Universität Potsdam Institut für Informatik Professur Didaktik der Informatik Didaktische...

Post on 05-Apr-2015

114 views 5 download

transcript

Universität PotsdamInstitut für InformatikProfessur Didaktik der InformatikDidaktische Grundfragen der InformatikWS 2002/2003

Entstehung von Sachkenntnis

Autor: Marian Kulisch

2

Literatur

John R. AdersonSpektrum Verlag“Kognitive Psychologie”

Jucks, R.Münster Verlag“Was verstehen Laien?”

Reimann, PHogrefe VerlagNovizen- und Expertenwissen

3

Einleitung

Ablegen des Führerscheins:

theoretischer Teil; befähigt die Anforderungen am Straßenverkehr und teilnehmenden Verkehrsmittel zu verstehen

praktischer Teil; befähigt bekannte Typen von Fahrzeugen zu führen und einzuschätzen

4

Unterschied Novize und Experte, Genie

Anfänger = Laie + Angleichung Wissens- und Verständnisstand

Novize = AnfängerExperte = Novize + Übung

Genie = Experte + langjährige Übung

5

Phasen beim Erwerb von Fertigkeiten

kognitive Phase Einprägen und Abrufen von Fakten

assoziative Phase Fehler entdecken, Verbindungen stärken

autonome Phase Automatisierung von Fertigkeiten

6

Folgen des Übens von Fertigkeiten

Gewinnen an Schnelligkeithöhere Genauigkeitbesserer Überblickangemessene Handlungsweiseeigenständige Weiterentwicklung

7

Potenzgesetz der Übung 1

Ausführung T (Zeit)

Umfang der Übung

T = Zeit der Ausführung

a = Anfangswert ohne Übung

P = Umfang der Übung

ß = Lernparameter

Logarithmisierung der Potenzfunktion ergibt linearen Zusammenhang:

log T = log a -ß log P

-ßT = a P

8

Potenzgesetz der Übung 2

Zusammenhang: Zeit für Ausführung einer Aufgabe und

zum Einüben der ProzedurenGrenzwert:

Übungsnutzen stagniert nach gewisser Zeit

Zeit zum Erlernen von Prozeduren geht bei längerem Üben gegen Null

9

Potenzgesetz der Übung, Beispiel 1

Programmierer machen nach jeder Übung weniger Fehler pro Zeile geschriebenen Quellcodes

Programmierer benötigen nach jeder Übung immer weniger Zeit zur Problemlösung

10

Potenzgesetz der Übung, Beispiel 2

Kolers 1979: Lesefertigkeiten von invertierten Texten: Lesegeschwindigkeit nach 200 Seiten

entspricht fast der normalem Textes Wiederholung nach einem Jahr:

Anfangsgeschwindigkeit 5 mal so hoch Endgeschwindigkeit vom ersten mal schon

nach 50 Seiten

11

Übung beeinflussende Faktoren

wie und unter welchen UmständenArt der Lernformen:

verteiltes massives taktisches strategisches Lernen

12

Verteiltes Lernen vs. massives Lernen

Verteiltes Lernen: Fertigkeiten in Teilfertigkeiten zerlegbar Teilfertigkeiten unabhängig zu einander

Massives Lernen: Fertigkeiten bilden ein Ganzes Stoffgebiet überschaubar

13

Taktisches vs. strategisches Lernen

Taktisches Lernen: Erlernen dienlicher Handlungssequenzen Lernen und Erkennen von Mustern

Strategisches Lernen: Organisation der Lösung struktureller Aufbau des Problemlösens

14

Formen des Wissens

Deklaratives Wissen (knowing that) Faktenwissen mit den Merkmalen:

Bewußtheit

Verbalisierbarkeit Prozedurales Wissen (knowing how)

Wissen, das ermöglicht: komplexe kognitive und motorische Handlungen

auszuführen ohne die einzelnen Bestandteile zu kontrollieren

15

Was Experten anders machen (1)

Expertenwissen ist bereichsspezifisch

Wahrnehmung von bedeutsamen, fachrelevanten Einheiten Sehen von Lösungen ohne Reflexionsphase wichtig/unwichtig-Diskriminierung Fallbezogenheit des Wissens

16

Was Experten anders machen (2)

Aufgabenlösung: Experten lösen fachspezifische Aufgaben

schneller und fehlerfreier als Novizen Experten bewältigen fachspezifische

Anforderungen flüssiger, reibungsloser, flexiblerunmittelbare Auslösung bewährter RoutinenEinsatz differenzierter HandlungsroutinenWahrnehmung und Handlungsauslösung

durch Schemata: Aktivitäts-Szenarien

17

Was Experten anders machen (3)

