Post on 20-Dec-2016
transcript
10. Der Geldmarkt
10.1 Die Bedeutung von Geld
10.1.1 Geldfunktionen
Auf dem Geldmarkt treffen Nachfrage nach und Angebot an Geld aufeinander. Damit diese Marktkomponenten in ihren okonomischen Abhangigkeiten naher beschrieben werden konnen, ist es erforderlich, zunachst das Gut Geld in seiner Bedeutung zu erlautem. Geld ist namlich nicht in allen Volkswirtschaften und nicht zu allen Zeiten das gleiche technische Gut. Vielfach gibt es zudem mehrere Giiter, die gleichzeitig nebeneinander als Geld fimgieren, wobei es gleichwohl Unterschiede in ihren Eignung hierfur geben kann, so daB sie keine vollstandigen Substitute darstellen.
Welche okonomischen Eigenschaften mu8 nun ein Gut besitzen, damit es als Geld verwendet werden kann? Diese Frage beantwortet die Wirtschaftstheorie mit dem Hinweis auf Eigenschaften, die ein Gut besitzen, oder Funktionen, die es erfiillen muB oder solI. Es gibt mit anderen Worten kein Geld oder kein Geld-Gut an sich, sondem Geld erhalt seine Bedeutung erst dadurch, daB es fur die Wirtschaftssubjekte wirtschaftliche Funktionen erfiillt, die nachstehend aufgefiihrt sind. (1) Tauschmittelfunktion. Ein Gut kann dann zum Geld-Gut werden, wenn es als
Tauschmittel bei vielen Tauschvorgiingen benutzt werden kann. Dies erfordert, daB die Tauschpartner das Geld-Gut kennen und in seiner Tauschmitteleigenschaft beurteilen konnen. Es ist im iibrigen vorteilhaft, wenn das Geld-Gut teilbar und leicht transportierbar ist, so daB es problemlos fur vielfc1ltige Tauschvorgange einsetzbar ist. Mit Hilfe eines haufig verwendbaren Tauschmittels kann der direkte Tausch, Gut 1 gegen Gut 2, in einen indirekten Tausch, Gut 1 gegen Geld - Geld gegen Gut 2, transformiert werden. Der indirekte Tausch unter Verwendung eines Tauschmittels hat den wesentlichen Vorteil, daB eine Person, die ein Gut gegen ein anderes tauschen mochte, nicht so lange warten oder so lange suchen muB, bis sie zufc1llig einen Tauschpartner findet, der gerade bereit ist, das spezifische Gut der Person gegen das von ihr gewiinschte andere Gut und zudem in den beabsichtigen Mengen einzutauschen. Das Geld als Tauschmittel reduziert diese Kosten des Wartens und des Suchens und schafft eine wesentliche Voraussetzung fUr einen arbeitsteiligen Wirtschaftsproze8.
(2) Wertautbewahrungsfunktion. Ein als Geld-Gut benutztes Tauschmittel findet urn so leichter Verwendung, je mehr es in der Lage ist, den Wert aus einem Gfitertausch fiber die Zeit hin zu erhalten. Tauschvorgange erfolgen fiber die Zeit hin, und die Wirtschaftssubjekte werden nur dann Geld als Tauschmittel bei einem Tauschvorgang akzeptieren, wenn sie es ihrerseits in spateren Tauschvorgangen ohne Wertverlust weiter einsetzen konnen. Das Geld wird insoweit von den Wirtschaftssubjekten als ein Vermogensbestandteil angesehen,
G. Graf, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre© Physica-Verlag Heidelberg 2002
223
mit dem okonomische Werte fiber die Zeit hin aufbewahrt, ehe sie in spateren Perioden fiir neue Tauschvorgange benutzt werden. Geld muB daher die Wertaufbewahrungsfunktion erfiillen.
(3) Recheneinheitsfunktion. Die Verwendung eines Geld-Gutes als haufig benutztes Tauschmittel fiihrt dazu, daB die Bewertung der zu tauschenden GUter in den Einheiten des Geld-Gutes selbst erfolgt. Die Tauschrelationen werden in Geld ausgedrUckt. Geld fungiert damit als Recheneinheit und allgemeiner WertmaBstab. Dies verringert die Tauschrelationen, die ein Wirtschaftssubjekt kennen und berUcksichtigen muB, was wiederum das Durchfiihren von Tauschvorgangen erleichtert und zur Arbeitsteilung beitragt.
(4) Zahlungsmittelfunktion. Die Zahlungsmittelfunktion kann einerseits als Unterfunktion der Tauschmittelfunktion angesehen werden. Andererseits erscheint es angebracht, sie als eigenstiindige Funktion zu betrachten, weil sie sich aus der jeweiligen Rechtsordnung fiir das Geldwesen einer Volkswirtschaft ergibt. Beobachtbare Volkswirtschaften heben ein Geld-Gut regelmaBig als gesetzliches Zahlungsmittel hervor. Damit wird es zum alleinigen Mittel, das aIle Glaubiger zur Begleichung von Geld-Forderungen akzeptieren mUssen. Der Staat tritt in aller Regel als SchOpfer des gesetzlichen Zahlungsmittels auf, urn mit diesem Instrument wirtschaftspolitische Ziele zu erreichen.
