Univ.-Prof. Dr. Freyja-Maria Smolle-Juettner ... · ALAT ASAT LDH Auch bei extremen Erhöhungen ist...

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RauchgasvergiftungTauchunfälle

Indikationen für hyperbare Sauerstofftherapie?

Hyperbare Sauerstofftherapie (HBO)=

100% Sauerstoffatmung unter erhöhtem

Umgebungsdruck (2 – 3 bar abs)

Sauerstoff löst sich im Plasma proportional zum Umgebungsdruck

Absolut toxischeSchwelle von O2bei 3 bar

Oxygenierung unter HBO

Sauerstoffmesswerte unter HBO

Druck FiO2 O2- paO2 arteriellersat. O2 Hb Gehalt

1bar 0.21 97% 100 mmHg 20 Vol%

1bar 1.0 100% 600 mmHg 21 Vol%

2 bar 1.0 100% 1300 mmHg 23 Vol%

3bar 1.0 100% 2000 mmHg 26 Vol%

Die O2-Extraktionsrate im Gewebe beträgt 6%

Bei 2 Atmosphären Überdruck und 1,0 FiO2 ist die komplette Oxygenierung des Körpersdurch im Plasma gelösten Sauerstoff möglich.

Boerema,I. Life without blood [Leven zonder bloed]. Ned Tischr Geneeskd 1960; 104: 949-954

Durch ROX und NOX werden eine Vielzahl von Schutz – undReparaturmechanismen getriggert.

Hyperbarer Sauerstoff ist ein Medikament

Multiplace (Graz)

Farblos

Geruchlos

Leichter als Luft

Kohlenmonoxid (CO) Entsteht bei inkompletter Verbrennung

CO-Intoxiation

In Österreich:

BrandgeschehenInkomplette Verbrennung ohne Brand (defekte Öfen, Gasthermen…).

Cave: Zu dichte Häuser!Suicidaler Einsatz von AutoabgasenMetallindustrie (Hochöfen, Nickelverarbeitung)Dummheit (Zimmerheizung mit Holzkohlengrill, Reparatur bei

laufendem Motor in Garage, Schwarzbrennen bei geschlossenem Fenster….)

Häufigste Vergiftungsart in den Industrieländern mit jährlich tausenden Todesopfern.

CO - Intoxikation

CO bindet 300 x stärker an Hb als Sauerstoff.Die O2-Transportkapazität wird dadurch blockiert.

DruckDruck FiO2FiO2 HalbwertsHalbwerts--zeitzeit

1 bar1 bar 0.210.21 5 h 20 min5 h 20 min

Halbwertszeitender CO-HbBindung

Zentraler Schädigungsmechanismus bei derCO-Intoxikation ist schwere Hypoxie.

Zusätzlich:

Bindung an Ferroenzyme der Atmungkette(Cytochrom P450, Cytochrom a3)

Inhibierung des mitochondrialen Komplex IV(Energiegewinnung, oxidativer Stress)

Bindung an Myoglobin

Rezirkulieren von CO aus den Bindungen

CO-Intoxikation – Symptomenach Schweregrad der Intoxikation

KopfschmerzenÜbelkeitBenommenheitSchwindelTachycardieHerzrhythmusstörungenHypotonieComaHerzkreislaufstillstand

Zielorgane der CO-Intoxikation:

ZNS

HerzLungeMuskulatur

Gastrointestinaltrakt

Die CO-Intoxikation ist im Prinzip ein Re-Perfusions(„Re-Oxygenations“) - trauma:

Zuerst stark verminderte Oxygenation - dann Re-Oxygenation.

Schädigung der Neuronalen Zellorganellen und Lipidperoxidationan den Markscheiden der Neurone.

CO-Intoxikation

Neurologische Folgen einer CO-Intoxikation(10-40% der Patienten)::

„lucides Intervall“ (Tage, Wochen, Monate)

Cognitive Funktionen gestörtGangunsicherheit, Sprachstörungen, InkontinenzParkinson-ähnliche SymptomatikKrampfanfälleCorticale BlindheitCorticale Taubheit

Persönlichkeitsstörungen, Psychosen

Bei 25% persistieren die Symptome noch nach 2 Jahren

CO- Hb zur Beurteilung desSchweregrads der Intoxikation?

GCS ist ein besserer Indikator für den Intoxikationsgradals CO-Hb.

Nein: Ein niedriger Spiegel schließt bei entsprechender Symptomatikeine schwere Intoxikation nicht aus!

CAVE!

