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Vorlesung Theoretische Physik IMechanik
noch unvollständig,Fehler im Skript mir bittemitteilen!G.I.
26. Januar 2006
Inhaltsverzeichnis1 Einführung 3
1.1 Physikalische Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Einordnung der Theoretischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.3 Historisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2 Raum, Zeit, Bezugssystem 52.1 Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2 Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.3 Bezugssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
3 Kinematik eines Massenpunktes 73.1 Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73.2 Das begleitende Dreibein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73.3 Bahn- und Zentripetalbeschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83.4 ebene Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
4 Relativbewegungen 11
5 Newton’sche Axiome 195.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195.2 Newton’s Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195.3 Bemerkungen zu den Axiomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
6 Kräfte 216.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216.2 Konservative Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226.3 Zentralkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1
INHALTSVERZEICHNIS 2
7 Erhaltungssätze 257.1 Energiesatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257.2 Impulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267.3 Drehimpulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277.4 Schwerpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
8 Einfache Anwendungen 308.1 Ungedämpfter linearer harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . 308.2 Gedämpfter linearer harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358.3 Erzwungene Schwingungen - Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
9 Das Keplerproblem 44
10 Der Duffing-Oszillator 49
11 Prinzipien der Mechanik 5511.1 Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5511.2 Prinzip der virtuellen Arbeit (Verrückungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5611.3 Hamilton’sches Prinzip (1834) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5811.4 Ableitung der Lagrange’schen-Gleichungen aus dem Hamilton-Prinzip . . . . 60
11.4.1 Lagrange-Gleichungen in kartesischen Koordinaten ohne Nebenbedin-gungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
11.4.2 Lagrange-Gleichungen 2. Art (mit Nebenbedingungen) . . . . . . . . 6011.4.3 Lagrange-Gleichungen 2. Art in verallgemeinerten Koordinaten . . . . 61
11.5 Beispiel für die Lagrange-Gleichungen 2. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6111.6 Hamilton’sche kanonische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6211.7 Beispiel für die Hamilton’schen Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6311.8 Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
12 Mechanik des starren Körpers 6512.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6512.2 Der Trägheitstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6712.3 Der Drehimpuls des starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7312.4 Die Bewegungsgleichungen des starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
12.4.1 Kräftefreier Kreisel ( ~M = 0) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7612.4.2 Schwerer Kreisel ( ~M 6= 0) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
12.5 Die Erde als Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
1 EINFÜHRUNG 3
1 Einführung
1.1 Physikalische Theorien
• Ordnung vieler experimenteller Ergebnisse;Erklärung durch wenige Größen und Gesetze;Isolierung des Problems vom Umwesentlichen, dazu Vernachlässigungen nötig;Aus wenigen ”gesetzten” (in Übereinklang mit der Erfahrung) Gesetzen Aufbau einerlogisch einwandfreien Theorie mit mathematischen Hilfsmitteln
• Induktion und Deduktion;Voraussagen möglich auch zu bisher unbekannten Sachverhalten(Bsp.: 1846 Neptun entdeckt, vorausgesagt aus Störung der Uranusbahn. 1930 Plutoentdeckt, vorausgesagt aus Störung der Neptunbahn.Voraussage Neutron, Neutrino)
• ”Prüfstein Praxis”:Gültigkeit der physikalischen Theorie nicht beweisbar, aber Ungültigkeit beweisbar.(äußerste Asymmetrie: ein einziges Experiment, das die Verletzung des Energiesatzeszeigt, verwirft den Energiesatz)physikalische Theorie weniger ”richtig oder falsch”, eher ”brauchbar oder nicht brauch-bar”
1.2 Einordnung der Theoretischen Mechanik
• ”Theorie vom Gleichgewicht und der Bewegung von Körpern unter dem Einfluss vonKräften”
• historische BedeutungMuster einer TheorieTechniken übertragbarLaplace’scher DämonZusammenhang mit anderen Gebieten der theoretischen Physik
• Grenzen der klassischen theoretischen PhysikGrenzfall allgemeinerer Theorien:spezielle Relativitätstheorieallgemeine RelativitätstheorieQuantenmechanikTeilchen-Welle-Dualismus
1.3 Historisches
Auswahl einiger Höhepunkte:
1 EINFÜHRUNG 4
Altertum:Archimedes (-287 bis -212):Hebelgesetz, Auftrieb, Flaschenzug
Mittelalter:geprägt durch Überlieferungen der Werke des Aristoteles
14. Jahrhundert:Entwicklung der StatikBsp.: Leonardo-da-Vinci-Kräfteparallelogramm
Kepler (1571 - 1630):Kepler’sche Gesetze, verbindet die Planetenbewegung mit physikalischen Ursachen(Sonne, Sitz der Kraft, Annahme F ∼ 1
r)
Galilei (1564 - 1642):Fallgesetz, Trägheitsprinzip, schiefe Ebene, schiefer Wurf, F∼ a, auf Planetenbewegungnicht angewendet
Huygens (1629 - 1695):krummlinige Bewegung (Zentripetalkraft, Fliehkraft), Pendeluhr, Impulssatz
Toricelli (1608 - 1647):Barometer, Hydro-, Aeromechanik
v. Guericke (1602 - 1686):Vakuum, Luftpumpe, Barometer
Newton (1643 - 1727):”philosophiae naturalis principia mathematica” 1686/87:in sich geschlossene Theorie, systematische Verknüpfung der Begriffe Masse, Kraft,Impuls, Gravitationsgesetz (F ∼ 1
r2 ) umfasst irdische und Himmelsbewegungen
Euler (1707 - 1783):Mechanik des starren Körpers, Kreisel, Hydromechanik
D. Bernoulli (1700 - 1782):Hydromechanik
Maupertuis (1698 - 1759):1747 Prinzip der kleinsten Wirkung
Lagrange (1736 - 1813):1788 ”Mechanique Analytique”
Hamilton (1805 - 1865):
2 RAUM, ZEIT, BEZUGSSYSTEM 5
Einstein (1879 - 1955):1905 spezielle Relativitätstheorie1916 allgemeine Relativitätstheorie
Heisenberg (1901 - 1975):1925 Quantenmechanik
Schrödinger (1887 - 1961):1926 Quantenmechanik, Schrödingergleichung
2 Raum, Zeit, Bezugssystem
2.1 Raum
Vorstellungen vom Raum:
• Inbegriff des Nebeneinanders der Dinge, der örtlichen Relation der DingeBsp.: Aristoteles, Descartes, Huygens
• Raum ist ”leere Schachtel”, existiert unabhängig von den darin befindlichen Körpernhomogen und isotropBsp.: Newtons absoluter Raumeuklidische Geometrie: Winkelsumme im Dreieck gleich 180 Grad(dl)2 = (dx)2 + (dy)2 + (dz)2
• Raum hat Struktur, abhängig von den enthaltenen Massen,nichteuklidische Geometrie: Winkelsumme im Dreieck ungleich 180 Grad
(dl)2 =3∑
i,j=1gijdxidxj,
die gij beschreiben die MetrikBsp.: Einstein, allgemeine Relativitätstheorie
2.2 Zeit
Vorstellungen von der Zeit:
• Newton’s absolute Zeit
• Relativität der Zeit, Relativitätstheorieeindimensionale Zeit und eindimensionaler Raum: verschiedene Orte bei gleicher Zeitunmöglichideale Mechanik: Zeitrichtung umkehrbarBsp.: Mondfinsternis für Vergangenheit berechnen
2 RAUM, ZEIT, BEZUGSSYSTEM 6
2.3 Bezugssystem
• fester Verbund von Messgeräten
• in unterschiedlichen Bezugssystemen i. allg. verschiedene MessergebnisseBsp. Labor, fahrender Zug, ”Fixsternsystem”
• Inertialsystem ist ein spezielles Bezugssystem, in dem das Galilei’sche Trägheitsprinzipgilt.(Körper in Ruhe oder gleichförmiger geradliniger Bewegung, wenn keine Kraft auf ihneinwirkt)
3 KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES 7
3 Kinematik eines Massenpunktes
3.1 Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung
x
y
zr(t)�
r(t dt)+� dr
�Abb. 3.1 : Ortsvektor
Ort: wird durch den Ortsvektor ~r beschrieben
Geschwindigkeit: ~v(t) =d~r
dt= ~r
Beschleunigung: ~a(t) = ~r =d2~r
dt2= ~v =
d~v
dt
in kartesischen Koordinaten:
~r(t) = x~e1 + y~e2 + z ~e3
~ei : Einheitsvektoren :
„Kronecker− Symbol“ ~ei · ~ej = δij =0 i 6= j1 i = j
~v(t) = x · ~e1 + y · ~e2 + z · ~e3
~a(t) = x · ~e1 + y · ~e2 + z · ~e3
3.2 Das begleitende Dreibein
•z
yx
r(t)�
r(t dt)+�
T�dr
�
•s(0)
s(t)
Abb. 3.2 : Tangenteneinheitsvektor
Anpassung des Koordinatensystemsan die Bahnkurve
Bogenlänge s
ds =√
(dx)2 + (dy)2 + (dz)2 = |d~r|,mit v =
ds
dt→ ds =
√x2 + y2 + z2 dt = vdt
~T =d~r
ds
Tangenteneinheitsvektor
3 KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES 8
~T und d~T sind zueinander ⊥
Krümmungs-mittelpunkt•
dT�
T�
T dT+� �
dϕ�
ρ
90°
N�r�ds �
Abb. 3.3 : Hauptnormalen-einheitsvektor
|d~T | = dϕ|~T | = dϕ
ds = ρdϕ = ρ|d~T |
|d~T
ds| = dϕ
ρdϕ=
1
ρ= κ Krümmung
ρ = Krümmungsradius
~N =d~Tds
|d~Tds|
= ρd~T
ds
Hauptnormaleneinheitsvektor
Dritter Vektor des begleitenden Dreibeins ist der Binormaleneinheitsvektor:
~B = ~T × ~N
Binormaleneinheitsvektor
τ = |d~B
ds| ist die Windung, ρτ =
1
τist der Windungsradius.
3.3 Bahn- und Zentripetalbeschleunigung
(ausgedrückt im mitbewegtem Koordinatensystem)
~v =d~r
dt=
d~r
ds
ds
dt= v ~T
~a =d~v
dt=
d
dt(v ~T ) = v ~T + v ~T
~T =d~T
dt=
d~T
ds
ds
dt=
~N
ρv
⇒ ~a = v ~T +v2
ρ~N,
3 KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES 9
der erste Teil der Summe steht dabei für die Tangentialbeschleunigung, der zweite für dieZentripetalbeschleunigung.
3 KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES 10
3.4 ebene Polarkoordinaten
y
x
r�v�
ϕxe
�ye�
re�
eϕ�
Abb. 3.4 : ebene Polarkoordinaten
x = r cos ϕy = r sin ϕ|~r| = r =
√x2 + y2
ϕ = arccos xr
= arcsin yr
~er = ~ex cos ϕ + ~ey sin ϕ
~eϕ = −~ex sin ϕ + ~ey cos ϕ
~er = −~ex sin ϕ · ϕ + ~ey cos ϕ · ϕ = ϕ · ~eϕ
~eϕ = −~ex cos ϕ · ϕ− ~ey sin ϕ · ϕ = −ϕ · ~er
~r = r~er
~v = ~r = r ~er︸︷︷︸Radialgeschwindigkeit
+ ϕ ~eϕ︸︷︷︸Azimutgeschwindigkeit
~a = ~v = ~r = r ~er + r ~er + rϕ ~eϕ + rϕ ~eϕ + rϕ ~eϕ
= r ~er + 2rϕ ~eϕ + rϕ ~eϕ − rϕ2~er
= (r − rϕ2)~er︸ ︷︷ ︸Radialbeschleunigung
+ (2rϕ + rϕ) ~eϕ︸ ︷︷ ︸Azimutalbeschleunigung
4 RELATIVBEWEGUNGEN 11
4 RelativbewegungenΣ Inertialsystem
x y
z
x′
y′
z′ω�
r�
0r�r�
O
O′
Σ ′Σ
Abb. 4.1: bewegtes Bezugssystem
~ω: Drehachse von Σ′ (axialer Vektor)|~ω| = ω = dϕ
dt
z.B: Σ mit Sonne fest verbunden, Σ′ mit Erde fest verbunden
~r = x~ex + y ~ey + z ~ez
~r ′ = x′ ~ex′ + y′ ~ey
′ + z′~ez′
d~r
dt= ~r = x ~ex + y ~ey + z ~ez ( ~ex = ~ey = ~ez = 0)
d~r ′
dt= ~r
′= x′ ~ex
′ + x ~ex′+ y′ ~ey
′ + y ~ey′+ z′~ez
′ + z ~ez′
x′ ≡ d′dt
x′ zeitliche Änderung der x′ Komponente von ~r ′, gemessen von mit Σ′ bewegtemBeobachterddt
~e′ =?
