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Praktikum Automatisierungstechnik SS 2012
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Praktikum Automatisierungstechnik
SS 2012
Versuch 5
NC-Programmierung
Fertigung eines
Drehteils
SS 2012
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TEIL 1: NC-PROGRAMMIERUNG
1 Programmierung von NC-gesteuerten Fertigungseinrichtungen
1.1 Numerische Steuerungen
Die Bearbeitung eines Werkstücks auf einer numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine wird
durch das Werkstückprogramm, auch NC-Programm genannt, beschrieben. Die NC-Programme
können dabei über verschiedenste Datenträger (Diskette, CD usw.) eingelesen werden. NC-
Steuerungen verfügen zudem meist über eine serielle V.24-Schnittstelle, mit deren Hilfe die Daten
an die Steuerung übertragen werden können.
Zudem ist in der Regel eine Handeingabe des NC-Programms möglich. Die Steuerung ist dazu mit
Funktionstasten entsprechend komfortabel gestaltet. Überdies ist meist ein NC-Programmspeicher
vorhanden, der es ermöglicht, bereits eingelesene NC-Programme über das Bedienfeld zu ver-
ändern bzw. zu korrigieren.
Die eingegebenen Informationen des Werkstückprogramms und die zu verarbeitenden Korrekturen
werden in der Steuerung dekodiert und – getrennt nach geometrischen und technologischen
Daten – weiterverarbeitet. Geometrische Daten sind alle Angaben über die zu verfahrenden Werk-
zeugwege, aus denen die gewünschte Geometrie des Werkstücks entsteht. Technologische Infor-
mationen sind die Schaltfunktionen für z. B. Vorschubgeschwindigkeit, Spindeldrehzahl, Werk-
zeugwechsel, Kühlmittelschaltung usw.
Die Programmierung der zu erzeugenden Kontur erfolgt durch die Angabe von Konturend-
punktkoordinaten und der Art der Verbindungen zwischen jeweiligem Anfangs- und Endpunkt als
Wegbedingung (z. B. Gerade, Kreisbogen, usw.). Je nach Verlauf der Bewegung sind Steuerun-
gen unterschiedlicher Komplexität für deren Realisierung geeignet. Man unterscheidet diesbezüg-
lich zwischen Punkt-, Strecken- und Bahnsteuerungen.
1.2 Aufbau eines NC-Programms
1.2.1 Allgemeines
Bei der NC-Programmierung wird die Folge der einzelnen Steuerinformationen festgelegt, die für
die Bearbeitung eines Werkstücks auf einer NC-Maschine erforderlich ist. Zur rationellen Pro-
grammierung werden heute unterschiedliche rechnerunterstützte Programmierverfahren ange-
wandt, deren Einsatz von der Maschinenart, dem Schwierigkeitsgrad der Werkstückbearbeitung
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und von der Ausrüstung des Anwenderbetriebes abhängt. Das NC-Programm wird in einer defi-
nierten Form auf einem Datenträger gespeichert und in die Steuerung der betreffenden Maschine
eingegeben.
Das NC-Programm besteht aus einer Anzahl von Sätzen, die jeweils einem Bearbeitungsschritt
entsprechen. Die Bearbeitungsanweisungen in einem Satz werden durch so genannte "Wörter",
einer Kombination aus Kennbuchstaben bzw. Adresse und Ziffernfolge (mit oder ohne Vorzeichen)
verschlüsselt. Die Bedeutung und die Anordnung dieser Wörter ist im Programmschlüssel der je-
weiligen NC-Steuerung festgelegt, dem üblicherweise die DIN 66025 (entsprechend ISO 6983)
zugrunde liegt.
Im Folgenden sind die in der DIN 66025 festgelegten Adressbuchstaben, Zusatzfunktionen und
Wegbedingungen tabellarisch aufgelistet. Alle nicht genannten Adressbuchstaben, Zusatzfunktio-
nen und Wegbedingungen sind nicht belegt und frei verfügbar. Darüber hinaus besteht aber auch
keine zwingende Bindung an die Norm. Abwandlungen von Steuerungs- und Maschinenherstellern
sind verbreitet.
N5 G97 V100 X20 T0505 M04 M08 M41
Satznummer
max. 1 G-Anweisungin einem Programmsatz
Programmwort
Adreßbuchstabe
Ziffernfolgebis zu 3 M-Anweisungen
N5 G97 V100 X20 T0505 M04 M08 M41
Bild 1: NC-Programmsatz am Beispiel der Traub TX-8D Steuerung
Adressbuchstaben
A Winkelmaß um X-Achse N Satznummer
B Winkelmaß um Y-Achse O Offset (Achsparalleler Werk-zeugversatz) möglichst nicht verwenden
C Winkelmaß um Z-Achse P Dritte Eilgangbegrenzung
D Winkelmaß um Zusatzachse oder frei verfügbar
Q Zweite Eilgangbegrenzung
E Winkelmaß um Zusatzachse oder frei verfügbar
R Erste Eilgangbegrenzung
F Vorschubgeschwindigkeit S Hauptspindeldrehzahl
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G Vorbereitende Wegbedingungen T Werkzeugnummer, evtl. mit Kor-rekturwert
H Werkzeuglängenkorrektur U Zweite Achse parallel zur X-Achse
I Hilfsparameter für Kreisinterpolation oder Gewindesteigung parallel zur X-Achse
V Zweite Achse parallel zur Y-Achse
J Hilfsparameter für Kreisinterpolation oder Gewindesteigung parallel zur Y-Achse
W Zweite Achse parallel zur Z-Achse
K Hilfsparameter für Kreisinterpolation oder Gewindesteigung parallel zur Z-Achse
X Erste Hauptachse
L frei verfügbar Y Zweite Hauptachse
M Maschinenbefehle, Schaltfunktionen Z Dritte Hauptachse
Zusatzfunktionen
Zusatzfunktionen werden durch den Adressbuchstaben M und eine Nummer gekennzeichnet. Sie
stellen in der Regel Befehle dar, um spezielle Funktionen ein- und auszuschalten.
M 00 Programm HALT; Spindel, Kühl-mittel und Vorschub AUS; erneu-ter Start über die Taste "Start"
M 13 Spindel EIN, Rechtslauf und Kühlmittel EIN
M 01 Wahlweiser Halt, wirkt wie M 00, wenn Schalter "Wahlweiser Halt" auf EIN steht
M 14 Spindel EIN, Linkslauf und Kühlmittel EIN
M 02 Programm ENDE M 19 Spindel STOP in bestimmter Werkzeuglage
M 03 Spindel EIN, Rechtslauf M 30 wie M00, zusätzlich Lochstreifen zurückspulen
M 04 Spindel EIN, Linkslauf M 31 Verriegelung aufheben
M 05 Spindel STOP M 40 – M 45
Getriebestufen-Umschaltung
M 06 Werkzeugwechsel ausführen M 50 Kühlmittel 3 EIN
M 07 Kühlmittel 2 EIN M 51 Kühlmittel 4 EIN
M 08 Kühlmittel 1 EIN M 60 Werkstückwechsel
M 09 Kühlmittel AUS M 68 Werkstück spannen
M 10 Klemmung EIN M 69 Werkstück entspannen
M 11 Klemmung AUS
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Wegbedingungen
Wegbedingungen werden durch den Adressbuchstaben G und eine Nummer gekennzeichnet. Sie
zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Funktion immer einen Bezug zur Bewegung und der Be-
schreibung des aktiven Koordinatensystems als Grundlage der Bewegung hat. Ebenso wie die
Zusatzfunktionen haben die Befehle der Wegbedingungen einen selbsthaltenden Charakter. Das
heißt, dass die Funktionen nach einmaligem Aufruf so lange aktiv bleiben, bis sie deaktiviert oder
von einem anderen Befehl ersetzt werden.
G 00 Gerade im Eilgang G 54 – G 59
Nullpunktverschiebung
G 01 Gerade im Vorschub G 60 Einfahrtoleranz 1
G 02 Kreisinterpolation, im Uhrzeiger-sinn
G 61 Einfahrtoleranz 2, auch Schleife fahren
G 03 Kreisinterpolation, gegen den Uhrzeigersinn
G 62 Schnelles Positionieren, nur Eilgang
G 04 Verweilzeit G 63 Vorschub 100% setzen, z. B. Gewindebohren
G 17 Ebenenauswahl XY G 64 Vorschub- und/oder Drehzahl-wechsel
G 18 Ebenenauswahl XZ G 70 Z-Achse in Ausgangsposition fahren
G 19 Ebenenauswahl YZ G 73 Programmierter Vorschub - Achsvorschub
G 33 Gewindeschneiden mit konstan-ter Steigung
G 74 Referenzpunkt anfahren der 1. und 2. Achse
G 34 Gewindesteigung mit zuneh-mender Steigung
G 75 Referenzpunkt anfahren der 3. und 4. Achse
G 35 Gewindeschneiden mit abneh-mender Steigung
G 80 Löschen der abgerufenen Zyk-len
G 40 Löschen aller abgerufenen Werkzeugkorrekturen
G 81- G 89
Festgelegte Bohrzyklen
G 41 Werkzeugradiuskorrektur, Ver-satz nach rechts
G 90 Bezugsmaßeingabe
G 42 Werkzeugradiuskorrektur, Ver-satz nach links
G 91 Relativmaßeingabe
G 46 Schneidenradiuskompensation EIN
G 92 Programmierte Bezugspunkt-verschiebung
G 53 Löschen der abgerufenen Null-punktverschiebung
G 94 Vorschub in mm pro Minute
G 95 Vorschub in mm pro Umdre-hung
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1.2.2 Koordinatensysteme und Bezugspunkte
Die Festlegung von Koordinatensystemen und Bezugspunkten im Arbeitsraum der Werkzeugma-
schine ist eine notwendige Voraussetzung für die Beschreibung der Bearbeitungsbewegungen.
