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Entwicklung der Stromerzeugung in Europa von 2007 bis 2030
Ein Expertenausblickdes VDMA Power Systems
Power Systems
Strommix in der EU27
Die Strukturen sowohl in der herstellenden In -
dustrie, als auch auf der Kundenseite haben sich
in den letzten Jahren dramatisch gewandelt.
Gerade das starke Engagement der Energiever-
sorger im Bereich der erneuerbaren Energien und
die zunehmende Diversifizierung der Technolo-
gieanbieter sowie der erhebliche Ressourcen-
und Entwicklungsbedarf zeigen, dass heute eine
sachliche und ideologiefreie Diskussion geboten
ist. Alle Beteiligten haben ein großes Interesse
an einer sachlichen Diskussion, die mit diesem
Ausblick unterstützt werden soll.
Dieser Ausblick zeigt zudem auf, wie die politi-
schen Zielsetzungen und Rahmenbedingungen
sinnvoll zu erreichen und umzusetzen sind. Er
verdeutlicht aber auch, wo im politischen Raum
Handlungsbedarf besteht, um der Wirtschaft
und Umwelt gleichermaßen die Zielerreichung
zu ermöglichen.
Die Industrie macht mit diesem Ausblick ein
Angebot an die Politik, gemeinsam in der euro-
päischen Gesellschaft für einen realistischen
Strommix zu werben, um die notwendigen
Strukturänderungen und Neubauprojekte zeit -
gerecht umsetzen zu können.
Ziel ist es, diesen Ausblick zukünftig regelmäßig
zu aktualisieren und damit auch einen kontinu-
ierlichen Beitrag zur öffentlichen und politischen
Diskussion zu leisten.
Die Anzahl von Studien über die erwartete Ent-
wicklung des Stromverbrauchs und die Nutzung
der verschiedenen Primärenergieträger sowie
Energietechnologien ist in den letzten Jahren
unüberschaubar geworden.
Was jedoch fehlt, ist eine gemeinsame Perspekti-
ve von Herstellern aller Stromerzeugungstechno-
logien. Also jenen, die die notwendigen Anlagen
für die Stromwirtschaft entwickeln und liefern
werden. Nur wenn diese Gruppe aus den kom-
menden politischen Energierahmenbedingungen
klare Geschäftsmodelle ableiten kann, also mit
einer Akzeptanz bei ihren Kunden rechnen und
gleichzeitig sinnvolle wirtschaftliche Rahmen -
bedingungen für die eigene Forschung und
Entwicklung sehen kann, verbessern sich die
Chancen, dass politisch entwickelte Konzepte
auch realisiert werden.
Dieser Ausblick über die Entwicklung der Strom-
erzeugung in Europa basiert auf einer von
Experten des VDMA und dessen Mitglieds unter -
nehmen durchgeführten Betrachtung für die
EU 27 über den Zeitraum 2007 bis 2030.
Die auf dem Kyoto-Prozess basierenden und
fortgeschriebenen Ziele der Europäischen Union
zur Verringerung der Treibhausgasemissionen
sowie die bereits beschlossenen europäischen
und nationalstaatlichen Ausbaupläne, insbeson-
dere für die erneuerbaren Energien, erfordern
zwingend eine Neustrukturierung der Stromver-
sorgung in Europa. Daran hat auch der Verlauf
der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen im
Dezember 2009 nichts geändert. Diese Neustruk-
turierung muss kontinuierlich, nachhaltig und
ideologiefrei über einen längeren Zeitraum erfol-
gen. Umwelt und Wirtschaft sind gleichermaßen
darauf angewiesen, dass Fehlentwicklungen auf-
grund kurzsichtiger, einseitiger Entscheidungen
vermieden werden. Ein plötzlicher Verzicht auf
bestimmte Primärenergieträger oder Energie-
technologien wäre ökonomisch schädlich und
ökologisch riskant.
Vorwort
Christof von Branconi Thorsten HerdanVorstandsvorsitzender Geschäftsführer
Inhalt
2 STROMMIX IN DER EU27
Vorwort 1
1 Zusammenfassung 3
2 Detailbetrachtung 6
2.1 Strombedarfsentwicklung in Europa 6
2.2 Die Entwicklung im europäischen Strommix 6
2.3 Neubau- und Ersatzbedarf in Europa 10
2.3.1 Neubau- und Ersatzbedarf von Kohle- und Gaskraftwerken in Europa 10
2.3.2 Neubau- und Ersatzbedarf von Windenergieanlagen in Europa 11
2.3.3 Neubau- und Ersatzbedarf von Wasserkraftanlagen in Europa 11
2.3.4 Neubau- und Ersatzbedarf von Kernkraftwerken in Europa 11
2.3.5 Entwicklung der dezentralen Stromerzeugung 12
2.3.6 Entwicklung der Solarenergie 12
2.3.7 Entwicklung der Bioenergienutzung 12
2.4 Treibhausgasemissionen 13
2.5 Infrastruktur 14
2.5.1 Netzaus- und -umbau 14
2.5.2 Speicherausbau 14
2.5.3 Konzept einer CO2-Infrastruktur 15
2.6 Rahmenbedingungen für Investitionen 15
3 Verfahren, Prämissen und Quellen 16
3.1 Prämissen 17
3.2 Quellen 19
Inhalt
STROMMIX IN DER EU27 3
Dieser Ausblick macht deutlich, dass zur
Deckung des Strombedarfs sowie zur Erreichung
der Klimaschutzziele in Europa auch weiterhin
alle verfügbaren Energieträger und Energietech-
nologien benötigt werden. Auch wenn vor dem
Hintergrund der derzeitigen Finanz- und Wirt-
schaftskrise die Zuwächse bei der Bruttostrom -
erzeugung geringer ausfallen werden als vor
der Krise angenommen, müssen langfristig alle
Optionen der Stromerzeugung genutzt werden.
