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Vorlesungsskript (Teil 1)
Theoretische Elektrotechnik(TET)
Prof. Dr.-Ing. Frank Gustrau
(Sommersemester 2016)7. April 2016
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Physikalische Grundlagen 22.1 Ladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Elektrische Feldstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.3 Elektrische Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.4 Elektrisches Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.5 Dielektrische Verschiebungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.6 Dielektrika im elektrischen Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.7 Stromdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.8 Magnetische Feldstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.9 Lorentz-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.10 Energiedichte im elektromagnetischen Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3 Maxwell’sche Gleichungen 183.1 MWG in Differentialform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.2 MWG in Integralform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.3 MWG für zeitharmonische Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.4 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.5 Erhaltungssatz der Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
4 Einteilung elektromagnetischer Felder 264.1 Elektrostatische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.1.1 Poissongleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274.2 Magnetostatische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
4.2.1 Magnetisches Vektorpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284.2.2 Biot-Savart’sches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294.2.3 Selbst- und Gegeninduktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
4.3 Statisches Strömungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324.4 Zusammenfassung statische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324.5 Quasistatische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334.6 Quasistationäre Felder mit Stromverdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . 36
4.6.1 Anschauliche Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364.6.2 Eindringtiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
i
INHALTSVERZEICHNIS ii
4.7 Elektromagnetische Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404.7.1 Die Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404.7.2 Homogene ebene Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.7.3 Der Poynting-Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
I Anhang 45
A Mathematische Grundlagen 46A.1 Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
A.1.1 Kartesisches Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46A.1.2 Zylinderkoordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46A.1.3 Kugelkoordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
A.2 Vektor-Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48A.2.1 Addition und Subtraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48A.2.2 Skalar- und Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
A.3 Vektor-Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50A.3.1 Gradient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50A.3.2 Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52A.3.3 Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52A.3.4 Quellen- und Wirbelfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54A.3.5 Laplace-Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
A.4 Auswertung von Integralen in verschiedenen Koordinatensystemen . . . . . 56A.4.1 Linienintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
A.4.1.1 Integration in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . . . 56A.4.1.2 Integration in Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . 57A.4.1.3 Integration in Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . 57
A.4.2 Flächenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58A.4.2.1 Integration in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . . . 58A.4.2.2 Integration in Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . 59A.4.2.3 Integration in Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . 60
A.4.3 Volumenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60A.4.3.1 Integration in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . . . 60A.4.3.2 Integration in Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . 61A.4.3.3 Integration in Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . 61
A.4.4 Linienintegrale über Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62A.4.4.1 Vektor in Richtung des Integrationsweges . . . . . . . . . 62A.4.4.2 Vektor senkrecht zum Integrationsweg . . . . . . . . . . . 63
B Übungsaufgaben 66B.1 Elektrisches Feld einer homogenen Raumladungskugel . . . . . . . . . . . . 66B.2 Magnetisches Feld eines stromdurchflossenen Leiters . . . . . . . . . . . . . 68B.3 Magnetisches Feld und Induktivität einer langgestreckten Zylinderspule . . 72B.4 Magnetisches Feld einer teilweise gefüllten langgestreckten Zylinderspule . 74
INHALTSVERZEICHNIS iii
B.5 Anwendung des Biot-Savart’schen Gesetzes auf einen Kreisstrom . . . . . . 75B.6 Paralleldrahtleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78B.7 Koaxialleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81B.8 Selbst- und Gegeninduktivität von zwei Zylinderspulen . . . . . . . . . . . 84B.9 Induktionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Kapitel 1
Einleitung
Warum soll sich der angehende Ingenieur mit der elektromagnetischen Feldtheorie beschäf-tigen, wo er doch in vielen Fällen mit den Netzwerkgrößen Spannung, Strom und Impedanzbestens bedient ist? Ein wichtiger Grund liegt darin, dass insbesondere bei höherfrequen-ten Anwendungen häufig die feldtheoretische Natur der elektromagnetischen Phänomeneberücksichtigt werden muss und die abgeleiteten Netzwerkgrößen zur Beschreibung alleinnicht ausreichen. Die Kenntnis des Verhaltens der Feldgrößen ebenso wie die Kenntnis desVerhaltens der Netzwerkgrößen gehört zur Grundausstattung eines Ingenieurs. Es ist ent-scheidend den Zusammenhang zwischen Netzwerkgrößen (Spannung, Strom, Kapazität,Induktivität) und den Feldgrößen (elektrisches und magnetisches Feld) zu kennen.
Ziel der Vorlesung ist es daher ein anschauliches und mathematisch fundiertes Ver-ständnis feldtheoretischer Größen und Zusammenhänge zu gewinnen. Im Mittelpunkt ste-hen hierbei die Maxwell’schen Gleichungen, die die Grundlage der Elektrodynamik beimakroskopischen Vorgängen darstellen.
Mittlerweile gibt es auf dem Markt eine Reihe von Feldberechnungsprogrammen, diesich Näherungslösungen der Maxwell’schen Gleichungen durch numerische Verfahren er-arbeiten. Ziel dieser Vorlesung ist es auch einen kleinen Einblick in die Möglichkeiten undGrenzen derartigen moderner Softwarepakete zu geben.
Dieses Skript umfasst den ersten Teil (Elektromagnetische Felder) der Lehrveranstal-tung „Theoretische Elektrotechnik“. Zum zweiten Teil liegt ein Lehrbuch vor, das in derBibliothek ausgeliehen und heruntergeladen werden kann. (Frank Gustrau. Hochfrequenz-technik, Hanser Verlag, 2013)
1
Kapitel 2
Physikalische Grundlagen
Ziel dieses Kapitels ist die Wiederholung elementarer physikalischer Begriffe, wie sie im all-gemeinen für den statischen (d.h. zeitunabhängigen) Fall aus anderen Lehrveranstaltungenund aus der Schule bereits bekannt sind.
Da es sich um eine Wiederholung handelt, ist die Darstellung bewusst knapp gehalten.
2.1 LadungenExperimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass es positive und negative Ladungen Qgibt, die durch ihre Kraftwirkung aufeinander beschrieben werden können (siehe Bild 2.1):
• Ladungen gleichen Vorzeichens stoßen sich ab.
• Ladungen ungleichen Vorzeichens ziehen sich an.
Die kleinste Ladungsmenge ist die Elementarladung
e = 1,602 · 10−19 C . (2.1)
Die Ladung ist gequantelt, d.h. es treten immer nur ganzzahlige Vielfache dieser Elemen-tarladung auf. Makroskopisch, also bei Vorgängen an denen eine große Zahl von Ladungs-trägern beteiligt ist, spielt die Quantelung keine Rolle, d.h. die Ladung wird als kontinu-ierliche Größe betrachtet. Die Einheit der Ladung [Q] = C = As ist das Coulomb C und
Abbildung 2.1: Anziehung und Abstoßung von Ladungen.
2
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 3
Abbildung 2.2: Coulomb’sches Kraftgesetz.
Abbildung 2.3: Superpositionsprinzip bei mehreren Ladungen.
entspricht - wie wir später noch sehen werden - dem Produkt aus den Einheiten Ampereund Sekunde.
Die Kraft zwischen zwei Ladungen Q1 und Q2 wird durch das Coulomb’sche Kraft-gesetz beschrieben:
FC =1
4πε0· Q1Q2
r2, (2.2)
wobei r den Abstand zwischen den beiden Ladungen angibt und εr die Dielektrizitätskon-stante ist (siehe Bild 2.2).
ε0 = 8,854 · 10−12As
Vm(2.3)
Die Richtung der Kraftwirkung ergibt sich längs der Verbindungslinie. Im Falle gleichna-miger Ladungen ergeben sich abstoßende Kräfte und im Falle ungleichnamiger Ladungenanziehende Kräfte. Auch bei ungleichen Ladungen Q1 und Q2 ergeben sich entgegengesetz-te, betraglich gleiche Kräfte (actio=reactio). Existieren mehr als zwei Ladungen im Raum,so kann das sog. Superpositionsprinzip verwendet werden. Durch paarweise Auswer-tung des Coulomb’schen Kraftgesetzes können alle wirkenden Kräfte ermittelt werden.Die jeweiligen Gesamtkräfte ergeben sich durch Vektoraddition der Einzelkräfte (sieheBild 2.3).
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 4
Abbildung 2.4: Elektrische Feldlinien einer Punktladung im Ursprung.
2.2 Elektrische FeldstärkeBezieht man die auf die Ladung Q2 wirkende Kraft F2 auf die Ladung Q2 selbst, so ergibtsich die elektrische Feldstärke E1 der Ladung Q1:
~E1 =~F2
Q2
. (2.4)
Mit Hilfe der elektrischen Feldstärke ~E1 kann also die Kraftwirkung auf eine zweite La-dung Q2 ermittelt werden, indem Feldstärke ~E1 und Ladung Q2 miteinander multipliziertwerden. Die Einheit der neuen Größe elektrische Feldstärke ist [E] = N/C = V/m, alsoNewton/Coulomb, bzw. Volt/Meter.
Durch die Definition in Gleichung 2.4 ist eine interessante Änderung in der Betrach-tungsweise entstanden. Während das Coulomb’sche Kraftgesetz die Kraftwirkung entfern-ter Ladungen Q1 und Q2 aufeinander beschreibt (Fernwirkung) bedeutet die Einführungder elektrischen Feldstärke die Annahme eines den gesamten Raum füllenden Vektor-feldes ~E1. Die Kraftwirkung auf eine weitere Ladung Q2 ergibt sich nun aus der Wech-selwirkung des elektrischen Feldes ~E1 mit der Ladung Q2, die sich in dem Feld befindet(Nahwirkung).
Das Feld ~E1 einer Punktladung Q1 im Ursprung (~r = (0, 0, 0)) ergibt sich aus denGleichungen 2.4 und 2.2 zu
~E1 =1
4πε0·Q1
r2~er , (2.5)
wobei ~er der Einheitsvektor in radialer Richtung in Kugelkoordinaten ist.Das Vektorfeld ~E kann als Feldlinienbild dargestellt werden (siehe Bild 2.4). Die
Richtung der Feldlinien stellt dabei die Richtung der elektrischen Feldstärke im Raumdar (bei der Punktladung im Ursprung ist das Feld in radialer Richtung orientiert). DieDichte der elektrischen Feldlinien ist ein Maß für den Betrag der elektrischen Feldstärke,in Ursprungsnähe ist die Feldstärke größer als weiter vom Ursprung entfernt. Der Betragwird durch die Feldlinien allerdings nur qualitativ angegeben.
Existiert mehr als eine Ladung im Raum, so kann - wie bei den Coulomb-Kräften - wie-der das Superpositionsprinzip angewendet werden. Die gesamte elektrische Feldstärkeergibt sich durch Addition der einzelnen Vektorfelder ~Eges = ~E1 + ~E2.
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 5
Abbildung 2.5: Elektrische Feldlinien verschiedener Ladungsanordnungen.
Abbildung 2.6: Zur Definition der Spannung.
Feldlinienbilder stellen ein wichtiges anschauliches Instrument zur Bewertung und zumVerständnis von elektrischen Feldern dar. In Bild 2.5 werden typische Feldlinienbildergezeigt: (a) eine positive Punktladung, (b) eine negative Punktladung, (c) zwei entgegen-gesetzt geladene Punktladungen, (d) zwei gleichnamig geladene Punktladungen und (e)zwei entgegengesetzt geladene Flächen (Plattenkondensator). Das Feld in einem Platten-kondensator kann zwischen den Platten in guter Näherung als konstant betrachtet werden,wenn der Abstand zwischen den Platten deutlich kleiner ist als die Querabmessungen.
2.3 Elektrische Spannung
Bewegt sich eine Ladung in einem elektrischen Feld ~E von Punkt A nach Punkt B, so wirdArbeit verrichtet.
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 6
WAB =
B∫A
~F · d~s =
B∫A
~EQ · d~s = Q
B∫A
~E · d~s
︸ ︷︷ ︸U
(2.6)
Die neue Größe U wird als Spannung bezeichnet und ist unabhängig von der Ladung Q!
U =WAB
Q=
B∫A
~E · d~s (2.7)
Die Einheit der Spannung ist [U ] = Nm/C = V(Volt). Aus der Definition der Spannungfolgt: Ist das Wegelement d~s stets senkrecht zur elektrischen Feldstärke ~E, so verschwin-det das Skalarprodukt ~E · d~s. Bewegt man sich also stets senkrecht zu den elektrischeFeldlinien, so wird an der Ladung keine Arbeit verrichtet, folglich ist die Spannung zwi-schen Anfangs- und Endpunkt gleich Null. Man bewegt sich dann auf einer sogenanntenÄquipotentialfläche. Bild 2.7 zeigt zwei Beispiele für Äquipotentialflächen: (a) bei einerPunktladung sind die Äquipotentialflächen konzentrische Kugelschalen um den Ursprung,(b) beim Plattenkondensator sind die Äquipotentialflächen horizontale Ebenen. (Im elek-
Abbildung 2.7: Äquipotentiallinien bei der (a) Punktladung und beim (b) Plattenkonden-sator.
trostatischen Feld ist die Spannung unabhängig vom gewählten Weg und allein bestimmtdurch Anfangs- und Endpunkt.)
2.4 Elektrisches PotentialDas elektrische Potential φ gibt die Spannung zwischen einem Aufpunkt ~r und einemReferenzpunkt ~r0 an.
φ~r0 =
~r0∫~r
~E ·d~s = −~r∫
~r0
~E ·d~s (2.8)
Die Einheit ist wie bei der Spannung das Volt: [φ] = V. Im Gegensatz zur Spannung,die stets zwischen zwei Punkten definiert ist, handelt es sich beim Potential um ei-ne skalare Funktion, die jedem Raumpunkt einen skalaren Wert zuweist (Skalarfeld).
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 7
Je nach gewähltem Referenzpunkt ergeben sich verschiedene Potentialfunktionen. ZweiPotentialfunktioen unterscheiden sich untereinander nur durch eine additive Konstante(φ~r1 − φ~r2 = const.).
Die Spannung zwischen zwei Punkten A und B kann als Potentialdifferenz dargestelltwerden.
UAB = φ(~rA)− φ(~rB) (2.9)
Die elektrische Feldstärke ~E kann aus dem Potential φ nach folgender Formel berechnetwerden:
~E = −gradφ =
−(∂φ
∂x~ex +
∂φ
∂y~ey +
∂φ
∂z~ez
). (2.10)
Da sich die elektrische Feldstärke aus Ableitungen der Potentialfunktion ergibt, spielt dieWahl des Referenzpunktes bei der Potentialfunktion keine Rolle. Die additive Konstantezwischen verschiedenen Potentialfunktionen verschwindet beim Ableiten. Die elektrischeFeldstärke ist also eindeutig und unabhängig vom Referenzpunkt der Potentialfunktion.
Das Potential kann also ebenso gut zur Beschreibung elektrischer Felder herangezogenwerden wie die elektrische Feldstärke: Der Vorteil liegt in der skalaren Natur des Potentialsgegenüber dem Vektorfeld der elektrischen Feldstärke. (Skalarfeld: ein Wert pro Raum-punkt reicht zur Beschreibung; Vektorfeld: drei Komponenten erforderlich.) Gültigkeits-bereich: Das Konzept eines skalaren elektrischen Potentials trägt nur bei Quellenfeldern:Ruhende elektrische Ladungen als Quellen des zeitunabhängigen elektrischen Feldes →Elektrostatik.)
Beispiel
Gegeben sei der Plattenkondensator in Bild 2.8. Gesucht sei das skalare Potentialfeldφ(~r) zwischen den Platten. Der Plattenabstand betrage d = 1 mm und die elektrische
Abbildung 2.8: Plattenkondensator: Berechnung der Potentialfunktion φ.
Feldstärke zwischen den Platten sei ~E0 = −1 kVm~ey. Die Spannung zwischen den Platten
beträgt dann
UAB =
B∫A
~E · d~s = E0d = 1 V . (2.11)
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 8
Wird Punkt B als Referenzpunkt für das Potential gewählt, so kann jedem Raumpunktein bestimmter Potentialwert zugeordnet werden.
• Liegt ~r auf der unteren Platte, so ist wegen ~E ⊥ d~s das Potential Null.
• Ebenso liegen alle Punkte der oberen Platte auf einem Potential. Das Potential deroberen Platte beträgt φB(A) =
∫ BA~E · d~s = UAB = 1 V
• Berechnung des Potentials zwischen den Platten in Abhängigkeit von y: φB(y) =∫ y=0
y~E · d~s = E0y |y0= E0y. Flächen gleichen Potentials sind horizontale Ebenen.
