Post on 07-Mar-2016
description
transcript
Warum Gäste gute Geschichten und starke Bilder lieben
STORYTELLING
T O U R I S M U S M A G A Z I N | A U S G A B E 0 3 / 1 1 | S O M M E R 2 0 1 1
P.b
.b.
| V
ER
LA
GS
OR
T: 6
02
0 I
NN
SB
RU
CK
| 1
0Z
03
83
87M
DER TRACHTENEXPERTE FÜR DAMEN, HERREN & KINDERLeopoldstr. 28, 6020 Innsbruck, Tel.: + 43 512 578691, Fax: 573738
Öffnungszeiten: Mo - Fr: 9:00 - 18:00 Uhr, Sa: 9:00 - 13:00 UhrErster Samstag im Monat: 09:00 - 17:00 Uhr
www.heuundstroh.com
Fotos: Thomas Bause, Oliver Kurzemann
„Hoamat Liab“Harry Prünster für Heu & Stroh
H&S_001_AZ_SAISON_210x280_0411_RZ.indd 1 07.04.11 11:06
3 saison
StiCHWort
STORYTELLINGEine Erzählmethode, mit der Zuhörer in eine
Geschichte emotional eingebunden werden.
So wird das zu vermittelnde Wissen besser
verstanden und angenommen. Storytelling dient
neben der Unterhaltung durch Erzähler unter
anderem auch als Methode im Bildungswesen, im
Wissensmanagement und im Marketing.
Österreichs beliebteste TV-Spots 2010 Danone actimel: „Herbert, trink das!“
Wiener Zucker: „Lipizzaner“
Rekord Fenster: „Das schnellste
Fenster Österreichs“
Mömax: „Lass dich nicht von deinen
Möbeln blamieren“
Darbo Konfi türe: „secret“
„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie auf wachen.“JORGE BUCAY, schriftsteller
„Wahrheit ist zweitrangig, solange wir an eine Geschichte glauben und glauben wollen.“WERNER T. FUCHS, Werber und storyteller
„Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung.“ DIETER HERBST, PR-Experte und autor des Buches „storytelling“
VerschollenDer Hitchcock-Film
„The Mountain
Eagle“, der in den
20er-Jahren in
obergurgl gedreht
wurde, gilt bis heute
als verschollen. Das
British Film institute
hat ihn jetzt zum
meistgesuchten Film
der Welt ernannt
– auch das eine
starke Geschichte.
Geschichten-Erzähler waren in
Zeiten vor der alphabetisierung
in allen Gesellschaften hoch
angesehen. sie waren meistens
die einzigen informanten und
verfügten über großes Wissen.
Das Erzählen war ausschließlich
Männern vorbehalten, zum ge-
sellschaftlichen status kam eine
verhältnismäßig gute Entlohnung.
Zahlen, bitte
10.000Das einzige Erzählfestival Österreichs, „fa-
belhaft! niederösterreich“, überschritt im
Jahr 2010 erstmals die 10.000-Besucher-
Marke.
© T
iRo
L W
ER
BU
nG
/Do
Min
iK G
iGLE
R
© D
an
on
E
4
Echt Tirol
Vor wenigen Tagen wurde Tirols au-
ßergewöhnliches Fotoprojekt „sight-_
seeing“ in Berlin vorgestellt und mit
viel applaus bedacht. Zur Erinnerung:
sieben Fotografen, die zur Elite der europäischen Land-
schaftsdokumentaristen zählen, waren im vergangenen
sommer in Tirol ausgeschwärmt, um persönliche sehn-
suchtsorte zu entdecken und mit der Kamera einzufan-
gen. nach ausstellungen in innsbruck und Wien be-
geistert die außergewöhnliche Fotodokumentation nun
auch in der deutschen Bundeshauptstadt. Deutlich wird
bei all diesen Präsentationen, dass die ungeschminkte
Landschaftsfotografi e, die sich radikal von den ge-
schönten Katalogbildern der Werbung distanziert und
einen zeitgenössischen Blick auf oftmals unbekannte
Tiroler sehnsuchtsorte wirft, gleichermaßen fasziniert
wie bewegt. Es bleibt kein Zweifel: Der Blick – ungetrübt
vom scheinbaren, vom inszenierten, vom Komponier-
ten – hin zum Echten, das tatsächlich so ist, wie es ist,
weckt Emotionen.
so intensiv wir den in den Details nicht mehr ver-
stehbaren, oftmals auch negativen auswirkungen der
globalisierten Welt ausgesetzt sind, so heftiger scheinen
wir uns das Glück des Überschaubaren, des Regionalen,
des Echten zu wünschen. Die Rückkehr zum menschli-
chen Maß, das der berühmte österreichische Philosoph
und nationalökonom Leopold Kohr einst einmahnte, darf
nicht erst angesichts von EHEC-Hysterie und weltweiter
Finanzkrise als Chance für den kleinteiligen alpentouris-
mus verstanden werden. auch der Lebensmittelhandel
hat dies längst erkannt und bedient mit Marken wie „Zu-
rück zum Ursprung“ die sehnsucht von Massen.
Authentische Tiroler Identität. Es gibt mitt-
lerweile auch genügend indizien dafür, dass das Echte
geistreich in szene gesetzt, Tirols Gäste begeistert. Ge-
rade dieser Tage feierte eine in diesem Geiste sensibel
und behutsam entwickelte Tiroler sommerattraktion ein
rundes Jubiläum. seit zehn Jahren zieht das Hexenwas-
ser in Hochsöll geradezu magnetisch all jene in seinen
Bann, die die alpine Bergwelt mit allen sinnen entdecken
wollen. „staunen – begreifen – verstehen“ ist auch im
zehnten sommer das hinweisgebende Erfolgsrezept des
weitläufi gen wie vielseitigen Erlebnis-areals. 1,5 Millionen
Besucher hat das Hexenwasser bislang gezählt. Und die
Faszination ist – nicht zuletzt ob der dargebotenen echten
Qualität – ungebrochen. aber auch viele initiativen, die
heuer mit dem Tirol Touristica geehrt werden, stellen
regionale stärken unseres Landes gekonnt in szene. Der
kulinarische Jakobsweg Paznaun, der Karwendelmarsch
oder Josef Ziepl, der unter anderem die alpenschule be-
gründete, stehen exemplarisch für diesen erfolgreichen
Tiroler Weg.
Der touristische Erfolg unseres Landes wird somit
vielleicht noch stärker als bisher in den echten Details zu
fi nden sein, in einer authentisch gelebten und zeitgemäß
präsentierten Tiroler identität. nur wer seine Vergan-
genheit kennt, hat eine erfolgsversprechende Zukunft.
Denn letztendlich bestimmt unsere Geschichte auch die
Geschichten, mit denen wir überzeugen. Wie wir unsere
Geschichten rund um den vielseitigen Tiroler Bergsom-
mer stimmig, echt und eindringlich erzählen – dieser
Herausforderung widmen wir uns heuer beim Tiroler
Tourismusforum. Tirol entwickelt seine anziehungskraft
jedenfalls in der summe regionaler Besonderheiten, in
einer strategisch geplanten Landeskommunikation, die
diese stärken im internationalen Kontext verstärkt. „Echt
Tirol“ – das mag somit auch als richtungsweisend für eine
erfolgreiche Tirol Werbung zu verstehen sein. Das gilt auch
für die institution „Tirol Werbung“, die einerseits in einem
neuen Zusammenspiel mit den 34 Tourismusverbänden
Kräfte bündeln kann, dabei andererseits aber nie die Mar-
kenkommunikation Tirol aus dem auge verlieren darf.
Die starken Bilder aus dem starken Land sind zu
Recht nie von lokalen Einzelinteressen beeinfl usst. Denn
die Marke Tirol ist in aller Welt bekannt und beliebt. Und
dieses Wissen bestimmt auch künftig unseren gemeinsa-
men auftrag: Die anziehenden, echten Kernwerte Tirols
noch stärker als bisher zeitgenössisch, überzeugend und
authentisch zu zeigen und erlebbar zu gestalten! ×
EDiToRiaL
J o s EF M a R G R Ei T ER , D i R EK To R T i R o L W ER B U n G© T
iRo
L W
ER
BU
nG
/Mo
niK
a G
UFL
ER
5 saison
editorial
Die Rückkehr zum menschli-chen Maß, das der berühmte österreichische Philosoph und Nationalökonom Leo-pold Kohr einst einmahnte, darf nicht erst angesichts von EHEC-Hysterie und weltweiter Finanzkrise als Chance für den kleinteiligen Alpentourismus verstanden werden.
Der touristische Erfolg un-seres Landes wird vielleicht noch stärker als bisher in den echten Details zu finden sein, in einer authentisch gelebten und zeitgemäß prä-sentierten Tiroler Identität.
Der Blick – ungetrübt vom Scheinbaren, vom Inszenier-ten, vom Komponierten – hin zum Echten, das tatsächlich so ist, wie es ist, weckt Emotionen.
JETZ
T N
EU
BEI
CO
UC
HZO
NE
7 SAISON
INHALT
IMPRESSUMSAISON – Tourismusmagazin, Nr. 3/2011 (63. Jahrgang) SAISON-Abohotline: 0512/58 60 20
HERAUSGEBER: Tirol Werbung, Maria-Theresien-Straße 55, 6020 Innsbruck • MEDIENINHABER UND VERLEGER: target group publishing GmbH – Zielgruppen Verlag, Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck • CHEFREDAKTEUR: Matthias Krapf • REDAKTION: Mag. Sylvia Ainetter, Ste� en Arora, Julia Brugger, Mag. Sonja Kainz, Mag. Jane Kathrein, Esther Pirchner, Dr. Michael Riedler • AUTOREN: Ernst Molden, Alois Schöpf • FOTOGRAFEN: Gerhard Berger, Michael Rathmayr • PRODUKTION: NERO WerbeGmbH, www.nerografi k.net • LAYOUT: Philipp Frenzel • ANZEIGENVERKAUF: Thomas Pilgram, t.pilgram@zielgruppenverlag.at • ANSCHRIFT VERLAG/PRODUKTION: Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck, Tel. 0512/58 60 20, Fax DW -20, redaktion@zielgruppenverlag.at • GESCHÄFTSFÜHRUNG VERLAG: Mag. Andreas Eisendle, Michael Steinlechner • DRUCK: Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten
THEMA: STORYTELLING
8Storytelling: Die Kunst des ErzählensDie Marketingtechnik des Storytellings wird auch im Tourismus immer wichtiger.
12„Menschen merken sich Geschichten“Geschichten-Erzählen ist Kunst und Handwerk zugleich. Der Schweizer Storyteller Werner Fuchs im Interview.
16Die Werber von nebenanSie sind die Fortsetzungsromane der TV-Werbung: Spots, die – manchmal über Jahre – weitererzählt werden.
18Tirol erzählt GeschichtenDie Tirol Werbung ist auf den Ge-schmack des Storytellings gekommen.
20Die Sehnsucht, gehört zu werdenDer Erzähler Folke Tegettho� über die Magie des Erzählens.
24Die Geschichten-ErzählerDie Cine Tirol vermittelt seit 13 Jahren Geschichten, die ein Stück Tirol mittransportieren.
27 TourismusForum 2011Die Gewinner des Tirol Touristica.
MAGAZIN
32Bilanz der ersten theALPS-VollversionEs war ein Risiko, theALPS in weniger als einem halben Jahr auf die Beine zu stellen, aber es hat geklappt.
34Urlaubst du schon? Karl Pall, Chef von Google Österreich, hat die meistgenutzte Suchmaschine der Welt nach Antworten durchforstet.
36Live-HilfesystemEin Hotel im Ötztal testet die virtuelle Rezeption.
38„Kein unbeschränktes Wachstum“Landesrat Christian Switak über den Raumordnungsplan „Raumver-trägliche Tourismusentwicklung“.
12
36
40
44
8
20
40Shalom, Serfaus!In Serfaus sorgen ungewohn-te Gäste auch in der warmen Jahreszeit für volle Betten.
42Natur im ZoomDie Fotoworkshops in den Tiroler Naturparks.
44Dramatik in InnerkrottenbergBernhard Wolf und Thomas Gassner über ihr gemeinsames Stück und die Geierwally Freilichtbühne.
46Neue Töne in Oper und KonzertAb der Saison 2011/12 steht das Tiroler Symphonie orchester Innsbruck unter der Leitung zweier Diri genten.
49 Kommentare
50 Nachgefragt
„MENSCHEN MERKEN SICH
GESCHICHTEN“ 34URLAUBST DU SCHON ODER GOOGELST DU NOCH?
LIVE-HILFESYSTEM
SHALOM, SERFAUS!
STORYTELLING:DIE KUNST DES ERZÄHLENS
DRAMATIK IN INNERKROTTENBERG
DIE SEHNSUCHT, GEHÖRT ZU WERDEN
8 SAiSoN
STORYTELLING
D ie brandneue imagekam-
pagne der Tirol Werbung
zeigt, wie es geht: Zwei
Frauen im Dirndl stehen
vor dem Eingang einer Tankstelle, in der
Hand je einen Becher. So weit die in-
formation, die das Bild dem Betrachter
tatsächlich gibt. Doch wir nehmen nicht
allein die information auf, die unsere Au-
gen liefern. Unser Gehirn denkt weiter.
So auch in diesem Fall. Beim Betrachten
des Bildes wird sofort unsere Phantasie
angeregt. Unweigerlich denkt man sich in
die Situation hinein, denkt sie weiter. Es ist
wohl frühmorgens, lässt das licht vermu-
ten. Es scheint noch etwas frisch zu sein,
sagt uns die Körperhaltung der beiden
Frauen. Beide umklammern ihren Becher,
der sie zu wärmen scheint. Wahrscheinlich
trinken sie Kaff ee, das passt zur Tageszeit.
Sie genießen wohl die Ruhe vor dem mor-
gendlichen Ansturm aufs Frühstücksbuff et
in dem Hotel, in dem sie arbeiten. Warum
sollten sie sonst Dirndl tragen? oder kom-
men die beiden Frauen vielleicht eben erst
von der Arbeit? Vielleicht wurde es wieder
einmal später, es war schon hell draußen,
als die letzten Gäste das Fest verlassen
haben. Nun noch ein gemeinsamer Tee
am Weg nach Hause, bevor es endlich in
die wohlverdienten Federn geht.
Wir wissen es nicht. Aber wir wür-
den es gerne wissen. Das Bild erzählt uns
eine Geschichte, die wir nur zu gern erfah-
ren würden. Das Bild löst Gefühle in uns
aus. Es spricht uns auf der emotionalen
Ebene an und das ist jene Ebene, die uns
weitaus mehr berührt als die rein ratio-
nale. Würde die Tirol Werbung ein Plakat
affi chieren, auf dem sie die Entwicklung
der Nächtigungszahlen der vergangenen
zehn Jahre zusammenfasst, würden wir es
betrachten und postwendend vergessen.
Die Zahlen mögen beeindruckend sein,
aber sie berühren den Betrachter nicht.
Es sind eben nur nüchterne Fakten. Und
genau diesen Umstand, dass Menschen
auf der Gefühlsebene viel eher zugänglich
und empfänglich für informationen sind,
nutzt die Technik des Storytelling, was
frei übersetzt nichts anderes heißt, als
Geschichten erzählen.
Ideales Vehikel. Diese Technik ge-
winnt in der modernen PR immer mehr
an Bedeutung. Das kommt nicht von un-
gefähr. Es war im Jahr 1996, als am renom-
mierten Massachusetts institute of Tech-
nology (MiT) in den USA Wissenschaftler,
Journalisten und Manager darüber berie-
ten, wie man lernprozesse innerhalb eines
Unternehmens so dokumentieren könnte,
dass sie das gesamte Unternehmen nutzen
kann. Die Antwort war ebenso einfach wie
wirkungsvoll: Geschichten sind das ideale
Vehikel dazu.
Der deutsche PR-Experte und Uni-
versitätsprofessor Dieter Herbst hat die
Technik des Storytellings in seinem gleich-
namigen Buch umfassend vorgestellt und
zählt mittlerweile zu den gefragtesten
Unternehmensberatern in Sachen PR im
deutschen Sprachraum. Für Herbst ist der
durchschlagende Erfolg dieser Technik
keine Überraschung. immerhin sei das
Erzählen von Geschichten so alt wie die
Sprache selbst. Und die Menschen haben
seit jeher ihr Wissen über das Medium der
mündlichen Überlieferung weitergege-
ben, sie haben es weiterzählt. „Was nicht
als Geschichte erzählt wird, hat keine
Bedeutung. Das ist sehr tief in unserem
Gehirn verankert“, sagt Herbst. Die Bibel
ist für den Experten ein Paradebeispiel
für das erfolgreiche Storytelling. letztlich
beruhe der durchschlagende und zeitlose
Storytelling: Die Kunst des ErzählensWenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Doch damit einer überhaupt eine Reise tut, muss man ihm erst was erzählen. Die Marketingtechnik des Storytellings wird auch im Tourismus immer wichtiger.
VON S TEFFEN AROR A
„Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung. Das ist sehr tief in unserem Gehirn verankert.“DiETER HERBST, PR-EXPERTE MiT SCHWERPUNKT SToRYTElliNG
© D
iET
ER
HE
RB
ST
9
Erfolg des Buches der Bücher auf seiner
Art der Wissensvermittlung. „Storytelling
ist nämlich im höchsten Maße gehirnge-
recht“, erklärt Herbst. Das nutzt auch die
Bibel, indem sie den Menschen christliche
Werte und Moral über eindrückliche Ge-
schichten vermittelt. Selbst überzeugten
Atheisten sind Kain und Abel, Adam und
Eva, Noah und seine Arche sowie all die
anderen Protagonisten wilder und zum
Teil grausamer Geschichten ein Begriff.
Ein Beweis mehr, dass Storytelling wirkt.
Doch Herbst warnt zugleich:
„Geschichten zu erzählen darf nicht mit
G’schichtln erzählen, wie der Österreicher
sagt, verwechselt werden.“ Wer Storytel-
ling zu PR-Zwecken einsetzen will, so der
Experte, der tut gut daran, bei der Wahr-
heit zu bleiben. „Wenn etwa Tirol damit
werben würde, dass die Gäste hier ein
toller Sandstrand mit Palmen erwartet,
würde das nicht lange gut gehen.“ Wer
wirbt, der baut Erwartungen auf. Und
enttäuschte Erwartungen brennen sich in
unser Gedächtnis, wie kaum etwas sonst,
warnt Dieter Herbst. Zwar dürfe die Wer-
bung natürlich ein wenig überzeichnen.
Damit rechnet der Kunde. Doch zu weit
sollte man sich dennoch nicht von der
Wahrheit entfernen.
© T
iRo
l W
ER
BU
NG Zwei von der Tankstelle.
Auch Fotos erzählen Geschichten – wie dieses Motiv der Kampagne „So nah, so fern“.
10
Brühl und der Kellerwirt. Wer Er-
wartungen weckt, der sollte diese auch
erfüllen können. Ein echtes Best-Practice-
Beispiel dazu lieferte der legendäre Kel-
lerwirt aus der Wildschönau, Hans Keller.
Anlässlich der Wander-Kampagne der
Tirol Werbung mit dem deutsch-spani-
schen Filmstar Daniel Brühl beehrte der
leinwandheld die urige Stube des Kel-
lerwirtes für einen PR-Termin. Brühl und
Keller verstanden sich sehr gut. Nachdem
die Werbearbeit getan war, tratschten und
zechten die beiden. Es wurde spät. Wie
spät, das verrät der Kellerwirt aus profes-
sionellen Diskretionsgründen nicht: „So
was sagt man nicht weiter.“
Jedenfalls kam im Zuge des feucht-
fröhlichen Abends die wunderbare Tiroler
Bergwelt zur Sprache. letztlich war Da-
niel Brühl ja zur Bewerbung ebendieser
in die Wildschönau gereist. Der Kellerwirt
schwärmte seinem weltbekannten Gast
vor, wie unglaublich das Gefühl sei, barfuß
die saftigen Almen zu bewandern, wenn
noch der kalte Morgentau an den Grashal-
men klebt. Die Erzählung des Kellerwirtes
war derart eindrucksvoll, dass Herr Brühl
nach nur wenigen, sehr wenigen Stunden
Schlaf aus dem Bett stieg, um in Beglei-
tung des Kellerwirtes dessen blumige
Erzählungen auf ihren Wahrheitsgehalt
hin zu prüfen. Kurzum: Schlaftrunken und
kaum ausgenüchtert lustwandelten Brühl
und Keller durchs Gebirge.
Der diskrete Wirt will auch darüber
nicht zu viel ausplaudern. Nur so viel:
„Auf halbem Weg hat er die Schuhe aus-
gezogen. Es hat ihm sehr getaugt.“ Hätte
Keller seinem Gast eine liste mit Fakten
vorgelegt, warum eine Wanderung dem
Körper gut tut und warum beim Bar-
fußlaufen durchs Almgras eventuell ein
Kneippeffekt zum Tragen kommt, er hätte
sich wohl höchstens einmal umgedreht
und weitergeschlafen.
Spiegelneuronen machen em-pathisch. PR-Experte Dieter Herbst
erklärt einen solchen Effekt, wie bei
Brühls Almwanderung beschrieben, über
die Spiegelneuronen. Das sind jene spe-
ziellen Nervenzellen, die den Menschen
empathisch, also mitfühlend machen. Er-
zählt jemand eine Geschichte dermaßen
fesselnd und ansprechend, dass sich ein
anderer so sehr in die Handlung oder han-
delnde Personen hineinversetzen kann,
dass er wünscht, am liebsten anstatt des
Erzählers das Geschilderte zu erleben, so
ist das ein Verdienst der Spiegelneuronen.
Doch, warnt Herbst, es komme immer
auch auf das Zielpublikum an. So nütze
es wenig, einem Adrenalin-Junkie schöne
© T
iRo
l W
ER
BU
NG
/FR
EU
DE
NT
HA
lER
Kellers Erzählungen. Schauspieler Daniel Brühl wagte eine frühmorgendliche Bergtour
nach einem feuchtfröhlichen Abend – Schuld daran war angewandtes Storytelling.
www.waterkotte.de
seit 1969
Die Wärmepumpen-SystemlösungDie Heizung mit Erdwärme:
sparsam – sauber – zukunftssicher! Die Pionierleistung und Entwicklung von
Klemens Waterkotte, von ihm zum Erfolg geführt
MEHR INFOS ZUM THEMA„Storytelling“ von Dieter Herbst, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2008
www.dieter-herbst.de
Geschichten von verträumten, romanti-
schen Almen zu erzählen. Umgekehrt
würde der Ruhesuchende Urlauber mit
Geschichten über das Abenteuerland Tirol
wenig anfangen können.
Die Technik des Storytelling kann
aber nicht allein für Betriebe oder im Falle
des Tourismus für Destinationen genutzt
werden. Mit Geschichten können vor al-
lem auch Personen in den Vordergrund
gerückt werden. Etwa Hoteliers oder
Tourismusmanager, denn Führungskräfte
repräsentieren heute ihren Betrieb nach
außen und sie bestimmen zugleich das
image der Firma maßgeblich mit, weil
sie beim Betrachter oder leser ebenfalls
Emotionen auslösen. Sie müssen ganz
einfach zu den Helden des Erzählten
mutieren. Mit interessanten Geschichten
steigt auch das interesse an der Person.
Ein Beispiel für diesen Eff ekt ist der
ehemalige deutsche Tennisprofi Boris Be-
cker. „Warum ist Boris Becker um so vieles
berühmter und beliebter als etwa Michael
Stich, der ein ebenso guter Sportler war?“,
fragt PR-Experte Herbst. Die Antwort liegt
in den Geschichten: „Becker hat selbst in
einem interview gesagt, dass er nur ja nie
aufhören darf, den Medien Geschichten
über sich und sein leben zu erzählen. Denn
nur deshalb sei er für die Menschen inter-
essant.“ Dieses gesunde Maß an Selbstein-
schätzung kann Herbst nur unterstreichen
und er teilt Beckers Meinung.