Europa kann auf keinen einzelnen Energieträger
verzichten, wenn die eigenen energie- und
umweltpolitischen Ziele erfüllt und gleichzeitig
eine ausreichende Versorgungssicherheit
gewährleistet werden soll. Der notwendige Ener-
giemix wird sich aber deutlich verändern.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist zu -
nächst im Wesentlichen durch die Windenergie
gekennzeichnet. Hierbei wurde auch berücksich-
tigt, dass in der nächsten Dekade Windenergie-
anlagen der ersten Generation das Ende ihrer
Lebensdauer erreichen und neben dem Neubau
von Windkapazitäten der Ersatzbedarf, das so -
genannte Repowering, eine zunehmende Rolle
spielen wird. In der zweiten Hälfte des Betrach-
tungszeitraums, also in den Jahren 2020 bis
2030, wird ein deutlich verstärkter Ausbau der
Solarenergie sowohl bei der Photovoltaik als
auch bei solarthermischen Kraftwerken erwartet.
In 2030 wird der europäische Strombedarf zu
rund 48 % durch erneuerbare Energien, zu rund
33 % durch fossile Energien und zu rund 19 %
durch Kernenergie gedeckt werden.
1 Zusammenfassung
Sowohl die Klimaschutzziele als auch die zur
Erhaltung der Versorgungssicherheit notwendi-
gen Back-up-Kapazitäten werden Neu- und
Ersatzinvestitionen in zentrale und dezentrale
Gas-, aber auch in Kohle- und Kernkraftwerke
sowie Pumpspeicherkraftwerke erfordern. Diese
Kraftwerke werden aufgrund des starken Aus-
baus der erneuerbaren Energien im Betrieb aber
deutlich höheren Ansprüchen an die Flexibilität
genügen müssen.
Der Trend zu dezentralen Energieumwandlungs-
anlagen wird anhalten. Dies wird zusätzliche
Flexibilität ermöglichen, aber auch neue Anfor-
derungen an die Netzinfrastruktur stellen.
Dieser Ausblick zeigt, dass bei einer klaren Prio -
rität für den Ausbau der erneuerbaren Energien
sowie unter Nutzung der realistisch zur Verfü-
gung stehenden Herstellerkapazitäten der
Stromsektor einen großen Anteil leisten kann,
um die Klimaschutzziele der Europäischen Union
bis 2020 und bis 2030 zu erreichen. Gleichzeitig
sind die europäischen Ziele für den Ausbau der
erneuerbaren Energien sowohl unter Berücksich-
tigung der Herstellerkapazitäten als auch –
soweit heute absehbar – unter Berücksichtigung
des Kapitalmarkts erreichbar, wenn die politi-
schen Rahmenbedingungen richtig gesetzt sind.
4 STROMMIX IN DER EU27
Diese ambitionierte Entwicklung ist jedoch nur
dann möglich, wenn parallel zum Ausbau der
erneuerbaren Energien sowie zum Ersatz kon ven -
tioneller Kraftwerke auch neue Speichermöglich-
keiten für fluktuierenden Strom erschlossen wer-
den, der Netzumbau entschlossen vorangetrieben
wird, Genehmigungsverfahren beschleunigt wer-
den und die Energieeffizienz in den europäischen
Volkswirtschaften gesteigert wird. Nur so kann
die Versorgungs sicherheit in der europäischen
Stromversorgung auch dauerhaft gewährleistet
werden.
Im beschriebenen Zeitrahmen werden ungefähr
800 Gigawatt (GW) Neu- und Ersatzkapazitäten
gebaut werden müssen. Dies bedeutet ein
Investitionsvolumen von deutlich über 1000
Milliarden Euro.
Die Stromerzeugungskapazitäten und die
Stromproduktion werden sich bis 2030 wie folgt
entwickeln:
Anteile fossile Energieträger
2007 2020 2030 Jahr
Kapazität Produktion
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
An
teil
Anteile Nuklearenergie
2007 2020 2030 Jahr
Kapazität Produktion
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
An
teil
STROMMIX IN DER EU27 5
Die vorgelegte Betrachtung zeigt auch, dass der von
den Energieversorgern eingeschlagene Weg zu einer
CO2-armen Stromproduktion in 2050 [1] realistisch
scheint. Es sind aber weitere Technologieschübe
erforderlich. Neben den notwendigen Energiespei-
chern wird dies auch der Einsatz der Kohlendioxid-
Abscheidung und -Lagerung sein müssen.
Letztlich werden die energiepolitischen Rahmen -
bedingungen in den europäischen Mitgliedsstaaten,
aber auch der von der EU vorgegebene Rechts -
rahmen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung
des Strommixes ausüben. Die energiepolitischen
Rahmenbedingungen in der EU müssen konsistent
ausgestaltet werden. Die Ziele der Energiepolitik
müssen daher zwischen der EU und ihren Mit -
gliedsstaaten abgestimmt werden. Was auf Ebene
der Mitgliedsstaaten mit gleichem Ergebnis
geregelt und entschieden werden kann, soll
letztlich in deren Kompetenz verbleiben. So bleibt
der Wettbewerb der Mitgliedsstaaten um ver-
schiedene Energiekonzepte und -technologien
erhalten. Daneben wird den gewachsenen
Strukturen, der geographischen Lage und den
geopolitischen Interessen einzelner EU-Mit -
gliedsstaaten Rechnung getragen.
Anteile erneuerbare Energie
2007 2020 2030 Jahr
Kapazität Produktion
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
An
teil
2.2 Die Entwicklung im europäischen Strommix
In den kommenden Jahren wird ein tiefgreifen-
der Umbau der Stromerzeugungskapazitäten
stattfinden. Wesentlich geprägt wird dieser
Umbau von dem europaweit deutlichen Ausbau
der erneuerbaren Energien, wesentlich getrieben
durch das Wachstum der Windenergie. Sowohl
die Kostenentwicklung auf der Komponenten -
seite als auch die wachsende Verbreitung in
den sonnenreichen Regionen Europas werden
zu einem wachsenden Anteil der Solarenergie
führen.
In 2030 wird dieser auch einen relevanten Anteil
an solarthermischen Kraftwerken beinhalten, es
wird aber noch nicht mit einem Beitrag des soge-
nannten Wüstenstroms aus Nordafrika gerech-
net. Deutlich wird aber auch, dass in 2030 mehr
als die Hälfte des Strombedarfes aus konventio-
nellen Kraftwerken bereitgestellt werden wird.
Damit spielen die Primärenergieträger wie Kohle,
Gas und Kernenergie weiterhin eine bedeutende
Rolle.
