Post on 20-Mar-2018
transcript
Kulturbund der DDR, Gesellsehaft fur Natur und Umwelt:Faehgruppe Umweltsehutz Leipzig-SudFaehgruppe Natur und Umwelt Leipzig-MitteFaehgruppe Natur und Umwelt Leipzig-Nordost
Arbeitsgruppe Umweltsehutz beim Jugendpfarramt Leipzig
RADVERKEHR IN LEIPZIG -
Zustand, Probleme und Entwieklungsm6g1iehkeiten
aus der Sieht der Radfahrer
T E ILl :
- Zusammenfassung- Ein1eitl.lrlg....Not i vat i on- Radverkehrsplanung... '81el~ Anc.~I'Yse- Allgemeine Probleme
SCL .rro~
~fC'Z
Arbeitsbericht der Leipziger Umweltgruppen
Lei pz'i 9 19E18
r
Ulrich Patzer
Gottfried Stier
HaMs-Dieter Gribe
Harald Lindner
(Gesamtleitung)
(Radtrassen)
(Inventur)
(Problemzonen)
1
Ulrich-Wilhelm Schmitz Wolfram Herwig
Bernd Reichelt Dietrich Schildbach
Volker Baumgart Roland Quester
Thorsten K6rner Dr. Helmut Meyer
Herbert Sch6n G6sta Zahn
Erhard Wolf Manfred Seifert
Uwe Schwabe Margit Kr6tzsch
Peter Wangemann Wolfgang KGstermann
Oliver Bederski Tobias Hollitzer
Klaus-Peter Fritzsche Andreas Lemke
Matthias Oschmann
Thomas Thiel
Steffen Unger
Jochen Meyer
Birgit Welf
Gerhard Sieler
Derothee Szarga~
Sven Taraba
Irmtraut Hellitzer
Andreas 800sHeike Tanneberger
Erika Tschischkale
Ulrich Patzer
Wolfram Herwig
Matthias Oschmann
Gottfried Sasse
(61 Fotos)
(18 Fotos)
(7 Fetes)
Cornelia Matzke
l.
Volker BaumgartGudrun Vogel
Hans-Dieter Gribe
Matthias MGhlhausen, Halle
8ernd Reichelt
Ralf Kukula, Dresden
Ulrich-Wilhelm Schmitz
(2 EntwUrfe .fUr Radtrassenwegweissr,1 Aufkleber)
(2 LagesJ~i~zen)
(2 Fotes)
(1 Lageskizze)
(1 Foto)
(1 Foto)
Verteiler Stand: 12/90erhalten
2
Rat der Stadt Leipzig:
Stadtrat fur Verkehrs- und Nachrichtenwesen 3/89
Stadtrat far Stadtentwicklung und Raumplanung 9/90
Buro fur Verkehrsplanung der Stadt Leipzig 5/89
Stadtdirektion fur Straaenwesen 6/89
Leipziger Verkehrsbetriebe, Direktion Technik 4/90
Arbeitsgruppe "8icherheit 1m Straaenverkehr" beim Ratdes Bezirks Leipzig 12/88
Volkspolizeikreisamt Leipzig, Abteilung Verkehrspoli.zei 6/89
Stadtvorstand Leipzig des Kulturbundes 5/89
Fachgruppe Umweltschutz Leipzig-Sud 5/89
Fachgruppe Natur und Umwelt Leipzig-Mitte 9/89
Arbeitsgruppe Umweltschutz beim Jugendpfarramt Leipzig 5/89
Interessengemeinschaft Radverkehr Dresden 3/90
Aktiv Radfahren &Verkehrsokologie im ArbeitskreisUmweltschutz Halle~kologische Arbeitsgemeinschaft der GeorgengemeindeHalle 9/89
Arbeitsgruppe Radverkehr Wismar 10/89
Zeitschrift "Der Deutsche Straaenverkehr", Berlin 12/88ADFC Bezirksverein Hannover 12/89
Stadtbibliothek Hannover 3/90
SCI Ing.-Dienstleist. f. Energie- u. VerkehrstechnikGmbH Hamburg 10/90
Zusammenfassung
EinleitungMotivationEntwicklung der RadverkehrsplanungErgebnisse der '81er Analyse
Seite5
9121822
27
3
A-1A-2A-3A-4A-5A-6A-7A-8A-9A-l0A-11A-12A-13A-14A-iSA-16A-17A-18A-19A-20A-21A-22A-23A-24A-25A-26A-27A-28
AbgaseAbstelleinrichtungenAktiv RadverkehrBehinderungenBeschilderung und MarkierungBordkantenEinbahnstraBenFahrradstationFernwarmeleitungstrassenFuBgangerzonenGesellschaftliche WertschatzungGi..itekontrolleKnotenpunkteKombinierte Rad-/GehbahnenNeubaugebieteoffentlicher Personen-NahverkehrRadbahnverschwenkungRadfurtRadstreifenRadwegbelag unter BaumenSandgeschlammte SchotterdeckschichtenSauberung und WinterdienstStadtzentrumVerkehrsberuhigungVerkehrserziehungWegewahlverhaltenWegweisungZweirichtungsverkehr
29333839424548515152545657616571717475. 767677788184868791
92
Zusammenfassende DarstellungErgebnisse der Inventur
157160
164
P-1P-2P--3P-4P-5P-6P-7P-8
InnenstadtEin- und Ausfahrten StadtzentrumEisenbahnunterquerung Berliner Str.WaldstraBe zwischen Waldplatz und Auenstr.Waldstr./Leutzscher AlleeF.-Lassalle-Str./K.-Kollwitz-Str.Bayrischer PlatzBernhard-Garing-StraBe
164168173174176176178179
Vorschlage fUr neue RadverkehrsanlagenRadverkehrsnetzVorschlag fUr einen Ratsbeschlu8DankLiteratur
Flo8platz - Harkortstra8eKarl-Liebknecht-Str./Schenkendorfstr.Kurt-Eisner-Str./Wundtstr./F2BeipertbrUckeBrnoer Str.LUtzner Str. - Einfahrten in die WohnkomplexeLUtzner Str./Saarlander Str.F87 am Kulkwitzer SeeSchtinauer Str.Ratzelstr.Diezmannstr./Antonienstr.Rtidelstr./Schleu8iger Weg/Schnorrstr.Ossietzkystr./Theklaer Str./Volksgartenstr.Mockauer Str./Volbedingstr.G.-Schumann-Str./S-BahnbrUckeJohannaparkwegAu8erer SUdring zwischen K.-Tauchnitz-Str.und Ro8platzZufahrt zum HauptbahnhofTheklaer Str.