Die Geldfunktionen werden bei der Betrachtung der Wirtschaftsgeschichte tatsiichlicher Volkswirtschaften Uber die Zeit hin von den dort verwendeten GeldGUtem nicht durchweg gleich gut und gleich vollstiindig erf"tiIIt. Ein Gut, das als Geld benutzt wird, besitzt aber zumindest die beiden Funktionen des Tauschmittels und des Wertaufbewahrungsmittels gleichzeitig. Die anderen Eigenschaften mUssen jedoch nicht immer damit verbunden sein. So sind vielfach Beobachtungen zu machen, daB in einer Volkswirtschaft das gesetzliche Zahlungsmittel seine Eigenschaften als Tauschmittel und als Wertaufbewahrungsmittel verliert, weil z.B. eine Inflation diese Funktionen in Frage stellt. Die Wirtschaftssubjekte greifen dann gegebenenfalls auf Zigaretten als Tauschmittel oder auf auslandische Wahrongen als Wertaufbewahrungsmittel zurUck. Zahlungsmittel- und Tauschmittelfunktionen konnen insoweit auseinanderfallen und von unterschiedlichen GeldGUtem wahrgenommen werden. Auch die Recheneinheitsfunktion kann sich von der Tauschmittelfunktion unterscheiden. Beispielsweise sind bei der Einfiihrung des Euro als Bargeld viele Wirtschaftssubjekte noch nicht an die neuen Tauschrelationen gewohnt (gewesen) und rechnen daher zum Teil noch in den alten Wahrungsbetragen weiter. Dies fiihrt dazu, daB das umlaufende Geld die Recheneinheitsfunktion erst spater erhalt und in der Zwischenzeit lediglich als Umrechnungsfaktor von und zur alten Wahrung benutzt wird.
Ein von den Wirtschaftssubjekten als gut und sic her eingeschiitztes Geldsystem fiihrt jedoch dazu, daB das in einer Volkswirtschaft verwendete Geld-Gut aile vier Geldfunktionen gleichzeitig erfUllt. Wird dies von einem Geldsystem, einer Wahrung, erreicht, so besitzt dieses Geld fUr die Volkswirtschaft eine ProduktivFunktion, denn es erleichtert und fordert die Arbeitsteilung und die GUterproduktion. Es reduziert die Kosten der Abwicklung von Tauschprozessen und es trligt
224
dazu bei, Such-Kosten fUr das Auffmden von wertbestiindigen Vermogensanlageformen w verringem und entsprechende Transaktionskosten w vermeiden.
10.1.2 Historische Erscheinungsformen des Geldes
Historische Geldsysteme haben als Geld-Gut vorrangig solche physischen Giiter gewahlt, die vielen Wirtschaftssubjekten von ihren materiellen Eigenschaften her gut bekannt waren, sich leicht transportieren und teilen lieBen, eine gute Wertbestandigkeit besaBen und die sowohl knapp als auch vor leichter Falschung gesichert waren. Der Geld-Wert entsprach dabei vielfach dem Waren-Wert des Geld-Gutes, so daB solche Geldsysteme als Warengeldsysteme bezeichnet werden konnen. Entwickelte Warengeldsysteme benutzen Metalle, insbesondere Edelmetalle, weil diese am ehesten die genannten Eigenschaften aufweisen und die Geldfunktionen gleichzeitig erfiillen. Die Vorliebe fUr Metallwahrungen auf der Grundlage von Edelmetallen beruht im ubrigen vorrangig darauf, daB Edelmetalle ein im allgemeinen durch die Produktionskosten strikt beschranktes V orkommen und damit eine natiirliche Knappheit haben, was insbesondere der Wertaufbewahrungsfunktion der Wahrung wgute kommt. Ais Beispiel eines Warengeldsystems auf der Grundlage des Edelmetalls Gold kann eine reine Goldumlaufswahrung angesehen werden, bei der die gesamte Geldmenge aus Goldmtinzen besteht, wobei der Metallwert der Mtinzen mit dem aufgepragten Nennwert iibereinstimmt. Derartige Miinzen werden Kurantmiinzen genannt.
Bereits in historischen Zeiten kam und kommt es immer wieder w der Erscheinungsform des stoffwertlosen Geldes. Damit ist gemeint, daB auf einem Medium, welches selbst nur einen geringen oder fast gar keinen Waren-Wert besitzt, ein Zeichen fiir einen Geld-Wert (eine Ziffer wie z.B. 100) angebracht wird. Papierwahrungen sind eine typische Erscheinungsform dieses stoffwertlosen Geldes. Das Papier selbst hat einen vergleichsweise geringen Materialwert, ist aber das Tragermedium fUr einen unter Umstanden hohen Geld-Wert oder einen hohen durch eine Ziffer aufgedruckten Betrag, der dem Nennwert entspricht. Miinzen haben trotz ihrer Verwandtschaft w Metallgeldsystemen vielfach die Eigenschaft des stoffwertlosen Geldes, da sie in der Regel nur einen geringen Metallwert besitzen und der aufgepragte Geld-Wert oder Nennwert den Metallwert bei weitem ubersteigen kann. Diese Mtinzen nennt man Scheidemiinzen. Das stoffwertlose Geld wird auch als Zeichengeld bezeichnet, da die nahew wertlosen Medien (Papier oder Metall) lediglich daw dienen, ein Geldzeichen w tragen.
