Post on 05-Apr-2015
transcript
20.01.2009 Zukunftssalon Steglitz-Zehlendorf Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 1/20
Rogall 2009
Die Finanzkrise – Bremse oder
Chance für eine nachhaltige
Wirtschaft?
1. Einstiegsthesen
2. Nachhaltige Ökonomie
3. Fazit
Prof. Dr. Holger Rogall
Quelle Bild: http://farm1.static.flickr.com/123/414432898_f9ab2d27da.jpg
Quelle: Rogall 2009 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 2/20
Rogall 20091. Einstiegsthesen
(1) Fokussierung auf Finanz- u. Wirtschaftskrise ist gefährlich, tatsächlich
stehen wir vor einer Weggabelung der menschlichen Geschichte:
- Zerstörung der natürl. Lebensgrundlagen (Klima, Arten, Ressourcen)
- Globale langanhaltende Depression und Hungerkatastrophen
- Völkerwanderung/Zerstörung der Demokratie
(2) Die trad. Ökonomie kann die Probleme
nicht lösen
Die Zeit ist reif für eine Zäsur des
ökon. Denkens Nachhaltige Ökonomie (10 Kernaussagen)
Quelle: Rogall 2009, Kap. 4.1 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 3/20
Rogall 20092.1 Starke statt schwache Nachhaltigkeit
Derzeitige Entwicklung ist nicht zukunftsfähig
Notwendigkeit einer ökologisch starken Nachhaltigkeit:
(1) natürliche Ressourcen sind
z.T. nicht substituierbar
(2) Anerkennung absoluter Grenzen
der natürl. Tragfähigkeit
(3) Nicht optimaler Verbrauch, sondern dauerhafter Erhalt der Natur
Ohne Nachhaltigem Umbau der Industriegesell. kein Wirtschaften
Druck wächst
Quelle: Rogall 2000: 100, Abgeordnetenhaus 2006:12 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 4/20
Rogall 2009Definition einer Nachhaltigen Ökonomie
„Eine Nachhaltige Ökonomie strebt
für alle heute lebenden Menschen
und künftigen Generationen
ausreichend hohe
ökologische,
ökonomische und
sozial-kulturelle
Standards
in den Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit an.
Sie will somit das inter- und intragenerative Gerechtigkeitsprinzip
umsetzen.“
Quelle: Rogall 2008, Kap. 1.3 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 5/20
Rogall 2009Erläuterung der Definition
1. Die Nachhaltige/Ökologische Ökonomie basiert auf ethischen
Grundprinzipen: Gerechtigkeit (inter- und intragenerativ) u. Verantwortung
2. Sie umfasst alle zentralen Felder einer Nachhaltigen Demokratie (nicht nur
Umweltschutz). Ziel: nicht eine freudlose Gesellschaft, sondern Prozess
indem Freiheit und Lebensqualität für alle Menschen gesichert werden.
3. Eine gleichgewichtige Abwägung zwischen den
Zielen/Dimensionen darf nur innerhalb
ökologischer Leitplanken erfolgen
(Ablehnung 3-Säulen-Modell).
3. Industrielle Revolution
Quelle: Rogall 2008, Kap. 2 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 6/20
Rogall 20092.1 Abgrenzung zur traditionellen Ökonomie
(1) Annerkennung bestimmter
Aussagen der trad. Umweltökonomie
(sozial-ökonomische Faktoren des
Konsumentenverhaltens)
(2) Aber Reform der Grundlagen, u.a.:
- Konsumentensouveränität,
- Diskontierung künftiger Schäden,
- Schwache Nachhaltigkeit
- Selbstheilungskräfte der Märkte
Quelle: Rogall 2008, Kap. 3 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 7/20
Rogall 20092.3 Reformbedarf der traditionellen Ökonomie
Falsche Grundannahmen, überholte Erkenntnisse
-> Vollständige Information, Konfliktfreiheit
-> Unrealistisches Menschenbild (homo oeconomicus)
-> Die Märkte sorgen für eine effiziente Allokation
-> Staatseingriffe sind kontraproduktiv
-> Dogma der Konsumentensouveränität für alle Güter
-> Freihandel und Globalisierung nutzen allen
Keine Lösungen für die Probleme des 21. Jh.
(Übernutzung der natürl. Ressourcen, Armut u. Verteilungsungerechtigkeit)
Druck wächst auf Wirtschaft und Politik
Neue, Nachhaltige Grundlagen.
Qulle: Rogall 2008, Kap. 4 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 8/20
Rogall 20092.4 Kernaussagen und Kontroversen
(1) Antworten für die Umsetzung
des intra- und intergenerativen
Gerechtigkeitsgrundsatzes in
allen drei Dimensionen
(2) Kontroversen:
z.B. wie kann das
Wachstumsparadigma
durch ein Nachhaltigkeitsparadigma
ersetzt werden?