P-9P-I0P-llP-12P-13P-14P-15P-16P-17P-18P-19P-20P-21P-22P-23P-24P-25
P-26P-27
R-lR-2R-3
R-4R-5R-6R-7
R-8R-9R-I0R-llR-12R-13R-14R-15R-16R-17R-18
R-19R-20R-21R-22
Waldstra8enviertel - HauptbahnhofWaldstra8enviertel - StadtzentrumStadtzentrum - Innere WestvorstadtNordconnewitzInnere Westvorstadt - RosentalLandauer BrUcke - LindenauDtilitz - Lti8nig - ConnewitzMarienbrunn - Stotteritzer WaldchenStUnzer ParkLo8nig - Bayrischer PlatzBayrischer Platz - SchonefeldRo8platz MeusdorfRo8platz - ProbstheidaOstplatz MtilkauGrUnau - Bahnhof PlagwitzGrUnau - KUchenholz - ScheibenholzSchonefeld - VolkmarsdorfSchtinefeld - EutritzschGohlis - LUtzschenaWiederitzsch - Eutritzscher Markt -Chauseehaus - Hallisches TorNeubaugebiet Gohlis/Nord - Waldstra8enviertelLeutzsch - Waldstra8enviertelMockau - WahrenInnerer Ring
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Anlage: Stadtplan mit dem Radverkehrsnetz von Leipzig
~Yl!em'!H!Qf.!!l!YQgIn einer ersten gemeinsamen Aktion der Leipziger Umweltsehutz-
gruppen untersuehten wir die Radfahrbedingungen in Leipzig. Der
vorliegende Arbeitsberieht erlAutert zun~ehst die ~gtl~etlgQunseres Unternehmens: Angesiehts der best~ndig zunehmenden Moto-
risierung mit ihren zahlreiehen negativen Auswirkungen auf unsere
Lebensqualit~t und die Umwelt wollen wir eine Umverteilung in der
Benutzungsstruktur der Verkehrsmittel, und zwar insbesondere im
Berufsverkehr, yom Auto auf das Fahrrad erreiehen. HierfUr mUssen
die notigen Voraussetzungen gesehaffen werden. Unser Berieht soll
Anregungen dazu liefern.
5
Eine eQ.l.~!!@Umweltsehutz
mit gleieher Zielstellung war von der Faehgruppe
Leipzig-SUd bereits !2~!vorgenommen worden. Die
Auswertung der mit dieser Studie erreiehten Verbesserungen naeh
nunmehr 7 Jahren ergibt, daB von unseren 41 Vorsehl~gen bisher
nur knapp die Ha1fte teilweise oder vo11standig rea1isiert worden
sind.
1m naehsten Kapite1 geben wir einen kurzen Uberb1iek Uber die
SQt~l~!sl.YQgl!g@l!~t!l~t!t@ g@t:.:8.g~@t:.:!s@t!t:.:!!el..QYQg.Daraus wirddeutlieh, daB sieh dureh die einseitige Ausriehtung der Stadt-
verkehrsp1anung in den letzten zwei Jahrzehnten auf das Auto ein
extrem groBer Naehholebedarf in Saehen Radverkehrsforderung an-
gestaut hat.
Die !Qy@otyt:.:der in Leipzig z.Z. vorhandenen 75 Radverkehrsanla-
gen auBerha1b geseh10ssener GrUngebiete ergibt fo1gendes Bi1d:
Die Gesamtl~nge betragt ca. 70 km. Damit sind BY. des Leipzi-
ger StraBennetzes (einseitig> mit Radbahnen versehen. Die
Radweglange pro Einwohner liegt bei 13 em.
Etwa 10 km = 14Y. befinden sieh, aus der Sieht der Radfahrer
beurteilt, in gutem Zustand.
Etwa 24 km = 35X sind, insbesondere von dem in zUgigem Tempo
fahrenden Alltagsradler, nur mit mehr oder weniger deut-
lichen Einschrankungen benutzbar.
Etwa 36 km = 51X sind in schlechtem oder unzumutbaren Zu-
stand.
Neben haufig unzureichender Qualitat des Belags ist die
Verkehrssicherheit, und Attraktivitat des Rad~egebestandes
herabgesetzt durch zahlreiche fehlende oder u'nzureichende
Bordabsenkungen, fehlende oder falsche Beschilderung, haufig
nicht vorhandene Trennmarkierung und teilweise starke
Verschmutzung.
Aus der detaillierten Zustandsbeschreibung werden zahlreiche
Vorschlage fUr eine Verbesserung der Benutzungsbedingungen auf
den vorhandenen Radverkehrsanlagen abgeleitet.
DarUberhinaus werden fUr eine groBere Zahl von el.:ggl@m~glJ@1J be-
sondere 8efahrdungen und Behinderungen des Radverkehrs beschrie-
ben und Losungsvorschlage ausgearbeitet. Besonderes Augenmerk
wird dabei auf die Querungsmoglichkeit des~Promenadenrings und
die Radfahrbedingungen in der Innenstadt gelegt.
Ein wesentliches Anliegen unserer Arbeit betrifft die Einrichtung
von seitens der Stadt @mefgbl@D@D B~gtl.:~a~@D.Mit diesem Modell-vorhaben sol len wichtige Quelle-Ziel-Verbindungen fUr den Rad-
verkehr geschaffen werden, die - soweit moglich - die Haupt-
verkehrsstrange meiden und vorhandene oder zu schaffende Rad-
verkehrsanlagen, das NebenstraBennetz sowie Wege durch 8rUn-
gebiete nutzen. Als Vorarbeit hierzu haben wir einen Katalog von
22 Wegeftihrungen in einer 8esamtlange von ca. 89 km zusammen-
gestellt und den jetzigen Zustand und die erforderlichen MaBnah-
men im einzelnen beschl'"ieben. Dazu gehoren neben Beschilderung,
6
Belagsanierung, Markierung, Beseitigung von Bordkanten vor allem
auch die Wegweisung. FUr die mogliche Gestaltung solcher Rad-
trassen-Wegweiser werden zwei EntwUrfe vorgelegt.
Aus unseren Untersuchungen der Radfahrbedingungen resultieren
zahlreiche ~9r:~~1J!4g@ fUr die Einrichtung 1J@y@r: 8~gy@r:~@IJr:~::@Q!@g@O. Dabei handelt es sich um Abschnitte in einer Gesamtlange
von etwa 70 km, auf denen sich die Anlage entweder relativ zwang-
los anbietet, oder wo sie zur Verbesserung der Verkehrssicherheit
dringend erforderlich - und auch moglich - ist.
