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Wertschöpfung durch Wertschätzung
OP-AN Pflegefachtag München 15.03.2016
Prof. Dr. Renate Tewes
18.07.11
Biotop Operationssaal Waleczek H; Hofinger G (2012)
Flucht schwer möglich
hohe Interessenvielfalt (unterschiedliche Anreizsysteme für
verschiedene Berufsgruppen)
erheblicher Kostendruck (OP als Geldmaschine)
stetiger Zeitdruck
medizinischer Fortschritt erfordert immer neues Erlernen neuer
Techniken, was die Kalkulation der OP-Zeiten erschwert
Planabweichungen (Notfälle) als Normalzustand
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Kommunikation im OP misslingt häufig: einige Studien
30% der beobachteten Episoden im OP wiesen Fehler durch Kommunikation auf (Lingard, Espin, White et al., 2004) Hohe Korrelation zwischen Kommunikationsqualität und der Qualität des medizinischen Managements von Anästhesisten (St. Pierre, Hofinger, Buerschaper et al, 2004) Luftfahrtforschung 80% aller sicherheitsrelevanten Fehler hätten durch klare Kommunikation in guter Arbeitsatmosphäre entschärft oder beseitig werden können (Müller, 2003)
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Misslungene Kommunikation ist die häufigste Ursache für Behandlungsfehler Nagpal, K; Arora S; Vats A; Wong HW, Sevdalis N; Vincent C; Moorthy K (2012) Failures in commmunication and information trasfer across the surgical care pathway: interview study.
Interviewstudie (n=18) Chirurgen, Anästhesisten und OP-Pflegefachkräften
Ergebnisse
misslungene und fehlende Kommunikation des OP-Personals ist die
häufigste Ursache für eine erhöhte Erkrankungs- und Sterberate der
Patienten in der Chirurgie
fehlende Kommunikation zwischen Anästhesist und Chirurg häufig
unvollständige bzw. irrelevante Informationen bei den Übergaben häufig
standardisierter und systematisierter Kommunikationsprozess ist für die
Patientensicherheit essenziell
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Unterbrechungen während der Operation: irritierend oder gefährlich? Yoong W et al (2015) Interruptions and distractions in the gynaecological operating theatre: irritating or dangerous? Ergonomics 58/8: 1314-1319
Ausmaß der Unterbrechung: Level 1 hat wenig Konsequenzen Level 2 wirkt auf ein OP-Teammitglied Level 3 wirkt sich auf das ganze OP-Team aus
Ergebnisse
35 Operationen wurden beobachtet
Durchschnittliche Anzahl der Unterbrechungen betrug 26 x
davon 17x auf Level 2 bis Level 3
Durchschnittliche Verlängerung der OP-Zeit: 18.46 Minuten/OP
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4 Arten von Kommunikationsfehlern in OP-Sälen (n = 94)
Lingard et al (2004) Communication failures in the operating room: An obervations classification of recurrent types and effects. Quality and Safety in Healthcare 13: 330-334.
1. Kommunikation erfolgte zu spät (45,7%)
2. Information des Inhalts war unzureichend oder inadäquat (35,7%)
3. Mit der Kommunikation wurde nicht das erwartete Ziel erreicht (es erfolgte keine Reaktion bis es schließlich dringend wurde (24%)
4. Fehler, nicht mit allen relevanten Beteiligten zu kommunizieren (20,9%)
In etwa 30% der Teaminteraktionen traten Kommunikationsfehler auf, die die Patientensicherheit gefährdeten
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Ursachen für Fehlkommunikation im OP Waleczek Helfried; Hofinger, Gesine (2012) Kommunikation über kritische Situationen im OP - Schwierigkeiten, Besonderheiten, Anforderungen
Hierarchie verhindert Eingreifen von „Rangniederen“
Unternehmenskultur
mangelnde Erfahrung über schwierige (nicht-fachliche) Themen
zu sprechen
Persönlichkeiten
Müdigkeit
fehlende interprofessionelle Trainings zur Kollaboration
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Wirkung von Interprofessioneller Zusammenarbeit (IPC)
erhöht Patientensicherheit durch Fehlerreduktion Reeves et al (2010) Interprofessional teamwork for health and social care. Oxford: Wiley
wenn Organisationen die konstruktive Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen nicht systematisch unterstützen kommt es zu Machtkämpfen auf Kosten der Patienten Miller KL, Kontos P (2012) The intraprofessional and interprofessional relations o neurorehabilitation nurses: a negotiated oder perspecitive. Journal of Advanced Nursing 68/11: 1016-1027
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20% der Arbeitszeit gehen für Konflikte auf (Studie mit knapp 1000 kl. und mittleren Unternehmen, Petera & Gamm, 2008) 30-50% der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften werden mit Reibungsverlusten, Konflikten und deren Folgen verbracht (Studie KPMG, 2009) ein Konflikt kostet pro beteiligter Mitarbeiter € 643,- (Studie von Exenberger, 2007)
Konfliktkosten
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„Viele Patienten erleben die Visite als enttäuschend“ Prof. Dr. med. Linus Geisler, Internist WINEG Studie zur Patientenzufriedenheit mit Medizinern (TK, 2010) Deutliche Verbesserungspotenziale bezüglich: - Information - Kommunikation - Einbeziehung in die Entscheidungsfindung
Arzt-Patient Kommunikation als betriebswirtschaftlicher Luxus
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Unprofessionelle Kommunikation beherrscht den Pflegealltag (Tewes, 2010) Faktenorientiertes Abfragen statt „ganzheitlichem“ Zuhören in Pflegeanamnesen (Walther, 2001)
„Die Chaoskommunikation ist die Normalkommunikation in der Ambulanz“ (Lalouschek et al. 1990)
Pflegende- Patienten Kommunikation: leider keine Zeit dafür!
