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Neumarkt-Newsletter Februar 2018 | Rekonstruktion, Wiederaufbau und klassischer Städtebau in Dresden und anderswo
Pressemitteilung: Zum Tod von Günter Blobel (1936–2018)
Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) und die Kulturstiftung Historisches Bürgerhaus Dresden (KHBD) haben mit tiefer Trauer den Tod ihres Ehrenmitglieds und ehemaligen Stiftungsratsmitglieds Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Günter Blobel aufgenommen. Sie sind in Gedanken bei seiner Frau, seinen Familienangehörigen und Freunden. Mit ihm verlässt uns einer der bedeutendsten Zellbiologen des 20. Jahrhunderts: Blobels Forschung, für die er 1999 den Medizin-Nobelpreis erhielt, hat wesentlich zum dem Verständnis geführt, wie Proteine in den Zellen sortiert und adressiert werden. Die von ihm beschriebenen Prinzipien sind allgemeingültig und können die Ursachen zahlreicher Erbkrankheiten erklären.In überaus großzügiger und einzigartiger Weise stellte Günter Blobel 1999 sein gesamtes Nobelpreisgeld für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, der Dresdner Synagoge und des Dresdner Neumarkts zur Verfügung. Die GHND verwendete die von ihm gespendeten 50.000 DM im Jahr 2001 für den Aufbau des Neumarkt-Informationspavillons, der unverändert am Pirnaischen Platz von ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut wird. Darüber hinaus unterstützte Günter Blobel die GHND in erheblichem Umfang mit Mitteln der Friends of Dresden, deren Vorsitzender er jahrelang gewesen ist. Dadurch konnten weitere Projekte wie die Neumarkt-Visualisierungen von Andreas Hummel, die Buchveröffentlichungen zum Dresdner Bürgerhaus von Dr. Stefan Hertzig und nicht zuletzt eine Stelle für die Betreuung der Bauherren zur Qualitätssicherung der rekonstruierten Neubauten am Neumarkt finanziert werden. Auch für den mühsamen Wiederaufbau des historischen Bürgerhauses Rampische Straße 29 stand Günter Blobel bereit, als seine Hilfe benötigt wurde. So vermittelte er eine Spende in Höhe von 500.000 US-Dollar durch die New Yorker Max-Kade-Stiftung, in deren Vorstand er saß, wodurch sich eine finanziell
VERANSTAlTUNGSHINWEISE 2018DIENSTAG, 27. FEBRUAR 2018, 19.00 UHRBürgerstammtisch, offen für alle! Gesprächspartner: Jürgen Borisch, Dipl.-Ing. Martin Truxim Gewölbekeller Augustiner-Bräu Dresden, An der Frauenkirche 16
Prof. Günter Blobel im Jahr 2008.
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unlösbare Situation überwinden ließ. Heute dient das Haus dem regen internationalen Austausch. Hier finden Studenten der Hochschule für Musik Carl Maria v. Weber Dresden während ihres Studiums eine preiswerte Unterkunft – auch das war ihm ein Anliegen.Außerhalb Dresdens engagierte sich Günter Blobel beim Wiederaufbau des Schlosses in Zerbst, beim Wiederaufbau der Potsdamer Innenstadt, beim Wiederaufbau des Bachhauses in Weimar und an vielen anderen Stellen. Sein Name wird auch mit dem Dresden-Preis verbunden bleiben, der alljährlich um den 13. Februar in der Semperoper verliehen wird.Günter Blobel war ein außerordentlich couragierter Mensch, der seine Anliegen mit großem Elan verfolgte, weil sie ihm zutiefst am Herzen lagen. Das hat ihn beim Wiederaufbau des Dresdner Neumarkts eng mit den Bestrebungen der GHND verbunden. Folgerichtig erwarb er unter Vermittlung der GHND ein Grundstück am Neumarkt, auf dem nun ein Ersatz für das ehemalige Bothen-Kaufhaus entsteht.Die Gremien und Mitglieder der GHND und der KHBD empfinden tiefe Dankbarkeit gegenüber einem Menschen, der jahrzehntelang seine einzigartigen Begabungen konsequent in den Dienst von Wissenschaft und Zivilgesellschaft gestellt hat und damit zum Vorbild geworden ist. Wir verneigen uns in großer Hochachtung vor Prof. Dr. Günter Blobel und seiner bleibenden lebensleistung.
Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V.Vorstand und KuratoriumKulturstiftung Historisches Bürgerhaus DresdenStiftungsvorstand und Stiftungsrat
Dresden, 21. Februar 2018
Günter Blobel bei einer Baustellenbesichtigung im Juni 2007 auf der Baustelle Rampische Straße 29. (Foto: GHND)
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Bürgerwiese: Bauausschuss stimmt geschlossen für Wiederaufbau des Palais Oppenheim
Die Bemühungen des Gottfried-Semper-Club Dresden e. V., einen Wiederaufbau des Palais Oppenheim zu bewirken, haben eine wichtige Hürde genommen. Nach einer emotionalen Rede des Vorsitzenden lucas Müller vor dem Bauausschuss des Dresdner Stadtrats stimmte das Gremium geschlossen für die Unterstützung des Wiederaufbaus. Im Stadtrat konnte bislang zwar noch keine Mehrheit für das Vorhaben gefunden werden, dennoch ist Müller optimistisch. Für den 12 bis 15 Millonen Euro teuren Bau stehen schon Geldgeber bereit. Der Eigentümer des Grundstücks, Immovation AG, der mit dem Bauvorhaben lingnerstadt eine zeitgenössische Wohnbebauung entlang der Bürgerwiese plant, hat indes bislang kein Interesse, das historische Bauwerk wiederzuerrichten. Der Semperclub wünscht sich, dass das rekonstruierte Palais Oppenheim künftig an die ehemals blühende jüdisch-sächsische Kultur der Residenzstadt erinnert. Die GHND unterstützt das Vorhaben. JHP
Quartier III: Bebauung wird Polizeipräsidium deutlich überragen
Visualisierung der geplanten Bebauung an der Rampischen Straße durch die CG Gruppe (oben) und eine von der GHND durchgeführte Korrektur des Maßstabs (unten). (oben: © CG Gruppe)
Die vom Investor CG Gruppe bislang veröffentlichte Visualisierung der geplanten Bebauung an der Rampischen Straße zeigt das Polizeipräsidium, wie die GHND nachweisen konnte, deutlich zu groß dimensioniert. Eine korrigierte Ansicht verrät die tatsächlichen Proportionen. Der Ersatzbau für das Palais Riesch wird dieses deutlich überragen, was gegenwärtig erhebliche Sicherheitsbedenken auf Seiten des Freistaats verursacht. laut CG-Geschäftsführer Christoph Gröner sei jedoch inzwischen ein Kompromiss gefunden, Details gab er jedoch nicht bekannt. JHP
Visualisierung des Palais Oppenheim. (© Gottfried-Semper-Club/arte4D)
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Innere Neustadt: Blockhaus wird zum Archiv der Avantgarden umgebaut
Das Blockhaus am Neustädter
Markt hat im laufe seiner
Geschichte unterschiedlichste
Nutzungen erfahren. Plante
August der Starke den Bau
noch als Pyramide mit
riesigem Obelisk, Zacharias
longuelune lieferte den
Entwurf, kamen die
Bauarbeiten nach dem Tod
des Kurfürstkönigs 1733 zum
Erliegen. Nach Fortsetzung
der Konstruktion, nun
mit einem Satteldach statt in Pyramidenform, diente der Bau seit 1749 als Neustädter Wache. Im 19.
Jahrhundert wurde er dann als Wohnsitz der Gouverneure genutzt, dann als Kriegsministerium, ab 1922
bis zur Zerstörung 1945 als Sitz des Wehrkreiskommandos IV der Reichswehr. Zwischen 1978 und 1982
erfolgte der Wiederaufbau und das Blockhaus wurde bis zur politischen Wende als Haus der Deutsch-
Sowjetischen Freundschaft genutzt. Ab 1994 diente es für Veranstaltungen der landesregierung, der
Sächsischen Akademie der Künste, der Außenstelle Dresden der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
und der Sächsische landesstiftung Natur und Umwelt. Seit dem Elbehochwasser 2013 musste das Gebäude
geschlossen bleiben.
Nun soll in den historischen Bau das Archiv der Avantgarden (AdA) einziehen. Seit den späten 1960er
Jahren trug der Sammler Egidio Marzona rund 1,5 Millionen Exponate der künstlerischen Avantgarden
des 20. Jahrhunderts zusammen: Werke der bildenden Kunst, Möbel, Schrift- und Tondokumente.
Es handelt sich um eine der größten Sammlungen ihrer Art. Nach der Schenkung an die Staatlichen
Kunstsammlungen Dresden vor zwei Jahren ist nun ein umfangreicher Umbau des Blockhaus-Inneren
geplant. Von 103 Bewerbern wurden 35 Architekturbüros zur Teilnahme ausgewählt und 28 Arbeiten
eingereicht. Die Jury unter Vorsitz von Prof. Arno lederer hat sich für das spanische Büro Nieto Sobejano
Arquitectos entschieden. „Die feine Provokation und das Gedankenspiel, das der Institutionsname
impliziert, wird in diesem Projekt als Ausgangspunkt verstanden. Ein massiver Betonkörper, schwebend im
leergeräumten bestehenden Blockhaus, bildet das Kernstück des Archives, einen verborgenen Schatz, als
unvermeidliche Präsenz der Vergangenheit“, so die Begründung des Preisgerichts. Äußerlich wird sich am
Bau voraussichtlich nichts ändern. Er steht unter Denkmalschutz. JHP
Visualisierung des geplanten Innenausbaus. (© Nieto Sobejano Arquitectos)
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Innere Neustadt: Sanierung der ehemaligen Brandversicherungsanstalt beginnt
Schon bald kann die Sanierung des
denkmalgeschützten Gebäudes am
Palaisplatz beginnen, das ursprünglich
von der Brandversicherungsanstalt
betrieben wurde aber schon seit
Jahrzehnten leer steht. In dem 1899
vom Architekten Oswald Haenel
errichteten Bau im Stil des Neobarock
mit Elementen des Jugendstils sollen 51
Eigentumswohnungen entstehen.