Quelle: Rogall 2008, Kap. 4 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 9/20
Rogall 2009Nachhaltigkeitsparadigma statt Wachstumsparadigma
(1) Ein exponentielles Wachstum des Verbrauchs natürlicher Ressourcen
über Jahrtausende kann es nicht geben
(2) Umstritten ob
a) Steady-state Ökonomie
(mit konstanten BIP/Einkommen) oder
b) Selektives Wachstum (entscheiden was wachsen/schrumpfen soll)
durch Nachhaltigkeitsformel:
Ressourcenproduktivität > BIP
durch
Effizienz-, Konsistenz-, Suffizienzstrategie
Quelle: Eigene Zusammenstellung 2009 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 10/20
Rogall 2009Handlungsfeld: Energie- und Klimaschutz
Handlungs- ziele
Technik u. Beschäfti-gungsstand 2006
Beschäftigungseffekte bis 2020
Instrumente
Reduktion der Treibhaus-gase 2020: -40%2050: -80%
1. KWK-Ausbau 40.000 60.000 (Bundesverband KWK) Einspeisevergütung
2. Wärmeschutzsanierung,
u. neue Neubaustandards
100.000 (BMU 2005/01: 12)430.000 (IG Bau in UBA 2002)
Höchstverbräuche für alle Gebäude
3. Ausbau der EE:3.1 Wind 84.3003.2 Biomasse 96.100
3.3 Solarenergie 50.700
3.4 Wasser 9.4003.5 Geothermie 4.500Summe EE 2007: 250.000 Umsatz: 25 Mrd. € (BMU 2008/06: 31)
Summe EE:
2020/30: 500.000/800.000Investitionsvolumen 2008 – 2020: 400 Mrd. €Erhöhung des BIP/Jahr ca. 50 Mrd. € (ISI/PIK 2008/05:16)
Langfristig: 900.000 (Jänicke 2002: 20)
Solare Baupflichten oder Bonusregel-ungen und ÖSR
Summe globaler Umsatz 2003: 550 Mrd. € (Berger 2005)
Quelle: Rogall 2008, Kap. 5 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 11/20
Rogall 20092.5 Ethische Prinzipien
Eine Nachhaltige Ökonomie beruht auf ethischen Prinzipien:
(1) Intra- und intergenerative Gerechtigkeit,
Verantwortung
Nicht nur Effizienzziele, sondern
auch Verteilungsfragen
Persönliche Handlung
(2) Vorsorge-, Demokratie- u. Rechtsstaatsprinzip
+ Ablehnung aller Diktaturformen u. Machtkonzentration
+ Anerkennung unterschiedlicher Interessen Partizipation
Quelle: Rogall 2008, Kap. 6; Graphik Web de Han Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 12/20
Rogall 20092.6 Transdisziplinärer Ansatz
(1) Statt Primat der Ökonomie
transdisziplinäre Zusammenarbeit
(Politik-, Rechts-, Ingenieurwissenschaften)
(2) Ausweitung Erkenntnisinteresse,
Einmischung in andere Disziplinen
(Gerechtigkeitsprinzip, Dauerhaftigkeit)
Quelle: Rogall 2008, Kap. 8, Abb. Rogall/Treschau Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 13/20
Rogall 20092.7 Änderung der Rahmenbedingungen
Das Konsumentenverhalten wird bestimmt durch:
(1) ökonomische Faktoren (Einkommen, Preise, Zinsen),
(2) sozial-kulturelle Einflüssen (Schichtzugehörigkeit, Image der Produkte),
(3) Psychologische Faktoren (Erwartungen, Unterbewusstsein)
(4) Idealistischen Zielen (z. B. Nachhaltigkeit)
Aufgrund sozial-ökonomischer
Faktoren geben Produkte falsche
Preissignale (Öl-, Solaranlage)
Nachhaltiges Verhalten erfolgt
unzureichend (emprische. Ergeb.).
Ohne „Nachhaltige Leitplanken“ keine Nachhaltige Entwicklung
Grafik: Inst. f. Technikfolgenabschätz. u. Systema. Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 14/20
Rogall 20092.8 Operationalisierung
(1) Sinnenleerung des Nachhaltigkeitsbegriffs
durch Prinzipien und Managementregeln
verhindern (wie bei Demokratie)
(2) Ziel- und Indikatorensysteme
entwickeln
(Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung).
Quelle: Rogall 2006, Kap. 7 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 15/20
Rogall 2009Zielsystem einer Nachhaltigen Ökonomie
Nachhaltige Ökonomie ist mehr als Umweltschutz.
Quelle: Rogall 2008, Kap. 9 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 16/20
Rogall 20092.9 Nachhaltige Marktwirtschaft*
Eine reine Marktwirtschaft und eine
zentrale Verwaltungswirtungswirtschaft
werden abgelehnt
nur marktwirtschaftliche Systeme
mit einem Nachhaltigen
Ordnungsrahmen sind zukunftsfähig
* Auch Sozial-ökologische Markt- oder Gemischtwirtschaft genannt.