4 RELATIVBEWEGUNGEN 12�( )xe t′�( )xe t dt′ +
�xde′�
α
dϕ
sin( )α
ω�
O´
Abb. 4.2: Drehung um diemomentane Drehachse
~ex′ = ~ex
′(t)
in Zeit dt bewegt sich ~ex′ auf Kreisbahn
~ex ⇒ ~ex + d~e′x = ~ex′(t + dt)
Winkel zwischen ~ω und ~ex′: α
⇒ Abstand Vektor / Drehachse:sin α (|~ex
′| = 1)
|d~ex′| = dϕ sin α
= ω sin αdt
⇒ |d~ex′
dt| = ω sin α
d~ex′
dt= ~ω × ~ex
′ d~ex′
dt⊥~ω⊥~ex
′
d~r ′
dt=
d′~r ′
dt︸ ︷︷ ︸↪→(1)
+ ~ω × ~r ′︸ ︷︷ ︸↪→(2)
(1): zeitliche Änderung von ~r ′ in Bezug auf Σ′
(2): zeitliche Änderung von ~r ′ infolge der Drehung
Operator: ddt
= d′dt
+ ~ω×
~r = ~r0 + ~r ′
~v = ~v0 + ~r ′
~v = ~v0 + ~vrel + ~ω × ~r ′
~v0 + ~ω × ~r ′: Führungsgeschwindigkeit infolge Bewegung des neuen Bezugssystemsd~v
dt= ~a = ~v = ~v0 +
d
dt
(d′~r ′
dt+ ~ω × ~r ′
)
= ~a0 +d′2~r ′
dt2+ ~ω × ~vrel + ~ω × ~r ′ + ~ω ×
(d′~r ′
dt+ ~ω × ~r ′
)
~a = ~a0 + ~arel + 2 ~ω × ~vrel︸ ︷︷ ︸−Coriolisbeschl.
+ ~ω × (~ω × ~r ′)︸ ︷︷ ︸−Zentrifugalbeschl.
+d~ω
dt× ~r ′
︸ ︷︷ ︸−Zusatz
4 RELATIVBEWEGUNGEN 13
Zusatz: Effekt, wenn sich die Drehachse ändert
4 RELATIVBEWEGUNGEN 14
Bsp: Drehscheibe
�ω� x (t 0), x′ =
x (t 0 dt)′ = +
y (t 0 dt)′ = +
d r′ ′�
dr′�
dϕ
eϕ�y (t 0), y′ =
r (0)′�O
Abb. 4.3: gleichförmige Bewegungeines Zuges im rotierenden Bezugssystem
Σ raumfestΣ′ dreht sich um O mit ω
~ω = const. steht senkrechtauf der Zeichnungsebene
Annahme: Zug bewegt sich längs der x′-Achse mit konstanter Geschwindigkeit v′
Beobachter in Σ′: Zug hat in der Zeit dt die Strecke d′~r′ zurückgelegtBeobachter in Σ: Zug hat in der Zeit dt die Strecke d~r′ zurückgelegt
d~r ′ = d′~r′ + dϕ|~r′| ~eϕ = d′~r ′ + d~ϕ× ~r ′
d~r ′
dt=
d′~r ′
dt+ ~ω × ~r ′ (Geschwindigkeit)
d2~r ′
dt2=
d
dt
(d′~r ′
dt+ ~ω × ~r ′
)= ~arel + 2 ~ω × ~vrel + ~ω × (~ω × ~r′)
4 RELATIVBEWEGUNGEN 15
r (0)′� r (0)′�OO� �
Bahnkurve von Σ aus gesehen Bahnkurve von Σ′ aus gesehenBeobachter außerhalb der Scheibe: Beobachter auf der Scheibe:Spiralarm geradlinige Bewegung
Abb. 4.4: Bahnkurve des Zuges vom raumfesten und vom mitrotieren-den Beobachter aus gesehen
4 RELATIVBEWEGUNGEN 16
Bsp: Bewegung auf der rotierenden Erde
auf Sonne bezogen: Σ auf Erde: Σ′
0r�
r′�ρ′� ζ ′
�η′�
z′y′ψ
ω�
r�
Erde ( )′Σ
Sonne ( )Σ0R
�
ξ�
P
Abb. 4.5: Bewegung auf der rotierenden Erde
R0: Radius der Erdbahnr0: ErdradiusO: fest auf ErdoberflächeP : P = P (x, y, z) (Σ-System)P = P (x′, y′, z′) (Σ′-System)P = P (ξ′, η′, ζ ′) von “O” aus
x′ = ξ′ Richtung Osty′ = η′ Richtung Nordz′ = ζ ′ Richtung Oben
~r = ~R0 + ~r ′ = ~R0 + ~r0 + ~ρ ′
~v = ~R0 + ~vrel + ~ω × ~r ′ ~vrel =d′~r ′
dt=
d′~ρ ′
dt
~a = ~R0 + ~arel + ~ω × d′~r ′
dt+
d
dt(~ω × ~r ′)
~a = ~a0 + ~arel + 2 ~ω × ~vrel + ~ω × (~ω × ~r ′) +d~ω
dt× ~r ′
~arel =d′2~r ′
dt2=
d′2~ρ ′
dt2
nährungsweise kann man ~r ′ durch ~r0 ersetzen, wenn |~ρ ′| ¿ |~r ′|:
~a = ~a0 + ~arel + 2 ~ω × ~vrel + ~ω × (~ω × ~r0) +d~ω
dt× ~ro
Größenordung der Beiträge:
R0 ≈ 143, 5 · 109m ≈ 1, 5 · 1011m
ωES =2π
T=
2π
3, 2 · 107s≈ 2 · 10−7s−1
ωE =2π
86000 s≈ 7, 3 · 10−5s−1
d~ωdt: Erdachse wandert in 25700 Jahren einmal auf Kegelmantel herum (Präzession)
d~ωdt
< ~ωE
25700 a
4 RELATIVBEWEGUNGEN 17
Vergleich mit g = 10 m · s−2 (Erdbeschleunigung ),Annahme: |~vrel| = 1000km · h−1
|~a0| = |d2 ~R0
dt2| = ω2
ESR0 = 6 · 10−3m · s−2
|2 ~ω × ~vrel| = 4, 4 · 10−2m · s−2
|~ω × (~ω × ~r0)| < 3, 4 · 10−2m · s−2
|d~ω
dt× ~r0| < 5, 7 · 10−10m · s−2
~R0 = R0~er ⇒ ~R0 = R0ϕ~eϕ
~R0 = −R0ϕ2~er = −R0~ω
2ES~er
Beschleunigung für Beobachter auf der Erde (bei Vernachlässigung der Präzessionsbewegung)
~arel = ~a− ~a0 − 2~ω × ~vrel − ~ω × (~ω × ~r0)
in ~a enthalten
• Gravitationbeschleunigung der Sonne
~gS = −γMS
R20
~R0
R0
kompensiert sich mit ~a0
~gS + ~a0 = 0 mit ~a0 = ~R0 → |~a0| = ω2ESR0 → γMS
R20
= ω2ESR0
• Gravitationsbeschleunigung der Erde
~gE = −γME
r ′2~r ′
r ′≈ −γME
r20
~r0
r0
die Erde ist keine Kugel, sondern bildet ein Geoid:
4 RELATIVBEWEGUNGEN 18
0( r )−ω× ω×� � �Erdeg
�Erde 0g ( r )
g( )
− ω× ω×= ψ
� � � �ω�
ψ
Abb. 4.6: Gestalt der rotierenden Erde
~g(ψ) = ~gE − ~ω × (~ω × ~r)
~gPol = 9, 832ms−2
~g45◦ = 9, 806ms−2
~gAqua = 9, 780ms−2
näherungsweise: Erdoberflächestellt sich ⊥ zu ~g(ψ) ein.
⇒ ~arel = ~a− 2~ω × ~vrel + ~g
~ω = (0, ω cos ψ, ω sin ψ)
~g = (0, 0,−g)
x = ax − 2ω(z cos ψ − y sin ψ)
y = ay − 2ωx sin ψ
z = az + 2ωx cos ψ − g
5 NEWTON’SCHE AXIOME 19
5 Newton’sche Axiome
5.1 Vorbemerkungen
• Die Bewegungen finden in Newton’s absolutem Raum und absoluter Zeit statt.
• Die Länge eines bewegten Maßstabes, Zeitintervalle und Masse sind vom Bewegungs-zustand des Körpers unabhängig und in allen Bezugssystemen gleich.
• Gleichheit von träger und schwerer Masse
5.2 Newton’s Axiome
• lex prima (Trägheitsgesetz):Jeder Körper verharrt in Ruhe oder gleichförmiger geradliniger Bewegung, falls keineKräfte auf ihn einwirken.
m~r = const. für ~f = 0 (1)
• lex secunda (dynamische Grundgleichung):Die Änderung der Bewegung ist proportional und gleichgerichtet der einwirkendenKraft.
[m~r]• = ~f (2)
• lex tertia (actio = reactio, Wechselwirkungsgesetz):Die Wirkung ist stets gleich der Gegenwirkung. Die Wirkung zweier Körper aufeinanderist stets gleich und von entgegengesetzter Richtung.
~fij = −~fij (3)
Bei Newton sind weitere Folgesätze (”corollaries”) zu finden, z.B. das Superpositions-prinzip ~f =
∑i
~fi, Kräfte addieren sich wie Vektoren.
5.3 Bemerkungen zu den Axiomen
• [m~r]• = ~f
für ~f = 0 → m~r = const. (1)für m = const. → ~r = const.
• für m = const. → m~r = ~f
• [m~r]• = ~f gilt nur im Intertialsystem.Nichtinertialsysteme (m = const):
5 NEWTON’SCHE AXIOME 20
md′ 2~r ′
dt2= ~f −m~a0 − 2m~ω × ~vrel −m~ω × (~ω × ~r ′)−m~ω × ~r ′ (4)
Intertialsysteme: ~ω = 0, ~r0 = const, ~a0 = 0Die dynamische Grundgleichung ist der Form nach gleich in Intertialsystemen.
• Die dynamische Grundgleichung für 1 Massenpunkt führt i. allg. auf Differenzialglei-chungen 2. Ordnung:m~r = f(~r, ~r, t) (3 Dgl. 2. Ordnung)Lösung: ~r = ~r(t, ~r0, ~r0)~r0 Anfangsort~r0 Anfangsgeschwindigkeit
• Die dynamischen Grundgleichungen für N Massenpunkte(kein abgeschlossenes System, Aufteilung in innere und äußere Kräfte)i = 1, 2, ..., Nmi~ri = ~fi = ~f in
i + ~faussi 3 N Dgl. 2. Ordnung
Bsp.: Erde und Mond im Gravitationsfeld der Sonne, Sonne ”aufgespiesst”wegen (3), actio = reaction, gilt
~f inij = −~fm
ji
∑
i
mi~ri = ~fauss =∑
i
~faussi
Innere Kräfte kompensieren sich:∑
i,j
~f innij = 0.