Zeichengeldsysteme erfordem von ihrer Idee her nur geringe Produktionskosten, d.h. das Auibringen der Geldzeichen auf die fast wertlosen Tragermedien verursacht nur geringe Kosten und solI auch bewuBt "billig" sein. Zeichengeldsysterne wollen damit vor allem den Gutertausch anregen, denn das dafiir benotigte Tauschmittel kann kostengtinstig und rasch zur Verfiigung gestellt werden und ist nicht, wie beispielsweise bei einer Goldwahrung, mit hohen Produktionskosten und erheblichem Zeitaufwand verbunden. Zeichengeldsysteme konnen damit rasch den sich andemden Bedingungen angepaBt werden und eignen sich insoweit besonders
225
fUr expansive Volkswirtschaften, in denen die Guterproduktion und die Tauschvorgange zunehmen.
Wenn aber nur geringe Produktionskosten entstehen, lieBe sich mit Zeichengeldsystemen jederzeit fast jede beliebige Menge an Geld-Wert produzieren. Die Summe des Nennwerts aller Geldzeichen konnte beliebige GroBenordnungen annehmen und wilrde insbesondere keinerlei Begrenzung nach oben unterliegen. Damit besrunde jedoch die Moglichkeit, daB fUr das Zeichengeldsystem keine Knappheit mehr existierte, wodurch die Wertaufbewahrungsfunktion des Zeichengeldsystems verloren ginge. FOr jedes Zeichengeldsystem ergibt sich daher die besondere Problematik der Sicherstellung der Knappheit des Geldes in der Form, daB die Summe der ausgegebenen Geldzeichen nicht so groB werden darf, daB dadurch die Wertaufbewahrungsfunktion in Frage gestellt ist. DaB diese Frage von besonderer Bedeutung ist, zeigen die vielfaltigen inflatorischen Entwicklungen bis hin zu Hyperinflationen, die in Zeichengeldsystemen beobachtbar waren und sind.
Zeichengeldsysteme, die auf die Wertbestandigkeit der Wahrung achten und die Wertaufbewahrungsfunktion fUr die Wahrung erhalten wollen, versuchen dieses Ziel zum Teil dadurch zu erreichen, daB mit Hilfe einer Deckung der Geldzeichen durch Waren und insbesondere durch Gold die Knappheit des Geldes, bzw. des ausgegebenen Nennwerts der Geldzeichen sichergestellt wird. Es hat sich dieser Weg der Deckung des Zeichengeldes durch Waren aber nicht nur als aufwendig und teuer erwiesen. Er steht vielfach im Widerspruch zu wirtschaftspolitischen Zielen, die in einer Volkswirtschaft yom Staat und den fUr die Wahrung verantwortlichen Instanzen verfolgt werden. Eine Deckung des Zeichengeldes durch Waren ist vor allem keineswegs erforderlich, um die Wertbestandigkeit der Wah rung zu erhalten oder Inflation zu vermeiden. Zur Sicherstellung der Knappheit des ausgegebenen Volumens an Zeichengeld genOgt es vielmehr, die Summe der Geldzeichen in einem Knappheitsverhaltnis zu den damit in einer Volkswirtschaft umzusetzenden oder zu tauschenden Gliter zu halten. Das Geld bleibt mit anderen Worten dann wertbestandig, wenn es im Verhaltnis zu den Gutermengen, die damit getauscht werden, knapp ist und in der Erwartung der Wirtschaftssubjekte knapp bleibt.
10.1.3 Aktuelle Geldarten
Die aktuellen Erscheinungsformen des Geldes bestehen in den Geldarten des seit 1999 existierenden Euro-Raums, in dem seit 1.1.2002 auch das gemeinsame Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel existiert. Konkret lassen sich folgende Geld
arten unterscheiden: • Miinzen. Sie werden von der Bundesrepublik Deutschland, d.h. der Bundes
regierung, ausgegeben, wobei europarechtliche V orschriften zu beachten sind. Die Europaische Zentralbank genehmigt z.B. den Umfang der Ausgabe. Die weiterhin bestehende nationale Miinzhoheit zeigt sich in den nationalen MOozseiten der Euro-MOnzen.
226
• Banknoten. Sie werden von der Deutschen Bundesbank ausgegeben, wobei sie sich an die entsprechende Genehrnigung der Europaischen Zentralbank zu halten hat. Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbesehrankte gesetzliehe Zahlungsmittel.
• Buehgeld (Sichteinlagen, Giralgeld, Depositen). Es wird von den Geschaftsbanken ausgegeben. Buchgeld ist in der Regel taglich verfUgbar. Die Glaubiger des Buchgelds, die Nichtbanken, konnen mittels Scheck und Uberweisung, aber auch mit Kreditkarten und den Modalitaten des Electronic Banking uber ihre Buchgeldbestande verfiigen.