Rückrechnung auf die elektrische Feldstärke ergibt:
~E = −gradφ = −( ∂φ∂x︸︷︷︸=0
~ex +∂φ
∂y︸︷︷︸=E0
~ey +∂φ
∂z︸︷︷︸=0
~ez)
= −E0~ey . (2.12)
Beispiel (Ende)
2.5 Dielektrische Verschiebungsdichte
Die dielektrische Verschiebungsdichte ~D (auch: elektrische Flussdichte) entspricht -bis auf einen Faktor - der elektrischen Feldstärke ~E
~D = ε0εr ~E (2.13)
Die Einheit der dielektrischen Verschiebungsdichte ist [D] = As/m2. Die Größe εr ist dierelative Dielektrizitätszahl (dimensionslos) und eine Stoffeigenschaft.
Eine besondere Bedeutung kommt der dielektrischen Verschiebungsdichte ~D imGauß’schen Satz zu:
©∫∫A(V )
~D · d ~A =
∫∫∫V
ρ dv = Q . (2.14)
Integriert man die diel. Verschiebungsdichte ~D über eine geschlossene Hüllfläche A(V ), soerhält man die im Volumen V eingeschlossene Ladungsmenge Q.
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 9
Abbildung 2.9: Veranschaulichung der Bedeutung des Gauß’schen Satzes.
Abbildung 2.10: Dielektrikum im elektrischen Feld eines Plattenkondensators.
2.6 Dielektrika im elektrischen FeldDie eigentliche Bedeutung der dielektrischen Verschiebungsdichte wird deutlich, wenn Ma-terie vom elektrischen Feld durchsetzt wird. Experimentell stellt man folgendes fest: Wirdin den Raum zwischen den geladenen Platten eines Plattenkondensators ein Isolierma-terial (Dielektrikum) gebracht, so zeigt sich, dass die Spannung zwischen den Plattengegenüber dem Fall ohne Isoliermaterial verringert ist. Entfernt man das Isoliermaterialwieder, so erhält man den ursprünglichen Spannungswert. Durch Einbringen des Isolatorsin das elektrische Feld E0 verschieben sich die Ladungen im Isolator, so dass ein Gegenfeld~Ep entsteht. Der Effekt wird als Polarisation bezeichnet. In der Materie herrscht einabgeschwächtes Feld
Em = E0 − Ep < E0 . (2.15)
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 10
Aufgrund der verringerten Feldstärke ist auch die Spannung reduziert:
Um =
B∫A
~Em · d~s < U0 . (2.16)
Das Verhältnis von E0 zu Em heißt relative Dielektrizitätszahl εr.
εr =E0
Em=
U0
Um(2.17)
Achtung: Im Dielektrikum ist ~Em gegenüber ~E0 reduziert, die dielektrische Verschiebungs-dichte bleibt jedoch unverändert!
Dm = ε0εrEm = ε0εrE0
εr= ε0E0 = D0 (2.18)
An dieser Stelle sollen zwei wichtige Begriffe auseinander gehalten werden:
Influenz : Verschiebung von freien Ladungsträgern in einem Leiter infolge eines äußerenelektrischen Feldes.
Polarisation : Ausrichtung von Ladungen in einem Isolator durch einen der beiden fol-genden Mechanismen: (a) vorhandene Dipole (polare Materie) orientieren sich paral-lel zum äußeren Feld oder (b) bei nicht-polarer Materie fallen durch entgegengesetzteKraftwirkung auf Kern und Hülle die Ladungsschwerpunkte nicht mehr zusammen,so dass Dipole entstehen (siehe Bild 2.11).
Abbildung 2.11: Entstehung eines Dipols im äußeren elektrischen Feld bei nicht-polarerMaterie.
2.7 StromdichteIn den bisherigen Kapiteln wurden ruhende Ladungen und die von ihnen erzeugten elek-trischen Felder besprochen. Nun sollen Ladungen in Bewegung untersucht werden; wirwerden sehen, dass es dann zur Entstehung von magnetischen Feldern kommt. Zunächstaber müssen wir wichtige Begriffe einführen, die die Bewegung von Ladungen beschreiben.
Die Stromstärke I gibt die Ladungsmenge ∆Q an, die in einem Zeitintervall ∆t durcheine Querschnittsfläche A fließt.
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 11
Abbildung 2.12: Zur Definition der Stromstärke I.
I =∆Q
∆t. (2.19)
Die Stromstärke ist eine skalare, vorzeichenbehaftete Größe. Als positive Richtung desStroms wird die Bewegungsrichtung der positiven Ladungsträger definiert. Einheit derStromstärke ist das Ampere [I] = A.
Die Stromdichte gibt die Stromstärke I pro Querschnittsfläche A an, also
J =I
A. (2.20)
Die Einheit ist [J ] = A/m2.Die Stromdichte ist eine lokale Größe (Vektorfeld) im Gegensatz zur Stromstärke, die
ein integrale Größe ist und immer in Beziehung zu einer Bezugsfläche steht. Allgemein giltzwischen der Stromstärke I und der Stromdichte ~J folgender Zusammenhang:
I =
∫∫A
~J · d ~A . (2.21)
Die Stromstärke ergibt sich also durch Integration der Stromdichte über die Querschnitts-fläche.
Im leitfähigen Material ist die Stromdichte über folgende Formel mit der elektrischenFeldstärke verknüpft:
~J = σ ~E . (2.22)
Die Größe σ ist die elektrische Leitfähigkeit in der Einheit [σ] = S/m.
2.8 Magnetische FeldstärkeHistorisch wurde schon frühzeitig beobachten, dass sich einige Materialien - je nach Ori-entierung zueinander - anzogen bzw. abstießen. Diese Materialien nannte man nach demOrt ihrer Entdeckung Magnete.
Man kann sich die Kraftwirkung solcher Magnete aufeinander veranschaulichen, indemman diesen Magneten zwei Pole (Nordpol und Südpol) zuordnet und sich magnetischeFeldlinien vorstellt, die aus dem Nordpol austreten und im Südpol wieder in den Magneten
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 12
Abbildung 2.13: Magnet und magnetische Feldlinien.
eintreten. Zerbricht man einen Magneten, so stellt man fest, dass die Bruchstücke selbstwieder Nord- und Südpol besitzen. Es gibt keine isolierten Nord- bzw. Südpole. Dies istFolge des Umstandes, dass magnetische Feldlinien immer geschlossen sind.
Wichtige Größen zur Beschreibung magnetischer Felder sind die magnetische Feld-stärke H in der Einheit [H] = A/m und die magnetische Flussdichte B (auch magne-tische Induktion) in der Einheit [B] = 1 Vs/m2 = 1 T = 1 Tesla. Die Größen sind überfolgende Beziehung miteinander verbunden:
~B =µ0µr ~H
, (2.23)
mit der Permeabilitätskonstante
µ0 = 1,2566 · 10−6Vs
Am(2.24)
und der relativen Permeabilitätszahl µr.Im Rahmen der Vorlesung wollen wir uns nicht mit Permanentmagneten beschäftigen,
sondern allein mit technisch erzeugten magnetischen Feldern. Man stellt fest, dass magne-tische Felder in der Nähe von Strömen auftreten. Ströme - also bewegte Ladungen - sinddie Ursachen von magnetischen Feldern. Dies gilt übrigens auch für Permanentmagnete:Hier sind es Kreisströme auf atomarer Ebene.
Als einfaches Beispiel, auf das wir später detaillierter zurückkommen wollen, betrachtenwir einen langen stromdurchflossenen Linienleiter. Dieser ist von kreisförmigen magneti-schen Feldlinien umgeben (siehe Bild 2.14). Die Richtung des magnetischen Feldes ergibtsich durch die Rechte-Hand-Regel. Wird der Linienleiter mit der rechten Hand umgriffenund zeigt der Daumen dabei in Richtung des Stromes, so geben die anderen Finger denUmlaufsinn des magnetischen Feldes an.
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 13
Abbildung 2.14: Magnetische Feldlinien um einen langen gleichstromdurchflossenen Lini-enleiter.
2.9 Lorentz-KraftWir haben gesehen, dass Ströme magnetische Felder verursachen. Aber üben magnetischeFelder - ähnlich wie elektrische Felder - auch Kräfte auf Ladungen aus?
Zunächst einmal erkennt man, dass sich zwischen einer ruhenden Ladung und einemmagnetischen Feld keine Wechselwirkung feststellen lässt. Bewegt sich die Ladung jedoch,so erfährt sie die Lorentz-Kraft FL.
~FL =
Q(~v × ~B
). (2.25)
Abbildung 2.15: Lorentzkraft auf eine bewegte Ladung.
Die Richtung der Kraft ergibt sich nach dem Kreuzprodukt senkrecht zum Magnetfeldund senkrecht zur Geschwindigkeit (siehe Bild 2.15).
Existieren gleichzeitig ein magnetisches und ein elektrisches Feld, so überlagern sichCoulombkraft FC und Lorentzkraft FL.
~F = Q~E +Q(~v × ~B
). (2.26)
Beispiel
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 14
Stehen Geschwindigkeitsvektor ~v und magnetische Induktion ~B senkrecht zueinander,so ergibt sich eine Kreisbewegung des Teilchens. Die Lorentzkraft wirkt als Zentripetal-kraft:
~FL = ~FZ (2.27)
QvB = mv2
r(2.28)
Hieraus lässt sich der Radius der Kreisbahn berechnen
r =mv
QB. (2.29)
Abbildung 2.16: Kreisbahn eines geladenen Teilchens im magnetischen Feld.
Beispiel (Ende)
2.10 Energiedichte im elektromagnetischen FeldIn elektrischen und magnetischen Felder ist Energie gespeichert. Diese Energien stehen inZusammenhang mit Netzwerkgrößen, z.B. der Kapazität C eines Kondensators und derInduktivität L einer Spule. Die Energiedichte des elektrischen Feldes ist in einemisotropen, linearen Medium gegeben durch
we =1
2~D ~E =
1
2ε∣∣∣ ~E∣∣∣2 . (2.30)
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 15
Die Energiedichte des magnetischen Feldes ist in einem isotropen, linearen Mediumgegeben durch
wm =1
2~H ~B =
1
2µ∣∣∣ ~H∣∣∣2 . (2.31)
Zur Erinnerung: Ein Medium ist isotrop, wenn das Material keine Richtungsabhängigkeitaufweist (die Größen ε, µ, σ sind dann skalare Größen). Ein Medium ist linear, wenn dieGrößen ε, µ, σ keine Funktion der Feldgrößen ~E und ~H sind.
Die in einem elektrischen Feld gespeicherte Energie beträgt dann:
We =
∫∫∫V
we dv . (2.32)
Analog gilt für das magnetischen Feld:
Wm =
∫∫∫V
wm dv . (2.33)
Beispiel
Gegeben ist ein luftgefüllter Plattenkondensator (Plattenfläche A, Plattenabstand d)nach Bild 2.17 mit einem homogenen elektrischen Feld ~E. Die im elektrischen Feld gespei-
Abbildung 2.17: Plattenkondensator.
cherte Energie ist
We =
∫∫∫V
we dv (2.34)
=
∫∫∫V
1
2ε0E
20 dv (2.35)
=1
2ε0E
20 A · d︸︷︷︸
V
(2.36)
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 16
Mit der Spannung zwischen den Platten
U =
2∫1
~E · d~s = Ed (2.37)
ergibt sich
We =1
2· ε0
A
d︸︷︷︸C
·E20d
2︸ ︷︷ ︸U2
(2.38)
=1
2CU2 . (2.39)
Die Größe C ist die Kapazität in der Einheit [C] = AS/V = F (Farad). Die Kapazitätbeschreibt die (auf einer Platte) gespeicherte Ladung bezogen auf die anliegende Spannung.
C =Q
U(2.40)
Bei einem Plattenkondensator gilt also unter der Annahme eines homogenen Feldes,das sich auf den Zwischenraum zwischen den Platten beschränkt:
C = ε0A
d. (2.41)
Diese Formel kann auch mit dem Gauß’schen Satz (3. Maxwell’schen Gleichung) bestimmtwerden. Legt man - wie in Bild 2.18 gezeigt - eine geschlossene Hüllfläche um eine Platte,so erhält man die eingeschlossene Ladungsmenge Q. Aufgrund des Umstandes, dass einhomogenes elektrischen Feld nur zwischen den Platten existiert, ist das Oberflächenintegraleinfach auszuwerten.
Abbildung 2.18: Plattenkondensator.
Q = ©∫∫A(V )
~D · d ~A = ε0EA (2.42)
Mit der Spannung U = Ed ergibt sich so:
C =Q
U=ε0EA
Ed= ε0
A
d. (2.43)
KAPITEL 2. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN 17
In der Übungsveranstaltung werden wir sehen, auf welche Weise die Induktivität L mitder magnetischen Feldenergie Wm zusammenhängt (siehe Kapitel B.3) auf Seite 72.
Beispiel (Ende)
Kapitel 3
Maxwell’sche Gleichungen
Die Maxwell’schen Gleichungen (MWG) liefern eine Beschreibung der makroskopischenelektromagnetischen Phänomene, also des Verhaltens von elektrischen und magnetischenFeldern und die Wechselwirkung mit der Materie.
In diesen Gleichungen sind die auftretenden Feldgrößen Funktionen des Ortes ~r und derZeit t. Diese Feldgrößen müssen neben den MWG noch Rand- und Anfangsbedingungengenügen, so dass sich insgesamt ein Anfangs-Randwert-Problem ergibt.
Die Maxwell’schen Gleichungen können in differentieller und in integraler Form ange-geben werden. In den nachfolgenden beiden Unterkapiteln wollen wir uns die Gleichungeneinmal ansehen und ihre anschauliche Bedeutung erfassen.
3.1 MWG in DifferentialformDie erste Maxwell’sche Gleichung in Differentialform lautet:
rot ~H = ~J +∂ ~D
∂t(1. MWG) . (3.1)
Anschaulich interpretiert sagt diese Gleichung, dass die elektrische Stromdichte ~J und dieVerschiebungsstromdichte ∂ ~D/∂t die Ursachen des magnetischen Wirbelfeldes sind.
Die zweite Maxwell’sche Gleichung in Differentialform lautet:
rot ~E = −∂~B
∂t(2. MWG) . (3.2)
Anschaulich interpretiert sagt diese Gleichung, dass die zeitliche Änderung der magneti-schen Flussdichte ∂ ~B/∂t die Ursache des elektrischen Wirbelfeldes ist.
Die dritte Maxwell’sche Gleichung in Differentialform lautet:
div ~D = ρ (3. MWG) . (3.3)
Anschaulich interpretiert sagt diese Gleichung, dass die Raumladungsdichte ρ die Ursachedes elektrischen Quellenfeldes ist.
18
KAPITEL 3. MAXWELL’SCHE GLEICHUNGEN 19
Abbildung 3.1: (a) Durchflutungsgesetz und (b) Induktionsgesetz.
Die vierte Maxwell’sche Gleichung in Differentialform lautet:
div ~B = 0 (4. MWG) . (3.4)
Anschaulich interpretiert sagt diese Gleichung, dass die magnetische Flussdichte ~B immerquellenfrei ist.
3.2 MWG in IntegralformDie erste Maxwell’sche Gleichung in Integralform lautet:∮
C(A)
~H · d~s =
∫∫A
(~J +
∂ ~D
∂t
)· d ~A . (3.5)
Die Gleichung wird auch als Durchflutungsgesetz, bzw. als Ampere’sches Gesetz be-zeichnet. Die anschauliche Bedeutung stellt Bild 3.1a dar: Das Umlaufintegral des magne-tischen Feldes ~H um die Fläche A entspricht dem durch die Fläche tretenden GesamtstromIges (Integral über die Leitungsstromdichte ~J = σ ~E und über die Verschiebungsstromdich-te ∂ ~D/∂t).
Iges =
∫∫A
(~J +
∂ ~D
∂t
)· d ~A . (3.6)
Die zweite Maxwell’sche Gleichung in Integralform lautet:
∮C(A)
~E · d~s = − d
dt
∫∫A
~B · d ~A allgemein
= −∫∫A
∂ ~B
∂t· d ~A für ruhende Medien
. (3.7)
KAPITEL 3. MAXWELL’SCHE GLEICHUNGEN 20
Die Gleichung wird auch als Induktionsgesetz, bzw. als Faraday’sches Gesetz bezeichnet.(In dieser Vorlesung wollen wir uns auf ruhende Medien beschränken.) Die anschaulicheBedeutung stellt Bild 3.1b dar: Das Umlaufintegral des elektrischen Feldes ~E um dieFläche A entspricht dem Flächenintegral über die zeitliche Änderung der magnetischenFlussdichte ~B.
Die dritte Maxwell’sche Gleichung in Integralform lautet:
©∫∫A(V )
~D ·d ~A =
∫∫∫V
ρ dv = Q . (3.8)
Die Gleichung wird auch als Gauß’sches Gesetz des elektrischen Feldes bezeichnet.Das Integral der dielektrischen Verschiebungsdichte ~D über die geschlossene HüllflächeA(V ) liefert die gesamte im Volumen eingeschlossene Ladungsmenge Q. Bild 2.9 auf Seite9 zeigt eine Darstellung zur Interpretation.