Anzahl und Art der Achsen sind dabei maschinenabhängig. Es wurden folgende allgemeingültige
Festlegungen getroffen:
Verwendet wird ein rechtshändiges, rechtwinkliges Koordinatensystem mit den Achsen X, Y und Z,
das auf die Hauptführungsbahnen der Maschine ausgerichtet ist und sich auf das in der Maschine
eingespannte Werkstück bezieht. Die Z-Achse liegt parallel zur Achse der Arbeitsspindel bzw. ist
mit dieser identisch. Die positive Richtung der Z-Achse verläuft vom Werkstück zum Werkzeug
bzw. bei Drehmaschinen von der Arbeitsspindel zum Werkstück.
Die X-Achse ist die Hauptachse in der Positionierebene. Sie liegt grundsätzlich parallel zur Werk-
stückspannfläche und verläuft möglichst horizontal. Sind Koordinatenachsen parallel zur X-, Y-
oder Z-Achse vorhanden, so werden diese mit U, V und W bezeichnet. Die Buchstaben A, B und C
kennzeichnen Drehachsen, wie z. B. Drehtische, die den X-, Y- und Z-Koordinaten zugeordnet
sind. Der positive Drehsinn ist nach der Rechtsschraubenregel festgelegt.
Im Arbeitsraum der Maschine sind eine Reihe von Null- und Bezugspunkten angeordnet, die in den
Bildern 2 und 3 am Beispiel der CNC-Drehmaschine TNS-60 der Fa. Traub dargestellt sind. Diese
Maschine ist am IWF vorhanden und soll in diesem Versuch programmiert werden.
R
MW T
M = Maschinennullpunkt
W = Werkstücknullpunkt
R = Referenzpunkt
T = Werkzeugträger- bezugspunkt
Bild 2: Nullpunkte und Bezugspunkte bei einer CNC-Drehmaschine
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Maschinennullpunkt und -koordinatensystem: Der Maschinennullpunkt ist ein Punkt auf der
Spindelachse in Höhe der Anlagefläche des Spannmittels. Er ist der Nullpunkt des Maschinen-
koordinatensystems, in dem die Lage aller anderen Bezugspunkte angegeben wird.
Werkstücknullpunkt: Der Werkstücknullpunkt liegt ebenfalls auf der Spindelachse der Ma-
schine. Er wird vom Programmierer bzw. Maschinenbediener durch die Angabe seines Ab-
standes zum Maschinennullpunkt definiert. Dieser Abstand berechnet sich aus Futter und Ba-
ckenhöhe
plus der Rohteillänge, minus dem rechten Aufmaß bei einem Werkstücknullpunkt auf der
vorderen Werkstückkante (Regelfall),
plus dem linken Aufmaß bei einem Werkstücknullpunkt auf der hinteren Werkstückkante.
Je nach Werkstückform und Bearbeitungsstrategie können auch verschiedene Werkstücknull-
punkte sinnvoll sein. Der Werkstücknullpunkt stellt ein Hilfsmittel zur Vereinfachung der Pro-
grammierung dar. Innerhalb eines NC-Programms erfolgt eine Nullpunktverschiebung. Diese
entspricht einer Koordinatentransformation durch Verschieben des Maschinennullpunkts in den
aktuellen Werkstücknullpunkt. Durch diese Maßnahme wird es möglich, die Werkstückabmes-
sungen, gegeben durch Zeichnung oder CAD-Modell, direkt zur Beschreibung der Bearbeitung
innerhalb des NC-Programms heranzuziehen. Abweichende Rohteilmaße können so z. B.
durch Änderung der Nullpunktsverschiebung einfach korrigiert werden, ohne den Rest des
Programms überarbeiten zu müssen. Unterschiedliche Befehle zur Nullpunktverschiebung ge-
statten die Angabe von Offsets innerhalb der Maschinenkonfiguration oder direkt im NC-
Programm. Erstere sind ideal zur Einbeziehung von Spannvorrichtungen, welche sich selten
ändern. Letztere erlauben eine schnelle Korrektur, z. B. bei ständig schwankenden Rohteilab-
messungen.
Werkzeugbezugspunkt: Der Werkzeugbezugspunkt bezeichnet einen definierten Punkt an
der Werkzeugaufnahme des Revolvers. Die Maschinensteuerung kann die Lage des Werk-
zeugbezugspunktes jederzeit über das maschineneigene Messsystem feststellen. Für die Be-
arbeitung der Werkstückkontur ist jedoch die Lage der Werkzeugspitze entscheidend. Da der
eigentliche Bezugspunkt immer fest mit der Werkzeugaufnahme verbunden ist, Werkzeuge
aber ganz unterschiedliche Abmessungen haben können, sind für jedes Werkzeug die Werk-
zeugabmessungen X und Z in der Maschinensteuerung einzugeben. Hieraus berechnet die
Steuerung die für die Konturbearbeitung richtigen Verfahrbewegungen des Revolvers. Mit
Auswahl des Werkzeugs werden auch die entsprechenden Abmessungen des Werkzeugs ak-
tiviert. In der Praxis verfügen Maschinen für jedes Werkzeug über zwei Speicher, deren Inhalte
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addiert werden. Der erste nimmt dabei die erwähnten Werkzeugabmessungen auf, der zweite
kann einen Werkzeugverschleiß in Form von Korrekturdaten berücksichtigen.
Referenzpunkt: Der Referenzpunkt bezeichnet eine durch Nockenschalter fest definierte Posi-
tion des Kreuzschlittens (Die im Bild angegebenen Koordinaten sind nur beispielhaft und ma-
schinenabhängig!). Da Maschinensteuerungen die Position der Schlitten oft inkrementell, d. h.
durch ein Abzählen von Impulsen, erfassen, ist es nach jedem Ein- bzw. Aus- und Wiederein-
schalten der Maschine bzw. der Steuerung erforderlich, einen fest definierten Punkt anzufah-
ren. Diese Maßnahme ist in den meisten Fällen vom Bediener auszulösen. Die Steuerung kann
erst nach dem Anfahren des Referenzpunktes mit dem Messsystem arbeiten und Positions-
werte in das Maschinenkoordinatensystem übertragen.
© 159-03-00
Z
X
Aufmaß Aufmaß
Werkstücklänge
RohteillängeFutter- undBackenhöhe
Fertigteil
Rohteil
Maschinen-koordinaten-system
Maschinen-nullpunkt
Werkstücknull-punkt hinten
nach: IFAO
Spindel
Bild 3: Maschinen- und Werkstücknullpunkt, Maschinenkoordinatensystem
Das Bild 4 zeigt ein Beispiel für ein NC-Programm zum Einbringen zweier Bohrungen in eine Stahl-
platte.
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© 159-08-00
Werkzeug15.742 R
MNP
WNP
2
1
0
1421
0 15 23
8,9
IDENT-NR.:Text:
15.742R
Spitzenwinkel:Seitenspanwinkel:Werkzeugaufnahme:Einstellmaß Z: 112.0 mm
130 Grad35 Grad
MultiBore 2
SPIRALBOHRERBOHRERTYPANSCHLIFFMIT MITNEHMER
WB
8,85 MMRECHTSNACH DIN 1412
WerkzeugdateiTechnologie-Stammdaten
Programm Nr. 768
N10 G54T01
(Verschiebung des Werkstücknullpunktes)Aufruf von Werkzeug Nr. 1) D01 (Korrekturwert für Werkz.)
(Anfahren einer Vorposition, Sicherheitsabstand 1mm):X23 Y14 Z13 (Koordinatenwert)(Vorschub 50mm/min) S800 (Drehfreq. d. Spindel in 1/min)(Arbeitsvorschub) Z-2 (Bohren bis Z = -2 mm)Z13 (Rückzugsbewegung des Bohrers)X15 Y21Z-2Z13(Abwahl der Werkstücknullpunkt-Verschiebung)(Programmende mit Rücksetzen) nach: F. Wagner
N20
N30N40N50N60N70N80
G00F50G01G01G00G01G01G53M30
Z Y
X
Bild 4: Beispielprogramm
1.3 Methoden der NC-Programmierung
1.3.1 Manuelle Programmierung nach DIN 66025
Es existieren derzeit vier grundsätzliche Methoden der NC-Programmerstellung (Bild 5).
Bei der manuellen Programmierung (Bild 6) erstellt ein Programmierer ein Teileprogramm nach
DIN 66025. Die Programmierung kann an der Maschine oder einem externen Programmierplatz
erfolgen.
Der Programmierer muss zunächst die Bauteilgeometrie aus der Fertigungszeichnung herauslesen
und im Programmiersystem neu beschreiben. Dazu muss er sich das fertige dreidimensionale
Bauteil vorstellen und die einzelnen zweidimensionalen Schnitte und Ansichten gedanklich einan-
der zuordnen. Dieser Prozess stellt eine der Schwierigkeiten der manuellen Programmierung dar.