6 KRÄFTE 21
6 Kräfte
6.1 Klassifizierung
eingeprägte (echte) Kräfte und Trägheitskräfte (Scheinkräfte)
Bsp. für eingeprägte Kräfte:Gravitationskraft; elektromagnetische Kraft; Reibungskraft; Federkraft
Bsp. für Trägheitskräfte:Zentrifugalkraft; Corioliskraft
Trägheitskräfte treten auf bei Beschleunigungen gegenüber einem Bezugssystem.Bsp.:
• Fahrstuhl bewegt sich beschleunigt aufwärts, nach unten wirkende Kraft auf Beobach-ter im Fahrstuhl
• Karussell dreht sich gleichförmig (entspricht beschleunigter Bewegung des Beobachtersim Sessel, verspürt Zentrifugalkraft)
”Scheinkräfte” (Trägheitskräfte) haben reale Wirkungen.
Zwangskräfte
Zwangskräfte treten auf, wenn Massenpunkte bei ihrer Bewegung an eine Fläche bzw. Kurvegebunden sind.
Bsp.: schiefe Ebene (Normalkraft), Schleifenbahn (krummlinige Bewegung)
innere und äußere Kräfte
Bsp.: Massenpunktsystem Sonne, Erde, Mond.Behandlung als Dreikörperproblem und als Zweikörperproblem (Sonne ”aufgespiesst”) abge-schlossenes System - offenes System
konservative (Potenzial-)Kräfte und nichtkonservative Kräfte
siehe 6.2.
Zentralkräfte und nicht zentrale Kräfte
siehe 6.3.
6 KRÄFTE 22
6.2 Konservative Kräfte
Eine Kraft ~f(~r) ist konservativ, wenn sie sich durch Gradientenbildung aus einer Ortsfunktion(dem Potenzial U(~r) ableiten lässt:
~f = −grad U(~r) (5)
= −5 U(~r) = −∂U
∂x~ex − ∂U
∂y~ey − ∂U
∂z~ez
Wenn das Kraftfeld ~f(~r) gegeben ist, lässt sich das Potenzial berechnen:
~fd~r = −∂U
∂xdx− ∂U
∂dy− ∂U
∂zdz = −dU
U(~r) = U(~r0)−~r∫
~r0
~f · d~r (6)
Potenziale sind nicht messbar, nur Potenzialdifferenzen = Energiedifferenzen
[~f ] = N=kgm
s2, [U ] = kg
m2
s2=J
Das Linienintegral∮ ~f · d~r längs eines geschlossenen Weges im Potenzialfeld ist für konser-
vative Kräfte gleich Null!∮
~f · d~r = 0 konservative Kräfte (7)
Für nichtkonservative Kräfte ist das Linienintegral wegabhängig und es gilt∮
~f · d~r 6= 0 nichtkonservative Kräfte (8)
Mit Hilfe des Stokes’schen Satzes∮ ~f · d~r =
∫rot ~f · d ~A erhält man
rot ~f = 0 konservative Kräfte (9)
rot ~f 6= 0 nichtkonservative Kräfte (10)
Struktur des Potenzialfeldes:
6 KRÄFTE 23
dr�
grad U
r�
Abb. 6.1 : Struktur des Potenzialfeldes
Äquipotenzialflächen:U(~r = const.)
Für die Äquipotenzialfläche gilt:
0 = dU =∂U
∂xdx +
∂U
∂ydy +
∂U
∂zdz = grad U · d~r = −~f · d~r
Daher ist grad U⊥d~r, ~f⊥d~r
|~f | ist groß, wenn die Äquipotenzialflächen dicht sind.~f wirkt in Richtung abnehmenden Potenzials, d. h. ein Massenpunkt bewegt sich zu kleinererEnergie hin.
Bsp. konservative Kräfte:Gravitationskraft; elektrostatische Kraft; magnetostatische Kraft; Federkraft
Bsp. nichtkonservative Kräfte:Reibungskraft; Corioliskraft
Gravitationsfeld der Erde
Abbildung fehlt!
~f = −γmM
r2
~r
rGravitationsgesetz (11)
U = U0 +
r∫
r0
γmM
r2dr
= U0 − γmM[1
r
]r
r0
= U0 − γmM
r+
γmM
r0
6 KRÄFTE 24
Die Integrationskonstante U0 wird so festgelegt, dass das Potenzial im Unendlichen ver-schwindet:
U = 0 für r →∞, ...U0 = −γmM
r0
U = −γmM
r(12)
An der Erdoberfläche (r = RE) ergibt sich wegen
~f = m~g = −grad U = −γmM
R2E
~er
g =γM
R2E
, (13)
wenn die Zentrifugalbeschleunigung nicht berücksichtigt wird.
6.3 Zentralkräfte
Kräfte, die von einem Zentrum ausgehen oder auf ein Zentrum gerichtet sind:
~f = F (~r, ~r, t)~r
(~r)(14)
Spezialfall:
~f = F (r)~r
r(15)
Bsp.: Gravitationsfeld einer elektrostatischen Kraft einer Punktladung
~f ist konservativ wegen
rot F (r)~r
r= rot F (r)~r = grad F (r)× ~r + F (r)rot ~r = 0
Es ist gradF (r)||~r (senkrecht zu zentrischen Kugelflächen) und rot ~r = 0.
7 ERHALTUNGSSÄTZE 25
7 ErhaltungssätzeAbleitung der Erhaltungssätze aus den Newton’schen Axiomen.Es ergeben sich 10 Erhaltungsgrößen:Energie (1), Impuls (3), Drehimpuls (3), Schwerpunkt (3).
7.1 Energiesatz
a) 1 Massenpunkt:
~f = m~r
~f · d~r = m~r · d~r = m~r · ~rdt = d(
1
2m~r 2
)= dT
T =1
2m~v 2 = kinetische Energie (16)
~f sei eine Potenzialkraft. Dann ist ~f · d~r = − grad U · d~r = −dU = dT .Die Summe aus kinetischer und potenzieller Energie ist konstant:
T + U = const. Energiesatz (17)
b) N Massenpunkte:Zwischen den Massenpunkten wirken innere Kräfte ~fij . Auf den Massenpunkt i wirkteine Kraft, die vom Massenpunkt j ausgeht. Wegen actio = reactio gilt ~fji = −~fij.Außerdem können an den Massenpunkten noch äußere Kräfte ~fauss
i angreifen. Für einabgeschlossenes System aus Massenpunkten gilt ~fauss
i = 0. Für den Massenpunkt i gilt
~fi = ~f inni + ~fauss
i =∑
i
~f innij + ~fauss
i = mi · ~ri
∑
i
~fi · d~ri =∑
i
mi~ri · d~ri =∑
i
mi~ri · ~ridt =
=1
2
∑
i
(mi~r
2
i
)=
∑
i
dTi = dT
T =∑
i
1
2mi~vi
2 = kinetische Energie (18)
Die Kräfte seien Potenzialkräfte. Dann ist∑
i
~f inni · d~ri = −∑
i
gradiUinn · d~ri = −dU inn
∑
i
~faussi · d~ri = −dUauss
7 ERHALTUNGSSÄTZE 26
Wegen dT = −dU inn − dUauss ergibt sich
T + U inn + Uauss = const. Energiesatz (19)
Die potenzielle Energie der inneren Kräfte hängt nur von den Abständen der Massen-punkte ab. Das folgt wegen der Beziehung ~fji = −~fij (actio = reactio)
Abbildung fehlt
und es ergibt sich
U inn =1
2
∑
i,j
U(|~rj − ~ri|)
7.2 Impulssatz
a) 1 Massenpunkt:
~f = m~r~fdt = m~rdt = md~r
t2∫
t1
~fdt =
t2∫
t1
md~r = m~v(t2)−m~v(t1)
~P = m~v = Impuls (20)
~P (t2)− ~P (t1) =
t2∫
t1
~fdt Impulssatz (21)
Der Impuls bleibt erhalten, falls keine Kraft einwirkt (~f = 0).
b) N Massenpunkte:
~fi = ~f inni + ~fauss
i =∑
j
~f innij + ~fauss
i = mi~ri
∑
i,j
~f innij dt +
∑
i
~faussi dt =
∑
i
mid~ri = d~P
~P =∑
i
~Pi =∑
i
mi~vi Impuls (22)
Mit∑i,j
~f innij = 0 wegen ~fji = −~fij und ~fauss =
∑i
~faussi ergibt sich
7 ERHALTUNGSSÄTZE 27
~P (t2)− ~P (t2) =
t2∫
t1
~faussdt Impulssatz (23)
Der Impuls bleibt erhalten, falls keine äußeren Kräfte auf das Massenpunktsystemeinwirken (~fauss = 0).
7.3 Drehimpulssatz
a) 1 Massenpunkt
~f = m~r
~r × ~fdt = m~r × ~rdt = d(m~r × ~r)
~M = ~r × ~f (24)
Drehmoment
~L = m~r × ~r = m~r × ~v = ~r × ~P (25)
Drehimpuls
Aus ~Mdt = d~L folgt:
~L(t2)− ~L(t1) =
t2∫
t1
~Mdt (26)
Drehimpulssatz
Der Drehimpuls bleibt erhalten, falls kein Drehmoment wirkt ( ~M = 0).
Beispiele:
– Kreisbewegung
Abbildung einfügen!
~v = ~r = ~ω × ~r~L = m~r × (~ω × ~r) = mr2~ω
– Masse bewegt sich längs einer Geraden: Drehimpuls hängt vom Koordinatenur-sprung ab
7 ERHALTUNGSSÄTZE 28
– Zentralkraft:~M = ~r × F (r)~r
r= 0
→ ~L = const.→ ebene Bahnkurve
b) N Massenpunkte:
~fi = ~f inni + ~fauss
i =∑
j
~f innij + ~fauss
i = mi~ri
∑
i,j
~ri × ~f innij dt +
∑
i
~ri × ~faussi dt =
∑
i
mi~ri × ~ridt
= d
(∑
i
mi~ri × ~ri
)
~L =∑
i
mi~ri × ~ri =∑
i
~ri × ~Pi (27)
Drehimpuls
~Mauss =∑
i
~Maussi =
∑
i
~ri × ~faussi (28)
Drehmoment der äußeren Kräfte
∑
i,j
~ri × ~f innij = 0 wegen ~f inn
ji = −~f innij :
∑
i,j
~ri × ~fij =1
2
∑
i,j
~ri × ~fij +∑
i,j
~rj × ~fji
=1
2
∑
i,j
(~ri − ~rj)× ~fij = 0
)
(siehe Abbildung!)
Daher folgt der Drehimpulssatz:
~L(t2)− ~L(t1) =
t2∫
t1
~Maussdt (29)
Drehimpulssatz
Der Drehimpuls bleibt erhalten, falls kein äußeres Drehmoment einwirkt.
7 ERHALTUNGSSÄTZE 29
7.4 Schwerpunktsatz
a) 1 Massenpunkt:trivial, Schwerpunkt fällt mit Massenpunkt zusammen
b) N Massenpunkte:
~fi = ~f inni + ~fauss
i =∑
j
~f innij + ~fauss
i = mi~ri
∑
i
~fi = ~faussi =
∑
i
mi~ri
wegen∑i,j
~f innij = 0
Definition des Schwerpunktes ~rs :
~rs =1
M
∑
i
mi~ri, M =∑
mi (30)
Schwerpunkt
Falls ~fauss = 0:~rs = 0
→ ~rs = ~vst + ~rs0 (31)
Schwerpunktsatz
Der Schwerpunkt bewegt sich auf einer Geraden mit konstanter Geschwindigkeit,falls keine äußeren Kräfte wirken.Erhaltungssatz:
~rs0 = ~rs −
~P
Mt = const. (32)
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 30
8 Einfache Anwendungen
8.1 Ungedämpfter linearer harmonischer Oszillator
Bsp.: Federschwinger, Federkonstante k
x0 xk( x)e− + �
�
0 xk e− ��
mg�
mg�
0�
Abb. 8.1: Federschwingera) Ruhelageb) Schwingfall
Die rücktreibende Kraft sei proportional zur Auslenkung.
a) Ruhelage:Kräftegleichgewicht 0 = mg − kl0→ l0 =
mg
k
b) Schwingfall:dynamische Grundgleichung: mx = mg − k(l0 + x) = −kx
→ x +k
mx = 0 (33)
lineare Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten
Lösungsansatz: x = eλt
Der Parameter λ ergibt sich als Lösung der charakteristischen Gleichung:
x +k
mx = (λ2 +
k
m)eλt = 0
→ λ1/2 = ±i
√k
m= ±iω0
Verschiedene Darstellungen der allgemeinen Lösung:
x(t) = x1(t) + x2(t)
= αeiω0t + βe−iω0t
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 31
= A cos(ω0t) + B sin(ω0t)
= C cos(ω0t + ϕ0)
Umrechnung der Konstanten:
A = α + β
B = i(α− β)
C2 = A2 + B2
tan ϕ0 = −B/A
Die Lösungen x1(t) und x2(t) bilden ein Fundamentalsystem (sind linear unabhängig), wennfür die Wronski’sche Determinante gilt:
∣∣∣∣∣x1 x2
x′1 x′2
∣∣∣∣∣ 6= 0.