Buchgeld und die gesetzlichen Zahlungsmittel erfUllen unmittelbar die Tausehmittelfunktion. Sie dienen bei kurzfristigen Planungen auch als Wertaufbewahrungsmittel, besitzen in unserem Wahrungssystem die Reeheneinheitsfunktion und stellen damit insgesamt aus Sicht der Wirtschaftssubjekte Geld in seiner vollen Bedeutung dar.
Wenn es jedoch nicht nur auf die sofortige oder tagliche Zahlungs- oder Tauschbereitschaft ankommt, sondem die Wertautbewahrungsfunktion starker in den Vordergrund rucken soli, werden die Wirtschaftssubjekte auf andere Geldarten zurUckgreifen, die sich vielfach automatisch oder ansonsten rasch und ohne groBen Wertverlust zu Geld (im Sinne des Tauschrnittels) machen lassen.
• Termin- oder Festgelder. Dies sind Einlagen, die zu vereinbarten Terminen zu Buchgeld werden. Sie bieten eine von der Laufzeit oder Festlegungsfrist abhangige Verzinsung und eignen sich als Anlageform, wenn die Verfiigbarkeit der Mittel mit Blick auf spatere Termine planbar ist und auf die spateren Zahlungstermine abgestellt werden solI.
• Spareinlagen. Spareinlagen werden mit unterschiedlich langen Kiindigungsfristen angeboten.
• Geldsubstitute. Bereits bei den unterschiedlichen Sparformen ergibt sich die Frage, inwieweit sich nicht auch festverzinsliche Wertpapiere (u.a. Staatsanleihen) als Substitute fUr langerfristig festzulegende Spareinlagen oder Termingelder eignen konnen. Die Antwort hierzu fallt positiv aus, denn die Wirtschaftssubjekte werden immer auch weitere Anlagemoglichkeiten fUr Geld, auf das vorubergehend oder fUr langere Frist nicht zu Tausch- oder Zahlungszwecken zuruckgegriffen werden muB, prufen und auch wahmehrnen. Damit zeigt sich, daB die Geldarten in einem engen Substitutionsverhaltnis zu altemativen Wertaufbewahrungsmitteln und Anlageformen stehen.
Fur Fristen mit bis zu zwei Jahren haben sich in Deutschland und im EuroRaum insbesondere Geldmarktpapiere und Geldmarktfonds als Anlageform durchgesetzt. Geldmarktpapiere werden beispielsweise von Banken begeben. Sie haben einen hohen Grad an Liquiditat, da sie an den Geldmiirkten gehandelt werden, deren Teilnehrner ihrerseits aus Banken und sonstigen Finanzinstituten bestehen. Geldmarktfonds sind Investmentfonds, die hauptsachlich in Geldmarktpapiere bzw. in sonstige marktfahige Schuldverschreibungen mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr bzw. in Bankeinlagen investieren und eine
227
Rendite erzielen moehten, die den Geldmarktzinsen nahekommt. SehlieBlieh eignen sieh von Banken ausgegebene Sehuldversehreibungen, die ubertragbar sind und auf Finanzmarkten gehandelt werden, als Substitut zu Bargeld und Siehteinlagen.
Die Geldsubstitute umfassen aber aueh risikobehaftetere Anlageformen wie u.a. Aktien oder Finanzanlagen im Ausland auf3erhalb des Euro-Raums. Damit ergibt sieh ein grundsatzlieh unbegrenzter Substitutionsbereieh zum Geld im Sinne des Tausehmittels. Die Substitutionsmogliehkeiten fUr Geld, das der Wertaufbewahrung dienen solI, enden nieht bei kurzfristigen Finanzanlagen oder Forderungen an Banken, sondem erstreeken sich prinzipieIl auf aIle anderen Vermogenswerte oder Vermogensgegenstande. Diese bestehen selbstverstandlieh aueh in Realvermogensbestandteilen wie Hauser, Grundstiieke, Sammlungen, die sieh ebenfalls zu Geld als Tausehmittel transformieren lassen aueh wenn die Transformation gegebenenfaIls einigen Zeitaufwand erfordem wird. Es gibt mithin keine definitive Begrenzung fUr die Erseheinungsformen oder Arten des Geldes. Zu den Geldsubstituten zahlen daher
• aile anderen Aktiva oder Vermogensgegenstande.
10.1.4 Volkswirtschaftliche Geldmengen
Mit Geldmengendefinitionen werden die in einer Volkswirtsehaft vorhandenen Geldmengenaggregate erfaf3t und gegenseitig abgegrenzt. Wegen der Vielzahl der Geldarten und Geldsubstitute laf3t sieh nieht nur eine einzige volkswirtsehaftliehe Geldmenge feststellen, sondem es konnen mehrere untersehiedliehe Geldmengen ermittelt werden, die mehr oder weniger viele Erseheinungsformen des Geldes oder der geldnahen Substitute umfassen.