Geschichten über Personen eignen
sich hervorragend für PR-Zwecke. So ist in
der Werbung aktuell das Banker-Pärchen
der Sparkasse landesweit ein Begriff . Nicht
weil das Geldinstitut so spannende Angebo-
te zu bieten hätte. Nein, weil die beiden mit
ihrem Bürogeplänkel den Nerv abertausen-
der Zuseher treff en. Wenn die Kollegin von
ihrem Ex-Mann erzählt, der Kollege ins Fett-
näpfchen tritt, weil er sie vermeintlich für
zu alt erklärt. All das sind Geschichten, wie
sie jeder tagtäglich erlebt und die deshalb
bei den Menschen bleibende Eindrücke
hinterlassen (siehe auch Seite 16).
Digitales Storytelling. Dieter Herbst
ist sich sicher: „Storytelling ist die Zukunft.
Denn heute werden Millionen für Firmen-
kommunikation verpulvert, die nicht beim
Konsumenten ankommt, weil sie ganz ein-
fach nicht wirkt.“ Seine vollen Auftragsbü-
cher bestätigen ihn. Herbst ist ein gefragter
Berater, der mit der „jahrtausendealten
Technik“ die moderne PR-Welt aufmischt.
Dabei stellen die neuen Medien, allen voran
das internet mit dem Web 2.0, kein Hinder-
nis dar. im Gegenteil, erklärt Herbst: „Jeder
gute Witz kommt mit zwei, drei Sätzen aus.“
Storytelling muss demnach keineswegs
lang sein, es genügen knappste Sätze, wie
sie etwa beim Kurznachrichtendienst Twit-
ter verwendet werden, um inhalte über
Geschichten zu vermitteln. Derzeit ist das
„digitale Storytelling“ Gegenstand intensiver
PR- und Kommunikationsforschung. Man
darf gespannt sein, welche Ergebnisse dies
bringt.
„Wer einmal Storytelling begriff en
hat, wird seine Form der Kommunikation
ändern“, ist Experte Herbst überzeugt.
Und zum Geschichten-Erzähler kann im
Grunde jeder werden. Voraussetzung ist
Geduld, sich auf seine Umgebung ein-
zulassen und sie genau zu beobachten.
Denn die besten Geschichten schreibt der
Alltag. Es geht in der PR nur darum, Ge-
schichten so zu erzählen, dass sie sich mit
möglichst vielen lebensrealitäten decken
und dadurch eine große Zahl an interes-
sierten ansprechen. Was dabei im Gehirn
passiert, kann die moderne Wissenschaft
zwar heute besser entschlüsseln. Doch im
Grunde geht es um eine uralte zivilisatori-
sche Fertigkeit, die es wiederzuentdecken
gilt. Die Fähigkeit, den Menschen span-
nende, packende Geschichten zu erzäh-
len, die ihnen zugleich einen Mehrwert an
information liefern. ×
12 SAISON
STORYTELLING
„ Die Menschen merken sich Geschichten“Geschichten-Erzählen ist Kunst und Handwerk zugleich. Wer es beherrscht und kreativ einsetzt, der kann sich des Erfolges recht sicher sein, sagt der Schweizer Storyteller Werner T. Fuchs.
INTERVIEW: JULIA BRUGG ER
S AISON: Herr Fuchs, Sie sind professioneller Storyteller. Von Swiss Re bis Bayersdorf, vom Weltfl üchtlingstag bis
zur Apotheke Spillmann in Zug schätzt man Ihr Handwerk. Wie sind Sie zum Sto-rytelling gekommen? WERNER T. FUCHS:
Über das Leben. Vor 23 Jahren wurde ich
Vater einer schwerbehinderten Tochter.
Aus einer Art akademischer Verzweifl ung
heraus begann ich mich mit dem Gehirn
und der Neurologie zu beschäftigen. Da-
bei entdeckte ich, dass es überregionale
und überzeitliche Muster im Gehirn gibt.
Eines davon ist die Wahrnehmung, Wie-
dergabe und Speicherung von Informati-
on über Geschichten.
Wieso merken wir uns Information über Geschichten leichter? Weil sie existenzielle
Themen wiederholen: Überleben, Anpassen,
Fortpfl anzen. Die Hollywood-Regisseure
haben das schon längst herausgefunden.
Aus dem schieren Überlebensdrang sind
wir fast dazu verdammt, Geschichten inte-
ressant zu fi nden. Das Gehirn sucht ständig
nach Antworten auf die brennenden Fragen
und selektiert, ob eine bestimmte Informa-
tion nützlich ist oder nicht. Geschichten
behandeln diese Themen.
Von welchen Themen sprechen Sie da?
Das sind archaische Gegensatzpaare wie
Leben und Tod, Liebe und Hass, Frau und
Mann, Ankunft und Abschied, Gut und
Böse, Suchen und Finden und so weiter.
Aber sie sind begrenzt. Es gibt maximal 30
davon. Man kann mit ihnen dann spielen
und sie variieren. Dazu braucht es aller-
dings auch Kreativität.
Das klingt nach banaler Schwarz-Weiß-Malerei. Ja, ist es auch. Denn, das Un-
bewusste, das uns steuert, muss schnell
entscheiden: das tut mir gut – das tut mir
nicht gut, das kann ich brauchen – das
kann ich nicht brauchen und so weiter. Es
wertet ganz grob, weil es schnell gehen
muss. Habe ich eine Fünf in der Schul-
arbeit oder eine Vier? Das ist eine Art
Selektionsmechanismus.
Das klingt sehr darwinistisch. Der Mensch ist ja auch zur Refl exion fähig. Und die nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch. Sie reduzieren den Menschen lediglich auf das Stammhirn. Wenn ich wenig
über die Vernunft spreche, dann heißt
das natürlich nicht, dass die evolu tionär
neuste Akquisition des Gehirns keine Rol-
le spielt. Ich stelle das Unbewusste und
13
damit die Geschichten auch deshalb in
den Vordergrund, weil das „Ich“ so gerne
daran glaubt, es sei Herr im eigenen Haus.
Doch wie die wahren Kräfteverhältnisse
aussehen, das brachte einer der größten
deutschsprachigen Geschichten-Erzähler
schon vor über 200 Jahren auf den Punkt.
Denn Goethe ließ den Teufel Mephisto
seinem Faust ausrichten: „Du glaubst zu
schieben, und du wirst geschoben.“ Von
erlebten und vernommenen Geschichten,
könnte man noch anfügen.
Weshalb bedient sich die Werbung der Geschichten-Erzählung? In guten Ge-
schichten erkennt man sich wieder. Je
eher ich mich in einer Geschichte wie-
derfi nde, umso sympathischer fi nde ich
sie. Ich stelle die These auf, dass man
Erfolg hat, wenn man sich an die Regeln
des Geschichten-Erzählens hält. Denn
die Menschen merken sich Geschichten.
Man muss natürlich die richtigen Themen
wählen und sie entsprechend entwickeln.
Was müssen diese Geschichten außer den genannten Themen enthalten, um erfolgreich zu sein? Am erfolgreichsten
sind Geschichten, die an die Kindheit, an
die Pubertät oder an ein Ersterlebnis erin-
nern. Wieso? Weil sich in der Kindheit das
Gedächtnis entwickelt und dort die meisten
Verknüpfungen entstehen. In der Pubertät
wird im Gehirn ziemlich umgeschichtet,
und Ersterlebnisse speichert das Gehirn
am intensivsten. Denken Sie nur an Ihren
ersten Sex. War der gut, dann braucht das
Gehirn etwa zehn Negativerlebnisse, bis es
weiß: Nein, das war nicht gut. Ersterlebnisse
bleiben also abgespeichert, bis genügend
ZUR PERSONDr. Werner T. Fuchs wurde 1952 in Zürich ge-boren, wo er später auch Germanistik sowie Theologie studierte und promovierte. Nach verschiedenen Tätigkeiten im In- und Ausland erlernte er 1989 das Handwerk eines Texters und Konzepters bei der renommierten Werbe-agentur CASH RSCG. Stark beeinfl usst von den Ideen des Franzosen Jacques Séguéla stieß er schon früh auf den Ansatz des Storytelling. 1988 wurde seine Tochter Olivia geboren, de-ren schwere Behinderung Werner T. Fuchs zur intensiven Auseinandersetzung mit den Neuro-wissenschaften brachte. Um diese Forschungs-resultate konkret auf den praktischen Alltag zu übertragen, gründete er Ende 1999 Propeller Marketingdesign. Seine Arbeiten erhielten ver-schiedene Auszeichnungen, unter anderem die Marketing Trophy des Schweizerischen Marke-ting Clubs. Er ist Autor verschiedener Bücher zum Thema Neuromarketing und Storytelling.
www.propeller.ch
© W
ER
NE
R T
. FU
CH
S
Der Experte: Werner T. Fuchs
14
Gegeninformation kommt. „Ändern nur,
wenn nötig!“ lautet die Erfolgsformel des
Gehirns. In den erwähnten Perioden wer-
den Informationen stärker gespeichert.
Was bedeutet das nun für die Werbung?
Wenn Sie auf einer Werbung ein schiefes
Zelt sehen, dann bleibt das eher hängen
als ein perfekt aufgestelltes Zelt. Denn
es erinnert an den ersten Urlaub, in dem
das Zelt wie ein verwehter Fetzen in der
Landschaft hing. Ein Campingstuhl oder
ein Rucksack auf einem Foto kann gleich
wesentlich höhere Identifikation auslösen,
da er mich als Betrachter in die Geschichte
hineinzieht. Storyteller arbeiten mit Su-
perzeichen.
Gibt es Geschichten, die nicht funktio-nieren? Jede Geschichte – so sie denn
eine ist – funktioniert irgendwie. Manche
funktionieren eben besser. Je klarer das
Thema ersichtlich wird, je mehr eine Ge-
schichte mit den drei Perioden zu tun hat,
je mehr mich eine Geschichte an bereits
bekannte Geschichten erinnert, je mehr
sie im kulturellen Gedächtnis gespei-
chert ist, umso erfolgreicher ist sie. Die
Grimm‘schen Märchen sind ein Klassiker.
Sie dienen Storytellern als eine Art Leitfa-
den. Denken Sie an „Pretty Woman“. Das
ist das moderne Aschenputtel.
Was ist in Ihren Augen eine Werbung, die erfolgreich auf Storytelling setzt?
Nutella. Vielleicht erinnern Sie sich noch,
dass es jahrzehntelang diesen unglaub-
lich langweiligen Spot mit der Familie
am Frühstückstisch gab. Dann änderte
sich etwas. Ich sah Kurzgeschichten aus
meiner Kindheit, Pubertät und vom ersten
Mal. Pfützen, in die wir auf dem Schulweg
sprangen. Ein Schlagzeug, das auf seinen
jungen Drummer wartet. Verkehrsbusse,
die ich noch knapp erwischte. Achter-
bahnen, die ich für den ersten Kuss miss-
brauchte – eine Reihe von Erlebnissen, die
jeder aus eigener Erfahrung kennt. Diese
Erlebnisse holen mich ab, wo ich gerade
bin. Die eigentliche Botschaft ist dann
kurz und prägnant: Der Morgen macht
den Tag. Nutella.
Was kann für die Werbung erfolgreich genutzt werden? Alte Motive, die im kul-
turellen Gedächtnis verankert sind, eignen
sich wunderbar. Am besten neu interpre-
tiert oder mit Witz. Heidi ist eines dieser
Beispiele für die Schweiz. Solche Motive
brauchen zwei bis drei Generationen, bis
sie im kollektiven Gedächtnis verankert
sind. Und es ist bekannt, dass Geschich-
ten von den Eltern ein größeres Gewicht
haben. Vor 500 Jahren waren es die
Söldnergeschichten, weil die Schweizer in
ausländischen Kriegen tätig waren. Es gab
also zahlreiche Heldengeschichten. Dazu
gehört ein Wilhelm Tell, den es so nicht
gab, aber an den man glauben wollte.
In Tirol hätten wir da Andreas Hofer. Um
ihn herum wurden Geschichten entwi-
ckelt, die sich so nie zugetragen haben.
Doch man glaubt sie dennoch und sie
halten sich hartnäckig. Das ist kein Wun-
der. Wahrheit ist zweitrangig, solange wir
an eine Geschichte glauben und glauben
wollen. Aber eine gute Geschichte hat
eben immer auch einen Helden. Und
wenn es den nicht gibt, dann muss man
einen möglichen Helden suchen und pas-
sende Geschichten für ihn finden. Bei uns
hat man für die ersten Industriekapitäne
wie Alfred Escher Denkmäler gesetzt.
Ob zu recht oder zu unrecht, ist egal. Er
gilt als Held, und das zählt. Am besten ist
natürlich eine Dreieckskonstellation: Held,
Feind, Helfer. Und wieder haben wir das
evolutionäre Grundthema: Wenn ich den
Feind kenne, überlebe ich eher. Wenn ich
die Helfer kenne, bringt das einen Wett-
bewerbsvorteil.
Wie hält es sich mit dem Wahrheitsgehalt von Geschichten? Müssen sie authen-tisch sein? Oft kommt der Einwand, dass
eine Geschichte getürkt oder inszeniert
sei. Ja, ist sie auch oft. Aber sie ist eben
eine Geschichte, die auch sein KÖNNTE.
Natürlich handelt es sich dabei um Mani-
pulation. Aber ich sage meinen Studenten
immer, wer nicht manipulieren möchte,
der geht nicht ins Marketing. Geschichten
haben zudem einen erzieherischen, mo-
ralischen Effekt. Da spielt der Wahrheits-
gehalt auch nicht so die zentrale Rolle.
Wie kann man Storytelling im Touris-mus nutzen? Ich kenne einen Hotelier,
der veranstaltete ein Mofarennen. Die
60-jährigen Gäste, die sonst nur von
einem Golfhotel ins nächste tingeln, be-
kommen plötzlich glänzende Augen. Da
erwachen Jugenderinnerungen. Ohne
Mofa hatte man bei den Mädels keine
Chance. Erinnern Sie sich an das evolu-
tionäre Grundthema Fortpflanzung. Das
wird hier angesprochen. Außerdem war
man aus der Gruppe ausgeschlossen,
wenn man kein Mofa hatte. Hier wird das
Thema Anpassung angesprochen. Das
heißt, ich suche für meine Kunden solche
Geschichten oder baue ihre Geschichten
um. Im Tourismus geht es darum, dass
ich Gäste locke. Das finde ich spannend.
Das ist wie eine Partnerwerbung. Das ist
Dating. „Schlaf nicht mit mir, aber schlaf
bei mir.“ Und schon hab ich eine Ge-
schichte. Da gibt es den Nebenbuhler, die
Anstandsdame, die Mutter, die ihre Toch-
ter nicht aus dem Haus lassen möchte ...
Vielen Dank für das Gespräch. ×
„Ich kenne einen Hotelier, der veranstaltete ein Mofarennen. Die 60-jährigen Gäs-te, die sonst nur von einem Golf-hotel ins nächste tingeln, bekom-men plötzlich glänzende Augen. Da erwachen Jugenderinne-rungen. Ohne Mofa hatte man bei den Mädels keine Chance.“WERNER T. FUCHS
Fachmarktzentrum Gastronomie
Wohnen
studio
Büro
K U F S T E I N
ca. 240 m2 Gastronomiefläche ca. 120 m2 wunderschöne Terrasse mit Blick auf die
Kufsteiner Bergwelt und den grünen Inn Seniorenresidenz, Lidl, Fachmarkt (Bipa, Intersport, KiK, etc.),
Bürocenter und Wohnungen in unmittelbarer Nachbarschaft ca. 240 m2 Gastronomiefläche direkt an der Innpromenade hohe Besucherfrequenz garantiert auf Wunsch können Einrichtungen (Küche, Bar, etc.)
zur Verfügung gestellt werden Kinderspielplatz direkt am Restaurant zahlreiche kostenlose Parkplätze
Im ruhigen Bauteil des Zentrums, direkt an der malerischen Inn- promenade gelegen, befinden sich die Restaurant- oder Café-flächen des Innparks. Die Gastronomieflächen sind barrierefrei zugänglich. Ganzjährige hohe Kundenfrequenz ist dank der umliegenden Geschäfte, der Uferpromenade und des Senioren-wohnheims garantiert.
Mehr Informationen unter: www.innpark-kufstein.at
Fertigstellung Herbst 2011
essen am grünen InnVerwöhnen Sie Ihre Gäste direkt am grünen Inn in einem außergewöhnlichen Ambiente.
Kontakt: + 43 (0) 5372 / 64500-922
Innpark Immobilien GmbH Kaiserbergstr. 2 6330 Kufstein Tel.: +43 (0) 5372 /64500-922 Fax.: +43 (0) 5372 /64500-960 innpark@unterberger.cc
16 SAISON
STORYTELLING
O bwohl die Charaktere
am Anfang – 1999 –
eher durchschnittlich
aufgenommen worden
waren, wuchs die fi ktive Familie Putz
den Österreichern über die Jahre so sehr
ans Herz, dass die Möbelhaus-Reklame
2008 auf Platz 2 der Beliebtheitsskala
lag – geschlagen nur von Spar und Mir-
jam Weichselbraun, der sowieso keiner
widerstehen kann. Mithin ist das jahre-
lang durchgehaltene Konzept, das den
kreativen Köpfen von Demner, Merlicek
& Bergmann entsprungen ist, ein gutes
Beispiel dafür, wie weit man es mit Story-
telling in der Werbung bringen kann: Wer
eine Geschichte nur lange genug erzählt,
wird irgendwann einmal Gehör und sogar
Zuneigung fi nden.
Für die Familie Putz bedeutet das,
dass aus der Mikro-Sitcom der Anfänge
eine Art Telenovela im Kleinen geworden
ist. In bisher rund 120 Werbespots durfte
Sohn Putzi erwachsen werden und in Ixi
eine Freundin fi nden, während sich Tru-
de Fukar, die Darstellerin der Oma Putz,
89-jährig in eine Seniorenresidenz verab-
schiedete – unkommentiert ersetzt durch
eine andere Schauspielerin, wie man das
aus Serien wie „Reich und schön“ oder
„California Clan“ kennt.
Identifi kation. Wer sich wie die Firma
XXXLutz der Technik des Geschichten-
Erzählens bedient, um seine Marke in
Kopf und Herz der Konsumenten einzu-
schreiben, tut dies gleich auf mehreren
Ebenen. Oft geht es weniger darum, ein-
zelne Produkte ins Bild zu rücken, sondern
vielmehr darum, bestimmte Botschaften,
Ideale oder ein spezifi sches Lebensge-
fühl an den Mann respektive die Frau zu
bringen: Die netten Nachbarn der Wiener
Städtischen, die seit 2009 über die heimi-
schen Bildschirme fl immern, begegneten
sich im Stiegenhaus und unterhielten sich
angelegentlich über Vorsorge, in späteren
Spots wurden Begri£ e wie Treue und Ver-
lässlichkeit, nachbarschaftliche Hilfe und
ein sicherer Rückhalt thematisiert – Wer-
te, die einer Versicherung gut zu Gesicht
stehen. Von Spot zu Spot entwickelte sich
aus der Sympathie und deutlich spürba-
ren Anziehung zwischen Mann (Single
mit Hund) und Frau (Alleinerzieherin mit
halbwüchsiger Tochter) echtes Interesse,
weshalb die Wiener Städtische befand,
die Figuren seien nun weit genug gedie-
hen, um Namen zu erhalten. Nach einer
Umfrage unter den 3.500 Mitgliedern der
Belegschaft Ende 2010 heißen die Prota-
gonisten nun Sophie, Peter und Lisa.
Ähnlich gehen Erste Bank und Spar-
kasse vor, wenn sie die prototypischen
Mitarbeiter Petra Kern und Martin Wohlich
dabei zeigen, wie sie sich über aktuelle
Themen des Sparens, Anlegens und der
Wohnbaufi nanzierung unterhalten, und
en passant das Profi l der beiden Banken
schärfen. Und während potenzielle Kun-
den vor dem Fernseher umso mehr Ver-
trauen in ihre realen Versicherungs- oder
Die Werber von nebenanSie sind die Fortsetzungsromane der TV-Werbung: Spots, die – manchmal über Jahre – weitererzählt werden und ein hohes Maß an Identifi kation hervorrufen. Verkaufen lassen sich damit Möbel, Energy Drinks und nicht zuletzt Vertrauen.
VON ES THER PIRCHNER
PETRA KERN/MARTIN WOHLICH
Auftraggeber: Erste Bank und Sparkasse
Agentur: Young & Rubicam Vienna GmbH
Konzept: Hans CepkoFilmproduktion: Wiener Klappe
Regie: Begbie (Thomas Dirn-hofer und Philipp Kadelbach)Erste Ausstrahlung: Juli 2010
Anzahl der Spots bisher: 8Dauer: 20–30 sec
Projektdauer: o£ en
© E
RS
TE
BA
NK
UN
D S
PA
RK
AS
SE
17
Bankberater fassen sollen, je genauer sie
die fi ktiven Personen auf dem Bildschirm
kennen lernen, zielen die Werbekonzep-
te fi rmenintern darauf ab, dass sich ihre
Mitarbeiter mit den fi lmischen Vorbildern
identifi zieren. Funktioniert der Trick, dann
begegnen im Idealfall vertrauensvolle
Kunden genau jenen Bank- und Ver-
sicherungsangestellten, die sie aus dem
Fernsehen bereits zu kennen glauben.
Sinnliche Erfahrungen. Überra-
schend, sinnstiftend, sinnlich, authentisch
und eingängig sollen solche Minidramen
im Dienste der Werbung sein. Sie dürfen
nicht langweilen und müssen vor allem bei
jungen Zielgruppen den Sehgewohnheiten
entsprechen, die Facebook, Youtube und so
weiter vorgeben. Oft erzählen sie dieselbe
Geschichte in Variationen immer und im-
mer wieder, bis die Botschaft angekommen
ist und die Klientel schon auf die nächste
Folge wartet. Kaum jemand wird mehr
anzweifeln, dass Red Bull Flüüügel verleiht.
Und Römerquelle belebt die Sinne, jaja.
Wenn Storytelling so gut funktio-
niert, dass man glaubt, mit Menschen von
nebenan zu tun zu haben, ist nicht selten
hohe Kunst im Spiel. Als die Bank Aus-
tria vor einigen Jahren einen Knirps eine
Milchfl asche aufdrehen, ein Mädchen die
größte Kaugummiblase machen ließ und
andere „kleine Erfolge“ ins Bild rückte, ge-
schah dies zur Musik von Händel, Chopin,
Elgar und Ravel. Bei anderen Auftragge-
bern und Agenturen sind Regisseure, die
sonst abendfüllende Filme drehen, an
Bord, oder bildende und Sprachkünstler,
die die Werbebotschaft so verklausulieren,
dass sie rätselhaft und aufregend wird. Bei
der Familie Putz führte von 1999 bis 2010
Harald Sicheritz Regie, der auch „Hinter-
holz 8“, „Vier Frauen und ein Todesfall“ und
„Kaisermühlen Blues“ drehte. Schweinderl
und Bauer, die die Marke „Ja! Natürlich“ lie-
benswert unters Volk bringen, gemeinsam
die Stiere in Schwung halten und sogar den
Garten in den Urlaub mitnehmen, tun dies
gar unter Anleitung von Oscar-Preisträger
Stefan Ruzowitzky.