Als wichtige SchluBfolgerung aus unseren Untersuchungen bleibt
festzuhalten, daB in Leipzig - im Gegensatz zu anderen Stadten,
wo die Entwicklung zueiner autogerechten Stadt bereits weiter
fortgesehritten ist - durehaus noch Moglichkeiten bestehen, ein
weitgehend durehgangiges, nutzergereehtes und attraktives- B@g::y@-:~@IJ-:~o@t~-zu"entwiekeln.Um jedoch tatsachlich eine wesentlich verstarkte Fahrradbenutzung
zu erreiehen, genUgt es nieht, nur die bereits angesproehenen
Vorsehlage umzusetzen. Es muB aueh eine Vielzahl anderer Hemm-
nisse fUr den Radverkehr abgebaut werden. Hierzu wurden geson-
derte Uberlegungen angestellt, in die auch die Ergebnisse einer
Auswertung der verfUgbaren Fachliteratur eingegangen sind. So
entstand eine umfangreiehe Liste von ellg@ID@iO@o er:9gl@ID@O desRadverkehrs, die nicht nur fUr die Leipziger Verhaltnisse von
Bedeutung sind. In dem entsprechenden Kapitel werden u.a.
behandelt:
nationale und internationale Erfahrungen bei der Beseitigung
von Behinderungen des Radverkehrs -dureh EinbahnstraBen,
FuBgangerzonen, Innenstadtbereiche und Verkehrberuhigungs-
maBnahmen sowie -entspreehende, an unsere Verhaltnisse ange-
paBte Losungsvorsehlage,
7
erlc'i:\utertam
Fragen macht
entsc:heidende
eine Analyse Uber die Theorie und Praxis der Radverkehrs-
fUhrung tiber Kreuzungen,verschiedene, bei uns weitgehend unbekannte Begriffe wie
Radwegweisung, Radschleuse, Radfurt, GrUnvorlauf oder ab-
knickendes GrUn fUr Radfahrer,die Beschilderungs- und Markierungspraxis aus der Sicht des
Radfahrers,die Radfahrbedingungen in Neubaugebieten,
Beispiel Leipzig-GrUnau,VorschlAge zur GrUndung eines Aktivs Radverkehr, zur
Einrichtung einer Fahrradstation fUr Aufbewahrung, Reparatur
und Vermietung, zur Anlage von Radwegen entlang der
FernwArmetrassen,
ein Modellkonzept zur Abgasentlastung,
die Themen Abstellanlagen, Bordkanten, Probleme bei der
Einrichtung kombinierter Rad-/Gehwege, gesellschaftliche
Wertsch.iitzungund Verkehrserziehung, Schulung der Verkehrs-
experten zur Radverkehrsforderung.
Die Vielzahl der im Arbeitsbericht angesprochenen
deutlich, daB der Anspruch unseres Vorhabens
Verbesserungen der Radfahrbedingungen in Leipzig - nicht durch
sc:hrittweise Losungen entsprec:hend der jeweiligen volkswirt-
schaftlichen Moglic:hkeiten erreic:ht werden kann. Dazu ist viel-
mehr eine drastisc:he Umbewertung des Stellenwertes des Rad-
verkehrs erforderlich, dieihren Niedersc:hlag in einer Umvertei.-
lung der Mittel und einem gesonderten 8@t~~@~~bl~@~~[ 8@~=y@[~~b[~f~[~~[~Qgfinden muB. Wir haben als Vorschlag einen 17
Punkte umfassenden MaBnahmekatalog erarbeitet, in der Hoffnung,
daB die darin zusammengetragenen Erfordernisse bei der Abfassung
des Ratsbesc:hlusses BerUcksichtigung finden werden.
8
9
5101@i!a#og1m Mai 1987 fanden sich die LeipzLger Umweltschutzgruppen zu
einem. ersten Erfahrungsaustausch zusammen. Auf diesem Treffenwurde vorgeschlagen, in einer ersten Gemeinschaftsaktion aller
Gruppen die Radfahrbedingungen in unserer Messestadt unter die
Lupe zunehmen. Del'"FachgruppeUmweltschutz .Leipzig-Sud, die
bereits 1981 eine ahnliche Analyse vorgenommen hatte, wurde dieFederfi..ihrun.gbei'di.eserAktionUbertragen.Es wurdeeine Arbei ts- .
gruppe gebildet, del'" neben Vertretern del'" Umweltschutzgruppen
auch einegroBere Anzahlengagierter Radfahrer angehoren, .die
nicht Mitglied einer diesel'"Gruppen sind.
Ausgangspunkt derUberlegungenzu dendurchzufi..ihrenden Arbeiten
war die Ansicht, daB es wenig bringt, nul'"den Zustand del'"Radwege
zu 'kritisieren; denn nichtnur den Benutzern, sondernauch den
verantwortlichen staa1:1ichen Stellen ist bekannt, daB die vorhan-
.denen Radverkehrsanlagen Mangel aufweisen, und. auch, wo die
argsten Probleme liegen. Deshalb wurden von Anfang an neben del'"
10Y@0!;YC:, d.h. der kri1:ischen Zustandsanalyse del'"sei1:ens der
Stadt dem Radfahrer angebotenen Radverkehrsanlagen, zwei weitere
Schwerpunkte gese1:zt. Diese betreffen die Zusammens1:ellung einer
Liste von besont:lereneC:Q~1@m~90@O und Gefahrenstellen fur den
Radverkehr in Leipzig und die Ausarbeitung von Vorschlagen zur
Gestaltung von besonders fur .denRadverkehr geeigneten Wege-
verbindungen als spezielle 89gt:C:9!!~@O.1m Verlau~ del'"Arbeiten wurde immer deutlicher, daB del'"Anspruch
unseres Vorhabens - entscheidende Verbesserungen del'" Radfahr-
bedingungen in Leipzig - nul'"erreicht werden kann, wenn es ge-
ling1:, den Widerspruch zwischen Theorie und Realitat abzubauen.
Diesel'" besteht darin, daB von unseren staatlichen St~llen die
gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Bedeutung des Fahrrads
10
als sozial- und umweLtvertrAgliches, als platz- und energie-
sparendes Verkehrsmittel inzwischen zwar anerkannt ist, die prak-tischen Konsequenzen in Form wirksamer FtirderungsmaBnahmen bis
jetzt aber nur sehr zogernd in Angriff genommen worden sind.