Ausgangsbasis fUr das Geldsystem in einer Volkswirtsehaft ist das von der Zentralbank des Landes geschaffene Zentralbankgeld (einsehlief3lieh der Munzen). Es existiert in Form von Bargeld bei Niehtbanken und in Form von Einlagen der Gesehaftsbanken bei der Zentralbank. Man kann daher die Zentralbankgeldmenge als Summe aus dem auf3erhalb des Bankensystems umlaufenden Bargeld C und den Zentralbankeinlagen der Banken R ansehen. Aus Sieht der Gesehaftsbanken sind deren Zentralbankeinlagen hoehliquide Reserven, so daf3 sieh die Zentralbankgeldmenge wie folgt ergibt:
Zentralbankgeldmenge = C + R.
Die Zentralbankgeldmenge bildet die Grundlage des Geldwesens in einer Volkswirtsehaft. Dies wird vielfaeh aueh dadureh zum Ausdruek gebraeht, daf3 die Zentralbankgeldmenge als Basisgeld oder monetare Basis bezeiehnet wird. Die Gleiehsetzung der Zentralbankgeldmenge mit dem Basisgeld beruht auf der Uberlegung, daf3 aIle anderen Erseheinungsformen des Geldes immer einen Bezug zur dieser Basis als der hoheitlieh gesehaffenen Grundlage des Geldwesens, dem gesetzliehen Zahlungsmittel, aufweisen, bzw. besitzen mussen. Zumindest muf3 das
228
Bankensystem in der Lage sein oder sich die Fiihigkeit erhalten, alternative Anlageformen oder Erscheinungsformen des Geldes, seien es Sicht-, Termin- oder Spareinlagen sowie weitere geldnahe Forderungen zu den Falligkeiten problemlos in Form von Zentralbankgeld zur VerfUgung zu stellen.
Das Zentralbankgeld ist auch insoweit von geldpolitischer Bedeutung als es nicht mehr fUr direkte SteuerungsmaBnahmen der Zentralbank bereitsteht. Dber die Verwendung des Zentralbankgeldes entscheiden vielmehr grundsatzlich die Wirtschaftssubjekte, die das Zentralbankgeld besitzen. Es sei schlieBlich noch darauf verwiesen, daB die Zentralbankeinlagen der Banken R nach dieser Defmition nicht mit der Mindestreserve ubereinstimmen mussen, die von den Geschaftsbanken bei der EZB zu unterhalten ist.
Betrachtet man Geld vorwiegend in seiner allgemeinen Tauschmittelfunktion, so wird das entsprechende volkswirtschaftliche Geldvolumen durch die Summe aus Bargeldumlauf C und den Sichteinlagen der Nichtbanken D gebildet. Beide Geldarten eignen sich im taglichen Leben gleichermaBen fUr Transaktionen. Vnter ihnen verstehen die Wirtschaftssubjekte in jedem Fall Geld. Das so gebildete Geldvolumen wird ohne niihere inhaltlich Konkretisierung Geldmenge Ml genannt:
Ml = C + D .
In der Definition der Europaischen Zentralbank ist die Geldmenge Ml die Summe aus dem Bargeldumlauf und den taglich falligen Einlagen bei den Monetaren Finanzinstituten (MFIs) im Euro-Raum.
Vnter Berucksichtigung von kurzerfristigen Substituten zu Sichteinlagen kann eine weitere GeldmengengroBe abgrenzt werden. Hierzu werden Anlageformen einbezogen, deren Festlegungsfrist oder Restlaufzeit kurz ist. Sie besitzen daher fUr ihre Halter hinreichende Geld-Qualitat oder Geld-Niihe. Fur die gegenuber Ml erweiterte Geldmenge M2 ergibt sich:
M2 = Ml + sonstige kurzfristige Einlagen
Die Europaische Zentralbank zahlt zu den kurzfristigen Einlagen die Einlagen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren sowie die Einlagen mit vereinbarter Kiindigungsfrist von bis zu drei Monaten.
Werden daruber hinaus zusatzliche Geldsubstitute einbezogen, die sich noch starker durch ihre Wertaufbewahrungsfunktion oder ihren Anlagecharakter auszeichnen, entsteht die Geldmenge M3, deren Definition wie folgt lautet:
M3 = M2 + marktfahige Finanzinstrumente .
Die Europaische Zentralbank versteht unter marktfahigen Finanzinstrumenten Repogeschafte, Geldmarktfondsanteile und Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen mit einer Vrsprungslaufzeit von bis zu zwei Jahren. Vnter Repogeschaften wird der Gegenwert der von berichtenden MFIs zu einem gegebenen Preis verkauf-
229
ten Wertpapiere unter der gleichzeitigen Verpflichtung, dieselben oder ahnliche Wertpapiere w einem festgelegten Tag in der Zukunft wrlickzukaufen, verstanden. Repogeschafte sind Wertpapierpensionsgeschafte, die z.B. von der Europaischen Zentralbank im Rahmen ihrer Geldpolitik eingesetzt werden (siehe Abschnitt 10.6).
Die Europaische Zentralbank publiziert die Geldmengenaggregate, unter denen sie die monetaren Verbindlichkeiten der MFIs und der Zentralstaaten (Post, Schatzamter) gegentiber im Euro-Wahrungsgebiet ansassigen Nicht-MFIs (ohne Zentralstaaten) versteht.