Die beiden Konstanten der Lösung werden so festgelegt, dass das Anfangswertproblem x(0) =x0, x(0) = x0 gelöst wird.
x = x0 cos(ω0t) +v0
ω0
sin(ω0t) (34)
Der Parameter ω0 ist die Kreisfrequenz der Schwingung
ω0 =
√k
m(35)
Die Kreisfrequenz ist unabhängig von den Anfangswerten x0 und x0 und von der Schwin-gungsamplitude (Maximalauslenkung).Zusammenhang mit Frequenz ν0 und Schwingungsdauer T :
ω0 = 2πν0 =2π
T(36)
Diskussion:
1) Energiesatz:
x +k
mx = 0
xx +k
mxx = 0
d
dt(x2 +
k
mx2) = 0
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 32
→ m
2x2 +
k
2x2 = const. = E = T + U (37)
Die Federkraft ist eine Potentialkraft mit dem Potential
U =k
2x2 (38)
~f = −gradU = −∂U
∂x~ex = −kx~ex
U(x)
x
E
xmaxxmin
2kx
2
2mx
2�
x2max =
2E
k
x2max =
2E
mUmax = Tmax
Abb. 8.2: Potential U(x) des Federschwingers
2) Bedeutung des harmonischen Oszillators:Viele Potentiale sind in Nähe des Potentialminimums in eine Taylorreihe entwickelbarmit einem Anfangsglied ∼ x2
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 33
U(x) U(x)
x x
De
0a(x x ) 2eD (1 e )−−
x0
2kx
2
e
ka 2D=
Abb. 8.3: Harmonischer Oszillator als Näherung für a) Pendelschwingungen, b) Mole-külschwingungen
3) Lösung mit Hilfe des Energiesatzes:
m
2x2 + U(x) = E
Nur eine Integration notwendig, Trennung der Variablen:
dx
dt= ±
√2
m(E − U(x))
→ t− t0 = ±x∫
x0
dx√2m
(E − U(x))(39)
t(x) → x(t)
Form gut geeignet für numerische Integration.
4) Phasenraum:Raum aller Lage- und Impulskoordinatenhier: zweidimensionaler (x, p)-RaumZustand = Punkt im Phasenraum
P = mx
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 34
1
2mP 2 +
k
2x2 = E
→ P 2
a2+
x2
b2= 1 ,
a =
√2E
k= xmax, b =
√2mE = Pmax
b a
P
U
x
x
E
xmaxxmin
Abb. 8.4: Phasenraum des harmonischen Oszillators
Fläche im Phasenraum:
A = π · a · b = 2πE
√m
k=
2πE
ω0
=E
ν0
→ 1
ν0
=A
E
gilt allgemein: Periodischer Bewegung entspricht geschlossene Kurve im Phasenraummit
1
ν=
∂A(E)
∂E(40)
Planck (1900): A = (n + 12)h mit h = 6, 625 · 10−34Ws
Nur bestimmte Flächen sind im Phasenraum möglich, minimales Volumen im Phasen-raum"
→ E = (n +1
2)hν0 = (n +
1
2)hω0.
Nur diskrete Energiewerte möglich.
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 35
0ω�
0ω�
0ω�
102 ω�
x
U
n = 1
n = 2
n = 3
n = 4
Abb. 8.5: Energiequantelung beim harmonischen Oszillator
8.2 Gedämpfter linearer harmonischer Oszillator
x 0 xk( x)e− + ��
mg�
xx e−µ ��
0�
Ansatz einer Reibungskraft,die zur Geschwindigkeit ent-gegengesetzt gerichtet ist:fR = −µx
Abb. 8.6: gedämpfter Federschwingerdynamische Grundgleichung:
mx = −kx− µx
→ x + 2ρx + ω20x = 0 (41)
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 36
mit ω0 =
√k
m
(Kreisfrequenz des ungedämpften Oszillators) und 2ρ =µ
mµ: Reibungszahl, ρ: Dämpfungskonstante
Anatz: x = eλt
charakteristische Gleichung:(λ2 + 2ρλ + ω2
0)eλt = 0
→ λ1/2 = −ρ±√
ρ2 − ω20 = −ρ± i
√ω2
0 − ρ2
Allgemeine Lösung:
x = e−ρt(Ae+i√
ω20−ρ2t + Be−i
√ω2
0−ρ2t)
= Ce−ρt cos(√
ω20 − ρ2t + ϕ0)
(42)
1) ω0 > ρ, ”periodischer Fall” (kleine Reibung)
x = Ce−ρt cos(√
ω20 − ρ2t + ϕ0)
Bsp.: C = x0, ϕ0 = 0
x = x0eρt cos(
√ω2
0 − ρ2t) (43)
t
x
x0
τ 2τ 3τ
e-ρt
Abb. 8.7: Gedämpfter harmonischer Oszillator (periodischer Fall)
Schwingungsfrequenz:
ω =√
ω20 − ρ2 (44)
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 37
Schwingungsdauer τ =2π√
ω20 − ρ2
aufeinanderfolgende Maximalausschläge:
xmaxn+1
xmaxn
= e−ρτ
logarithmisches Dekrement:
δ = ρτ = ln
(xmax
n
xmaxn+1
)(45)
Maximalausschläge:
Max.ausschlag n t x1 0 0 x0
2 1 τ x0e−ρτ
3 2 2τ x0e−2ρτ
n n− 1 (n− 1)τ x0e−(n−1)ρτ
n + 1 n nτ x0e−nρτ
xMaxn+1
xMaxn
=e−nρτ
e−nρτeρτ→ xMax
n+1
xMaxn
= e−ρτ
2) ω0 < ρ, ”aperiodischer Fall”
x = Ce−ρt(i√
ρ2 − ω2t + ϕ0
), ϕ0 = ipsi0
= Ce−ρtch(√
ρ2 − ω20t + ψ0
)
Bsp.: C = x0, ψ0 = 0
→ x = x0e−ρtch
(√ρ2 − ω2
0t)
(46)
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 38
t
x
x0
e-ρt
Abb. 8.8: Gedämpfter harmonischer Oszillator, aperiodischer Fall
3) ω0 = ρ, aperiodischer Grenzfall
λ12 = −ρ± 0
→ x1 = e−ρt ist eine Lösung
weil Dgl. ..., muss 2. Lösung existieren (s. Theorie der linearen Dgl. mit konstantemKoeffizient: wenn die charakteristische Gleichung mehrfache Wurzeln hat (Vielfachheit2), ist auch te−λt eine Lösung.)
→ x2 = te−ρt
x = e−ρt(A + Bt) = e−ρt[x0 + (v0 + ρx0)t] (47)
wegen
x(0) = x0 = A
x(0) = v0 = B − ρA
t
x
x0
e-ρt
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 39
Abb. 8.9: Gedämpfter harmonischer Oszillator, aperiodischer Grenzfall
Energiebetrachtung:d
dt
(m
2x2 +
k
2x2
)= −µx2 < 0
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 40
8.3 Erzwungene Schwingungen - Resonanz
xf (t) e�
�
0 xk( x)e− + ��
mg�
xx e−µ ��
x
Abb. 8.10: Erzwungene Schwingung des gedämpften Federschwingers
mx = −kx− µx + f(t)
x + 2ρx + ω20x = f(t) (48)
mit
2ρ =µ
m
ω0 =
√k
m
f =f
m
inhomogene Dgl. 2.0., linear
Lösung: x = xhom.allg. + xinhom.
part.
spezieller Ansatz für f(t): harmonisch gestörter Schwinger
f(t) = f0eiωt = f0(cos(ωt) + i sin(ωt))
Ansatz für die partikuläre Lösung der inhomogenen Gleichung:
xinhom.part. = Aei(ωt−ϕ)
A(−ω2 + 2iρω + ω20)e
i(ωt−ϕ) = f0eiωt
→ A(−ω2 + 2iρω + ω20) = f0(cos ϕ + i sin ϕ) = f0e
iϕ
= α + iβ = z
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 41
A√
(ω20 − ω2)2 + 4ρ2ω2 = f0
tan ϕ =2ρω
ω20 − ω2
(49)
Realteil bilden: Lx = f
<e(Lx) = L<e(x) = <ef
xinhom.part. = A cos(ωt− ϕ) = f0 cos(ωt)
Lösung:
x = Ce−ρt cos(√
ω20 − ρ2t + ϕ0)
+A cos(ωt− ϕ)(50)
Schwingung erfolgt mit der Frequenz der Störung ω nach Abklingen des Einschwingvorgan-ges mit der Frequenz
√ω2
0 − ρ2.
Diskussion (der partikulären Lösung der inhomogenen Gleichung)
• A(ω), ϕ(ω) Amplitude und Phasenwinkel
A =f0
ω20
unabhängig von ρ
ω >> ω0:
A ≈ f0
ω√
ω2 + 4ρ2→ 0
Amax :dA
dω= 0 = −1
2
f0√3
[−4(ω2
0 − ω2)ω + 8ρ2ω]
→ 2ρ2 = ω20 − ω2
ωmax =√
ω20 − 2ρ2, existiert nur für ω0 >
√2ρ
ρ = 0 : ωmax = ω0, A →∞Amax =
f0
2ρ√
ω20 − ρ2
nur für ω20 > 2ρ2)
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 42
ω << ω0:
A =f0
ω20
√(1− x2)2 − 4ρ2
ω20
x2
x =ω
ω0
≈ f0
ω20
[1 + αx2] α = 1− 2ρ2
ω20
π
π/2
0.3110
0.3110
ω0
A
ω
020
f
ω0.01ρ =
0.01ρ =
Abb. 8.11: Amplitude und Phasenverschiebung der erzwungenen Schwingung
• ResonanzfallBsp.: Brücke, Geige
Resonanzkatastrophe
• allgemeinerer Verlauf der erzwingenden Kraft:
f(t) =∑ν
fνeiωνt
(Fourierentwicklung für periodische Vorgänge)wegen Linearität der Dgl. Superposition:
xinh.part. =
∑ν
Aνei(ωνt−ϕν)
8 EINFACHE ANWENDUNGEN 43
nichtperiodischer Kraftverlauf: Fourierintegral
f(t) =∫
f(ω)eiωtdω
xinh.part. =
∫A(ω)ei(ωt−ϕ(ω))dω
9 DAS KEPLERPROBLEM 44
9 Das KeplerproblemBewegung einer Masse m im Gravitationsfeld einer Masse M .Bewegungsgleichung:
m~r = ~f = −γmM
r2
~r
r(51)
γ = 6, 67 · 10−11m3/s2kgGravitationskonstante
• Potenzialkraft
U(r) = U(r0)−r∫
r0
~f · d~r
Mit U(∞) = 0 ergibt sich
U = −r∫
∞
~f · d~r = −γMm
r(52)
• Zentralkraft:Drehimpuls ~L bleibt erhalten wegen ~r × ~f = ~M = 0→ m~r × ~r = ~L = const.Die Bewegung erfolgt daher in einer Ebene und es gilt der Flächensatz:
d ~A =1
2(~r × d~r) =
m
2m(~r × ~r)dt =
1
2m~Ldt
→ d ~A
dt=
~L
2m= const. (53)
Abb. 9.1: Flächensatz
2. Kepler’sches Gesetz:”Fahrstrahl überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen”
Darstellung von Gl. (51) in ebenen Polarkoordinaten:Mit ~r = r~er, ~er = ϕ~eϕ, ~eϕ = −ϕ~er ergibt sich
~r = (r − rϕ2)~er︸ ︷︷ ︸Radialbeschleunigung
+ (2rϕ + rϕ)~eϕ︸ ︷︷ ︸Azimutalbeschleunigung
(54)
r − rϕ2 + γMr2 = 0
2rϕ + rϕ = 0(55)
9 DAS KEPLERPROBLEM 45
Lösung dieses Differenzialgleichungssystems unter Berücksichtigung der Anfangsbedingun-gen
r(0) = r0, r(0) = r0, ϕ(0) = ϕ0, ϕ(0) = ϕ0
durch numerische Integration möglich (s. Seminar). Analytische Lösung über Energiesatz:
T + U =m
2~r
2 − γMm
r= E (56)
Mit ~r = r~er + rϕ~eϕ, ~r2
= r2 + r2ϕ2
und ~L = m~r × ~r = mr2ϕ~ez, ~L2 = m2r4ϕ2
ergibt sich:m
2r2
︸ ︷︷ ︸Tr
+L2
2mr2− γMm
r︸ ︷︷ ︸Ueff
= E (57)
Tr
E
Ueff
Ueff
Emin
r
Tr + Ueff = E
Abb. 9.2a) Radialbewegung im Potenzialfeld Ueff
b) harmonischer Oszillator zum VergleichAus Gl. (57) ergibt sich
r =dr
dt=
dr
dϕ
dϕ
dt=
dr
dϕ
L
mr2
=
√2E
m− L2
m2r2+
2γM
r
→ ϕ− ϕ0 =
r∫
r0
dr
mr2
L
√2E
m− L2
m2r2+
2γM
r
(58)
9 DAS KEPLERPROBLEM 46
Das Integral kann mit Hilfe der Suestitution z = 1/r in ein Grundintegral überführt werden:
ϕ− ϕ0 = arccos
1
r− γMm2
L2√2Em
L2+
γ2M2m4
L4
(59)
r =
L2
γMm2
1 +
√1 +
2EL2
γ2M2m3cos(ϕ− ϕ0)
(60)
Festlegung: r(0) = rmin, ϕ(0) = 0 → ϕ0 = 0.
