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Schmerzen im Alter –Warum ist die Pflege hier besonders wichtig?
Fachtagung Palliative CareKatholischer Pflegeverband e.V. und Healthcare AcademyOffenburg, 24.Mai 2011
Dr.Hubert R. JOCHAM MSc
Schmerzmanagement |Offenburg |
2011 |Folie 2 |
Inhalte1. Einführung1.1 Schmerz und Alter1.2 Multimorbidität2. Schmerzwahrnehmung3. Behandlungsmöglichkeiten4. Zusammenfassung5. Fragen und Diskussion
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Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 3 |
Wunsch oder Wirklichkeit?
Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 4 |
Who`s problem is pain?
Jeder der sich darum bemüht?Pflegeexperten Schmerzmanagement?Algesiologische Fachassistenzen?Pain nurses?Palliative Care Fachkräfte?Pflegewissenschaftler?Pflegemanager?Ärzte? .?
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Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 5 | Statistisches Bundesamt 2003
Altersaufbau über die Jahre 1950 bis 2050
Bevölkerungsentwicklung 1950 bis 2050
600 300 300 600tausend tausend
Männer Frauen
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
1950
2050
2001
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2011 |Folie 6 |
Bedeutung von Schmerz
Schmerz ist beim gesunden Menschen ein wichtigesWarnsymptomAuch beim alten Menschen ist ein neu auftretenderSchmerz ein Warnsymptom, vor allem im Bereich vonKopf, Brust und Bauch:
– Hirnblutung– Herzinfarkt– Lungen- oder Rippfellentzündung– Blinddarmentzündung, Magendurchbruch
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Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 7 |
Schmerz und Alter
Alter ist so individuell wie JugendAlter ist kein AnalgetikumSchmerzen im Alter werden zu selten thematisiertAlte Menschen machen sich Sorgen, bezüglich ihrerSchmerzenMythos: Schmerzen sind physiologischer Bestandteil des Alters
Folge: effektive Schmerztherapie ist kaum zu erzielen
Möglichkeiten eines Anamnesegespräches aus bio-psycho-sozialem Blickwinkel
Untersuchung mit Assessment-Methodik zu wenig ausgeschöpft
Unterscheidung zwischen akuten und chronischen Schmerzenzu wenig Aufmerksamkeit gewidmet
Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 8 |
Schmerz als Symptom
> 50% der über 70 Jährigen haben häufige oderdauernde Schmerzen60-80% der Menschen in Pflegeheimen leiden anchronischen Schmerzen
Pfisterer
84% der Menschen im letzten Lebensjahr klagen überSchmerzen Sandgathe-Husebo
Schmerz führt häufig zu Schonhaltung und Immobilität
nicht alle dieser Menschen erwarten dagegen ständigemedikamentöse Hilfe
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2011 |Folie 9 |
Schmerzchronifizierung im Alter
ImmobilitätSchon-/Schmerz-vermeidungs-verhalten
Akuter Schmerzpersistiert
bio-psycho-sozialeEinflüsse
HilflosigkeitMuskel-
schwächung
Schmerzkrankheit
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2011 |Folie 10 |
Suizidmotive deutscher Senioren
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Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 11 |
Multimorbidität Älterer
0
50
100
150
200
250
300AnzahlderPatienten
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Anzahl Erkrankungen
Hardt, R., Deutscher Schmerztag 2001
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2011 |Folie 12 |
Multimorbidität im Alter
HerzinsuffizienzHypertonieDiabetes Mellitus Typ 2FettstoffwechselstörungenKHKpAVK
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2011 |Folie 13 |
Führende Schmerzdiagnosen bei Patienten über 70 Jahre
0 5 10 15 20 25 30
Tumorschmerzen
Medizinische Eingriffe
Kr. Nervensystem
Verletzungen
Symptom "Schmerz"
Ischäm. Herzkr.
Skelettsystem sonst.
Arthrosen
WS/Rücken
Häufigkeiten in %
Müller-Schwefe, Deutscher Schmerztag 2001
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2011 |Folie 14 |
Häufigkeit der Anwendung von Analgetikabei über 70jährigen Patienten
0 5000 10000 15000 20000 25000 30000 35000 40000 45000
Diclofenac
ASS
Tramadol
Opioidkombi
Ibuprofen
Metamizol
Paracetamol
Rofecoxib
Morphin
Fentanyl TTS
Verordnungshäufigkeit
Auswertung aus 400 Arztpraxen, Zeitraum Januar-Dezember 2000:43.587 Schmerzpatienten > 70 Jahre,
Müller-Schwefe, Deutscher Schmerztag 2001
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Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 15 |
WHO-StufeIII-Opioid
3%
NSAR+WHO-Stufe II/III-
Opioid13%
WHO-StufeII-Opioid
19%
NSAR65%
Häufigkeit der Anwendung von Analgetika bei über70jährigen Patienten
NSAR gesamt = 78 % !