CO bindet viel stärker an fetales als an adultes HB. Selbst wenn die Mutter kaum Symptome hat, kann das Kind vital gefährdet sein.

Sauerstoff bei CO - Intoxikation

DruckDruck FiO2FiO2 HalbwertsHalbwerts--zeitzeit

1 bar1 bar 0.210.21 5 h 20 min.5 h 20 min.

1 bar1 bar 1.01.0 1 h 20 min1 h 20 min

3 bar3 bar 1.01.0 23 min23 min

Halbwertszeitender CO-HbBindung

Sofortige Re-Oxygenierung über das Plasma

Stopp der Lipidperoxidation an den Myelinscheiden

Wiederherstellen der mitochondrialen Funktion

Kompetitive, rasche Lösung des CO aus allen Bindungenan die Ferroenzyme.

Salvage und Verhindern von Spätfolgen

HBO bei CO-Intoxikation

Indikation für HBO bei CO-Intoxikation::

Reanimation am Unfallsort.

Persistente Acidose 3 – 5 Stunden nach O2-Therapie

Persistente Bewusstlosigkeit bzw. neurologischer Defizite/ cardialer Symptome für 3 h unter normobarer O2-Therapie

Gravidität

Bewusstlosigkeit in der Anamnese.

Persistente Symptomatik 3 Stunden nach O2-Therapie.

Neuropsychiatrische Störungen Tage nach CO- Exposition.

Therapieschema:

1. Sitzung: 3 bar 90 Minuten

2. Sitzung:2.2 bar 90 Minuten

TauchunfallEktope Gasblasen

im menschlichen Körper

Pulmonales Barotrauma (PBT)und

Arterielle Gasembolie (AGE)

Dekompressionstrauma (DCS)

Dekompressionstrauma

Dekompressionstrauma - Symptome

Schmerzen in den großen GelenkenLandkartenartig begrenzte, juckende, livide Hautveränderungen

Extreme Müdigkeit

KribbelparästhesienParästhesienLähmungenBewusstseinsstörungenComa

Selten: Cardiale Symptome

Taucher atmen Pressluft

Pressluft (= Luft unter erhöhtem Umgebungsdruck) besteht zu 70% aus Stickstoff.

Unter erhöhtem Druck löst sich Stickstoff inGeweben und im Plasma.

Pathomechanismus derDekompressionskrankheit(„Caisson-Krankheit“)

Ist eine entsprechende Menge Stickstoff gelöst, und wird der Druck abrupt reduziert, perlt der Stickstoff in den Geweben und in Körperflüssigkeiten aus:

Synovia (Gelenksschmerzen)Coriumgefäße (Jucken; „Taucherflöhe“)ZNS- Gefäße (Infarkte) Coronararterien (Infarkte)

Die Symptome treten mitunter sofort, meist aberzwischen 3 und 36 Stunden nach Überdruckexposition auf.

Weitere Dekompression an der Oberfläche (Flugreisen, Überqueren von Passtraßen) können Symptomauslöser seinoder die Symptome verschlimmern.

Aus diesem Grund muss nach Überdruckexpositiondie für die kontrollierte Eliminiation gelösten Stickstoffserforderliche Dekompressionszeit jeweils kalkuliert werden.

Die Dekompressionsdauer ist proportional zum erreichten Überdruckniveauund zur Dauer der Exposition.

Tauchtabelle

Tauchcomputer

Zeigen die erforderlichen Dekompressionsstops und deren Zeitdauer an.

Pulmonales Barotrauma (PBT)

Pulmonales Barotrauma (PBT)

Mechanische Wandschädigung der Alveolen und Bronchiolen durch relativen, intraluminalen

Überdruck.

Kann auf lokale Folgen beschränkt sein, oder aber eine arterielle Gasembolie

(AGE) zur Folge haben.

Tauchgerät

Der Lungenautomat reguliert den Druck Atemgases (Pressluft, Nitrox, Trimix, Heliox, O2) immer so, dass er dem jeweils aktuellenhydrostatischen Umgebungsdruck entspricht.

Wird beim Auftauchennicht adäquat abgeatmet,baut sich einrelativer Überdruck in der Lunge auf.

Bereits bei einem Überdruck von 0.1 bar(entspricht 1m Wassertiefe)kann unter Druckgasatmungein Barotrauma entstehen.

Häufige Anamnesen nach Barotrauma beim Sporttauchen:

Luftanhalten währendNotaufstiegs

Husten während eines(Not)-aufstiegs

Panikattacke mit„unkontrolliertem“Notaufstieg.