Gleichung () entspricht der Polargleichung eines Kegelschnittes:
r =p
1 + ε cos ϕ(61)
mit
p =b2
a=
L2
γMm2(62)
= ”Parameter”
ε =c
a=
√1 +
2EL2
γ2m3M2(63)
= ”numerische Exzentrizität”Als Beispiel eines Kegelschnittes ist in Abb. 9.3 eine Ellipse dargestellt, dann sind a und b diebeiden Halbachsen, 2c ist der Abstand der beiden Brennpunkte F1 und F2. Im BrennpunktF1 befindet sich die Masse M(1. Kepler’sches Gesetz).
b
a
c ϕr
ξ, x
yη
cp
F1F2
Abb. 9.3: Ellipse
9 DAS KEPLERPROBLEM 47
Die Gleichung der Ellipse lautet in kartesischen Koordinaten
ξ2
a2+
η2
b2=
(x− c)2
a2+
y2
b2= 1 (64)
Mit r =√
x2 + y2, cos ϕ = x/√
x2 + y2 ergibt sich aus der Polargleichung (7...)
x2(1− ε2) + 2pεx + y2 − p2 = 0 (65)
Diese Gleichung hat die Gestalt einer allgemeinen Kurve 2. Ordnung (Kegelschnitt)
c1x2 + 2c2xy + c3y
2 + 2c4x + 2c5y + c6 = 0 (66)
mit
δ =
∣∣∣∣∣c1 c2
c2 c3
∣∣∣∣∣ =
∣∣∣∣∣1− ε2 00 1
∣∣∣∣∣ = 1− ε2
Der Parameter δ bestimmt die Form des Kegelschnittes (Ellipse, Parabel, Hyperbel):Ellipse: δ > 0, ε2 < 1, E < 0Parabel: δ = 0, ε2 = 1, E = 0Hyperbel: δ < 0, ε2 > 1, E > 0
Kreis: δ = 1, ε2 = 0, E = −γ2m3M2
2L2(Kreis als Spezialfall der Ellipse)
3. Kepler’sches Gesetz: Perihel: ϕ = 0, r = rmin Aphel: ϕ = π, r = rmax
Aus Gl. (60) ergibt sich
rmin =
L2
γMm2
1 +
√1 +
2EL2
γ2M2m3
(67)
rmax =L2
γMm2
1−√
1 +2EL2
γ2M2m3
(68)
rmin + rmax = 2a = −γMm
E
Aus dem Flächensatz (53) folgt:
dA
dt=
L
2m=
πab
T=
πa√
pa
T(69)
πab ist die Ellipsenfläche, T die Umlaufzeit. Unter Verwendung von Gl. (...) ergibt sich das3. Kepler’sche Gesetz:
T 2
a3=
4π2
γM(70)
9 DAS KEPLERPROBLEM 48
1. kosmische Geschwindigkeit:Satellit mit der Masse m auf einer Kreisbahn in Nähe der Oberfläche der Erde (ErdmasseM):Mit ε = 0, p = R0, L
2 = R0γMm2,
E = −γ2m3M2
2L2= −γmM
2R0
ergibt sich ausm
2v2
1 = |E|
v1 =
√γM
R0
= 7, 9 km/s (71)
2. kosmische GeschwindigkeitSatellit verlässt die Erde auf einer ParabelbahnMit ε = 1, p = 2R0, L
2 = eR0γMm2,E = 0
ergibt sich ausL = mv2R0 = m
√2R0γM
v2 =
√2γM
R0
= 11, 2 km/s (72)
3. kosmische Geschwindigkeit (Verlassen des Sonnensystems)
v3 = 16, 7 km/s (73)
10 DER DUFFING-OSZILLATOR 49
10 Der Duffing-OszillatorNichtlineare Dynamik, deterministisches Chaos
V (x) =ax
2
2
+bx
4
4
=x
2
2
(a +b
2x2) (74)
Duffing-Potential
K(x) = −dV
dx= −x(a + bx2) (75)
a > 0a < 0U
x
Abb. 10.1: Duffing-Oszillator:Potentialverlauf
b > 0ein Minimum bei x1 = 0 für a > 0ein Maximum bei x1 = 0 für a < 0
zwei Minima bei x2/3 = ±√
a
bfür a < 0
experimentelle Realisierung z. B. durch ”Euler’schen Stab”:
m
Blattfeder
Abb. 10.2: Euler’scher Stab
10 DER DUFFING-OSZILLATOR 50
Bewegungsgleichung:mx + µx + ax + bx3 = f0 cos(ωt)
→ x + 2ρx + αx + βx3 = f0 cos(ωt) (76)
mit
ρ = µ/2m
α = a/m
β = b/m
f0 = f0/m
numerische Lösung der Bewegungsgleichung:Darstellung von Gl. (76) als System von Differenzialgleichungen 1. Ordnung:
x = vv = −2ρv − αx− βx3 − f0 cos(ωt)
(77)
oder:~u = A~u + ~ω (78)
mit
~u =
(x
v
), ~u =
(x
v
)
A =
∂u0
∂u0
∂u0
∂u1
∂u1
∂u0
∂u1
∂u1
=
0 1
−α− 3βx2 −2ρ
~ω =
(0
f0 cos(ωt)
)
x
v
u
u
Abb. 10.3: Bahnkurvein der Phasenebene
~u und ~u sindOrts- und Geschwindigkeitsvektorin der Phasenebene
10 DER DUFFING-OSZILLATOR 51
d~u = ~udt = A~udt + ~ωdt (79)
Die Bahnkurve in der Phasenebene kann nummerisch berechnet werden (Verfahren z. B.Runge-Kutta-Verfahren oder Differenzenverfahren):Die Anfangswerte sind durch
~u0 = ~u(t = 0)
festgelegt. Damit kann ein benachbarter Bahnpunkt berechnet werden:
~u(t0 + dt) = ~u(t0) + A(t0)~u(t0)dt + ~ω(t0)dt
und sukzessive der ganze Bahnverlauf.
Fixpunkte:
~u = 0 (80)
Das System verharrt an einem Punkt.Bsp.: gedämpfter harmonischer Oszillator
Ursprung ~u = 0 ist Fixpunkt eines Systems, das durch ~u = A~u beschrieben wird:
1 0 11
0
1
Mi 2,
Mi 1,
0.5 0 0.5 11
0.5
0
0.5
Mi 2,
Mi 1,
x x
v v
0ρ >0ρ =
Abb. 10.4: Fixpunkt des gedämpften harmonischen Oszillators
stabile Fixpunkte:lineares System hat stabilen Fixpunkt, wenn alle seine Ljapunov-Exponenten negativ sind(Reλ1, Reλ2,...):
|A− λI| = 0 (81)
Übertragung auf nichtlineare Systeme, Linearisierung in der Nähe eines Fixpunktes
Beispiele für Schwingungen des Duffing-Oszillators:
10 DER DUFFING-OSZILLATOR 52
0 50 1002
0
2
Bahnkurve
Mi 1,
ti
2 1 0 1 2
1
0
1
Phasenebene:
Mi 2,
Mi 1,t x
x v
Abb. 10.5 : chaotischer Bahnverlauf
α = −1 , β = 1 , ρ = 0.125 , f0 = 0.55 , ω = 1.4 , x0 = 0 , v0 = 0
90 95 1002
0
2
Bahnkurve
Mi 1,
ti
2 1 0 1 21
0
1
Phasenebene:
Mi 2,
Mi 1,
90 95 1002
0
2
Bahnkurve
Mi 1,
ti
2 1 0 1 21
0
1
Phasenebene:
Mi 2,
Mi 1,
t x
x
x v
v
(a)
(b)
Abb. 10.6 : Einfluss der Anfangsbedingungen
α = −1 , β = 1 , ρ = 0.125 , f0 = 0.55 , ω = 1.4(a) : x0 = −2 , v0 = 0(b) : x0 = −2.000001 , v0 = 0
10 DER DUFFING-OSZILLATOR 53
t x
x
x
x
v
v
v
(a)
(c)
(b)
180 185 190 195 2000
1
2
Bahnkurve
Mi 1,
ti
0 0.5 1 1.5 21
0.5
0
0.5
1
Phasenebene:
Mi 2,
Mi 1,
180 185 190 195 2000
1
2
Bahnkurve
Mi 1,
ti
0 0.5 1 1.5 21
0.5
0
0.5
1
Phasenebene:
Mi 2,
Mi 1,
180 185 190 195 2000
1
2
Bahnkurve
Mi 1,
ti
0 0.5 1 1.5 21
0.5
0
0.5
1
Phasenebene:
Mi 2,
Mi 1,
Abb. 10.7 : Grenzzyklen: Periodenverdopplung
(a) : α = −1 , β = 1 , ρ = 0.125 , f0 = 0.34 , ω = 1.4 , x0 = 0 , v0 = 0(b) : α = −1 , β = 1 , ρ = 0.125 , f0 = 0.37 , ω = 1.4 , x0 = 0 , v0 = 0(c) : α = −1 , β = 1 , ρ = 0.125 , f0 = 0.39 , ω = 1.4 , x0 = 0 , v0 = 0
• Umschlag ins Chaos über Periodenverdopplung (Feigenbaum-Szenario)
10 DER DUFFING-OSZILLATOR 54
• Einfluss der Anfangsbedingungen, Auseinanderlaufen von Trajektorien
• Schmetterlingseffekt, Lorenz
• deterministisches Chaos
• Prinzip der schwachen Kausalität: ähnliche Ursachen bringen nicht ähnliche Wirkungenhervor
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 55
11 Prinzipien der Mechanik
11.1 Nebenbedingungen
Berechnung von Massenpunkt-Systemen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit, Freiheits-grad eingeschränkt, Beziehung zwischen den Koordinaten der Teilchen
Freiheitsgrade:f = 3 1 Massenpunkt
2 1 Massenpunkt auf Fläche z = f(x, y)1 1 Massenpunkt auf Kurve z = f1(x, y) z = f2(x, y)
f = 6 starrer Körperf = 5 Hantelf = 3N N freie MPNebenbedingungen: Gleichung, die Anzahl der Freiheitsgrade einschränken
Bsp.:MP auf Kugel: x2 + y2 + z2 = R2
F (~r) = x2 + y2 + z2 −R2 = 0
allgemein:Fm(~r1, ~r2, ..., ~rN , t) = 0 (82)
holonome Nebenbedingungen(3N-dimensionale bewegte Fläche)m = 1...M (M Anzahl der Bindungen, NB)
f = 3N −M (83)
andere DarstellungBsp.: Massenpunkt auf Kugel:
dF = 2xdx + 2ydy + 2zdz = gradF · d~r = 0
allgemein:
dFm(~r1, ..., ~rN , t) =N∑
i=1
gradiFm · d~ri +∂Fm
∂tdt = 0 (84)
(nicht holonome NB: nicht darstellbar in dieser Form, sondern
N∑
i=1
~ami· d~ri + am0dt = 0 mit ~ami
6= gradiFm,
nicht integrabel und darstellbar in Form *, Bsp.: Schlittschuhläufer, Rad auf Ebene (s. u.))