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PARTNO TEST..L1 = LINE/0,0,10,0L2 = LINE/10,0,10,10..GOLFT/L1,PAST,L2..FINI
%N0001 G91 G00 X0 Y0 Z0S79 T01 M03..N009 G01 X28214 Y19754..N015 G00N016 M30
nach: Grabowski
grafische Werkstatt-programmierung
NC-Programmierungmit CAD/CAM
Manuell Maschinell
Methoden
Grafisch interaktiv
© 159-09-01
Bild 5: Methoden der NC-Programmerstellung
159-10-00©
NCProgramm
(DIN 66025)
Zeichnung Stück-liste
Zerspanungs-richtwerte
Spannmittel-kartei
Maschinen-Kartei
Programmier-anleitung
Ablauf-zeich-nung
Einrich-teblatt
Pro-gramm-blatt
Auf-spann-blatt
Werk-zeug-plan
Arbeitsplan
Programmablauf-skizze
Programm-ablaufplan
Werkzeug-kartei
Programmliste
Erstellen und Prüfen desInformationsträgers
Verschlüsselung der Arbeits-gänge zu Programmsätzen
Detaillierung des ArbeitsablaufsBestimmung der Schnittwerte
Festlegung der Werkstück-spannung und Werkzeugwege
Ermittlung der Maschineund der Arbeitsfolge
Bild 6: Manuelle NC-Programmerstellung
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Bei sehr komplexen Bauteilen, die häufig eine Programmierzeit von insgesamt mehr als 40 Stun-
den haben, kann der Zeitanteil für das Eindenken in das Bauteil bis zu 20% der gesamten Pro-
grammierzeit betragen. Die zeilenweise Neudefinition der bearbeitungsrelevanten Geometrie ohne
die Möglichkeit einer Überprüfung der errechneten Geometriewerte ist eine Hauptursache für feh-
lerhafte NC-Programme. Simulationsabläufe anhand der erstellten Programme erleichtern zwar die
Fehlersuche und verhindern Komplikationen bei der Programmerprobung, können aber die Verur-
sachung von Fehlern nicht verhindern.
1.3.2 Maschinelle (rechnergestützte) Programmierung
Zur Erleichterung der Programmerstellung setzt sich mit dem Verfügbarwerden geeigneter Syste-
me in den letzten Jahren immer mehr die grafisch interaktive Programmierung durch. Die Definition
des Roh- und Fertigteils erfolgt dabei im grafisch interaktiven Dialog oder durch Übernahme von
Geometriedaten aus einem CAD-System. Ein wichtiger Schritt, nämlich die Übertragung der Teile-
geometrie in die Bearbeitungsgeometrie, wird so vom System geleistet und entlastet den Bediener
deutlich.
Werkstattprogrammierung
Der Begriff Werkstattprogrammierung umfasst alle Programmierverfahren, die in der Werkstatt
durchgeführt werden. Darunter fallen CNC-interne aber auch CNC-externe Programmierverfahren
in der Werkstatt. Die CNC-interne Programmierung erfolgt direkt an der Steuerung der CNC-
Maschine in der Werkstatt. In Abhängigkeit von der CNC-Rechnerleistung besteht die Möglichkeit
zur textuellen oder grafisch-interaktiven Programmeingabe. Die textuelle Programmeingabe ist mit
der manuellen Programmierung vergleichbar. Das Steuerprogramm wird im Handeingabebetrieb
über das Bedienfeld der Maschinensteuerung eingegeben. Moderne CNCs vereinfachen diese
Programmierung bereits durch interaktive Bedienerführung und Eingabemasken. So können z.B.
steuerungsspezifische Zyklen und Konturzüge aufgerufen werden.
Die grafisch-interaktive Programmeingabe wird dabei als WOP (Werkstattorientierte Program-
mierung) bezeichnet. Nach H. B. Kief ist darunter "ein durchgängiges Konzept für die rechner-
gestützte, dialoggeführte und grafisch unterstützte Programmierung numerisch gesteuerter Werk-
zeugmaschinen“ zu verstehen [Kief, 1993]. Zur Ausstattung einer CNC-Steuerung mit WOP gehö-
ren u. a. eine interaktive Bedienerführung, ein Grafikbildschirm für die Eingabe-, Hilfs- und Simula-
tionsgrafik sowie ein Bedienfeld mit Softkeys, die unterhalb des Bildschirms angeordnet sind und
denen die Software verschiedene Funktionen zuweist. Der Programmiervorgang an einer CNC-
Drehmaschine mit integrierter WOP sieht z. B. wie folgt aus:
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1. Erstellung der Roh- und Fertigteilkontur, der Geometrie des Werkstücks, mit Hilfe der Zeich-
nung und der Eingabegrafik,
2. Eingabe des Arbeitsablaufs, der Technologie mit Hilfe der Eingabe- und Hilfsgrafik,
3. Darstellung der Werkzeuge und Simulation des Bearbeitungsablaufs.
Im Gegensatz zur DIN-Programmierung werden bei der WOP nicht die Werkzeugbewegungen,
sondern die Roh- und Fertigteilkontur programmiert. Erst im Anschluss daran erfolgt die Fest-
legung der Technologie.
Die Ziele der werkstattorientierten Programmierung werden in [Kief, 1993] folgendermaßen defi-
niert:
1. gleiche Programmierung mit einheitlichen Dialogen für alle Fertigungstechnologien,
2. getrennte Programmierung der Geometrie und Technologie,
3. grafisch-dynamische Simulation des Bearbeitungsprozesses,
4. gleiches Vorgehen bei der Programmerstellung und -änderung,
5. gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Bildschirmmasken,
6. Programmierung während der Bearbeitung,
7. "fehlerfreie" Programme zur direkten Bearbeitung (kein Probelauf erforderlich),
8. Ein- und Ausgabemöglichkeit der Quellprogramme, Grafiken, Arbeitspläne etc.,
9. Integration in ein CIM-Umfeld mit der Möglichkeit zur CAD-Datenübernahme.
Als Vorteile der werkstattorientierten Programmierung werden von den Anwendern eine schnelle
Reaktionsfähigkeit der Werkstatt, ein geringer Verwaltungsaufwand und eine Aufwertung des Ar-
beitsplatzes an der Maschine genannt. Zu den Schwachstellen der WOP gehört die derzeit sehr
unterschiedliche Realisierung des Konzepts. Die mit einem WOP-System erstellten Steuerpro-
gramme sind häufig auf anderen CNC-Maschinen nicht lauffähig.
Neben der CNC-internen Programmierung existiert die Möglichkeit der Programmierung an einem
externen CNC-Programmiergerät. Dieses maschinenspezifische, werkstattgeeignete Program-
miergerät ist wie das CNC-Bedienfeld mit einer Symbol- und Funktionstastatur sowie grafischer
Unterstützung ausgestattet und an den CNC-internen Rechner angeschlossen. Die Programm-
eingabe kann textuell oder grafisch-interaktiv erfolgen und hat den Vorteil, dass nicht stehend an
der Maschine programmiert werden muss.
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CAD-interne Programmierung
Die heutigen Funktionen der CAD-Systeme umfassen alle Vorgänge zur rechnergestützten Her-
stellung von Werkstückzeichnungen, Stücklisten, Arbeitsplänen und Steuerinformationen für NC-
bzw. CNC-Werkzeugmaschinen. Mit Hilfe eines CAD-internen NC-Moduls können aus geometri-
schen, rechnerinternen Modellen direkt Teileprogramme für die Fertigung erzeugt werden. Das
Vorgehen ist identisch mit der maschinellen grafisch-interaktiven Programmierung. Der Vorteil der
CAD-internen Programmierung liegt in der Reduzierung der unternehmensinternen Schnittstellen.
Generierte Steuerprogramme können der Fertigung direkt zur Verfügung gestellt werden. Dabei
sind aber die hohen Arbeitsplatzkosten des CAD-Systems und die meist vorhandenen Kommuni-
kationsprobleme zwischen Konstruktion und Fertigung zu beachten.
CAD-CAM-Kopplung
Die CAD-CAM-Kopplung ist die informationstechnische, rechnergestützte Verbindung zwischen
dem CAD- und CAM-System. Sie hat die Rationalisierung des Informationsflusses von der Pro-
duktentwicklung bis zum fertigen Produkt als Ziel und wird auch als "CAE" (Computer Aided Engi-
neering) bezeichnet. Ein wichtiger Aspekt der CAD-CAM-Kopplung besteht in der datentechni-
schen Verbindung zwischen dem CAD- und dem NC-Programmiersystem. Aufgabe dieser Verbin-
dung ist die Übertragung von Geometriedaten und deren Umsetzung in NC-Programme für die
Fertigung. Der Datentransfer muss so realisiert werden, dass kein Verlust und keine Verfälschung
der CAD-Daten auftritt. Sie gewährleistet den Informationsaustausch miteinander kommunizieren-
der Systeme oder Systemkomponenten durch die Definition fester Regeln und Bedingungen für
den Datentransfer. Für die Kopplung von CAD- und NC-Programmiersystemen fungieren Schnitt-
stellen somit als Übersetzerprogramme, die den Datenaustausch ermöglichen. Zu den standardi-
sierten Schnittstellen auf dem Gebiet gehören:
DXF (Drawing Interchange Format) zur Übertragung technischer Zeichnungen,
IGES (Initial Grafics Exchange Specification) zur Übertragung von technischen Zeichnungen
und Drahtmodellen,
SET (Standard d´Echange et de Transfert) zur Übertragung geometrischer Daten,
STEP (Standard for the Exchange of Product Model Data) zur Übertragung von geometri-
schen, technologischen und verwaltungstechnischen Daten,
VDAFS (Verband der deutschen Automobilindustrie Flächenschnittstelle) zur Übertragung von
beliebigen Freiformflächen.
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Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine CAD-CAM-Kopplung zu realisieren, die im Bild 7 gezeigt
werden.
CAD-Systemmit NC-Modul
CAD-Systemmit NC-Modul
CAD-System
CAD-system
CAD-System
CAD-System
Quell-programm
genormteSchnitt-stelle
individuelleSchnitt-stelle
NC-Pro-grammier-
system
NC-Pro-grammier-
system
NC-Pro-grammier-
system
NC-Pro-grammier-
system
CLDATA (DIN 66125)
Postprozessoren
Steuerprogramm (DIN 66025)
Bild 7: Möglichkeiten der CAD-NC-Kopplung
Programmerstellung mittels Programmiersprache
Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle noch die Möglichkeit erwähnt werden, ein NC-
Programm mit Hilfe einer höheren Programmiersprache zu erstellen. Beispielhaft wäre an dieser
Stelle EXAPT zu nennen, das eine Weiterentwicklung von APT darstellt:
EXAPT - EXtended Subset of APT (erweiterte Untermenge der Programmiersprache APT),
APT - Automatically Programmed Tool (selbsttätig programmiertes Werkzeug).