Tabelle 5: Volkswirtschaftliche Geldmengen im Euro-Raum
Bestande am Ende des Berichtszeitraums in Mrd. Euro Position
1997 1998 1999 2000 2001 (Okt.)
Barge1dum1auf 318,4 323,6 350,0 347,6 296,7 M1 1.615,2 1.776,6 1.959,3 2.076,4 2.141,4 M2 3.667,2 3.893,3 4.120,8 4.289,2 4.546,7 M3 4.217,5 4.441,7 4.778,5 4.900,9 5.334,6
QueUe: Europaische Zentra1bank: Monatsberichte (jewei1s TabeUe 2.4)
Tabelle 5 enthalt die Werte der gebrauchlichen GeldmengengroBen, die im Euro-Raum unterschieden werden und die fUr die Geldpolitik von vorrangigem Interesse sind. Ein Blick auf die Daten der fiinf Jahre belegt, daB sich die GeldmengengroBen keineswegs voIIig gleichartig oder parallel entwickeln. Dies belegt allein der Bargeldumlauf, wobei der Oktoberwert 2001 inhaltlich nicht mit den Jahresendwerten kompatibel ist. Die Geldpolitik hat gleichwohl der Entwicklung besondere Beachtung w schenken, wenn sie einen systematischen EinfluB auf das in einer Volkswirtschaft existierende Geldvolumen austiben will. Dabei ist w beriicksichtigen, daB die Geldmengenaggregate durchaus von den in jeweiligen Beobachtungsperioden tiblichen Gebrauchen der Wirtschaftssubjekte abhangig sind. Sie bestimmen tiber die Abwicklung ihrer Tauschvorgange und die dabei eingesetzten Geldarten und sie entscheiden eigenstandig tiber ihr Anlageverhalten in mehr oder weniger liquiden Aktiva. SchlieBIich ist wegen dieser institutionellen Bedingungen w erwahnen, daB die Abgrenzung der GeldmengengroBen und deren jeweilige geldpolitische Bedeutung sich innerhalb des Euro-Raums und im Vergleich w anderen Volkswirtschaften keinesfalls decken muB. Die jeweiligen Zahlungssitten und die jeweiligen Substitutionsprozesse zwischen den Anlageformen des Vermogens konnen Will Teil erheblich voneinander abweichen und werden im tibrigen von aktueIIen Wirtschaftsentwicklungen und den damit verbundenen Erwartungen gepragt. Insoweit steht die GeldpoIitik immer wieder vor der Frage, welches Geldmengenaggregat fUr ihre geldpolitischen VorstelIungen geeignet ist, bzw. woran sich ihr EinfluB auf das von ihr anwstrebenden Ziel der Preisstabilitat am wverlassigsten messen laBt.
230
10.2 Die Geldverfassung in Deutschland
10.2.1 Die Geldverfassung zu den Zeiten der DM
Am 20. Juni 1948 wurde die DM erstrnalig in den drei westlichen Besatzungszonen von Deutschland in Form eines Kopfgeldes je Bewohner in Hohe von zunachst 40 DM ausgegeben. Zuvor war die alte Reichsmark-Wahrung abgeschafft worden. Diese Wahrungsreform wurde von der Bank deutscher Lander umgesetzt, die seit Marz 1948 ihre Aufgabe als Zentralbank zunachst in der amerikanischen und britischen Zone sowie schlieBlich auch rur die franzosische Zone wahrgenommen hat. Der Bank deutscher Lander ging entstehungsgeschichtlich die Bildung von Landeszentralbanken voraus, die urn die Jahreswende 1946/47 in der USZone und einige Monate spater in der franzosischen Zone als selbstandige Institutionen geschaffen wurden. Anfang 1948 sind auch in der britischen Zone Landeszentralbanken installiert worden. Obwohl die Bank deutscher Lander juristisch eine gemeinsame Tochter der Landeszentralbanken darstellte, haben die Bank deutscher Lander und die Landeszentralbanken wie ein einheitliches Zentralbanksystem gearbeitet. Die Zweistufigkeit und der foderale Aufbau der Bank deutscher Lander zeigten sich darin, daB der Zentralbankrat als oberstes Organ fUr die Gesamtpolitik des Systems neben seinem hauptamtlichen Prasidenten und dem Prasidenten des Direktoriurns der Bank deutscher Lander aIle Prasidenten der Landeszentralbanken urnfaBte.
Die Bank deutscher Lander hatte zunachst kein Notenemissionsrecht. Es wurde ihr erst durch das Emissionsgesetz vom 18.6.1948 gegeben. Das Geldemissionsmonopol umfaBte zunachst auch Kleingeldzeichen. Einige Monate nach der Bildung der ersten Bundesregierung ist die Mlinzhoheit auf den Bund iibertragen worden.