skleronome NB:∂Fm
∂t= 0
rheonome NB: Fm zeitabhängig,∂Fm
∂t6= 0
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 56
grad F
dr�
dr�
t1t2
Abb. 11.1 : skleronome und rheonome Nebenbedingungen, Luftballon wirdaufgeblasen
Bsp. für nichtholonome NB:
11.2 Prinzip der virtuellen Arbeit (Verrückungen)
J. Bernoulli 1717
virtuelle Verrückung:mit NB verträglich, aber zeitlos:
δ~ri 6= 0, δt = 0
(Unterschied zu realen Verrückungen, Bewegung nur bei rheonomen NB, dort unendlichschnelle Verrückung auf bewegter Fläche)
Bsp.: 1 Massenpunkt auf Kugel
allgemein:
δFm =N∑
i=1
gradiFm · δ~ri = 0 (85)
Zwangskräfte:
mi~ri = ~fi + ~f zi
~f zi Zwangskraft, die auf die Masse mi von der Fläche Fm ausgeübt wird
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 57
m
Zf�
f mg=�
�
f mg=�
�
Zf�
α
Abb. 11.2 : Beispiele für Zwangskräfte
F = x2 + y2 + z2 −R2 = 0
F = z − tan α · x = 0
Prinzip der virtuellen Arbeit:
Die Zwangskräfte leisten bei einer virtuellen Verrückung des Systems keine Arbeit.N∑
i=1
~f zi · δ~ri = 0
Zusammenhang Zwangskräfte - Nebenbedingungen:
δFm =N∑
i=1
gradiFm · δ~ri = 0
N∑
i=1
gradiF1 · δ~ri = 0| · λ1
N∑
i=1
gradiFM · δ~ri = 0| · λM
N∑
i=1
M∑
m=1
λmgradiFm · δ~ri = 0
N∑
i=1
~f zi · δ~ri = 0
Lagrange’sche Multiplikatoren
→ ~f zi =
M∑
m1
λmgradiFm (86)
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 58
Ermittlung der λm aus Lagrange-Gleichung 1. Art:
mi~ri = ~fi + ~f zi = ~fi +
M∑
m=1
λmgradiFm (87)
3N + M Gleichung zur Bestimmung der Unbekannten ri, λm(3N + M).
11.3 Hamilton’sches Prinzip (1834)
Ableitung mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Arbeit. Für den Massenpunkt i (i = 1...N)gilt:
mi~ri = ~fi + ~f zi
mit~f zi =
M∑
m=1
λigradiFm, Fm(~r1, ~r2, ..., t) = 0
Die Arbeit der Zwangskräfte bei einer virtuellen Verrückung ist Null, daraus ergibt sich:
0 = −N∑
i=1
~f zi · δ~ri =
N∑
i=1
(~fi −mi~ri) · δ~ri
=N∑
i=1
~fi · δ~ri + δN∑
i=1
1
2mi~ri
2 − d
dt
N∑
i=1
mi~ri · δ~ri
= δA + δT − d
dt
N∑
i=1
mi~ri · δ~ri (88)
δA ist die Arbeit der Kräfte ~fi bei einer virtuellen Verrückung des Systems um δ~ri
δT ist die Änderung der kinetischen Energie bei einer virtuellen Verrückung desSystems um δ~ri
δU = −δA =∑
i gradiU · δ~ri ist die Änderung der potentiellen Energie bei einervirtuellen Verrückung um δri, wenn Potentialkräfte vorliegen.
t0 : P0
t1 : P1
ir (t)�
ir (t)��
Abb. 11.3 : Integrationsweg
~ri(t) : tatsächliche Bahn~ri(t) : virtuelle, denk-bare, varierte Bahn~ri(t)− ~ri(t) = δ~ri(t)virtuelle Verrückung(δt = 0)
δ~ri klein und differenzierbar,δ~ri(t0) = δ~ri(t1) = 0)
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 59
Hinweis zur Umformung in Gl. (88): Es ist
xδx =d
dt(xδx)− δ
(1
2x2
).
Integration der Gleichung
δ(T − U) =d
dt
N∑
i=1
mi~ri · δ~ri :
t1∫
to
(δT − δU)dt =
t1∫
t0
d(∑
mi~ri · δ~ri)
=∑
i
mi~ri · δri|t1t0 = 0
(Anfangs- und Endpunkt fest)
→ δ
t1∫
t0
(T − U)dt = δ
t1∫
t0
Ldt = 0 (89)
mit L = T − U = Lagrange-Funktion
Hamilton’sches Prinzip
Die wirkliche Bahn ist durch δ
t1∫
t0
Ldt = 0 ausgezeichnet, d. h.
W =
t1∫
t0
Ldt = Wirkung⇒ Extramalwert
Hinweis auf andere Prinzipien, z. B.Fermat’sches Prinzip
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 60
11.4 Ableitung der Lagrange’schen-Gleichungen aus dem Hamilton-Prinzip
11.4.1 Lagrange-Gleichungen in kartesischen Koordinaten ohne Nebenbedin-gungen
L = T − U = L(x1, y1, z1, ..., xN , yN , zN , x1, ..., zN , t)
= L(xk, xk, t)
k = 1...3N
W =
t1∫
t0
L(xk, xk, t)dt
xk(t) → xk(t) + δxk(t)
δxk(t0) = δxk(t1) = 0
δxk seien klein und differenzierbar
δW =
t1∫
t0
{L(xk + δxk, xk +d
dtδxk, t)− L(xk, xk, t)}dt = 0
=
t1∫
t0
3N∑
k=1
[∂L
∂xk
δxk +∂L
∂xk
d
dtδxk
]dt =
t1∫
t0
3N∑
k=1
[∂L
∂xk
− d
dt
∂L
∂xk
]δxkdt +
[∑ ∂L
∂xk
δxk
]t1
t0︸ ︷︷ ︸=0
Hinweis:d
dt
(∂L
∂xk
δxk
)=
d
dt
(∂L
∂xk
)δxk +
∂L
∂xk
d
dtδxk
⇒ d
dt
∂L
∂xk
− ∂L
∂xk
= 0 (90)
11.4.2 Lagrange-Gleichungen 2. Art (mit Nebenbedingungen)
Fm(x1, ..., xN , t) = 0, m = 1...MZur Wahrung der Nebenbedingungen Variation ausdehnen auf
δ
t1∫
t0
{L +M∑
m=1
λmFm}︸ ︷︷ ︸
L∗
dt = 0
→ d
dt
∂L∗
∂xk
− ∂L∗
∂xk
= 0
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 61
→t1∫
t0
3N∑
k=1
[∂L
∂xk
− d
dt
∂L
∂xk
+M∑
m=1
λm∂Fm
∂xk
]
︸ ︷︷ ︸=0
δxkdt = 0
Hinweis:f Klammern sind Null, weil f Koordinatenverrückungen δxk
frei wählbar sind3N − f = M Klammern sind Null, weil M Lagrange’sche Multiplikatoren
λm so bestimmbar sind, dass M Klammern verschwinden.
L = T − U =3N∑
k=1
mk
2x2
k − U(~r1, ..., ~rN)
d
dt
∂L
∂xk
= mkxk
∂L
∂xk
= − ∂U
∂xk
= fk
xk : x1, x2, x3, x4, x5, x6, ...xi, yi, zi : x1, y1, z1, x2, y2, z2, x3, y3, z3,
Indices k in 3er-Gruppen zusammenfassen
→~fi −mi~ri +
M∑
m=1
λmgradiFm = 0 (91)
11.4.3 Lagrange-Gleichungen 2. Art in verallgemeinerten Koordinaten
elegante Behandlung des Systems mit Nebenbedingungen:
xj(t) = xj(qk(t), t) j = 1...3N ; k = 1...f
qk der Symmetrie des Systems angepasst, erfüllen Nebenbedingungen automatischBsp.:
L(xj, xj, t) = L(qk, qk, t)
Nebenbedingungen eliminiertd
dt
∂L
∂qk
− ∂L
∂qk
= 0 (92)
Lagrange-Gleichungen 2. Art (für konservative Kräfte)
11.5 Beispiel für die Lagrange-Gleichungen 2. Art
d
dt
∂L
∂qk
− ∂L
∂qk
= 0 L = T − U (93)
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 62
qk: generalisierte Koordinaten (Abstände, Winkel)f : Dgl. 2. Ordnung
Erläuterung des Algorithmus zur Lösung von Aufgaben an Beispielen
Bsp.: Mathematisches Pendel
Schritt 1 L = T − U in kartesischen Koordinaten aufschreibenL = T − U =
m
2~r2 + mgz =
m
2(x2 + z2) + mgz
Schritt 2 geeignete qk(q1, ..., q3N−M) einführenf = 1, M = 2, 3N −M = 1,q = ϕ
Schritt 3 ~ri = ~ri(qk, t) berechnen~ri = ~ri(qk, qk, t) berechnenx = l sin ϕz = l cos ϕx = l cos ϕϕz = −l sin ϕϕ
Schritt 4 L(qk, qk, t) berechnenL =
m
2l2ϕ2 + mgl cos ϕ
Schritt 5 Lagrange’sche Gleichungen 2. Art aufstellend
dt
∂L
∂ϕ− ∂L
∂ϕ= 0
d
dtml2ϕ + mgl sin ϕ = 0
ml2ϕ + mgl sin ϕ = 0
ϕ +g
lsin ϕ = 0
kleine ϕ: sin ϕ ≈ ϕ
ϕ +g
lϕ = 0 ⇒ ϕ = A cos
(√g
lt + α
)
11.6 Hamilton’sche kanonische Gleichungen
L = L(qk, qk, t)
generalisierte Impulse:
pk =∂L
∂qk
= pk(ql, ql, t) (94)
Die pk sind kanonisch konjugiert zu den qk
(Hinweis: für L = T − U =m
2x2 − U(x) ergibt sich p =
∂L
∂x= mx)
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 63
Elimination der ~qk zugunsten der pk:Statt Lagrange-Funktion Einführung der Hamiltonfunktion:
H =f∑
i=1
piqi − L = H(pk, qk, t) (95)
(Hinweis: qk = qk(qi, pi, t))
∂H
∂qk
=∑
i
pi∂qi
∂qk
− ∂L
∂qk
−∑
i
∂L
∂qi
∂qi
∂qk
= − ∂L
∂qk
= − d
dt
∂L
∂qk
= −pk (96)
∂H
∂pk
=∑
i
∂qi
∂pk
pi + qk −∑
i
∂L
∂qi
∂qi
∂pk
= qk (97)
∂H
∂qk
= −pk
∂H
∂pk
= qk
(98)
2f Differentialgleichungen 1. OrdnungH Gesamtenergie
H =∑
i
piqi − L = T + U
11.7 Beispiel für die Hamilton’schen Gleichungen
Bsp.: Mathematisches Pendel
Schritt 1 L(qk, qk, t) aufstellen: L = T − U
L =m
2l2ϕ2 + mgl cos ϕ
Schritt 2 qk eliminieren durch Einführung von
pk =∂L
∂qk
p =∂L
∂ϕ= ml2ϕ →
qk=qk(qi,pi,t)︷ ︸︸ ︷ϕ =
p
ml2
Schritt 3 H = T + U = H(qk, pk, t) berechnen
H =p2
2ml2−mgl cos ϕ
Schritt 4 Hamilton’sche Gleichungen aufstellen
p = −∂H
∂ϕ= −mgl sin ϕ
ϕ =∂H
∂p=
p
ml2
⇒ ϕ +g
lsin ϕ = 0 (s. Lagrange’sche Gleichung 2. Art)
11 PRINZIPIEN DER MECHANIK 64
11.8 Erhaltungssätze
a) zyklische KoordinatenZyklische Koordinaten sind Koordinaten, von denen H nicht abhängt:
∂H
∂qk
= 0 = −pk → pk = const.