Mit der Entwicklung von APT wurde 1955 in den USA begonnen, um Flugzeugteile mit kompli-
zierten Formen rationell bearbeiten zu können. Das seit 1964 entwickelte Programmiersystem
EXAPT ermöglicht im Gegensatz zu APT und den APT-ähnlichen Systemen umfangreiche techno-
logische Ermittlungen. EXAPT ist ein modular aufgebautes Programmiersystem für alle NC-
Bearbeitungen wie NC-Drehen, NC-Bohren, NC-Fräsen, NC-Nibbeln, NC-Brennschneiden und
NC-Drahterodieren. BASIC-EXAPT, Grundbaustein des EXAPT-Systems, kann für alle NC-
Programmieraufgaben eingesetzt werden.
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Das Prinzip der maschinellen Programmierung mittels EXAPT ist in Bild 8 dargestellt. Durch ent-
sprechende Konverter-Programme (Postprozessoren) kann auch hieraus das spezifische NC-
Programm für die jeweilige Steuerung generiert werden. Mit Einführung der grafisch interaktiven
Programmierung haben Programmiersysteme wie EXAPT an Bedeutung verloren. Im Gegensatz
dazu hat – trotz immer leistungsfähigerer Systeme zur grafisch-interaktiven Programmierung – die
manuelle Erstellung von Programmen noch nicht überall ihre Bedeutung verloren. In Bereichen, in
denen die Programmerstellung einen großen Kostenfaktor der Produktion darstellt, z. B. in der
Einzelteilfertigung, kann manuell nicht mehr wirtschaftlich programmiert werden. In der Massenfer-
tigung, in der ein Programm für größte Stückzahlen über lange Zeiträume genutzt wird, ist der An-
teil der Programmerstellung von untergeordneter Bedeutung. Hier bietet sich die manuelle Pro-
grammierung gegebenenfalls sogar an, da das spezifische Know-how von Programmierern unter
Umständen höher optimierte NC-Programme liefert, als es durch die schematischen Algorithmen
eines Programmiersystems möglich wäre.
Bild 8: Prinzip der maschinellen Programmierung
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1.4 Ausgewählte NC-Befehle
Beispielhaft werden in der Folge einige NC-Befehle vorgestellt, deren Wegbedingungen auch im
genormten Befehlsumfang enthalten sind.
1.4.1 Gerade im Eilgang G00
N5 G97 V100 X20 T0505 M04 M08 M41G00 X/U.. Z/W.. I/A.. K.. F.. B..S.. T..
M-Anweisungen
M..
Werkzeugaufruf
B-AnweisungenDrehzahl oderSchnittgeschwindigkeit
Vorschub, nur R-Achse
für Abwahl SRKKoordinaten des Zielpunktesim Bezugs- oder Kettenmaß
Z
W
UZielpunkt
Startpunkt
X
Startpunkt
U+
U-
W+W-
Durch die G00-Anweisung wird das Werkzeug (Schneidenspitze) im Eilgang, d. h. mit größtmögli-
cher Geschwindigkeit, an den programmierten Zielpunkt gefahren. Die Werkzeugbahn wird von der
CNC-Steuerung durch Geradeninterpolation ermittelt, d. h. der Verfahrweg verläuft in gerader Li-
nie (kürzeste Verbindung zwischen Start- und Zielpunkt). Dabei überwacht die Steuerung die ma-
ximal zulässige Eilganggeschwindigkeit für jede Achse. Die Höhe der Eilganggeschwindigkeit lässt
sich in den Maschinendaten der CNC-Steuerung verändern. Durch Eingabe der Adressen X und Z
wird der Zielpunkt der Schneidenspitze programmiert. Die Adresse T (Werkzeugaufruf) sollte wäh-
rend einer G00-Bewegung nicht zum Schwenken auf eine andere Werkzeugstation verwendet
werden, sondern lediglich zum Umschalten auf eine eventuell vorhandene zweite Werkzeugspitze
(z. B. bei einem Einstechwerkzeug). Die G00-Anweisung bewirkt automatisch Genauhalt (G9). Bei
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Programmierung von G00 bleibt der (eventuell vorher) unter F programmierte Vorschub erhalten
und wird z. B. mit G1 wieder wirksam.
Beispiel: Programmzeile: G0 X20 Z2 M8 (M8=Kühlmittelein)
Schneidenspitze
Zielpunkt
2
X+
20
G0
1.4.2 Gerade im Vorschub G01
N5 G97 V100 X20 T0505 M04 M08 M41G01 X/U.. Z/W.. D/R.. F.. B..S..
M-Anweisungen
M..T..
Werkzeugaufruf
B-AnweisungDrehzahl oderSchnittgeschwindigkeit
Vorschub
ÜbergangsfaseÜbergangsradius
Koordinaten des Zielpunktesim Bezugs- oder Kettenmaß
E..
Vorschub Übergangselemente
A..
Winkelangabe
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A
U
Z
Zielpunkt
Startpunkt
WX
Durch die G1-Anweisung wird das Werkzeug (Schneidenspitze) in Vorschubgeschwindigkeit an
den programmierten Zielpunkt gefahren. Die Vorschubgeschwindigkeit wird mit F (FEED-RATE)
programmiert – bei rotierender Hauptspindel in [mm/U] (siehe G95), bei stillgesetzter Hauptspindel
in [mm/min] (siehe G94). Die Vorschubgeschwindigkeit F ist modal (selbsthaltend), d. h. wenn sie
einmal programmiert wurde, bleibt sie solange wirksam, bis ein neues F programmiert wird. Die
Werkzeugbahn wird von der CNC-Steuerung durch Geradeninterpolation ermittelt, d. h. der Ver-
fahrweg verläuft in gerader Linie. Es können achsparallele und konisch verlaufende Bewegungen
ausgeführt werden (siehe Beispiele). Mit den Adressen X und Z wird der Zielpunkt der
Schneidenspitze im Bezugsmaß programmiert. Die Programmierung des Zielpunktes im Ketten-
maß geschieht mit den Adressen U und W.
Beispiel: Programmzeile: G1 Z-15 F0.2 (Vorschub 0.2 mm/U)
Zielpunkt
SchneidenspitzeG1
20
W Z+
X+
15
Achsparallele Bewegung
Programm mit G0: G0 X20 Z2; G1 Z-15 F0.2; G1 X40 Z-25
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25
15
40
20
Zielpunkt
W Z+
X+
Konische BewegungG
1
1.4.3 Kreisbogen G02/G03
N5 G97 V100 X20 T0505 M04 M08 M41G02/G03
X/U.. Z/W.. D/C.. F.. B..S..
B-AnweisungDrehzahl oderSchnittgeschwindigkeit
Vorschub
ÜbergangsfaseÜbergangsradius
Koordinaten des Zielpunktesim Bezugs- oder Kettenmaß
E..
Vorschub Übergangselemente
I.. K..P.. Q..R..
Kreismittelpunktangabe(I/K = Kettenmaß, P/Q = Bezugsmaß, R = Radius)
H..
Schnittpunktangabe
M-Anweisungen
M..
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Startpunkt
K+
I-
K-
I+
Z
X
KIR
Z
X
Q
Q-
P-
Q+
P+
P
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TEIL 2: FERTIGUNGSTECHNIK
2 Einführung in die Zerspanungstechnologie
2.1 Grundlagen zum Drehen
Drehen ist ein spanabhebendes Verfahren mit rotatorischer Hauptbewegung (Schnittbewegung).
Beim Drehen rotiert das Werkstück, während das Werkzeug die Vorschubbewegung ausführt.
Nach DIN 8589 Teil 1 wird das Drehen nach den Ordnungsgesichtspunkten erzeugte Oberfläche,
Werkzeugform und Kinematik des Zerspanvorgangs unterteilt.
Die Orientierung des Schneidteils zum Werkstück hängt davon ab, ob die Vorschubrichtung paral-
lel (Längsdrehen) oder senkrecht zur Werkzeugachse (Plandrehen) liegt (Bild 1).
© 343-75-00
Bild 1: Bewegungen und Schnittgrößen beim Drehen
Die Verfahren Plan- und Längsdrehen unterscheiden sich hinsichtlich der Zerspankräfte durch die
vertauschten Richtungsvektoren der Passivkraft Fp und der Vorschubkraft Ff. Die Schnittkraft Fc
liegt stets senkrecht auf der Werkzeugbezugsebene Pr (Zeichnungsebene).
Zerspankräfte werden sowohl durch das Werkzeug wie auch durch das Werkstück in der Auf-
spannung aufgenommen. Abhängig von der jeweiligen Anordnung existieren für das Werkstück
unterschiedliche Spannprinzipien (Bild 2).
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1.1 2.1
Spannprinzipien für rotationssymmetrische Werkstücke
Kraft von außen nach innen
1.2
Kraft von innen nach außenzusätzliche Abstützung mit Lünette
2.2
Mitnahme über Drehherz
llw
ohne
Que
rkra
ft
ohne
Que
rkra
ftm
it Q
uerk
raft
1.3
Axialkraft gegen Referenzfläche
2.3
Stirnmitnehmer
Selbsttätiger Mitnehmer
2.4
l
lw
Fn
344-28-00©
2 zwischen Spitzen1 fliegend
Bild 2: Spannprinzipien beim Drehen
Für das Plandrehen existieren zwei unterschiedliche Varianten. Dabei wird entweder die Schnitt-
geschwindigkeit vc oder die Werkstückdrehzahl n konstant gehalten. Beim Plandrehen mit kon-
stanter Drehzahl fällt die Schnittgeschwindigkeit zur Rotationsachse hin ab. Bei der Variante mit
konstanter Schnittgeschwindigkeit steigen Werkstückdrehzahl n und Vorschubgeschwindigkeit vf
mit abnehmenden Radius bis zur Drehzahlgrenze an (Bild 3).