Erzählkunst. Geht man noch einen
künstlerischen Schritt weiter, landet man
bei den Humanic-Werbungen der 1970er-
und 1980er-Jahre, als bildende Künstler
und Autoren wie Edgar Honetschläger,
H. C. Artmann und Andreas Okopenko die
seltsamsten Geschichten erzählen durften
und im Bild kein einziger Schuh zu sehen
war. Diese waghalsigste Form des Storytel-
lings ist zwar im Allgemeinen ein wenig in
den Hintergrund getreten, allein aus dem
Baumarkt naht Rettung. Wenn Hornbach
und die Agentur Heimat die Ästhetik der
Siebziger bemühen und wilde Typen zur
menschlichen Pyramide formen, wächst
auch der Kunde über sich hinaus. Yippie
ya ya yippie yippie yeah! ×
FAMILIE PUTZAuftraggeber: XXXLutz Handelsges. m. b. H.Agentur: Demner, Merlicek & BergmannKonzept: Rosa HaiderFilmproduktion: Film FactoryRegie: Harald Sicheritz (1999–2010)Erste Ausstrahlung: 1999Anzahl der Spots bisher: 120Dauer: max. 40 secProjektdauer: o£ en
NETTE NACHBARNAuftraggeber: Wiener Städtische Versicherung AGAgentur: Young & Rubicam Vienna GmbH • Konzept: Hans CepkoFilmproduktion: Wiener Klappe • Regie: Martin WernerErste Ausstrahlung: November 2009Anzahl der Spots bisher: 4 • Dauer: 30–40 secProjektdauer: o£ en
SCHWEINDERL UND BAUERAuftraggeber: Ja! NatürlichAgentur: Demner, Merlicek & BergmannKonzept, Autoren: Franz Merlicek, Rosa HaiderFilmproduktion: Close upRegie: Stefan RuzowitzkyErste Ausstrahlung: 2005Anzahl der Spots bisher: 15Dauer: 15–40 secProjektdauer: o£ en
© W
IEN
ER
ST
ÄD
TIS
CH
E V
ER
SIC
HE
RU
NG
AG
© J
A!
NA
TÜ
RLI
CH
© XXXLUTZ HANDELSGES. M. B. H.
18 saison
storytelling
Tirol erzählt GeschichtenDie Tirol Werbung ist auf den Geschmack des Storytellings gekommen. Das Land steckt voller Ge-schichten und viele wollen noch erlebt werden – so der dahinterliegende Gedanke. Warum nicht diese als Aufhänger nehmen?
von Julia Brugg er
K inder springen in den Gebirgssee, ein Leintuch
lüftet über Buschwerk aus. Die meisten Fotos der
„so nah. so fern“-Kampagne der Tirol Werbung
bergen so manche Geschichte in sich. Mal of-
fensichtlicher, mal weniger erinnern sie an Erlebnisse aus dem
eigenen Leben. Ein Leintuch im Wald regt die Phantasie an und
lässt an die Jugend denken: nach heldenhafter arbeit steht das
Zelt – wenn auch etwas windschief. Der Regen prasselt mitten in
der nacht zunächst noch auf die Wand und später ins Zelt. Man
muss näher rücken und sich wärmen. Der Wald erwacht: Überall
raschelt und knackt es. Die ersten sonnenstrahlen trocknen am
Morgen das Zelt und das Leintuch, das man übers Buschwerk
hängt. Ähnliches hat wohl jeder schon einmal erlebt. Das Bild
allein ist reich an Geschichten.
Die Geschichte zum Bild. Doch dem nicht genug. Die
Tirol Werbung setzt auch auf geschriebene Geschichten, die
ebendiese Bilder begleiten (siehe Kasten). Ein ansatz, der nicht
nur diesen sommer, sondern auch im Kommenden weiterent-
wickelt werden soll. „Für die Bergsommerkampagne 2011 ließ
sich der Reiseautor Gero Günther von den Bildern inspirieren
und schrieb kurze, emotional aufgeladene Texte“, erklärt Claudia
Knab, Leiterin der abteilung Kommunikation in der Tirol Werbung.
Die Geschichten sollen einladen, das Land mit seinen Bergen,
seen und vielfältigen Tieren zu besuchen, zu bewandern und
zu bewundern.
Der Vater hat endlich einmal Zeit, mit seinen Kindern in
Urlaub zu fahren – ungestört, ohne Frau und Mutter. Dabei er-
fährt er Dinge aus dem Leben seiner Kinder, die er im Rummel
und Trubel des alltags nicht mitbekommen hat. so funktioniert
storytelling. Die Texte stammen mitten aus dem Leben. Erinne-
rungen erwachen und im idealfall fühlt man sich hingezogen und
inspiriert, ähnliches (erneut) zu erleben. „Wir wollen die Leute dort
abholen, wo sie gerade sind. Diese Geschichten berühren. Unser
Ziel ist, dass sie Lust machen auf Tirol, dass sie sehnsuchtsbilder
im Kopf entstehen lassen, die der Leser und Betrachter in die Re-
alität umsetzen möchte und deshalb einen Urlaub in den Bergen
bucht“, so Claudia Knab.
Die Platzierung ist entscheidend. Die Geschichten
werden in Printmedien im deutschsprachigen Raum geschaltet.
Die Form nennt sich advertorial – ein Zwitterwesen aus Werbung
und redaktionellem Beitrag. Weil es sich nicht offensichtlich um
eine Werbung handelt, ist die aufmerksamkeit der Leser höher.
Die emotionale Wirkung der Texte wird ungefilterter aufgenom-
men. Manipulation? nun gut, Werbung und Marketing sind per se
Manipulation. Durch storytelling ist sie nur nicht so plump, son-
dern bedient sich kunstvoller Formen und nimmt dem einen oder
anderen Redakteur die Recherchearbeit ab. ×
© T
iRo
L W
ER
BU
nG
/Mo
niK
a h
oE
FLE
R (
2)
19
Beispiel für einen Advertorial-Text
Annas Mathelehrer ist ein Fashion-Freak
Simon war als erster unten. Das
ist schon o. k. so. immerhin hat
er mich vorher gefragt. Manch-
mal muss der Junge einfach ein
bisschen rennen, sich auspowern. „Da auf
der Wiese neben dem see warte ich auf
euch“, hatte er gesagt und ins Tal hinunter
gezeigt.
anna und ich sind auf dem weichen
Waldboden ganz gemächlich hinterher
marschiert, haben die aussicht auf die
Dreitausender genossen, Trinkpausen
eingelegt. in den Bergen haben anna
und ich immer viel Zeit, miteinander zu
sprechen, und auf dieser Fernwanderung
durch Tirol sowieso. soll noch mal einer
sagen, man könne mit Teenagern nicht
wandern. Bei uns ist genau das Gegen-
teil der Fall. Beim Gehen fällt es uns viel
leichter zu reden. immerhin weiß ich jetzt
mal wieder Bescheid, welche Filme meine
Tochter mag und dass annas Mathelehrer,
„ein total krasser Fashion-Freak ist“.
„ich warte schon seit 14 Minuten“,
ruft simon, als wir unten ankommen und
zeigt stolz auf seine armbanduhr. „14 Mi-
nuten und 23 sekunden, 24 sekunden …“.
ich breite das Badetuch aus, das Gras kit-
zelt an den Waden, Libellen surren herum.
Wie wunderschön dieser kleine Moorsee
ist! Langsam gleite ich in das kalte Wasser,
wirble mokkabraune Wolken auf. „arsch-
bombe“, schreit simon.
Das Bad haben wir uns verdient.
immerhin waren wir heute mehr als 1000
höhenmeter auf- und abgestiegen. Zum
Glück an diesem heißen Tag war es eine
schattenreiche Etappe des adlerwegs.
simon hatte sich den gesamten Berg
hinaufgekämpft, stöcke aus dem Wald
gezogen, Banditen verfolgt und ganze
heere geschlagen. „attacke!“ Eine Energie
hat der Kerl, Wahnsinn!
oben am Gipfelkreuz haben wir die
Gurken und Paprika ausgepackt, Brot und
Bergkäse, den ich in der sennerei gekauft
hatte. „hey, schmeckt super“, fand anna
und schnappte sich noch ein stück aus der
Brotzeitdose.
Die Kinder wollen gar nicht mehr
aus dem Wasser herauskommen, obwohl
sie schon blaue Lippen haben. ich tippe
eine sMs an meine Frau in das handy:
„hoff e, du bist mit deinem Projekt gut
vorangekommen. Wir sind gerade baden.
Morgen stehen nochmal 900 höhenme-
ter an. 1000 Küsse von uns allen.“ ×
20 saison
storytelling
Die Sehnsucht, gehört zu werdenFolke Tegetthoff kennt die Macht von Geschichten. Im Interview spricht der Erzähler, der auf Einladung der Tirol Werbung Gast beim TourismusForum 2011 war, über die Magie des Erzählens.
Da s IntervIew führte s ylvIa a Ine t ter .
S AISON: Herr Tegetthoff, wa-rum erzählen sich die Men-schen Geschichten? Folke
TegeTThoFF: Der sinn des
erzählens einer geschichte ist, jemanden
zum Zuhören zu bringen. es gibt keine
größere sehnsucht des Menschen, als je-
manden zu finden, der einem zuhört. Da-
rum erzählen die Menschen geschichten.
es ist auch wissenschaftlich bewiesen, dass
in dem augenblick, in dem wir zu erzählen
beginnen, im gegenüber konzentration
und aufmerksamkeit steigen. genau das
ist es, was der erzähler möchte: er will mit
seiner Botschaft durchdringen, damit ihn
sein gegenüber wahrnimmt. Das funktio-
niert dann, wenn in die Rede Persönliches
einfließt, der erzähler und die geschichte
authentisch sind.
Entspricht das Geschichten-Erzählen noch unserem Zeitgeist? Das erzählen war
fast ausgestorben. in den letzten 550 Jahren
haben wir uns vom akustischen zum visuel-
len Menschen entwickelt. Wir leben heute
in einer übervisualisierten Welt, das Visuelle
hat eine ungeheure Macht bekommen –
schon allein dadurch ist das gesprochene,
gehörte Wort zurückgedrängt worden. Die
Renaissance der erzählkunst weltweit ist
aber sicher darauf zurückzuführen, dass
die Menschen eine große sehnsucht nach
geschichten haben. Das erzählen und das
Zuhören sind ursprüngliche Dinge. Das
sitzt tief in uns drinnen und gehört zu den
grundbedürfnissen eines jeden.
Auch im Wirtschaftsleben? Das erzählen
ist endlich auch Marketing- und Werbe-
instrument geworden. Das ist ein deutliches
signal dafür, dass man diese Urbedürfnisse
erkennt. erzählen ist so alt wie die Mensch-
heit selbst. in dem augenblick, in dem
Menschen begonnen haben, ihre gefühle,
gedanken, sehnsüchte, hoffnungen, Ängs-
te in Worte zu kleiden, in dem augenblick
haben sie begonnen, geschichten zu er-
zählen. Unter dem Titel „storytelling“ hat
das geschichten-erzählen auch das Wirt-
schaftsleben erreicht.
Wie können Werbung und Marketing von der Erzählkunst profitieren? sie tun es ja
schon länger, oft ohne es zu wissen. Die
entwicklung in der Werbebranche zeigt es
sehr deutlich: Das Produkt stand lange Zeit
im Mittelpunkt – egal ob in Print-, TV- oder
Radiowerbung, es ging immer nur darum,
mitzuteilen, dass das angepriesene Produkt
das beste ist. heute macht das niemand
mehr, jetzt werden geschichten erzählt.
ich bin sehr glücklich, dass das jetzt auch
in der Tourismuswerbung angekommen ist.
Was macht eine Geschichte zu einer guten Geschichte? Das wesentlichste kriterium
für die Qualität einer geschichte ist, dass
sie Wahrheit beinhalten muss. Der erzäh-
ler muss etwas von sich selbst hergeben,
er muss mit dem gesagten eine emotion
vermitteln. Die Frage ist nicht, was eine ge-
schichte zu einer guten geschichte macht.
Die Frage ist vielmehr, wie man eine Bot-
schaft auf die bestmögliche art und Weise
transportieren kann – nämlich so, dass
sie verstanden wird. Das gehörte muss
aufgenommen und mit der Fantasie und
der Ratio bearbeitet werden. Das Ziel einer
jeden kommunikation ist schlussendlich, zu
verstehen und verstanden zu werden. nur
wenn ich verstanden habe, ist der inhalt der
Botschaft angekommen.
Wie muss eine Geschichte aussehen, damit sie ankommt und verstanden wird? ich ver-
wehre mich immer sehr dagegen, Rezepte
auszugeben. Wir leben in einer gesellschaft,
die Rezepte liebt. Jeder weiß, wie man eine
geschichte zu erzählen hat. Man muss nur
seine menschlichen Fähigkeiten einsetzen:
intuition, Fantasie, kreativität und glaube.
Damit werden wir immer richtig liegen. Wir
werden immer wissen, was man machen
muss, damit jemand zuhört. Man muss
das gegenüber im auge behalten, darauf
achten, ob er zuhört. Jede Rede ist völlig
umsonst, wenn niemand da ist, der zuhört.
Das gilt für jeden Bereich des lebens. Wer
ein Produkt auf den Markt bringt, das keiner
haben will, wird keinen erfolg haben.
Kann jeder erzählen? Ja, jeder kann erzäh-
len. es gibt natürlich bestimmte kriterien, die
jemanden zu einem erfolgreichen erzähler
machen. Dieser erfolg hat mit der Persön-
lichkeit zu tun: extrovertierten Menschen
fällt es leichter, etwas von sich preiszuge-
ben und somit emotionen zu vermitteln.
Wer introvertiert und unsicher ist, wird
21©
ch
Ris
Tia
n J
Un
gW
iRT
h
Der Erzähler: Folke Tegetthoff
22
größere Probleme haben, geschichten zu
erzählen. Wir erzählen zwei Drittel unserer
geschichten nonverbal. ein introvertierter
erzähler tut sich viel schwerer, emotionen
zu vermitteln und authentisch zu sein. aber
selbst jemand, der seine geschichte nicht
gut erzählen kann, erzählt mit hilfe seiner
körpersprache eine geschichte. es liegt am
Zuhörer, das zu erkennen. Dieser kann dann
viel dazu beitragen, dass der erzähler mit
seiner geschichte doch noch erfolg hat.
Mit welchen Themen ist mir die Aufmerk-samkeit des Zuhörers sicher? (lacht) sex,
love and crime! nein, geschichten, die mit
emotion zu tun haben, fesseln den Zuhörer.
emotionen sind sozusagen der gegenpart
zur reinen informationsvermittlung – und
genau dafür interessieren sich die Men-
schen. Beim erzählen selbst ist authentizität
wesentlich. immer wenn ich authentisch
bin, wenn ich ich selbst bin, etwas von mir
hergebe, mich öffne, werde ich die auf-
merksamkeit meines gegenübers bekom-
men. Das gilt für jeden Bereich des lebens.
Die geschichte ist nur das Transportmittel,
um die geht es gar nicht – es geht um die
emotionen, die vermittelt werden.
Spielt Rhetorik eine Rolle? in meiner ar-
beit als professioneller erzähler ist Rhetorik
© c
hR
isT
ian
JU
ng
WiR
Th
„Die Menschen haben eine große Sehnsucht nach Geschichten.“Folke TegeTThoFF
Zur PerSon Der grazer Folke Tegett-hoff ist professioneller er-zähler und organisator des erzählkunst-Festivals „fa-belhaft! niederösterreich". Weltweit bekannt wurde er mit seinen Märchen für er-wachsene: seit 1979 hat er 36 Bücher veröffentlicht, die in zwölf sprachen über-setzt wurden.
23
DIe GeSCHICHTe DeS erZÄHLenS
seit Menschen in sozialen Verbänden leben, erzählen sie sich geschichten. Davon zeugen Mythen, sagen und legenden, die ausschließlich münd-lich überliefert wurden. Diese dienten dazu, kulturelle normen zu vermitteln und geschichtliche Fakten, Rechtsver-bindlichkeiten, Rituale und Bräuche zu verbreiten. geschichten wirkten identitätsstiftend und konstituier-ten eine kultur. als Beispiel wird gern nordamerika herangezogen, wo heute noch mehr als 100 inuit-sprachen ge-sprochen werden, die jede ihre eige-ne mündliche Überlieferung hat bzw. hatte. Das grundwesen des erzählens ist der direkte kontakt zum Zuhörer. so spielen akzentuierung, Betonung, ges-tik und Mimik eine wesentliche Rolle. Die Face-to-Face-situation führt zu einem Dialog zwischen erzähler und Zuhörer. Das erzählen war und ist auch heute noch interaktiv – und wohl des-halb so einprägsam. Die erzähler waren in Zeiten vor der alphabetisierung in allen gesell-schaften hoch angesehen, verfügten sie doch über enormes Wissen. Mit der Medialisierung, spätestens aber mit der erfi ndung des Fernsehens, verschwand das professionelle erzählen vollständig. erst sei einigen Jahren erlebt es eine Renaissance.
Quelle: „Die kunst des erzählens“ von helge gerndt und kristin Wardetzky, 2002
ganz wesentlich. Denn mithilfe von Rheto-
rik kann man Bilder aufbauen. ich erschaff e
durch Metaphern und Worte und dadurch,
wie ich diese sage, ein Bild, das emotionen
auslöst. nur wenn mir das gelingt, kann ich
meine Zuhörer auch fesseln. Wichtig ist,
beim gegenüber erinnerungen wachzu-
rufen und Dinge anzusprechen, die ihm
bekannt sind. Die Zuhörer müssen sich als
Teil der geschichte fühlen und sie zu ihrer
eigenen machen.
Werden die Menschen einmal genug von Geschichten haben? nein, wir hören ja
ständig geschichten. auch in unserem
alltag erzählen und hören wir ständig
geschichten – es geht noch weiter: Wir
erzählen ganz selten keine geschichten.
Die art und Weise, wie man erzählt, ist
wesentlich. Das kann sehr subtil sein oder
auch sehr platt. Von platten geschichten hat
man schnell genug – von den subtilen nicht.
im Mittelpunkt muss stets die Frage stehen:
Was möchte ich mit der geschichte errei-
chen? Der erzähler muss aber auch darüber
nachdenken, was das gegenüber hören
will. eine geschichte kann sehr kurz sein,
man kann bereits mit einem einzigen satz,
ja sogar mit einem Blick, einem lächeln sehr
viel zum ausdruck bringen.
Sie schreiben Märchen. Warum diese Textsorte? Das Märchen ist die Form und
Möglichkeit, die dem gegenüber einen
ganz großen Freiraum lässt. ein gutes
Märchen erzählt niemals ein ganzes Bild.
ein gutes Märchen bietet nur den Rahmen
und der Betrachter füllt ihn aus, malt
seine eigene geschichte. ich habe viele
Möglichkeiten, mithilfe meiner Fantasie
etwas zu dieser geschichte beizutragen.
Zudem sind Märchen losgelöst von Zeit
und Raum. sie sind universell – das macht
ihren Reiz aus.
Suchen die Menschen nach dem Geheim-nisvollen? Ja, das geheimnisvolle reizt die
Menschen besonders. Die lust am neuen,
neugier, lust, etwas zu entdecken, sind
Wesenszüge des Menschen. neues hat
auch immer etwas mit geheimnis zu tun.
ich will eindringen und erkennen. einem
Mensch, dem ich begegne, möchte ich ein
geheimnis abringen, möchte ihn kennen
lernen, wissen, was er fühlt und denkt.
egal, ob im Privat- oder im Berufsleben.
Das geheimnisvolle ist ein wesentlicher Teil
unseres lebens.
Vorlesen oder besser erzählen? Wenn ich
eine geschichte erzähle, fällt es mir leich-
ter, das gegenüber im auge zu behalten.
ich kann meine körpersprache mehr zum
einsatz bringen. auch für den Zuhörer
macht es einen großen Unterschied, ob er
eine geschichte selbst liest oder sie erzählt
bekommt. Wenn ich etwas über die ohren
direkt höre, wird das erlebnis noch ein
wenig intensiver, als wenn ich alleine und
lautlos lese.
Vielen Dank für das Gespräch. ×
Kompetente Beratung rund um Aus- und Weiterbildung
im Tourismus – einfach – schnell – kostenlos:
Telefon: 05 90 90 5 - 1215
E-Mail: thomas.geiger@wktirol.at
Internet: WKO.at/tirol/tourismus
Zum Touristiker geboren?
24 SAISON
STORYTELLING
Die Geschichten-ErzählerTräume verkaufen. In bewegten Bildern vermitteln Filmemacher Emotionen und wecken damit die Neugier auf die Urlaubsdestina-tion Tirol. Cine Tirol vermittelt seit 13 Jahren Geschichten, die ein Stück Tirol mittransportieren.
VON JANE K ATHREIN
G eschichten machen das
Wesen eines Filmes aus.
Gäbe es keine Geschich-
ten, gäbe es keine Filme.
„Das Medium Film ist wie kein anderes in
der Lage, diese emotionale Erzählweise
zu erbringen, weil durch die bewegten
Bilder auch all diese Emotionen vermit-
telt werden, die Menschen begeistern und
überwältigen”, bringt es Johannes Köck,
Leiter von Cine Tirol, auf den Punkt. Ein
Bild sagt mehr als tausend Worte. In einem
Film stecken Millionen von Worten.
Berührende Geschichten. Cine
Tirol bringt Geschichten an die Men-
schen. 300 Filmproduktionen sind in den
13 Jahren seit der Gründung entstanden,
alle wurden in Tirol realisiert. Fast jeder
dieser Filme erzählt ein Stück Tirol. Es
sind phantastische, abenteuerliche und
historische Geschichten. Ein indischer
Filmscha� ender wurde einmal von Jo-
hannes Köck gefragt, warum Bollywood-
Produktionen in aller Welt so erfolgreich
sind. Seine Antwort: „Weil wir Träume
verkaufen.“ Damit habe er die meisten
Filme defi niert, so Johannes Köck.
Ob der Kern wahr oder erfunden
ist, spielt für gutes Storytelling eine ne-
bengeordnete Rolle. „Wenn es gelingt,
eine Geschichte so zu erzählen, dass der
Empfänger davon berührt, begeistert, be-
eindruckt wird, ist es eine gute Geschich-
te“, sagt Johannes Köck. Bleibt zusätzlich
ein Freiraum, wie ein o� enes Ende, den
der Betrachter selber ausfüllen kann, hat
das Geschichten-Erzählen alles erreicht.
Filme, die in ein o� enes Ende münden,
lösen die angeregtesten Diskussionen aus.
Spiegelbild. Viele Impulse führen zur
Entstehung einer Geschichte. Dem Tiroler
Autor Felix Mitterer sind die Geschichten
zugefallen, die in elf Tatort-Produktionen
mit Harald Krassnitzer in der Hauptrolle
mündeten. Mitterers Stärke ist, rund um
den wahren Kern dieser Geschichten
einen Filmsto� zu entwickeln und damit
dem Betrachter einen Spiegel vorzuhalten.
„Das fi nde ich aus Sicht des Storytelling
unglaublich beeindruckend“, leitet Johan-
nes Köck zur letzten „Tatort“-Produktion
über. „Baum der Erlösung“ greift im Kern
das Thema „Migration“ am Beispiel der
Gemeinde Telfs auf. Die Schauplätze lie-
gen im Ort und auf der Hohen Munde.
Vor der Premierenfeier im Gemeindesaal
Telfs waren viele der 700 Gäste nervös.
Doch die anfängliche Spannung löste sich
in einem tosenden Applaus. Durch den
Blick von außen werden viele Themen erst
begreifbar. Bei der Feier in einem türki-
schen Lokal saßen dann alle Beteiligten
zusammen und diskutierten. Nachklang
ist das Stichwort, das Johannes Köck dazu
einfällt.
Geschichten sammeln. Begeg-
nungen mit Menschen, die eine Ge-
schichte erzählen können, eine wahre
oder eine erfundene, sind ihm bis heute
am stärksten in Erinnerung geblieben.
Einer, der viel zu erzählen hat, ist Alt-
CINE TIROL Cine Tirol wurde vor 13 Jahren gegründet. In über 300 Filmen, die alle in Tirol produziert wur-den oder von Tirol oder Tirolern handeln, wer-den Geschichten an viele Menschen gebracht – darunter Heimatfi lme, Abenteuerfi lme oder phantastische Geschichten.
www.cinetirol.com
Historisch. Tobias Moretti mimt den Freiheitskämpfer Andreas Hofer und zeigt einen facettenreichen Menschen. Vielfach erzählt, den-noch bewegt dieses Stück Tiroler Geschichte noch immer.
25
bischof Reinhold Stecher, der für das
TourismusForum 2010 als Referent ge-
wonnen werden konnte. Die Geschichten
von Reinhold Stecher begleiten Köck seit
Jahren. Im Buch „Botschaft der Berge“
erzählt Reinhold Stecher Geschichten, die
zum Nachdenken anregen. In Worten und
in Bildern transportiert er die Botschaft
Gottes. „Botschaft der Berge“ steht in ei-
nem der Bücherregale im Haus Tirol in der
Maria-Theresien-Straße. Neben anderen
Bücher, die aufbewahrt werden, weil sie
von Geschichten handeln, die sich als
Filmsto� anbieten.
