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13. Offenes Forum Familie 20. Februar 2014
Trennung/Scheidung und die
zunehmende Rolle der Väter im Alltag
Prof. Dr. jur. Hildegund Sünderhauf Professorin für Familienrecht / Autorin
Evangelische Hochschule Nürnberg
Wer ich bin…
Prof. Dr. H. Sünderhauf © 2014
• Studium und Referendariat in Konstanz
• Rechtsanwältin für Familienrecht seit 1997
• Seit 2000 Professorin für Familienrecht und Kinder- und Jugendhilferecht an der Ev. Hochschule Nürnberg
• Seit 2010 Forschung zum Wechselmodell
• Autorin von „Wechselmodell: Psychologie – Recht – Praxis“ 08/2013, Springer VS, Wiesbaden, 920 S.
• Mitglied im DFGT seit ca. 15 Jahren
• Mitglied im djb seit ca. 25 Jahren
• Mutter von zwei Töchtern 7 und 8 Jahre alt
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Gliederung
1. „Die Väter“ gibt es nicht: Soziologische Differenzierung
2. Die Rolle der Väter nach Trennung und Scheidung
im BGB und in der Rechtsprechung
3. Das Wechselmodell und seine Chancen
für Väter, Mütter und Kinder
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Väter-Typen in soziologischen Clustern nach Bambey & Gumbiger 2006
Egalitäre Väter
Fassaden-Väter
Traditionelle Väter
•Ideal u. Praxis egalitärer Rollen- aufteilung / Partnerschaft
•Enge emotion. Beziehung z. Kind
•Von der Partnerin hoch akzeptiert
•Idealisiertes Familienbild
•Selbstbild „moderner“ Vater-schaft u. Gleichberechtigung
•Praktisch traditionelles Rollen-modell, v. d. Partnerin „gedeckt“
•Männliche Rolle: Ernährer
•Weibliche Rolle: Betreuung, Erziehung , emotion. Zuwendung
•Engagierter, geduldiger Vater, von der Partnerin hoch akzeptiert
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Das Residenzmodell im BGB
Von Hausfrauenehe und traditionellem Rollenverständnis zwischen Vater und Mutter ausgehend, prägt das BGB die Idee des Residenzmodells = Einzelresidenz, d.h.
Kinder leben bei Mutter und teilen nur mit ihr den Alltag
Mutter hat Alleinentscheidungsbefugnis in Alltagsfragen der Betreuung und Erziehung
Mutter hat ggf. Betreuungs-Unterhalts-Anspruch geg. Vater
Mutter bezieht Kindesunterhalt vom Vater
Kind hat nur besuchsweise Kontakt zum Vater (14 tägigen Wochenendumgang und teilweise Ferien)
Vater erlebt Kinder nur in Freizeitsituation
Vater erwirtschaftet Kindesunterhalt/Unterhalt f. Mutter
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Das Residenzmodell …
… hat nichts mit rechtlicher gemeinsamer elterlicher Sorge zu tun
… ist eine Frage der tatsächlichen gemeinsamen elterlichen Sorge, d.h. der
- Betreuungsaufgabenverteilung
- Betreuungszeitverteilung
- elterlichen Verantwortung
- wirtschaftlichen Verantwortung
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Elterliche Sorge nach Scheidung
Gemeinsame rechtliche elterliche Sorge
D
Statist. Bundesamt 2011
In ca. 94 % der Scheidungsverfahren wird kein
Sorgerechtsantrag gestellt.
In ca. 19 % der Verbundverfahren und
in ca. 11 % der isolierten Sorgerechtsverfahren
bleibt es auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge
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Sorgerechtsentscheidungen im Scheidungsverbund (2011)
D
71,80%
7,30%
0,60%
0,90%
19,40%
Mutter
Vater
Dritte
geteilt
beide Eltern
0,00% 20,00% 40,00% 60,00% 80,00% Statist. Bundesamt 2011
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Väter-Typen in soziologischen Clustern nach Bambey & Gumbiger 2006
Egalitäre Väter
Fassaden-Väter
Traditionelle Väter
• Ideal und Praxis egalitärer Rollen-aufteilung und Partnerschaft
•Enge emotionale Beziehung z. Kind
•Von der Partnerin hoch akzeptiert
• Idealisiertes Familienbild
•Selbstbild „moderner“ Vaterschaft u. Gleichberechtigung
•Praktisch eher traditionelles Rollenmodell
•Männliche Rolle -> Ernährer
•Weibliche Rolle -> Betreuung, Erziehung , emotionale Zuwendung
•Engagierter, geduldiger Vater, von der Partnerin hoch akzeptiert
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Das Residenzmodell … <- Passt nicht <- Passt nur teilweise <- Passt überwiegend
Das Wechselmodell als Gegen-Entwurf
Von einem modernen Rollenverständnis der Eltern ausgehend definiert sich das Wechselmodell = parität. Doppelresidenz
Kind lebt bei Mutter und Vater abwechselnd Kinder sind bei keinem Elternteil zu Besuch Kinder verbringen Alltag und Freizeit mit beiden Eltern Kinder erleben Eltern in deren Alltag und Freizeit
Beide Eltern sind erwerbstätig Rollenvorbild wirtschaftliche Unabhängigkeit voneinander
Beide Eltern tragen pädagogische und rechtliche Verantwortung für ihre Kinder Eltern auf Augenhöhe Deeskalation
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Zeit
Zuhause-sein
Verant-wortung
Im WM verbringen Kinder mögl. gleich viel Zeit mit beiden Eltern, mind. 30:70 % (Alltag
und Freizeit).