Die Ursachen fUr diese Diskrep.mz Iiegen zum Tei lin unzurei chen-
der TiefbaukapazitAt und fehlenden Mitteln. Sie sind aber auch
ganz wesentlich darin zu suchen, daB unsere verantwortlichen
Verkehrsplaner, die ihre fachliche Ausbildung in einer Zeit er-hielten, in der noch das Auto das MaB aller Dinge war, sehr wenig
mit andernorts bereits getesteten Konzepten und vorliegenden
praktischen Erfahrungen von modernen Radverkehrs-ForderungsmaB-
nahmen vertraut sind.
So stellte sich fUr uns als weitere wichtige Aufgabe, einen
Beitrag zur SchlieBung dieser LUcke zu leisten. Es wurde Fach-
Iiteratur , soweit sie aus dem Fundus der Deutschen BUcherei
verfUgbar war, ausgewertet. Daraus ergaben sich verschiedene, fUr
uns neuartige und ungewohnte LosungsansAtze, mit denen wesent-
liche Hemmnisse fUr den Radverkehr abgebaut werden konnen. Diese
sind zusammen mit weiteren &llQ@ID@!Q@O et9~1@ID@O in einem geson-derten Kapitel zusammengestellt.
Neben den Ausarbeitungen Uber die generellen Hemmnisse - mit im
.wesentlichen Uberregional er Bedeutung - konzentri erten sich
unsere Untersuchungen besonders auf die mit dem Ber'ufsverkehr
zusammenhAngenden Probl~me. Diese Ergebnisse sind imvorliegenden
Arbeitsbericht zusammengefaBt. Andere Fragen, wie beispielsweise
"Radfahrenund Naherholungll, "Einrichtung von Abstellanlag.en"
oder "Radverkehr und Hffentlicher Personennahverkehr" konnten
bisher nicht im einzelnen untersucht werden. Sie sollen in einer
spAteren Etappe in Angriff genommenwerden, sofern uns die Reak-
11
tionen derverantwortliehen Stellen auf den hier vorgelegten
Arbeitsberieht dazu ermutigen.Einige Leser werden in unserem Arbeitsberieht die eingehende
WUrdigung der bisherigen Aktivitaten unserer verantwortliehen
Stelicen in Saehen Radverkehr vermissen. -Dazu ist folgendes zu
bemerken: NatLirlieh Maben wir die - besonders in allerletzter
Zeit - verstarkten BemLihungen aufmerksam registriert, 'die u.a. in
der Einriehtung von Radwegen an der Mor-itzbastei, im ostlic:henJohannapark, Liber die Zeppelinbrueke, in der.Landsberger Str. undder Leninstr.- siehtbar geworden sind LInd sogar zu einer Belag-
sanierung vor dem Messeeingang in der Leninstr. -gefUhrt Maben.
Der _Umfang dieser MaBnahmen ist al~erdings im Vergleic:h zum
vorhandenen' Naehholebedarf noehbeseheiden; die Aktivit.1iten
ersc:hopfen sieh leider uberwiegend im Setzen von Radwegsehildern.
Notwendige FolgemaBnahmen' wie Belagsani-erung, - Bordabsenkungen,
Markierungen usw. unterbleiben fast immer. So wird zwar ein
Zuwaehs im Radwegbestandausgewiesen, fur den Radfahrerentstehen
aber teilweisemehr Probleme als Losungen. Gleic:hzeitig werden
aueM jetzt noeh imZuge von BaumaBnahmen vorhandene Radverkehrs-
anlagen zerstort, wie z.B. in der K.-Kresse-Str. (durc:hVerlegung
der StraBenbahngleise in Seitenlage)' oder in dar L~-Frank-Str.
(durc:h gedankenlose BauausfLihrung).
Angesic:hts dieser Situation sehen wir unser-eAufgabe in einer
umfassenden kritisehen Zustandsanalyse, die moglic:hst viele und
ganz konkrete Ansatzpunkte fur die Verbesserung der Radfahr-
bedingungen in Leipzig liefern solI.
12
IIIn den groBen Stadten bezahlt der Mensc:h,wenn er fUr vier Woc:hen reine Luft haben
will. An den StraBenkreuzungen kriec:ht erunter die Erd~, damit ihn die Masc:hinen, dieer erfand, nicht umbringen. Aber er lobt dieZivilisation. Was ist mit'ihm los, wohintreibter?1I Erwin Strittmatter
"Wir gehen mit unserer Welt um, als hattenwir noch eine zweite im I<offerraum.II
Jane Fonda
Die 'standige ..Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs geht mit einer
stetig steigenden Umweltbelastung einher, die auc:h durc:h aufwen-
dige GegenmaBnahmen nur zum Teil wieder aufgefangen werden kann.
Die Belastung unserer Umwelt betrifft insbesondere
un'sere natUrl ic:henRessourc:en, d.h. den Flac:henverbrauc:h fUr
den flie8enden und ruhenden Verkehr, den Rohstoff- und
Energieverbrauc:h,
die tikologisc:hen Auswirkungen auf Boden, Wasser, Luft,
Klima, Vegetation und Tierwelt,
die Einwirkungen auf die mensc:hlic:heGesundheit durc:h Larm
und Abgase, aber auc:h durc:h Unfalle und StreB,
stadtebaulic:he Aspekte, wie z.B. die Einsc:hrankung der
StraBenfunktionen, die Trennwirkungenbreiter StraBen und
starker Verkehrsstrtime.
tnnerhalb der Stadte vervielfac:hen sic:h die Belastungswirkungen
und dabei besonders extrem die Sc:hadstoffemissionen, durc:h Zu-
nahme des Kaltstartanteils, haufiges Bremsen und Beschleunigen,
lange Stillstandszei~en und Staus, wi~ wir sie z.B. an jedem
Werktag im Berufsverkehr von und .nac:h Leipzig-Gri.1nau erleben
ktinnen.
Diese negativen Auswirkungen des Kraftfahrzeugverkehrs auf unsere
13
Lebensqualitat und die Umwelt werden immer bedrohlicher. Ins-
besondere tiber die gesundheitlichen Schaden liegen alarmierende
Untersuchungsergebnisse vor, die inzwischen auch in unserer Fach-
literatur referiert werden und an denen wir nicht mehr vorbeikennen. So hat nach Lit. (8) die Halfteder Lungenkrankheiten in
den USA die Luftverschmutzung zur Ursache. Dort werden in Stadt-
gebieten 12;'meh~ Krebsfalle ais in anderen Gegenden registriert.