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344-21-00©
n = konst.
v c, max
c, minv
v (r)c
v , nc
n max
minnv , nc
v = v konst.c c, max
v (r) = n (r) · f
n (r)
r r
dia
d
Bild 3: Verlauf von Schnittgeschwindigkeit und Drehzahl über Werkstückradius (Plandre-hen)
2.2 Orthogonaler Zerspanprozess mit geometrisch bestimmten Werkzeug
Bei einem orthogonalen Prozess spannen Schneide, Schnittgeschwindigkeit und Zustellung ein
rechtwinkliges Koordinatensystem auf (Bild 4). Die Hauptschneide ist identisch mit dem Wirkprofil.
Nebenschneiden existieren beim orthogonalen Zerspanprozess nicht. Schnittgeschwindigkeit vc (x-
Achse) und Zustellung hD1 (y-Achse) stehen senkrecht auf der Schneidkante (z-Achse)
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nach Saljé© 343-18-00xHolz
y
hD1
Auffederunginfolge Elastizität
z
ybD2
bD1
Werkzeug
Wirkprofil WPbildet sich ab =Schneidprofil SP
Werkstück
negativer Spanwinkel
hD1
> 0
y
xMetall
hD2
hD1
vc
Spanfläche
Freifläche
hD2
positiver Spanwinkel > 0
stark positiver Spanwinkel>> 0
Spanwinkel = 0
< 0
Bild 4: Spanen im Orthogonalprozess
Der Schneidkeil dringt mit der Schnittgeschwindigkeit vc in den Werkstückstoff ein. Während des
Spanbildungsvorgangs wird der Werkstückstoff in der Trennebene zunächst elastisch und an-
schließend plastisch bis hin zum vollständigen Fließen verformt. Der so verformte Werkstückstoff
gleitet über der Spanfläche des Schneidkeils ab und bildet sich dabei zu einem Span aus.
Bei allen spanabhebenden Fertigungsverfahren mit geometrisch bestimmter Schneide werden die
Prozesskenngrößen (Spanbildung, Zerspankraft, Schneidenverschleiß und Arbeitsergebnis) we-
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sentlich durch die Geometrie des Schneidkeils beeinflusst. Beim Orthogonalprozess beschreiben
der Freiwinkel und der Keilwinkel die Lage des Werkstückes zur Schneide. Keil-, Frei- und
Spanwinkel ergänzen sich stets zu einem rechten Winkel, wobei der Spanwinkel positiv oder ne-
gativ eingestellt werden kann. Die Größe des Spanwinkels beeinflusst die Stabilität des Schneid-
keils. Stark positive Spanwinkel können infolge erhöhter Schneidkeilschwächung zum Bruch des
Werkzeuges führen. Als Vorteile eines positiven Spanwinkels sind geringere Zerspankräfte und
bessere Werkstückoberflächen zu nennen.
Das Werkstück kann beim Eindringen des Schneidkeils je nach E-Modul und Abmessung auswei-
chen und zurückfedern. Der Span läuft bedingt durch Stauchen, Deformieren und Brechen
(instationärer Vorgang) diskontinuierlich auf der Spanfläche. Für das folgende Beispiel (Bild 5) wird
vereinfachend angenommen, dass der Zerspanvorgang kontinuierlich abläuft (stationärer Vorgang)
und ein Orthogonalprozess vorliegt.
© 343-19-00nach Saljé
Werkzeug-Hauptschneide
vf
z
z
vf
vc
z
v
x
x
vf
a = b rp D1
cv
hD1= f = 90°
Bild 5: Beispiel zum angenäherten Orthogonalprozeß: Abdrehen eines Rohres
f D
D p D D
c
v f n h n
A f a h b
v D n
1
1 1
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Seite 26 Betreuer: Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Rüggeberg
2.3 Der Zerspanvorgang
Beim Zerspanungsvorgang lässt sich die Spanentstehungsstelle in fünf Bereiche (a - e) aufteilen
(Bild 6). Der Strukturverlauf im Werkstück (Bereich a) geht durch einfaches Scheren entlang der
Scherebene in den Strukturverlauf des Spans (Bereich b) über. Bei der Zerspanung spröder Werk-
stoffe führt bereits eine geringe Verformung in der Scherebene zur Werkstofftrennung. Bei zäheren
Werkstoffen erfolgt die Trennung unmittelbar vor der Schneidkante im Bereich e. Die Zugbelastung
der Werkstückfasern unter gleichzeitig senkrecht wirkendem Druck und den hohen Zerspanungs-
temperaturen führen zu starken Verformungen des Werkstoffes auf der Schnittfläche und entlang
der Spanfläche.
nach: König343-11-00©
Bild 6: Die Spanentstehungsstelle
2.3.1 Spanarten
Die Spanart (Bild 7) wird bestimmt durch die Vorgänge in der Spanentstehungsstelle. Sie ist ab-
hängig vom Werkstückstoff, den Schnittbedingungen, insbesondere von der Schnittgeschwindig-
keit und der Spanungsdicke, der geometrischen Gestalt des Schneidkeils und der Lage des
Schneidkeils relativ zum Werkstück. Man unterscheidet: Reißspan, Scherspan, Wellenspan, Fließ-
span und Kontinuusspan.
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Seite 27 Betreuer: Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Rüggeberg
Reißspäne entstehen bei der Zerspanung von spröden Werkstoffen mit ungleichmäßigem Ge-
füge. Die Späne werden nicht exakt abgetrennt, sondern aus der Werkstückoberfläche
(Schnittfläche) gerissen. Die Werkstückoberfläche weist kleine Ausbrüche auf und ist ent-
sprechend rau.
Scherspäne entstehen bei der Zerspanung von spröden Werkstoffen oder bei Werkstoffen bei
denen der Zerspanvorgang eine Versprödung im Gefüge hervorruft. Ihre Form erhalten sie
durch Spanteile, die in der Scherebene aufgetrennt und wieder zusammengeschweißt werden.
Wellenspäne entstehen bei der Zerspanung von Werkstoffen mit ungleichmäßigem Gefüge
oder bei schwankenden Zerspanungsbedingungen (z.B. infolge von Schwingungen).
Fließspäne entstehen bei der Zerspanung von Werkstoffen mit guten Verformungseigen-
schaften und homogenem Gefüge.
343-23-00©
Reißspan Scherspan Wellenspan Fließspan Kontinuusspan
Bild 7: Spanarten
2.3.2 Spanformen
Neben den Spanarten unterscheidet man Spanformen (Bild 8). Die Spanformen beschreiben die
Gestalt des Spanes und sind abhängig von des Schnittbedingungen und den Eigenschaften des
Werkstückstoffs. Die Spanformen werden unterteilt in: Bröckelspäne, Wendelspäne, Spiralspäne,
Bandspäne, Wirrspäne und Spanlocken.
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Seite 28 Betreuer: Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Rüggeberg
343-22-00©
Wirrspäne
ungünstige Spanformen
zyl. WendelspäneSpiral- (-Wendel) Späne
Lange Späne
Kurze (gebrochene) Späne günstige Spanformen
Span-locken
Bröckelspäne
Bandspäne
Sch
erfe
stig
keit
des
Wer
kstü
ckst
offe
s
Ver
form
ung
sgra
d
des
Wer
kstü
ckst
offe
s
Bild 8: Spanformen
Für einen störungsfreien Zerspanvorgang, insbesondere bei Automaten und NC-Drehmaschinen
und zum Schutz des Maschinenbedieners ist eine günstige Spanbildung von großer Bedeutung.
Üblicherweise werden möglichst kurze Späne angestrebt. Bei Wendelspänen besteht darüber hin-
aus die Gefahr, dass der rücklaufende Span die Schnittfläche beschädigt.
Um die Späne möglichst kurz zu halten, haben sich in der Praxis Spanformer, Spanbrecher oder
Spanstufen durchgesetzt. Dabei wird der Span soweit gekrümmt, dass er infolge Versprödung
bricht. Spanstufen können auf den Schneidkörper aufgeklemmt oder aufgelötet werden. Häufiger
werden heute jedoch Wendeschneidplatten mit eingeformten oder auch eingeschliffenen Span-
leitstufen verwendet (Bild 9).
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Seite 29 Betreuer: Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Rüggeberg
343-12-00©
nach: Sandvik
Bild 9: Wendeschneidplatten mit eingeformter Spanleitstufe
Von den Werkzeugherstellern werden „Spanpläne“ mitgeliefert, die für jeden Wendeschneid-
plattentyp unterschiedlich sein können (Bild 10). Mit Hilfe des Spanplanes können die Schnittwerte
bereits in der Arbeitsvorbereitung so festgelegt werden, dass beim Bearbeitungsvorgang ein kon-
trollierter Spanbruch gewährleistet wird. Ein Spanplan zeigt den Zusammenhang zwischen der
Schnittiefe ap und der Spanungsdicke hD in seiner Wirkung auf die entstehende Spanform. Es
muss jedoch berücksichtigt werden, dass während des Prozesses die Werkzeugschneide ver-
schleißt und sich dabei die Schnittbedingungen, also auch die Spanformen ändern.
1,0
mm
0,1
0 1 mmSpantiefe a p
10© 342-95-00
Spa
nun
gsd
icke
hD
0,8
0,7
0,5
0,4
0,6
0,3
0,2
2 3 4 5 6 7 8
Bröckelspäne
Wirrspäne
Ban
dsp
äne
lange zyl.Wendel-späne
11
Bereich günstiger Spanformen
Bild 10: Spanformenempfehlung für Werkzeuge mit eingeformter Spanleitstufe (schema-tisch)
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Seite 30 Betreuer: Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Rüggeberg
2.4 Dreidimensionaler Zerspanprozeß mit geometrisch bestimmtem Werkzeug
2.4.1 Bezugssysteme zur Festlegung der Werkzeuggeometrie
Begriffe und Bezeichnungen an spanabhebenden Werkzeugen sind im Normblatt DIN 6581 fest-
gelegt (Bild 12).
