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Neubrandenburg – Altentreptow - Malchin

Kinder psychisch kranker Eltern:

Ein Thema derErwachsenenpsychiatrie?

Dr. Rainer KirchheferKlinik für Psychiatrie und Psychotherapie

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Ja!

Aber...

Anamneseerhebung Haben Sie Kinder? Sind die Kinder versorgt?

... was passiert dann? Erhalten die Familien die nötige Unterstützung?

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Ein Blick in denVersorgungsalltag

Wie viele psychisch Kranke mit minderjährigenKindern gibt es?

Können psychisch Kranke Kinder versorgen? Welche Schwierigkeiten gibt es? Welche Unterstützung benötigen und

bekommen psychisch Kranke und ihre Kinder?

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Szene aus dem Alltag der PsychiatrieAnfang der 70er Jahre, psychiatrische Klinik inSchleswig-Holstein

Eine Frau wurde wenige Wochen nach derEntbindung mit einer schweren Depressionaufgenommen.

in der Akte finden sich keine Hinweise auf dasKind... Wo lebt es? Wer kümmert sich?

(in den sparsamen Akteneinträgen fehlt aber nichtder Hinweis, dass die Patientin nicht besondersfleißig bei der Arbeitstherapie war)

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Szenen aus dem Alltag der PsychiatrieHeutzutage

Depressiv erkrankte Muttero Stress:

• Tagesklinische Behandlung wird eingeschoben in dieKinderbetreuungszeiten

• Jugendamt zweifelt Erziehungsfähigkeit an Depressiv erkrankte Mutter

o Bricht wegen fehlender Betreuung für ihre Kinder dieBehandlung ab

Unreife Muttero Lebt in Mutter-Kind-Einrichtungo Konflikte mit Heimleitungo Psychiatrische Behandlung auf Veranlassung des

Jugendamtes, um die Erziehungsfähigkeitherzustellen (oder vermutete fehlendeErziehungsfähigkeit bestätigen zu lassen)

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Szenen aus dem Alltag der PsychiatrieHeutzutage

An einer Psychose erkrankte Schwangereo Keine adäquate Selbstfürsorgeo Selbstverletzungsversucheo Kind wurde nach der Geburt Pflegefamilie übergeben

An einer Psychose erkrankte junge Frauo Vermutet Schwangerschafto Äußert Kinderwunscho (Wunsch des Psychiaters nach Verhütung)

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Was hat sich verändert

Elternschaft wird thematisiert Schwierigkeiten werden erkannt

Aber: Angst vor Entzug des Kindes, wenn um Hilfe gefragt wird Gibt es passende Hilfen?

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Zahlen zum Einstieg

Mindestens 4,5 Millionen Erwachsenebenötigen jedes Jahr wegen psychischenErkrankungen fachliche Hilfe

Psychisch kranke Menschen haben genau sohäufig Kinder wie psychisch Gesunde

8% der 12 Millionen Kinder haben psychischkranke Eltern

3 Millionen Kinder sind jährlich von derpsychischen Erkrankung ihrer Eltern betroffen

¿Können dieseZahlen stimmen?

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Zahlen für die stationäre Behandlung

10-30% der stationären PatientInnen sindEltern von minderjährigen Kindern

Erhebung in Rheinland-Pfalz 6700 stationäre Aufnahmen von Eltern im Jahr

2007 130.000 Betreuungstage Betreuung erfolgt meistens durch Familie und

Freunde

Nicht vergessen: In eine stationäre Behandlung begeben sich

nur schwer kranke Eltern.

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Warum ist es ein Thema

Sicht der Kinder Sicht der Eltern Gesellschaftliche Sicht

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Kinderperspektive

Eine psychische Erkrankung der Eltern erhöht die Gefahrfür die Kinder selber psychisch krank zu werden um das2- bis 10fache

Psychisch Erkrankung der Eltern ist der höchsteRisikofaktor

Mehr als die Hälfte der psychiatrisch behandelten Kinderund Jugendliche haben ein oder zwei psychisch krankeElternteile

Vermutlich gibt es weitere Risikofaktoreno Schweregrado Chronizität (Verlauf, Dauer und Häufigkeit von

Krankheitsphasen)o Komorbidität

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Vulnerabilitäts-Stress-Coping- Modell

Vulnerabilität

VeranlagungVeranlagungPsychosozialePsychosoziale

FaktorenFaktoren

Protektive Protektive FaktorenFaktoren

StressorenStressoren

Psychische Psychische ErkrankungErkrankung

SozialeSozialeKompetenzKompetenz

PsychopharmakaPsychopharmaka

Coping

WennStress > Coping

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Risikofaktoren

Erhöhtes genetisches Risiko Psychosoziale Faktoren

o Passivität, reduzierte (mütterliche) Empathie undReaktion auf kindliche Signale im Frühkindalter

o Fehlen von angemessenen frühenBindungserfahrungen

o Unangemessener Erziehungsstil in späterenEntwicklungsphasen

o Trennungeno Armuto Disharmonie

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Genetische Risiko am Beispiel derSchizophrenie