Oft betroffen:Unerfahrene Neulinge

Bei 50% der Unfälle ist keine causale Konstellation erhebbar !

Hypothese der Entstehung eines Barotraumabeim „ungestörten“ Druckgastauchen:

Akute Überblähung der Alveolen durch mechanisches bzw.funktionelles Air-trapping

Lobus venae azygosMassive, bullöse

Veränderungen

Schweres PBT/AGE nachTauchgang

Sekundärer Gasübertritt in Mediastinum, Hals- und andere Weichteile, Pleura.Blutaustritt aus Alveolen

PBT – Symptomatik

Retrosternales oder thoracal-laterales Druckgefühl

HustenreizDyspnoeTachypnoe

Blutig tingiertes Sputum oder Hämoptoe

WeichteilemphysemOberer EinflusstauTachycardie, Hypotonie

PBT- Radiomorphologie:

MediastinalemphysemWeichteilemphysemPneumothoraxHämatopneumothorax

Inzidenz des pulmonalen Barotraumas beim Druckgastauchen

?

„SET“(submarine escapetraining)

Rekompressionskammer unmittelbar vor Ort

Inzidenz des PBT im Rahmen des Tauchens:

Bei SET (submarine escape training) 1:200

Bei Sporttauchern weitgehend unklar

AGE (arterielle Gasembolie)

bei pulmonalem Barotrauma

Arterielle Gasembolie ( AGE)

Auftreten bei Überdehnung auf ca. 3x FRC

AGE

Zentralnervöse Ischämiezeichen primär perivasculär.Prädilektionsstelle: Grenze zwischen Rindeund Marklager (30-60µ)

Intravasale Luftblasen bei massiver Luftembolie

AGE – Symptomatik

Auftreten noch während des Aufstiegs, spätestens binnen 5 Minuten nach dem Auftauchen.

Je rascher das Auftreten, desto gravierender!

Milde neurologische Ausfälle bis zu Tetraplegie, Coma.

Herzrhythmusstörungen bis zum Herzkreislaufversagen.

In massiven Fällen nicht-reanimierbares, congestives Herzversagen.

AGE:

Gefäßobliteration durch Gasblasen

aber auch:

Ablösung endothelialer Zellen – MediatorenkaskadeAggregate von Thrombo- und Leucozyten um BlasenGeneralisierte rheologische StörungÖffnung der Blut-Hirn-Schranke (bis zu 24 Stunden)

Erhöhung des systemarteriellen DrucksCerebrale VasodilatationErhöhung des spinalen Drucks

Laborveränderungen bei AGE

erhöht:CK, CKMbTroponinALATASATLDH

Auch bei extremen Erhöhungen ist die Organfunktion jedoch üblicherweise nicht beeinträchtigt.

Auch bei CK> 75.000 tritt keine Myoglobinurie auf.

Inzidenz des PBT mit AGE beim Druckgastauchen ?

I: Fulminante Form (5%)Gewaltige Luftmengen cerebral, Halsgefäße, V. pulmonalis und linkes Herz.reflektorischer Herzkreislaufstillstand.50% letal

II: Abgemilderte, neurologisch symptomatische Form (65%)Geringere Luftmengen, cardiorespiratorisch stabilrespondiert sehr gut auf Rekompression (meist ohne Schäden)

III: Rekurrierende Form (30%)Wie II, aber Relaps nach gutem Initialresponse.Keine wesentliche Besserung auf weitere Rekompression.

AGE im Rahmen des Marine- Notaufstiegstrainings (Häufigkeit: 1:5000)

a) Primär im WasserCardiorespiratorische u./o. neurologischeFolgen der AGE sind primär letal oderführen zum Ertrinken.

b) Sekundär nach dem Auftaucheninfolge cardiorespiratorisch/neurologischer Schäden.

AGE (vermutlich) häufigste Todesursachebeim Druckgastauchen

AGE bei SporttauchernMeist verzögerte InitialtherapieBei 50% spontane Symptombesserung bis zur InitialtherapieBei 50% Gleichbleiben oder Verschlechterung

Therapieerfolg meist nicht so dramatisch wie bei Marinetauchern

Rekurrierende Form wird fast nie beobachtet.Oft kombiniert mit Beinahe-Ertrinken.

Therapie von DCS, PBT/ AGE

Wie tief, wie lange und wo wurde getaucht?

Liegt ein Wiederholungstauchgang vor?

Hat es während des Tauchgangs Probleme gegeben?

Wurde ein Dekompressionsfehler begangen?