6 STROMMIX IN DER EU27
2 Detailbetrachtung
2.1 Strombedarfsentwicklung in Europa
Basis für die angenommene Strombedarfsent-
wicklung ist die Kurzexpertise „Stromtrend
EU 27“ der prognos AG [2]. Das dort ermittelte
Nachfragevolumen wurde um Verlustfaktoren
und Kraftwerkseigenverbräuche ergänzt. Dem-
nach wird sich die Bruttostromerzeugung in
Europa wie folgt entwickeln müssen, um den
Strombedarf zu decken:
Bis 2030 wird der Strombedarf um 13 % steigen.
Der bis 2020 mit durchschnittlich jährlich 0,8 %
steigende Strombedarf in Europa wird in der
folgenden Dekade nur noch schwach zunehmen.
Der jährliche Zuwachs wird hier nur noch bei
0,15 % liegen und kann im Rahmen der Progno-
seunsicherheiten als nahezu konstant angenom-
men werden.
Jahr 2007 2020 2030
TWh 3306 3655 3736
Strombedarfsentwicklung in Europa
STROMMIX IN DER EU27 7
Nuklear 929 28 % 754 21 % 715 19 %
Braunkohle 365 11 % 372 10 % 285 8 %Steinkohle 642 19 % 405 11 % 248 6,5 %Gas 652 20 % 710 19 % 465 12 %Gas dezentral 105 3 % 102 3 % 151 4 %Öl 31 1 % 64 2 % 32 1 %Diesel dezentral 63 2 % 59 1,5 % 54 1,5 %Summe fossiler Kraftwerke 1.858 56 % 1.712 46,5 % 1.235 33 %
Wasser 296 9 % 375 10 % 432 12 %Wind 119 3,5 % 536 15 % 872 23 %Solar 4 < 0,5 % 78 2 % 182 5 %Flüssige Biokraftstoffe 7 < 0,5 % 26 1 % 51 1,5 %Biogas dezentral 12 0,5 % 59 1,5 % 90 2,5 %Andere Erneuerbare 74 2 % 108 3 % 151 4 %Summe erneuerbarer Kraftwerke 512 16 % 1.181 32,5 % 1.778 48 %
Import-/Exportsaldo 8 0,2 % 8 0,2 % 8 0,2 %
Gesamt 3.306 3.655 3736
Kraftwerkstyp 2007 2020 2030TWh Anteil TWh Anteil TWh Anteil
Stromproduktion 2007 – 20301
1 Einzelwerte gerundet
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
203020202007
Jahr
TWh
Im/Exportsaldo
Andere Erneuerbare
Biogas dezentral
Flüssige Biokraftstoffe
Solar
Wind
Wasser
Diesel dezentral
Öl
Gas dezentral
Gas
Braunkohle
Steinkohle
Nuklear
Stromproduktion 2007 – 2030
Anteile Stromproduktion und Stromerzeugungskapazitäten 2007 – 2030
8 STROMMIX IN DER EU27
Nuklear 133.005 17 % 116.000 12 % 110.000 11 %
Braunkohle 60.456 8 % 60.000 6,5 % 50.000 5 %Steinkohle 141.934 18 % 90.000 9,5 % 55.000 5 %Gas 177.099 23 % 200.000 21 % 155.000 15 %Gas dezentral 15.000 2 % 17.000 2 % 27.500 2,5 %Öl 63.654 8 % 40.000 4 % 20.000 2 %Diesel dezentral 9.000 1 % 9.000 1 % 9.000 1 %Summe fossiler Kraftwerke 467.143 60 % 416.000 44 % 316.500 30,5 %
Wasser 101.202 13 % 125.000 13 % 144.000 14 %Wind 56.500 7 % 195.000 20 % 280.000 27 %Solar 4.730 0,5 % 65.000 7 % 133.000 12 %Flüssige Biokraftstoffe 1.000 < 0,5 % 4.000 0,5 % 8.500 1 %Biogas dezentral 2.000 < 0,5 % 9.000 1 % 15.000 1,5 %Andere Erneuerbare 13.341 2 % 25.000 2,5 % 35.000 3%Summe erneuerbarer Kraftwerke 178.773 23 % 423.000 44 % 612.500 58,5 %
Summe 778.921 955.000 1.039.000
Kraftwerkstyp 2007 2020 2030MW Anteil MW Anteil MW Anteil
Stromerzeugungskapazitäten 2007 – 20302
2 Einzelwerte gerundet
0
200.000
400.000
600.000
800.000
1.000.000
1.200.000
030202027002
Jahr
MW
Andere Erneuerbare
Biogas dezentral
Flüssige Biokraftstoffe
Solar
Wind
Wasser
Diesel dezentral
Öl
Gas dezentral
Gas
Braunkohle
Steinkohle
Nuklear
Stromerzeugungskapazitäten 2007 – 2030
STROMMIX IN DER EU27 9
Durch die zunehmende Einspeisung von Strom
aus fluktuierenden erneuerbaren Energien muss
der gesamte Kraftwerkspark an Flexibilität
gewinnen. Die sogenannte gesicherte Leistung
der erneuerbaren Erzeugung, also derjenigen
Leistung, die im Verbund aller erneuerbaren
Kapazitäten sicher zur Verfügung steht, wird
bis 2030 auf etwa 35 %3 der installierten
Kapazitäten steigen müssen.
Neben dem erheblichen Beitrag, den insbe -
sondere größere dezentrale Anlagen wie
Gasmotoren und -turbinen leisten, werden
zukünftige konventionelle Kraftwerke weit
höhere Flexibilität aufweisen müssen. Dass
dies erreichbar ist, zeigt sich bereits bei den
aktuellen Kraftwerksprojekten.
3 In der von der deutschen Energieagentur (dena) koordinierten Studie „dena Netzstudie I“ [3] sowie der von Tradewinderstellten Studie „Integrating Wind“ [4] werden Leistungsfaktoren für die gesicherte Leistung für die erneuerbarenEnergien ermittelt. Danach würde sich in 2030 ein Leistungsfaktor von rund 25 % der installierten Kapazitäten erge-ben. Dabei ist die Technologieentwicklung in den kommenden 20 Jahren, die europaweit ausgleichende Wirkung der erneuerbaren Energien in optimierten Netzen sowie die verstärkte Nutzung der stabiler zur Verfügung stehenden Offshore-Windenergie und der Solarthermie nicht berücksichtigt. Dies wird einen erheblichen Teil der zusätzlich benötigten gesicherten Leistung bereitstellen. Der dann noch fehlende Anteil zur gesicherten Leistung von 35 % wird durch den Ausbau von Speicherkapazitäten abgedeckt werden müssen.