1;'der Bevelkerung innerhalb der (West-)Europaischen Gemeinschaft
leidet unter Bleiemissionen und Abgasen. Fur die BRD wurden im
Jahr~ 1980 die Kosten der ausschIieBlich auf Kraftfahrzeugabgasen
beruhenden Krankheiten mit 27 Mrd. DM beziffert. Der Anteil der
Abgasemissionen an den Kosten fur Gesundheits-, Wald- und
Gebaudeschaden. wird zwischen 1,5 und 9,5;' des Bruttosozial-
produkts geschatzt.
Bei der Verursachung von Larm entfallen 60-80;' auf den StraBen-
verkehr (Lit. 7). Larm ist aber nach Aussagen der Weltgesund-
heitsorganisation WHO eine gesundheitsrelevante Beeintrachtigung,
die das physische und psychische Wohlbefinden sehr nachteilig
beeinfluBt. Untersuchungen habe~ erbracht, daB an lauten StraBen
50;' mehr Anwohner in arztlicher Behandlung wegen Bluthochdrucks
sind, als an StraBen mit geringem Verkehrslarm. Der Tabletten-
konsum ist bei Menschen, die einer hohen Larmbelastung ausgesetzt
sind, 5 mal so hoch wie bei denen, die in ruhigen Wohnzonen
wohnen. Fur die DDR wurde die Gebrauchswertminderung des Woh-
nungsbestandes nach vorsichtigen Hochrechnungen mit etwa
10 Mrd. M veranschlagt (LAUTENBACH, 1987).
Die Flachenbeanspruchung durch den Kfz-Verkehr steigt mit zu-
nehmendem Motorisierungsgrad unaufhaltsam. Das betrifft neben dem
rollenden in immer starkerem MaBe auch den ruhenden Verkehr. In
den GroBstadten belegt das StraBennetz bereits groBenordnungs-
maBig 20;' der Gesamtflache (Lit. 8). Los Angeles halt hier einen
14
bedrUckenden Rekord: Dort besteht die HAlfte der StadtflAche aus
Stra8en und ParkplAtzen! Hinzu kommt die Barrierewirkung breiter
Fahrbahnen und starker Verkehrsstrome.
Die Vielzahl der hier unvollstandig aufgelisteten Beeintrachti-
gungen unserer Lebensqualitat, die teilweise auch bei uns be-
reits, und zwar insbesondere in den SroBstadten, die Grenze des
Ertraglichen und Zumutbaren Uberschritten haben., erfordern ge-
zielte GegenmaBnahmen. Der Ausweg aus dem Dilemma wird weltweit
in einer Verlagerung von Anteilen des stadtischen Pkw-Verkehrs
auf den offentlichen Personennahverkehr und auf das Fahrrad ge-sehen.
An entsprechenden Versuchen hat es nicht gefehlt. APEL (1984)
analysiert im einzelnen 15 Fallstudienstadte aus Westeuropa, in
denen gezielte ForderungsmaBnahmen des offentlichen Verkehrs und
des Radverkehrs vorgenommen wurden. Hinsichtlich des Umvertei-
lungspotentials 1m stadtischen Personenverkehr kommt APEL zu dem
SchluB, daB mindestens 50% der derzeitig~n Pkw-Fahrten in GroB-
stadten verlagerungsfahig sind. Dies hatte zur Voraus~etzung, daB
in einer durchschnittlichen GroB- bis Mittelstadt der offentl1che
Verkehr um etwa 1/3 und der Fahrradverkehr um 3/4 zunehmen. Der
Vergleich mit dem in den FallstudienstAdten bereits Erreichten
zeigt, daB solche Zielstellungen nicht utopisch sind.
1m GroBraum unserer Partnerstadt Hannover z.B. wurden seit Mitte
der 60er Jahre der offentliche Nahverkehr und die Radverkehrs-
infrastruktur intensiv gefordert, mit dem Ergebnis, daB von
1975/76 bis 1980 der Autoverkehr in Hannover-Stadt um 1/5 ab-
genommen hat und jetzt 25% am Gesamtverkehr ausmacht.FUr den
gesamten Raum Hannover ergab sieh eine Abnahme um 1/8 auf 29%.
Der Fahrradverkehrsanteil nahm im gleichen Zeitraum um 1/5 auf
18% zu (Lit. 2).
15
In Leipzig gibt es noch zahilose ungenutzte Moglichkeiten fur die
Entwickiung eines attraktiven offentlichen Nahverkehrs. Dies ist
jedoch nicht Gegenstand unseres Arbeitsberichtes. Unsere Unter-
suchungen konzentrieren sich auf das Radfahren, eine okonomisch
au8erordentlich gUnstige Fortbewegungsart, die eine flachen-
deckende ErschIie8ung ermoglicht. Unter Experten besteht Einig-
keit daruber, da8 bei entsprechenden Bedingungen durch das Fahr-
rad wesentliche Teile des stadtischen Berufsverkehrs vom motori-
sierten Individu~lverkehr und auch vom offentlichen Personen-
nahverkehr ubernommen werden konnen. Dadurch kann eine gunstige
Entwickiung der Stadtstrukturbei hoherer Lebensqualitat erreicht
werden.
Radfahren ist y!!n:~@!1:t!:@Y1Jgli,tl - es erzeugt keine Abgase und
keinen Larm.
Radfahren is~ ~g~1:@1J~Q@!:@1Jgdurch die Entiastung des offentlichen
Verkehrs und den geringen Aufwand fUr den Bau und die Instandhal-
tung von Verkehrsaniagen. Die Baukosten pro m1 Ra~weg betragen
nur etwa 10% der Kosten fur 1 m1 Stadtstra8e (BoHME, 1980).
Fahrrader beanspruchen auch wesentlich weniger Verkehrsfiache ais
Autos.Radfahren ist @1J@t:gi@~g@t:@1J.g; es ist die energetisch wirtschaft- ~
Iichste Fortbewegungsart uberhaupt, Bewegungsformen im Tierreich
eingeschiossen. FUr 1 Personenkilometer werden gegenuber der Pkw-
Benutzung nur etwa 2% Energie benotigt. Speziell zum Aspekt der
moglichen Kraftstoffeinsparung hat BoHME (1980) eine sehr zurUck-
,haltende UberschIagsrechnung vorgenommen: Bei Umverteilung von
nur 10% der werktaglichen Fahrtenin Stadten tiber 10000 Einwohner
in der DDR vom Auto auf das Fahrrad konnten (bei einer durch-
schnittlichen Reiseentfernung von 3 km und einem Benzinverbrauch
von 71/100km) uber 34 Mio I Kraftstoffpro- Jahr eingespart
werden.