Die vierte Maxwell’sche Gleichung in Integralform lautet:
©∫∫A(V )
~B · d ~A = 0 . (3.9)
Die Gleichung wird auch als Gauß’sches Gesetz des magnetischen Feldes bezeich-net. Das Integral der magnetische Flussdichte ~B über die geschlossene Hüllfläche A(V )verschwindet. Die Summe der eintretenden und austretenden magnetischen Feldlinien istalso gleich.
Das Flächenintegral über die magnetische Flussdichte ~B
Ψm =
∫∫A
~B · d~f (3.10)
wird alsmagnetischer Fluss bezeichnet, ebenso wie das Flächenintegral über die elektrischeFlussdichte ~D
Ψe =
∫∫A
~D · d~f (3.11)
als elektrischer Fluss bezeichnet wird.
3.3 MWG für zeitharmonische VorgängeIn der Technik sind häufig monofrequente (zeitharmonische) Vorgänge von Bedeutung.Die Feldgrößen haben dann eine sinusförmige Zeitabhängigkeit und lassen sich wie in derkomplexen Wechselstromrechnung durch Phasoren beschreiben.
KAPITEL 3. MAXWELL’SCHE GLEICHUNGEN 21
In komplexer Schreibweise ergibt sich dann folgender Zusammenhang:
~E (~r, t) = ~E0 (~r) · cos (ωt+ ϕ0) (3.12)
= Re~E0 (~r) · cos (ωt+ ϕ0) + j ~E0 · sin (ωt+ ϕ0)
(3.13)
= Re~E0 (~r) · ej(ωt+ϕ0)
(3.14)
= Re ~E0 (~r) · ejϕ0︸ ︷︷ ︸~E0(~r)
ejωt (3.15)
Die unterstrichene Größe ~E0 (~r) bezeichnet die komplexe Amplitude (Phasor) und ist nurnoch eine Funktion des Ortes. Somit ist die explizite Zeitabhängigkeit verschwunden. Sollaus einem bekannten Phasor die physikalische, orts- und zeitabhängige Größe ermitteltwerden, so muss der obige Weg umgekehrt werden, d.h. der Phasor muss mit der komple-xen Exponentialfunktion multipliziert und vom Ergebnis der Realteil gebildet werden. Imweiteren Verlauf der Vorlesung wollen wir komplexe Größen nicht gesondert kennzeichnenund verzichten daher im weiteren auf den Unterstrich.
Welchen Vorteil hat nun die Einführung der komplexen Rechnung? Zunächst einmalentfällt die Zeitvariable t und es verbleiben nur die drei Ortsvariablen. Weiterhin verein-facht sich die zeitliche Ableitung, aus ihr wird ein Faktor, denn
∂
∂tejωt = jωejωt , (3.16)
also wird
∂
∂t→ jω . (3.17)
Insgesamt ergibt sich nun folgende Form für die Maxwell’schen Gleichungen:
rot ~H = ~J + jω ~D = σ ~E + jωε0εr ~E = (σ + jωε0εr) ~E (3.18)rot ~E = −jω ~B (3.19)div ~D = ρ (3.20)div ~B = 0 (3.21)
Bitte beachten Sie, dass die auftauchenden Feldgrößen in diesen Gleichungen Phasorensind!
3.4 RandbedingungenWie in den vorangegangenen Unterkapiteln gezeigt, müssen die elektromagnetischen Feld-größen die Maxwell’schen Gleichungen erfüllen. An Materialgrenzen müssen die Feldgrößenzusätzlich bestimmten Stetigkeitsbedingungen genügen.
KAPITEL 3. MAXWELL’SCHE GLEICHUNGEN 22
Die Normalkomponenten von ~D und ~B sind stetig:
D1n = D2n
B1n = B2n
. (3.22)
Die tangentialen Komponenten von ~E und ~H sind stetig:
E1t = E2t
H1t = H2t
. (3.23)
Aus diesen Stetigkeitsbedingungen können die Beziehungen für die anderen Kompo-nenten abgeleitet werden. Aus der Stetigkeitsbedingung D1n = D2n und den Materialbe-ziehungen ε0εr1E1n = ε0εr2E2n folgt
E1n =εr2εr1E2n . (3.24)
Aus der Stetigkeitsbedingung B1n = B2n und den Materialbeziehungen µ0µr1H1n =µ0µr2H2n folgt
H1n =µr2
µr1
H2n . (3.25)
Aus den Stetigkeitsbedingungen E1t = E2t und D1t
ε0εr1= D2t
ε0εr2folgt
D1t =εr1εr2D2t . (3.26)
Aus den Stetigkeitsbedingungen H1t = H2t und B1t
µ0µr1= B2t
µ0µr2folgt
B1t =µr1
µr2
B2t . (3.27)
Die Zusammenhänge werden in Bild 3.2 grafisch dargestellt. Man erkennt, dass die Vek-toren ~E1 und ~D1 sowie die Vektoren ~E2 und ~D2 vor und nach der Grenzschicht jeweils indie gleiche Richtung weisen. Gleiches gilt für die magnetische Flussdichte ~B und die diemagnetische Feldstärke ~H.
Sonderfälle:
An einer Grenzfläche mit einer Oberflächenladung σF (mit der Einheit [σF ] = C/m2)gilt
D1n −D2n = σF . (3.28)
KAPITEL 3. MAXWELL’SCHE GLEICHUNGEN 23
Abbildung 3.2: Randbedingungen für (a) die dielektrische Verschiebungsdichte und (b)das elektrische Feld.
Abbildung 3.3: (a) Knotenregel der Netzwerktheorie (b) analoge Aussage in der Feldtheo-rie.
Falls Oberflächenladungen existieren, so springt die Normalenkomponente um die Ober-flächenladungsdichte σF .
An einer Grenzfläche mit einer Flächenstromdichte JF (mit der Einheit [JF ] = A/m)gilt
H1t −H2t = JF . (3.29)
Falls eine Oberflächenstromdichte existiert, so springt die Normalenkomponente um dieOberflächenstromdichte JF .
3.5 Erhaltungssatz der LadungAus der Netzwerktheorie ist die Knotenregel bekannt, nach der die Summe aller auf einenKnoten zulaufenden Ströme Ii verschwindet (siehe Bild 3.3a):
N∑i=1
Ii = 0 . (3.30)
In der Feldtheorie gilt analog, dass das Integral über alle in ein Volumen eindringenden
KAPITEL 3. MAXWELL’SCHE GLEICHUNGEN 24
Abbildung 3.4: Übergang einer Fläche mit endlicher Randkurve zu einer geschlossenenHüllfläche mit verschwindender Randkurve.
Stromdichten verschwindet. Bild 3.3b zeigt den Sachverhalt.
©∫∫A(V )
(~JL + ~JV
)︸ ︷︷ ︸
wahre Stromdichte
·d ~A = 0 (3.31)
Bei der Stromdichte muss dabei die wahre Stromdichte betrachtet werden, also sowohl dieLeitungsstromdichte JL als auch die Verschiebungsstromdichte JV :
~JL = σ ~E Leitungsstromdichte (3.32)
~JV =∂ ~D
∂tVerschiebungsstromdichte (3.33)
Gleichung 3.31 kann aus der 1. Maxwell’schen Gleichung abgeleitet werden, wenn inder MWG die Randkurve so lange verkleinert wird, bis sich ein Volumen mit einer ge-schlossenen Oberfläche ergibt (siehe Bild 3.4).
Aus Gleichung 3.31 lässt sich mit ein paar Umformungen eine interessante Aussagegewinnen. Zunächst einmal spalten wir das Integral in zwei Integrale auf:
©∫∫A(V )
~JL · d ~A = − ©∫∫A(V )
~JV · d ~A (3.34)
= − ©∫∫A(V )
∂ ~D
∂t· d ~A (3.35)
= − d
dt©∫∫A(V )
~D · d ~A
︸ ︷︷ ︸=Q (3. MWG)
(3.36)
= −dQdt
(3.37)
Wir erhalten also schließlich:
©∫∫A(V )
~JL · d ~A = −dQdt . (3.38)
KAPITEL 3. MAXWELL’SCHE GLEICHUNGEN 25
Diese Gleichung ist das Gesetz von der Erhaltung der Ladung. In Worten besagtdiese Gleichung: Wenn die Ladung im Volumen abnimmt (dQ/dt < 0), dann resultiertdaraus (aufgrund des negativen Vorzeichens) ein positiver Leitungsstrom durch die Flächenach außen (die Flächennormale d ~A ist bei einem geschlossenen Volumen immer nachaußen orientiert).
Kapitel 4
Einteilung elektromagnetischer Felder
Elektromagnetische Felder stellen Lösungen der Maxwell’schen Gleichungen mit entspre-chenden Rand- und Anfangsbedingungen dar. Je nach Anwendungsfall können sich dieMaxwell’schen Gleichungen stark vereinfachen. Insgesamt hat sich folgende Einteilung alszweckmäßig erwiesen.
a) Zeitlich konstante Felder (∂/∂t = 0)
a1) Elektrostatische Felder
a2) Magnetostatische Felder
a3) Statische Strömungsfelder (Gleichstrom)
b) Zeitlich veränderliche Felder (∂/∂t 6= 0)
b1) Langsam veränderliche Felder
→ Quasistatische elektrische Felder→ Quasistatische magnetische Felder→ Quasistatische Strömungsfelder
b2) Schnell veränderliche Felder
→ Quasistationäre Felder mit Stromverdrängung (Skineffekt)→ Elektromagnetische Wellen (Wellenausbreitung im freien Raum)
Im folgenden wollen wir uns mit diesen Feldtypen auseinandersetzen und dabei verschiede-ne Lösungsstrategien kennenlernen. Auch wenn dem Ingenieur heutzutage leistungsstarkeSimulationsprogramme zur Feldberechung zur Verfügung stehen, muss er die grundlegen-den analytischen Methoden kennen, um die Ergebnisse der numerischen Verfahren beur-teilen zu können.
26
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 27
4.1 Elektrostatische FelderAufgrund von ruhenden Ladungen entsteht ein zeitunabhängiges elektrisches Feld. Magne-tische Felder existieren nicht.
Die Maxwell’schen Gleichungen in Differentialform vereinfachen sich in diesem Fallezu:
rot ~E = 0 (4.1)div ~D = ρ . (4.2)
Da die Rotation des elektrischen Feldes verschwindet, handelt es sich um ein reines Quel-lenfeld. Die Raumladungsdichte ist die Ursache dieses Quellenfeldes.
4.1.1 Poissongleichung
In Kapitel 2 haben wir gesehen, dass sich das elektrostatische Feld ~E als Gradient einerPotentialfunktion φ darstellen lässt.
~E = −gradφ (4.3)
Setzen wir diese Beziehung in Gleichung 4.1, so ergibt sich:
rot gradφ = 0 . (4.4)
Diese Gleichung ist immer erfüllt, da die Rotation eines Gradienten identisch verschwindet.Setzen wir Gleichung 4.3 in Gleichung 4.2 ein, so ergibt sich:
div ~D = div(ε ~E)
(4.5)
= −ε div gradφ für homogene Medien (4.6)= −ε∆φ = ρ . (4.7)
Daraus ergibt sich folgende Differentialgleichung, die auch als Poisson-Gleichung bekanntist:
∆φ = −ρε
(4.8)
Diese Gleichung gilt für homogene (ε = const.) Materialien mit Raumladungsdichtever-teilungen ρ.
In quellenfreien Gebieten (ρ = 0) wird aus obiger Gleichung die sog. Laplace-Gleichung.
∆φ = 0 (4.9)
Fazit: Elektrostatische Felder können berechnet werden, indem eine Potentialfunktionφ bestimmt wird, die die Poisson-Gleichung, bzw. die Laplace-Gleichung erfüllt. Da diePotentialfunktion eine skalare Funktion ist, ist das Bestimmen einer Lösung der Potenti-alfunktion einfacher möglich als das Lösen der Maxwell’schen Gleichungen in denen daselektrische Feld als vektorielle Größe auftritt. Das elektrische Feld kann dann mit Hilfevon Gleichung 4.3 aus der Potentialfunktion bestimmt werden.
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 28
4.2 Magnetostatische FelderAufgrund von gleichstromführenden, idealen Leitern (σ → ∞) - sowie in der Umgebungvon Permanentmagneten, die wir aber hier nicht weiter behandeln wollen - kommt es zueinem zeitunabhängigen magnetischen Feld. Ein elektrisches Feld existiert nicht.
Die Maxwell’schen Gleichungen in Differentialform vereinfachen sich in diesem Fallezu:
rot ~H = ~JL (4.10)div ~B = 0 . (4.11)
Die Größe ~JL ist die Stromdichte im Leiter. (Aufgrund der unendlichen Leitfähigkeit istdas elektrische Feld ( ~JL = σ ~E) im Leiter Null!) Da die Divergenz des magnetischen Feldesverschwindet handelt es sich um ein reines Wirbelfeld (Die Feldlinien der magnetischenFlussdichte sind geschlossen!). Die Stromdichte ist die Ursache des Wirbelfeldes.
4.2.1 Magnetisches Vektorpotential
Im elektrostatischen Fall konnte eine skalare Potentialfunktion φ angegeben werden fürdie die Poisson-Gleichung gilt. Im magnetostatischen Fall hilft die Einführung einer vek-toriellen Potentialfunktion ~A weiter.
Das magnetische Vektorpotential wird so definiert, dass es der Gleichung
~B = rot ~A (4.12)
genügt, d.h. die magnetische Flussdichte ~B ist die Wirbeldichte des magnetischen Vektor-potentials ~A.
Durch diese Festlegung ist das magn. Vektorpotential aber nicht eindeutig bestimmt.Eindeutig wird das magn. Vektorpotential erst, wenn auch ein Wert für die Divergenzfestgelegt wird. Im Falle der Magnetostatik wählt man geschickterweise die Coulomb-Eichung
div ~A!
= 0 , (4.13)
d.h. das magnetische Vektorpotential soll quellenfrei sein.Einsetzen von Definition 4.12 in Gleichung 4.11 liefert
div ~B = div rot ~A = 0 . (4.14)
Die Divergenz der Rotation verschwindet immer (dies ist der Grund für die Festlegung inGleichung 4.12).
Einsetzen von Definition 4.12 in Gleichung 4.10 liefert
rot ~H =1
µrot ~B (4.15)
=1
µrot rot ~A = ~J . (4.16)
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 29
Aus der Vektoranalysis ist folgender Zusammenhang bekannt:
rot rot ~A = grad div ~A−∆ ~A . (4.17)
Hieraus ergibt sich:
rot ~H =1
µ
(grad div ~A︸ ︷︷ ︸
=0
−∆ ~A
). (4.18)
Aufgrund der Coulomb-Eichung verschwindet einer der Terme und es ergibt sich:
∆ ~A =−µ~J
(4.19)
Diese Gleichung ist die (vektorielle) Potentialgleichung für das magnetische Vektorpoten-tial und ähnelt in ihrer Struktur der Poisson-Gleichung.
Wenn wir die vektorielle Potentialgleichung auswerten wollen, müssen wir noch wissenwie wir den Delta-Operator angewendet auf einen Vektor zu berechnen haben. Bislangkennen wir den Delta-Operator nur angewendet auf eine skalare Funktion.
In kartesischen Koordinaten kann die vektorielle Potentialgleichung durch drei skalareDifferentialgleichungen für die verschiedenen kartesischen Koordinaten ersetzt werden:
∆Ax = −µJx (4.20)∆Ay = −µJy (4.21)∆Az = −µJz . (4.22)
In anderen Koordinatensystemen ist die Auswertung komplizierter Hier bietet es sich andirekt über die Beziehung
∆ ~A = grad div ~A− rot rot ~A (4.23)
zu geben.
4.2.2 Biot-Savart’sches Gesetz
Eine Gleichung, die direkt das magnetische Feld in der Umgebung von gleichstromdurch-flossenen Linienleitern angibt ist das Biot-Savart’sche Gesetz.
~B (~r) =µI
4π
∫C
d~s′ × (~r − ~r′)|~r − ~r′|3
. (4.24)
Die Bedeutung der einzelnen Größen ist in Bild 4.1 dargestellt.
I Strom im Linienleiter.
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 30
Abbildung 4.1: Zur Anwendung des Biot-Savart’sches Gesetzes.
~r Aufpunktsvektor: Ort an dem das Feld berechnet wird.
~r′ Quellpunktsvektor: Ort an dem der Strom fließt. (Es wird über die gestrichenenGrößen integriert.)
d~s′ Wegelement über das integriert wird.
In der Übung findet sich ein Beispiel zur Anwendung des Biot-Savart’schen Gesetzes (sieheKapitel B.5 auf Seite 75).
4.2.3 Selbst- und Gegeninduktivität
In einem vorherigen Kapitel haben wir die Kapazität C einer Zweileiteranordnung mitHilfe der elektrischen Feldenergie berechnet. Ebenso lässt sich die (Selbst-)Induktivität Leiner Spule mit Hilfe der magnetischen Feldenergie bestimmen.