10 STROMMIX IN DER EU27
2.3 Neubau- und Ersatzbedarf in Europa
Etwa 800 GW Kraftwerkskapazität werden in den
betrachteten 23 Jahren (2008 – 2030) errichtet
werden müssen. Den wesentlichen Anteil hieran
werden die erneuerbaren Energietechnologien
darstellen. Aber rund ein Drittel der neu zu
bauenden Kapazitäten wird auf konventionelle
Kraftwerke entfallen.
Die Umgestaltung und Modernisierung des
Kraftwerksparks wird erhebliche Investitionen
erfordern. Auch wenn Kostenentwicklungen
über den genannten Zeitraum nur beschränkt
vorhersehbar sind, wird das Investitionsvolumen
in neue Kraftwerke 1000 Milliarden Euro deutlich
überschreiten. Zusätzlich sind weitere erhebliche
Investitionen in die Infrastruktur (z. B. Netze und
Speicher) notwendig. Die durch die Umgestal-
tung und Modernisierung des Kraftwerksparks
entstehenden Einsparungen, u. a. durch vermie-
dene Kosten für fossile Brennstoffe oder nicht
benötigte CO2-Zertifikate, werden in den Folge-
jahren die monetäre Bilanz verbessern.
2.3.1 Neubau- und Ersatzbedarf
von Kohle- und Gaskraftwerken in Europa
Der zwingend erforderliche Neubau- und Ersatz-
bedarf im Bereich der fossilen Energien ergibt
sich aus
a. einer erkennbaren Überalterung des Kraft-
werksparks, die ohne Ersatz eine deutliche
Reduktion des CO2-Ausstoßes verhindern
würde. Neben noch immer bestehenden
großen Effizienzdefiziten in Osteuropa stellt
der überalterte Kraftwerkspark in Ländern
wie z. B. Großbritannien und Deutschland
eine große Herausforderung dar.
b. der Notwendigkeit, fluktuierenden erneuerba-
ren Energien flexibel einsetzbare Kapazitäten
zur Seite zu stellen. Diese Fragestellung ist
bereits heute ein wesentlicher Treiber für den
Ausbau gasbefeuerter Erzeugungskapazitäten,
insbesondere von Turbinen- und Motorenan -
lagen mit guten Schnellstart-Eigenschaften.
Die Verstromung von Braunkohle wurde vor dem
Hintergrund der guten Verfügbarkeit und der
damit verbundenen geringen Brennstoffkosten,
aber auch der Klimaschutzanstrengungen beur-
teilt. Der Einsatz der Braunkohle nach 2020 wird
daher eng mit dem Einsatz der Technologie zur
Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid
(Carbon Capture and Storage, CCS) verknüpft
sein.
Neubedarf 2008 – 2030
Nuklear
fossile Kraftwerke
erneuerbare Energie Kraftwerke
STROMMIX IN DER EU27 11
2.3.2 Neubau- und Ersatzbedarf
bei Windenergieanlagen in Europa
Windenergie ist klar der Treiber für den Ausbau
der erneuerbaren Energien. Dabei werden sowohl
die noch großen Onshore-Potentiale erschlossen,
als auch der Ausbau der Offshore-Windenergie-
nutzung massiv vorangetrieben.
Deutliche Effizienz- und Kapazitätssteigerungen
wird auch der Ersatz von Windenergieanlagen
der ersten Generation bringen, da diese geringe
Leistungen aufweisen und häufig aufgrund
fehlender Regelbarkeit durch den Netzbetreiber
keinen Beitrag zur Netzstabilität leisten. Dieses
sogenannte Repowering führt neben der signifi-
kanten Verbesserung der Netzverträglichkeit zu
einer Verdoppelung der Kapazität und einer Ver-
dreifachung der Stromproduktion. Bis 2020 wird
rund ein Drittel der Herstellungskapazitäten für
das Repowering genutzt werden. In den folgen-
den zehn Jahren beträgt der Repowering-Anteil
bereits 45 %. Offshore-Windkraftanlagen und
moderne Onshore-Windenergieanlagen erreichen
längere wirtschaftliche Lebenszeiten als die der
ersten Generation.
2.3.3 Neubau- und Ersatzbedarf
von Wasserkraftanlagen in Europa
Dem Ausbau der Wasserkraftkapazitäten liegt in
hohem Maße die Modernisierung bestehender
Anlagen zugrunde. Diese Anlagen, ausgestattet
mit höherer Effizienz und zusätzlichen Kapazi -
täten, steigern merklich die Stromproduktion.
Zudem werden neue Kapazitäten insbesondere
in Osteuropa oder im Bereich der Klein-Wasser-
kraft zugebaut. Der Stromproduktionsanteil
von Wasserkraftanlagen wird somit bis 2030 die
10 %-Marke überspringen.
2.3.4 Neubau- und Ersatzbedarf
von Kernkraftwerken in Europa
Wie die aktuellen Neubauprojekte in Finnland
und Frankreich aber auch die Bauvorhaben in
Großbritannien und anderen EU-Staaten zeigen,
ist die Kernkraft auch für die zukünftige Strom -
erzeugung eine wichtige Option. Gerade auch im
Hinblick auf die ambitionierten Klimaschutzziele
wird die Kernkraft in der Mehrheit der EU-Mit-
gliedsstaaten als zukunftsfähig angesehen.
Altersbedingte Stilllegungen von Anlagen im
aktuellen Kraftwerkspark, aber auch der in die-
sem Ausblick aufgrund der Gesetzeslage noch
unverändert angenommene Kernenergieausstieg
in Deutschland werden jedoch durch die Neu-
bauprojekte nicht aufgewogen. Der Anteil der
Kernkraft am europäischen Strommix wird im
Betrachtungszeitraum abnehmen aber ein
wesentlicher Baustein der Stromversorgung
bleiben.
Die Ergebnisse der aktuellen Diskussion in
Deutschland um eine Verlängerung der Laufzei-
ten der Kernkraftwerke wurden nicht prognosti-
ziert und hatten somit keinen Einfluss auf die
Berechnungen. Dies wird Gegenstand einer spä-
teren Untersuchung sein.