Internationales Netz. Die letzte
Folge von „Der Bergdoktor“ wurde von
sechs Millionen Menschen im deutsch-
sprachigen Raum gesehen. „Das ist eine
Bestätigung, dass wir Cine Tirol gegründet
haben, unser Netz international ausge-
breitet haben und nach solchen Filmen
und Geschichten fi schen“, ist Johannes
Köck überzeugt. Dazu gehört auch die
Präsenz bei internationalen Filmfestivals
in Berlin, Cannes, Venedig und Indien
oder bei der größten Location Messe
in Los Angeles sowie die Durchführung
von Workshops im Filmland Tirol – im
Vorjahr waren in Seefeld 70 Produzenten
aus 28 europäischen Ländern zu Gast.
„Die persönlichen Kontakte werden uns
helfen, auch in den kommenden Jahren
spannende Filmprojekte nach Tirol zu
führen“, so Johannes Köck.
Längst haben auch Touristiker in
Tirol erkannt, dass man die Synergien,
die sich aus erfolgreichen Filmproduk-
tionen ergeben, weiter verwerten kann.
„Der Bergdoktor“ und „Soko Kitzbühel“
transportieren Tirol sehr o� ensiv mit, im
Inhalt der Geschichte, durch die Nennung
der Drehorte. Das sei die Luxusvariante, so
Johannes Köck. Bollywood-Produktionen
wie „Raju Chacha” nutzen die Tiroler
„Ich bin davon überzeugt, dass die Tirol Werbung eine Geschichten-Erzählerin sein muss. Wenn wir als Tirolwerber und Botschafter dieses Landes in der Lage sind, spannende, berührende, neugierigmachende, phantas tische Geschichten über dieses Land zu erzählen, dann wird es uns auch gelingen, Menschen für die Urlaubsdestination zu begeistern. Geschichten kann man auf vielfältige Weise erzählen – mit Texten, mit Bildern und klarerweise mit dem Film.”JOHANNES KÖCK, CINE TIROL
© C
INE
TIR
OL
(4)
Filmland. Ein Meteorit schlägt in einen
Gletscher ein und erweckt den Neandertalerjungen Bataa zum
Leben. Mit „Lapislazuli“ ist ein Familienfi lm gelungen, der in den
Tiroler Bergen spielt.
Tirol pur. Sechs Millionen Zuseher
durchschnittlich verfolgen eine Folge
der TV-Serie „Der Bergdoktor“. Das Bergdoktorhaus ist ein beliebtes
Ausfl ugsziel.
26
DIE BEWEGENDE SUCHE NACH EINEM VERSCHOLLENEN FILM
Einer Postkarte war es zu verdanken, dass Alfred Hitchcock 1926 das Tiroler Ötztal für seine Dreharbeiten zum Film „The Mountain Eagle“ auswählte. Für die Außenaufnahmen suchte er nach einem kleinen Dorf in einer unberührten Bergwelt. Während der Vorbereitungen in München entdeckte Hitchcock in der Auslage eines Geschäfts eine Postkarte. Er fragte den Ladenbesitzer nach dem darauf abgebildeten Dorf. Es war Obergurgl.
Hitchcock machte sich mit seinem Assis-tenten auf den Weg. Mit dem Zug nach Inns-bruck und dann mit einem o� enen Wagen über sieben Stunden ins Ötztal und von dort noch einmal zweieinhalb Stunden zu Fuß nach Ober-gurgl. Die beiden waren sich einig, dass unter diesen Transportbedingungen kein Filmteam arbeiten konnte. Doch als sie Obergurgl erreicht hatten, war Hitchcock fasziniert. Ein kleines, idyllisch gelegenes Dorf mit schneebedeckten Bergen und grünen Wäldern fernab jeder mo-dernen Zivilisation. Nach den ersten Vorführun-gen 1927 verschwand der Film rasch aus den Kinos. Während von allen anderen Hitchcock-Filmen noch Kopien vorhanden sind, ist „The Mountain Eagle“ bis heute verschollen. Das Bri-tish Film Institute (BFI) hat den Stummfi lm „The Mountain Eagle“ jetzt zum meistgesuchten Film der Welt ernannt und eine internationale Such-aktion nach diesem Werk gestartet.
Landschaft meist nur als Kulisse. Dennoch
pilgern Jahr für Jahr tausende Touristen
aus Indien nach Tirol.
Mittelerde zieht an. Ein Blick über den
Tellerrand zeigt, dass sich Filmdreh orte als
Urlaubsdestinationen außerordentlich gut
vermarkten lassen. Die Trilogie „Herr der
Ringe“ brachte Neuseeland ein Nächti-
gungsplus von 20 Prozent. „Das ist ganz
deutlich in einem Zusammenhang mit der
Trilogie zu sehen. New Zealand Tourism
Board hat die Vermarktung von Beginn an
mitgetragen und seinen Auftritt zur rich-
tigen Zeit auf Mittelerde umgestellt“, sieht
Johannes Köck. Der Abba-Film „Mamma
Mia“, der auf Skopelos und Skiathos gedreht
wurde, brachte den kleinen griechischen
Inseln nach dem Filmstart 2008 einen Besu-
cheransturm, mit dem die Reiseveranstalter
nicht gerechnet hatten. Schaut man sich
die Bilder vom Set an, ist schnell klar: Die
Hauptdarsteller Meryl Streep, Amanda Sey-
fried und Pierce Brosnan haben den Dreh in
vollen Zügen genossen. Urlaubsstimmung
pur, auch vor der Kamera. Griechisches
Lebensgefühl steckt in jeder Szene.
Erfolgreiche Filme sind die Grundlage,
dass Menschen auch in diese Region rei-
sen oder in der Region die fi lmische Ver-
bindung abrufen. Auf der „Soko Kitzbühel-
Filmtour”, bei einer Wanderung auf den
Spuren des Bergdoktors. Das ist ausbau-
fähig bis zum Tagesausfl ug durchs Ötztal,
bei dem gleich mehrere Filmschauplätze
besucht werden. Cine Tirol bekommt
auch acht Jahre nach dem Kinostart
Anfragen nach der Alm, auf der Daniel
Brühl in „Die fetten Jahre sind vorbei“ vor
der Kamera stand. Vor allem Jugendliche
aus Deutschland wollen zumindest eine
Nacht dort verbringen, wo Daniel Brühl
schon war. Sie sind begeistert, neugierig
und fühlen sich am Ende des Tages als Teil
seiner Geschichte.
Neuer Erzählsto� . Fragt man Johan-
nes Köck nach Geschichten, die es noch
zu erzählen gäbe, muss man nicht lange
auf eine Antwort warten. Die Lebensge-
schichte von Kaiser Maximilian, die voller
Höhen und Tiefen steckt, biete sich als
Filmsto� an. Und die Alpenübergänge,
mit den damit verbundenen Geschich-
ten, die bis zum Ötzi zurückreichen. Der
spannende Spielfi lm über das Leben von
Ötzi stehe seiner Meinung nach noch aus.
Besonders fi lmtauglich ist auch der Schaf-
trieb vom Schnallstal ins Ötztal, den es seit
vielen hundert Jahren gibt. Im Kern eine
Wanderung von Menschen und vielen
Schafen über eine menschenfeindliche
Hochebene, den Gletscher. „Da beginnt
es für mich unter den Fingern zu brennen.
Dem gibt dann ein begnadeter Autor eine
zusätzliche Ebene. Was für ein Filmsto� .
Wir führen bereits mit einigen Filmschaf-
fenden dazu Gespräche.“ ×
Alfred Hitchcock
mit Alma Reville 1926
in Obergurgl
Krimis mit Lokalkolorit. Der „Tatort“ von Felix Mitterer („Baum der Erlösung“) spielte in Telfs und auf der Hohen Munde, die „Soko Kitzbühel“ trägt die Region sogar im Titel.
© C
INE
TIR
OL
(3)
27 SAISON
STORYTELLING
I n Kitzbühel kennt ihn jeder,
nicht nur wegen seiner elegan-
ten Erscheinung, die ihm das
Image des „Sirs“ unter den Ti-
roler Touristikern eingebracht hat: Josef
Ziepl, langjähriger Direktor des Frem-
denverkehrsamtes Kitzbühel. Ziepl war
mehr als nur ein Tourismusdirektor. Sein
ungeheuer engagierter und erfolgreicher
touristischer Einsatz und sein umfassen-
des touristisches Fachwissen machten
ihn international bekannt. Jetzt wurde er
beim Tiroler Tourismus.Forum in Igls mit
dem begehrten „Tirol Touristica“ für sein
Lebenswerk ausgezeichnet.
Ziepl war mit vielen Maßnahmen der
Branche teilweise Jahre voraus. Schon in
den 70er-Jahren erkannte er die Wichtig-
keit der regionalen Zusammenarbeit und
den Wert einer Marke. Deshalb gründete
er auch den Verein der Tourismusverbän-
de der Kitzbüheler Alpen.
Und Ziepl setzte sich auch im Ruhe-
stand keineswegs zur Ruhe: Mit der Errich-
tung der „Alpenschule" Westendorf erfüllte
er sich einen Lebenstraum. Dafür wurde
er unter anderem mit dem Hans-Kudlich-
Preis für ökosoziales Vorzeigeengagement
ausgezeichnet. Ziepl hat sich immer kräftig
eingesetzt für die Jugend als wesentlicher
Bestandteil für die ländliche Kultur und
das Leben im Einklang mit der Natur. Bis
heute nimmt er in den Fachmedien und in
der Tagespresse Stellung zu touristischen
Entwicklungen und zeigt dabei mehr
Verständnis und Weitblick als so mancher
professionelle touristische Berater.
Für die Jury des „Tirol Touristica“
zählte bei ihrer Entscheidung unter an-
derem Ziepls engagierte und innovative
Tourismusverbandsführung. Ausschlag-
gebend waren aber auch richtungswei-
sende Maßnahmen: So ist Ziepl Mitbe-
gründer der Gruppe „Best oft the Alps“.
Er ist Begründer des „grünen Gürtels“
um Kitzbühel: Ziepl hat die Golf-Area am
Schwarzsee mit Wort und Tat mitbegrün-
det und schließlich mit der Gründung der
„Alpenschule“ in Westendorf einen Pro-
totyp gescha� en der Tourismus, Bildung,
Landwirtschaft perfekt für den Jugend-
tourismus vereint.
Ziepl konnte als Preis eine Skulptur
des Tiroler Bildhauers Alois Schild nach
Hause nehmen, einen sogenannten
„Setzling“, gestiftet von der Hypo Bank Ti-
rol. Vier weitere Preisträger sind ebenfalls
Neo-Besitzer solcher Setzlinge. Denn die
Jury vergab in vier weiteren Kategorien die
„Tirol Touristica“-Auszeichnung.
Alpbach als Vorbild für Europa. Sieger in der Kategorie „Marketing & Ver-
trieb“ ist die „Green Meeting Destination
Alpbach“: Alpbach gilt nicht umsonst als
einer der schönsten Dörfer der Alpen.
Ein „Sir“ und vier ErfolgskonzepteMit viel Spannung erwartet wurde heuer wieder die große Verleihung des „Tirol Touristica“ für heraus-ragende touristische Leistungen. Die begehrte Trophäe für das Lebenswerk ging diesmal an den „Sir“ im heimischen Tourismus: Dr. Josef Ziepl, der im Raum Kitzbühel ungeheuer viel bewegte. Die weite-ren Gewinner: die „Green Destination Alpbach“, die Area 47, der Kulinarische Jakobsweg Paznaun und der Karwendelmarsch.
VON MICHAEL RIEDLER
Ehre wem Ehre gebührt. Josef Ziepl (im Bild bei einer früheren Preisverleihung) wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
© T
IRO
L W
ER
BU
NG
28
Der einzigartige Holzbaustil ergänzt sich
stimmig mit der modernen Architektur des
Congress Centrums Alpbach. Hier wird
seit mehreren Jahren konsequent an der
Entwicklung zur nachhaltigen Tagungsde-
stination gearbeitet, mit dem „Alpbacher
Green Meeting Destination“-Konzept.
Es sieht ein umfassendes Bündel von
Maßnahmen vor: Der Energieverbrauch
des Congress Centrums wird optimiert,
die Anreise mit ö� entlichen Verkehrs-
mitteln erleichtert, bei den Kongressen
werden regionale Produkten eingesetzt,
Abfälle vermieden und Veranstaltungen
nach dem „Green Meeting Destination“-
Standard umgesetzt. Das Congress Cen-
trum Alpbach hat denn auch als erstes
Kongresshaus in Österreich die internati-
onale Green-Globe-Zertifi zierung sowie
gemeinsam mit dem Europäischen Forum
Alpbach das Österreichische Umweltzei-
chen für Green Meetings erhalten.
Die Jury des Tirol Touristica begeis-
terte vor allem die konsequente Umsetzung
des Themas Nachhaltigkeit, die klare Dif-
ferenzierungsstrategie mit glaubwürdiger
Positionierung des gesamten Ortes Alp-
bach gemeinsam mit dem Congress Cen-
ter. Die bereits erhaltenen Zertifi zierungen
und getro� enen Maßnahmen machen Alp-
bach zu einer Benchmark im europäischen
Tagungsbereich, urteilte die Jury.
Area 47 zeigt: Tirol ist jung. In der
Kategorie „Infrastruktur“ ging der Tirol
Touristica an die Area 47, „Europas tren-
digste Abenteuerspielwiese“ am Eingang
des Ötztals. Die bekanntesten Outdoor-
und Tourismusprofi s Tirols, Anlagenpla-
ner, Handwerker und Partnerkonzerne
wie die Bergbahnen Sölden, Red Bull,
Adidas, KTM und Stiegl haben hier, am
Schnittpunkt von 47. Breiten- und 11. Län-
gengrad, einen europaweit einzigartigen
Outdoor-Park realisiert.
Auf 66.000 Quadratmetern inklu-
sive einem 7000 Quadratmeter großen
Badesee wird für Nervenkitzel gesorgt -
mit Schanzen für Snowboarder, Freeskier
und BMX-Fahrer, einer überhängenden
Deep-Water-Soloing-Kletterwand, einem
Slackline-Parcours und als Weltneuheit
mit einem kombinierten Sprung- und
Rutschenturm mit einer Gesamthöhe von
27,5 Metern. Ein Restaurant für bis zu 400
Personen und die zweitgrößte Eventhalle
Westösterreichs, der Area Dome für bis
zu 8000 Besucher, sind beste Vorausset-
zungen für Veranstaltungen aller Größen-
ordnungen. Aber auch Übernachten kann
man in der Area 47, in Blockhaus-Lodges
oder in Holz-Tipis.
Die Area 47 verbreitet die Botschaft:
„Tirol ist jung“, lobte die Jury des Tirol
Touristica. Anerkennung fand auch die
Tatsache, dass hier gleich 35 Outdoorer-
lebnisse an einem Platz konzentriert wur-
den und wesentliche Investoren aus der
Freizeit -, Sport- & Tourismusindustrie bei
dem Projekt intelligent vernetzt wurden.
Kulinarik auf Paznauner Hütten. Der Sieger in der Kategorie „Angebotsent-
wicklung“ ist der „Kulinarische Jakobsweg
Paznaun“: Ihn gibt es heuer im Sommer
bereits zum dritten Mal in Folge. Der ku-
linarische Jakobsweg bringt Sterneköche
unter der Schirmherrschaft von Jahr-
hundertkoch Eckart Witzigmann, koor-
diniert von Lokalmatador Martin Sieberer
(Trofana Royal, Ischgl), ins Hochgebirge.
Kommen werden der italienische Starkoch
Marcello Leoni (Restaurant Leoni, Bolo-
gna), der Niederländer Niven Kunz (Re-
staurant Niven, Rijswijk), der Belgier Alex
Clevers (Restaurant Vivendum, Dilsen-
Sokkem) und der bekannte Fernsehkoch
Nachhaltig. Die „Green Destination Alpbach“ setzte sich in der Kategorie „Marketing & Vertrieb“ durch. In Alpbach wird seit Jahren konsequent an der Entwicklung zur nachhaltigen Tagungs-destination gearbeitet.
Outdoor-Park. In der Kategorie „Infrastruktur“ gingt der Preis an die Area 47, „Europas trendigste Abenteuerspielwiese“.
© C
ON
GR
ES
S A
LPB
AC
H, A
RE
A 4
7
29
DER TIROL TOURISTICADer Tirol Touristica wird seit 1996 vergeben und zeichnet außergewöhnliche touristische Projekte aus, die auf Kriterien wie Innovation, Mehrwert, Synergie, Vernetzung, Profi lierung, Nachhaltig-keit, Zukunft und Tradition sowie messbarem Ge-schäftserfolg basieren. Ausgezeichnet werden touristische Projekte aus dem Bereich Angebots-entwicklung, Infrastruktur und Bauten, Marketing und Vertrieb, Events/Großveranstaltungen und „Persönliches Lebenswerk“. Die Jury des von der Hypo Tirol Bank ge-stifteten Tirol Touristica setzte sich zusammen aus Josef Margreiter, Geschäftsführer der Tirol Werbung, Christian Spiegl (Tirol Werbung), Petra Stolba (Chefi n der Österreich Werbung), Elisa-beth Udolf-Strobl (Tourismus-Sektionschefi n im Wirtschaftsministerium), Claudia Knab und Ingrid Schneider (Tirol Werbung), Gerhard Föger (Leiter der Tourismusabteilung des Landes Tirol), Peter Trost (Tourismussparten-Geschäftsführer in der Wirtschaftskammer), Hubert Siller (Leiter des Stu-diengangs Tourismus am Management Center Innsbruck), Prof. Robert Kaspar (Fachhochschule Kufstein), Helmut Müller (Input Projektentwick-lungs GmbH), Arno Ritter (Architekturforum Tirol), Markus Hildmann (Hypo Tirol Bank) und Hermann Fercher (Tiroler Marketingclub). Die fünf Preisträger wurden heuer wieder mit Skulpturen des Tiroler Künstlers Alois Schild aus-gezeichnet. Die Verleihung des Tirol Touristica durch LH Günther Platter, Hypo-Vorstand Markus Jochum und den GF der Tirol Werbung, Josef Margreiter, fand wie alljährlich im Rahmen des Ti-roler Tourismus.Forums statt. Diese Veranstaltung hat sich mittlerweile als absoluter Branchentre� etabliert und stand heuer unter dem Generalthe-ma „Storytelling“.
www.touristica.tirol.at
Tim Mälzer aus Deutschland (Restaurant
Bullerei, Hamburg).
Die Kombination aus hochkarätiger
Weltstarbesetzung an Köchen mit urigem
Hüttenfl air im Paznaun hat ihren ganz
eigenen Reiz. Der Genussauftakt fi ndet
heuer am 10. Juli nach einer gemeinsamen
Wanderung mit den Starköchen zeitgleich
auf vier Alpenvereinshütten statt. Das ge-
samte Paznaun mit seinen Orten Galtür,
Ischgl, Kappl und See steht dabei im Zen-
trum der Gaumenfreuden. Der Projekt-
träger, der Tourismusverband Paznaun-
Ischgl, verbindet damit Höhenwandern
mit einfachem, jedoch höchstwertigem
Genuss, lobte die Jury: Die kulinarische
Positionierung auf hohem Niveau passe
hervorragend zur Destination
Legende Karwendelmarsch. Sie-
ger in der Kategorie „Events und Großver-
anstaltungen“ wurde ein „alter Haudegen“,
der „Karwendelmarsch – Die Legende
lebt!“ Der Preis kommt nicht von ungefähr:
Das Hauptthema des Tiroler Sommertou-
rismus ist das Wandern. Und der Karwen-
delmarsch inszeniert dieses Thema beson-
ders eindrucksvoll. Motto: „Wandern und
zugleich die Einmaligkeit der Landschaft
des Naturparks bewusst wahrnehmen und
dies unter größtmöglicher Schonung, der
so wertvollen Ressource Natur". Das Span-
nungsfeld Naturschutz versus Tourismus
wird hier bewusst thematisiert. Dazu gibt
es begleitende Maßnahmen vor und wäh-
rend des Events. Verstärkt werden diese
Bemühungen durch eine gezielte Auswahl
an Partnern & Sponsoren.
Der erste Karwendelmarsch nach
19-jähriger Pause war 2009 ein voller Er-
folg, und auch der Karwendelmarsch 2010
konnte daran anschließen. Der reibungslo-
se Ablauf der Veranstaltung und die große
Disziplin der Teilnehmer überzeugten
allgemein von der Nachhaltigkeit dieses
Projekts, das heuer behutsam weiterentwi-
ckelt wurde. Die ARGE Karwendelmarsch,
Markus und Martin Tschoner, fand Lob bei
der Jury, weil beim Projekt das Spannungs-
feld Naturschutz versus Tourismus positiv
aufgelöst wird – durch die Kombination aus
Wandern/Sport, einmaliger Landschaft und
größtmöglicher Schonung der wertvollen
Ressource Natur. Eine naturnahe Inszenie-
rung gepaart mit höchster Anziehungkraft,
Achtsamkeit gegenüber Tirols größtem
Naturpark seien auch bei 2000 Teilnehmern
gesichert, meinte die Jury – „ein richtungs-
weisender Impuls für nachhaltige Gestal-
tung von Sportveranstaltungen in Tirol“. ×
Die Legende lebt. Der 2009 wiederbelebte Karwendelmarsch wurde in der Kategorie „Events und Großveranstaltungen“ ausgezeichnet.
Sterneküche im Gebirge. Der „Kulinarische Jakobsweg Paznaun“ ist Sieger in der Kategorie „Angebotsentwicklung.“ Lokalmatador Martin Sieberer (Trofana Royal, Ischgl) holt dafür Sterneköche ins Hochgebirge.
© H
ER
MA
NN
SO
NN
TA
G, T
VB
IS
CH
GL-
PA
ZN
AU
N
30MAGAZINBerg.Welten 2010
Der Brite Hamish Fulton ist der erste
nicht-deutschsprachige Gewinner
des Reisejournalisten-Wettbewerbs Berg.
Welten. Die Auszeichnung „Bestes Bergfo-
to des Jahres“ sicherte er sich mit seinem
Selbstporträt am Gipfel des Mount Everest.
Die Jury begründet ihr Urteil mit der „fast
erschreckenden Unaufgeregtheit, mit der
die Gipfeleinsicht vermittelt wird“. Das Bild
ist im Buch des Künstlers „The uncarved
Block“ erschienen. Im Bereich „Wort“
begeisterte der deutsche Lorenz Wagner
die Jury mit einem Porträt des Südtiroler
Musikers Herbert Pixner. Die Reportage
„Der will nur spielen“ ist in GEO special
erschienen.
Der Reisejournalismuspreis der Tirol
Werbung – Berg.Welten.Wort – erlebte
dieses Jahr seine neunte Aufl age. Dazu
kam zum zweiten Mal der Wettbewerb um
„Das beste Bergfoto des Jahres“, Berg.Wel-
ten.Bild. „Mit jedem Jahr steigt die Qualität
der Einreichungen“, sagt Josef Margreiter.
„Das Spannendste an Berg.Welten aber
sind die Themen – top-aktuell und zu-
kunftsweisend.“ ש H
AM
ISH
FU
LTO
N
© T
IRO
L W
ER
BU
NG
TCA erfolgreich gestartetRund 80 Gäste trafen sich zur Podiumsdiskussion „Gäste-Mobilität statt Fremden-Verkehr“ in der Aula der Wissenschaften in Wien.