Wm =
∫∫∫V
wmdv =
∫∫∫V
1
2µ0~H · ~Hdv (4.25)
=1
2LI2 (4.26)
Die Induktivität ist also ein Maß für die im Feld gespeicherte magnetische Energie.
Erinnerung
In der Netzwerktheorie verknüpft die Induktivität Strom und Spannung an einer Spulemiteinander
UL = −LdILdt
. (4.27)
In Worten bedeutet dies, dass es zu einem Spannungsabfall an der Spule kommt, wenn derStrom sich in der Spule ändert. Die Induktivität hat jedoch auch im Gleichstromfall eineBedeutung!
Befinden sich zwei Spulen im Raum, so kann man jeder Spule eine Selbstinduktivitätzuordnen. Zusätzlich sind die Spulen über eine Gegeninduktivität gekoppelt, da ein Teil der
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 31
Abbildung 4.2: Magnetisches Feld einer stromdurchflossenen Leiteranordnung.
Abbildung 4.3: Magnetisches Feld zweier Stromschleifen.
Feldlinien der ersten Spule die zweite durchsetzten und umgekehrt. (Achtung: Wir redenhier über statische Felder, da wird keine Spannung induziert!)
Die gesamte, im Feld gespeicherte magnetische Feldenergie kann wieder über die Glei-chung 4.25 berechnet werden, wobei hier nun aber die Summe der magnetischen Feldstär-ken beider Spulen berücksichtigt werden muss.
Wm =
∫∫∫V
wmdv =
∫∫∫V
1
2µ0
(~H1 + ~H2
)2dv (4.28)
=
∫∫∫V
1
2µ0
(~H1 + ~H2
)·(~H1 + ~H2
)dv (4.29)
=
∫∫∫V
1
2µ0
(~H1 · ~H1 + 2 ~H1 · ~H2 + ~H2 · ~H2
)dv (4.30)
= Wm1 +Wm12 +Wm2 (4.31)
=1
2L1I
21 +MI1I2 +
1
2L2I
22 (4.32)
Daraus folgt:
L1 =µ0
I21
∫∫∫V
(~H1 · ~H1
)dv
L2 =µ0
I22
∫∫∫V
(~H2 · ~H2
)dv
M =µ0
I1I2
∫∫∫V
(~H1 · ~H2
)dv
. (4.33)
Grundsätzlich gilt stets folgender Zusammenhang:
M ≤√L1L2 . (4.34)
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 32
Abbildung 4.4: Statisches Strömungsfeld und zeitlich konstantes magnetisches Feld.
Es lässt sich ein magnetischer Kopplungsfaktor k definieren mit
k =M√L1L2
≤ 1 . (4.35)
4.3 Statisches StrömungsfeldAufgrund der endlichen Leitfähigkeit des Mediums (σ 6= 0) stellt sich zwischen Potential-unterschieden ein zeitunabhängiges Strömungsfeld ein. Die resultierende Stromdichtever-teilung ~J (~r) führt zu einem zeitlich konstanten magnetischen Feld ~H. Der Zusammenhangist in Bild 4.4 gezeigt. Die Potentiale φ1 und φ2 seien hier als Randbedingungen vorgege-ben. Beim elektrischen Strömungsfeld ~J = σ ~E handelt es sich um ein Quellenfeld. Daherführt auch hier der bei elektrostatischen Feldern eingeführte Ansatz
~E = −gradφ (4.36)
weiter. Folglich sind die in der Elektrostatik angewandten Methoden zur Berechnung derFelder hier ebenso anwendbar.
Aus der in diesem ersten Schritt ermittelten Stromdichteverteilung kann dann in ei-nem zweiten Schritt das resultierende magnetische Feld ermittelt werden. Da sich dasmagnetische Feld zeitlich nicht ändert, gibt es auch keine Rückwirkung auf die Strom-dichteverteilung (siehe zweite Maxwell’sche Gleichung). Man spricht daher allgemein auchvon einer Entkoppelung magnetischer und elektrischer Felder für den Fall derStatik.
4.4 Zusammenfassung statische FelderWir können also für den Fall der Statik zusammenfassen:
• Elektrostatik:
→ zeitunabhängiges, elektrisches Quellenfeld als Folge ruhender Ladungen→ kein magnetisches Feld
• Magnetostatik:
→ zeitunabhängiges, magnetisches Wirbelfeld als Folge von Gleichströmen in idea-len Leitern
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 33
Abbildung 4.5: Plattenkondensator mit Wechselspannungsquelle U(t).
→ kein elektrisches Feld
• Statisches Strömungsfeld:
→ zeitunabhängiges, elektrisches Quellenfeld (Strömungsfeld) als Folge von Po-tentialunterschieden in nicht-idealen Leitern
→ zeitunabhängiges, magnetisches Quellenfeld als Folge des Strömungsfeldes(keine Rückwirkungen auf das Strömungsfeld, da zeitlich konstantes magne-tisches Feld (∂ ~H/∂t = 0))
Im statischen Fall sind die elektrischen und magnetischen Felder voneinander entkoppelt.
4.5 Quasistatische FelderDie Felder sind nun zeitabhängig (∂/∂t 6= 0), wobei die zeitliche Änderung langsam erfolgt.Was unter einer langsamen Änderung zu verstehen ist, wollen wir uns an einem Beispielverdeutlichen.
Beispiel
Gegeben sei der Plattenkondensator in Bild 4.5. Aufgrund der Zeitabhängigkeit derSpannung U = U(t) ist auch das elektrische Feld zeitabhängig E = E(t).
Man spricht von langsam veränderlichen Feldern, wenn das elektrische Feld innerhalbder Kondensatoranordnung zu jedem Zeitpunkt dem elektrischen Feld entspricht, das imstatischen Fall diesem augenblicklichen Spannungswert zugeordnet ist! Also
statisch: E =U
d(4.37)
quasistatisch: E(t) =U(t)
d→ E(t) ∼ U(t) (4.38)
(4.39)
Bild 4.6 zeigt dies noch einmal für die Zeitverläufe der Spannung und des Feldes. Die Felderverhalten sich quasistatisch, wenn die endliche Ausbreitungsgeschwidigkeit der Felder (imVakuum ist dies die Lichtgeschwindigkeit) vernachlässigt werden kann.
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 34
Abbildung 4.6: Spannung und Feld am Plattenkondensator im (a) statischen und (b)quasistatischen Fall.
Abbildung 4.7: Spule mit Wechselstromquelle I(t).
Beispiel (Ende)
Beispiel
Gegeben sei die langgestreckte Spule mit quasistatischem H-Feld in Bild 4.7. Aufgrundder Zeitabhängigkeit des Stromes I = I(t) ist auch das magnetische Feld in der Spulezeitabhängig Hi = Hi(t).
Man spricht von langsam veränderlichen Feldern, wenn das magnetische Feld inner-halb der Spulenanordnung zu jedem Zeitpunkt dem magnetischen Feld entspricht, das im
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 35
Abbildung 4.8: Zeitlicher Verlauf der Spannung U(t) zur Erläuterung der Anwendbarkeitder quasistatischen Näherung.
statischen Fall diesem augenblicklichen Stromwert zugeordnet ist! Also
statisch: Hi =nI
l(4.40)
quasistatisch: Hi(t) =nI(t)
l→ Hi(t) ∼ I(t) (4.41)
(4.42)
Beispiel (Ende)
Bei der Bestimmung einer Näherungs-Lösung kann die Zeitabhängigkeit zunächst außeracht gelassen werden. Im ersten Schritt wird die statische Lösung ermittelt. Die Zeitab-hängigkeit wird dann in einem zweiten Schritt (durch einfache Multiplikation mit einerharmonischen Zeitfunktion) berücksichtigt.
Im Folgenden wollen wir uns einmal mathematisch etwas genauer überlegen, unterwelchen Bedingungen die quasistatische Betrachtungsweise wohl gute Näherungslösungenergibt. Wir hatten bereits gesagt, dass elektromagnetische Felder sich im Vakuum mit derLichtgeschwindigkeit c0 ausbreiten.
c0 =1
√ε0µ0
= 2,9979 · 108m
s≈ 3 · 108m
s(im Vakuum) (4.43)
c =c0√εr
(im Medium mit εr) (4.44)
Soll die Änderung der Spannung an einem Kondensator quasi ohne Zeitverzug im gesamtenKondensator eine Feldänderung bewirken, so muss die Laufzeit des Signals innerhalb desKondensators vernachlässigbar sein. Bild 4.8 zeigt einen harmonischen Spannungsverlauf.Soll obige Bedingung erfüllt sein, so muss die Laufzeit t auf jeden Fall deutlich kleiner alsdie Periodendauer T sein!
t =s
c T (4.45)
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 36
Die Variable s gibt hierbei die zu überwindende Strecke an, ist also ein Maß für dieAbmessungen des Kondensators. Mit dem bekannten Zusammenhang
c = λf =λ
T→ T =
λ
c(4.46)
ergibt sich die Bedingung
s λ . (4.47)
Die Wellenlänge λ bei der betrachteten Frequenz muss also deutlich größer sein als die Ab-messungen der Anordnung, damit die Zeitverzögerung durch die endliche Ausbreitungs-geschwindigkeit vernachlässigt werden kann. In der Praxis wird häufig gefordert, dassfolgende Bedingung gilt
s ≤ λ
10. (4.48)
4.6 Quasistationäre Felder mit StromverdrängungIm statischen Fall waren die elektrischen und magnetischen Feldgrößen entkoppelt. Imquasi-statischen Fall (langsam zeitveränderliche Felder) gilt diese Annahme immer nochmit ausreichender Gültigkeit. Steigt die Frequenz weiter, so kann nun von der gegenseitigenVerkopplung der Felder nicht mehr abgesehen werden. Es tritt ein Phänomen auf, das alsStromverdrängung (Skineffekt) bezeichnet wird.
Bevor wir uns dem Problem mathematisch nähern, wollen wir eine kurze anschaulicheExkursion unternehmen.
4.6.1 Anschauliche Beschreibung
Die nachfolgende Beschreibung ist zwar mathematisch nicht exakt, gibt aber ein guteGefühl dafür wie ein Strom durch sein selbst erzeugtes magnetisches Feld auf sich selbstzurückwirkt. Wir betrachten dabei Zusammenhänge nacheinander, die natürlich simultanablaufen.
Zunächst einmal betrachten wir einen Leiter mit endlicher Leitfähigkeit. In diesem Lei-ter stelle sich zunächst die homogene Stromdichteverteilung ~Ja = σ ~Ea ein (siehe Bild 4.9).Aufgrund des Durchflutungsgesetzes∮
C(A)
~H · d~s =
∫∫A
~J · d ~A (4.49)
ist hiermit ein umwirbelndes, zeitvariantes magnetisches Feld ~H verknüpft. In der Mittedes Leiters verschwindet das magnetische Feld und am Rand des Leiters nimmt es seinenMaximalwert an. Außerhalb des Leiters fällt es wieder mit 1/r ab (siehe Übung).
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 37
Abbildung 4.9: Anschauliche Beschreibung der Stromverdrängung.
Abbildung 4.10: Stromdichteverteilung (bei gleichem Gesamtstrom) im Leiterquerschnittmit Skineffekt.
Aufgrund des Induktionsgesetzes∮C(A)
~E · d~s = − d
dt
∫∫A
~B · d ~A (4.50)
ist mit dem magnetischen Feld ein umwirbelndes, zeitvariantes elektrisches Feld ~Ew ver-knüpft.
(Die Richtungen des elektrischen Wirbelfeldes wurden eingetragen für ein ansteigendesmagnetisches Feld. Bei genauerer Betrachtung sind die Zusammenhänge etwas komplexer,da Ea und Ew nicht in Phase sind.)
Man erkennt, dass sich in der Leitermitte die elektrischen Feldlinien schwächen und esin den Randbereichen zu einer konstruktiven Überlagerung kommt. Je höher die Frequenzist, desto größer ist das induzierte Wirbelfeld und desto größer die Stromverdrängung.Bild 4.10 zeigt die Stromdichteverteilung im Querschnitt eines quadratischen Leiters beiunterschiedlichen Frequenzen.
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei höheren Frequenzen die einfache Formel
R =l
σA(4.51)
für die Berechnung des Widerstandes R nicht mehr gilt! Durch die Stromverdrängungsteigt der Widerstand, da der innere Bereich des Leiters nicht mehr genutzt wird. Einmathematisch präzisere Größe zur Beschreibung des Widerstandes bei hohen Frequenzen(Skin-Tiefe, bzw. Eindring-Tiefe δ) lernen wir im nächsten Unterkapitel kennen.
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 38
4.6.2 Eindringtiefe
Um zu beurteilen, ab wann der Skineffekt (d.h. das nur teilweise Eindringen der Strom-dichte in einen Leiter) zu beachten ist, müssen wir uns noch einmal die Maxwell’schen Glei-chungen ansehen. Die Verschiebungsstromdichte ∂ ~D/∂t wollen wir dabei allerdings nochvernachlässigen. Dieser Term wird erst wichtig, wenn wir uns Wellenausbreitungsphäno-mene ansehen wollen.
rot ~H = ~J = σ ~E (4.52)
rot ~E = −∂~B
∂t(4.53)
div ~D = ρ (4.54)div ~B = 0 (4.55)
Wenden wir den Rotationsoperator auf Gleichung 4.53 an, so erhalten wir
rot rot ~E = −rot∂
∂t
(µ ~H)
(4.56)
= −µ ∂∂t
rot ~H (4.57)
Mit Gleichung 4.52 folgt:
rot rot ~E = −µσ∂~E
∂t. (4.58)
Unter Anwendung der zuvor bereits angegebenen Beziehung
rot rot ~A = grad div ~A−∆ ~A (4.59)
folgt
grad div ~E −∆ ~E = −σµ∂~E
∂t. (4.60)
Für quellenfreie Gebiete (keine Raumladung: ρ = 0 gilt div ~E = 0, also)
∆ ~E = σµ∂ ~E
∂t. (4.61)
Gleichung 4.61 ist von Typus einer Diffusionsgleichung und gilt für leitfähige Gebieteσ 6= 0. Wie der Name schon andeutet, beschreibt die Differenzialgleichung diffisionsartigeAusbreitungsvorgänge (im Gegensatz zu wellenförmigen Ausbreitungsvorgängen, die wirspäter noch kennenlernen wollen).
Bei harmonischer Zeitabhängigkeit gilt entsprechend (∂/∂t→ jω):
∆ ~E = jωσµ~E , (4.62)
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 39
Abbildung 4.11: Eindringen des elektrischen Feldes in den leitfähigen Halbraum z ≥ 0.
Abbildung 4.12: Äquivalente Leitschichtdicke
mit dem Phasor ~E.Wir wollen uns nur eine elementare Lösung dieser Differentialgleichung ansehen, um
einen wichtigen Begriff (die Eindringtiefe) kennenzulernen. Im eindimensionalen Fallstellt folgende Funktion eine Lösung dar (überprüfbar durch einfaches Einsetzen in Glei-chung 4.62):
E(z) = E0 · e−z/δ · e−jz/δ = E0 · e(1+j)zδ . (4.63)
Bild 4.11 zeigt das Verhalten der Funktion für z ≥ 0, also das Eindringen des elektrischenFeldes in den leitfähigen Halbraum z ≥ 0. Die neue Größe δ stellt dabei die sog. Eindring-tiefe oder Skintiefe dar, also der Wert, bei dem der Betrag der elektrischen Feldstärke(und damit auch der Stromdichte) um den Faktor 1/e bezogen auf den maximalen Wertam Rand (z = 0) abgefallen ist. Mit anderen Worten: nach wenigen Skintiefen δ vom Randdes Leiters aus ist die Stromdichte nahezu auf Null abgefallen.
δ =√2
ωσµ(4.64)
Die Skintiefe von Kupfer (Cu) (σ = 5,7 · 107 S/m) z.B. beträgt bei einer Frequenz von100 MHz nur δ = 6,6µm.
Die Skintiefe δ wird auch als äquivalente Leitschichtdicke bezeichnet, da sie bei derBerechnung des Widerstandes von Leitern in denen der Skineffekt auftritt von Bedeutungist. Bild 4.11 zeigt die anschaulichen Interpretation. Der Strom, der unter der Annahmeeiner konstanten Stromdichte in der Skintiefe δ fließen würde, ist genauso groß wir derStrom bei exponentiell abfallender Stromdichte im gesamten Halbraum. Man kann daherdie Skintiefe bei der Berechnung des Widerstanden heranziehen, falls die für den Halbraum
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 40
gemachten Annahmen eine gute Näherung für den realen Fall darstellen, also falls dieQuerabmessungen eines Leiters deutlich größer sind als die Skintiefe. In diesem Fall kannals Fläche, auf die sich der Strom (homogen) verteilt, das Produkt aus Skintiefe undUmfang des Leiters angesetzt werden.