12 STROMMIX IN DER EU27
2.3.5 Entwicklung der
dezentralen Stromerzeugung
Ein starker Treiber bei der Entwicklung der
dezentralen Stromerzeugung wird die Nutzung
der Biomasse sein. Gleichzeitig wird der Ausbau
der Kraft-Wärme-Kopplung sowohl für fossile
als auch für biogene Energieträger ein wichtiger
Baustein zur Steigerung der Stromerzeugung
aus Motoren- und Turbinenkraftwerken sein.
Der verstärkte Einsatz steuerbarer dezentraler
Motoren- und Turbinenanlagen auf Gas- oder
Dieselbasis wird Ausgleichs-Kapazitäten für die
steigende Menge der fluktuierenden Stromein-
speisung generieren. Gleichzeitig werden durch
den Ausbau der dezentralen Stromerzeugung
völlig neue Anforderungen an die Netzinfra -
struktur gestellt. Beispielsweise werden nicht
steuerbare dezentrale Anlagen (z. B. Solar) durch
fluktuierende Einspeisung in Verteiler netze
erhebliche Veränderungen zur Aufnahme der
zeitweise hohen Stromproduktion erfordern.
Zudem wird der Ausbau der Solarenergie – einer
im Wesentlichen dezentralen Stromerzeugungs-
form – den Anteil der dezentralen Stromerzeu-
gung deutlich erhöhen. Insbesondere die sinken-
den Kosten für Photovoltaikanlagen aber auch
Marktanreizprogramme in europäischen Län-
dern, die hier bisher nicht aktiv waren, werden
diesen Trend unterstützen.
2.3.6 Entwicklung der Solarenergie
Der Zubau von Solarenergie wird bis 2020 im
Wesentlichen von dem Ausbau der Photovoltaik
getrieben sein, bevor ab 2020 der Anteil der
solarthermischen Kraftwerke eine größere Rolle
spielen wird. Die Solarenergie ist diejenige
Stromerzeugungsform, die die höchste Diskre-
panz zwischen Stromerzeugungskapazität und
Stromproduktion aufweist. Dennoch wird durch
steigende Wirkungsgrade, den stärkeren Ausbau
in den südlichen Regionen Europas und auch
den zunehmenden Anteil der Solarthermie die
Ausnutzung der Solarenergie bis 2030 deutlich
steigen.
2.3.7 Entwicklung der Bioenergienutzung
Die Bioenergienutzung ist aufgrund ihrer Regel-
barkeit gekennzeichnet durch die Möglichkeit
der bedarfsgerechten Stromproduktion sowie
der Grundlastfähigkeit. Bioenergie lediglich zur
Stromproduktion einzusetzen, ist in der Regel
ineffizient. Daher wird sich der Zubau von Bio-
energie bei der Stromproduktion im Wesent li -
chen auf Kraftwerke konzentrieren, die zur Kraft-
Wärme-Kopplung geeignet sind. Zusätzlich wird
die Bioenergienutzung im Rahmen der Mitver -
brennung in konventionellen Kraftwerken sowie
bei der verstärkten Nutzung von Rest stoffen
eine Rolle spielen.
STROMMIX IN DER EU27 13
über 2005 erreichen. Diese Reduktionen lassen
sich durch CDM- und JI-Maßnahmen noch
weiter erhöhen.
Gleichzeitig zeigt die Berechnung aber auch,
dass das im Raum stehende weitergehende
Emissionsminderungsziel, die CO2-Emissionen
bis 2020 bereits um 30 % europaweit zu reduzie-
ren, ausgesprochen ambitioniert ist. Vorausset-
zung hierzu wären weitere Anstrengungen auf
Seiten der Energieeffizienz und CO2-Vermeidung
(in Erzeugung, Übertragung und Verbrauch) und
des Infrastrukturausbaus.
Auch der breite Einsatz von CCS stellt neben den
beschriebenen Optionen ein mögliches Potential
zur weiteren Emissionsminderung dar. Bei der
vorgestellten Betrachtung wird dieser Technolo-
gie ab 2020 ein verhalten wachsender Beitrag
zur Emissionsminderung in Europa zugeschrie-
ben. Voraussetzung hierfür ist neben der öffent -
lichen Akzeptanz und einer raschen Umsetzung
des europäischen CCS-Demonstrationspro-
gramms, eine schnelle Gesetzgebung in den
entsprechenden Mitgliedsstaaten.
2.4 Treibhausgasemissionen
Die Überprüfung der Erreichbarkeit der ener -
giepolitischen Zielvorgaben war ein zentrales
Anliegen des Expertenausblicks. Maßgebliches
politisches Ziel zum Zeitpunkt der Erstellung des
Expertenausblicks ist das sogenannte 20-20-20-
Ziel4 der Europäischen Union. Dieses Ziel sieht bis
2020 eine Reduzierung der Treibhausgas-Emis-
sionen um 20 % gegenüber 1990 vor. Von diesem
Ziel abgeleitet ergibt sich für die vom Emissions-
handel erfassten Industrien eine 21 %-ige Reduk-
tion gegenüber 2005. Die Emissionshandelsricht-
linie gibt für den Zeitraum bis 2030 eine Fort-
schreibung dieses Ziels auf etwa 34 % vor. Der
überwiegende Teil des Stromsektors ist ebenfalls
vom Emissionshandel erfasst. Obwohl es für
den Stromsektor kein „eigenes“ EU-weites CO2-
Minderungsziel gibt, so stellt sich die Industrie
dennoch dem Anspruch, die Ziele, die für alle
vom Emissionshandel erfassten Industrien
gelten, auch für den Stromsektor zu erreichen.
Der Expertenausblick stellt fest, dass mit dem
realistisch vorhergesagten Strommix in 2020
der Stromsektor die im Emissionshandel vorgese-
henen CO2-Ziele von 21 % nur unter Einbindung
der klimaschutz-politisch vorgesehenen CDM/JI5-
Maßnahmen oder durch den Zukauf von CO2-
Zertifikaten aus anderen Emissionshandelssekto-
ren erreichen wird. Ohne diese Maßnahmen
kann der Stromsektor bis 2020 Treibhausgasre-
duktionen von lediglich rund 15 % realisieren.