Analyse: Experten verwenden in neuen

Situationen größere Zeit auf Problemanalyse

Verwendung von Lernmodellen: Produktionensystemmodelle Schema-basierte Modelle Fallbasiertes Denken

18

Produktionensystemmodell

Bereichswissen in Form von elementaren Regeln

Problemlösung = RegelabarbeitungWiederholte Anwendung der Lösung und

Kompilierung Lernschritte:

Erwerb (deklarat.) Wissens Kompilierung

19

Schema-basiertes Modell

Phasen der schemabasierten Problemlösung Zu welcher Problemklasse gehört die Aufgabe? Welche Lösungsmethode ist passend? Ausführung

Hierarchie von Schemata durch allgemeine spezielle Lernschritte: Wachstum Anpassung Umstrukturierung

20

Fallbasiertes Denken

Anpassung erprobter Lösungen an aktuellen Fall

Unterscheidung von Skripts und konkreten Fällen durch Kontextbezug

Lernschritte: Neue Fälle speichern Bestehende Erinnerung in Folge Erfahrung

umstrukturieren

21

Repräsentation von Problemen

Chi, Feltovich und Glaser 1981:

Aufgabe zur Klassifizierung:Novizen gehen nach oberflächlichen

ÄhnlichkeitsmerkmalenExperten klassifizieren nach den zu Grunde

liegenden PrinzipienExperten haben größeres Fachvokabular

22

Entstehung einer Problemlösungsstrategie

Larkin 1981, Problemlösungen von: physikalischen Aufgaben:

Novize: RückwärtssucheExperte: Vorwärtssuche

Programmieraufgaben:Novize und Experte: RückwärtssucheNovize: in die TiefeExperte: in die Breite

23

Modell des Expertise-Erwerbs

Erwerb deklar. Wissen (Theorie, Experiment ...)

Anwendung unter Handlungsdruck (Praktikum)

berufl. Erfahrung (Handeln + Reflexion)

HandlungsformForm der Problemlösung

Experte

AnfängerSuche in Erfahrungs- u. Faktenwissen

Schema

Fälle

Kompilierung(Automatisierung)

24

Problemlösen in der Physik 1

Aufgabe:

Ein Auto wird aus einer Geschwindigkeit von 25 m/s mit einer konstanten Bremsrate in 20 s zum Stillstand gebracht.

Wie lang ist der Bremsweg?

25

Problemlösen in der Physik 2

(G1) Bremsweg = (Anfangsg. * Zeit) + 1/2 Beschleunigung * Zeit²

(G2) Bremsweg = Durchschnittsg. * Zeit

(G3) Endgeschwindigkeit = Anfangsg. + (Beschleunigung * Zeit)

(G4) Durchschnittsg. = (Anfangsg. + Endg.)/2

26

Problemlösen in der Physik 3

Novize:

Rückwärtsverkettung

Ausgangspunkt:

gesuchte Größe

Lösungsweg:

G1 => Beschleunigung ?,

G3 => Beschleunigung ?,

G3 in G1 => Bremsweg

Experte:

Vorwärtsverkettung

Ausgangspunkt:

bekannte Größen

Lösungsweg:

G4 => Durchschnittsgeschwingigkeit,

G2 => Bremsweg

27

Expertenvorteile bei der Mustererkennung

Behandlung von Problemen als Chunks

Nutzung des Arbeits- und Langzeitgedächntisses

Erinnern und Abrufen von umfangreichen Mustern in großer Anzahl

Aufbau einer Abrufstruktur

28

Transfer von Fähigkeiten

Thorndike 1906:

menschlicher Geist entsteht aus:Gewohnheiten und Assoziationen

Transfer zwischen ähnlichen FertigkeitenLateinkenntnisse steigern Fähigkeit Französisch

zu lernen

negativer Transfer nicht beobachtet

29

Folgerung für pädagogische Kontexte

Verbesserung von FähigkeitenEinsatz beherrschungsorientiertes

LernenRückmeldung beim Erlernen

komplexen StoffesAufdeckung von Lernschwächen

30

Zusammenfassung 1

Sachkenntnis auf der Basis von:

Prozeduren als Muster für Lösungen Problemlösung durch Vorwärtsschließen besseres Gedächtnis für Programme, Muster

und Strukturen von Programmen langjähriges Üben

31

Zusammenfassung 2

Krems 1994 vier Eigenschaften eines Experten:

Effizienz Genauigkeit Wissen Erfahrung