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Studie über Mitarbeitermotivation in der deutschen Wirtschaft: - 15% emotional engagierte MA - 24% innerlich gekündigt - 61% Dienst nach Vorschrift € 250 Mrd. Jahresminus durch erhöhte Fehlzeiten bei unmotivierten MA - Hauptursache: inadäquate Kommunikation
Unprofessionelle Kommunikation ist kostenintensiv
Gallup Engagement Index 2012
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21% der Behandlungsfehler bei Patienten ist auf fehlerhafte Kommunikation zurückzuführen ergab die Auswertung einer Haftpflichtversicherung für MA im Gesundheitswesen (Hoffmann & Yu, 2008)
Fehlkommunikation ist die Ursache für die häufigsten ärztlichen Fehler Auswertung einer Studie zu ärztlichen Fehlern in einer 600-Betten Klinik (Sutcliffe et al., 2004)
Unprofessionelle Kommunikation ist kostenintensiv
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Studie zu Rechtsstreits über Fehlbehandlungen aufgrund fehlerhafter Kommunikation durch Radiologen: - durchschnittliche Schadenshöhe $ 228.000 – $ 236.000 - gemessen an der Gesamthöhe von Entschädigungszahlungen an Kläger waren diese Zahlungen 15-mal höher als bei professioneller Kommunikation
Unprofessionelle Kommunikation ist kostenintensiv Brenner, James; Bartholomew, L (2005)
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„nurses eat their young“
Das Trauma des kalten Wasser‘s
eigene Erfahrung: „ins kalte Wasser geworfen“ zu sein, wird wiederholt
Einführung und Anleitung häufig zu kurz und zu unsystematisch
Integration des neuen Mitarbeiters erst nach Bewährung
eigene Vorurteile werden oft unreflektiert weitergegeben
Umgang mit neuen Mitarbeitern Tewes (2015) Führungskompetenz ist lernbar
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WHO Surgical Safety Checklist
perioperative Letalität sinkt um 47% 1, bzw. 62% 2
(je nach Studie)
Mortalität sinkt um 36% 1
reduziert Komplikationen um ein Drittel 5
verbessert die Kommunikation und Sicherheitskultur im OP 3
richtige Anwendung der Checklist setzt vorbildliche Umsetzung
durch die Führungskräfte und strukturierte Schulungen voraus 4
1. Haynes AB, Weiser TG, Berry WR et al (2009) A surgical safety checklist to reduce morbidity and mortality in a global population. N Engl J Med 360: 491-499.
2. Weiser TG, Hanyes AB, Dziekan G et al. (2010) Effect of a 19-item surgical safety checklist during urgent operations in a global patient populatio. Ann Surg 251:976-980. 3. Takala RS, Pauniaho Sl, Kotkansalo A et al. (2011) A pilot study of the implementation of WHO surgical checklist in Finland: Improvements in activities and communication. Acta Anaesthesiol. Scan 55:1206-1214. 4. Sewell M, Adebibe M, Jayakumar P et al (2011) Use of the WHO surgical safety checlist in trauma and orthopaedic patients. Int Orthop 35: 897-901 5. Labs, Ariadne (2013) http://www.hsph.harvard.edu/news/features/gawande-ariadne-labs-opens/
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Anwenden der WHO surgical safety checklist außerhalb des OP‘s Braham DL, Deborah L, Richardson AL, Malik IS (2014) Application of the WHO surgical safety checklist outseid the operating theatre: medicine can learn from surgery. Clinical Medicnice 14/5: 468-474.