Im Gleichstromfall gilt
R =l
σA=
l
σπr2(4.65)
und im hochfrequenten Fall gilt
R =l
σUδ=
l
σ2πrδ. (4.66)
So ergibt sich für einen Draht mit einem Radius r = 1 mm und einer Länge l = 1 cm ausKupfer (σ = 5,7 · 107 S/m) ein Gleichstromwiderstand von R(0 Hz) = 55.8µΩ sowie einhochfrequenter Widerstand bei 1 MHz von R(1 MHz) = 419µΩ (δ = 66.7µm).
4.7 Elektromagnetische Wellen
Gegenüber dem quasistationären Fall wird nun noch die Verschiebungsstromdichte ∂ ~D/∂tmit hinzugenommen, so dass nun die vollständigen Maxwell’schen Gleichungen zu berück-sichtigen sind. Durch Hinzunahme der Verschiebungsstromdichte ist nun Wellenausbrei-tung möglich.
rot ~H = ~J +∂ ~D
∂t(4.67)
rot ~E = −∂~B
∂t(4.68)
div ~D = ρ (4.69)div ~B = 0 (4.70)
4.7.1 Die Wellengleichung
Bei der Suche nach Lösungen für das obige System von Differentialgleichungen hat sichfolgendes Vorgehen als vorteilhaft erwiesen.
Betrachtet werde ein homogenes (εr, µr, σ = const.), isotropes (εr, µr, σ =richtungsunabhngiges, d.h.skalar) Medium ohne Raumladungen (ρ = 0).
Wir wenden den Rotationsoperator auf die 2. Maxwell’sche Gleichung an
rot rot ~E = −rot∂
∂t
(µ ~H)
(4.71)
= −µ ∂∂t
rot ~H . (4.72)
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 41
Mit der 1. Maxwell’schen Gleichung folgt:
rot rot ~E = −µ ∂∂t
(~J +
∂ ~D
∂t
). (4.73)
Unter Anwendung der zuvor bereits angegebenen Beziehung
rot rot ~A = grad div ~A−∆ ~A (4.74)
folgt
grad div ~E −∆ ~E = −µ ∂∂t
(~J +
∂ ~D
∂t
)(4.75)
= −µ ∂∂t
(σ ~E + ε
∂ ~E
∂t
). (4.76)
Für quellenfreie Gebiete (keine Raumladung: ρ = 0, also div ~E = 0) gilt also
∆ ~E − µσ∂~E
∂t− µε∂
2 ~E
∂t2= 0 (4.77)
Diese Gleichung ist vom Typus einer Wellengleichung, weil ihre Lösungen Wellenausbrei-tungsphänomene beschreiben.
In Raumbereichen, in denen die elektrische Leitfähigkeit verschwindet (σ = 0) ergibtsich eine vereinfachte Wellengleichung.
∆ ~E − µε∂2 ~E
∂t2= 0 (4.78)
Ebenso kann eine Wellengleichung für das magnetische Feld abgeleitet werden:
∆ ~H − µσ∂~H
∂t− µε∂
2 ~H
∂t2= 0 (4.79)
In Raumbereichen, in denen die elektrische Leitfähigkeit verschwindet (σ = 0) ergibt sicheine vereinfachte Wellengleichung.
∆ ~H − µε∂2 ~H
∂t2= 0 (4.80)
Im folgenden soll eine prominente Lösung der Wellengleichung vorgestellt werden.
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 42
4.7.2 Homogene ebene Wellen
Die einfachste Lösung der Wellengleichung stellt eine homogene ebene Welle (HEW) dar.Im folgenden ist die Gleichung einer homogenen ebenen Welle gegeben, die sich in x-Richtung ausbreitet und in y-Richtung polarisiert ist (Polarisationsrichtung = Richtungdes elektrischen Feldvektors):
~E(x, t) = E0 · cos (ωt− kx) · ~ey (4.81)~H(x, t) = H0 · cos (ωt− kx) · ~ez (4.82)
mit der Beziehung
H0 =E0
ZF. (4.83)
Die neue Größe ZF heißt Feldwellenwiderstand und stellt das feste Verhältnis zwischendem Betrag der elektrischen Feldstärke E0 und dem Betrag der magnetischen FeldstärkeH0 bei einer HEW dar. Der Feldwellenwiderstand ist eine charakteristische Größe desMediums in dem sich die Welle ausbreitet.
ZF =E0
H0
=
õ
ε(4.84)
Im freien Raum gilt
ZF0 =
õ0
ε0= 120πΩ ≈ 377 Ω . (4.85)
Die Größe k ist die Wellenzahl und berechnet sich aus der Wellenlänge λ.
k =2π
λ(4.86)
Wie sehen die Lösungen nun anschaulich aus?Bild 4.13 zeigt die elektrische Feldstärke als Funktion des Ortes x zu unterschiedlichen
Zeitpunkten t = 0 und t = T/4. Zum Zeitpunkt t = 0 gilt
Ey(x, t = 0) = E0 cos (−kx) = E0 cos
(2π
λx
), (4.87)
also ist Ey eine räumlich-periodische Funktion (räumliche Periodenlänge ist die Wellen-länge λ). Zum Zeitpunkt t = T/4 gilt
Ey(x, t = T/4) = E0 cos (ωt− kx) = E0 cos(2π
T
T
4︸ ︷︷ ︸π2
−kx)
. (4.88)
Es ergibt sich also mit fortschreitender Zeit t eine Ausbreitung der Welle in positiverx-Richtung.
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 43
Abbildung 4.13: Elektrische Feldstärke als Funktion des Ortes x zu unterschiedlichen Zeit-punkten t = 0 und t = T/4.
Die Geschwindigkeit mit der sich die Welle ausbreitet ist
c =λ
T= λf =
1√µε
. (4.89)
Im Vakuum ist dies die Lichtgeschwindigkeit c0:
c0 =1
√µ0ε0
≈ 3 · 108 m/s . (4.90)
Zum Schluss wollen wir noch einmal ein paar wesentliche Eigenschaften der homogenenebenen Welle zusammenfassen:
1. E und H sind in Phase, d.h. sie besitzen die gleiche Zeitabhängigkeit cos(ωt− kx).
2. E und H sind senkrecht zueinander und auch senkrecht zur Ausbreitungsrichtung( ~E ⊥ ~H ⊥ ~v).
3. Flächen konstanter Phase sind Ebenen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung und aufeiner Phasenfläche ist der Betrag der Feldstärkewerte konstant (= homogen), daherauch der Name homogene ebene Welle.
Bild 4.15 zeigt noch einmal anschaulich die Ebenen und die elektrischen und magnetischenFeldstärkevektoren zu einem festen Zeitpunkt (t = 0).
4.7.3 Der Poynting-Vektor
Homogene ebene Wellen können sich frei im Raum ausbreiten. Sie benötigen zu ihrer Aus-breitung keine Materie. Mit der Ausbreitung der Welle ist ein Energietransport verbunden,der sich mit dem Poynting-Vektor ~S berechnen lässt.
~S = ~E × ~H (4.91)
Der Poynting-Vektor zeigt in Ausbreitungsrichtung und gibt die pro Flächeneinheit trans-portierte Leistung an. Die Einheit ist [~S] = V/m · A/m = W/m2.
KAPITEL 4. EINTEILUNG ELEKTROMAGNETISCHER FELDER 44
Abbildung 4.14: Feldstärken und Phasenflächen bei einer HEW.
Abbildung 4.15: Poynting-Vektor.
Teil I
Anhang
45
Anhang A
Mathematische Grundlagen
A.1 KoordinatensystemeKoordinatensysteme dienen der Beschreibung der Lage im Raum. Je nach geometrischerForm des Problems kann die Wahl verschiedener Koordinatensysteme von Vorteil sein.
A.1.1 Kartesisches Koordinatensystem
In kartesischen Koordinaten werden die drei unabhängigen Variablen x, y, z verwendet.
Abbildung A.1: Kartesische Koordinaten.
Bild A.1 zeigt die Beschreibung der Lage eines Punktes P0 durch die drei Variablenx0, y0, x0. Die Richtungen der Koordinatenachsen bilden ein Rechtssystem. Der Ursprungs-vektor zum Punkt P0 lautet:
~r0 =
x0y0z0
= x0 · ~ex + y0 · ~ey + z0 · ~ez . (A.1)
A.1.2 Zylinderkoordinatensystem
In Zylinderkoordinaten werden die drei unabhängigen Variablen R,ϕ, z verwendet. DieVariable ϕ liegt im Wertebereich 0 ≤ ϕ ≤ 2π.
46
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 47
Abbildung A.2: Zylinderkoordinatensystem.
Bild A.2 zeigt die Beschreibung der Lage eines Punktes P0 durch die drei VariablenR0, ϕ0, z0. Die Richtungen der Einheitsvektoren in Zylinderkoordinaten ~eR, ~eϕ, ~ez bildenein Rechtssystem. Die Richtung der Einheitsvektoren ~eR und ~eϕ ist abhängig vom Ort!Dies ist anders als bei den kartesischen Koordinaten, bei denen die Vektoren immer in diegleich Richtung zeigen.
Durch folgende Transformation lassen sich die kartesischen Koordinaten x0, y0, z0 be-rechnen.
x0 = R0 cosϕ0 (A.2)y0 = R0 sinϕ0 (A.3)z0 = z0 (A.4)
A.1.3 Kugelkoordinatensystem
In Kugelkoordinaten werden die drei unabhängigen Variablen r, ϑ, ϕ verwendet. Die Varia-ble ϕ liegt im Wertebereich 0 ≤ ϕ ≤ 2π. Die Variable ϑ liegt im Wertebereich 0 ≤ ϕ ≤ pi.
Abbildung A.3: Kugelkoordinatensystem.
Bild A.3 zeigt die Beschreibung der Lage eines Punktes P0 durch die drei VariablenR0, ϑ0, ϕ0. Die Richtungen der Einheitsvektoren in Kugelkoordinaten ~eR, ~eϑ, ~eϕ bilden einRechtssystem. Die Richtung aller Einheitsvektoren ist abhängig vom Ort!
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 48
Durch folgende Transformation lassen sich die kartesischen Koordinaten x0, y0, z0 be-rechnen.
x0 = r0 sinϑ0 cosϕ0 (A.5)y0 = r0 sinϑ0 sinϕ0 (A.6)z0 = r0 cosϑ0 (A.7)
A.2 Vektor-AlgebraVektoren sind gerichtete Größen, die neben einem Betrag auch noch eine Richtung besitzen.
A.2.1 Addition und Subtraktion
In kartesischen Koordinaten lassen sich die Vektoren einfach komponentenweise addierenund subtrahieren.
~r1 + ~r2 =
r1xr1yr1z
+
r2xr2yr2z
=
r1x + r2xr1y + r2yr1z + r2z
(A.8)
~r1 − ~r2 =
r1xr1yr1z
− r2x
r2yr2z
=
r1x − r2xr1y − r2yr1z − r2z
(A.9)
Der Betrag eines Vektors ergibt sich in kartesischen Koordinaten zu:
|~r| =√r2x + r2y + r2z (A.10)
Graphisch entspricht die Addition dem Aneinanderhängen der Vektoren. Bei der Subtrak-tion entsprechend, allerdings muss die Richtung des zu subtrahierenden Vektors zuvorumgekehrt werden.
A.2.2 Skalar- und Vektorprodukt
Das Skalarprodukt zweier Vektoren ist wie folgt definiert:
~r1 · ~r2 = |~r1| |~r1| cosα (A.11)
=
r1xr1yr1z
· r2x
r2yr2z
(A.12)
= r1xr2x + r1yr2y + r1zr2z (A.13)
Das Ergebnis ist ein skalarer Wert. Bild A.4 zeigt die Bedeutung des Winkels α. Fallsdie Vektoren ~r1 und ~r2 senkrecht aufeinanderstehen, so ist der Zwischenwinkel α gleich90 und das Skalarprodukt verschwindet. Sind die Vektoren parallel, so ergibt sich ein
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 49
Abbildung A.4: Skalarprodukt.
Zwischenwinkel von α = 0 und das Skalarprodukt entspricht dem Produkt der Beträgeder Vektoren.
Beim Vektorprodukt ist das Ergebnis ein Vektor.
~r3 = ~r1 × ~r2 (A.14)
Der Ergebnisvektor ~r3 seht senkrecht auf ~r1 und ~r2. Die Richtung ergibt sich nach derRechte-Hand-Regel: ~r1, ~r2 und ~r3 bilden ein Rechtssystem.
Der Betrag des Ergebnisvektors berechnet sich zu:
~r1 × ~r2 = |~r1| |~r1| sinα (A.15)
und entspricht der in Bild A.5 aufgespannten Parallelogrammfläche. Falls die Vektoren
Abbildung A.5: Vektorprodukt.
~r1 und ~r2 senkrecht aufeinanderstehen, so ist der Zwischenwinkel α gleich 90 und dasVektorprodukt entspricht vom Betrag her dem Produkt der Beträge der Vektoren. Sinddie Vektoren parallel, so ergibt sich ein Zwischenwinkel von α = 0 und das Vektorproduktverschwindet.
In kartesischen Koordinaten kann das Vektorprodukt auch durch folgende Determinan-te bestimmt werden.
~r1 × ~r2 =
∣∣∣∣∣∣~ex ~ey ~ezr1x r1y r1zr2x r2y r2z
∣∣∣∣∣∣ (A.16)
= ~ex (r1yr2z − r1zr2y)− (A.17)~ey (r1xr2z − r1zr2x) + (A.18)~ez (r1xr2y − r1yr2x) (A.19)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 50
A.3 Vektor-AnalysisDie Vektoranalysis umfasst eine Reihe von Differentialoperatoren, die in der elektroma-gnetischen Feldtheorie wichtig sind.
A.3.1 Gradient
Der Differentialoperator Gradient wird auf eine skalare Funktion φ(x, y, z) angewendet undergibt als Ergebnis einen Vektor. In kartesischen Koordinaten ist der Differentialoperatorwie folgt definiert.
gradφ =∂φ
∂x~ex +
∂φ
∂y~ey +
∂φ
∂z~ez (A.20)
Anschaulich zeigt der Ergebnisvektor in jedem Punkt in Richtung der stärksten Änderungder Skalarfunktion φ.
Die Differentialoperatoren werden auch häufig unter Verwendung des Nabla-Operatorsgeschrieben.
∇ =∂
∂x~ex +
∂
∂y~ey +
∂
∂z~ez (A.21)
Somit ergibt sich für den Gradient-Operator:
gradφ = ∇φ (A.22)
In anderen Koordinatensystemen hat der Nabla-Operator, bzw. der Gradient-Operatoreine kompliziertere Gestalt. Die entsprechenden Formeln sind in Hilfsblatt 1 zusammmen-gefasst.
Beispiel
Berechnung der elektrischen Feldstärke ~E aus dem Potential φ einer ruhenden Punkt-ladung unter Verwendung von Kugelkoordinaten.
φ (r) =Q
4πε0r(A.23)
Aus der Vorlesung ist bekannt:
~E = −gradφ (A.24)
= −~er∂φ
∂r− ~eϑ
1
r
∂φ
∂ϑ︸ ︷︷ ︸=0
−~eϕ1
r sinϑ
∂φ
∂ϕ︸ ︷︷ ︸=0
(A.25)
= −~erQ
4πε0
∂
∂r
(1
r
)(A.26)
=Q
4πε0
1
r2~er (A.27)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 51
Alternative Berechnung mit kartesischen Koordinaten:
Angabe der Potentialfunktion in kartesischen Koordinaten:
φ =Q
4πε0r=
Q
4πε0
1√x2 + y2 + z2
(A.28)
Einsetzen in ~E = −gradφ:
~E = −~ex∂φ
∂x−−~ey
∂φ
∂y− ~ez
∂φ
∂z(A.29)
Exemplarische Berechnung einer der partiellen Ableitungen:
∂φ
∂x=
Q
4πε0· ∂∂x
[(x2 + y2 + z2
)− 12
](A.30)
Anwendung der Kettenregel [u (v(x))]′ = u′ (v(x)) v′(x) liefert:
∂φ
∂x=
Q
4πε0·(−1
2
)(x2 + y2 + z2
)− 32 · (2x) (A.31)
= − Q
4πε0· x
(√x2 + y2 + z2︸ ︷︷ ︸
=r
)3(A.32)
= − Q
4πε0· xr3
(A.33)
Ebenso ergibt sich:
∂φ
∂y= − Q
4πε0· yr3
und∂φ
∂z= − Q
4πε0· zr3
(A.34)
Zusammenführung der Ableitungen ergibt das gleiche Resultat, dass zuvor - jedoch mitweniger Aufwand - in Kugelkoordinaten ermittelt wurde. Dieses Beispiel zeigt, dass dasRechnen mit problemangepassten Koordinaten effizienter ist.