E ine „unabhängige professionelle
Plattform für innovativ denkende und
handelnde Touristiker“ soll die Tourismus
Community Austria (TCA) sein. So defi -
nieren Alexandra Aigmüller, Geschäfts-
führerin der APA-OTS Tourismuspresse,
und Stefan Kröll, Geschäftsführer der
pro.media kommunikation, die Ziele des
neuen Tourismus-Netzwerks. In diesem
Netzwerk können sich Touristiker mit
Zukunftsthemen auseinander setzen,
ihre Gedanken austauschen und Kontak-
te knüpfen. Zur Auftaktveranstaltung der
TCA mit dem Thema „Gäste-Mobilität statt
Fremden-Verkehr“ am 24. Mai begrüßten
die Initiatoren in der Aula der Wissenschaf-
ten in Wien rund 80 Gäste. Die nächsten
Veranstaltungen werden am 31. August
2011 im Rahmen des Europäischen Forum
Alpbach in Tirol sowie am 5. Oktober 2011
wieder in Wien stattfi nden. ×
Der Preisträger des Reisejourna-lismuspreises Lorenz Wagner mit
Josef Margreiter (li.) und Andrea Gnägi, der Geschäftsführerin, sowie Julia Grissemann, der Direktorin des
Parkhotel Igls.
31
KULTURTIPPSVON ES THER PIRCHNER
ZAUBERHAFTE FLÖTENKUNSTDer Innsbrucker Tanzsommer präsentiert 2011 Ensembles aus vier Kontinenten: Neben Produk-tionen aus den USA, Kanada, Deutschland, China und Großbritannien gibt es auch eine afrikanische Version von Mozarts „Zauberfl öte“ (Bild) zu sehen.15. 6. – 15. 7. 2011, Congress Innsbruck
GEMEINSAME WIRTSCHAFTStefan Ruzowitzkys Film „Die Siebtelbauern“ über den Versuch, eine Bauernschaft gleichberechtigt zu führen, ist die Vorlage für die Schlossbergspiele Rattenberg. Die Adaption für die Bühne stammt von Autor Stefan Hellbert und Regisseur Pepi Pittl.1. 7. – 6. 8. 2011, Schlossberg, Rattenberg
HÖCHSTER MUSIKGENUSSIm Wortsinne obenauf ist das Elektronikmusikfes-tival Nordkette Wetterleuchten, das auf der See-grube hoch über Innsbruck vonstatten geht. Mit dabei sind Blind Idiot Gods, Disasterradio, Ogris Debris (Bild), Bomb the Bass und Turbodeli.16./17. 7. 2011, Nordkette, Seegrube, Innsbruck
WEITERE VERANSTALTUNGENInnsbrucker Festwochen der Alten Musik 7. 7. – 28. 8. 2011, Schloss Ambras, Tiroler Lan-destheater u. a., Innsbruck, www.altemusik.atSommertheater Kitzbühel, Yasmina Reza: Kunst 26. 7. – 19. 8. 2011, 20 h, Kulturhaus Reith beiKitzbühel, www.eventarts.atOperettensommer Kufstein, Die Zirkusprinzessin29. 7. –13. 8. 2011, Festungsarena, Kufsteinwww.operettensommer.comKreuzgangkonzerte: Du holde Kunst u. a.bis 4. 8. 2011, Augustinermuseum Rattenbergwww.augustinermuseum.at
© I
NN
SB
RU
CK
ER
TA
NZ
SO
MM
ER
© S
CH
LOS
SB
ER
GS
PIE
LE R
AT
TE
NB
ER
G©
AN
DR
EA
S W
ALD
SC
HÜ
TZ
BUCHTIPP: QUALITÄTSOFFENSIVE
In vielen Hotels steckt das Qualitätsmanagement noch in den Kinderschuhen. Das erste Tourismus-buch der BTV, „Erfolgsgeheimnisse“, setzt sich ge-nau mit diesem Thema auseinander. Der Ratgeber von Elfriede Krempl und Tina Brandstetter versteht sich als Praxishandbuch. Interviews, Beispiele aus der Praxis und die Grundzüge des Qualitätsmanage-ments bilden die Basis des 300 Seiten starken Buchs. Ebenfalls inkludiert: eine CD-Rom mit Beispiel-Prozessen, Trainingsmodulen und Checklisten. Der Schwerpunkt liegt auf Qualitätsmanagement für fa-miliengeführte Hotels.
Ötzi-Jubiläum
© Ö
TZ
TA
L T
OU
RIS
MU
S
Am 19. September 1991 entdecken
die deutschen Bergwanderer Erika
und Helmut Simon bei einer Bergtour
von der Similaunhütte auf die Finailspit-
ze eine Mumie, die sich bald als ältester
vollständig erhaltener Repräsentant der
Gattung Mensch entpuppt. Der wunder-
sam konservierte Mann aus der Steinzeit
ist 5.300 Jahre alt, trägt Alltagskleidung,
Werkzeuge, Wa± en – und ist der perfekte
Zeuge einer unvorstellbar fernen Zeit.
Der „Ötzi“ hat speziell auch die lokale
Archäologie nördlich und südlich der
Fundstelle befl ügelt. Im Ötztal wurden
mehrere steinzeitliche Stätten entdeckt,
darunter die Jägerstation am „Hohlen
Stein“ bei Vent im Ötztal und ein Jägerla-
ger im Zwickel von Nieder- und Rofental.
Im Jubiläumssommer stellen das Ötztal
und das Schnalstal den „Ötzi“ in den Mit-
telpunkt von Ausstellungen und Festen,
Vorträgen und Veranstaltungen. ×
32 SAISON
MAGAZIN
Die erste theALPS-Vollversion – eine BilanzIm Vorfeld gab’s viel Skepsis: Ein völlig neues touristisches Messe-, Netzwerk und Handelsformat theALPS in weniger als einem halben Jahr auf die Beine zu stellen – das galt als absolutes Risiko. Doch unter dem Strich lautet das Resümee schließlich: Es hat geklappt. Der Anstoß ist erfolgreich gemacht.
VON MICHAEL RIEDLER
W ir haben uns beteiligt
im Bewusstsein, dass
es ein Risiko gibt.
Doch jetzt habe ich
das Gefühl, das Geld war gut investiert.
Man hat klar gesehen, was für ein großes
Potenzial die Alpenkooperation hat“, lobte
Harald Ultsch, Tourismusspartenobmann
in der Wirtschaftskammer, nach der
Veranstaltung in Wattens und Innsbruck.
In der kurzen Planungsphase gelangen
immerhin schon wichtige Weichenstel-
lungen: Bedeutende Alpendestinationen
konnten ins Boot geholt werden, Grau-
bünden etwa oder die wichtigste franzö-
sische Alpenregion Rhone-Alpes.
Das vielleicht wesentlichste Element
der ersten Vollversion in Innsbruck war der
neue B2B-Handelsraum in der Innsbrucker
Dogana für internationale Reiseveranstalter
sowie Vertreter alpiner Qualitätsangebote.
Registrierte Teilnehmer konnten im Vorfeld
Termine via iPad vereinbaren, und rund
700 solcher Vereinbarungen wurden auch
getro� en. Und eingehalten, wie Teilnehmer
feststellten. Annemarie Meyer, Marketing-&-
Sales-Direktorin von Davos-Klosters: „Wir
haben im Vorfeld sechs bis sieben Termine
vereinbart, und zwar ausschließlich mit Top-
Leuten, mit denen wir bisher nicht zusam-
mengearbeitet haben. Und das Erstaunliche
war: Alle Termine wurden bestätigt. Die
Top-Leute kann man hier in relativ kurzer
Zeit tre� en, ohne großen Aufwand.“
Die Profi s gingen erstaunlich gelas-
sen mit anfänglichen technischen Prob-
lemen um und zogen positive Vergleiche
zu anderen touristischen Messeformaten:
„Die Swiss Travel Market fi ndet nur alle
zwei Jahre statt, und um wichtige Leute
zu tre� en, ist ein zweijähriger Rhythmus
einfach zu lang. Es braucht eine jährli-
che Veranstaltung“, sagt Meyer. Susanne
Marie Servin, Chefi n des amerikanischen
Touroperators HerzerlTours, lobt: „Diese
Veranstaltung ist eine sehr gute Idee.“
Nicht zuletzt, weil man damit auch die
Österreich Werbung zu höheren Anstren-
gungen in puncto Bergurlaub animiere.
Weichen wurden gestellt. Das
Resümee: Die Veranstaltung wurde
erfolgreich etabliert (was vorher durch-
aus als nicht selbstverständlich galt),
Bewusstseinsbildung gescha� en und
ein umfangreiches Symposiums- und
Workshop-Programm auf die Beine ge-
stellt. Top-Profi s wurden nach Innsbruck
gebracht. Einige Kinderkrankheiten sind
noch auszumerzen: So muss etwa die
ganze Abwicklung des Verkaufs über iPads
künftig noch einfacher werden, sagt Mar-
greiter, der aber die perfekte Organisation
durch das Projektteam unter Leiterin He-
lene Forcher lobt.
theALPS war eine Tiroler Initiati-
ve, wurde auch von Tirolern umgesetzt.
Künftig soll theALPS aber auf viel inter-
nationalere Beine gestellt werden, unter
anderem mit der EU oder der Euregio als
Partner, 2012 noch einmal in Innsbruck,
dann in jeweils einem anderen Alpenort.
Jetzt gilt es, die Möglichkeiten voll
auszuschöpfen. So hat etwa die Business-
Dating-Plattform noch großes Entwick-
lungspotenzial, wie Helene Forcher sagt:
„Die Arbeit geht einen Tag nach Ende der
Veranstaltung sofort wieder weiter.“ ×
© M
ICH
AE
L R
IED
LER
(2
)
33
„ Spüre eine neue Einstellung hier“Andy Perrin, Vorstandschef des Reiseveranstalters Hotelplan UK, glaubt, dass theALPS für einige touristische Anbieter, aber auch für Touroperators eine größere Bedeutung erlangen kann als große Tourismusmessen wie die ITB.
SAISON: Herr Perrin, wie sinnvoll ist für Sie die Idee von theALPS?
ANDY PERRIN: 100-prozentig
sinnvoll. Wir waren schon beim
ersten Zusammenkommen von theALPS
vor einem Jahr dabei und haben hier be-
reits gesehen: Das macht Sinn, wir sind
da voll dabei.
Was sind die Gründe dafür? Für uns ist
der Ansatz schon einmal sehr wichtig. Bei
großen Tourismusmessen wie der World
Travel Market in London, der ITB in Berlin
oder auch der ACTB in Wien sind immer
die Städtereisen im Vordergrund gestan-
den. Für unsere Gruppe, die sich auf den
Bergurlaub spezialisiert hat, war das nicht
ideal. Deshalb haben wir die Kooperation
theAlps sehr begrüßt.
Sie fi nden die Idee gut. Wie sieht es mit der Umsetzung aus? Das Tolle ist, dass wir
hier nur touristische Anbieter tre� en, mit
denen wir entweder schon zusammen-
arbeiten oder mit denen wir gerne zu-
sammenarbeiten wollen oder mit denen
wir zumindest gemeinsame Interessen
haben. Ich habe hier wirklich noch keinen
einzigen Menschen getro� en, von dem
ich nicht eine gute Idee, eine Anregung
erhalten oder etwas Wichtiges gelernt
habe. Das sind zwei, drei ganz intensive
Tage, weil eben alles ganz gezielt auf die
Alpen konzentriert ist.
Das erhöht die Qualität der Geschäfte?
Ja, man hat im Alltagsgeschäft prinzipiell
immer zu wenig Zeit. Hier haben wir die
Möglichkeit, in kurzer Zeit sehr viele Top-
Leute zu tre� en, die Spitzenleute der touris-
tischen Anbieter. Bei großen Reisemessen
ist das gar nicht in diesem Umfang möglich,
weil dort die Top-Leute eben nicht überall
sein können. Hier tri� t man sich und kann
in kurzer Zeit sehr viel bewegen.
Bringt die Kooperation theALPS den briti-schen Reisenden auch etwas oder suchen die nicht vielmehr von Haus aus nach der Reisedestination „Österreich“ oder „Schweiz“, aber nicht nach den „Alpen“?
Die Kunden, die zu uns kommen, haben
sich in der Regel bereits für einen Bergur-
laub entschieden. Trotzdem kann theALPS
durchaus etwas für unsere Kunden bringen,
weil sie einfach mit größerer E© zienz an-
gesprochen werden können. Oft zählt beim
touristischen Marketing noch: Wie kann ich
den Kunden vom Nachbarort in meinen Ort
locken? Dafür wird viel Geld ausgegeben.
Man soll aber stattdessen versuchen, die
Gesamtzahl der Menschen zu erhöhen,
die sich für einen Bergurlaub interessieren
oder begeistern. Da hat dann jeder Ort
etwas davon. Dazu braucht es eben mehr
Kooperation.
Und dieses neue Denken kann theALPS in-itiieren? Wir spüren diese neue Einstellung
hier. Und sie ist auch notwendig, denn ge-
rade im Sommer steht der Bergurlaub unter
starker Konkurrenz. Viele unserer Kunden
kommen im Sommer, nehmen in einem Ort
Quartier und unternehmen von dort aus
entspannte Ausfl üge in die Umgebung. Und
das, was ich damit beschreibe, ist eigentlich
nichts anderes als das, was eine Kreuzfahrt
auch bietet. Der Kreuzfahrtboom nimmt
dem Bergtourismus im Sommer viele po-
tenzielle Kunden weg, weil er vielfach auch
eine ähnliche Kundenschicht anspricht.
Da braucht es gemeinsame Bemühungen, um dies zu ändern? Ja, der britische Fami-
lienurlauber will zum Beispiel im Sommer
vor allem Sonne und Strand haben. Wenn
wir ihm unsere Bergangebote zeigen, sagt
er: Ja, das schaut alles ganz schön aus,
aber wir wollen einen Strand. Das Bemer-
kenswerte ist: Praktisch jede Familie, die
wir nach Österreich gebracht haben, hat
danach gesagt: Das war der beste Famili-
enurlaub, den wir je gehabt haben.
Was halten Sie davon, dass bei „theALPS – a new way of trading“ auf Prospekte und Kataloge verzichtet wird und dafür über iPads kommuniziert wird? Hut ab,
dass die Veranstalter das so gemacht
haben. Es funktioniert noch nicht alles
100-prozentig perfekt, aber Perfektion
steht dabei gar nicht im Vordergrund.
Wichtig ist, dass damit ein Zeichen gesetzt
wird: theALPS denkt in die Zukunft hinein.
Kann sich theALPS mit großen Tourismus-messen wie ITB und WTM vergleichen?
Nein, das sind zu unterschiedliche Veran-
staltungen. Und einige Dinge sind eben
so nur bei theALPS möglich. Wir sind sehr
zuversichtlich und werden sicher in den
nächsten Jahren wieder dabei sein. Die
Veranstaltung ist ein fi xer Bestandteil in un-
serem Terminkalender. Auf die ITB dagegen
gehe ich seit einiger Zeit nicht mehr. Wenn
theALPS richtig weiterläuft, dann kann diese
Veranstaltung für manche wichtiger werden
als die ITB, weil sie hier in zwei Tagen mehr
erreichen als in einer Woche ITB.
Vielen Dank für das Gespräch. ×
Andy Perrin ist Chief Executive O� cer von Hotelplan UK, unter deren Dach bekannte Touroperators wie Inghams, Esprit, Total
und Inntravel agieren. Hotelplan UK ist nach der TUI der zweitgrößte britische Reisever-
anstalter für den Alpenraum.
„Wir waren schon beim ersten Zusammen-kommen von theALPS vor einem Jahr dabei und haben hier bereits gesehen: Das macht Sinn, wir sind da voll dabei.“ANDY PERRIN
34 SAISON
MAGAZIN
G oogle weiß alles. Wo wir
sind, wo wir einkaufen
und wohin wir auf Urlaub
fahren. Was Datenschüt-
zer regelmäßig warnend den Zeigefi nger
erheben lässt, soll sich jetzt für Touristiker
als nützlich erweisen. Zumindest wenn es
nach Karl Pall, Chef von Google Öster-
reich, geht. Mit dem Google-Tool Insights
for Search soll sichtbar werden, wer auf
welche Weise über Google nach den
Alpenregionen sucht, woher die Gäste
kommen und wo das Interesse an den
Alpen besonders groß ist. Dieses Wissen
könnte sich für die heimischen Hoteliers
nach Ansicht des Google-Chefs defi nitiv
auszahlen.
Beliebteste Alpenregion. Mit In-
sights for Search kann man sich die welt-
weiten Suchanfragen nach bestimmten
Begri� en, nach Ländern, Regionen und
im zeitlichen Verlauf anschauen. Eine
Auswertung dieser Anfragen, die Pall
für seinen Vortrag bei theALPS durch-
führte, hat unter anderem ergeben, dass
Österreich, was Suchanfragen bezüglich
Unterkünften und Hotels betri� t, die
beliebteste Alpenregion ist. Das eigent-
lich Überraschende dabei: Relativ viele
Suchanfragen stammen aus Ländern, bei
denen man es nicht auf den ersten Blick
vermutet hätte, wie Großbritannien und
die USA. Von dort kamen etwa elf Prozent
der Anfragen, demgegenüber waren es
rund 30 Prozent aus Deutschland.
Im Detail lassen sich dann auch
Trends ablesen. „Man sieht zum Beispiel,
was zunehmende Fragen aus dem Bereich
sind und was noch dazu gefragt wird“, er-
klärt der Google-Manager. „Es ist jeder-
manns Sache, hier selbst Begri� e einzu-
geben. Ich sage ganz gern, es gehört zur
Startphase für jeden Unternehmer, egal
ob im Wirtschafts- oder Medienbereich,
zu fragen, was interessiert die Menschen
eigentlich. Was ist das, wo die große Ver-
änderung stattgefunden hat oder stattfi n-
den wird.“ Dabei helfe Insights for Search.
Die Top-Drei der Zusatzbegri� e beim
Wandern sind aktuell zum Beispiel „wan-
dern Südtirol“, „wandern Schwarzwald“
und „wandern Schweiz“.
Prognose von Grippewellen. Eine beeindruckende Anwendung dieser
Suchanalysen aus einem anderen Bereich
hat Google in Österreich bereits online
gestellt: die Prognose von Grippewellen.
Dies geschieht anhand der Häufi gkeit
von Suchbegri� en, die auf die Krankheit
bezogen sind und die mit historischen
Verlaufsdaten abgeglichen werden. In
den USA konnten die Prognosen die
Grippewellen etwa zwei Wochen früher
anzeigen, als dies den Centers for Disease
Control möglich war.
Suchanfragen bilden zeitnah die
kommenden Trends ab. Pall fällt dazu
als zumindest indirekt für den Tourismus
relevant das Elektrofahrrad ein. „Das
ist ein absolutes Thema. Das ist erst im
letzten Jahr gekommen und hat ein
solides Wachstum gezeigt und wird das
auch weiter tun. Als Touristiker kann man
sagen, was fange ich damit an. Biete ich
vielleicht auch Elektrofahrräder an. Ist das
ein Thema, kann ich hier in einen Markt
einsteigen?“
Smartphone-Boom. Google ver-
zeichnet 3,6 Milliarden Suchanfragen
pro Tag, 50 Prozent der Smartphone-
Besitzer starten, wenn sie über das Handy
das Internet nutzen, mit einer Suche. So
kommt täglich eine gewaltige Datenmen-
ge zusammen, die Google für alle Nutzer
kostenfrei zur Verfügung stellt. Pall sieht
im Smartphone den „besseren Computer
in der Hosentasche“ und prognostiziert
ein rapides Wachstum für die nächste
Handygeneration: „Haben wir die Decke
schon erreicht? Nein, noch lange nicht.“
In Österreich besitzt derzeit etwa ein Drit-
tel der Handynutzer ein Smartphone. In
Deutschland sind es noch etwas weniger,
was sich aber schnell ändern wird, glaubt
Pall: „Das wird unsere Kundenschicht sein,
ich möchte gar nicht sagen von morgen,
sondern in vielen Fällen schon von heute“.
Neue technische Entwicklungen
brauchen mittlerweile im Vergleich zu
früher wesentlich weniger lang, um von
einer breiten Konsumentenschicht an-
Urlaubst du schon oder googelst du noch? Wonach googeln Österreich-Urlauber? Finden sie, was sie suchen, oder gibt es das, was sie wollen, vielleicht (noch) gar nicht? Wer interessiert sich eigentlich für Österreich? Karl Pall, Chef von Google Österreich, hat die meistgenutzte Suchmaschine der Welt nach Antworten durchforstet.
VON SONJA K AINZ
© G
ER
HA
RD
BE
RG
ER
35
genommen zu werden. Zur Veranschaulichung zieht Pall die
markttechnisch relevante Zahl von 50 Millionen Nutzern heran:
Das Radio brauchte 38 Jahre, um diese Grenze zu sprengen, der
Fernseher nur mehr 13 Jahre, das Internet scha� te es in lediglich
vier Jahren und dem iPhone von Apple gelang dieses Kunststück
in nur drei Jahren. „Es geht darum, wie schnell man dabei ist.“
Nächstes Jahr könne in vielen Fällen schon zu spät sein.
Virtueller Reiseführer. Auf diese Veränderung wird sich
auch die Tourismusbranche zunehmend einstellen müssen. Das
Smartphone werde zum virtuellen Reiseführer. Pall rät, rasch zu
reagieren. „Es beginnt eigentlich mit der Anbindung. Wenn ich
heute weiß, ich habe eine bestimmte Anzahl von Gästen im Haus,
von denen ein bestimmter Prozentsatz auch ein Smartphone
besitzt, möchten diese bestimmt auch die Daten nutzen.“ Als
Betrieb könne man einfach alle Informationen, die man über
das Haus an den Gast weitergeben möchte, über eine App zur
Verfügung stellen, ebenso wie bestimmte Zusatzdienste oder
aktuelle Angebote.
Ein Hindernis für die Nutzung von Smartphones im Aus-
land sind derzeit noch mitunter sehr hohe Roaming-Gebühren.
Die Lösung des Problems ist für Pall das Anbieten eines o� enen
WLAN-Zugangs. Das sei vor allem für ausländische Gäste sehr
wichtig. In anderen Ländern sei man in dieser Hinsicht schon
weiter. „In den USA oder in den skandinavischen Ländern gibt
es beinahe keinen Campingplatz, der nicht über o� enes WLAN
verfügt.“ Die Stadt Miami habe ein fl ächendeckendes WLAN für
alle Bürger. „Das ist eine Grundausstattung, die meiner Meinung
nach in naher Zukunft fast unumgänglich sein wird“, meint Pall.
Er kritisiert, dass hierzulande viele WLAN zwar anbieten, aber
versuchen, damit Geld zu verdienen, „auf eine Art und Weise,
die in keiner Relation zur Leistung steht“. Er sehe das auch aus
Sicht des Users. „Wenn ich in einem Lokal bin und entsprechend
konsumiere, sehe ich es eigentlich nicht ein, warum ich dann fürs
WLAN zahlen soll.“ ×
stark wie nie!
Das alles gibt’s beim Fuco:» Großküchenmaschinen » Reparaturwerkstätte
» Gastrogeräte » Kältetechnik
» Küchenplanung & Montage » Service
GRoSSeS PRoGRaMM inteRnationaleR QualitätSMaRKen
... und viele andeRe MehR ...
Michael hörtnagl GmbhFlurstraße 1 • a-6063 Rum bei innsbruck
telefon 0512 / 26 44 88 • Fax 0512 / 26 44 88–50office@fuco.at • www.fuco.at
Insights for Search. Die weltweiten Suchanfragen nach dem Stich-wort „Grippe“ enthüllen den Verlauf der Krankheitswellen.
36 SAISON
MAGAZIN
W er braucht schon
Hilfe beim Surfen auf
einer Homepage?
„Weitaus mehr In-
ternetnutzer, als man denkt“, antwortet
darauf Michael Anfang, Marketingchef
des Viersternehotels Edelweiss & Gurgl
in Obergurgl im Ötztal. Diese Einschät-
zung stützt sich auf nüchterne Zahlen:
An einem Donnerstag im Mai, einer an-
fragetechnisch traditionell lauen Zeit des
Jahres, waren beispielsweise 800 poten-
zielle Gäste auf der Homepage des Hotels.
Davon hätten aber nur drei Prozent eine
Anfrage geschickt, erklärt Anfang. Im Jah-
resschnitt sieht es mit 4,8 Prozent etwas
besser aus. Das heißt aber natürlich noch
nicht, dass sich diese 4,8 Prozent auch zu
einer Buchung entschließen. Im Fachjar-
gon nennt man den Anteil jener Personen,
die über die Website in direkten Kontakt
zur jeweiligen Firma treten, „Konversati-
onsrate“.