Einsatz einer angepassten Version der chirurgischen
Sicherheitscheckliste im Herzkatheterlabor
reduzierte Beinahefehler
verbesserte die Dokumentation
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Die größten Effekte von interprofessioneller Zusammenarbeit:
reduziert Krankheitsrate und Fluktuation bei ITS- MA
(Meurling et al, 2013)
bei Patienten mit komplexen Erkrankungen (Jacobson, 2012)
bei Patienten mit chron. Krankheiten (Virani, 2012)
WHO hat 2010 einen Aktionsplan zur Umsetzung von IPC und IPE vorgelegt
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Dr. Eric Hempel
Sigrid Schlecht-Reichert
Christof Düro
RESPEKT-Team
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Häufigste Gründe für den Einsatz des RESPEKT-Teams
Kommunikationskonflikte im Krankenhaus
hohe Fluktuations- und Krankheitsraten
Berufsgruppen arbeiten gegeneinander statt
miteinander
Wunsch, eine etablierte Lästerkultur zu ändern
Vorbereitung auf die demografischen
Veränderungen
finanzielle Verluste durch Kommunikationsfehler
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Fazit
Kommunikation ist Führungsaufgabe!
Illusion einer hilfreichen Hierarchie aufgeben
Kommunikation ist ein sicherheitsrelevantes Kriterium (harter Faktor)
Lästerkultur ist ein großer Energiefresser, der Mitarbeiter belastet
interprofessionelle Kommunikationstraining reduzieren Fehler und
verbessern die Teamatmosphäre
Einarbeitung neuer Mitarbeiter bedarf besonderer Aufmerksamkeit
nach Notfällen sind Nachbesprechungen wichtig, in denen auch die
Emotionen re-integriert werden können ( second victim: Wu, 2000)
18.07.11
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit
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Brenner RJ(1), Bartholomew L ( 2005) Communication errors in radiology: a liability cost analysis. J Am Coll Radiol. May;2(5):428-31. Hoffmann J, Yu W (2008) Medical malpractices cases involving nurses (and often physicians) Forum 26/2: 3-5 Lingard, L; Espin S; Whyte, S; Regehr G; Baker GR; Reznick R et al (2004) Communication failures in the operating room: an observational classification of recurrent types and effects. Quality and Safety in Health Care 13: 330-334. Miller KL, Kontos P (2012) The intraprofessional and interprofessional relations o neurorehabilitation nurses: a negotiated oder perspecitive. Journal of Advanced Nursing 68/11: 1016-1027 Müller M (2003) Soziale Intelligenz und Kompetenz: Ein Werkzeug für Risikomanagement und Fehlervermeidung. Zeitschrift für Allgemeinmedizin 79: 345-350. Nagpal, Kamal; Arora Sonal; Vats Amit; Wong Helen W, Sevdalis N; Vincent C; Moorthy K (2012) Failures in commmunication and information trasfer across the surgical care pathway: interview study. BMJ Quality & Safety Online First 10.1136/bmjqs-2012-000886 Reeves et al (2010) Interprofessional teamwork for health and social care. Oxford: Wiley St.Pierre M; Hofinger G; Buerschaper C (2011) Notfallmanagement. Human Factors in der Aktumedizin. 2. aktualisierte Auflage. Berlin: Springer Sutcliffe M, Lewton E, Rosenthal M (2004) Communication failures: an insidious contributor to medical mishaps. Academic Medicine 79/2: 186-194 Waleczek Helfried; Hofinger, Gesine (2012) Kommunikation über kritische Situationen im Op- Schwierigkeiten, Besonderheiten, Anforderdungen. In Hofinger G (Hrg) Kommunikation in kritischen Situationen. 151-168. Frankfurt/Main: Verlag für Polizeiwissenschaft. Wu A (2000) Medical error: the second victim. The doctor who makes the mistake needs help too. BMJ 320: 726-727. Yoong W et al (2015) Interruptions and distractions in the gynaecological operating theatre: irritating or dangerous? Ergonomics 58/8: 1314-1319
Referenzen
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gemeinsam Stärken stärken und neue Schritte wagen…
Prof. Dr. Renate Tewes 18.07.11