⇒ Erhaltungssatz für den generalisierten Impuls pk.Im Folgenden werden abgeschlossene Systeme betrachtet.
b) Energiesatz
H = H(qi, pi, t)
dH
dt=
∑ ∂H
∂qi
qi +∑ ∂H
∂pi
pi +∂H
∂t
=∑ (
∂H
∂qi
∂H
∂pi
− ∂H
∂pi
∂H
∂qi
)
︸ ︷︷ ︸=0
+∂H
∂t
→ dH
dt= 0, falls
∂H
∂t= 0
→ H = const. (zeitlich) = Gesamtenergie
(folgt aus Homogenität der Zeit, H(t + t0) = H(t),→ δH = 0 → H = const.)
c) ImpulssatzHomogenität des Raumes fordert:
H(~ri + δ~a, ~pi, t) = H(~ri, ~pi, t)
δH =∑
i
∂H
∂~ri
· δ~a = 0 (δ~a beliebig)
→ ∑
i
∂H
∂~ri
= −∑~pi = 0
→ ∑~pi = const.
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 65
d) DrehimpulssatzIsotropie des Raumes (Homogenität bezüglich Drehung) fordert:
H(~ri + δ~ϕ× ~ri, ~pi + δϕ× ~pi, t) = H(~ri, ~pi, t)
δH =∑
i
[∂H
∂~ri
· [δ~ϕ× ~ri) +∂H
∂~pi
· (δ~ϕ× ~pi)
]=
=∑
i
[(−~pi · (δ~ϕ× ~ri) + ~ri · (δ~ϕ× ~pi)
]
= δ~ϕ ·∑[(−~ri × ~pi) + (~pi × ~ri
]=
= δ~ϕ · d
dt
∑(~ri × ~pi) = 0
→ ∑~Li =
∑~ri × ~pi = const.
12 Mechanik des starren Körpers
12.1 Vorbemerkungen
Ein starrer Körper kann als ein System von Massenpunkten mit festen Abständen unterein-ander aufgefasst werden.Nebenbedingungen (M Gleichungen):
|~ri − ~rj| = const. (99)
Freiheitsgrade eines starren Körpers aus N Massenpunkten:
f = 3N −M (100)
N = 1 2 3 4 5M = 0 1 3 6 9 f = 3 5 6 6 6
Abb. 12.1 : Freiheitsgrade eines starren Körpers aus NMassenpunkten
Ein freier starrer Körper hat 3 Freiheitsgrade der Translation und 3 Freiheitsgrade der Ro-tation: f = 6
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 66
Einschränkungen:f = 3 : Festhalten bzw. Unterstützen eines Punktes → Kreiself = 1 Drehung um eine feste Achse → physikalisches Pendel
Geschwindigkeit eines Massenpunktes des starren Körpers:
ir� im
x
y
z
ω�iR
�
0R�X
Y
Z
O
ΣΣΣΣ=(X,Y,Z)
ΣΣΣΣ´=(x,y,z)
Abb. 12.2 : raumfestes undmitbewegtes Koordinatensystem
Beschreibung der Lage eines Massenpunktes im körperfesten und im raumfesten Koordina-tensystem
~Ri = ~R0 + ~ri (101)
d~Ri
dt=
d~R0
dt+ ~ω × ~ri (102)
~vi = ~v0 + ~ω × ~ri (103)
(Der Operatord
dt=
d′
dt+ ~ω× ist anzuwenden, wobei
d
dtund
d′
dtdie zeitliche Ableitung im
raumfesten bzw. körperfesten Koordinatensystem bedeuten. Es istd′ ~ri
dt= 0).
~ω ist die momentane Drehachse. ~ω ist unabhängig vom Bezugspunkt 0, alle Punkte desstarren Körpers haben die gleiche Winkelgeschwindigkeit. ~v0 ist dagegen vom Bezugspunktabhängig:Man wähle einen neuen Bezugspunkt 0′ im Abstand ~a von 0. Dann ist
~vi = ~v0 + ω × ~ri = ~v0 + ~ω ′ × (~ri + ~a) (104)
Die Gleichung ist für alle ~ri nur zu erfüllen, wenn
~ω′ = ~ω (105)
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 67
~v′0 = ~v0 − ~ω × ~a (106)
12.2 Der Trägheitstensor
In den folgenden Abschnitten wird der starre Körper als homogen mit der Massendichte ρ(~r)angenommen. Das ist der Grenzfall eines aus einer sehr großen Anzahl von Massenpunktenbestehenden festen Körpers. Die Masse m des starren Körpers und seine Geschwindigkeit ~vim Punkt ~r ergeben sich dann aus
m =N∑
i=1
mi → m =∫
dm =∫
ρ(~r)dV (107)
vi → v(~r) (108)
Die kinetische Energie des starren Körpers ergibt sich zu
T =∫ v2
2dm =
=∫ v2
0
2dm +
∫ |~ω × ~r|2
2
dm +∫
~v0 · (~ω × ~r)dm
= T T︸︷︷︸
Translationsenergie
+ TR︸︷︷︸
Rotationsenergie
+ TWW︸ ︷︷ ︸
′Wechselwirkungsenergie′(109)
Die kinetische Energie lässt sich als Summe aus zwei Termen T = T T + TR darstellen mitTWW = 0, wenn man den Ursprung des körperfesten Koordinatensystems in den Schwer-punkt des festen Körpers legt (~rS = 0).
Schwerpunkt des starren Körpers:
~rS =
∫~r dm
m, m =
∫dm (110)
Mit ~rS = 0 folgt TWW = ~v0 · (~ω ×∫
~r dm) = 0.Daher ist es günstig, den Ursprung des körperfesten Koordinatensystems in den Schwer-punkt zu legen. Die kinetische Energie ist dann die Summe aus Translationsenergie der imSchwerpunkt vereinigten Gesamtmasse m und der Rotationsenergie des starren Körpers beiDrehung um die momentane Drehachse ~ω durch den Schwerpunkt:
T = T T + TR (111)
T T : Translationsenergie der Masse m im SchwerpunktTR: Rotationsenergie bei Drehung um die Achse ~ω durch den Schwerpunkt
T T =mv2
0
2(112)
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 68
TR =1
2
∫|~ω × ~r|2dm =
1
2
∫ [~ω 2~r 2 − (~ω · ~r)2
]dm
=1
2
∫[ωlωlxjxj − ωkxkωlxl] dm
=1
2ωkωl
∫[xjxjδkl − xkxl] dm (113)
mit
δkl =10
}für
{k = lk 6= l
Die erste Umformung in Gleichung (113) ergibt sich unter Beachtung der Regeln für dasSpatprodukt:
|~ω × ~r|2 = (~ω × ~r) · (~ω × ~r) = ~ω [~r × (~ω × ~r)]
= ~ω · ~ω(~r · ~r)− ~ω · ~r(~ω · ~r)= ~ω2~r2 − (~ω · ~r)2 (114)
Des Weiteren wurde von der Summationsvereinbarung Gebrauch gemacht, dass übergleiche Indices in einem Ausdruck automatisch zu summieren ist. Das bedeutet z. B.
~r 2 ≡ x2 + y2 + z2 ≡3∑
l=1
xlxl ≡ xkxk ≡ xjxj ≡ ... (115)
Die Rotationsenergie lässt sich unter Einführung des Trägheitstensors I (Tensor 2. Stufe)darstellen als
TR =1
2Iklωkωl
mitIkl =
∫[xjxjδkl − xkxl] dm
(116)
Ausführliche Scheibweise des Trägheitstensors:
I =
∫(y2 + z2)dm − ∫
xydm − ∫xzdm
− ∫yxdm
∫(x2 + z2)dm − ∫
yzdm− ∫
zxdm − ∫zydm
∫(x2 + y2)dm
(117)
Der Trägheitstensor ist wegen Ilk = Ikl symmetrisch. Elemente in der Hauptdiagonale: Träg-heitsmomente, Nichtdiagonalelemente: Deviationsmomente.
Andere Darstellung der kinetischen Energie:
TR =1
2(ω1, ω2, ω3)
I11 I12 I13
I21 I22 I23
I31 I32 I33
ω1
ω2
ω3
(118)
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 69
Der Trägheitstensor kann durch ein Trägheitsellipsoid veranschaulicht werden:
2TR = Iklωkωl > 0 (119)
Mit ω = |~ω| und ~n =~ω
ω(Einheitsvektor ‖~ω) ergibt sich
2TR
ω2= Iklnknl = I (120)
Dabei ist I das Trägheitsmoment bei Drehung des starren Körpers um die Achse ~n‖~ω.Die Gl. (120) kann unter Einführung von xk =
nk√Igeschrieben werden
Iklnk√
I
nl√I
= Iklxkxl = 1 (121)
Gl. (121) beschreibt eine Fläche 2. Grades.
Bsp.:
x2
a2+
y2
b2+
z2
c2= 1 Ellipsoid.
Im Allgemeinen ist das Trägheitsellipsoid gedreht:
x
y
x´
y´ω�
1
I
1
1
I′
11
1
I
Abb. 12.3 : Trägheitsellipsoid
Es gilt z. B. mit x2 = x3 = 0 :
I11x21 = 1 → x1 =
1√I11
.
A und B sind die halbenHauptachsenabschnitte des Ellipso-ids und es ist
A =1√I ′1
, B =1√I ′2
Hauptachsentransformation:
Das Koordinatensystem kann stets so gedreht werden, dass gilt:
I ′1x′21 + I ′2x
′22 + I ′3x
′23 = 1 (122)
Die Achsen x′1, x′2, x
′3 stehen senkrecht aufeinander.