Mattejat, Kinder psychisch kranker Eltern, Deutsches Ärzteblatt 2008

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Kinder psychisch kranker Eltern

„Hochrisikopopulation“ Akkumulierte biologische und psychosoziale

Risikofaktoren

Folgen: Schlechtere Entwicklungsprognose Defizite der kognitiven und sozial-emotionalen

Entwicklung im Kleinkindalter Verlangsamte Sprachentwicklung

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Wie reagieren Kinder auf diepsychische Erkrankung ihrer Eltern Desorientierung:

o Die Kinder sind geängstigt und verwirrt, weil sie die Probleme derEltern nicht einordnen und nicht verstehen können.

Schuldgefühle:o Die Kinder glauben, dass sie an den psychischen Problemen der

Eltern schuld sind: „Mama ist krank/durcheinander/traurig, weil ichböse war/weil ich mich nicht genug um sie gekümmert habe“.

Tabuisierung (Kommunikationsverbot):o Die Kinder haben den (meist begründeten) Eindruck, dass sie über

ihre Familienprobleme mit niemandem sprechen dürfen. Sie haben dieBefürchtung, dass sie ihre Eltern verraten (dass sie etwas Böses tun),wenn sie sich an Personen außerhalb der Familie wenden.

Isolierung:o Die Kinder wissen nicht, an wen sie sich mit ihren Problemen wenden

und haben niemanden, mit dem sie darüber sprechen können. Angst:

o Selber zu erkrankenMattejat 2005

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Resilienz

Nicht jedesHochrisikokinderkrankt

Welche Faktorenschützen?

Coping Strategien Genetische Faktoren

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Konsequenz für die Kinder

Prävention ist möglich und erforderlich! Ziele: vorhandenen psychosozialen Belastungen reduzieren individuelle und soziale Schutzfaktoren stärken, um eine normale Entwicklung zu ermöglichen.

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Elternperspektive

80 Prozent psychisch kranker Eltern geben an, dassihre Krankheit die Kinder belaste

50 Prozent hätten auf eigene Behandlungen wegender ungeklärten Betreuung der Kinder verzichtet

Psychisch kranke Eltern fürchten sich in vielen Fällenvor dem Jugendamt

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Elternperspektive

Belastende Faktoren Teratogenes Risiko von Psychopharmaka Rezidivrisiko nach Absetzen der Medikation Rezidivrisiko im Wochenbett Ist die Erziehungsfähigkeit gegeben?

o Einschränkungen ggf. durch Medikationoder die Erkrankung selbst

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Kinderwunsch psychisch Kranker

Wichtiges Thema für viele Frauen (auch für Frauen mitpsychischer Erkrankung)

Silvia Krumm hat drei Gruppen von Frauen identifiziert:1. Kinderwunsch wird wegen psychischer Erkrankung

ausgeschlossen2. Kinderwunsch wird aufgeschoben3. Kinderwunsch wird realisiert - Problematik nicht

beachtet Gibt es nicht noch eine vierte Gruppe?

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Gesellschaftliche Perspektive

Ist Elternschaft ist mit psychischer Erkrankungvereinbar?

Langjähriger Common Sense: Psychisch Krankesollen keine Kinder bekommen

Stigmatisierungserfahrungen vieler psychischkranker Mütter

Auch im professionellen Umfeld Wird der Kinderwunsch psychisch kranker Mütter

ernst genommen oder unterstützt?

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Ja!

Aber...

... nicht allein

Kinder psychisch kranker Eltern:Ein Thema der Erwachsenenpsychiatrie?

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... wer ist eigentlich zuständig?

Jugendhilfe

Angehörige

Erwachsenenpsychiatrie

Kinder- undJugendpsychiatrie

Kinder psychisch kranker Eltern

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Aufgaben und Fragestellungen

Kontakt der psychisch kranken Eltern zum Kind als Teilderen Therapie

o Rooming-in Mutter-Kind-Therapie als Prävention für die Kinder und

zur Stärkung der Eltern Kind sollte über die Erkrankung aufgeklärt werden Sind die Eltern (aktuell) in der Lage trotz der

psychischen Erkrankung ein Kind zu erziehen? Entlastung der Familie

o Kind soll durch die Erkrankung seiner Eltern nicht belastetwerden

Identifizierung psychisch kranker Eltern und Kinder

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr. Rainer Kirchheferpsy@dbknb.de