Nur zwei Prozent fragen an. Sie
liegt im Schnitt bei zwei Prozent. Obwohl
sich mittlerweile branchenübergreifend
viele Kunden im Internet über Angebote
informieren, bedeutet das für das Un-
ternehmen in den meisten Fällen noch
keinen Kundenkontakt und dement-
sprechend kein tatsächliches Geschäft.
Das gilt auch für die Hotellerie. Zu groß
sei die Vielfalt der Inhalte im Web und
nach einigen Klicks sei das Interesse des
durchschnittlichen Users oft schon wie-
der abgeschweift, der Eindruck der ersten
Homepage vielleicht schon wieder durch
zig andere Inhalte überlagert, führt Anfang
aus. Diesem E� ekt will der Marketingfach-
mann mit einem neuen „Live Hilfe System“
auf der Homepage des Edelweiss & Gurgl
entgegensteuern. Es soll den fl atterhaften
Webnutzer durch persönlichen Kontakt
zum Innehalten bewegen.
Das funktioniert folgendermaßen:
Klickt man auf die Homepage des Hotels,
fi ndet man am rechten Bildschirmrand
einen „Live Help Button“. Wer diesen
anwählt, bekommt von einem freundli-
chen Herrn in traditionellem Outfi t per
Video die Online-Hilfe erklärt. Einen
Mausklick auf das nicht zu übersehende
Hilfe-Symbol später, wird man innerhalb
weniger Minuten per Videochat mit einem
der Mitarbeiter des Hotels verbunden.
Während man selbst sehen kann, wer am
anderen Ende der Leitung sitzt, kann sich
der User aussuchen, ob er mittels Tastatur,
Voice Chat oder Video Chat kommunizie-
ren möchte. Der Hotelmitarbeiter kann
mit dem Interessenten in Kontakt treten,
sofort Fragen beantworten, ein Angebot
schicken oder ihm bestimmte Inhalte auf
der Homepage direkt zeigen. „Die zwi-
schenmenschliche Interaktion wird im
Internet immer wichtiger“, sagt Anfang.
Außerdem seien die Homepages in den
vergangenen Jahren enorm gewachsen.
Oft habe der Kunde gar keine Möglichkeit,
Ein Hotel testet die virtuelle RezeptionMit einem innovativen Live-Hilfe-System im Internet will das Ötztaler Viersternehaus Edelweiss & Gurgl den fl atterhaften Internetkunden an sich binden und mehr Website-Besucher zu tatsächlichen Gästen machen.
VON SONJA K AINZ
On Air. Rezep-tionistin Dolores Fender winkt einem User freundlich zu. „Der Service wird sehr gut ange-nommen.“
37
das für ihn Relevante in der kurzen Zeit,
die ihm meist zur Verfügung steht, auch
zu fi nden.
Kunden gehen leicht verloren. Eine Zahl, die den Schwazer besonders
stutzig gemacht hat, ist, dass 22 Prozent
der Besucher der Hotelwebsite das Anfra-
geformular ö� nen, aber nur 4,8 Prozent es
dann auch abschicken. Anfang erklärt sich
das so: Zeit ist ein knappes Gut und oft
reicht schon das Klingeln des Telefons, um
den Kunden zu verlieren. „Wenn man aber
gerade aktiv mit jemandem chattet oder
vielleicht sogar per Video in Verbindung
mit ihm steht, ist man viel eher geneigt,
das Handy einfach mal läuten zu lassen.“
Seit sechs Wochen wird das System jetzt
mittlerweile im Viersternehaus getestet.
Die mit 60 Prozent beliebteste Variante,
um mit dem Hotelpersonal in Kontakt
zu treten, ist übrigens der Textchat. „Das
liegt zum einen an der technischen Aus-
rüstung, nicht jeder verfügt über Kamera
und Mikrofon, und zum anderen daran,
dass viele ihren Urlaub während der Ar-
beitszeit planen. Das sollen die Kollegen
ja schließlich nicht unbedingt mitkriegen“,
erklärt der 40-Jährige.
Informationen über den User. Live-Hilfe-Hauptbeauftragte im Edelweiss
& Gurgl ist derzeit Dolores Fender. Ins-
gesamt sind für diesen Service während
der Hauptsaison vier Mitarbeiter vorge-
sehen. Sie führe derzeit zwischen sechs
und acht Gespräche täglich via Internet,
erzählt die Rezeptionistin und bilanziert
bisher positiv. „Der Service wird sehr gut
angenommen. Vor ein paar Tagen habe
ich beispielsweise mit einem Amerikaner
gechattet, der auf der Suche nach einem
Zimmer mit Verbindungstür war. Auf der
Homepage konnte ich ihm dann gleich
direkt die Fotos zeigen.“ Erreichbar ist der
Service zu den üblichen Bürozeiten. Ein
Tool, das das Live-Hilfe-System zusätz-
lich bietet, begeistert Anfang besonders.
„Es ist auch möglich, einem User eine
Einladung zu einem Chat zu schicken,
also von sich aus aktiv zu werden.“ Man
kann nämlich sehen, wenn sich jemand
beispielsweise länger die Angebote und
Preise ansieht, dann gibt‘s die Möglichkeit,
ihm direkt Hilfe anzubieten. Außerdem
zeigt die Software an, aus welchem Land
der User stammt, „andere Informationen
unterliegen natürlich dem Datenschutz“,
fügt er hinzu.
Zukunft Internetverkauf. Das
System wurde in England entwickelt. Es
war auch ein Gast aus England, der An-
fang auf die Idee brachte, die Live-Hilfe
fürs Edelweiss & Gurgl zu nutzen. „Ich
glaube fest daran, dass das die Zukunft
im Internetverkauf ist.“ Deshalb hat Anfang
auch gleich den Vertrieb des Onlinetools,
genannt „vee24“, für Österreich und die
Schweiz übernommen. Neben England
wird vee24 auch in den Vereinigten
Staaten, in Deutschland, Frankreich und
den Beneluxländern angeboten. Als ein-
gefl eischter Marketing-Profi hat Anfang
natürlich auch einige Erfolgsstorys parat.
In England habe beispielsweise ein kleines
Reisebüro, das hauptsächlich Familien-
urlaube anbiete, dank der Live-Hilfe eine
Steigerung der Konversationsrate um 900
Prozent erreicht. In Deutschland zählt
unter anderem Lexus zu den Nutzern.
Lexus sei es dadurch gelungen, die online
buchbaren Testfahrten um 167 Prozent zu
steigern, der Autoverkauf habe sich, wenn
auch nicht in derselben Größenordnung,
so doch immerhin um 21 Prozent erhöht.
Fürs Edelweiss & Gurgl hat sich An-
fang ein vergleichsweise bescheideneres
Ziel gesetzt. Die Konversationsrate soll
von derzeit 4,8 Prozent auf acht Prozent
hinaufgeschraubt werden. „Das könnte
die halben Marketingkosten einsparen“,
glaubt Anfang. Ob das tatsächlich gelingt,
ist derzeit noch nicht abzusehen. Immer-
hin sei momentan Nebensaison und die
Testphase noch zu kurz, um einen Trend
ablesen zu können. Neben mehreren
Tiroler Hotels zählt mittlerweile auch
der Ötztal Tourismus zu den Live-Hilfe-
Anbietern. Anfang stellte die Software
auch bei theALPS vor. Besonders bera-
tungsintensive Branchen, zu denen der
40-Jährige auch den Tourismus zählt,
könnten von dem Online-Tool am meisten
profi tieren, meint er. ×
„Die zwischenmenschliche Interaktion wird im Internet immer wichtiger. Es ist auch möglich, ei-nem User eine Einladung zu einem Chat zu schicken, also von sich aus aktiv zu werden.“MICHAEL ANFANG, MARKETINGCHEF EDELWEISS & GURGL
HOTEL EDELWEISS & GURGLDas Viersternehaus wurde 1889 gegrün-det und befi ndet sich im Besitz der Familie Scheiber, derzeit führen es Lukas und Tan-ja Scheiber. Der Ganzjahresbetrieb verfügt über 255 Normalbetten und beschäftigt 80 Mitarbeiter. 2010 erzielte das Hotel 60.000 Gästenächtigungen.
www.edelweiss-gurgl.comLive-Hilfe-System: www.vee24.at
© M
ICH
AE
L R
AT
HM
AY
R (
4)
38 SAISON
MAGAZIN
S AISON: Herr Switak, welche Ziele verfolgt die Landesre-gierung mit dem Raumord-nungsplan „Raumverträgli-
che Tourismusentwicklung“? CHRISTIAN
SWITAK: Der Tourismus kann je nach
Ausprägung zum Teil sehr fl ächenintensiv
und landschaftsprägend sein. Das zent-
rale Thema des Raumordnungsplans ist
daher eine qualitätsvolle und zukunfts-
fähige touristische Entwicklung, die die
begrenzten räumlichen Ressourcen Tirols
sinnvoll nutzt und zugleich im Sinne der
Nachhaltigkeit schonend damit umgeht.
Wie lassen sich die Ergebnisse auf den Punkt bringen? Mit dem Raumordnungs-
plan ermöglichen wir eine Einbettung des
Tourismus in die Regionalentwicklung
unter Beachtung der örtlich spezifi schen
Eignungspotenziale. Wir stellen eine be-
hutsame bauliche Weiterentwicklung, vor
allem was Großprojekte anbelangt, sicher
und tre� en Vorkehrungen für eine verträg-
liche Entwicklung der touristischen Mobi-
lität. Mit einer Bewusstseinsbildung für die
Komplexität des Lebensraums Alpen wol-
len wir die Sensibilität für den Umgang mit
unseren natürlichen und landschaftlichen
Ressourcen erhöhen. Es soll aber auch der
Erholungswert der Natur hervorgehoben
werden, der von einer immer größeren
Gästeschicht gezielt gesucht wird.
Zwangsläufi g prallen bei der Frage, wie und in welchen Grenzen die touristische Entwicklung verlaufen soll, die Interes-sen aufeinander. Kann man es überhaupt irgendjemandem recht machen? Es allen
recht machen zu wollen, hieße unver-
bindlich zu bleiben, das ist gewiss nicht
mein Ziel. Nicht alle Interessengegensätze
sind so unüberbrückbar, wie sie auf den
ersten Blick scheinen mögen. Es ist daher
wichtig gewesen, von vornherein Vertre-
ter aller Beteiligten in die Erstellung des
Raumordnungsplans einzubeziehen.
Ist bei Raumordnungsfragen der Kom-promiss immer die richtige Lösung? Es
kann nicht immer und überall Kompro-
misse geben. Speziell die Schonung der
Ressourcen macht es auch notwendig
Grenzen zu setzen. Gerade hier ist die
Politik gefordert. Als Beispiel möchte ich
das Verbot von Neuerschließungen im Ti-
roler Seilbahn- und Skigebietsprogramm
nennen. Wenn alle an einem solchen Pla-
nungsprozess Beteiligten erkennen, dass
hier glaubhaft an einem ausgewogenen
Programm gearbeitet wird, dann ist es
auch leichter für notwendige Entschei-
dungen Akzeptanz zu fi nden.
Wer war bei der Ausarbeitung des Pla-nes konkret eingebunden? Vertreter von
Tourismusunternehmen und der Touris-
musorganisationen, die Tirol Werbung und
der Koordinationsausschuss Tourismus
(KAT) waren ebenso mit dabei wie die ver-
schiedenen Interessenvertretungen, der
Gemeindeverband und die Stadt Innsbruck,
der Alpenverein und Umweltorganisationen
sowie einschlägig tätige Dienststellen. In
Summe waren deutlich über 100 Personen
in verschiedenen Beteiligungsformaten ein-
gebunden. Abschließend hat es auch das für
Raumordnungspläne vorgesehene formelle
Begutachtungsverfahren mit Einbindung
des Tiroler Raumordnungsbeirats gege-
ben. Der Landesregierung lag somit am
9. 11. 2010 ein auf breiter Basis konsensual
erstellter Entwurf zur Beschlussfassung vor.
Welche Rolle spielen Klimaerwärmung und Naturgefahren bei der langfristigen
„ Beschränkter Raum verträgt kein unbe- schränktes Wachstum“Seit einem halben Jahr ist der Raumordnungsplan „Raumver-trägliche Tourismusentwicklung“ in Kraft. Landesrat Christian Switak spricht im Interview mit der SAISON über Ziele und erste Erfahrungen im Rahmen des Projekts sowie Grenzen und Wachstums chancen des Tiroler Tourismus.
DA S INTERVIEW FÜHRTE M AT THIA S KR APF.
„Unsere natur- und kulturräumlichen Ressourcen müssen wir verantwortungsbewusst nutzen, aber nicht ver-brauchen – nicht zuletzt auch im Interesse des Tourismus selbst.“
© G
ER
HA
RD
BE
RG
ER
39
DOWNLOADDer Raumord-nungsplan „Raum-verträgliche Tourismusent-wicklung“ kann auf www.tirol.gv.at/raumordnung als pdf heruntergela-den werden.
Strategieentwicklung? Der Klimawandel
ist zweifellos ein Schlüsselthema für die
langfristige Landesentwicklung und damit
auch für den Tourismus. Die Landes-
regierung hat daher erst vor kurzem den
Auftrag erteilt, neben der konsequenten
Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen
diesbezügliche Anpassungsstrategien als
Schwerpunktthema voranzutreiben. Ein
wichtiger Aspekt ist es dabei, mehr Klarheit
über die tatsächlichen regionalen Auswir-
kungen des Klimawandels zu gewinnen,
um zielgerichtet ansetzen zu können. Auch
von touristischer Seite wurden dazu ja be-
reits verschiedene Forschungsprojekte in
Gang gesetzt.
Wichtig erscheint es mir, dass hier
lösungsorientiert gearbeitet wird und dass
in Bezug auf den Tourismus nicht nur die
problematischen Aspekte wie die Schnee-
sicherheit oder Naturgefahren behandelt
werden. Es sollen auch die Chancen, wie
eine zunehmende Attraktivität des Som-
mertourismus, Berücksichtigung fi nden.
Es wird die Wichtigkeit der Vernet-zung und Kooperation mit anderen Wirtschaftszweigen, den Planungsver-bänden und Regionalmanagements betont. Wie kann der Tourismus davon profi tieren? Die Authentizität des Tiroler
Tourismus ergibt sich in hohem Maße aus
der einzigartigen Landschaft und seiner
Integration in die Gesellschaft. Vernet-
zungen und Kooperationen unterstützen
dieses positive Profi l. Zusätzlich leisten
sie auch einen Beitrag zur Erhöhung
der Akzeptanz des Tourismus unter der
einheimischen Bevölkerung, zahlreiche
Infrastruktur- und Freizeiteinrichtungen
stehen Gästen und Einheimischen glei-
chermaßen zur Verfügung. Die Verknüp-
fung zwischen Tourismus und Land- und
Forstwirtschaft ist eine wesentliche Vor-
aussetzung für die Erhaltung der für Tirol
typischen Kulturlandschaft, die wiederum
eine wesentliche Basis für die touristische
Attraktivität bildet.
Kann der Tourismus in Tirol räumlich noch wachsen? Der Siedlungs- und Wirt-
schaftsraum in Tirol ist sehr beschränkt.
Zweifellos ist die touristische Intensität in
Tirol – und damit auch der Raumbedarf
– insgesamt sehr hoch. Da es regional
stark unterschiedliche Situationen und
Perspektiven gibt, muss man diese Fra-
ge di� erenziert sehen. Grundsätzlich
wird der Tiroler Tourismus verstärkt auf
qualitatives Wachstum auszurichten sein.
Nicht nur Nächtigungszahlen oder die
Pistenkilometer können auf Dauer die
maßgeblichen Kriterien sein, sondern die
erzielte Wertschöpfung und ein nachhal-
tiges Profi l.
Sind Wachstum und Nachhaltigkeit in der Praxis nicht oft ein Widerspruch? In
der Tat müssen wir über zukunftsfähige
Formen des Wachstums nachdenken. Die
EU-Strategie „Europa 2020“ postuliert das
Ziel des „smart growth“ und versteht dar-
unter ein intelligentes, nachhaltiges und
integratives Wachstum. Wir brauchen eine
Ressourcen schonende und umweltver-
trägliche Entwicklung, die auch den sozi-
alen Zusammenhalt sichert. Dieses Ziel gilt
auch für Tirol und für den Tiroler Tourismus:
Beschränkter Raum verträgt kein unbe-
schränktes Wachstum. Unsere natur- und
kulturräumlichen Ressourcen müssen wir
verantwortungsbewusst nutzen, aber nicht
verbrauchen – nicht zuletzt auch im Inter-
esse des Tourismus selbst.
Wo hört die verträgliche Tourismusent-wicklung auf und fängt die Übernutzung an? Es gibt keine eindeutige „Grenze“, aber
Indizien, die uns eine problematische
Entwicklung signalisieren. Nehmen wir
als Beispiel die Verkehrsüberlastung in
einzelnen Talschaften beziehungsweise
auf einzelnen Streckenabschnitten, die
die Mobilität stark beeinträchtigt und
hohe Infrastrukturkosten verursacht. Auch
ausgestorbene Ortschaften, in denen au-
ßerhalb der Saisonzeiten Gasthäuser und
Geschäfte geschlossen bleiben, führen
langfristig zu einem Lebensqualitätsver-
lust und in weiterer Folge zu einem Akzep-
tanzproblem innerhalb der Bevölkerung.
Das Thema Verkehr beziehungsweise Mobilität ist gerade auch für den Touris-mus von großer Bedeutung. Wo orten Sie hier Verbesserungspotenzial? Wir müssen
die Stärkung des Ö� entlichen Verkehrs
vorantreiben und unseren Gästen diese
Angebote bewusst machen. Angemessene
Siedlungsstrukturen und Mobilitätsange-
bote am Urlaubsort sollten das Mobilitäts-
verhalten positiv beeinfl ussen. Auch die
Forcierung der Elektromobilität und die
Entwicklung und bewusste Bewerbung
autofreier Urlaubsaktivitäten sind Beispiele
für diesbezügliche Maßnahmen.
Der Raumordnungsplan wurde etwa vor einem halben Jahr von der Tiroler Landesregierung beschlossen. Hat er sich in der Praxis bereits bewährt? Für
die Bewertung eines Strategieplans ist
der Beobachtungszeitraum von einem
halben Jahr nach Umsetzung zwar etwas
kurz, wir können aber trotzdem bereits
sagen, dass sich der Raumordnungsplan
bewährt. Schon allein durch den Ausar-
beitungsprozess konnten wir Bewusstsein
bilden. Die zahlreichen Beteiligten haben
eine gemeinsame Sicht des Handlungs-
bedarfs und der Handlungsmöglichkeiten
entwickelt, die Sensibilität für bestimmte
Themen hat zugenommen.
Im engeren Handlungsbereich
des Landes ist der Raumordnungsplan
eine Richtschnur für alle raumrelevanten
Aktivitäten mit Tourismusbezug. In den
Regionen werden zahlreiche Projek-
te entwickelt, die den Intentionen des
Raumordnungsplans entsprechen. So
steht beim Projekt „Nature Watch“ das
Beobachten und Entdecken der heimi-
schen Flora und Fauna im Vordergrund,
„Climbers Paradise“ präsentiert die Vielfalt
der Kletterwelt Tirols, Genussregionen
wie „Stanzer Zwetschke“, „Osttiroler
Berglamm“ oder „Nordtiroler Gemüse“
defi nieren sich über die kulinarischen
Besonderheiten der Region, um nur
einige Beispiele anzuführen, bei denen
die Naturressourcen Tirols ein gern an-
genommenes Highlight im touristischen
Angebot darstellen.
Vielen Dank für das Gespräch. ×
DOWNLOAD
wicklung“ kann auf
40 SAISON
MAGAZIN
D er Sommer ist für viele
Tou ris mus be trie be keine
einfache Zeit. Weniger Gäs-
te als im Winter kommen
in die Berge – wer nichts Besonderes zu
bieten hat, bemerkt das schnell an der
Auslastung.
Auch die Hotels im Skifahrerpara-
dies Serfaus haben in den warmen Mona-
ten zu kämpfen: Serfaus war im Jahr 2010
mit 1.052.087 Nächtigungen in Tirol zwar
auf Platz 7, doch nicht einmal ein Drittel
(32 %) der Nächtigungen fallen auf den
Sommer (Landesstatistik Tirol). Diese Zahl
wäre wohl noch niedriger, hätten nicht ein
paar Hoteliers eine besondere Zielgruppe
entdeckt: orthodoxe Juden.
„Wir bekamen per E-Mail eine An-
frage, ob wir jüdisch-orthodoxe Gäste
beherbergen würden. Uns hat das Neue
gereizt – und so ö� nen wir diesen Som-
mer das Hotel bereits zum sechsten Mal
exklusiv für jüdische Urlauber“, erklärt
Sonja Purtscher, Juniorchefi n des Hotels
Alte Schmiede in Serfaus. Eine unge-
wöhnliche Methode, um dem sommer-
lichen Gästeschwund vorzubeugen – gilt
die Beherbergung von orthodoxen Juden
doch als besonders anspruchsvoll. Juden
haben sich an viele Regeln zu halten, die
jüdischen Speisegesetze (Kashrut) alleine
sind schon kompliziert genug.
Nichtsdestotrotz scheint die Rech-
nung aufzugehen: Zwischen 1.000 und
2.000 orthodoxe Juden urlauben jeden
Sommer in Serfaus. „Wir haben auch
Stammgäste, die jedes Jahr wieder kom-
men. Die Resonanz ist sehr gut“, zeigt sich
Purtscher zufrieden.
Ein wenig anders sieht das Hotel
aber in der Sommersaison schon aus.
„Die Hausbar wird zu einem Gebetsraum
umgestaltet“, nennt Purtscher nur ein Bei-
spiel dafür, wie das Hotel für die speziellen
Gäste umgestaltet wird.
Koschere Hotelküche. Jüdisch-
orthodoxe Urlauber zu beherbergen,
setzt auch Wissen über das Judentum
voraus – und die Bereitschaft, sich dar-
auf einzulassen. Denn orthodoxe Juden
halten sich peinlich genau an die strengen
Regeln der Thora und des Talmuds – am
bekanntesten in Mitteleuropa sind die
jüdischen Speisegesetze. Diese schrei-
ben vor, dass nur koschere und koscher
zubereitete Lebensmittel verzehrt werden
Shalom, Serfaus!Viele Tourismusbetriebe ächzen unter dem Gästeschwund in der Sommersaison. In Serfaus sorgen ungewohnte Gäste auch in der warmen Jahreszeit für volle Betten.
VON S YLVIA A INE T TER
41
VORREITER IN SALZBURGDie Auswahl an koscheren Hotels in Österreich ist nicht gerade groß: Das Hotel Alpenkarawanserai in Saalbach-Hinterglemm/Salzburg galt lange sogar als das einzige koschere Hotel in Österreich. Es wirbt unter anderem mit nach Geschlechtern getrennten Wellnessbereichen, traditionellen Reinigungsbädern (Mikveh) und jüdischen Gebetsräumen. Die koschere Küche und der traditionelle Sabbat gehören zum Standard. Doch auch die Alpenkarawanserai bietet den Service für die jüdischen Gäste nur in den Sommermonaten an.
dürfen. Für den Hotelbetrieb heißt das
konkret, dass die Küche umgestellt und
adaptiert werden muss – und auch alle
Gerätschaften müssen „gekaschert“, also
koscher gemacht werden. Dies geschieht
beispielsweise durch Erhitzen oder Ein-
tauchen der Geräte in kochendes Wasser.
Dann müssen die Arbeitsbereiche neu
aufgeteilt werden. „Milchige und fl eischige
Lebensmittel müssen getrennt voneinan-
der verarbeitet und zubereitet werden“,
erklärt Purtscher.