Da in den Jahren von 2020 bis 2030 verstärkt
emissionsarme Stromerzeugungstechnologien
zum Einsatz kommen, wird der Stromsektor bis
2030 CO2-Minderungen von rund 45 % gegen-
4 Mit dem sogenannten 20-20-20-Ziel will die EU erreichen, dass im Jahr 2020 erneuerbaren Energien einen Anteil von 20 % an der Energieversorgung haben, die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 20 % gesenkt werden und die Energieeffizienz um 20 % gesteigert wird.
5 CDM/JI: Clean Development Mechanism/Joint Implementation sind projektbasierte Möglichkeiten für den Kauf von Emissionszertifikaten.
14 STROMMIX IN DER EU27
Wesentlich wird eine engere Verbindung der
bisher national und zum Teil auch regional
strukturierten Netze sein. Nur dadurch kann im
europäischen Maßstab der notwendige Hand-
lungsspielraum erreicht werden.
Am anderen Ende der Größenskala, im Verteilnetz,
besteht die Herausforderung, die Netze und die
Anbindung von Verbrauchern und Erzeugung
kommunikationsfähig zu machen. Neben den
Infrastrukturmaßnahmen ist hier auch die kurzfri-
stige Definition europäischer Standards notwen-
dig. Die Hersteller von Erzeugungsanlagen und
stromverbrauchenden Endgeräten sind auf ein-
heitliche Schnittstellen angewiesen, um ein
Zusammenwirken von Verbrauchern, Speichern
und Erzeugungskapazitäten zu gestalten.
Die technologiespezifische Ausgestaltung des
Ausbaus dezentraler Energien wird für den Netz -
umbau wesentlich sein. Während fluktuierende
dezentrale und verbrauchsferne Einspeisung zu
einer Belastung der Verteilernetze führt, können
steuerbare flexible dezentrale Anlagen wie kleine
Gasturbinen- und Motorenanlagen das Netz
entlasten. Die intelligente Verknüpfung der Erzeu-
gungsanlagen muss Teil der Lösung sein.
2.5.2 Speicherausbau
Zusätzliche Pump- und Druckluftspeicherkraft-
werke werden einen Teil der notwendigen
Speicherkapazitäten darstellen. Darüber hinaus
ist aus heutiger Sicht eine Weiterentwicklung
nahezu aller denkbaren Speichermöglichkeiten
mit dem Ziel der bedarfsgerechten Einspeisung
notwendig. Elektromobilität wird hier ein zusätz-
licher Baustein sein. Wie bei Stromverbrauchern
im Haushalt besteht auch bei industriellen Anla-
gen wie Wärme- und Druckluftanlagen die Mög-
lichkeit, Stromaufnahme und Verbrauch zeitlich
zu entkoppeln, so dass sie zu einer angebotsorien-
tierten Stromabnahme beitragen können. Per-
spektivisch kommen auch Wasserstoff-Infrastruk-
turen als Speichermöglichkeit in Frage, wenn sie
mit effizienten Wandlungstechnologien wie z. B.
Brennstoffzellenanlagen verknüpft werden.
2.5 Infrastruktur
Die Betrachtung geht im Wesentlichen auf Ände-
rungen im Stromerzeugungsmix ein. Diese sind
nicht isoliert darstellbar. Die Entwicklung der
Stromerzeugung in Europa und die Erhaltung der
Versorgungssicherheit sind nur mit dem Ausbau
einer zukunftsfähigen Infrastruktur möglich.
Derzeit werden Planung und Neubau von Kraft-
werkskapazitäten unter anderem von wirtschaft-
lichen Faktoren, wie z. B. günstigen Anlandungs-
möglichkeiten für Kraftwerkssteinkohle, günstiger
Anbindung an Gaspipelines oder dem Ausbau
der Offshore-Windenergie bestimmt. Die Vertei-
lung der Last- und Verbrauchszentren spielt eine
untergeordnete Rolle. Dies hat zur Folge, dass
mit einer Erhöhung der durchschnittlichen Ent-
fernung zwischen Erzeugungs- und Last- bzw.
Verbrauchszentren zu rechnen ist. Zudem wer-
den insbesondere die Erzeugungskapazitäten
auf Basis erneuerbarer Energien nicht aus-
schließlich bedarfsgeführt Strom produzieren
können. Ebenso wie für neu zu bauende Kraft-
werke wird daher für die gesamte Infrastruktur
eine massive Steigerung der Flexibilität im
Mittelpunkt der Entwicklung stehen müssen.
Dies wird erhebliche Investitionen in Forschung
und Entwicklung neuer Kraftwerks-, Netz- und
Speicherkonzeptionen sowie deren Regelung
und Steuerung erfordern.
2.5.1 Netzaus- und -umbau
Bereits im politischen Raum etabliert ist das
Wissen um die notwendige Umgestaltung der
Stromnetze. Geographische Veränderungen,
die Anbindung von Speicherkapazitäten (s. 2.5.2),
die Verringerung von Verlusten sowie die Erhö-
hung der Flexibilität verdeutlichen den dringen-
den Handlungsbedarf.
STROMMIX IN DER EU27 15
• Schwierige Finanzierungsbedingungen in
Folge der Finanzkrise
• Unklarheit über zukünftige Netzinfrastruktu-
ren und Anbindungsmöglichkeiten für neue
Stromerzeugungskapzitäten
• Mangelnde öffentliche Akzeptanz von Neu-
bau- und Infrastrukturprojekten im Energie -
bereich. Aktuell gestalten sich praktisch alle
Neubauvorhaben schwierig, dies betrifft
sowohl fossile Kraftwerke als auch erneuer -
bare Energien wie Windenergieanlagen,
Biogas- und Geothermieanlagen, aber auch
Infrastrukturmaßnahmen wie z. B. den
dringend benötigten Stromleitungsbau und
zusätzliche Pumpspeicherkraftwerke
• Die vorhandenen Genehmigungsverfahren
führen zum Teil zu jahrelangen Projektver-
schiebungen. Dies ist bezogen auf den drin-
genden Handlungsbedarf kontraproduktiv
• Uneinheitliche politische Prioritäten bei den
EU-Mitgliedsstaaten
Ein prioritäres Ziel politischer Energiekonzepte
muss daher das Werben für die Veränderungs-
notwendigkeiten sowohl konzeptionell als auch
durch konkrete Projekte sein. Nur so kann es
gelingen, die dringend erforderlichen neuen
Kraftwerkskapazitäten und die entsprechenden
Infrastrukturen zeitlich aufeinander abgestimmt
zu schaffen. Politik und Wirtschaft müssen
gemeinsam für die notwendige öffentliche
Akzeptanz werben.
