THE IDIOT 01

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MAGAZINE

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MAGAZINE No1

LEt’sstIck

toGEthEr

stOckBlind

Carlos r. Fuentes

lebt und arbeitet am Rande einer kleinen Ortschaft

auf einer kanarischen Insel, die nicht näher benannt

werden möchte. Hier führt er in dritter Generation

die wohl letzte Stock-Manufaktur Europas. Noch vor

30 Jahren konnte man sich bei manchem Stöckchen

am Wegesrand sicher sein, dass es aus den kreativen

Händen von »Fuentes Sticks & Sons« stammte.

Doch spätestens, seit dem massengefertigte Stöcke

die Welt erobert haben, sind Fuentes‘ Einzelstücke

zu begehrten Sammlerobjekten geworden.

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Herr Fuentes, was macht den Unterschied

zwischen einem Stock und einem Stock?

Das Geheimnis liegt im richtigen Verhältnis zwi­

schen der inneren Geometrie eines zu werdenden

stöckchens und dem kontrollierten Maß an chaos,

das zur äußeren Form führt. Ein stock in meinem

sinne ist in seiner Erscheinung so selbstverständ­

lich, das er keiner weiteren Erklärung bedarf.

Benutzen Sie so eine Art geheimes Formelbuch?

Nein. Ich vertraue auf meine Intuition und das

talent, das mir mein Großvater und Vater vererbt

und ich an meine töchter und söhne weiterge­

geben habe. Es gibt keine regularien, mit der

Ausnahme, dass am Ende ein Fuentes­stock

dabei heraus kommt.

Sind Sie von Stöcken besessen?

Ich denke an nichts anderes. Ein neuer stock ist

wie ein neues Familienmitglied. Er wächst von der

ersten Idee über die konstruktionsphase bis zur

endgültigen Fertigstellung in unserer Familie auf

und zieht dann – in den meisten Fällen – in die

Welt hinaus. Es gibt kein Familienessen, an dem

nicht einer von uns eine skizze hervorholt oder

gleich auf der serviette eine neue Idee aufzeichnet.

Damit haben wir schon so manchen Gast verstört.

(Lacht) stöcke sind unser Lebensinhalt.

Wieviele Stöcke haben die Manufaktur seit

ihrer Gründung verlassen?

Jeder stock erhält eine seriennummer und

wird genau katalogisiert. Ich glaube, wir sind vor

kurzem im 6­stelligen Bereich angelangt. Aber

nicht jeder Stock findet gleich seinen Abnehmer.

Mein schwager führt die Bücher.

Ich habe keine Ahnung.

Haben Sie schon einmal daran gedacht,

einen Stock in Serie zu fertigen?

Nein. Dieser Gedanke ist uns fremd. Er wider­

spricht der sache selbst. Das überlassen wir

den chilenen.

Ist Chile für Sie eine ernstzunehmende Konkurrenz?

Unsere Abnehmer und Sammler finden sich auf

der ganzen Welt und durch alle Gesellschafts­

schichten verteilt – vom Gemüseverkäufer bis

zum scheich. sie alle wissen, was sie an unseren

stöcken haben und sind uns zum teil seit Genera­

tionen treu. Mit vielen sind wir eng befreundet

und halten fest zusammen gegen das sinnlose

reproduzieren einer standardisierten Form.

Das bereitet den Menschen Freude und hält

uns am Leben.

Da ich auch im Besitz einiger Ihrer Stöcke bin

möchte ich Sie fragen: darf ich Sie Carlos nennen?

Aber sicher, mein Freund. (Er prostet mir zu).

Carlos, was wäre die Welt ohne Stöcke?

Ein unbewohnter Planet.

Das Gespräch führte Hannes Schinder

im Oktober 2013 am Rande einer Ortschaft

auf einer kanarischen Insel, die nicht näher

benannt werden möchte.

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Konzept/Idee/Text/Artwork/Publishing:

Thomas Malzkorn

Assistenz:

Cria Malzkorn