~E =Q
4πε0(x~ex + y~ex + z~ez)︸ ︷︷ ︸
=~r=r~er
(A.35)
=Q
4πε0r2~er (A.36)
Beispiel (Ende)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 52
A.3.2 Divergenz
Der Differentialoperator Divergenz wird auf eine Vektor-Funktion ~A(x, y, z) angewendetund ergibt als Ergebnis eine skalare Größe. In kartesischen Koordinaten ist der Differen-tialoperator wie folgt definiert.
div ~A = ∇ · ~A =∂Ax∂x
+∂Ay∂y
+∂Az∂z
(A.37)
Anschaulich gibt die Divergenz die Quellendichte des Vektorfeldes ~A im entsprechendenRaumpunkt an. Verschwindet die Divergenz in einem Raumpunkt ~r0, so liegt hier wedereine Quelle noch eine Sende des Vektorfeldes vor. (Quellen und Senken des elektrischenFeldes sind die positive und negativen Ladungen: die Feldlinien entspringen den positivenLadungen und enden in den negativen Ladungen.)
Beispiel
In einem homogenen Medium ist folgendes Vektorfeld gegeben:
~E = 3V
m~ex + 4z
V
m2~ey + 5
V
m~ez . (A.38)
Zeigen Sie, dass das Feld im gesamten Raum quellenfrei ist.
div ~E =∂Ex∂x
+∂Ey∂y
+∂Ez∂z
= 0 ∀ x, y, z (A.39)
Also sind keine Quellen und Senken im gesamten Raumgebiet vorhanden.
Beispiel (Ende)
A.3.3 Rotation
Der Differentialoperator Rotation wird auf eine Vektor-Funktion ~A(x, y, z) angewendetund ergibt als Ergebnis eine vektorielle Größe. In kartesischen Koordinaten ist der Diffe-
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 53
rentialoperator wie folgt definiert.
rot ~A = ∇× ~A (A.40)
=
∂∂x∂∂y∂∂z
× Ax
AyAz
(A.41)
=
∣∣∣∣∣∣~ex ~ey ~ez∂∂x
∂∂y
∂∂z
Ax Ay Az
∣∣∣∣∣∣ (A.42)
= ~ex
(∂Az∂y− ∂Ay
∂z
)(A.43)
−~ey(∂Az∂x− ∂Ax
∂z
)(A.44)
+~ez
(∂Ay∂x− ∂Ax
∂y
)(A.45)
Im englischsprachigen Raum wird für die Rotation häufig die Bezeichnung curl verwendet.
rot ~A = curl A (A.46)
Anschaulich gibt die Rotation die Wirbeldichte des Vektorfeldes ~A im entsprechendenRaumpunkt an. In den Raumbereichen mit rot ~A 6= 0 liegen Ursachen von Wirbelfeldern!
Beispiel
Berechnen Sie die Wirbeldichte des folgenden Vektorfeldes:
~E = 3V
m~ex + 4z
V
m2~ey + 5
V
m~ez (A.47)
(A.48)
Einsetzen in obige Definition liefert:
rot ~E = −4V
m2~ex . (A.49)
Beispiel (Ende)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 54
A.3.4 Quellen- und Wirbelfelder
In den vorherigen Kapiteln haben wir gesehen, dass die Divergenz die Quellendichte undRotation die Wirbeldichte eines Feldes angibt.
Wir können daher zwei Arten von Vektorfeldern unterscheiden:
Reines Quellenfeld: Merkmal: Feldlinien beginnen in Quellen und enden in Senken.(Beispiel: Elektrostatisches Feld, das positiven Ladungen entspringt und in negativenLadungen endet.)
Reines Wirbelfeld: Merkmal: Feldlinien sind geschlossen. (Beispiel: Magnetisches Feldum einen gleichstromführenden Leiter.)
Mathematisch kann man mit Hilfe der Operatoren Divergenz und Rotation überprüfen,ob einer dieser reinen Feldformen vorliegt. Ein reines Quellenfeld zeichnet sich dadurchaus, dass gilt:
rot ~X = 0 ∀~r , (A.50)
d.h. die Wirbeldichte verschwindet im gesamten Raum.Ein reines Wirbelfeld zeichnet sich dadurch aus, dass gilt:
div ~X = 0 ∀~r , (A.51)
d.h. die Quellendichte verschwindet im gesamten Raum.Allgemein kann ein Feld immer als Überlagerung eines reines Quellenfeldes ~XQ und
eines reinen Wirbelfeldes ~XW dargestellt werden:
~X = ~XQ + ~XW . (A.52)
A.3.5 Laplace-Operator
Der Laplace-Operator (oder auch Delta-Operator ist (angewendet auf eine skalare Funkti-on) folgendermaßen definiert:
∆φ = ∇ · (∇φ) = div (gradφ) (A.53)
In kartesischen Koordinaten ergibt sich folgender Ausdruck:
∆φ =∂2φ
∂x2+∂2φ
∂y2+∂2φ
∂z2. (A.54)
Hilfblatt 1 zeigt die Auswertung des Laplace-Operators in Zylinder- und Kugelkoordinaten.Informationen zur Auswertung des Laplace-Operators angewendet auf einen Vektor
finden sich auf Seite 29.
Beispiel
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 55
Gegeben ist folgende Potentialfunktion (Potential einer Raumladungskugel):
φ(r) =
ρ0r
30
3ε0· 1
rfür r > r0
ρ02ε0
(r20 −
r2
3
)für r ≤ r0
(A.55)
Aufgabe: Berechnen Sie ∆φ in Kugelkoordinaten.
Die Potentialfunktion φ hat nur eine r-Abhängigkeit:
∆φ =1
r2∂
∂r
(r2∂φ
∂r
)(A.56)
1. Berechnung für r > r0:
Einsetzen:
∆φ =1
r2∂
∂r
(r2∂
∂r
(ρ0r
30
3ε0· 1
r
))(A.57)
=ρ0r
30
3ε0
1
r2∂
∂r
(r2(− 1
r2
)︸ ︷︷ ︸
=−1
)︸ ︷︷ ︸
=0
(A.58)
= 0 (A.59)
2. Berechnung für r ≤ r0:
Einsetzen:
∆φ =1
r2∂
∂r
(r2∂
∂r
(ρ02ε0·(−r20
r2
3
)))(A.60)
=ρ02ε0
1
r2∂
∂r
(r2(−2r
3
)︸ ︷︷ ︸= −2
3r3
)(A.61)
= −ρ0ε0
(A.62)
Was bedeuten die Ergebnisse nun anschaulich? Der Laplace-Operator ist ja nichts ande-res als die Nacheinanderanwendung des Gradient-Operators und des Divergenz-Operators:
∆φ = div (gradφ) . (A.63)
Die Operation gradφ ergibt die elektrische Feldstärke (jedoch mit negativen Vorzeichen).
~E = −gradφ (A.64)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 56
Die Divergenz der elektrischen Feldstärke (mit negativen Vorzeichen) schließlich ergibt dieQuellendichte des elektrischen Feldes, die - wie wir ja zuvor bereits gesehen haben - gleichdem Quotienten der Raumladungsdichte und der Dielektrizitätskonstante entspricht.
div ~D = ε0div ~E = ρ0 → div ~E =ρ0ε0
(A.65)
Also sind die Ergebnisse verständlich.
Beispiel (Ende)
A.4 Auswertung von Integralen in verschiedenen Koor-dinatensystemen
In den Maxwell’schen Gleichungen treten Linien-, Flächen-, und Volumenintegrale auf.Diese Integrale wollen wir wenigstens für einfache Fälle lösen können. Wir beschränkenuns bei den Linienintegralen auf Integrale, bei denen der Integrationsweg mit einer Koor-dinatenrichtung zusammenfällt. Bei Flächenintegralen soll stets die Flächennormale miteiner Koordinatenrichtung zusammenfallen.
A.4.1 Linienintegrale
A.4.1.1 Integration in kartesischen Koordinaten
Bild A.6 zeigt den Weg für die Integration. Bei den Wegelementen muss auf Hilfsblatt 1zurückgegriffen werden (hier dsx = dx).
Abbildung A.6: Geradenstück in kartesischen Koordinaten.
L =
∫C
ds =
∫C
dsx =
3∫1
dx = x∣∣∣31= 2 . (A.66)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 57
Abbildung A.7: Kreisumfang in Zylinderkoordinaten.
A.4.1.2 Integration in Zylinderkoordinaten
Bild A.7 zeigt den Weg für die Integration (Kreisumfang).
U =
∮C
ds =
∮C
dsϕ =
2π∫0
R0︷︸︸︷R dϕ︸ ︷︷ ︸dsϕ
= R0
2π∫0
dϕ = R02π . (A.67)
A.4.1.3 Integration in Kugelkoordinaten
1. Berechnung des Kugelumfangs in der Mitte der Kugel (ϑ = π/2).Bild A.8 zeigt den Weg für die Integration.
Abbildung A.8: Kugelumfang in Kugelkoordinaten (z = 0 bzw. ϑ = 90).
U =
∮C
ds =
∮C
dsϕ =
2π∫0
r0︷︸︸︷r sinϑ︸︷︷︸
=1
dϕ = r02π . (A.68)
(sinϑ = 1, da ϑ = π/2)
2. Berechnung des Kugelumfangs in der Höhe mit ϑ = π/4.Bild A.9 zeigt den Weg für die Integration.
U =
∮C
ds =
∮C
dsϕ =
2π∫0
r0︷︸︸︷r sinϑ︸︷︷︸
=1/√2
dϕ = r0√
2π . (A.69)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 58
Abbildung A.9: Kugelumfang in Kugelkoordinaten (ϑ = 45).
(sinϑ = 1/√
2, da ϑ = π/4)
3. Berechnung des Kugelumfangs auf einem anderen Weg ϕ = 0 = const..Bild A.10 zeigt den Weg für die Integration.
Abbildung A.10: Kugelumfang in Kugelkoordinaten.
U
2=
∮C
ds =
∮C
dsϑ =
π∫0
r0︷︸︸︷r dϑ︸ ︷︷ ︸dsϑ
= r0π . (A.70)
Daraus folgt:
U = 2πr0 . (A.71)
A.4.2 Flächenintegrale
A.4.2.1 Integration in kartesischen Koordinaten
Bild A.11 zeigt die Fläche für die Integration. Bei den Flächenelementen muss auf Hilfs-blatt 1 zurückgegriffen werden (hier dfz = dx dy).
A =
∫∫A
df =
∫∫A
dfz =
a∫0
b∫0
dx dy = ab . (A.72)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 59
Abbildung A.11: Deckelfläche eines Quaders in kartesischen Koordinaten.
Abbildung A.12: Kreisfläche.
A.4.2.2 Integration in Zylinderkoordinaten
1. KreisflächeBild A.12 zeigt die Fläche für die Integration. Bei den Flächenelementen muss auf
Hilfsblatt 1 zurückgegriffen werden (hier dfz = RdRdϕ).
A =
∫∫A
df =
∫∫A
dfz =
R0∫0
2π∫0
RdRdϕ = 2π · 1
2R2∣∣∣R0
0= πR2
0 . (A.73)
2. Mantelfläche eines ZylindersBild A.13 zeigt die Fläche für die Integration. Bei den Flächenelementen muss auf
Abbildung A.13: Mantelfläche eines Zylinders.
Hilfsblatt 1 zurückgegriffen werden (hier dfR = Rdϕdz).
A =
∫∫A
df =
∫∫A
dfR =
h∫0
2π∫0
R︸︷︷︸R0
dϕ dz = R02πh . (A.74)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 60
A.4.2.3 Integration in Kugelkoordinaten
Bild A.14 zeigt die Kugeloberfläche für die Integration. Bei den Flächenelementen muss
Abbildung A.14: Kugeloberfläche.
auf Hilfsblatt 1 zurückgegriffen werden (hier dfr = r2 sinϑ dϑ dϕ).
A =
∫∫A
df =
∫∫A
dfr =
2π∫0
π∫0
r2︸︷︷︸r20
sinϑ dϑ dϕ (A.75)
= r20 · 2π ·π∫
0
sinϑ dϑ = 2πr20
(− cosϑ
∣∣∣π0
)︸ ︷︷ ︸=−(−1−1)=2
(A.76)
= 4πr20 . (A.77)
A.4.3 Volumenintegrale
A.4.3.1 Integration in kartesischen Koordinaten
Bild A.15 zeigt das Volumen für die Integration. Bei den Volumenelementen muss auf
Abbildung A.15: Volumen eines Quaders in kartesischen Koordinaten.
Hilfsblatt 1 zurückgegriffen werden (hier dv = dx dy dz).
V =
∫∫∫V
dv =
a∫0
b∫0
c∫0
dx dy dz = abc . (A.78)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 61
Abbildung A.16: Volumen eines Zylinders.
A.4.3.2 Integration in Zylinderkoordinaten
Bild A.16 zeigt das Volumen für die Integration. Bei den Volumenelementen muss aufHilfsblatt 1 zurückgegriffen werden (hier dv = Rdϕdz dR).
V =
∫∫∫V
dv =
R0∫0
h∫0
2π∫0
Rdϕdz dR (A.79)
= h · 2π · 1
2R2∣∣∣R0
0= hπR2
0 . (A.80)
A.4.3.3 Integration in Kugelkoordinaten
Bild A.17 zeigt das Kugelvolumen für die Integration. Bei den Volumenelementen muss
Abbildung A.17: Volumen einer Kugel.
auf Hilfsblatt 1 zurückgegriffen werden (hier dv = r2 sinϑ dr dϕ dϑ).
V =
∫∫∫V
dv =
π∫0
2π∫0
r0∫0
r2 sinϑ dr dϕ dϑ (A.81)
= 2π · 1
3r3∣∣∣r00
(− cosϑ
∣∣∣π0
)︸ ︷︷ ︸
=2
=4
3πr30 . (A.82)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 62
A.4.4 Linienintegrale über Vektoren
In Kapitel A.4.1 haben wir gesehen, dass das Linienintegral stets die wahre Länge desIntegrationsweges ergab, also zum Beispiel den Umfang eines Kreises.
Wir wollen nun sehen, was geschieht, wenn wir das Integral über eine vektorielle Größeausführen und dieser Vektor in Richtung des Integrationsweges zeigt.
A.4.4.1 Vektor in Richtung des Integrationsweges
Bild A.18a zeigt den Weg für die Integration. Da über eine vektorielle Größe integriert
Abbildung A.18: Integrationsweg und Vektor.
wird, wird das Ergebnis ebenfalls ein Vektor sein:
~L =
∫C
d~s =
π∫0
R0dϕ · ~eϕ . (A.83)
Wenn wir das Integral auswerten wollen, treffen wir auf das Problem, dass der Vektor ~eϕandauernd seine Richtung ändert! Es ist daher sinnvoll auf das kartesische Koordinaten-system überzugehen, denn bei diesem sind die Einheitsvektoren raumfest, d.h. unabhängigvom Ort zeigen sie immer in die gleiche Richtung (siehe Bild A.18b).
Bild A.19 zeigt den Übergang von Zylinderkoordinaten in kartesische Koordinaten.
Abbildung A.19: Übergang auf kartesischen Koordinaten.
~eϕ = − sinϕ~ex + cosϕ~ey (A.84)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 63
Einsetzen:
~L =
π∫0
R0dϕ · ~eϕ (A.85)
= −π∫
0
R0 sinϕdϕ · ~ex +
π∫0
R0 cosϕdϕ · ~ey (A.86)
= −R0~ex
π∫0
sinϕdϕ
︸ ︷︷ ︸=2
+R0~ey
π∫0
cosϕdϕ
︸ ︷︷ ︸=0
(A.87)
= −2R0 ~ex (A.88)
(Hinweis zur Rechnung: Fläche unter einem Sinusbogen ist 2; Fläche unter der Cosinus-funktion von 0 bis π verschwindet (→ zeichnen!))
Als Ergebnis erhalten wir also einen Vektor, der vom Anfangspunkt zum Endpunktzeigt (siehe Bild A.20).
Abbildung A.20: Ergebnisvektor.
Allgemein können wir Folgendes festhalten:
• Wird über einen Vektor integriert und zeigt dieser Vektor stets in Wegrichtung, soergibt sich als Ergebnis der gerichtete Abstand von Anfangs- und Endpunkt.
A.4.4.2 Vektor senkrecht zum Integrationsweg
Was geschieht, wenn der Vektor nicht in Wegrichtung zeigt? Die Auswertung erfolgt wiezuvor in kartesischen Koordinaten, da die Vektoren in diesem Falle ortsfest sind und ausden Integralen herausgezogen werden können. Der Integrationsweg sei wie zuvor, allerdingsweist der Vektor nun in eine andere Richtung (siehe Bild A.21).
~L =
∫C
d~s =
π∫0
R0dϕ · ~eR . (A.89)
Radialer Einheitsvektor durch kartesische Einheitsvektoren ausgedrückt:
~eR = cosϕ~ex + sinϕ~ey (A.90)
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 64
Abbildung A.21: (a)Integrationsweg und Vektor und (b) Übergang auf kartesische Koor-dinaten.