Die Bank deutscher Lander existierte bis 1957. Mit dem Gesetz iiber die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957 wurde der zweistufige Aufbau des Zentralbanksystems beseitigt und eine einheitliche Zentralbank als Deutsche Bundesbank errichtet. Dabei wurden die Landeszentralbanken einschlieBlich der Berliner Zentralbank mit der Bank deutscher Lander verschmolzen und diese dann zur Bundesbank umgestaltet. Die Landeszentralbanken waren damit rechtlich nicht mehr selbstandig, sondem wurden zu Hauptverwaltungen der Deutschen Bundesbank in den Bundeslandem.
Die Deutsche Bundesbank [mdet ihre rechtliche Grundlage im Gesetz fiber die Deutsche Bundesbank. Nach § 2 dieses Gesetzes ist sie eine bundesunmittelbare juristische Person des offentlichen Rechts, deren Grundkapital dem Bund zusteht. Die Deutsche Bundesbank hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Zunachst war allerdings Frankfurt nur als Ubergangslosung vorgesehen, da der Sitz der Bundesbank grundsatzlich am Sitz der Bundesregierung sein sollte. Die bis zum Jahr 2002 existierenden Organe der Deutschen Bundesbank sind der Zentralbankrat, das Direktorium und die V orstande der Landeszentralbanken.
231
Der Zentralbankrat ist das oberste Organ der Deutschen Bundesbank. Er bestimmt die Wahrungs- und Kreditpolitik der Bank. Er besteht aus dem Prasidenten und dem Vizeprasidenten der Deutschen Bundesbank, den weiteren Mitgliedem des Direktoriums und den Prasidenten der Landeszentralbanken.
Das Direktorium ist fUr die Durchf"lihrung der Beschliisse des Zentralbankrats verantwortlich. Es leitet und verwaltet die Bank und ist somit das ausfiihrende Organ. Das Direktorium besteht aus dem Prasidenten und dem Vizeprasidenten der Deutschen Bundesbank sowie bis zu sechs weiteren Mitgliedem. Die Mitglieder des Direktoriums mussen besondere fachliche Eignung besitzen. Sie werden vom Bundesprasidenten auf Vorschlag der Bundesregierung fUr in der Regel acht Jahre bestellt.
Die Deutsche Bundesbank unterhalt (his zum Jahr 2002) je eine Hauptverwaltung mit der Bezeichnung Landeszentralbank fUr den Bereich des Landes Baden-Wurttemberg, des Freistaates Bayem, der Lander Berlin und Brandenburg, der Freien Hansestadt Bremen und der Lander Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, der Freien und Hansestadt Hamburg und der Lander Mecklenburg-Vorpommem und Schleswig-Holstein, des Landes Hessen, des Landes Nordrhein-Westfalen, der Lander Rheinland-Pfalz und Saarland, der Freistaaten Sachsen und ThOringen. Die Vorstande der jeweiligen Landeszentralbanken bestehen aus dem Prasidenten und dem Vizeprasidenten und gegebenenfalls einem weiteren Mitglied. Die Prasidenten der Landeszentralbanken werden vom Bundesprasidenten auf Vorschlag des Bundesrates (und dort konkret aufVorschlag der betreffenden Lander) fUr in der Regel acht Jahre bestellt.
Die im Vergleich zu politischen Wahlzyklen in Deutschland (vier bis fiinf Jahre) lange Amtsperiode der MitgJieder des Zentralbankrates (acht Jahre) verleiht diesem Gremium eine ausgepragte Unabhangigkeit auch und besonders gegenuber m5glichen politischen Bestrebungen und Motiven, die in Parlamenten und Regierungen von Bund und Landem vorherrschen k5nnten. Die Deutsche Bundesbank erwies sich damit seit ihrem Bestehen national und im intemationalen Vergleich als geldpolitische Instanz mit weitgehender Unabhangigkeit von kurzfristigen politischen Einflussen.
Ihre Organisation und Aufgaben unterliegt allerdings auch den durch die Einfiihrung des Euro geanderten Rahmenbedingungen. Insoweit ist die in diesem Abschnitt dargestellte Geldverfassung historisch und trifft vorrangig die Epoche in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Die geldpolitischen Funktionen der Deutschen Bundesbank ergaben sich aus dem Bundesbankgesetz. In allgemeiner Form konnten bis zur 3. Stufe der Europaischen Wirtschafts- und Wahrungsunion, d.h. bis zum 1.1.1999, sieben Hauptaufgaben der Bundesbank festgehalten werden, die zwischenzeitlich weitgehend auf die Europaische Zentralbank ubergegangen sind. • Sicherung der Wahrung. Diese Aufgabe war der Bundesbank gewissermaBen
als oberstes Ziel aufgetragen. Das Ziel einer sicheren Wahrung hat aber zumindest zwei Aspekte, die sich unter Umstanden in einem Widerstreit befmden k5nnen. So besteht der interne Sicherheitsaspekt der Wahrung darin, daB das
232
von der Bundesbank ausgegebene Geld innerhalb der Volkswirtschaft seinen Wert erhalt, d.h. der nationale Geldwert stabil bleibt. Sicherung der Wiihrung kann in einer offenen Volkswirtschaft auch mit Blick auf die externe Sicherheit der Wahrung im Vergleich zu anderen Wiihrungen gesehen werden. Die nationale Wiihrung kann im Vergleich zu anderen Wahrungen dann als sicher gelten, wenn der Wechselkurs fUr die heimische Wahrung stabil ist und
zumindest keine Abwertung der heimischen Wahrung eintritt. • Abwicklung des ZahluDgsverkehrs im Inland uDd mit dem Ausland. Diese
Aufgabe umfaBte die Versorgung der Volkswirtschaft mit Bargeld (Noten und Mililzen). Die Aufgabe bestand daneben darin, daB die Bundesbank den unbaren ZahluDgsverkehr mit abwickelte. Mit dem Ubergang zum beleglosen elektronischen Zahlungsverkehr bei den Geschaftsbanken hat sich die ClearingFunktion der Bundesbank allerdings reduziert, da die Geschaftsbanken vermehrt Zahlungen in den eigenen Netzen weiterleiten oder bilateral austauschen.