In der Küche gibt es dann zwei
Kochbereiche, zwei Kochgeschirrausstat-
tungen und sogar zwei Geschirrspülma-
schinen. Fleischiges und Milchiges dürfen
unter keinen Umständen miteinander
in Berührung kommen – sonst gilt die
Speise als „treife“, also nicht-koscher, und
darf nicht mehr verzehrt werden. Auch
die Auswahl der Lebensmittel ist einge-
schränkt: Nur Fleisch von wiederkäuen-
den Tieren mit zweigespaltenen Hufen ist
erlaubt – Schwein, Hase und Pferd sind
verboten, stattdessen gibt es Rind, Lamm
und Gefl ügel wie Huhn. Auch der Verzehr
von Blut ist streng verboten, weshalb nur
geschächtete Tiere auf den Teller kom-
men. Dass alle diese Regeln auch wirklich
eingehalten werden, überprüft ein Rabbi-
ner, der die Küche beaufsichtigt. Das geht
sogar so weit, dass er jedes Ei eigenhändig
ö� net, um sicherzugehen, dass kein Blut
enthalten ist. Er ist bei der Zubereitung
der Speisen immer in der Nähe und über-
wacht den Kochvorgang.
Stromloser Sabbat. Doch nicht nur der
Küchenbetrieb unterscheidet sich wesent-
lich von dem in der Wintersaison. Auch am
Samstag (Sabbat), dem Ruhetag der Juden,
läuft der Hotelbetrieb ein wenig anders ab.
Die drei wichtigsten Regeln für den Sabbat:
Es darf nicht gearbeitet werden, es darf kein
Feuer entfacht werden (also auch kein Fun-
ken erzeugt und somit kein Stromschalter
betätigt) und man darf sich nicht weiter als
1.000 Meter von der Stadtgrenze entfernen.
Letzteres bedeutet, dass der Samstag als
klassischer An- und Abreisetag im jüdischen
Serfauser Sommer nicht gilt. „Das Licht in
den Hausgängen bleibt den ganzen Tag
über eingeschaltet, da keine Elektrizität
betätigt werden darf“, erklärt Purtscher. Am
Sabbat stehen auch die Aufzüge im Hotel
still und sogar die Lichtsensoren in den
Waschbecken der Toiletten haben Pause.
Der Sabbat dauert von Freitagabend,
Sonnenuntergang, bis zum Sams tagabend,
Sonnenuntergang – erst danach darf auch
wieder ein Stromschalter betätigt und auch
gearbeitet werden: Eine neue jüdische Wo-
che beginnt.
Mundpropaganda. Doch welche
fi nanziellen Auswirkungen hat dieser Auf-
wand für den Hotelier? „Wir haben keinen
fi nanziellen Mehraufwand“, sagt Purt-
scher, der Reiseveranstalter „Tour Olam“
kümmere sich sogar um das notwendige
Equipment. Auf seiner Homepage wirbt
der Veranstalter damit, dass alle Hotels
streng überwacht werden – und zwar von
einem eigens engagierten Rabbiner. Die
nötige Ausstattung wie Gebetbücher und
die Thorarolle für den Gebetsraum, aber
auch Lebensmittel, die nicht aus der Regi-
on bezogen werden können, werden von
„Tour Olam“ organisiert. Für die Bewerbung
des koscheren Angebots sei ebenfalls der
Reiseveranstalter zuständig, „aber viele
kommen auch zu uns, weil sie von uns
gehört haben“, so Purtscher.
Im Juli und im August steht das Hotel
Alte Schmiede wieder exklusiv für jüdische
Gäste o� en. „Wir freuen uns schon sehr,
wenn es im Hotel wieder ,Shalom’ heißt“,
sagt sie. Außerdem lohnt sich der Aufwand
– die Auslastung des Hotels Alte Schmiede
betrage im Sommer 100 Prozent. Davon
können andere Hotels nur träumen. ×
Serfaus
„Wir haben im Sommer eine Auslastung von 100 Prozent.“ SONJA PURTSCHER, JUNIOR-CHEFIN HOTEL ALTE SCHMIEDE, SERFAUS
© M
AR
OU
ND
PA
RT
NE
R G
MB
H
42
Natur im ZoomArtenvielfalt auf Zelluloid. Die Tiroler Naturparks und der Nationalpark Hohe Tauern machen ihre Artenvielfalt jetzt auch in Fotoworkshops erfahrbar und öffnen sich damit dem Weg zu einem neuen Naturbewusstsein.
Von Jane K athrein
A lle vier von sich gestreckt
liegt er da. Tarnen und
täuschen. „Das ist ein
besonders schönes Ex-
emplar“, schwärmt Reinhard Hölzl. Die
meisten Schnellkäfer sind schwarz, die-
ser ist braun. Hölzl wartet. Stative werden
verrückt. Objektive gewechselt. Alles
möglichst geräuschlos. Plötzlich springt
der Käfer in die Bauchlage, verharrt noch
kurz in Hölzls Handfläche, um sich dann
auf und davon zu machen. Hat das jemand
fotografisch festgehalten? Kopfschütteln
geht durch die Runde. Zur richtigen Zeit
am richtigen Ort sein, spontan sein, diesen
Leitsatz gibt der Naturfotograf Reinhard
Hölzl gleich zum Auftakt des viertägigen
Fotoworkshops mit. Die meisten Motive
in der Naturfotografie könne man in Sze-
ne setzen. Aber eben nicht alle. Für den
Schnellkäfer waren wir zu langsam.
Die Tiroler Naturparks und der
Natio nalpark Hohe Tauern gehen diesen
Sommer neue Wege und laden Natur-
freunde zum großen Zoom. In Fotowork-
shops, angeleitet von professionellen Na-
turfotografen wie Reinhard Hölzl, sollen sie
das echte Tirol auf Zelluloid bannen. Erste
Überlegungen dazu gab es schon vor zwei
Jahren. Die Premiere fand im Alpenpark
Karwendel statt. „Der Anfang ist gemacht“,
sagt Hermann Sonntag, Leiter des Alpen-
park Karwendel, erleichtert. In einzelnen
Themenschwerpunkten wird die Tiroler
Tier- und Pflanzenwelt in den fünf Natur-
parks und im Nationalpark Hohe Tauern
in den Mittelpunkt geholt. Professionelle
Naturfotografen, die wie Reinhard Hölzl
aus der Gegend stammen, begleiten die
Kursteilnehmer durch die verschiedenen
Lebensräume. Hölzl freut sich über das
kindliche Staunen seiner Wegbegleiter. „Ich
bin hier so häufig unterwegs, dass einem
das Besondere gar nicht mehr auffällt.“
Pirsch durch das Halltal. Es sind
ambitionierte Hobbyfotografen, die heute
durch das Halltal pirschen. Grundsätzlich
kann aber jedermann bei den Workshops
mitmachen. Angereist sind die Teilnehmer
aus der Schweiz, aus Deutschland und aus
Tirol. Man tauscht sich aus. Jeder kann von
jedem lernen. Reinhard Hölzl hält sich im
Hintergrund. Gibt da und dort kurze Tipps.
Der dazu passende Theorieteil folgt dann
am Abend. Jetzt wird das Tageslicht ge-
nutzt. Angeführt von Hermann Sonntag
stapft die Gruppe den Halltalbach entlang.
Der Langsamste bestimmt das Tempo.
„Vor zwei Jahren mussten wir an dieser
Stelle über ein Schneefeld stapfen“, erzählt
Hermann Sonntag. Am meisten erfährt man
eben doch von den Einheimischen.
Sich Zeit lassen, mit offenen Au-
gen durch Wald und Wiesen streifen. Die
Geräusche wahrnehmen. Für gestresste
Großstadtmenschen eine schwere Übung.
Ein richtig gutes Naturfoto ist eine Kompo-
sition aus Licht, Schatten, Linien und Farben,
Blick- und Bildwinkel, weiß Reinhard Hölzl.
Einen guten Fotoplatz müsse man meistens
mehrmals aufsuchen, um die Stimmung
und das beste Licht zu erhaschen. Ideale
Arbeitszeiten? Die frühen Morgenstunden
und spät am Abend.
Am Standort „Frauenschuh“ wird
dann auch klar: Naturfotografie hat weniger
mit Bilderbuchromantik zu tun. Sie ist ein
Natur entdecken.Die beste Perspektive liegt nicht immer auf
Augenhöhe. In Fotoworkshops erfahren Hobbyfotografen das
Gespür für die Natur.
43 SAISON
MAGAZIN
Knochenjob. Wir kauern auf dem feuchten
Waldboden und beobachten die gelbrot-
blühende Orchideenart aus der Nähe. Die
beste Perspektive befi ndet sich nicht immer
auf Augenhöhe. Also legen wir uns auf den
Boden. Zeckenalarm. Wer lange Hosen
trägt, ist gut beraten. Ideal wären Kleider
in Naturfarben. Doch eigentlich sind alle
Farben o. k., bis auf Blau, meint Hölzl. Das
kommt in der Natur nicht vor, schlägt die
Wildtiere daher in die Flucht.
Vielfalt an Motiven. Fotografen sind
Spinner, die tagelang Tieren nachschlei-
chen, um mit einem einzigen Foto zurück-
zukommen? Ja, das könnte hinkommen.
Fünf Stunden zu warten kann fünf Minuten
zu wenig sein“, sagt Reinhard Hölzl. Der
Naturfotograf muss seine Ausrüstung be-
herrschen und in jeder Lage ein gutes Bild
machen können. Idealerweise ist er Biologe
und weiß über die Symbiosen in der Tier-
und Pfl anzenwelt Bescheid. Hölzl hat sich
vieles selber beigebracht, auch ein paar
Semester Biologie studiert.
Die Naturfotografi e ist jener fotogra-
fi sche Bereich mit der größten Vielfalt an
Motiven. Die Tierwelt hat mehr als eine Milli-
on Arten, man kann sich gut vorstellen, dass
man eine Palette von Kameras, Objektiven,
Stativen und anderer Hilfsmittel braucht, will
man all diese Motive fotografi sch festhalten.
Schaut man in die Runde, fi ndet man alle
Fotomarken. Hölzl will keine Empfehlung
abgeben. Fragt man sich durch, wird auch
schnell klar: Jeder Fotograf bevorzugt
einen bestimmten Hersteller. Die Gründe
dafür sind nicht immer objektiv nachvoll-
ziehbar. „Beim Fotografi eren versuchen,
das optimale Ergebnis zu erreichen, dann
ist der Aufwand bei der Bildbearbeitung im
Nachhinein gering“, sagt Hölzl und zupft
ein paar welke Grashalme aus dem Bild-
ausschnitt. Der Frauenschuh kommt noch
mehr zur Geltung. Ein lebhafter Hintergrund
wirkt meistens störend. „Wenn ich Pfl anzen
fotografi ere, verwende ich meistens mehr
Zeit mit der Gestaltung des Hintergrundes
als mit dem eigentlichen Motiv.“ Wir tun es
ihm gleich. Nur gegen das viele Treibholz,
das im Bett des Halltalbaches liegt, können
wir nichts ausrichten.
Gamsbock in der Schotterhalde. Hermann Sonntag sucht mit dem Fernglas
die gegenüberliegenden Berghänge ab.
Gamsböcke treiben sich sonst hier herum.
Doch heute will sich keiner zeigen. Noch
beeindruckender für die Gäste wäre ein
Adler. Doch heute will keiner seine Bahnen
über die Berggipfel des Karwendel ziehen.
Am Ende der Tour ist er da. Ein statt-
licher Gamsbock stapft die Schotterhalde
hinauf. Jetzt kommt das Fernglas zum
Einsatz. Jeder schaut einmal Richtung
Gamsbock. Um ihn auf Zelluloid zu ban-
nen, ist die Entfernung zu groß. „Das wäre
jetzt ein Fall für das Teleobjektiv“, macht
Reinhard Hölzl bereits Lust auf mehr. Der
Anblick dieses stattlichen Tieres macht uns
auch aus der Weite zufrieden. ×
ARTENVIELFALT IN TIROLFünf Naturparks und der Nationalpark Hohe Tauern rücken den Schutz der alpinen Pfl an-zen- und Tierwelt ins Bild.
NATIONALPARK HOHE TAUERN• 1.800 km² (611 km² allein in Tirol)• Großglockner (3.798 m); Pasterzenkees am
Fuße des Großglockners (20 km²) ist der größ-te Einzelgletscher der Ostalpen (Länge 9 km, Eisdicke 250 m). In der Venedigergruppe lie-gen die größten zusammenhängenden Glet-scherfl ächen Österreichs.
• 10.000 Tierarten leben im Nationalparkge-biet, darunter 40 Adlerbrutpaare, wildlebende Gänsegeierpopulation, Gämse, Murmeltier, Steinadler, der wieder eingebürgerte Alpen-steinbock und der Bartgeier.
• www.hohetauern.at
ALPENPARK KARWENDEL• 727 km², 2009 zum Naturpark ernannt und
damit der jüngste in Tirol; das größte Tiroler Schutzgebiet und der größte Naturpark Österreichs
• 800 Schmetterlingsarten, östlichste Verbrei-tung der Latschenwälder in den Alpen
• Wildfl usssystem Isar• 350 Quellen; 1.305 Pfl anzenarten, 3.035 Tier-
arten (größte Steinadlerdichte der Alpen)• 150-jährige Alpingeschichte• www.karwendel.org
NATURPARK KAUNERGRAT• 589 km² • Im Mai 1998 wurde der Naturpark Kaunergrat
(Pitztal-Kaunertal) gegründet.• Fließer Trockenrasen, Moore am Piller Sattel,
Arzler Pitzeklamm• www.kaunergrat.at
NATURPARK ÖTZTAL• 510 km², Wildspitze (3.774 m); höchstgelegenes
Moor der Ostalpen am Rofenberg (2.760 m); Stuibenfall; 67 Gletscher; 850 Planzenarten; 960 Tierarten
• Naturdenkmal Obergurgler Zirbenwald; Na-turwaldreservat im Windachtal bei Sölden
• UNESCO Biosphärenpark Gurgler Kamm• www.naturpark-oetztal.at
NATURPARK TIROLER LECH• 41 km², Natura 2000 Schutzgebiet; seit 2004
offi ziell anerkannter Naturpark• Wildfl uss Lech mit Überfl utungszonen, Au-
wälder, Bergmischwälder erstrecken sich von 800 m bis 1.380 m Seehöhe
• www.naturpark-tiroler-lech.at
HOCHGEBIRGS-NATURPARK ZILLERTALER ALPEN• 379 km², 85 Gletscher• Artenreiche alpine Landschaften zwischen
1.000 und 3.500 Höhenmetern. Wechselnde Ausstellungen im Naturparkhaus Ginzling.
• www.naturpark-zillertal.at
NATURE WATCHNature Watch nennt sich ein spezielles Angebot, für das sich die Tirol Werbung und Swarovski Optik entschlossen haben. Mit einem Nature-Watch-Guide wandern Naturbegeisterte durch die Tiroler Naturräume. Die Tier- und Pfl anzenwelt erkunden sie dabei mit Hilfe der neuesten Fernglä-ser von Swarovski Optik. www.nature-watch.at
DIE NÄCHSTEN TERMINE
• Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen, 29. 6. bis 3. 7. 2011Thema: Berg & Naturfotografi e; mit Hermann Muigg, Bernd Ritschel
• Naturpark Ötztal, 14. bis 18. 9. 2011Thema: Hochalpine Naturland-schaft, Gletscher, Makro; mit Jürgen Winkler
• Nationalpark Hohe Tauern, 21. bis 25. 9. 2011Thema: Formen der Landschaft im Nationalpark Hohe Tauern; mit Pat-rice Kunte, Henning Bode
• Naturpark Kaunergrat, 28.9. bis 2. 10. 2011Thema Steinbock und Gämsen, herbstliche Weitblicke, Almwiesen & Moore; mit Reinhard Hölzl, Anton Vorauer©
MIC
HA
EL
GLI
EN
EC
KE
(2
)
Inszenieren. Reinhard Hölzl steckt viel Zeit in die Vorbereitung des Bildhintergrundes.
44 saison
magazin
Dramatik in InnerkrottenbergDie Geierwally Freilichtbühne steht 2011 unter neuer Führung. Bernhard Wolf, künstlerischer Leiter, Schauspieler und Autor aus dem Lechtal, sorgt gemeinsam mit Autor und Regisseur Thomas Gassner für frischen Wind respektive Sturm in den Bergen.
Da s IntervIew führte es ther PIrchner .
S AISON: Nach Ihrer Kurzfas-sung der Bibel haben Sie mit „Sturm in den Bergen“ ein Volkstheaterstück für
die Geierwally Freilichtbühne verfasst. Liegt Ihnen das Volkstheater am Herzen? Thomas Gassner: ich merke mit den
Jahren, dass ich immer mehr zum Volks-
theater tendiere, dass es eine Liebe dazu
gibt, die sich entwickelt hat und die immer
stärker wird. es ist mir sehr nahe. außer-
dem kann man in dem Bereich relativ viel
machen. Denn wenn man kein gängiges
Volkstheaterstück sucht – entweder min-
destens 60 Jahre alt und völlig humorfrei
oder einen schwank –, dann stößt man
schnell an Grenzen. Deshalb habe ich
begonnen, selbst Volkstheaterstücke zu
schreiben, und das macht so viel spaß,
dass ich das weiterbetreiben will.
BernharD WoLf: Gerade jetzt, bei den
Proben zu „sturm in den Bergen“, fällt mir
auf, dass es im Volkstheater eine intensität
und einen enthusiasmus gibt, der mir in
der Profiszene fehlt. Wegen des Geldes
muss man den Beruf ja nicht machen, und
dann muss man doch wenigstens spaß
dabei haben.
In dem Stück haben Sie sich einiger typischer Zutaten bedient: verfeindete Dörfer, ein Fremder, der von außen in ein entlegenes Tal kommt, Liebeszenen und handfeste Prügeleien … BernharD WoLf:
natürlich muss man auf das stammpubli-
kum ein wenig rücksicht nehmen. man
braucht niemanden nackt über die Bühne
jagen und mit Blut bespritzen. Das würde
ich auch nicht wollen. aber die Zutaten
waren einfach für den Krimi notwendig und
für die situation, die wir schaffen wollten. in
der Probenphase haben die figuren dann
solche eigenheiten bekommen, dass das
stück fast schon wieder skurril ist. Die Leute
machen das richtig gut!
Die Handlung ist im Tirol der 1960er-Jahre angesiedelt. Lässt sich die Ge-schichte vor 50 Jahren besser erzählen als heute? Thomas Gassner: Die sech-
ziger waren eine sehr interessante Zeit. Ti-
rol war – international gesehen – noch im
Dornröschenschlaf. „sturm in den Bergen“
spielt in innerkrottenberg, und wenn in so
eine abgeschiedenheit jemand von außen
kommt, werden die Dorfbewohner mit
anderen Dingen konfrontiert. Der Kom-
missar bringt rock-’n’-roll-Platten mit, ist
anders angezogen und die Jugend springt
ein bisschen auf das auf. Da wird das Dorf
auch durchgerüttelt, was natürlich drama-
turgisch sehr spannend ist.
BernharD WoLf: Die stücke in elbi-
genalp haben bisher immer im 18. und
19. Jahrhundert bzw. zur Jahrhundert-
wende gespielt. Jeder Darsteller hat fast
jedes Jahr dieselbe Lederhose anziehen
müssen. Wir wollten einfach einmal in
eine andere Zeit hineinrutschen.
Auch dass es sich um eine Kriminalkomö-die handelt, unterscheidet „Sturm in den Bergen“ von den bisherigen Stücken in Elbigenalp. Wollten Sie als neuer künst-lerischer Leiter der Freilichtbühne auch ein neues Genre erschließen? Bern-
harD WoLf: ich finde, dass man nach
den schweren Dramen der letzten Jahre
schon einmal eine Komödie dazwischen-
streuen kann. es gibt in „sturm in den
Bergen“ aber auch ernste szenen und es
wird auch dramatisch. Die Grundidee, die
ich im Kopf hatte, war ja, ein ernstes stück
zu schreiben, aber wir haben festgestellt,
dass wir Komödie eigentlich viel besser
können. in den Proben merken wir, dass
das die richtige entscheidung war.
Arbeiten Sie mit denselben Laiendar-stellern wie in den vergangenen Jahren?
BernharD WoLf: Ja, es gibt einen ziem-
lich großen Pool an schauspielern, aus
denen ich das ensemble zusammenge-
stellt habe. Die Geierwally freilichtbühne
war ja über all die Jahre immer ein erfolg.
Die haben gut vorgelegt und ich muss nur
nachziehen. also habe ich mir gedacht:
never change a winning team!
Im Laientheater können Sie – im Ge-gensatz zur freien Szene – auch einmal mit einem großen Ensemble arbeiten. Thomas Gassner: Ja, das ist super! in
der freien szene ist man ja auf Zwei- bis
Dreipersonenstücke festgelegt und muss
dann noch daheim den Duschvorhang
abbauen, damit man ein Bühnenbild zu-
sammenbekommt. in elbigenalp bauen
die Leute die Bühne, bringen originaltei-
„In der freien Szene ist man ja auf Zwei- bis Dreipersonen-stücke festgelegt und muss dann noch daheim den Duschvorhang abbauen, damit man ein Bühnen-bild zusammen-bekommt.“Thomas Gassner
© G
er
ha
rD
Be
rG
er
45
le aus ihren speichern daher, so schöne
kann man ja nirgends bekommen. Und
wenn man so viele schauspieler hat, kann
man auch einmal ganz anders schreiben.
es wird zwar komplex, aber es ist inter-
essant, sich mit den einzelnen figuren
auseinander zu setzen.
BernharD WoLf: Diese kleinen rollen,
die es halt gibt, damit viele Leute mit-
spielen können, haben so eine Qualität
bekommen, dass es eine freude ist zuzu-
schauen. Jeder bringt seine eigenheiten
mit, und Tom lässt sie auch machen und
zieht die richtigen fäden. Die spieler sind
extrem lustig. ich bin normalerweise recht
hart, was das Lachen auf der Bühne an-
geht, aber in manchen Proben habe ich
mich nicht mehr zurückhalten können.
Dann haben Sie bei dieser Produktion den Spaß am Beruf, den Sie vorher ange-sprochen haben? BernharD WoLf: Ja,
die künstlerische Leitung zu übernehmen,
war ja auch ein Versuch. ich stehe vor al-
lem gerne auf der Bühne und in diesem
Jahr wollte ich sehen, ob mir auch das
organisatorische liegt. ich habe ein Team
von Leuten, die sich gut kennen und gut
miteinander harmonieren. Darum ist bis-
her alles entspannter und einfacher, als ich
es mir vorgestellt habe.
Thomas Gassner: Die Logistik läuft so
gut, dass ich manchmal das Gefühl habe:
Wo ist da der haken?
BernharD WoLf: Ja, mir geht es ge-
nauso. in unserer Branche hat man ja oft
ein bisschen sorge, die Dinge positiv zu
sehen, weil man immer meint, es kommt
dann ein hammer und haut einem auf den
Kopf. aber es läuft derzeit so reibungslos
– die Proben, die musik, der Bühnenbau,
der Vorverkauf –, dass wir alle guter Dinge
sind.
Vielen Dank für das Gespräch. ×
KLASSIKER UND VOLKSTHEATER
Bernhard Wolf und Thomas Gass-ner bilden gemeinsam mit markus oberrauch das feinripp ensemble, das „shakespeares sämtliche Werke – leicht gekürzt“ und „Die Bibel – leicht gekürzt“ verfasste und erfolgreich auf die Bühne brachte – zuletzt im rah-men der Langen nacht der Kirchen in der innsbrucker Pauluskirche. 2011 lei-tet Bernhard Wolf die Geierwally frei-lichtbühne in elbigenalp, wo er 1996 erstmals als schauspieler mitwirkte, und holte Thomas Gassner als Co-au-tor und regisseur an Bord. in der Kri-minalkomödie „sturm in den Bergen“ ist er in der Titelrolle als hilfsinspektor Kajetan sturm zu sehen.
sTUrm in Den BerGenKriminalkomödie von Thomas Gassner und Bernhard WolfGeierwally freilichtbühne6652 elbigenalpTel.: 05634/5315-12geierwally@lechtal.atwww.lechtal.at/geierwally-freilichtbuehne
Premiere: 9. Juli 2011, danach jeden freitag und samstag bis 27. august 2011, jeweils 20.30 Uhr
KRIMISPANNUNG IN TIROL
Wen bei „sturm in den Bergen“ das Krimifi eber gepackt hat, der fi ndet im Tiroler Theatersommer noch mehr-fach Gelegenheit, kniffl ige fälle auf der Bühne zu erleben.
sommer.TheaTer.haLLKommissar haLLer ermiTTeLT3 fälle für Kommissar haller von eva rossmann, Thomas raab und stefan slupetzkyBurg hasegg6060 hall in Tirol7. bis 30. Juli 2011www.sommertheaterhall.at
innsBrUCKer sTrassenTheaTerL’affaire faTaLeim hofgarten, rapoldipark und auf an-deren straßen und Plätzen von inns-bruck19. Juni bis 2. Juli 2011www.innsbruck.at
KrimiDinner am sChiffms Tirolachensee, schiff sanlegestelle Pertisau6213 Pertisau27. Juli bis 14. oktober 2011www.gastrotheater.at
Sorgen für frischen Wind auf der Bühne:
Thomas Gassner (hinten) und Bernhard
Wolf (vorne).