Quelle: http://www.learn.londonmet.ac.uk/packages/euleb/data/glossary/images/image_13.png
Quelle: Rogall 2008, Kap. 10 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 17/20
Rogall 20092.10 Globale Voraussetzungen
(1) Einführung eines globalen Ordnungsrahmens (Nachhaltige
Mindeststandards, Tobin-Steuer, Abgaben auf globale Umweltgüter)
(2) Senkung des Pro-Kopf-Ressourcenverbrauchs
der Industrieländer (bis 2050 global 50%, Industriestaaten 80%) und
(3) Verminderung der Bevölkerungszunahme
der Entwicklungsländer
(4) Besondere Verantwortung der Industrieländer
3. Industrielle Revolution
Quelle: Rogall 2008 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 18/20
Rogall 2009Zusammenfassung und Fazit
1. Das Wissen über die notwendigen Änderungen ist vorhanden.
2. Es existieren keine Naturgesetze die eine
Nachhaltige Ökonomie verhindern,
aber mächtige Interessengruppen
mit Verhinderungspotential
3. Mit der Gefahr wächst aber auch
die Bereitschaft für Lösungen
4. Bündnisse zwischen Politik und
Bürgergesellschaft können diesen Prozess beschleunigen.
Quelle. Rogall 2006 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 19/20
Rogall 2009Fazit
Eine Nachhaltige Welt ist möglich!
Dazu benötigen wir neue ökonomische Grundlagen,
weitere politisch-rechtliche Instrumente
und das Engagement von uns allen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Ich freue mich auf Ihre Fragen!
Quelle. Rogall 2006 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 20/20
Rogall 2009Quellen
Bartmann, H. (1996): Umweltökonomie - ökologische Ökonomie, Stuttgart.
Beckenbach, F. u.a. (1999-2007): Jahrbücher Ökologische Ökonomik, Marburg.
BUND u.a. (2008): Zukunftsfähiges Deutschland, Frankfurt a.M.
Costanza, R. u. a. (2001): Einführung in die Ökologische Ökonomik, Stuttgart,
Originalausgabe: An Introduction to Ecological Economics, Boca Raton FL/USA
1998;
Rogall, H. (2003): Akteure der nachhaltigen Entwicklung, München.
Rogall, H. (2004): Ökonomie der Nachhaltigkeit, Wiesbaden.
Rogall, H. (2008): Ökologische Ökonomie, Wiesbaden.
Rogall, H. (2009): Nachhaltige Ökonomie, Manuskript, erscheint im Herbst.
Wuppertal Institut (2005): Fair future, Bonn.
Quelle: Rogall 2008 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 21/20
Rogall 2009Anhang: Reformbedarf der traditionellen Ökonomie
Traditionelle Ökonomie Nachhaltige Ökonomie1. Grundlegende Begriffe
Priv. Güter stehen sowie Arbeit u. Kapital stehen im Mittelpunkt
Unterschiedliche Güterarten (insbes. kollektive /meritorische Güter). Natürl. Ressourcen sind gleichberechtigte Produktionsfaktoren
2. Modelle, Menschenbild, Kon-sumentensouveränität u. An-alyse: Im Mittelpunkt steht Tau-sch (Bestandswirtschaft, Präfe-renzen u. Technik sind konstant).
Ziel: pareto-optimaler Punkt. Der Mensch handelt streng zweckrational (homo oeconomi-cus). Ein Eingriff in die Konsum-entensouveränität wird abgelehnt
Produktion, Konsum, gerechte Verteilung stehen im Mittelpunkt (technologischer Wandel wird einge-arbeitet). Der pareto-optimale Punkt kann gesell-schaftlich inakzeptabel sein, daher wird das intra- und intergenerative Gerechtigkeitsprinzip verwendet. Verwendung eines neuen Menschenbildes, das die Heterogenität des Menschen widerspiegelt (Vor-schlag: homo cooperativus). Menschen handeln nicht immer zu ihrem Besten Politik muss bei meritorischen u. demeritorischen Gütern in die Konsumentensouveränität eingreifen
3. Allokationsmechanismen, reine Marktwirt: Der Markt sorgt für eine optimale Allokation
(Selbstheilungskräfte)
Der Marktmechanismus führt für viele Güter und Faktoren zu einem gesellschaftlich inakzeptablen Ergebnis (Marktversagen) Nachhaltige Marktwirtschaft.
Quelle: Rogall 2008, Kap. 1.2 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 22/20
Rogall 2009Unzureichende Antworten
1. Klimaerwärmung
2. Übernutzung der erneuerbaren natürl. Ress.
3. Verbrauch der nicht erneuerbaren natürl. Ress.
Preiskrise, wirtschaftl. Abhängigkeit
4. Zerstörung von Ökosystemen, Arten- und Landschaftsvielfalt
5. Gefährdung der menschlichen Gesundheit
Hunger, Konflikte, Migration
Politik hat Probleme z.T. erkannt (1992 Nachhaltige Entwicklung)
Ökonomie nicht Neue, nachhaltige Grundlagen notwendig.
Quelle. Rogall 2006 Die Finanzkrise – Bremse oder Chance? 23/20
Rogall 2009