Einsetzen:
~L =
π∫0
R0dϕ · ~eR (A.91)
=
π∫0
R0 cosϕdϕ · ~ex +
π∫0
R0 sinϕdϕ · ~ey (A.92)
= R0~ex
π∫0
cosϕdϕ
︸ ︷︷ ︸=0
+R0~ey
π∫0
sinϕdϕ
︸ ︷︷ ︸=2
(A.93)
= 2R0 ~ey (A.94)
Bild A.22a zeigt die wechselnde Richtung des Vektor ~eR längs des Weges. Der Ergebnis-vektor zeigt in positive y-Richtung. Anschaulich ist klar: Die x-Komponenten heben sichauf, die y-Komponenten addieren sich!
Abbildung A.22: (a) Wechselnde Richtung des Vektors längs des Integrationsweges (b)Ergebnisvektor.
Die anschauliche Interpretation führt dazu, dass sich manche Integrale durch bloßesHinsehen lösen lassen. Als Beispiel sei der Integrationsweg von vorhin auf einen vollstän-digen Kreis ausgeweitet (siehe Bild A.23).
ANHANG A. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 65
Abbildung A.23: Integrationsweg und Vektor.
~L =
2π∫0
R0dϕ · ~eR = 0 . (A.95)
Anschaulich heben sich die Beiträge aller Vektoren in ihrer Gesamtheit auf!
Anhang B
Übungsaufgaben
B.1 Elektrisches Feld einer homogenen Raumladungs-kugel
Gegeben ist eine homogene Raumladungskugel (Radius r0) mit der Raumladungsdichte(in Kugelkoordinaten):
ρ (r) =
ρ0 für 0 ≤ r ≤ r00 für r0 ≤ r ≤ ∞ (B.1)
Bild B.1 zeigt die Verteilung der Raumladung als Funktion des Radius. Die GesamtladungQ der Raumladungskugel ergibt sich als Integral der Raumladungsdichte:
Q =
∫∫∫V
ρ0 dv = ρ04
3πr30 . (B.2)
Abbildung B.1: Raumladungsdichte als Funktion des Radius.
66
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 67
Die elektrische Feldstärke der Raumladungskugel ist in der Aufgabe gegeben:
Er (r) =
ρ03ε0
r für 0 ≤ r ≤ r0
ρ0r30
3ε0· 1
r2=
Q
4πε0r2für r0 ≤ r ≤ ∞
(B.3)
Die anderen Komponenten Eϑ und Eϕ seien Null. (Sieht man sich das Feld außerhalbder Raumladungskugel an, so stellt man fest, dass es mit dem elektrischen Feld einerPunktladung im Ursprung übereinstimmt, falls die Punktladung und die Gesamtladungder Raumladungskugel identisch sind.)
Aufgabe: Berechnen Sie die Quellendichte und die Wirbeldichte des elektrischen Feldes!
1. Berechnung der Quellendichte für r ≤ r0:
div ~E = div
(ρ03ε0
r~er
)(B.4)
Da die ϑ- und die ϕ-Komponenten des elektrischen Feldes verschwinden, bleibt beim Ein-setzen in die Definition des Divergenz-Operators
div ~E =1
r2∂
∂r
(r2Er
)+
1
r sinϑ
∂
∂ϑ(Eϑ sinϑ) +
1
r sinϑ
∂Eϕ∂ϕ
(B.5)
nur der erste Term stehen
div ~E =ρ03ε0
1
r2
(∂
∂rr2r
)︸ ︷︷ ︸
=3r2
=ρ0ε0
(B.6)
Die Quellendichte des elektrischen Feldes entspricht also dem Quotienten aus Raumla-dungsdichte ρ0 und Dielektrizitätskonstante ε0. Die Aussage kann auch umgestellt werden:
ε0div ~E = ρ0 (B.7)div ~D = ρ0 (B.8)
Die Quellendichte der dielektrischen Verschiebungsdichte ~D ist also die Raumladungsdich-te ρ0.
2. Berechnung der Quellendichte für r > r0:
div ~E = div
(ρ0r
30
3ε0
1
r2~er
)(B.9)
ρ0r30
3ε0
1
r2
(∂
∂rr2
1
r2
)︸ ︷︷ ︸
=0
=ρ0ε0
(B.10)
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 68
Außerhalb der Raumladungskugel ist die Quellendichte gleich Null. Dort liegen also keineQuellen des Feldes vor.
3. Berechnung der Quellendichte:
Das elektrische Feld enthält nur eine radiale Komponente Er. Diese Komponente selbstist nur eine Funktion von r und unabhängig von ϑ und ϕ. Bei Betrachtung der Definitiondes Rotationsoperators fällt auf, dass alle Ausdrücke Null werden und die Rotation daherim gesamten Raum verschwindet. Damit handelt es sich bei dem elektrischen Feld um einreines Quellenfeld.
rot ~E =~er
r sinϑ
(∂(
=0︷︸︸︷Eϕ sinϑ)
∂ϑ− ∂
=0︷︸︸︷Eϑ∂ϕ
)(B.11)
+~eϑr
( 1
sinϑ
∂Er∂ϕ︸︷︷︸=0
−∂(r
=0︷︸︸︷Eϕ )
∂r
)(B.12)
+~eϕr
(∂(r
=0︷︸︸︷Eϑ )
∂r− ∂Er
∂ϑ︸︷︷︸=0
)(B.13)
= 0 (B.14)
B.2 Magnetisches Feld eines stromdurchflossenen Lei-ters
Aufgabe: Berechnen Sie mit Hilfe des Durchflutungsgesetzes die magnetische Feldstärkeeines unendlich langen, gleichstromdurchflossenen zylindrischen Leiters mit dem Radiusr0. Berechnen Sie anschließend die Wirbeldichte und die Quellendichte im gesamten Raum.
Das Durchflutungsgesetz lautet:∮C(A)
~H · d~s =
∫∫A
(~J +
∂ ~D
∂t︸︷︷︸=0
)· d ~A (B.15)
Aufgrund der Zeitunabhängigkeit des Stromes (Gleichstrom) verschwindet die zeitlicheAbleitung auf der rechten Seite der Gleichung. Aus der Symmetrie der Abordnung undunserem Vorwissen aus dem Kapitel über die physikalischen Grundlagen folgern wir zu-nächst, dass es nur eine umlaufende (ϕ-)Komponente gibt (Hr = Hϑ = 0), die den Leiterumwirbelt (siehe Bild B.2). Wollen wir nun das Durchflutungsgesetz anwenden, so müs-sen wir uns Gedanken um einen Integrationsweg C(A) bzw. um die Fläche A machen aufder die Integrale ausgewertet werden sollen. Eine besonders einfache Lösung der Integraleergibt sich, wenn längs einer Feldlinie auf einem horizontal liegenden Kreis um den Leiter
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 69
Abbildung B.2: Magnetisches Feld um einen Leiter.
Abbildung B.3: Integrationsweg.
herum integriert wird (siehe Bild B.3). In Zylinderkoordinaten (Wegelement d~s = Rdϕ~eφ)ergibt sich folgende Lösung der Integrals auf der linken Seite des Durchflutungsgesetzes:
∮C(A)
~H · d~s =
2π∫ϕ
HϕR1 dϕ = R1Hϕ2π (B.16)
Bei der Auswertung des Integrals auf der rechten Seite muss die Orientierung der Flä-chennormalen bekannt sein. Zwischen dem Umlaufsinn der Randkurve und der Flächen-normalen besteht der Zusammenhang über die Rechte-Hand-Regel, in unserem Fall ist dieFlächennormale also in positive z-Richtung orientiert. Die rechte Seite des Durchflutungs-
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 70
gesetzes ergibt für den Fall R1 ≤ R0 also:
∫∫A
~J · ~A =
R1∫0
2π∫0
Jz dfz (B.17)
=
R1∫0
2π∫0
Jz RdϕdR (B.18)
= Jz2π
R1∫0
RdR (B.19)
= Jz2π1
2R2∣∣∣R1
0(B.20)
= πR21Jz (B.21)
Für den Fall R1 ≥ R0 fließt der gesamte Strom I durch die Fläche und das Integral ergibt:∫∫A
~J · ~A = I (B.22)
Mit diesen Vorüberlegungen können wir nun relativ einfach das magnetische Feld innerhalbund außerhalb des Leiters berechnen.
1. Berechnung innerhalb des Leiters (R ≤ R0):
Hϕ2πR = JzπR2 (B.23)
Daraus folgt
Hϕ =Jz2R für R ≤ R0 (B.24)
2. Berechnung außerhalb des Leiters (R > R0):
Hϕ2πR = JzπR20 = I (B.25)
Daraus folgt
Hϕ =JzR
20
2R=
I
2πRfür R > R0 (B.26)
3. Berechnung der Rotation innerhalb des Leiters (R ≤ R0):
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 71
rot ~H = ~eR
( 1
R
∂
=0︷︸︸︷Hz
∂ϕ− ∂Hϕ
∂z︸ ︷︷ ︸=0
)(B.27)
+~eϕ
(∂ =0︷︸︸︷HR
∂z− ∂
=0︷︸︸︷Hz
∂R
)(B.28)
+~ez1
R
(∂(RHϕ)
∂R− ∂
=0︷︸︸︷HR
∂ϕ
)(B.29)
Daraus folgt:
rot ~H = ~ez1
R
(∂(RHϕ)
∂R
)(B.30)
~ez1
R
( ∂
∂R
(RJ
2R)
︸ ︷︷ ︸=J
2R2︸ ︷︷ ︸
=JR
)
︸ ︷︷ ︸=J
(B.31)
= J~ez (B.32)
Die Wirbeldichte des magnetischen Feldes im Bereich des Leiters ist die in z-Richtungfließende Stromdichte ~J . (Die Stromdichte ist die Ursache des magnetischen Wirbelfeldes.)
4. Berechnung der Rotation außerhalb des Leiters (R > R0):
rot ~H = ~ez1
R
(∂(RHϕ)
∂R
)(B.33)
~ez1
R
( ∂
∂R
(R
I02πR
)︸ ︷︷ ︸
=I02π︸ ︷︷ ︸
=0
)(B.34)
= 0 (B.35)
Die Wirbeldichte verschwindet also außerhalb des Leiters. (Hier liegen also keine Ursachenfür das Wirbelfeld.)
5. Berechnung der Divergenz:
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 72
Abbildung B.4: Zylinderspule mit Integrationsweg.
div ~H =1
R
( ∂
∂R(R
=0︷︸︸︷HR )
)+
1
R
∂Hϕ
∂ϕ︸ ︷︷ ︸=0
+∂
=0︷︸︸︷Hz
∂z(B.36)
= 0 (B.37)
Quellendichte ist überall gleich Null. Es handelt sich also um eine quellenfreies Feld. DieWirbeldichte ist im Bereich R ≤ R0 von Null verschieden, es ist als ein Wirbelanteilvorhanden. Insgesamt ergibt sich also ein reines Wirbelfeld.
B.3 Magnetisches Feld und Induktivität einer langge-streckten Zylinderspule
Wir wollen anhand eines weiteren Beispiels zeigen, wie sich mit Hilfe des Durchflutungs-gesetzes das magnetische Feld einer gleichstromdurchflossenen Leiteranordnung berechnenlässt.
Aufgabe: Berechnen Sie das magnetische Feld und die Induktivität einer langgestreckten,luftgefüllten Zylinderspule mit Hilfe des Durchflutungsgesetzes (Windungszahl n, Längel, Durchmesser d mit l >> d). Berechnen Sie anschließend die gesamte im magnetischenFeld gespeicherte Energie und geben Sie eine Formel für die Induktivität an.
Das Durchflutungsgesetz lautet im zeitunabhängigen Fall:∮C(A)
~H · d~s =
∫∫A
(~J · d ~A . (B.38)
Es soll von folgender Vereinfachung ausgegangen werden:
• Das Feld Hi innerhalb der Spule sei konstant.
• Das Feld Ha außerhalb der Spule verschwinde (Ha = 0).
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 73
Wenn wir mit Hilfe des Durchflutungsgesetzes das magnetische Feld berechnen wollen,müssen wir wie zuvor einen Integrationsweg C(A) finden auf dem das magnetische Feldkonstant - und möglichst in Wegrichtung orientiert - ist. Wir wählen den in Bild B.4eingezeichneten Weg. Mit dem Weg ist sogleich auch die Fläche A festgelegt. Umlaufsinndes Integrationsweges C(A) und Flächennormale d ~A sind über die Rechte-Hand-Regelmiteinander verknüpft.
Die linke Seite des Durchflutungsgesetzes liefert∮C(A)
~H · d~s = Hil . (B.39)
Die rechte Seite des Durchflutungsgesetzes liefert∫∫A
~J · d ~A = nI , (B.40)
da der Strom I n-mal durch die Fläche fließt!Somit ergibt sich mit
Hil = nI (B.41)
schließlich
Hi =nI
lfür R ≤ R0 (B.42)
Wir wollen nun die im magnetischen Feld gespeicherte Energie und die Induktivitätder Spule berechnen.
Die magnetische Energiedichte wm ist gegeben durch
wm =1
2~H · ~B =
1
2µ0
∣∣∣ ~H∣∣∣2 =1
2µ0H
2 (B.43)
Die magnetische Gesamtenergie Wm ergibt sich durch Integration der Energiedichte imgesamten Raum.
Wm =
∫∫∫V
wm dv (B.44)
=
∫∫∫V
1
2µ0H
2i dv (B.45)
=1
2µ0H
2i Al︸︷︷︸
=V
mit A = π
(d
2
)2
(B.46)
=1
2µ0n2I2
l2Al (B.47)
=1
2µ0n2A
l︸ ︷︷ ︸=L
I2 (B.48)
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 74
Die neue Größe L ist die Induktivität der langgestreckten, luftgefüllten Zylinderspule undist ein Maß für die im Feld gespeicherte Energie.
L =
µ0n2A
l(B.49)
Die Einheit der Induktivität ist [L] = Vs/A = H (Henry).
B.4 Magnetisches Feld einer teilweise gefüllten langge-streckten Zylinderspule
Die zuvor gegebene langgestreckte Zylinderspule sei nun teilweise mit einem (ferromagne-tischen) Kern (µr >> 1) gefüllt (siehe Bild. B.5).
Abbildung B.5: Teilweise gefüllte langgestreckte Zylinderspule.
Es gelten die gleichen Vereinfachungen wie im Fall der luftgefüllten Spule:
• Das magnetischen Feld außerhalb der Spule verschwinde (Ha = 0).
• Die magnetische Feldstärke in den den verschiedenen Materialien sein konstant.
Zu berechnen ist die magnetische Feldstärke HL im luftgefüllten Bereich und die magne-tische Feldstärke HK im Bereich des Kernmaterials. Die Berechnung soll mit Hilfe desDurchflutungsgesetzes erfolgen.
Wir wählen den gleichen Integrationsweg wie zuvor und erhalten auf der linken Seitedes Durchflutungsgesetzes: ∮
C(A)
~H · d~s = sHK + (l − s)HL . (B.50)
Die rechte Seite des Durchflutungsgesetzes liefert∫∫A
~J · d ~A = nI , (B.51)
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 75
da der Strom I n-mal durch die Fläche fließt! Somit ergibt sich insgesamt
sHK + (l − s)HL = nI . (B.52)
Diese Gleichung enthält die zwei Unbekannten HK und HL. Um diese Unbekannten be-stimmen zu können, benötigen wir noch eine weitere Gleichung. Diese liefern uns die Ste-tigkeitsbedingungen: die Normalenkomponente der magnetischen Flussdichte ist stetig:
BK,n = BL,n . (B.53)
Da die magnetische Flussdichte nur eine Normalkomponente hat gilt also:
BK = BL . (B.54)
Für das magnetische Feld ergibt sich damit
µ0µKHK = µ0HL . (B.55)
Nun haben wir zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten. Einsetzen ergibt:
sHK + (l − s)µKHK = nI . (B.56)
Und somit erhalten wir für die magnetische Feld im Luftbereich und im Kernmaterial:
HK =nI
s+ µr(l − s)(B.57)
HL = µrHK =µrnI
s+ µr(l − s)(B.58)
Am Ende der Rechnung können wir noch schnell eine Plausibilitätsprüfung durchfüh-ren. Für den Fall s → 0 (kein Kernmaterial) müsste die Lösung für HL in das Ergebnisder letzten Aufgabe übergehen, was sie auch tut.
HL =nI
lfür s→ 0 . (B.59)
B.5 Anwendung des Biot-Savart’schen Gesetzes aufeinen Kreisstrom
Gegeben sei eine von dem Gleichstrom I durchflossene kreisförmige Zylinderspule in derEbene z = 0 (Radius R0). Berechnen Sie das magnetische Feld ~H auf der z-Achse mitHilfe des Biot-Savart’schen Gesetzes. Das Biot-Savart’sche Gesetz lautet:
~B (~r) = µ ~H =µI
4π
∫C
d~s′ × (~r − ~r′)|~r − ~r′|3
. (B.60)
Die Bedeutung der einzelnen Größen ist in Bild 4.1 dargestellt und .