Müller-Schwefe, Deutscher Schmerztag 2001
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2011 |Folie 16 |
Barrieren der Schmerzäußerungbei Älteren
Schmerz als natürliche Konsequenz des AlternsSchmerz als Metapher für schwere Erkrankung /nahenden TodSchmerz als Sühne / SchicksalSchmerz als Schwäche oder PrüfungAngst vor Diagnostik und TherapieAngst vor AutonomieverlustAngst vor Nebenwirkungen oder Abhängigkeit
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2011 |Folie 17 |
Wie gut behandeln wir Schmerzen bei Menschenmit Demenz?
Patienten mit einer Demenz-Erkrankung erhalten deutlichweniger Analgetika als kognitiv unbeeinträchtigte Personender gleichen Altersgruppe
(Ferrell et al, 1995; Hanlon et al., 1996; Scherder and Bouma, 1997; Horgas & Tsai, 1998; Fisher et al., 2002)
Nicht demente Patienten erhalten nach Schenkelhalsfrakturdie dreifache Dosis Morphinäquivalent von Dementen
Morrison R.S. PainSymptom Management 2000
> 80-Jährige erhalten um 1/3 weniger Opiate als JüngereBernabelR. et al; JAMA 1998
Pflegeheimpatienten ohne Schmerztherapie haben einensignifikant niedrigeren MMSE-Score als Patienten mitSchmerztherapie
ClossSJ., BarrB., Briggs M.; Br J Gen Pract2004
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2011 |Folie 18 |
Folge von chronischen Schmerzen
SchlafstörungenDepressionSpezifisch im Alter
Immobilität bzw. MobilitätsverschlechterungFehl- und MangelernährungMultimedikation
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2011 |Folie 19 |
Was könnte helfen?
Sie alle als Angehörige, Schüler, Lehrende undPflegende und SeelsorgerGenügend Zeit für die Bewohner und Patienten und etwas mehr Ordnung im System
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2011 |Folie 20 |
Expertenstandard Schmerzmanagement
www.dnqp.de
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2011 |Folie 21 |
Schmerzeinschätzung
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2011 |Folie 22 |
Schmerzwahrnehmung im GehirnSchmerzwahrnehmung im Gehirn
Im Gehirn werden dieSchmerzreizein Schmerzempfindungenumgewandelt ...
... mit modernen Verfahren läßtsich die damit verbundeneHirnaktivität bildlich darstellen.
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2011 |Folie 23 |
Hierarchie
McCaffery et al., 1999
Schmerz ist das,
was der Patient sagt!
KeineSchmerzen
StärksteSchmerzen
0 10x
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2011 |Folie 24 |
• Abbey Pain Scale• Doloplus• ECPA
• BESD (Beurteilung Schmerz bei Demenz)
• BISAD
• ZOPA (Zürich Observation Pain Assessment)
Durch keinen dieser Tests lassen sichSchmerzen so genau und differenzierterfassen wie durch gute Beobachtung!
• Abbey Pain Scale• Doloplus• ECPA
• BESD (Beurteilung Schmerz bei Demenz)
• BISAD
• ZOPA (Zürich Observation Pain Assessment)
Durch keinen dieser Tests lassen sichSchmerzen so genau und differenzierterfassen wie durch gute Beobachtung!
Es gibt einige relativ gute Tests zur Erfassung vonSchmerzen schwer dementer Menschen:
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2011 |Folie 25 |
Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 26 |
I. Verbale Schmerzäusserung
Verbaler Schmerz und Schmerzgeräusche /Äusserungen müssen registriert werden
– Laute oder Worte: „Au!, „Das tut weh“,Stöhnen, Rufen, Klagen
Cave:– Man kann sich nur nicht allein darauf verlassen!!!– Aphasie, Repetitionen
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2011 |Folie 27 |
II. Gesichtsausdruck (Mimik)
Gesichtsausdruck– Falten auf der Stirn– Geschossene Augen– Gepresster Mund
Cave– Haut, Falten, Gebiss, Parese, Parkinson– Chronischer - akuter Schmerz?– Gewöhnungseffekt
Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 28 |
III. Abwehrreaktion
Körpersprache– Anspannung– Beschützen, Abwehren– Schlagen– Veränderung in der Atmung
Cave– Immobilität (Parese)– Erkrankungen (Parkinson)– Fähigkeit, Schmerz zu erwarten
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2011 |Folie 29 |
Behandlungsziel
Individuell angepasste Schmerzlinderungnicht unbedingt Schmerzfreiheit
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2011 |Folie 30 |
Strukturierte Schmerztherapie
Schmerzmittel sind bei chronischen Schmerzenplanmäßig
- zu festen Zeiten sowie- zusätzlich bei Bedarf
zu verabreichen
Behandelnde Ärzte sind gehalten, beides zuverordnen, um dem PflegepersonalHandlungsmöglichkeiten zu geben undRücksprachen zu ersparen
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2011 |Folie 31 |
Analgetikaeinsatz bei alten und dementen Patientenmit Schmerzen
Aufgrund veränderter Leber-, Nieren- undKreislauffunktion sowie vermindertem Fettgewebekönnen Medikamente stärker, länger und unvor-hersehbarer wirken.