Wie viele Partner waren beteiligt?

ANAMNESEERHEBUNG!

Flach lagern (stabile Seiten- bzw. Rückenlagerung)Keine Erschütterungen!

1.0 FiO2 bis zur Rekompression (verbessert die Oxygenation in Grenzgebieten von Infarktzonen).

Hydrierung mit 0.5 - 1 Liter /Stunde)(keine ausschließlich glucosehaltigen Lösungen)

Übliche notfallmedizinische Standards

Ggf. Reanimation

Ggf. Thoraxdrainage

Unfalldaten erheben! Tauchcomputer sicherstellen!Tauchpartner identifizieren, ggf. mitbehandeln / beobachten.

Erste Hilfe am Unfallsort

Raschest möglicher Transport ins nächste

Hyperbare Zentrum.

Hubschrauber: Geringst vertretbare Flughöhe

Flächenflugzeugtransport: „Sea level flight“

Rettungstransport: Passstraßen möglichst vermeiden

Während des Transports immer wiederKontrolle des

Status neurologicus!

O2-Gabe nicht unterbrechen!

Ehest mögliche Rekompressionstherapie

Beim IntubiertenParacentesevor der Rekompression

Pressorischer Effekt auf ektope Gasblasen -ein physikalisches Prinzip.

Nicht – Pressorische HBO – Effekte bei AGEReduktion der Durchblutung im hyperoxischen, Steigerung im hypoxischen

Gewebe

Stopp der zentralnervösen Lipidperoxidation bei HBO > 2 bar

Reduktion von ReperfusionsschädenHerunterregulieren von Adhäsionsmolekülen, z.B. ICAM-1, ß-2 IntgrinPräservation des intrazellulären ATP´s

Weitgehendes Ausbleiben der postischämischen Vasokonstriktionwenn HBO unmittelbar an Reperfusion anschliesst.

Ödemreduktion und Ödemprävention

Verhindern protrahierten Absterbens von Nervenzellen

Pat. 42 Jahre

Übungstauchgang auf 37 Meter (Pressluftatmung),kein Deko-Fehler

Beim Aufstieg unkontrollierbare Hustenattacke.Während des Hustens wird jedoch weiter aufgetaucht.

An der Oberfläche Dyspnoe, schaumiges, blutig tingiertesSputum, Thoraxschmerz, „dicker Hals“, zunehmende Benommenheit.

Am Ufer intubiert der Notarzt.

Arbeitsdiagnose: „Beinahe Ertrinken“.

Diagnose: PBT / AGE

Mediastinalemphysem mitAufsteigen in den Hals.

Kein Pneumothorax.

Diffusionsstörung.Neurologie infolgeSedierung primär nichtbeurteilbar.

Latenz bis zur Rekompression: 2 ½

Stunden

Restitutio ad integrumnach Navy 6 und4x Problemwundenschema

M. B. (43 a) und R. K. (31a):

5. 10. 02: Tauchgang in Kroatien (63 Meter, Nitrox 21/50). Notaufstieg nach Problemen. Deko-Zeit um 23 min. unterschritten.An der Oberfläche Schmerzen, rasch fortschreitende Parästhesien, Lähmungen, Somnolenz.

8 Stunden Latenz bis zur Rekompression in Pula(2x Table Navy 6)

Überstellung nach Graz am 8. 10. 2002

Aufnahmsbefund:

M. B: Querschnittssymptomatik Th 5/6 mitParaplegie, Sensibilität li > re.Blasenlähmung, Stuhlinkontinenz

R. K: Querschnittssymptomatik ab C4mit beinbetonter TetraplegieBlasenlähmung, Stuhlinkontinenz Massenbewegungen

Diagnose: Gemischte PBT/AGE und DCS

MR: Massive Veränderungen spinal

Prognoseeinschätzung: (Neurologe, Radiologe)

schlecht.

29. November 2002 (M.B.)29. November 2002 (M.B.)

29. November (R. K.)

14. Jan

Physiotherapie während der HBOverbessert das Therapieergebnis.

Endzustand nach 120 bzw. 122 Sitzungen:

R. K.: In seinem Beruf als Landwirt wieder vollarbeitsfähig.

M.B.: Kann seinen Beruf (Tauchlehrer) nicht mehrausüben. Ohne Krücken gehfähig, aberRestneurologie. Arbeitet als Assistenz an einer Donaufähre.

Fallbeispiele

Die erste Notfallsmaßnahme bei DCS/ pulmonalem Barotrauma /AGEbeim Taucher ist:

Daran zu denken!