© 338-60-00
angenommeneSchnittrichtung
Werkzeug-Schneidenebene
Werkzeug-Orthogonalebene
PS
Po
Werkzeug-Bezugsebene,senkrecht zur angenommenenSchnittrichtung und parallel zurAuflageebene
Pr
Schaft
Hauptschneide
Hauptfreifläche
Nebenfreifläche
Nebenschneide
Spanfläche
Spanflächen derHauptschneide
Freiflächenfase derHauptschneide
Schneideneckemit Eckenrundung
Freiflächenfase derNebenschneide
Vorschubrichtung
betrachteterSchneidenpunkt
Bild 11: Werkzeugbezugssystem am Drehmeißel nach DIN 6581
Der Schneidkeil ist derjenige Teil des Werkzeuges, an dem durch Relativbewegungen zwi-
schen Werkzeug und Werkstück der Span entsteht.
Die Durchdringungslinien der den Schneidkeil begrenzenden Flächen sind die Schneiden.
Der Schneidteil ist der wirksame Teil des Werkzeuges, an dem sich die Schneidkeile mit den
Schneiden befinden.
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Die Spanfläche ist die Fläche am Schneidkeil, auf der der Span abläuft.
Die Freifläche ist die Fläche am Schneidkeil, die der entstehenden Werkstückoberfläche zu-
gekehrt ist.
Die Hauptschneide ist die Schneide, deren Schneidkeil bei Betrachtung in der Arbeitsebene in
Vorschubrichtung weist.
Die Arbeitsebene ist eine „gedachte“ Ebene, die durch den Schnittrichtungsvektor und den
Vektor der Vorschubrichtung aufgespannt wird.
Die Schneidenecke ist diejenige Ecke des Schneidteils, an der eine Haupt- und eine Neben-
schneide mit gemeinsamer Spanfläche zusammentreffen. Der Eckenradius wird mit r be-
zeichnet.
Der Werkzeug-Neigungswinkel ist der Winkel zwischen der Hauptschneide und der Werk-
zeug-Bezugsebene Pr, gemessen in der Werkzeug-Schneidenebene Ps. liegt immer so, daß
seine Spitze zur Schneidenecke hinweist und ist positiv, wenn die Schneidenecke gegenüber
den anderen Schneidenpunkten in Schnittrichtung vorauseilt.
Der Werkzeug-Einstellwinkel r ist der Winkel zwischen der Werkzeug-Schneidenebene Ps
und der Arbeitsebene Pf, gemessen in der Werkzeug-Bezugsebene Pr. r liegt immer so, daß
seine Spitze zur Schneidenecke hinweist und ist stets positiv.
Der Eckenwinkel r ist der Winkel zwischen zusammengehörigen Haupt- und Neben-
schneiden, gemessen in der Werkzeug-Bezugsebene.
2.4.2 Zerspankraftkomponenten beim dreidimensionalen Zerspanprozeß
F Zerspankraft
F = Fc + Ff + Fp
auf den Schneidkeil wirkende Gesamtkraft
Fa Aktivkraft Projektion der Zerspankraft auf die Arbeitsebene Pf
Fc Schnittkraft leistungsverzehrend
Ff Vorschubkraft leistungsverzehrend
Fp Passivkraft Passivkraft nimmt mit r zu (Gefahr von Ratterschwingungen)
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© 343-20-00Zerspankraft
Fa
F
Ff
Werkstück
Passivkraft
Werkzeug
Schnittkraft
Vorschubkraft
Aktivkraft
Arbeitsebene Pf
Fc
Fp
Bild 13: Zerspankraftkomponenten und Arbeitsebene Pf beim Längsdrehen
Die Zerspankraft (Bild 13) ist ein wichtiger Beurteilungsmaßstab für die Zerspanbarkeit von Werk-
stoffen. Im Allgemeinen steigen die Zerspankräfte bei der Bearbeitung von schwer zerspanbaren
Werkstoffen. Neben den Werkstoffeigenschaften ist die Zerspankraft auch von weiteren Faktoren
abhängig. Die Schnittbedingungen und die Schneidteilgeometrie sind hier als wesentliche Ein-
flussgrößen zu nennen.
2.4.3 Schnittenergie, Schnittleistung, Zeitspanungsvolumen, spezifische Schnittkraft
Für die Auslegung von Fertigungsprozessen oder die Dimensionierung von Werkzeugmaschinen
wird die Wirkleistung Pe herangezogen. Sie ergibt sich aus den Zerspankraftkomponenten und
den in ihrer Richtung wirkenden Geschwindigkeitskomponenten:
Pe = Fc vc + Ff vf
Da die Vorschubgeschwindigkeit in der Regel sehr viel kleiner ist als die Schnittgeschwindigkeit
kann in den meisten Fällen die Vorschubkomponente vernachlässigt werden:
Pe Pc = Fc vc
Die Schnittenergie Ec ergibt sich zu:
Ec = Pc tc mit tc = Schnittzeit
Das Zeitspanungsvolumen QW ist das in der Schnittzeit tc abgespante Werkstoffvolumen VW:
W
W
c
QV
t
mms
3
Für das Drehen ergibt sich:
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QW = AD vc =ap f vc = bD hD vc
VW = f ap vc tc = QW tc = AD vc tc
Die spezifische Schnittkraft kc ist die auf den Spanungsquerschnitt bezogene Schnittkraft:
cc
D
c
p
c
D Dk
F
A
F
a fF
b h
Schnittenergie
Spanvolumen
Schnittleistung
Zeitspanungsvolumen
rD fh sin
r
pD
ab
sin
© 342-91-00
re = 0°
fvfDA
D
ap
Werkstück
b D1
Rt f² 8 / rr
x
z
r
hD1
Schneidteil
Bild 14: Schnitt und Spanungsgrößen beim Drehen
Die spezifische Schnittkraft kc1.1 ist der Hauptwert der spezifischen Schnittkraft kc. Sie gibt die
Schnittkraft an, die zum Abspanen eines Spans der Spanungsbreite bD = 1 mm und der Spa-
nungsdicke hD = 1 mm erforderlich ist. Der Exponent m ist der Steigungsfaktor der Geraden
kc = f(hD) im doppeltlogarithmischen Diagramm. Die Zusammenhänge zwischen diesen Größen
wurden erstmalig durch O. Kienzle beschrieben:
c cm
Dk k h 11.
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damit ist:
c c Dm
DF k b h 1 1
1.
Hauptwert und Steigungsfaktor der spezifischen Schnittkraft können nur mit Einschränkung als
Werkstoffkenngrößen angesehen werden. Die Gleichung von Kienzle erfasst nicht den Einfluss der
Geometrie des Schneidkeils, der Schnittgeschwindigkeit und der Nebenschneide auf die spezifi-
sche Schnittkraft.
Aus Tabelle 1 wird deutlich, dass die spezifische Schnittkraft kc und der Hauptwert der spezi-
fischen Schnittkraft kc1.1 abhängig von den Schnittbedingungen, jedoch unabhängig von der Fes-
tigkeit des Werkstoffes sind.
Werkstoff B
[N/mm²]
kc1.1
[N/mm²]
kc [N/mm²] für hD [mm] kc1.1/B m
0,06 0,1 0,25 0,4
St 50.11 520 1990 4200 3610 2830 2500 3,7 0,26
Ck 45 670 2220 3240 3040 2660 2500 3,3 0,14
16MnCr5 770 2100 4350 3830 3020 2660 2,7 0,26
42CrMo4 730 2500 5000 4500 4000 3550 3,4 0,26
Tabelle 1: Vergleich einiger Werkstoffkennwerte; Schnittbedingungen vc = 2 m/s, = 6°
2.4.4 Wärmebeanspruchung des Schneidteils
Verformungs- und Reibungsvorgänge wandeln den größten Teil aufgewendeter mechanischer
Energie ( Schnittenergie Ec) in Wärme um. Der größte Teil der Wärme wird vom Span abgeführt
(Bild 15). Der Hauptteil der mechanischen Energie wird unmittelbar in der Scherzone umgesetzt.
Die an den einzelnen Entstehungstellen anfallenden Wärmemengen werden durch Wärmeleitung,
Strahlung und Konvektion an die Umgebung abgeführt. Als Folge bilden sich im Werkstück und im
Werkzeug Temperaturfelder aus, die sich bei der Zerspanung orts- und zeitabhängig solange ver-
ändern bis sich ein Gleichgewicht einstellt (stationärer Zustand).
Bei zähen Werkstückstoffen wird die höchste Temperatur in der Regel hinter der Schneidkante
gemessen. Der Span reibt auf der Spanfläche (erhöhte Kolkverschleißneigung). Bei spröden
Praktikum Automatisierungstechnik SS 2012
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Werkstückstoffen wird die höchste Temperatur in der Regel unmittelbar an der Schneidkante ge-
messen. Der Span bricht an der Schneidkante (erhöhte Freiflächenverschleißneigung).
nach Kronberg und Vieregge339-47-00©
380 °C
Werkstück
13080
50030
300310
400
450500
Span
Werkzeug600
650700
600
5 %
2 %
75 %
18 %
Bild 15: Wärme- und Temperaturverteilung in Werkstück, Span und Werkzeug
2.5 Schneidstoffauswahl
Schneidstoffe haben die Aufgabe, Werkstoffe zu trennen. Dabei treten sie unmittelbar mit dem
Werkstoff in Kontakt, schließen den Kraftfluss zwischen Maschine und Werkstück und übertragen
somit die Prozesskräfte. Trennvorgängen liegen in der Regel Verformungs-, Reibungs-, Bruch- und
Rissfortpflanzungsvorgänge zugrunde. Die damit einhergehenden Begleiterscheinungen wie inne-
re Spannungen, hohe Prozesstemperaturen und chemische Reaktionen bilden zusammen mit der
verfahrensspezifischen Kinematik und den Eingriffsverhältnissen für jeden Anwendungsfall ein
spezielles Belastungskollektiv und legen damit ein Anforderungsprofil für einen Schneidstoff fest.