Im WM sind Kinder bei beiden Eltern zuhause,
nicht nur zu Besuch.
Im WM teilen sich die Eltern eines Kindes die
rechtliche und pädagogische
Verantwortung
Definition für „Wechselmodell“
Stressoren
Die Scheidungsfolgenforschung weiß seit langem …
Meta-Analysen: Amato & Gilbreth 1991 Amato & Keith 1991 Amato 1993; 2001 Bauserman 2002; 2012
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Stressoren Ressourcen
Konflikt-deeskalation
Ökonomische Unterstützung
Geteilte elterl. Verantwortung
Ausreichend Zeit mit beiden Eltern
Elterlicher Konflikt
Ökonomische Probleme
Überlastung Alleinerziehende
Verlust eines Elternteils
Die Scheidungsfolgenforschung weiß außerdem ……
Kinder nach Trennung / Scheidung
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Forschungs-Status (1.)
Es liegen von 1977 bis 2014 rund 50 internationale qualitative und quantitative empirische Studien zu den Auswirkungen des Wechselmodells auf Eltern und Kinder vor.
Die ganz überwiegende Mehrheit kommt zu deutlich positiven Ergebnissen.
Die meisten Studien sind aus den USA, viele aus Australien und einige aus europäischen Ländern.
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Forschungs-Status (2.)
Folgende Fragestellungen sind untersucht:
• Eltern-Kind-Bindung
• Eltern-Kind-Beziehung
• Psychische Anpassungswerte
• Emotionale Stabilität
• Physische Gesundheit (allgemein), ADHS
• Zufriedenheit der Kinder
• Zufriedenheit der Eltern
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Väter-Typen in soziologischen Clustern nach Bambey & Gumbiger 2006
Egalitäre Väter
Fassaden-Väter
Traditionelle Väter
• Ideal und Praxis egalitärer Rollen-aufteilung und Partnerschaft
•Enge emotionale Beziehung z. Kind
•Von der Partnerin hoch akzeptiert
• Idealisiertes Familienbild
•Selbstbild „moderner“ Vaterschaft u. Gleichberechtigung
•Praktisch eher traditionelles Rollenmodell
•Männliche Rolle -> Ernährer
•Weibliche Rolle -> Betreuung, Erziehung , emotionale Zuwendung
•Engagierter, geduldiger Vater, von der Partnerin hoch akzeptiert
Prof. Dr. H. Sünderhauf © 2014 16 20.02.2014
Wechselmodell Wechselmodell Residenzmodell
Literaturhinweise
Gumbinger H.-W. & Bambey, A. (2006): „Neue Väter – andere Kinder?“ Das Vaterbild im Umbruch – Zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und realer Umsetzung. In: Forschung Frankfurt 04/2006, S. 26-31. Online-Zugriff unter: http://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/ 36050492/26-31-Neue-Vaeter-andere-Kinder.pdf
Sünderhauf, H. (2013): Wechselmodell: Psychologie – Recht – Praxis, Springer VS, Wiesbaden.
Sünderhauf, H. (2013): Vorurteile gegen das Wechselmodell – was stimmt, was nicht? In: Familienrechtsberater = FamRB Teil 1. 09/2013, S. 290-297, Teil 2. 10/2013, S. 1-9. Online-Zugriff unter: http://www.famrb.de/media/Suenderhauf_FamRB.PDF
Vom starren Residenzmodell zum flexiblen Wechselmodell (ISUV- Broschüre 09/2013)
Prof. Dr. H. Sünderhauf © 2014 17 20.02.2014