Die Sanierung bildet den Auftakt
zum Bau des Projekts „Königshöfe“.
Denn anschließend sind drei
Neubauten entlang der angrenzenden
Theresienstraße geplant. Dem Berliner Büro „Atelier ST“ ist es gelungen, die Baukörper in Anlehnung an
die umliegende Bebauung zu gestalten, und es hat ein positives Echo auf die Entwürfe empfangen. Rund
200 Wohnungen sollen in den Häusern entstehen. JHP
Veranstaltungstipp: Vortragsreihe „Städte im Krieg – Städte für den Frieden“
Seit dem Aufkommen der Nationalstaaten sind Städte nicht mehr die Verursacher und Auslöser von Kriegen.
Sie sind die ersten Betroffenen. Gleichwohl können sich Städte ihrerseits engagieren für die Erinnerung an
den Krieg, dessen Ursachen und Folgen sowie für eine Friedenspolitik, die Kriege zu vermeiden sucht.
In der Veranstaltungsreihe »Städte im Krieg - Städte für den Frieden« kommen monatlich Vertreter
und Gäste aus verschiedenen Städten Deutschlands, Europas und der Welt zu Wort. Sie berichten mit
historischen, politischen und ethischen Bezügen über das, was Krieg und Frieden für sie und „ihre“ Stadt
bedeutet, über die Art und Weise des Erinnerns und Mahnens. Sie stellen sich dem Austausch mit Experten
und dem Gespräch mit dem Publikum.
Die Veranstaltungen finden i.d.R. in der Unterkirche der Frauenkirche statt.
Sie stehen allen Interessierten bei freiem Eintritt offen. (Text: Stiftung Frauenkirche Dresden)
Der nächste Vortrag findet am Dienstag, den 13. März, um 19.00 Uhr in der Unterkirche der Dresdner
Frauenkriche statt. Titel: „»les larmes se ressemblent – Tränen schmecken immer nach Tränen«
Kriegserfahrung, Kunst und eine Kapelle für den Frieden: Ronchamp im Zweiten Weltkrieg“ von Dr.
Bérénice Zunino.
Geplante Bebauung an der Theresienstraße vom Berliner Büro „Atelier ST“. (© Atelier ST/CG Gruppe)
Europäische Plätze: Die Place Sainte-Anne in Rennes
Die Stadt Rennes im Nordwesten Frankreichs, Hauptstadt der Region Bretagne, wurde von den Kelten Resnn genannt. Seit dem fünften Jahrhundert flohen viele Briten vor den Angelsachsen in das nordwestliche Gebiet Galliens. Zusammen mit Nantes und Vannes zählt Rennes zu den drei Städten innerhalb der von Karl dem Großen eingerichteten Bretonischen Mark. Die Bretonen wussten sich indes sowohl der Einverleibung durch die Franken als auch durch die Normannen über Jahrhunderte weitgehend erfolgreich zu erwehren. Indem jedoch die Erbtochter Konstanze des bretonischen Herzogs Conan IV. (gest. 1171) den Sohn des englischen Königs Heinrichs II., Gottried II., geheiratet hatte, fiel die Bretagne zunächst an England und wurde in die Feindseligkeiten mit Frankreich hineingezogen. Ab dem frühen 13. Jahrhundert gelangte die Bretagne unter die Oberhoheit Frankreichs, bis 1341 die Dynastie der Dreux erlosch und das Herzogtum in die Wirren des Hundertjährigen Krieges geriet. 1491 wurde die Bretagne nach der Eroberung der Stadt Rennes der französischen Krone unterworfen und 1532 durch Franz I. schließlich mit Frankreich endgültig vereinigt.Die Place Sainte-Anne befand sich während der Zeit der römischen Antike noch nahe des Zentrums der Stadt, die damals Condate Riedonum hieß und die Form einer typischen römischen Planstadt besaß. Während des Mittelalters verringerte sich die Größe der Stadt erheblich, und nun lag der Platz nördlich der Stadtmauer außerhalb von Rennes in einem Vorort. Es haben sich sehr bedeutende Fachwerkbauten erhalten, so das Hôtel de Bretagne von 1586 und das rechte Nachbarhaus aus dem gleichen Baujahr. Von 1369 stammt das Gebäude des Jakobinerkonvents, das heute als Kongresszentrum genutzt wird. Die Kirche Notre-Dame-de-Bonne-Nouvelle wurde erst 1916 fertiggestellt und ersetzt eine sehr viel ältere Kirche gleichen Namens. Durch den Bau einer Metrostation an der Place Sainte-Anne wurden zahlreiche archäologische Funde getätigt, die dazu beigetragen haben, die Vergangenheit des Platzes zu erhellen. JHP
Die Place Sainte-Anne in Rennes, Südseite. In der Mitte das Hôtel de Bretagne. (Foto: Flickr-User Nicolas Vollmer, CC BY 2.0)