2.5.3 Konzept einer CO2-Infrastruktur
Europaweit wird zum Erreichen ambitionierter
Klimaschutzziele bei der Stromproduktion, aber
auch bei großen industriellen Emittenten wie der
Stahl- und Zementproduktion, die Abtrennung
und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) voraus-
sichtlich unverzichtbar werden. Spätestens nach
der Phase von regional errichteten Demonstra -
tionsanlagen wird sich die Frage nach einer
echten CO2-Infrastruktur stellen.
Nur wenn jetzt Konzepte und Strategien für eine
zukünftige CO2-Infrastruktur entwickelt werden,
also die Transporttrassen von Emittenten zu rele-
vanten Speicherstätten festgelegt werden, steht
diese Klimaschutzoption mittelfristig realistisch
zur Verfügung.
Dieser Aufgabe muss sich die Politik gemeinsam
mit Anlagenbetreibern, Herstellern und auch
Investoren stellen, um die notwendige öffentli-
che Akzeptanz zu schaffen.
2.6 Rahmenbedingungen für Investitionen
Das auf deutlich über 1000 Milliarden Euro
geschätzte notwendige Investitionsvolumen für
neue Kraftwerkskapazitäten stellt auch in einem
Energiemarkt wie Europa eine große Herausfor-
derung für Investoren und Finanzinstitute dar.
Möglichst langfristige, klare und verlässliche
Rahmenbedingungen sind notwendig, um dieses
Volumen zu generieren und Europa als einen
attraktiven Investitionsstandort zu erhalten.
Das aktuelle Umfeld weist viele Fragestellungen
auf, die vor diesem Hintergrund ein Hemmnis
darstellen und adressiert werden müssen.
Zu nennen sind insbesondere:
• Unsicherheit über die Entwicklung im interna-
tionalen Klimaschutz bei Auslaufen des Kyoto-
Protokolls 2012 und damit der politischen
Rahmenbedingungen. Damit verbunden ist
eine große Unsicherheit über die Entwicklung
der Zertifikatspreise im Emissionshandel
16 STROMMIX IN DER EU27
• Schritt 4: Basierend auf den vergangenen
Schritten und unter Berücksichtigung der auf
der Herstellerseite zur Verfügung stehenden
Fertigungskapazitäten und Wachstumspoten-
tiale wurde ein ambitionierter aber auch
realistisch machbarer Ausbau der erneuer ba -
ren Energien zu Grunde gelegt. Dabei wurden
auch die wirtschaftlichen und politischen
Rahmenbedingungen in den Hauptabsatz-
märkten der EU beleuchtet. Das politisch
geprägte Investitionsklima in erneuerbare
Energien wurde dabei als stabil angenommen.
Darauf aufbauend wurde eine realistische
Abschätzung des erforderlichen Umfangs an
konventionellen Stromerzeugungskapazitäten
vorgenommen.
• Schritt 5: Betrachtung der gesicherten und
maximal (Peak) erforderlichen Leistung. Basie-
rend auf dem Zubau an erneuerbarer Stromer-
zeugungskapazität wurde eine Annahme für
die gesicherte Leistung für den Verbund aller
erneuerbarer Stromerzeugungskapazitäten in
2020 (25 %) und in 2030 (35 %) getroffen. Aus
dem Abgleich mit der erwarteten notwendi-
gen Maximalleistung wurden die notwendi-
gen Kapazitäten von Back-up-Kapazitäten auf
konventioneller Basis ermittelt.
• Schritt 6: Emissionsbetrachtung: Auf Basis des
prognostizierten Stromerzeugungsmixes in
2020 und in 2030 wurde die CO2-Emissions-
minderung berechnet. Wesentliche Annah-
men hierbei waren realistische Wirkungsgrad-
steigerungen sowie der Einsatz der CCS-Tech-
nologie für ein Drittel der ab 2020 zugebau-
ten kohlebefeuerten Kraftwerkskapazitäten.
Die Anteile an Stromproduktion und Strom er -
zeugungskapazitäten wurden im Wesentlichen
wie folgt ermittelt:
• Schritt 1: Der für die Jahre 2020 und 2030
angenommene Strombedarf stützt sich auf
die Kurzexpertise der prognos AG vom August
2009. Dabei wurde basierend auf der EU-
Studie „Trends to 2030 – update 2007“ und
unter Berücksichtigung der Auswirkungen
der aktuellen Wirtschaftskrise sowie der
nationalen Energieeffizienzpläne der EU-Mit-
gliedsstaaten eine Strombedarfsentwicklung
ermittelt. Ferner wurde eine Abschätzung
des zusätzlichen Strombedarfs durch den
Anstieg der Elektromobilität vorgenommen.
• Schritt 2: Ermittlung der Bruttostromprodukti-
on der einzelnen Energieträger in 2007 basie-
rend auf den Zahlen des EUROPROG-Berichts
[5] von Eurelectric und dem von Verbands-
und Industrieseite ermittelten Eigenverbrauch
der jeweiligen Kraftwerkstypen.
• Schritt 3: Betrachtung der bereits heute
absehbaren Veränderungen der Stromerzeu-
gungskapazitäten in den jeweiligen Zeiträu-
men (2020 zu 2007 und 2030 zu 2020). Dabei
wurde zunächst eine Abschätzung der außer
Betrieb gehenden Stromerzeugungskapazitä-
ten vorgenommen. Diesbezüglich wurden
Annahmen für die Betriebsdauer der einzel-
nen Kraftwerkstypen getroffen. Zusätzlich
wurden basierend auf Verbands- und Herstel-
lerangaben die bereits feststehenden oder
im Bau befindlichen Kraftwerksprojekte quan-
tifiziert. Pumpspeicherkraftwerke werden
nicht in die Betrachtung der Erzeugungskapa-
zitäten einbezogen, sondern sind als Teil der
Speicherkapazitäten in die Gesamtbetrach-
tung eingeflossen.