16
Radfahren ist 'g~~ytlgtl~!:I:1!f2t:9~t:lJg.Regelma8ige tagliche Rad-fahrt-en, z.B. zur Arbeitsstatte, ver:mitteln Korperbewegung und
eine Belastung von Herz und Kreislauf, die Herzinfarkten vorbe~-
gen hilf~ und vielleicht sogar eine Alternative zu den mitunter
recht aufwendigen FitneB-Programmen darstellen konnten.
Hinsichtl ich der,6~!-~~f!IJI:f@t:tlY1'J'g@Qsind die prinzipiellen Voraus-
setzungen fUr eine Substitution des Autos durch das Fahrrad
gUnstig: Nach Untersuchungen. die in Lit. (2) beschrieben werden,
erfolgen 4/5 aller Kfz-Personenfahrten in der BRD im Nahverkehr,
d.h. unter 15 km. 2/3 aller Wege liegen im Ent~ernungsbereichzwischen 3 und 5 km. Noch Uber die Halfte aller Wege liegen
zwischen 2 und 3 km und damit im bevorzugten Einsatzbereich des
Fahrrads. Aus den Untersuchungen von LATZSCH (1985) wird deut-
lich, daB das Fahrrad bis zu Entfernungen von 3,5 km Pkw-Fahrten
sogar mit Zeitgewi nn ,substltulerenkann.
KNOFLACHER und KLOSS (1979) haben'auf einen anderen bedeutsamen
Aspekt fUr den Umstieg auf das Fahrrad hingew~esen, namlich auf
die Abhangi gkeit des Radverkehrsantei 1s vom B@g\1@g@tlg@!:;;,,~t'.,1m
.Ergebnis stattstischer Untersu'chungen in 61 Stadten der BRD mit
mehr' als 50000 Einwohnern stellten sie eine relativ strenge
lineare Beziehung zwischen dem prozentual en Anteil y der Fahr-v
radfahrten an der Gesamtheit der Personenfahrten im Stadtverkehr
und dem spezi,fischen Radwegbestand x einer Stadt in km Radweg pro
1000 Einwohnern fest:
y = 2,47 + 23,9 x .
Diese Korrelation zwischen Angebot und Nutzung ist auch von
HUNGER (1988) bestatigt worden.
FUr die BRD ist in eine.'"Studie des Umweltbundesamtes (Lit.2) ein
Katal'og von Maf:lnahmenzur Forderung 'des Radverkehrs ausgearbei tet
worden, mit dem in der pessimistischen Variante 25% der Wege im
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Bereich bis zu 15 km und in 'eineroptimistisehen Variante 35'Y. yom
Pkw auf das Fahrrad verlagert werden konnen. Dabei handelt es
sich nicht um Prognosezahlen, sondern um aufspezielle Analysen
in Fallstudienstadten gestUtzte Annahmen. Uber die in den einzel-
nen Stadteneingelei-teten MaBnahmen undpositiven Ergebnisseder
Radverkehrsforderung finden sieh teilweise ausfUhrliche Abhand~lungenin -derFachliteratur, z.B. in Lit. (2), bei HABERMEIER
<1981>, ZIMMERMANN (1983), APEL (1984).
In diesem Zusammenhang darf nieht unerw-ahn"t bleihen, daB die
Bereitschaft in unserer Bevolkerung zum Radfahren - ebenso wie
auch inanderen Indus"trielandern -wesentlich zugenommen 'hat, und
zwar motiviert insbesondere durch ein deutlich sensibleres
UmweltbewuBtsein 'undden verstarkten Wun-sch nach korperl'icher
Betatigung. Beides sind GrUnde, die erwarten lassen, daB der
Wunsch.zum Radfahr-en nicht nur ein kurzlebiger Modetrend ist.
Die Substitution von Pkw-Fahrten durch umweltschonende Verkehrs-
mittel ist also nieht nur eine umweltpolitiseh dringend erforder-
liche Notwendigkeit; es bestehen auch gute Chancen, weMn ein
geeignetes komplexes MaBnahmenpaket zur.Stimulierung des Umstiegs
auf das Fahrrad in die Tat umgesetzt wird. Dieser Arbeitsberieht
soll hierzu einen Beitrag liefern.
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Mitte der 60er Jahre wurden bei uns - einem internationalen Trend
folgend - dem Fahrrad keine Zukunftschancen .mehr eingeraumt. Die
einseitige Ausrichtung der StraBenverkehrsplanung auf die BedUrf-
nisse des Kraftfahrzeugverkehrs hatte zu einem klassischen Bei-spiel fUr einen Kreislauf von sich gegenseitig negativ beeinflus-
senden Komponenten gefUhrt. Dieser Kreislauf ist anschaulich von
OPPERMANN (1981) herausgearbeitet worden:
1. Die Radfahrer fUhlen sich zwischen dem motorisierten Verkehr
nicht mehr sieher und greifen auf andere Verkehrsmittel wie
offentlicher Nahverkehr oder Auto zurUck.
2. Die sinkenden Radfahrerzahlen verfUhren wiederum die Planer
zu weiteren KUrzungen an Radverkehrsanlagen.
3. Bei entspreehender VerkehrsverdUnnung der Radfahrer besteht
die Gefahr, davon auszugehen, daB Radfahrer im Verkehr
"keine Rolle,mehr spielen" und zum Sehutze der noeh verblie-
benen Radfahrer Verkehrsverbote fUr ganze Stadtgebiete oder'.
StraBenzUge ausgesprochen werden.
DaB das Stadium 3 bei uns tatsachlich eingetreten war, belegt das
Ergebnis einer 1965 durehgefUhrten Befragung von StraBenverkehrs--
planern darUber, ob sie in ihrem Arbeitsbereich besondere ver-.
kehrspolitiseheMaBnahmen fUr den Fahrradverkehr fUr erforderlich
hielten. Dabei lautete z.B. die (fUr die zentralen Bezirke der
DDR gUltige) Antwort aus Halle:
"•••Radbahnen haben wir sowohl in Leipzig als auch in Halle
nicht vorgesehen. 1m wesentliehen soli der Radverkehr auf
den Innenstadtstra8en sogar verboten werden. Diese Regelung
wird darin begrUndet, daB die Radfahrer ohne Benaehteiligung
vorhandene, in der Regel parallel laufende StraBen benutzen
konnen." (zitiert naeh SAlTZ, 1967)
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Die .praktisc:henAuswirkungen dieser Einstellung sind jedem Leip-
ziger Radfah~er gel~ufig: Die generelle Sperrung des Ring& - ohne
Sc:haffung von Alternativlosungen - und das Uber viele Jahre ver-
ordnet gewesene Fahrverbot auf den Magistralen w~hrend der Leip-
ziger Messe.