46 SAISON
MAGAZIN
M it Brigitte Fassbaender,
die im Herbst 2011 ihre
letzte Saison als Inten-
dantin des Tiroler Lan-
destheaters antritt, verbindet das Tiroler
Publikum eine kontinuierliche Arbeit am
heimischen Drei-Sparten-Haus und –
vor allem anderen – eine hervorragende
Ausrichtung der Bühne in Richtung Mu-
siktheater aller Genres: Von leichtfüßigen
Musicals über lebensfrohe Operetten bis
hin zu Opern aus allen Epochen reicht die
Bandbreite, und selbst schwerere Kost wie
Alban Bergs „Wozzeck“, Richard Strauss’
„Salome“ oder die Opern von Benjamin
Britten fanden und fi nden unter ihrer Ägi-
de ein begeistertes Publikum. Das hat mit
Fassbaenders Liebe zu diesen Werken zu
tun, mit ihrer großen Musikalität und ihrer
Fähigkeit, außergewöhnliche Stimmen zu
erkennen und nach Innsbruck zu holen.
Und selbstverständlich ist es auch ein Ver-
dienst des Tiroler Symphonieorchesters
Innsbruck und seiner Dirigenten.
Abwechslung und Stabilität. In den
vergangenen Jahren hat das Orchester mit
einer ganzen Reihe von Dirigenten zusam-
mengearbeitet: Nach dem Ausscheiden von
Georg Schmöhe 2004 folgte eine Saison,
in der ausschließlich Gastdirigenten die
Opernau� ührungen und Symphoniekon-
zerte leiteten, danach standen Dietfried
Bernet und Aleksandar Markovic, Georg
Fritsch und – als Erster ständiger Gastdiri-
gent – Alexander Rumpf am Dirigentenpult.
Rumpf, der nun schon zwei Jahre in
Innsbruck wirkt und zuletzt Smetanas „Die
verkaufte Braut“ und Poulencs „Dialogues
des Carmélites“ vorstand, wird mit der Sai-
son 2011/12 zum Chefdirigenten des Ti-
roler Landestheaters – eine Veränderung
hin zu mehr künstlerischer Stabilität, die
beiden Seiten sehr entspricht. In seinen
26 Berufsjahren war der gebürtige Stutt-
garter jeweils mehrere Jahre als General-
musikdirektor bzw. Erster Kapellmeister in
Darmstadt, Hagen, Dortmund und zuletzt
acht Jahre in Oldenburg engagiert. Über
einen längeren Zeitraum mit Sängern und
Instrumentalisten zusammenzuarbeiten,
sieht er als wesentliche Voraussetzung,
um „die Bildung eines Ensembles, eines
gewissen Stils“ erreichen zu können.
Von Wagner bis Britten. Innsbruck
bietet dafür gute Voraussetzungen. „Das
Ensemble ist für ein Haus dieser Größen-
ordnung erfreulich groß und von sehr ho-
her Qualität“, sagt Rumpf. Zum Orchester
hat er ein gutes Verhältnis, er arbeitet ger-
ne mit den Musikern zusammen und freut
sich auf den nun erweiterten Aufgabenbe-
reich. Probespielen und Vorsingen hat er
zwar auch bisher schon mitbetreut, in der
kommenden Saison kommt aber erstmals
ein Symphoniekonzert dazu und – trotz
seiner langjährigen Erfahrung und seines
umfangreichen Repertoires – wird er drei
Opern zum ersten Mal dirigieren: „Lohen-
grin“ von Richard Wagner, „Jenůfa“ von
Leoš Janáček und „Albert Herring“ von
Benjamin Britten, die letzte Produktion,
bei der Brigitte Fassbaender Regie führt.
Neu und selten gehört. Klar vom
Aufgabenbereich des Chefdirigenten am
Tiroler Landestheater getrennt ist jener
des Chefdirigenten des Tiroler Sympho-
nieorchesters Innsbruck, auch wenn es
bestimmte Überschneidungen geben
wird. Für die nächsten zwei Jahre füllt der
Neue Töne in Oper & KonzertAb der Saison 2011/12 steht das Tiroler Symphonie-orchester Innsbruck unter der Leitung zweier Diri-genten, die sich um die Geschicke in Oper und Konzert kümmern: Alexander Rumpf ist für das Musiktheater zuständig, Christoph Altstaedt leitet die symphonischen Belange des Orchesters.
VON ES THER PIRCHNER
© T
SO
I
47
junge deutsche Dirigent Christoph Alt-
staedt diese Funktion aus, Kapellmeister
an der Deutschen Oper am Rhein sowie
Gründer und Leiter des Jungen Klang-
forum Mitte Europa, das sich aus jungen
Musikern aus Deutschland, Tschechien
und Polen zusammensetzt und auf we-
nig bekannte Werke aus diesen Ländern
spezialisiert ist. In Innsbruck wird Altstaedt
2011/12 drei Symphoniekonzerte leiten
und am Tiroler Landestheater Wolfgang
Amadeus Mozarts „Idomeneo“. Nachdem
seine Berufung erst im April 2011 erfolgte,
waren die Programme schon weitgehend
festgelegt, die von ihm selbst dirigierten
Konzerte sind aber von Werken geprägt,
die in Innsbruck nicht oder sehr lange
nicht mehr gespielt wurden. Haydns
„Militär-Symphonie“ gehört ebenso dazu
wie „Schelomo“ von Ernest Bloch oder
„The Unanswered Question“ von Charles
Ives. Bis auf die „Militär-Symphonie“ sind
die Werke auch für Altstaedt Neuland,
auch wenn es allesamt solche sind, die
ihm schon lange am Herzen liegen.
Dabei geht es auch darum, Musik
in ungewöhnlichen Zusammenstellun-
gen anders zu beleuchten. „Wenn man
bekannte Stücke in einen neuen Kontext
stellt“, sagt Altstaedt, „tun sich interessante
Türen auf. Wenn man ein revolutionäres
Stück von Beethoven, das musikalisch die
Konventionen sprengt, in andere Stücke
der gleichen Zeit bettet, merkt man erst,
was für eine Sprengkraft das hat.“
Wegweiser für die Zukunft. Und
so, wie sich sein zukünftiger Kollege
Alexander Rumpf darauf freut, nicht nur
Opern, sondern auch Symphoniekon-
zerte zu leiten, freut sich Altstaedt über
den „Ausgleich“ zum Konzertbetrieb, den
ihm sein Engagement an der Rheinoper
und das Dirigat von „Idomeneo“ am
Landestheater bieten. Sowohl Konzerte
als auch Opern zu dirigieren, sei allein
deshalb wichtig, weil beide Arbeiten sehr
unterschiedlich seien. Die Vorbereitun-
gen auf Symphoniekonzerte seien – mit
einem feststehenden Orchester und vier
Tagen Probenzeit – kürzer und weniger
spontan als die Proben zu musiktheatra-
lischen Werken; zudem „ist es etwas ganz
anderes, ob man auf der Bühne oder im
Orchestergraben steht“.
Man darf also gespannt sein, wie
der Konzertdirigent mit Liebe zur Oper
und der Operndirigent mit Freude am
Konzert das Tiroler Symphonieorchester
Innsbruck und die Musiksparte am Tiroler
Landestheater in eine neue künstlerische
Periode führen – schließlich fällt in ihre
Amtszeit auch der Intendantenwechsel
von Brigitte Fassbaender zu Johannes
Reitmeier im Herbst 2012. Und dann darf
sich das Tiroler Publikum – bei allem Be-
dauern über das Ende der Ära Fassbaen-
der – noch über weitere Neuerungen im
Innsbrucker Kulturleben freuen. ×
ZUR PERSON
CHRISTOPH ALTSTAEDT (geb. 1980)• Gründer und Leiter des Jungen Klangforum
Mitte Europa (seit 2003)• seit 2010/11 Kapellmeister an der Deutschen
Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg• ab 2011/12 Chefdirigent des Tiroler
Symphonieorchesters Innsbruck
www.tsoi.at
ALEXANDER RUMPF (geb. 1958)• seit 1984 Kapellmeister bzw. Generalmusik-
direktor an verschiedenen deutschen Theatern, zuletzt am Oldenburgischen Staatstheater (2001–2009)
• seit 2009/10 Erster ständiger Gastdirigent, ab 2011/12 Chefdirigent am Tiroler Landestheater
© G
ER
HA
RD
BE
RG
ER
Risiken zu beherrschen und auch zu ma-nagen ist eine zentrale Anforderung an Unternehmer/-innen und Führungskräf-te. Die generelle wirtschaftliche Situation zeigt derzeit wieder vorsichtig in Richtung Wachstum – wobei die Unsicherheiten der weiteren Entwicklung aufgrund der stei-genden Kosten wie zum Beispiel Löhne und Gehälter sowie Energiepreise, noch groß sind. Ein zusätzliches Risiko für Un-ternehmen bergen die zunehmenden Schwankungsbreiten der Fremdwäh-rungen sowie der Zinsen. Branchen mit hohem Fremdfinanzierungsanteil, wie unter anderem der Tourismus, die in Fremdwährung investiert haben, sollten derzeit ihre Finanzierungen genau unter die Lupe nehmen. Generell ist es so, dass Währungsschwankungen und steigende Zinsen die Kosten im Unternehmen sehr schnell stark in die Höhe treiben können. Weitreichende (Aus-)WirkungenDamit sich Unternehmen auf Verände-rungen einstellen können, brauchen sie zuerst aussagekräftige Unternehmens-kennzahlen, wie sich die individuelle Situ-ation entwickeln kann. Die Finanzexperten der Hypo Tirol Bank haben im letzten Jahr dazu zwei Modelle entwickelt, mit Hilfe derer die Auswirkungen von Währungs- und Zinsschwankungen mit den Zahlen des Unternehmens in verschiedenen Szenarien in der Beratung durchgespielt werden. Vor allem bei Unternehmen und Kunden, die in Fremdwährung finanziert haben, ist derzeit ein erhöhter Beratungs-bedarf deutlich vorhanden. Auch die zu-nehmende Wahrscheinlichkeit steigender Zinsen steht im Raum. Man muss heute kein Finanzexperte sein, um vorauszusehen, dass die Zinsen steigen werden. Allerdings sind sich viele Unternehmen noch nicht
bewusst, dass sich schon eine Zinsstei-gerung von einem Prozentpunkt in der Kostenstruktur eines Unternehmens mit sehr markanten Folgen auswirken kann. Ein genaues Bild machenAufgrund des derzeit sehr niedrigen Zins-niveaus ist eine Absicherung gegen stei-gende Zinsen in den Unternehmen bei allen Finanzierungen ein wichtiges Thema. Je größer der Kapitalbedarf und je höher der Fremdfinanzierungsanteil ist, umso drasti-scher können sich auch scheinbar geringe Zinssteigerungen auswirken. Um zu zeigen, welche Auswirkungen Zinsänderungen auf die Kostenstrukturen im Unternehmen ha-ben, wenden die Firmenkundenberater der Hypo Tirol Bank ein spezielles Instrument an. So können sich Kunden ein genaues Bild machen, was unterschiedliche Szenarien bewirken können. Es geht dabei aber nicht nur um die reinen Finanzierungskosten, sondern auch hier können die Auswir-kungen auf die Gewinn-und-Verlust-Rech-nung dargestellt und die Einflüsse auf den Cashflow des Unternehmens aufgezeigt werden. Absicherung kostet auch im Be-reich Währungs- und Zinsrisiken Geld. Wenn die Verantwortlichen aber in der Gesamtheit betrachten, wie sich Zinsstei-gerungen auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung niederschlagen können, rentiert sich eine solide Absicherung sehr schnell.
Risiken im Griff – Chancen nützenDer Wirtschaftstrend zeigt in den meisten Branchen wieder nach oben und damit voraus-sichtlich auch das Zinsniveau – höchste Zeit also, Finanzierungen auf ihr Risikopotenzial zu überprüfen.
„Es ist nicht jedes Risiko versi-cherbar, aber gerade im Zins- und Währungsbereich können sich Unternehmen und Kom-munen auf stark steigende Zin-sen vorbereiten und absichern, um beruhigt in eine Zukunft der weiterhin wohl volati-len Finanzmärkte zu schauen.“
Markus HildmannBereichsleiter Firmenkunden der Hypo Tirol Bank
HYPO TIROL BANK AGFirmenkunden InnsbruckMeraner Straße 86020 InnsbruckTel 050700 2380
www.hypotirol.com
● Kontakt
49 SAISON
KOMMENTARE
Die Almen als Vorbild für den Kraftwerksbau VON ALOIS SCHÖPF
An der ganz großen Straße VON ERNS T MOLDEN
Alois Schöpf lebt als Journalist und Schriftsteller in Lans.
Ernst Molden lebt als Dichter und Songwriter in Wien.
D as Umdenken ist da! Mehr theoretisch nach dem
Unfall in Fukushima, nun aber auch praktisch
durch den Beschluss der deutschen Bundesre-
gierung, den Ausstieg aus der Atomenergie rasch
durchzuziehen. Ergänzend dazu ist auch die Absicht der Italiener
zu erwähnen, den zuletzt doch noch geplanten Einstieg in die
Atomenergie auszusetzen. Was dies für Tirol bedeutet, das mit
seinen natürlichen Energiereserven auf einem Goldschatz sitzt,
ist nicht schwer auszumalen. Neben einer gesteigerten Inlands-
nachfrage wird der Export von Strom aus Wasserkraft, möglicher
Weise auch aus Windkraft, zum Verkaufsschlager schlechthin
werden. Dass die Auswirkungen dieser Entwicklung auf den
Tourismus ebenfalls erheblich sein werden, liegt auf der Hand.
Das trivialste Ungemach, das Tirols Gastronomen und
Hoteliers droht, könnte man das „Wipptalsyndrom“ nennen.
Ausgangsbasis ist dabei die Notwendigkeit, alle Wasserkraftre-
serven und Windkraftpotenziale zu nutzen, um nicht die Lichter
ausgehen oder die Preise ins Unerschwingliche steigen zu lassen.
Dies wird wie schon in der Vergangenheit bei jedem größeren
Bauprojekt dazu führen, dass die vereinigten Antimodernisten
und Rousseau-Anhänger alles unternehmen werden, um den Bau
der neuen Kraftwerke durch Demonstrationen, Schützenaufmär-
D ie wirklich superen Wirtshäuser liegen niemals am
Ende der Straßen, das wäre zu einfach, fast so ein-
fach, als wenn sie am Anfang der Straßen lägen.
Die wirklich superen Wirtshäuser liegen irgendwo
mitten auf der Strecke. Man muss die Kunst des Pausierens be-
herrschen, um die wirklich superen Wirtshäuser zu fi nden. Das
Wirtshaus verlangt vom Reisenden, die Fahrt zu drosseln, nur um
seiner selbst willen. So sind eben auch die Wirtshäuser inmitten
der Orte, die gewissen „ersten Häuser am Platz“, wie es meine
Eltern noch nennen, eben nur selten wirklich interessant.
Unlängst waren die Meinen und ich wieder einmal strom-
abwärts, in Orth an der Donau, im Herzen des Nationalparks.
Dieser Nationalpark enstand vor einem Vierteljahrhundert, weil
die kritische Ö� entlichkeit eines ganzen Landes, angeführt von
Dichtern, Sängern und Nobelpreisträgern, ein ebendort ge-
plantes Kraftwerk verhinderte. Jetzt wuchert dort strengstens
geschützter Donaudschungel. Eben stand in der Zeitung, dass
sich in diesen Urwäldern nach 200 Jahren bundesweiter Absenz
der Kaiseradler wieder angesiedelt hat. Durch diese Wildnis führt
nur eine echte Straße, die ganz große Straße, die Wasserstraße,
sche und die ganze Palette medienwirksamer
Apokalypsespektakel zu verhindern. Dadurch
wird, wie schon beim touristisch aufgrund sei-
ner angeblich schrecklichen Brennerautobahn
kaum noch vermarktbaren Wipptal, auf den tou-
ristischen Märkten der Eindruck entstehen, Tirol
sei dabei, sich ökologisch und touristisch selbst abzuscha� en.
Es ist zu bezweifeln, ob ein Appell an die Vernunft und zur Mä-
ßigung das Land vor den Folgen dieser religiös hochgerüsteten
Endzeitbewegung bewahren wird.
Vernunft ist allerdings auch bei jenen gefragt,
die in der Vergangenheit oft durch rüde und unsen-
sible Betonorgien tatsächlich den Verdacht erhär-
teten, dass überall dort, wo der Mensch mit seiner
Technologie auftaucht, Natur und Naturschönheit
zerstört werden. Dass dem keineswegs so sein muss, beweisen die
über zweitausend Tiroler Almen, die als vom Menschen geschaf-
fene Kulturdenkmäler die Voraussetzung für einen erfolgreichen
Sommertourismus bilden. Ähnliches ist in Zukunft auch von unseren
Kraftwerksbetreibern einzufordern: Kraftwerke müssen einen äs-
thetischen und ökologischen Mehrwert scha� en und die Schönheit
der Landschaft überzeugend steigern. Wo dies mit Phantasie und
Lebensfreude gelingt, werden Proteste und Bürgerinitiativen auf ihr
sektiererisches Maß zusammenschrumpfen. Wo es nicht gelingt,
wird der Schaden in jeder Hinsicht grenzenlos sein. ×
die Donau. Und hier, mitten an der Strecke, liegt
dieses supere Wirtshaus. Etwas anspruchslos
heißt es „Uferhaus“, aber die, die herkommen,
sagen eh etwas anders dazu: Sie sagen, dass sie
zum Humer Schurl gehen.
Der Humer Schurl III., ist nach den Humer
Schurln I.und II. der dritte Wirt in diesem Haus. Die Humers wa-
ren Donaufi scher, die irgendwann am Anfang des vergangenen
Jahrhunderts das Wirtshaus eines verarmten Barons übernah-
men. Der Humer Schurl III. ist auf Flussfi sche spezialisiert, und
seine Karpfen, Zander, Welse bereitet er gern
serbisch zu, also fett und mit viel Knofl . So
ein Fisch legt sich schwer an, und die Kraft
reicht dann gerade noch, um sich ein paar
hundert Meter fl ussabwärts zu schleppen,
wo die Baumriesen auf den Halbinseln stehen
und der Fluss sich kleine Buchten mit frischem
grünen Wasser in die Au geschleckt hat. Da liegt man, die Füße
im Wasser, am Kies ausgestreckt, die Donau zuzelt an den Zehen.
Über den Kronen der Silberpappel zieht ein riesiger Vogel vorbei,
aber ob es ein Kaiseradler war oder ein Graureiher, um das zu
erfahren, hätte man aufstehen müssen.
Irgendwann treiben einen die Gelsen ins Wasser. Und ein
weißes, langes Schi� fährt vorbei, auf der ganz großen Straße,
aber es bleibt nicht stehen. ×
„Kraftwerke müssen einen ästhetischen und ökolo-gischen Mehrwert scha� en und die Schönheit der Landschaft überzeugend steigern.“
„Die wirklich superen Wirtshäuser liegen irgendwo mitten auf der Strecke. Man muss die Kunst des Pausierens beherrschen, um die wirklich superen Wirtshäuser zu fi nden.“
© B
ÖH
ME
50 SAISON
NACHGEFRAGT
DREI SCHÖNE ORTE AUF DER WELT (AUSSERHALB TIROLS): Vancouver, British Columbia, Toskana, Fidschi Island
DIE GRÖSSTEN TUGENDEN IM TOURISMUS: Freundlichkeit, Netzwerke, Aktionismus
DIE GRÖSSTEN SÜNDEN IM TOURISMUS: Unfreundlichkeit, Pessimismus
DIE STÄRKEN DES TIROLER TOURISMUS: Natur, Gemütlichkeit, Struktur, Lage, fehlende Alternativen
in den Tälern, starke Betriebe
DIE SCHWÄCHEN DES TIROLER TOURISMUS: Teilweise fehlen gemeinsames Denken und Handeln, Zusammenarbeit,
internationale Fluganbindung, Tourismusgesinnung
DIE BESTE IDEE DER LETZTEN FÜNF JAHRE: Es gibt wahnsinnig viele „beste Ideen“
LETZTER URLAUB (WANN UND WO?): Barcelona, Mai 2011
ICH LERNE VON: Sehr vielen Menschen
DAS KÖNNTEN TIROLS TOURISTIKER GUT GEBRAUCHEN: Positive Einstellung, aus jeder Situation das Beste machen,
Unternehmergeist
DAS BESONDERE AM PITZTAL: Nette Menschen, herrliche Natur
EINE MARKE FUNKTIONIERT, WENN ... ... sie klare Werte hat und wahrheitsgetreu kommuniziert wird
SANFTER TOURISMUS HEISST FÜR MICH ... ... niedrige Intensität, wenig Infrastruktur, naturnah
DAS FEHLT IM PITZTAL: Infrastruktur, teilweise Tourismusgesinnung
ICH ENTSPANNE MICH BEI: Sport, Familie
OHNE GLETSCHER WÄRE DAS PITZTAL ... ... um ein Vielfaches ärmer
1 5 FR AG EN A N . . .
Rainer Schultes
Rainer Schultes ist Obmann des Tourismusverbands Pitztal, Skisschulleiter und Freizeit-unternehmer.
Starten Sie mit uns in den Sommer:
½ Grillhendl mit
Getränk nur € 2,-
700 Fahrzeuge
prompt
verfügbar
Sommer-
Zubehörscheck
bis zu € 400,-
Autogrammstunde
mit Nadine Beiler
am 30.6. um 15 Uhr,
Autopark Innsbruck
W Ö R G L Innsbrucker Str. 105 Tel. 05332 / 73711-0 woergl@autopark.at
V O M PIndustriestr.5
Tel. 05242 / 64200-0vomp@autopark.at
I N N S B R U C KLanger Weg 12
Tel. 0512 / 3336-0innsbruck@autopark.at
www.autopark.at
Autopark SommerfestDo⋆30.6. ▻ Fr⋆1.7. ▻ Sa⋆2.7.
Andrä Hörtnagl Produktion und Handel GmbH · 6060 Hall in Tirol · Tel. 05223/506-0
Gastro GRATIS TestangebotUnser gratis Kennenlern-Paket für Hotel & Gastronomie beinhaltet diverse Wurstwaren aus unserem Sortiment: 2 Paar Packung Frankfurter, Kalbsleberstreichwurst, 5 x 120g Packungen geschnittene Feinkostspezialitäten (Karreespeck, Toastschinken, Helle Krakauer, Haussalami, Tiroler Landschinken)
Gerne vereinbaren wir mit Interessenten aus dem Gastrobereich einen Termin: wenden Sie sich bitte an Herrn Egon Höfinger unter Tel. 05223/506-31 oder per mail an egon.hoefinger@hoertnagl.at
Hörtnagl macht den Unterschied! Nur beste Qualität und einzigartiger Geschmack sollten Ihnen für Ihre Gäste gut genug sein! Heben Sie sich mit Hörtnagl-Wurstwaren von der Masse ab und die Besser-Esser unter Ihren Kunden werden es Ihnen danken!
ww
w.h
oert
nagl
.at
HO� Inserat Saison Juni 2011 210x280mm-2.indd 1 16.06.2011 8:04:14 Uhr