3 Verfahren, Prämissen und Quellen
STROMMIX IN DER EU27 17
• Die Betrachtung der Rolle von zentraler und
dezentraler Erzeugung wurde qualitativ vor -
genommen, da mangels einer einheitlichen
Defi nition und der sehr unterschiedlichen
Rolle, insbesondere im Hinblick auf Regelbar-
barkeit und Verbrauchernähe der verschiede-
nen Anla gen arten keine klare Abgrenzung
möglich ge we sen wäre. Eine eindeutige Defi-
nition der de zen tralen Erzeugung wird Gegen-
stand späterer Untersuchungen sein.
• Der Ausblick setzt auf den Ist-Zahlen der euro-
päischen Stromerzeugung im Jahr 2007 auf
und prognostiziert den Strommix für die Jahre
2020 und 2030. Die Ausgangsdaten basieren
im Wesentlichen auf dem EUROPROG-Bericht.
Damit wurde eine hohe Aktualität gewährleis -
tet. Insbesondere bei den erneuerbaren Ener-
gien und der dezentralen Stromerzeugung
wurde die EUROPROG-Statistik durch Herstel-
ler- und Verbandsinformationen ergänzt.
• Bei der Entwicklung der Szenarien stand eine
realistische Betrachtung unter Einbeziehung
der Auswirkungen der Wirtschaftskrise im
Vordergrund. Dabei wurden die europäischen
Ziele für die Entwicklung der erneuerbaren
Energien und der CO2-Emissionen genauso
berücksichtigt, wie die Herstellerkapazitäten,
neue Kraftwerke auf Basis konventioneller
und erneuerbarer Energieträger bauen zu
können.
3.1 Prämissen
• Bei dem vorliegenden Papier handelt es sich
um einen Ausblick von Experten des VDMA
und dessen Mitgliedsunternehmen. Es waren
Hersteller aller in diesem Ausblick betrachte-
ten Energietechnologien an der Erarbeitung
beteiligt. Mit einzelnen Betreibern wurden
die Annahmen diskutiert.
• Betrachtet wurden alle Primärenergieträger.
Sie wurden entsprechend der Stromerzeu-
gungstechnologien in die folgenden Bereiche
eingeteilt:
• Konventionell
- Nuklear
- Braunkohle
- Steinkohle
- Gas
- Gas dezentral
- Öl
- Diesel dezentral
• Erneuerbare
- Wasser
- Wind
- Solar
- Flüssige Biokraftstoffe
- Andere Erneuerbare (z. B. Reststoffe)
• Die Stromerzeugungstechnologien wurden
zur besseren Veranschaulichung gebündelt in
- Kernkraftwerke
- Fossile Kraftwerke (Kohle, Gas, Gas dezentral
und Diesel dezentral)
- Kraftwerke auf Basis erneuerbarer Energien
(Wasser, Wind, Solar, flüssige Biokraftstoffe,
Biogas und andere Erneuerbare)
18 STROMMIX IN DER EU27
• Die Prognose der „Peak-Load“-Entwicklung
basiert auf der von prognos ermittelten
Strombedarfsvorschau und wurde entspre-
chend proportional zu dem „Peak-Load“ von
2007 vorgenommen.
• Die gesicherte Leistung der europäischen
Kraftwerke auf Basis erneuerbarer Energien
wurde im Betrachtungszeitraum als stark
wachsend angenommen, da zum einen der
Anteil der Offshore-Windenergieanlagen und
der solarthermischen Anlagen mit höheren
Volllaststundenzahlen steigt, zum anderen
die intelligente Vernetzung der erneuerbaren
Energien und weitere technologische Ent -
wicklungen zur Verstetigung der Erzeugung
vorangetrieben werden.
• Der Ausblick setzt als wesentliche Randbedin-
gung den notwendigen Ausbau der europäi-
schen Netzinfrastruktur für den prognostizier-
ten Kraftwerksmix voraus.
• Die Prognosen zur Kapazitätsentwicklung der
unterschiedlichen Stromerzeugungstech no -
logien wurden unter Berücksichtigung der
Lebensdauer der jeweiligen Kraftwerkstypen
vorgenommen.
• Basis der Betrachtung ist die aktuelle europä -
ische Gesetzeslage. Die Effekte einer Umset-
zung der EU-Klimaziele im Rahmen eines
„burden-sharings“ auf die jeweiligen nationa-
len Erzeugungsstrukturen wurden genauso
wenig prognostiziert, wie mögliche Ergebnisse
des geplanten Post-Kopenhagen-Prozesses.
• Auf Basis des von prognos ermittelten Strom-
bedarfs wurde die notwendige Bruttostromer-
zeugung abgeschätzt. Dabei wurde der Eigen-
verbrauch des Kraftwerksparks im Betrach-
tungszeitraum als konstant angenommen.
Basis für diese Annahme ist die Kompensation
des sinkenden Eigenverbrauchs aufgrund von
Effizienzsteigerungen sowie des wachsenden
Anteils erneuerbarer Energien durch den stei-
genden Eigenverbrauch aufgrund des Einsat-
zes der CCS-Technologien ab 2020 sowie des
relevanten Energieaufwandes für zusätzliche
Speicher.
STROMMIX IN DER EU27 19
3.2 Quellen
[1] Eurelectric, Power Choices: Pathways to
Carbon-Neutral Electricity in Europe by 2050,
November 2009
[2] prognos AG, Kurzexpertise Stromtrend EU 27,
Abschätzung der wahrscheinlichen Strom -
verbrauchsentwicklung in der EU 27 auf der
Basis bestehender Szenarien, August 2009
[3] Deutsche Energie Agentur, Energiewirtschaft-
liche Planung für die Netzintegration von
Windenergie in Deutschland an Land und
Offshore bis zum Jahr 2020, Februar 2005
[4] TradeWind, Integrating Wind, Developing
Europe`s power market for the large-scale
integration of wind power, Februar 2009
[5] EUROPROG, Statistics and prospects for the
European electricity sector, Oktober 2009
www.vdma.org/powersystems
20 STROMMIX IN DER EU27
Dank
An diesem Ausblick waren Experten aus
Herstellerunternehmen aller betrachteten
Energietechnologien beteiligt. Mit einzelnen
Betreibern wurden die Annahmen diskutiert.
Allen Beteiligten sei gedankt.
Impressum
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Lyoner Straße 18
60528 Frankfurt am Main
Telefon +49 69 6603-1307
Fax +49 69 6603-1715
E-Mail ps@vdma.org
Redaktion
Thorsten Herdan, Geschäftsführer
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Matthias Zelinger
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März 2010
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