster. Durch Tempern bei 523 K konnten diese Proben in Mischkristalle mit der Struktur von a-As4S4 überführt werden.
Bei DSC-Messungen wandelte sich beim Aufheizen mit 10 K/min nur reines c*-As4S4 in die
R. Blachnik et al. • Gläser und Verbindungen im System P4S4- A s 4S4- A s 4Se4- P 4Se4 1179
/^-Modifikation um. Hochtemperaturröntgenauf- nahmen an Proben der Zusammensetzung As8S8, As8S7Se, As8S6Se2 und As8S5Se3 sollten klären, wie die a-/?-Phasenumwandlung durch die Mischkristallbildung beeinflußt wird. Die in ein Quarzröhrchen eingeschmolzenen Proben wurden im Pulverdiffraktometer aufgeschmolzen, auf 553 K abgekühlt, drei Stunden getempert und anschließend mit 10 K/h aufgeheizt. As8S8 und As8S7Se zeigten nur das Beugungsbild von ß-A s4S4. Bei der Probe As8S6Se2 waren zusätzlich die für a-As4S4 charakteristischen Linien zu sehen. Bei der Zusammensetzung As8S5Se3 traten selbst bei 573 K (6 K unterhalb des Schmelzpunktes) nur die Reflexe der a-As4S4-Struktur auf. Der Existenzbereich der /^-Modifikation beschränkt sich also mit zunehmender Selenkonzentration auf einen immer kleiner werdenden Temperaturbereich. Bei einer Selenkonzentration von mehr als 13 Mol-% kann die /?-Phase nur metastabil durch Abschrecken aus der Schmelze erhalten werden. Die Gitterkonstanten der /?-As4S4-Mischkristalle sind in Tab. V wiedergegeben. Sie ändern sich entsprechend der Vegard- schen Regel linear.
Ternäre Moleküle
Im System P4S4-A s4S4 sind sechs Moleküle der allgemeinen Formel P4_„As„S4 (n = 0, 1, 2, 3, 4) möglich (Abb. 4). Vom P2As2S4 gibt es zwei isome-
P4S4 P3ASS4 P2AS2S4 (i)O P# As O S
P2AS2S41 PAS3S4 AS4S4
Abb. 4. Die sechs A4B4-Moleküle (mit A = P, As undB = S).
re Formen, die wir als P2As2S4 (I) und (II) bezeichnen. P2As2S4 (I) besitzt eine P -P - und eine A s-A s- Bindung, P2As2S4 (II) zwei P-As-Bindungen.
Durch die Substitution von Arsen durch Phosphor im As4S4-Molekül sind die Verbindungen 31P- NMR-spektroskopischen Untersuchungen zugänglich. Die Phosphoratome des a-P4S4 (A4-Spinsy- stem) ergeben im 31P-NMR-Spektrum ein Singu- lett bei 202,4 ppm [10]. Durch Arsen substituierte A4B4-Verbindungen müssen bei 31P-NM R-Unter- suchungen eine ähnliche chemische Verschiebung zeigen. Mit Ausnahme von P3AsS4, das ein AB2- Spinsystem besitzt, sind für die anderen Moleküle Singuletts zu erwarten.
Verbindung Multiplizität Spinsystem 5 [ppm] Kopplungs-konst.•/ab [Hz]
Ad*[ppm]
a-P4S4 Singulett a 4 202,6 0P3AsS4 Triplett AB, 203,5 7,3 0,9
Dublett 208,3 5,7P,A siS4(I) Singulett a 2 212,3 - 9,7P,A s,S4(II) Singulett a 2 210,0 - 7,4PAs3S4 Singulett 214,0 — 11,4
Tab. IV. 31P-NM R-Daten substituierter A,B,-M oleküle.
bezogen auf a-P4S4
As8S8 As8S7Se A s8S6SeT553 K R.T. [4] 553 K R.T. 553 K R.T.
a[pm] 1010,4(4) 995,7 1014,1(2) 999,3 1018,8(4) 1003,9b [pm] 946,0(3) 933,5 943,9(2) 931,4 943,1(5) 930,6c [pm] 894,7(3) 888,9 900,3(2) 894,5 906,1(4) 900,2ß[°]v
102,56(3) 102,56(2) 102,60(5)m o l
[cm3/mol] 125,67(5) 121,5 126,65(3) 122,4 127,92(6) 123,7
Tab. V. Gitterkonstanten der Mischkristalle mit /?-As4S4- Struktur.
1180 R. Blachnik et al. • Gläser und Verbindungen im System P4S4- A s 4S4-A s 4Se4- P 4Se4
Proben der Zusammensetzungen P8S8, P6As2S8 und P2As6S8 wurden 31P-NMR-spektroskopisch untersucht. Neben den bekannten A4B3-Molekü- len [19] wurden alle P4_„As„S4-Moleküle (n = 1-3) gefunden. In Tab. IV sind ihre spektroskopischen Daten aufgelistet. Das P3AsS4-Molekül ließ sich durch sein AB2-Spinsystem leicht identifizieren. Die Zuordnung der anderen Moleküle erfolgte zum einen über die Veränderung der Signalintensitäten mit dem Phosphorgehalt und zum anderen durch die Analyse der Änderung der chemischen Verschiebungen: Ersetzt man in a-P4S4 ein Phosphoratom durch Arsen, so wird das Molekül verzerrt. Die dadurch verursachte Winkelaufweitung betrifft vorwiegend die Bindungswinkel der dem Arsen gegenüberliegenden Phosphoratome, die Umgebung am benachbarten Phosphorkern ändert sich nur unwesentlich. So zeigt, verglichen mit a-P4S4, im P3AsS4 das dem Arsen benachbarte P- Atom eine Erhöhung der chemischen Verschiebung um nur +0,9 ppm, während die beiden gegenüberliegenden P-Atome eine deutliche Erhöhung von +5,7 ppm aufweisen. Für die beiden P2As2S4-Isomere folgern wir, daß das Singulett der Verbindung (I) wegen ihrer stärkeren Verzerrung bei tieferem Feld (212,3 ppm) liegt als das des weniger verzerrten Isomers (II) (210,0 ppm).
Zur Klärung der Frage, ob substituierte Moleküle des Typs As4S4_„Se„ (n = 0, 1,2, 3, 4) am Aufbau der Mischkristalle mit a-As4S4-Struktur beteiligt sind, wurden Proben mit der Zusammensetzung As8S6Se2, As8S4Se4 und As8S2Se6 durch
A J kd j p a j p <X̂pAs<S* As4S3Se As<S2Se2 (I)
As4S2Se2(ll) As4SSe3 As4Se4
Abb. 5. Die sechs A4B4-Moleküle (mit A = As und B = S, Se).
Massenspektroskopie und HPLC untersucht. D abei bewies das Auftreten entsprechender Molekül- massenpeaks eindeutig, daß die Mischkristalle aus allen substituierten A4B4-Molekülen aufgebaut sind, die mit Ausnahme des unlöslischen As4Se4 bei HPLC-Untersuchungen getrennt und detek- tiert werden konnten. Abb. 5 zeigt die sechs möglichen Moleküle, eine Unterscheidung von As4S2Se2(I) und (II) war durch beide Untersuchungsmethoden nicht möglich.
Im quaternären System konnten Moleküle der Form P4_„As„S4_mSem nachgewiesen werden, eine zweifelsfreie Zuordnung ihrer 3IP-NMR-Signale war jedoch bisher nicht möglich.
Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemischen Industrie für die Unterstützung dieser Arbeit.
O Se # As O S
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