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 76
Abbildung B.6: Kreisförmige Ringspule in der Ebene z = 0.
I Strom im Linienleiter.
~r Aufpunktsvektor: Ort an dem das Feld berechnet wird.
~r′ Quellpunktsvektor: Ort an dem der Strom fließt. (Es wird über die gestrichenenGrößen integriert.)
d~s′ Wegelement über das integriert wird.
Aufgrund der Geometrie des Problems ist die Verwendung von Zylinderkoordinaten anzu-raten.
Für den Aufpunktsvektor (Orte auf der z-Achse) erhalten wir dann:
~r =
00z
= z~ez . (B.61)
Für den Quellpunktsvektor (Orte auf dem Kreis) ergibt sich:
~r′ = R0~eR . (B.62)
(Achtung: Der Vektor ist natürlich nicht konstant, da der radiale Einheitsvektor eine Funk-tion des Ortes ist!)
Für das Wegelement erhalten wir:
d~s′ = R0 dϕ~eϕ . (B.63)
Hieraus können wir nun das Integral zusammensetzen. Es ergibt sich:
~r − ~r′ = z~ez −R0~eR (B.64)
→ |~r − ~r′| =√z2 +R2
0 . (B.65)
Für das Kreuzprodukt erhalten wir:
d~s′ × (~r − ~r′) = R0 dϕ~eϕ × (z~ez −R0~eR) (B.66)= R0 dϕ~eϕ × z~ez −R0 dϕ~eϕ ×R0~eR (B.67)= R0z dϕ ~eϕ × ~ez︸ ︷︷ ︸
= ~eR
−R20 dϕ ~eϕ × ~eR︸ ︷︷ ︸
= −~ez
(B.68)
= R0z dϕ~eR +R20 dϕ~ez (B.69)
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 77
Einsetzen in das Biot-Savart’sche Gesetz:
~H (~r) =I
4π
∫C
d~s′ × (~r − ~r′)|~r − ~r′|3
(B.70)
=I
4π
2π∫0
R0zdϕ
(z2 +R20)
3/2~eR︸ ︷︷ ︸
=0
+I
4π
2π∫0
R20dϕ
(z2 +R20)
3/2~ez (B.71)
=I
2· R2
0
(z2 +R20)
3/2~ez (B.72)
Um das erste der beiden Integrale zu lösen, müssen wir auf kartesische Koordinaten über-gehen, wie wir es bereits in Kapitel A.4.4.2 auf Seite 63 über das Integrale getan haben.Dort hatten wir uns aber bereits überlegt, dass das Integral immer Null ergibt, da beiSuperposition aller Vektoren das Ergebnis verschwindet (siehe Bild A.23 auf Seite 65.)
2π∫0
R0 dϕ~eR = 0 . (B.73)
Der Verlauf des magnetischen Feldes Hz auf der z-Achse ist in Bild B.7 dargestellt.
Abbildung B.7: Magnetisches Feldes Hz auf der z-Achse.
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 78
B.6 ParalleldrahtleitungGegeben ist eine Paralleldrahtleitung bestehend aus einem linienförmigen Hin- und einemlinienförmigen Rückleiter im Abstand b (siehe Bild B.8). Das magnetische Feld im Abstand
Abbildung B.8: Paralleldrahtleiter.
R von einem Leiters ist:
H =I
2πR. (B.74)
Bei dieser Aufgabe handelt es sich um zwei Leiter, die nun jeweils um +b/2 bzw. −b/2verschoben sind. Das magnetische Feld des linken Leiters H1(x) auf der x-Achse lautetunter Berücksichtigung der Stromflussrichtung:
~H1 (x) =I
2π(x+ b
2
)~ey . (B.75)
Das magnetische Feld des rechten Leiters H2(x) auf der x-Achse lautet unter Berücksich-tigung der Stromflussrichtung:
~H2 (x) =−I
2π(x− b
2
)~ey . (B.76)
Das Gesamtfeld auf der x-Achse gewinnt man durch Superposition der beiden Feldanteile:
~H = ~H1 + ~H2 (B.77)
=
[I
2π(x+ b
2
) − I
2π(x− b
2
)]~ey (B.78)
=I
2π
[x− b
2−(x+ b
2
)x2 − b2
4
]~ey (B.79)
=I
2π
[b
x2 − b2
4
]~ey (B.80)
Bild B.9 zeigt den Verlauf auf der x-Achse für eine Stromstärke I = 1 A und einenLeiterabstand b = 8 cm. Die rote Kurve stellt die oben berechnete analytische Lösung dar.Die blaue Kurve stelle eine numerische Näherungslösung dar.
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 79
Abbildung B.9: Magnetisches Feldes Hy auf der x-Achse.
Das numerische Modell wurde mit dem 3D-Simulationsprogramm Microwave Studioder Firma CST berechnet. Bild B.10 zeigt zusätzlich noch die Leiteranordnung im Modellund die magnetische Feldverteilung in einer transversalen Ebene.Die leichten Abweichun-gen ergeben sich durch numerische Ungenauigkeiten, so wie durch die endlichen Durch-messer der Leiter in der Simulation.
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 80
Abbildung B.10: Numerisches Modell (oben), Vektorplot des magnetisches Feldes (Mitte)und Contourplot des magnetisches Feldes (unten).
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 81
B.7 KoaxialleitungBerechnung des magnetischen Feldes einer Koaxialleitung mit dem Durchflutungsgesetz.Der Querschnitt der Koaxialleitung ist in Bild B.11 gezeigt. Da wir bereits das magnetische
Abbildung B.11: Koaxialleitung.
Feld eines langen zylindrischen Leiters auf diese Art berechnet haben, können wir ein paarErkenntnisse und Gedankengänge übernehmen:
• Berechnung in Zylinderkoordinaten.
• Aufgrund der Symmetrie ist HZ = HR = 0
• Aus der Symmetrie ist weiterhin ersichtlich, dass Hϕ auf Kreisen um die z-Achsekonstant ist und nur eine Funktion des Radius ist → Hϕ(R).
Wir wollen bei der Berechnung vier Fälle unterscheiden:
1. Im Inneren des Innenleiters (R ≤ Ri)
2. Im Luftraum zwischen Innen- und Außenleiter (Ri ≤ R ≤ Ra)
3. Im Inneren des Außenleiters (Ra ≤ R ≤ R0)
4. Jenseits des Außenleiters (R ≥ R0)
Für die weitere Berechnung wird noch die Stromdichte Ji im Innenleiter und die Strom-dichte Ja im Außenleiter benötigt. Die Stromdichten ergeben sich einfach als Quotient derStromstärke und der Fläche, auf dem sich der Strom gleichmäßig verteilt.
Ji =I
πR2i
(B.81)
Ja =I
πR20 − πR2
a
(B.82)
1. Berechnung des Feldes im Innenleiter (R ≤ Ri):
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 82
Das Durchflutungsgesetz lautet für den Gleichstromfall (∂/∂t = 0)∮C(A)
~H · d~s =
∫∫A
(~J +
∂ ~D
∂t︸︷︷︸=0
)· d ~A . (B.83)
Hieraus folgt wegen d~f = ~ez und ~J = Ji~ez = const.:
Hϕ2πR = πR2Ji (B.84)
schließlich
Hϕ =JiR
2=
IR
2πR2i
für R ≤ Ri (B.85)
2. Luftraum zwischen Innen- und Außenleiter (Ri ≤ R ≤ Ra):
Aus dem Durchflutungsgesetz folgt:
Hϕ2πR = I (B.86)
schließlich
Hϕ =I
2πR=JiR
2i
2Rfür Ri ≤ R ≤ Ra (B.87)
3. Im Bereich des Außenleiters (Ra ≤ R ≤ R0):
Aus dem Durchflutungsgesetz folgt:
Hϕ2πR = I −2π∫0
R∫Ra
~Ja · d~fz mit d~fz = RdϕdR~ez (B.88)
= I − Ja2πR∫
Ra
RdR (B.89)
= I − Ja2π[
1
2R2
]RRa
(B.90)
= I − Ja2π[
1
2R2 − 1
2R2a
](B.91)
= I − I
πR20 − πR2
a
(πR2 − πR2
a
)(B.92)
schließlich
Hϕ =I
2πR
(1− R2 −R2
a
R20 −R2
a
)für Ra ≤ R ≤ R0 (B.93)
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 83
An den Grenzen ergibt sich
R = R0 → Hϕ = 0 (B.94)
R = Ra → Hϕ =I
2πRa
. (B.95)
4. Im Außenbereich (R ≥ R0):
Aus dem Durchflutungsgesetz folgt:
Hϕ2πR = 0 (B.96)
Somit:
Hϕ = 0 für R ≥ R0 (B.97)
Fügt man die Lösungen für die vier Bereiche zusammen, so ergibt sich in Abhängigkeitder radialen Variable R der in Bild B.12 gezeigte Verlauf für die ϕ-Komponente des ma-gnetisches Feldes. Die rote Kurve stellt die oben berechnete analytische Lösung dar. Dieblaue Kurve stelle eine numerische Näherungslösung dar.
Abbildung B.12: Magnetische Feldstärke Hϕ als Funktion des Abstandes R von der z-Achse.
Das numerische Modell wurde mit dem 3D-Simulationsprogramm Microwave Studioder Firma CST berechnet. Bild B.13 zeigt zusätzlich noch die Leiteranordnung im Modellund die magnetische Feldverteilung in einer transversalen Ebene. Die leichten Abweichun-gen ergeben sich durch numerische Ungenauigkeiten, so wie durch die Approximation derzylindrischen Flächen durch eckige Volumenelemente.
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 84
Abbildung B.13: Numerisches Modell (oben), Vektorplot des magnetisches Feldes (Mitte)und Contourplot des magnetisches Feldes (unten).
B.8 Selbst- und Gegeninduktivität von zwei Zylinder-spulen
Gegeben seien zwei sehr lange koaxiale Zylinderspulen (l1 >> R1 und l2 >> R2) mit denWindungszahlen n1 bzw. n2. In Spule 1 fließe der Strom I1 und in Spule 2 der Strom I2.Die Anordnung ist in Bild B.14 dargestellt.
a) Berechnen Sie die gesamte magnetische Feldenergie unter der Annahme, dass dasFeld im Inneren einer langgestreckten Spule konstant ist und außerhalb der Spuleverschwindet (Ha = 0).
b) Berechnen Sie die Selbstinduktionskoeffizienten L1 und L2 so wie den Gegeninduk-tionskoeffizient M .
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 85
Abbildung B.14: Koaxiale Zylinderspulen.
Die magnetische Feldstärke im Innern einer langgestreckten Zylinderspule wurde be-reits mit dem Durchflutungsgesetz ermittelt und lautet:
Hi =nI
l. (B.98)
Die Gesamtenergie berechnet sich allgemein aus dem Volumenintegral über die magneti-sche Energiedichte:
Wges =
∫∫∫V
wm dv (B.99)
=
∫∫∫V
1
2µ0~H · ~H dv (B.100)
In der Aufgabe ergibt sich das zu berücksichtigende magnetische Feld durch die Überlage-rung der Einzelfelder ~H1 und ~H2 der Spulen. Im Inneren von Spule 1 ist das magnetischeFeld
~H ′1 = ~H1 + ~H2 (B.101)
und im Inneren von Spule 1
~H ′2 = ~H2 . (B.102)
Die Feldverteilung ist in Bild B.15 schematisch dargestellt.Bei der Auswertung der Volumenintegrale benötigen wir einmal das Volumen der Spu-
le 1:
V1 = πR21l1 (B.103)
sowie das Volumen der Spule 2 vermindert um das Volumen der Spule 1
V ′2 = πR22l2 − πR2
1l1 . (B.104)
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 86
Abbildung B.15: Koaxiale Zylinderspulen.
Die Gesamtenergie berechnet sich dann zu:
Wges =
∫∫∫V ′2
1
2µ0~H2 · ~H2 dv
+
∫∫∫V1
1
2µ0
(~H1 + ~H2
)·(~H1 + ~H2
)dv (B.105)
=1
2µ0
(n2I2l2
)2
V ′2
+1
2µ0V1
(~H1 · ~H1︸ ︷︷ ︸(n1I1l1
)2
+ 2 ~H1 · ~H2︸ ︷︷ ︸2n1n2I1I2l1l2
+ ~H2 · ~H2︸ ︷︷ ︸(n2I2l2
)2
)
=1
2µ0
(n2I2l2
)2
πR22l2 −
1
2µ0
(n2I2l2
)2
πR21l1
+1
2µ0
(n1I1l1
)2
πR21l1 +
1
2µ02
n1n2I1I2l1l2
πR21l1
+1
2µ0
(n2I2l2
)2
πR21l1 (B.106)
=1
2µ0
(n2
l2
)2
πR22l2︸ ︷︷ ︸
L2
I22 +1
2µ0
(n1
l1
)2
πR21l1︸ ︷︷ ︸
L1
I21
+ µ0n1n2
l1l2πR2
1l1︸ ︷︷ ︸M
I1I2 (B.107)
Aus dem Vergleich mit
W =1
2L1I
21 +MI1I2 +
1
2L2I
22 (B.108)
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 87
aus Kapitel 4.2.3 ergeben sich die gesuchten Größen zu
L1 = µ0πR21
n21
l1(B.109)
L2 = µ0πR22
n22
l2(B.110)
M = µ0πR21
n1n2
l2. (B.111)
B.9 InduktionsgesetzIn einem unendlich langen, geraden, dünnen Draht fließt ein Wechselstrom I(t) =I0 sin (ωt) auf der y-Achse. Im Abstand x0 vom Draht befinde sich eine rechteckförmi-ge Leiterschleife in der xy-Ebene (siehe Bild B.16), die an einer Seite geöffnet ist.
Abbildung B.16: Lage der Leiterschleife.
Berechnen Sie mit Hilfe des Induktionsgesetzes die in der Leiterschleife induzierte Span-nung Uind.
Zunächst einmal erzeugt der Strom im Leiter auf der y-Achse ein zeitabhängiges ma-gnetisches Feld, dessen Betrag mit 1/R abnimmt (R ist der Abstand zum Draht).∣∣∣ ~H(t)
∣∣∣ =I(t)
2πR=I0 sin (ωt)
2πR(B.112)
Unter Berücksichtung des Vorzeichens und der Lage ergibt sich:
~H =I0 sin (ωt)
2πx(−~ez) . (B.113)
Das Induktionsgesetz lautet: ∮C(A)
~E · d~s = − d
dt
∫∫A
~B · d ~A . (B.114)
ANHANG B. ÜBUNGSAUFGABEN 88
Die linke Seite des Induktionsgesetzes liefert genau die induzierte Spannung, wenn als In-tegrationsweg die geschlossene Leiterschleife gewählt wird. Geht man von einem idealenLeitermaterial aus, so liefert nur der Spannungsabfall über der Öffnung im der Leiter-schleife einen Beitrag zum Integral, da das elektrische Feld im Leiter verschwindet. Somitist die linke Seite gleich der gesuchten induzierten Spannung (siehe Bild B.17):
Uind =
∮C(A)
~E · d~s . (B.115)
Der Umlaufsinn ist so gewählt, dass die Flächennormale ebenso wie das magnetische Feldin negative z-Richtung weist.
Abbildung B.17: Induzierte Spannung.
Daraus folgt, dass zur Bestimmung der induzierten Spannung nun also das Flächenin-tegral auszuwerten ist:
Uind = − d
dt
∫∫A
µ0~H · d ~A (B.116)
= − d
dt
x0+b∫x0
a/2∫−a/2
µ0H dy dx (B.117)
= − d
dt
x0+b∫x0
a/2∫−a/2
µ0I0sin
(ωt)2πx dy dx (B.118)
= −I0µ0
2πad
dtsin(ωt)︸ ︷︷ ︸
ω cos(ωt)
x0+b∫x0
1
xdx
︸ ︷︷ ︸lnx∣∣∣x0+bx0
(B.119)
= −I0µ0
2πa ln
(x0 + b
x0
)ω cos(ωt) . (B.120)
Literaturverzeichnis
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[2] Adolf Schwab. Begriffswelt der Feldtheorie, Springer Verlag, 1996
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[5] Ingo Wolff. Grundlagen und Anwendungen der Maxwellschen Theorie, Springer Ver-lag, 1997
[6] Pascal Leuchtmann. Einführung in die elektromagnetische Feldtheorie, Pearson Stu-dium, 2005
[7] Nathan Ida. Engineering Electromagnetics, Springer Verlag, 2004
[8] John Kraus, Daniel Fleisch. Electromagnetics with applications, McGraw Hill, 1999
[9] Daniel Fleisch. A Student’s Guide to Maxwell’s Equations, Cambridge UniversityPress, 2011
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