Die Analgetikaverträglichkeit alter Menschen istdeshalb zumeist deutlich reduziert!
Deshalb: „Start low – Go slow – Go far enough“1. Beginn der Basismedikation mit niedriger Dosis,2. vorsichtige, aber ausreichende Dosissteigerungen,3. immer Festlegung und Nutzung einer schnell-
wirksamen Bedarfsmedikation !
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2011 |Folie 32 |
Häufigste Nebenwirkungenbei Schmerzmittel
Aspirin, NSAR: MagenblutungOpoide/Opiate: Übelkeit, Erbrechen, Obstipation,Benommenheit, Verwirrtheit, SturzgefährdungInteraktionen steigen exponentiell mit der Anzahlan Medikamenten , 5 Medik. bereits problematisch,mehr als 8 Medikmente sind nicht mehr übersehbarCompliance und Einnahmesicherheit
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2011 |Folie 33 |
Schmerzpflaster eignen sichfür sehr alte Menschen
in der letzten Lebensphasein den seltensten Fällen
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2011 |Folie 34 |
STARKE OPIOIDEbei alten Menschen
Viel häufiger indiziert als verordnet!
Indikation:
Starke chronische Schmerzen(bei dementen und nicht dementen
alten Menschen)
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2011 |Folie 35 |
Wird ein starkes Opioid verordnet,müssen gleichzeitig
Medikamente zur Behandlungder Nebenwirkungen (vor allemAbführmittel) mit verordnet
werden!
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2011 |Folie 36 |
Nichtmedikamentöse Therapienbei älteren Patienten (Evidenzgrad)
Training körperlicher Aktivität bei chronischenSchmerzen für Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer
Patientenedukation bei chronischen Schmerzpatienten
Kognitiv-behavioraleTherapie von Schmerzpatienten beientsprechender Indikation
Adjuvant: vorübergehende Linderung durch Kälte,Wärme, Massage, Chirotherapie, Akupunktur und TENS
InterventionelleTherapien: OP, Gelenkersatz etc.
JAGS (2002), 50: S.205 – S.224
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2011 |Folie 37 |
Nichtmedikamentöse Therapienbei älteren Patienten
Physikalische Therapie– Massagen– Ultraschall– Reizstrom– Wärme-/Kälteapplikationen– ev. Trainingstherapie / BäderAblenkungstherapie (Filme, Lachen, Musik)EntspannungstechnikenPsychotherapie/Seelsorge
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2011 |Folie 38 |
Nicht-medikamentöse Maßnahmen (1)
Periphere Techniken
Kälteanwendung:– Eisbeutel, Gelpacks, Umschläge und Wickel
Wärmeanwendung:– Wärmeflasche, elektrische Heizkissen, Wickel und
Auflagen, BäderVibration/Stimulation:
– Elektrische Massage mittels Vibrator,– TENS, transkutane elektrische Nervenstimulation– Akkupunktur
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2011 |Folie 39 |
Nicht-medikamentöse Maßnahmen (2)Zentral wirksame (kognitive) Techniken
Entspannung:– Tiefe Atementspannung– Massage– Progressive Muskelentspannung– Autogenes Training– Hypnose– Biofeedback– Meditation– Achtsamkeit– Gebet,Glaube,Hoffung– Tiere
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2011 |Folie 40 |
Kommunikation und Vernetzung
Die Kommunikation und Vernetzungim �„therapeutischen Team�“ istnotwendig und muss in Ganggebracht werden.Eine Aufgabe, die sichhervorragend dazueignet, mit denZielgruppen inKontakt zu kommenund sichnachhaltig im Bereich�„Schmerzmanagement�“zu profilieren.
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2011 |Folie 41 |
Schmerzmanagement |Offenburg|
2011 |Folie 42 |
Alles neu?
...oder was kann sich durch den Expertenstandard in derambulanten und stationären Alten- und Krankenpflegeverändern?
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2011 |Folie 43 |
PflegeüberleitungBrückenpflegeSchnittstellenmanagementEntlassmanagementVernetzungIntegrierte VersorgungKooperation
ambulant
stationär
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2011 |Folie 44 |
Healthcare AcademyDr. Hubert Jocham MScArgenstrasse 5788069 Tettnanghubert.jocham@health-care-academy.de