Neben den geforderten mechanisch-physikalischen und chemischen Eigenschaften sind die An-
forderungen an die Schneidteilgeometrie, die durch Bearbeitungsqualität und Schnittkräfte gege-
ben sind, für die Schneidstoffauswahl von großer Bedeutung.
Interessierende Eigenschaften von Schneidstoffen sind u.a.: Härte und Druckfestigkeit, Biege-
festigkeit und Zähigkeit, Kantenfestigkeit, Bindefestigkeit (innere), Warmfestigkeit, Zunderbe-
ständigkeit, Diffusions- und Klebeneigung gegenüber Werkstückstoff, Wärmeleitfähigkeit, Wärme-
dehnung, Elastizitätsmodul.
Gebräuchliche Schneidstoffe für die spanende Bearbeitung sind: Werkzeugstähle, Schnellarbeits-
stähle, Stellite bzw. Hartlegierungen, Hartmetalle, Cermets, Sinteroxide wie kubisches Bornitrid,
natürliche und künstliche Diamanten, polykristalline Diamanten. Bild 16 zeigt die Einteilung der
Schneidstoffe für die Zerspanung mit definierter Schneide.
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Bild 16: Einteilung der Schneidstoffe für die Zerspanung mit definierter Schneide
Zwei wichtige Eigenschaften der Schneidstoffe, Verschleißfestigkeit (Warmhärte) und Zähigkeit,
sind gegenläufig, d.h. es besteht eine umgekehrt proportionale Abhängigkeit dieser beiden Haupt-
eigenschaften. Ein „idealer Schneidstoff“ vereint jedoch höchste Warmfestigkeit mit höchster Zä-
higkeit und ist chemisch inert gegenüber dem zu bearbeitenden Werkstückstoff. Durch Verbund-
werkstoffe versucht man seit einigen Jahren, sich dem „idealen Schneidstoff“ zu nähern. Auf zähe
Grundkörper werden verschleißfeste Schichten (z.B. Titankarbid TiC und Titannitrid TiN) aufge-
bracht. Dieses Prinzip wurde zunächst mit Erfolg bei Hartmetall angewendet. Durch eine stetige
Weiterentwicklung der Beschichtungsverfahren lassen sich heute auch Schnellarbeitsstähle prob-
lemlos beschichten.
Wie die beschichteten Schneidstoffe, gewinnen auch andere nichtmetallische Schneidstoffe wie
Cermets, Keramik, polykristallines Bornitrid (PKB) und polykristalliner Diamant (PKD) zunehmend
an Bedeutung. Keramische Schneidstoffe und Cermets zeichnen sich gegenüber metallischen
Schneidstoffen insbesondere durch größere Warmhärte aus. Mit ihnen sind daher grundsätzlich
höhere Schnittgeschwindigkeiten möglich (Bild 17).
Aufgrund ihrer hohen Härte und Sprödigkeit ist für einen wirtschaftlichen Einsatz der bei Schlag-
und Stoßbeanspruchung zu Ausbrüchen neigenden nichtmetallischen Schneidstoffe, eine beson-
dere Abstimmung auf die Bearbeitungsaufgabe erforderlich, insbesondere eine Anpassung der
Schneidkeilgeometrie (große Keilwinkel, z. T. negative Spanwinkel).
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Bild 17: Schneidstoffspezifische Schnittgeschwindigkeitsbereiche
Eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit mit nichtmetallischen hochharten Schneidstoffen wird in ers-
ter Linie durch Erhöhung der Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit erreicht. Hierdurch ergibt sich
eine Verkürzung der Hauptzeiten. Unter Beibehaltung konventioneller Schnitt- und Vorschubge-
schwindigkeiten kann durch die höhere Standzeit dieser Schneidstoffe eine wesentliche Einspa-
rung an Nebenzeiten erzielt werden.
Neben dieser theoretischen Betrachtung spielen bei der Schneidstoffauswahl in der Praxis noch
andere Faktoren eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich ist bei der Auswahl eines Schneidstoffes
eine entsprechende Prozeßsicherheit zu gewährleisten, mit der sich reproduzierbare Arbeitser-
gebnisse erreichen lassen. Dies gilt um so mehr, wenn die Fertigung automatisiert erfolgt. Als
Grundregel gilt, abrasiver Verschleiß ist risikoärmer als Ausbrüche oder Schneidenbruch, da diese
stochastisch auftreten. Die Bruchsicherheit ist daher im Gesamtgefüge der Anforderungen einer
hochautomatisierten Fertigung an Schneidstoffe und Werkzeuge die wichtigste Eigenschaft.
DIN/ISO 513 nimmt eine grobe Zuordnung von Anwendungsgebieten zu den einzelnen Schneid-
stoffen vor und legt eine normierte, klassifizierende Kurzbezeichnung für die verschiedenen
Schneidstoffgruppen fest (Bild 18). Die bisher von den Hartmetallen und der Norm DIN 4990 be-
kannten Zerspanungshauptgruppen werden um die Werkstoffgruppen N, S und H erweitert. Die
Schneidstoffbezeichnung kennzeichnet die Art und seine Hauptanwendung.
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Bild 18: Normkurzbezeichnung und Anwendungsgebiete der Schneidstoffe nach DIN/ISO 513
2.6 Ermittlung optimaler Schnittbedingungen
Neben den Maßnahmen zur konstruktiven Optimierung von Werkzeugen ist es erforderlich, die
Schnittwerte zu optimieren. Eine wichtige Einflussgröße ist dabei die Schnittgeschwindigkeit, die
im Wesentlichen die Standzeit der Werkzeuge beeinflusst. Je höher die Schnittgeschwindigkeit vc,
desto geringer ist in der Regel die Standzeit T. In einer doppeltlogarithmischen Darstellung von T
über vc ergibt sich näherungsweise eine Gerade (Bild 19). Die Abhängigkeit der Standzeit von der
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Schnittgeschwindigkeit kann mathematisch durch folgende Gleichung beschrieben werden (nach
Taylor):
T = C . vc-m
Hierbei ist m = tan, die Steigung der Standzeitgeraden. In der Praxis liegt m in der Größen-
ordnung von 3,5 ... 5. C ist der Koeffizient der Standzeitgeraden.
log t
log T
log vc log vc
Bild 19: Logarithmische T-vc-Darstellung
Für das Drehens ergibt sich: Mit geringerer Standzeit erhöhen sich die Werkzeugkosten Kwz.
Gleichzeitig verringern sich mit steigender Schnittgeschwindigkeit die zeitproportionalen Kosten.
Die Fertigungseinzelkosten KE, die durch die Herstellung eines einzelnen Bauteiles anfallen, sind
die Summe aus zeitproportionalen- und Werkzeugkosten (Bild 20).
Bereich kostengünstigerSchnittgeschwindigkeiten
anteiligeWerkzeugkosten
Fertigungskosten
Hauptzeitkostenanteil
Fixkostenanteil
vcopt, K
vc
Kmin
E
K [DM/Stk]E
[m/min]
Bild 20: Fertigungseinzelkosten KE in Abhängigkeit der Schnittgeschwindigkeit vc [nach Saljé]
Durch die gegenläufigen Einflüsse der Kostenanteile weist die Summenkurve ein Minimum auf. Bei
der dazugehörigen Schnittgeschwindigkeit wird somit mit minimalen Kosten gefertigt.
Ermittlung der kostenoptimalen Schnittgeschwindigkeit vc[KE=>min] für den Fall des Drehens eines
Bolzens. Es gilt:
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KE = tc . kMH + KWZ/mT
tc = VW/QW Bearbeitungszeit
kMH Maschinenstundensatz
KWZ Werkzeugkosten
mT = T/tc Standmenge
KV
Qk K
t
TE
w
wMH wz
c
QW = AD . vc Zeitspanungsvolumen
11
kc
D
wwzc
D
MHwE v
AC
VKv
A
kVK
Das Kostenminimum ergibt sich für KE/vc = 0. Nach entsprechender Ableitung folgt die kostenop-
timale Schnittgeschwindigkeit
MH
wzEc kC
KkKv
k1
1min
Ebenso kann die Standzeit T sowohl nach Kosten (TOK) als auch nach Zeit (TOT) optimiert werden.
Es ergibt sich (ohne Herleitung):
T k tK
kOK w
wz
MH
1 kostenoptimale Standzeit
T k tOT w
1 zeitoptimale Standzeit
2.7 Werkzeugverschleiß
Im Laufe der Zerspanung ändert der Schneidteil verschleißbedingt ständig seine Gestalt. Wichtige
Einflussgrößen ändern sich mit der Zeit bzw. sind Funktionen der Zeit. Daher ist jeder Zerspa-
nungsvorgang, auch wenn es zunächst häufig nicht danach aussieht, instationär.
2.7.1 Verschleißursachen
Unter dem Sammelbegriff „Werkzeugverschleiß“ lassen sich folgende Verschleißursachen auf-
zählen: Umformung der Schneidkante, Abrieb, Abscheren von Verklebungen und Verschweiß-
ungen zwischen Werkstoff und Schneidstoff, Diffusionsvorgänge, Verzunderung des Schneid-
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stoffes und Ausbrüche. Die Verschleißursachen sind bedingt durch mechanische, thermische,
chemische und elektrische Störgrößen, durch hohe örtliche Pressungen (bis 2500 N/mm²) und
hohe Temperaturen (bis 1700 K). Zwischen Werkzeugschneide und Werkstück bestehen dabei
hohe Relativgeschwindigkeiten. Grundsätzlich „erliegt“ daher jedes Werkzeug nach einer bestimm-
ten Schnittzeit. Das Erliegen kann sich durch stetiges Verschleißwachstum ankündigen (systema-
tischer bzw. kontinuierlicher Vorgang) oder plötzlich erfolgen, wie z.B. bei Schneidenbruch (sto-
chastisch). Abhängig vom Erliegekriterium wird eine begrenzte Standzeit definiert.