Dieser negative Kreislauf fUhrte sc:hlieBlic:hdazu, daB Ende der
60er Jahredem Radverkehr fUr die Zukunft keinewesentlic:he
Bedeutung mehr von unseren Verkehrsplanern eingerAumt wurde
(SAlTZ, 1968). Erst ab der2. H~lfte der 70er Jahre wird bei uns
eine gewisse Umorientierung erkennbar, die sic:h darin ~uBert, daB
die Radverkehrsplaner nun mit' einerauf l~ngere Sic:ht konstanten
Am:ahl an Radfahrern rec:hnen (BoHME,
SIEMERS u. TATZEL, 1982).
1976 und 1980; FUCHS, 1977;
,Aufsc:hluBreic:he Angaben auc:h zum st~dtisc:hen Radverkehrsaufkommen
lieferte die dritte Runde des Systems repr~sentativer Verkehrs-
befragungen (SrV), .derzufol ge der Radverkehr in den St~dten der
DDR zwisc:hen 1972 und 1982 um 16% zugenommen hat (FoRSCHNER u.a.,
1985). Diese Entwic:klung muB im Zusammenhang mit einer allgemei-
nen Zunahme des Stadtverkehrs um 27% im. gleic:hen Betrac:htungs-
zeitraum gesehen werqen. Der Anstieg im Radverkehrsaufkommen ist
umso bem.erkenswerter, wei I er einersei ts trotz zunehmendem Auto-
verkehr auf den Strar:lenzustandekam, und andererseits im gleic:hen
Zeitraum nur sehr wenige spUrbare Verbe.sserungen der Radfahr-
bedingungen zu verzeic:hnen waren. Speziell fUr Leipzig weistdas
SrV sogar eine Zunahme des Radverkehrsaufkommens von 0,12 im
Jahre 1972 auf 0,18 F/Pd (Fahrten pro Person und Tag)
1982 auf; dasbedeutet eineZunahme um 50%!
im Jahre
Ein besonders interessantes Ergebnis des SrV war, daB Personen,
die Uberein Kfz verfUgen, im Jahre 1982 kaum weniger Radfahrten
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unternahmen (0,27 F/Pd) als Personen, die tiber kein Kfz verfUgten
(0,30 F/Pd). HierZLl sc:hreiben FoRSCHNER u.a. (1985): "Das Ergeb-
nis itberrasc:htund ist auBerordentlic:h aufsc:hluf3reic:h. Es er-
klart, warum das Radverkehrsaufkommen pro Person trotz Motori-
sierungsentwic:klung in den l~tzten 10 Jahren unbeeinfluf3t blieb.
Es darf angenommen werden, daB das Fahrrad trotz zunehmender Kfz-I
VerfUgbarkeit auc:h weiterhin als Verkehrsmittel genutzt wird,
wenn fUr den Radverk~hr annehmbare Verkehrsbedingungen gesc:haffen
werden."
In den letzten Jahren werden von unseren Radverkehrsexpertenimmer nac:hdrtic:klic:herauc:h die volkswirtsc:haftlichen sowie die
umwelt-, energie- und gesundheitspolitisc:hen Aspekte des Radver-
kehrs hervorgehoben und konkrete Vorschlage'zurVerbesserung der
Radfahrbedingungen unterbreitet, z.B. BoHME (1980), OPPERMANN
(1981), SIEMERS u. TATZEL (1982), BEYER u.a. (1984), LATZSCH
(1985). Hierzu gehort insbesondere auc:h die Dissertation von
HUNGER (1988),deren Ergebnisse uns bis jetzt nur abschnittsweise
durc:h einen Vortrag vor der Fac:hgruppe Umweltsc:hutz am 22.3.1988
bekanntgeworden sind.
Aus der Auswertung der DDR-Fac:hliteratur laBt sic:h ableiten, daB
die Umbewertungder Rolle des Radverkehrs bei den Experten voll-
zogen ist. Dies betrifft aber bis jetzt nur einen kleinen Teil
unserer Verkehrsplaner. Ebenso muB festgestellt werden, daB die
aus der Umbewertung resultierenden praktisc:hen Konsequenzen nur
sehr ~ogernd in Gang gekommen sind. So hat sic:h im Ergebnis der
,jahrzehntelangen einseitigen Ausric:htung der StraBenverkehrspla-
nUng auf das Auto ein riesiger Nac:hholebedarfangestaut.
Dieser hier skizzierte UmdenkprozeB tiber den Stellenwert des
Radverkehrs hat in anderen Landern, und zwar ausgerec:hnet in
solc:hen, wo die Motorisierung sc:hon am weitesten fortgesc:hritten
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war, berei ts zu Beg inn der 70er Jahre begonnen .(LATZSCH , 1985) •
Dies hatte gezielte ForderungsmaBnahmen zur Folge, die teilweise
ein fUr unsere derzeit:igen Verha\ltnisse nicht vorstellbares Aus-
maB hatten, und Uber deren Auswirkungen auf den Radverkehr be-
reits langj.hrige und umfangreiche Erfahrungen vorliegen. Hierzu
existieren auch zahlreiche Veroffentlichungen. Die Literatur-
zusammenstellung zum StichwortlRadverkehr" von COPRIAN u.
RICHARD (1984) weist (fUr den Zeitraum von etwa 1975 bis 1984)
275 Quellen aus, fast ausschlieBlich aus westlichen Industrielan-dern.
1m Ergebnis der Auswertung der verfugbaren Literatur mUssen wir
nuchtern feststellen: Die meisten und auch die progressivsten
Ansatze fur die Verbesserung der Radfahrbedingungen, einschlieB-
lich praktischer Erfahrungen Uber ihre Wirksamkeit, stammen aus
westlichen Industrielandern. Die Zielfunktion der Radverkehrs-
fo~derung ist dort nicht anders als bei uns, namlich Verbesserung
der Lebensqualitat, Beitrage zum Umweltschutz, zur Energieeinspa-
rung usw.. Deshalb ist es unverzichtbar, die dort vorliegenden
Erfahrungen sorgfaltig auszuwerten und gezielte Uberlegungen
anzustellen, welche der zahlreichen neuen Denkansatze und prakti-
schen Ergebnisse in welcher Weise fur unsere Verhaltnisse nutzbar
~emacht werden konnen. In diesem Zusammenhang ist zu empfehlen,
im Rahmen der s~adtepartnerschaftlichen Beziehungen zu Hannover
einen Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Radverkehrsplanung
aufzunehmen. Dort liegen langjahrige Erfahrungen mit Forderungs-
maBnahmen fUr den Radverkehr vor, uber die schon haufig in der
Fachliteratur berichtet worden ist, z.B. Lit. (2), Lit. (6), APEL(1984), SCHAFER-BREEDE u.a. (1986).