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 70
Im Hauptachsensystem ergibt sich
2TR = Iklωkωl
= I ′11ω′21 + I ′22ω
′22 + I ′33ω
′23
= I1ω′21 + I2ω
′22 + I3ω
′23 (123)
I1, I2, I3: Hauptträgheitsmomente
I =
I1 0 00 I2 00 0 I3
(124)
Spezialfälle:
I1 6= I2 6= I3 asymmetrischer KreiselI1 = I2 6= I3 symmetrischer KreiselI1 = I2 = I3 Kugelkreisel
Beispiele für Berechnung von Trägheitstensoren:
1. 2-atomiges Molekül (’Hantel’)
S
z
m1
m2
2�
1�
Abb. 12.4 : Hantel
Schwerpunkt liegt im Ursprung 0
0 = m1l1 + m2l2l = l1 − l2
}l1 = l
m2
m1 + m2
=lµ
m1
l2 = − lµ
m2
µ: reduzierte Masse:1
µ=
1
m1
+1
m2
→ µ =m1m2
m1 + m2
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 71
I1 = I2 = m1l21 + m2l
22 = µ2l2
(1
m1
+1
m2
)= µl2
I3 = 0 (da Punktmassen)
I = µl2
1 0 00 1 00 0 0
(125)
2. Zylinder
ϕ
ρ
z
x
x
y
z
r� dV d d dz= ρ ρ ϕ
h
R
ρ
Abb. 12.5 : Zylinderkoordinaten
x1 = x = ρ cos ϕ
x2 = y = ρ sin ϕ
x3 = z
I11 =∫
(x22 + x2
3)dm = ρD
R∫
ρ=0
2π∫
ϕ=0
h/2∫
z=−h2
ρ(ρ2 sin2 ϕ + z2)dρdϕdz
= πρD
R∫
ρ=0
h/2∫
z=−h2
ρ(ρ2 + 2z2
)dρdz
= πρD
h/2∫
z=−h2
(R
4
4
+ R2z2
)dz =
= πρD
(R4h
4+
R2h3
12
)= m
(R2
4+
h2
12
)
I33 =∫ (
x21 + x2
2
)dm = ρD
R∫
ρ=0
2π∫
ϕ=0
h/2∫
z=−h2
ρ3dρdϕdz =mR2
2(126)
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 72
Des Weiteren ergeben sich
I22 = I11,
I12 = I13 = I23 = I21 = I31 = I32 = 0 (127)
I11 = I22 = I1 = I2 und I33 = I3 sind die Hauptträgheitsmomente
I =
I1 0 00 I1 00 0 I3
(128)
Kinetische Energie bei Drehung um die Achse ~ω mit der Winkelgeschwindigkeit ω = |~ω| :
a)
~ω‖x3, ~ω = (0, 0, ω) : → TR =1
2I3ω
2 (129)
b)
~ω = (ω1, ω2, ω3) :
TR =1
2I1(ω
21 + ω2
2) +1
2I3ω
23 (130)
Steiner’scher Satz:Das Trägheitsmoment IS einer Masse M bezüglich Drehung um eine Achse S durch denSchwerpunkt sei bekannt. Das Trägheitsmoment IA bezüglich Drehung um eine zu S paralleleAchse A im Abstand s ergibt sich zu:
IA = IS + Ms2 (131)
Ddm dV= ρ
ρ�x
y
′ρ�s�
A
S
zω� �ϕ
Abb. 12.6 : Steiner’scher Satz
~ρ = ~s + ~ρ ′, ~ω‖z,x2 + y2 = s2 + x
′2 + y′2 + 2~s · ~ρ ′
die Vektoren ~ρ, ~ρ ′ und ~sliegen in einer Ebene ⊥ zu ~ω.
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 73
TR =1
2
∫ (x2 + y2
)ω2dm =
1
2IAω2
=1
2Ms2 +
1
2ω2
∫ (x′2 + y
′2)dm + ~s ·
∫~ρ ′dm
︸ ︷︷ ︸0
(132)
=1
2Ms2 +
1
2ISω2
Beispiel zur Anwendung des Steiner’schen Satzes:
ϕ�
M
S
A
Abb. 12.7 : physikalisches Pendel
IS : Trägheitsmoment bezüglichDrehung um die Achse S durchden SchwerpunktIA = IS + Ml2
TR + U = E =IAϕ2
2−Mgl cos ϕ = const.
→ IAϕ + Mgl sin ϕ = 0
Für kleine ϕ << 1 ergibt sich:
ϕ + ω20ϕ = 0 mit ω0 =
√Mgl
IA
12.3 Der Drehimpuls des starren Körpers
R�
0R� r
�S
O
Abb. 12.8 : raumfestes und körperfestes Bezugssystem
Der Ursprung des körperfestenKoordinatensystems sei imSchwerpunkt S des starren Körpers:∫
~rdm = M~rS = 0
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 74
~L =∫
~R× ~vdm =∫ (
~R0 + ~r)× (~v0 + ~ω × ~r) dm
=∫
~R0 × ~v0dm +∫
R0 × (~ω × ~r) dm︸ ︷︷ ︸
0
+
+∫
~r × ~v0dm︸ ︷︷ ︸
0
+∫
~r × (~ω × ~r) dm
= ~R0 × (M~v0) +∫
~r × (~ω × ~r) dm
= ~LT + ~LR (133)
Der Translationsanteil ~LT des Drehimpulses entspricht dem Drehimpuls einer im Schwer-punkt vereinigten Punktmasse M . ~LT = 0, falls ~v0‖~R0 oder ~v0 = 0 .Rotationsanteil LR desDrehimpulses:
~LR =∫
~r × (~ω × ~r)dm
=∫
[(~ω(~r · ~r)− ~r(~ω · ~r)] dm (134)
In Komponentenscheibweise:
LRk =
∫[ωkxjxj − xkωlxl] dm (135)
Mit ωk = ωlδkl ergibt sich:
LRk = ωl
∫[xjxjδkl − xkxl] dm = ωlIkl
= Iklωl (136)
~LR = I~ω (137)
Die Rotationsenergie ergibt sich zu
TR =1
2Iklωkωl =
1
2LR
k ωk (138)
Veranschaulichung der Richtung des Drehimpulses, wenn momentane Drehachse ~ω und Träg-heitsellipsoid gegeben sind:
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 75
RL�
ω�
1ω
2ω
RT const.=Abb. 12.9 : Trägheitsellipsoid
Der Drehimpulsvektor steht senk-recht auf der Tangentialebene imSchnittpunkt des Vektors ~ω mit demTrägheitsellipsoid
Der Drehimpuls ist zur momentanen Drehachse ~ω nur dann parallel, wenn die Drehungum eine der Hauptachsen erfolgt. Beim Kugelkreisel gilt immer ~L‖~ω.
12.4 Die Bewegungsgleichungen des starren Körpers
a) Wirkung äußerer Kräfte auf den starren Körper (innere Kräfte heben sich paarweiseauf wegen actio = reactio):
~fauss =∫
~Rdm =∫
~R0dm +∫
~rdm (139)
~fauss = M ~R0 (140)
∫~rdm = M~rS = 0 (Koordinatenursprung im Schwerpunkt)
Äußere Kräfte bewirken eine Translation des starren Körpers, die als Bewegung einerim Schwerpunkt vereinigten Punktmasse M beschrieben werden kann.
b) Wirkung des Drehmomentes äußerer Kräfte auf den starren Körper (innere Kräftebewirken keine Drehmomente)
~Mauss =∫
~R× ~Rdm = ~R0 ×M ~R0 +∫
~r × ~rdm
=d
dt[~R0 × (M~v0)] +
d
dt
∫[~r × ~rdm]
=d~LT
dt+
d~LR
dt(141)
Im Folgenden wird der Index ’auss’ weggelassen und nur der Rotationsanteil ~LR des Drehim-pulses betrachtet. Zweckmäßig ist die Darstellung im mitrotierenden körperfesten Koordina-tensystem. Ansonsten würden sich z. B. die Komponenten des Trägheitstensors bei Drehunglaufend ändern.
~M =d
dt~LR =
d′
dt~LR + ~ω × ~LR (142)
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 76
Mit ~LR = I~ω ergibt sich:
~M = Id′~ωdt
+ ~ω × (I~ω) (143)
Euler’sche Kreiselgleichungen (′ bedeutet körperfestes Koordinatensystem)
Wenn die Achsen des körperfesten KS mit dem Hauptträgheitsmoment zusammenfallen,gilt:
I =
I1
I2
I3
, ~ω = (ω1, ω2, ω3)
in Komponenten:
M1 = I1ω1 + (I3 − I2)ω2ω3
M2 = I2ω2 + (I1 − I3)ω3ω1
M3 = I3ω3 + (I2 − I1)ω1ω2
(144)
Euler’sche Kreiselgleichungen (· = d′
dt)
12.4.1 Kräftefreier Kreisel ( ~M = 0)
Bsp.: Unterstützung des Kreisels im Schwerpunkt:
S
Abb. 12.10 : Bsp.: kräftefreier Kreisel
Unterstützung des Kreisels imSchwerpunkt
Drehung um feste (freie) Achse, deren Lage sich im Körper nicht ändert, bedeutetd′
dt~ω = 0 :
ω1 = ω2 = ω3 = 0
⇒ 0 = (I3 − I2)ω2ω3
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 77
0 = (I1 − I3)ω3ω1
0 = (I2 − I1)ω1ω2 (145)
Lösungen:
1) I1 = I2 = I3 (Kugelkreisel)Bsp.: rotierender Würfel im Weltall hat in jeder Richtung feste Achse
2) 2 der ω1 sind 0→ nur Hauptträgheitsachsen sind freie Achsen, dann ist aber ~ω‖~LR, und diese Achsensind auch raumfest.Stabile, freie Achsen sind nur die HTA mit kleinstem und größtem Hauptträgheitsmo-ment (s.u.)
allgemeine Bewegung des kräftefreien Kreisels:
×
×
ω�L�
Figurenachse
Spurkegel
Polkegel
momentaneDrehachse
Nutationskegel
Abb. 12.11 : Bewegung des kräftefreien Kreisels
Nutation = reguläre Präzession(kräftefreier Kreisel)
Der Polkegel rollt auf dem Spurkegelab, die Figurenachse bewegt sichauf dem Nutationskegel um dieDrehimpulsachse:
stabile Achsen des kräftefreien Kreisels:
Annahme:Drehung um die Achse 1 ω1 ≈ const.; ω2, ω3 << ω1
0 = I2ω2 + (I1 − I3)ω3ω1
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 78
0 = I3ω3 + (I2 − I1)ω1ω2
(146)0 = I2ω2 + (I1 − I3)ω3ω1
0 = I3ω + (I2 − I1)ω1ω2
(147)
0 = I2ω2 − (I1 − I3)I2 − I1)
I3
ω1ω2ω1 (148)
→ ω2 − (I1 − I3)
I2
(I2 − I1)
I3
ω21ω2 = 0
damit keine exponentiell anwachsende Lösung vorliegt, muss
(I1 − I3)(I2 − I1) < 0
sein.Lösungen:
1) I1 > I2, I3 Achse mit größtem HTM
2) I1 < I2, I3 Achse mit kleinstem HTM
Nur die Achsen des größten und des kleinsten Hauptträgheitsmoments sind stabile Achsen.
12.4.2 Schwerer Kreisel ( ~M 6= 0)
S
mg�a
�Abb. 12.12 : Spielkreisel
~M = ~a×m~g =d~L
dt
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 79
a
ωωK
L�LL d+
� �M�
f� dϕ
ω�
Abb. 12.13 : Bsp.: anderer schwererKreisel
dL = Ldϕ = Mdt
ωP =dϕ
dtPräzessionsfrequenz (149)
LωP = M
IKωKωP = M (150)
⇒ωP =
M
IKωK
=mga sin α
IKωK
Präzession (151)
gilt näherungsweise. Die Achse vollführt außerdem kleine Schwingungen um die Horizontal-richtung.Durch die Präzessionsbewegung (Drehung der Achse in der Horizontalebene) entsteht amKreisel ein Coriolismoment, das dem Moment ~M das Gleichgewicht hält.Der Drehimpuls ändert seine Lage im Raum!
12.5 Die Erde als Kreisel
a) ’reguläre Präzession’ (Nutation) Polschwankungen
Erde: näherungsweise abgeplattetes Rotationsellipsoid: symmetrischer Kreisel
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 80
L� ω�
Figuren-achse
Pol-kegel
Spur-kegel
Abb. 12.14 : Nutation der Erde
I2 = I3
I2 − I1
I1
≈ 1
300(152)
’Euler’′sche Periode ≈ 300 Tage’Chandler’′sche Periode ≈ 433 Tage
berücksichtigt elastische Erde
Abb. 12.15 : Chandler’sche Periode
nach W.E.Carter,Earth orientation, in:The Encyclopedia ofSolid Earth Geophysicsed. by D.E.James,Van Nostrand ReinholdNew York 1989
b) Präzession
Präzession:T = 25.700 Jahre (ein Umlauf)’Platonisches Jahr’ (Hipparch, 150 vor Chr.)
12 MECHANIK DES STARREN KÖRPERS 81
23°27´
Pol der Ekliptik
Sonne
Mond
ω�
Sonne
Mond
Abb. 12.16 : Präzession der Erdachse
Man denkt sich dieMassen von Sonneund Mond "ver-schmiert"über einenRinggürtel um dieErde.Die Mondgezeiten sind2,4 mal stärker als dieGezeiten der Sonne.
Achtung: In der Astronomie werden die Begriffe Präzession und Nutation auch inanderer Bedeutung verwendet.