Einzelursachen des Verschleißes:
Mechanischer Abrieb: hohe örtliche Pressung und Temperatur unter Gleitbewegung; bei sinken-
der Warmhärte wird Werkzeugstoff leichter abgetragen. Im Verschleißgebiet entstehen große
Rauhtiefen, z.B. durch harte Einschlüsse, die wiederum Verschleiß fördern (Bild 21).
Bei hohen örtlichen Pressungen und Temperaturen können sich Werkzeugstoffe plastisch ver-
formen. Das wiederum kann Temperaturen und Pressungen weiterhin erhöhen. Es entstehen
Klebeerscheinungen und Pressschweißungen zwischen den Reibpartnern. Verschweißte Par-
tikel werden durch die Relativbewegung abtransportiert.
336-25-00©nach Pauksch
- Fp
- Fc
Spanv
Fp
Fc
vc
= Schnittgeschwindigkeit
Fp
Fc
vc
= Passivkraft
= Schnittkraft
Bild 21: Reibung beim Zerspanprozess
Dort, wo Luft Zutritt hat - d.h. außerhalb der Kontaktzone - können Verzunderungen auftreten. Bei
kurzspanenden Werkstoffen können auch auf der Spanfläche in der Kontaktzone Oxidschichten
entstehen, die sich leicht abtragen lassen.
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Diffusionserscheinungen zwischen Span und Werkzeug treten bei Temperaturen in Höhe der
0,3 ... 0,4-fachen Schmelztemperatur auf. So wird z.B. den Hartmetallkarbiden WC und TiC Koh-
lenstoff entzogen. Dabei können auch Legierungen mit Kobalt entstehen, so dass dabei Karbide
freigespült werden. Die Intensität der Diffusion hängt u. a. ab von Temperatur, Konzentrationsge-
fälle und Gefügegleichgewicht zwischen den Reibpartnern.
Zwischen Schneidstoff und Werkstück können bei großen Potentialunterschieden Ströme fließen.
Dies führt zu einem Schneidstofftransport (elektrochemischer Verschleiß). Es hat sich gezeigt:
Anlegen einer Spannung - je nach Polung - beschleunigt oder verzögert den Verschleiß. Man kann
ferner feststellen dass die Werkzeugschneide durch den Stromfluß magnetisch wird. Wird der
Stromfluß unterbrochen, kann dieses einen geringeren Verschleiß zur Folge haben.
Stochastisch können Schneidenausbrüche auftreten. Ursachen sind u.a. Ermüdungserscheinun-
gen infolge Dauerbeanspruchung. Ebenso können Ausbrüche und Risse durch Wärmespannun-
gen (z.B. bei unterbrochenem Schnitt) auftreten. Daneben sind mechanische Wechselkräfte durch
Schwingungen möglich.
Verschleißvorgänge sind außerordentlich kompliziert. Die Bedeutung einzelner Ursachen ist von
Fall zu Fall verschieden. Die Ursachen sind abhängig von der Werkstück-Werkzeugpaarung und
von den Schnittbedingungen. Verschleißursachen, die z.B. im niedrigen Schnittgeschwindig-
keitsbereich vernachlässigbar sind, können im hohen Schnittgeschwindigkeitsbereich überwiegen
(Bild 22).
nach Vieregge339-46-00©
Ge
sam
tve
rsch
leiß
Schnittemperatur(Schnittgeschwindigkeit; Vorschub u.a.)
mechanischer Abrieb(plastische Verformung)
Abscheren von Preßschweißstellen
Verzunderung
Diffusionsvorgänge
Bild 22: Verschleißursachen am Werkzeug in Abhängigkeit von der Temperatur
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2.7.2 Verschleißformen spanender Werkzeuge mit geometrisch bestimmter Schneide
Bei stetigem Verschleiß, d.h. unter Ausschluss von stochastischen Ereignissen, wie z.B. Schnei-
denbruch, bilden sich am spanenden Werkzeug bestimmte, halbwegs definierbare Verschleiß-
grundformen aus. Dieses sind Verschleiß von: Spanfläche, Schneidkante und Freifläche. Es ist
jedoch selten, daß nur eine der drei Verschleißgrundformen auftritt.
Die Verschleißformen und Verschleißmeßgrößen sind schematisch in Bild 23 dargestellt. Man un-
terscheidet die Verschleißmarkenbreite VB, den Schneidenversatz SV und SV in Richtung der
Frei-, bzw. Spanfläche gemessen sowie die Kolktiefe KT und der Kolkmittenabstand KM.
© 339-45-00
A
A
a
bc
a - Kolkverschleißb - Freiflächenverschleißc - Oxydationsverschleiß
Spanwinkel
Freiwinkel
Schneidenversatz in RichtungSpanfläche
VB
KL
KT
KM
Verschleißmarkenbreite
Kolklippenbreite
Kolktiefe
Kolkmittenabstand d.h. Abstandder tiefsten Stelle der Kolkungvon der jeweiligen Schneide
Schneidenversatz in RichtungFreifläche
SV
SV
VB
KL
SV
SV
Spanfläche
A
Freifläche
VBmax
A-A
KT
SV
VBSV
KM
Bild 23: Verschleißformen und Meßgrößen am Schneidteil [König]
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2.7.3 Standzeiten von Werkzeugen
Die Verschleißmarkenbreite VB steigt im allgemeinen degressiv mit der Schnittzeit. Auf logarith-
misch geteilten Achsen ergeben sich annähernd Geraden. Mit zunehmender VB nimmt die Werk-
stückqualität ab. Außerdem wächst die Gefahr des Schneidenausbruchs, die Nachschärfkosten
können zu hoch werden. Man läßt deshalb nur bestimmte Beträge für VB zu. Der Betrag ist ab-
hängig von den jeweiligen Schnittbedingungen und den Werkzeug-Kostenanteilen.
Die Standzeit T ist die Schnittzeit tc während der ein Werkzeug bis zum Unbrauchbarwerden auf-
grund eines vorgegebenen Standzeitkriteriums Zerspanarbeit leistet. Die Begrenzung der Ver-
schleißmarkenbreite VB (bzw. anderer Verschleißkenngrößen) auf einen zulässigen Maximalwert
führt zum Standzeitkriterium.
Ähnlich wie für die Verschleißmarkenbreite VB ergeben sich für den Kolkverschleiß Standzeit-
kriterien und Abhängigkeiten von vc und hD. Im Bereich hoher Schnittgeschwindigkeiten bestimmt
häufig der Kolk, im Bereich kleiner Schnittgeschwindigkeiten die Verschleißmarkenbreite das
Standzeitende.
Entsprechende Beziehungen ergeben sich für Standzeitgleichungen als f(hD). Dies führt zur erwei-
terten Taylor-Gleichung.
T(VB) = C · hDi · vc
k
In einem räumlichen Koordinatensystem mit den Achsen log T, log vc und log hD ergibt sich eine
Fläche (Bild 24):
i · log hD + k · log vc - log T = konst. - log C = 0
Aus dieser Darstellung erhält man die üblichen Standzeitdiagramme, z. B. T(VB) = f(vc) mit Parame-
ter hD = konst.. Normiert ergeben sich die Achsen zu log T/T0, log vc/vc0 und log hD/hD0.
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T = C · h · vD ci k
344-24-00©
k = tan i = tan
log T [min]
log h [mm]log v [m/min]c
D
c
logTT
logv
v
logh
h
o
c
c0
D
D0
D2hD1h
D1hD2h >
erweiterte
Taylorgleichung:
Bild 24: Werkzeugstandzeit als Funktion von vc und hD in der Standzeitebene [nach Saljé]
2.8 Betriebsmittelhauptnutzungszeit beim Drehen
Die Hauptnutzungszeit th ist die Zeit, in der das Betriebsmittel bei der Fertigung einer Mengen-
einheit arbeitet (Bild 25). Die Nebennutzungszeit tn ist die Zeit, in der das Betriebsmittel nicht arbei-
tet, aber zum Ablauf benötigt wird. Beispiele hierfür sind: das Spannen auf der Maschine oder das
Messen im eingespannten Zustand.
Bei stufenloser Umdrehungsfrequenzeinstellung
für Längsrunddrehen (Faustformel)
ch vf
iLdt
für Querplandrehen (Faustformel)
c
iah vf
iLddt
2
)(
Bei fester Umdrehungsfrequenzeinstellung
fh v
iL
nf
iLt
d [mm] Größter Durchmesser
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da [mm] Außendurchmesser des Werkstückes
di [mm] Innendurchmesser des Werkstückes
f [mm] Werkzeugvorschub pro Werkstückumdrehung
i Anzahl der Schnitte (Zustellung ap)
L [mm] Bearbeitungsweg
la [mm] Anlaufweg
lü [mm] Überlaufweg
lw [mm] Drehlänge
n [min-1] Umdrehungsfrequenz, bezogen auf den größten Durch-
messer
vc [m/min] Schnittgeschwindigkeit, bezogen auf den größten Durch-
messer
vf [mm/min] Vorschubgeschwindigkeit
352-37-00
la
L
d a
d i
la
L
d a
d i
lü
L
lw la
ap
Quer-Plandrehen: Vollzylinder Quer-PlandrehenHohlzylinder
Längs-Runddrehenohne Zapfen mit Zapfen ohne Zapfen mit Zapfen
la
L
d a
d a2
L = + da2 la
*) *)L = + la
d -a2
d i L = l + l + lüaw L = l + law
*)
*)L = + +
d -a2
d i lüla
Beim Quer-Plandrehen von innen nach außen vertauschen sich l und lohne weitere Angabe l = l = 2 mm annehmen
a ü
a ü
L
lwlü la
ap
Bild 25: Betriebsmittelhauptnutzungszeit beim Drehen