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1m Jahre 1981 wurde auf Initiative der Fachgruppe Umweltschutz
des Stadtbezirks Leipzig-SUd ein Bericht Uber die Verkehrsbedin-
gungen fUr Radfahrer im Stadtbezirk Leipzig-SUd (SCHMITZ u.a.,
1981) erarbeitet und in einer offentlichen Veranstaltung dem
Stadtrat fUr Verkehrs- und Nachrichtenwesen Ubergeben. Der Be-
richt nahm nach einer kurzen Zustandsbeschreibung eine Analyse
der wesentlichsten Verkehrsverbindungen fUr Radfahrer des Stadt-
bezirks SUd im Berufsverkehr vor und unterbreitete Vorschlage,
hauptsachlich verkehrsorganisatorischer Natur, zur besseren Ge-
staltung des Radverkehrs.
Es wurden insgesamt 41 Ma8nahmen vorgeschlagen, davon
entfielen 2 wegen alternativer Losungen,
wurden 13 bis 1988 realisiert und
.wurden 5 teilweise realisiert.
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Abb.1: Dieser Radweg durch den Wilhelm-KUlz-Park wurde imErgebnis der 81er Analyse der Radverkehrsbedingungendurch die Fachgruppe Umweltschutz Leipzig-SUd ein-gerichtet. Er mu8 aber in einen gemeinsamen Rad-/Gehwegumgeschildert werden.
Ein generelles Problem sind die Einengungen fUr den Kaftfahrzeug-
verkehr an baufalligen BrUcken und bei anderen Bauma8nahmen. Auf
einem Radfahrerforum im Jahre 1982 wurde durch den Stadtrat fUr
Verkehrs- und Nachrichtenwesen fUr die MarkthallenbrUcke eine
Losung zugesagt, die den Radverkehr yom Kfz-Verkehr trennt. Diese
Losung steht auch im Jahre 1988 noch aus (Abb'•. 2). An anderen
Stellen in der Stadt Leipzig ist die gleiche Situation anzutref-
fen, z.B. an der S-BahnbrUcke in der G.-Schumann-Str. (s. P-23).
Die im Bericht geforderten Bordsteinabsenkungen wurden nicht
durchgefUhrt. Ebenfalls zu bemangeln ist die Einrichtung der
Radverkehrsanlagen bei der Anbindung der F2 an die Wundtstr. und
ihre WeiterfUhrung bis zum Stadtzentrum.
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Hier wurde in unserem
Bericht rechtzeitig auf Mtiglichkeiten der RadwegefUhrung verwie-
sen, die insgesamt nicht berUcksichtigt wurden. Die jetzigen
Radbahnen sind teil~eise lebensgef~hrlich gefUhrt, z.B. an der
Kreuzung Wundtstr./K.-Eisner-Str. (s. P-ll), oder die FUhrung der
Radfahrer an der Kreuzung K.-Tauchnitz-Str./Wundtstr. in den
Stauraum der wartenden Kfz hinein. Die Radbahnen haben hohe
Kanten an den Auffahrten (s. hierzu unter 1-60), an der Keuzung
Riemannstr./Harkortstr. existiert uberhaupt keine RadfahrerfUh-
.•
Abb.2: Die fUr Radfahrer lebensgef~hrliche und unnotigeFahrbahneinengung an der Markthallenbrucke in der R.-Lehmann-Str. wird wohl erst verschwinden, wenn diebauf~llige Brucke rekonstriert ist.
Einige unserer Vorschl~ge sind, obwohl durchweg nicht kosten-
aufwendig, erst in diesem Jahre realisiert worden. Dazu z~hlt die
Ausweisung gemeinsamer Rad-/Fu8wege entlang des Sportforums
parallel zur F.-Ebert-Str. und durch den ostlichen Teil des
Johannaparks (Abb. 87) sowie die Einrichtung kombinierter Rad-
/Gehbahnen in der Eutritzscher Str. (Abb. 92).
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1m Stadtzentrum wurde ein Teil der vorgeschlagenen Beschilde-
rungsanderungen durchgefUhrt, nach Uber sechsjahrigem Ringen die
Freigabe der Fu8gangerzone an der Moritzbastei auch fUr Radfahrer
(Abb. 3). Das Ziel, als Alternative zum verbotenen Befahren des
Rings fUr die Radfahrer einen kompletten, in bei~en Richtungen
befahrbaren 1nn~nring zu schaffen, wurde jedoch nicht erreicht.
Unser erneuter Vorschlag hierzu findet sich im Abschnitt R-22.
Abb.3: Die Raddurchfahrt durch die weitlaufige Fu8gangerzonean der Moritzbastei zwischen Karl-Marx-Platz und Schil-lerstr. war schon in unserer 8Ier Analyse und hocheinmal 1983 in einer gesonderten Eingabe an den Stadt-rat fUr Verkehr gefordert worden. Seit Mai 1988 istdieser Bereich fUr den Mischverkehr freigegeben. DiezugehBrlgen Bordabsenkungen stehen noch aus, und dieBeschilderurig der Parkplatzeinfahrt Karl-Marx-Universi-tat/Gewandhaus verschweigt verschamt die 100m weiterhinten beginnende Radfahrmoglichkeit.
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In Auswertung der durch unsere Bier Untersuchungen bis heute
erreichten Verbesserungen im Radverkehr mUssen wir feststellen:
Das Tempo bei der Umsetzung unserer Vorschlage ist bis jetzt
entschieden zu gering.
Ein GroBteil der bisher nicht verwirklichten Vorschlage
hatte nur sehr geringe Mittel erfordert. Die Ursachen fUr
die. Nichtrealisierung sind Uberwiegend in der Einstellung
die nicht genUgend
Radverkehrsforderung
verantwortlichen Stellen zu suchen,
zeitgemaBen Konzeptionen zuran
der
orientiert ist.
FUr die im Zuge des Neubaus der F2 erforderlichen umfangrei-
chen FolgemaBnahmen zur Wiederherstellung von Radverkehrs-
anlagen konnte bis heute keine ordnungsgemaBe AusfUhrung
durchgesetzt werden.