• Die Deutsche Bundesbank war verpflichtet, unter Wahrung ihrer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstUtzen. Allerdings ist die Bundesbank bei der Austibung ihrer Befugnisse keinen Weisungen der Bundesregierung unterworfen.
• Die Deutsche Bundesbank hatte das ausschlie6liche Recht, in Deutschland Banknoten auszugeben. Sie war die Notenbank. Die von ihr ausgegebenen auf Deutsche Mark lautenden Noten waren bis Ende 2001 das einzige unbeschrankte gesetzliche Zahlungsmittel.
• Die Deutsche Bundesbank ist die Bank des Staates. Sie ist gem1iB Art. 88 Grundgesetz vom Bund errichtet. Dies spiegelt sich unter anderem darin wider, daB das Grundkapital der Bundesbank dem Bund zusteht und eventuelle Gewinne an den Bund abgeflihrt werden. Die Bundesbank ist daneben verpflichtet, wiihrungspolitische GruDdsatzentscheiduDgeD des Staates, die auf der Grundlage des Art. 73, Nr. 4 Grundgesetz getroffen werden, auszufiihren und zu erfiillen. So beschlieBt z.B. die Bundesregierung tiber wahrungspolitische Grundsatzfi:agen. Damit lagen auch die Entscheidungen tiber den Beitritt zum Europaischen Wahrungssystem EWS (1979), die deutsche Wahrungsunion (1990) oder die Einfiihrung einer gemeinsamen europaischen Wahrung nicht bei der Bundesbank, sondem bei der Bundesregierung, bzw. bei den parlamentarischen Verfassungsorganen (Bundestag und Bundesrat). Der Bund hat das Auspragungsrecht (Mtinzregal) flir die Mililzen, die er an die Bundesbank gegen Zentralbankgeld abgibt. In Hohe der Differenz zwischen dem Nennwert der Mililzen und deren Herstellungskosten erhalt der Bund einen Mililzgewinn. Bereits mit der zweiten Stufe der Europaischen Wirtschafts- und Wahrungsunion sind zum 1. Januar 1994 zwei Teilfunktionen weggefallen, die die Bundesbank bis dahin als Bank des Staates noch erfiillte: zum einen bestand die Moglichkeit der Kassenkreditgewiihrung, d.h. Bund, Lander und die Sondervermogen des Bundes konnten bis dahin von der Bundesbank in den durch § 20 Bundesbankgesetz festgelegten Hochstgrenzen Kassenkredite erhalten. Parallel zum Wegfall der Kassenkreditmoglichkeiten wurden die zentralen offentlichen
233
Haushalte von der Einlagepflicht befreit. Die Einlagepflicht bestand darin, daB insbesondere der Bund und die Lander ihre liquiden Mittel bei der Bundesbank unterhalten muBten, wo sie dem Geldkreislauf entzogen waren. Durch den Wegfall der Einlagepflicht kannen sie nun die liquiden Mittel verzinslich im Geschaftsbankensektor anlegen.
• Die Deutsche Bundesbank war die Bank der Banken. Die Geschaftsbanken konnten bei der Bundesbank Zentralbankgeld leiben, urn ibre Liquiditat zu erbalten. Die Geschaftsbanken sind zwar insgesamt bestrebt, mit dem in der Volkswirtschaft vorhandenen Bestand an Zentralbankgeld die BargeldwUnsche von Einlegem und Kreditnehmem zu erfUlIen. Allerdings lassen sich Ausschlage in der Nachfrage nach Zentralbankgeld nicht ausschlieBen. In diesen Fallen kannen die Geschaftsbanken aber durch Refinanzierung oder Kreditaufnahme bei der Bundesbank ihren Bedarf an Zentralbankgeld ausgleichen. Diese Funktion der Zentralbank wird als lender of last resort bezeichnet.
• Die Deutsche Bundesbank unterhalt weiterhin eine Wahrungsreserve. Diese hat aus historischer Sicht mit dazu beigetragen hat, die intemationale Liquiditat der deutschen Volkswirtschaft zu sichem. Die akonomische Bedeutung der Funktion als Halterin der offiziellen Wahrungsreserven hat allerdings in der jiingsten Vergangenheit im Zusammenhang mit dem freien intemationalen Kapitalverkehr und dem gestiegenen Volumen an Auslandsanlagen privater Wirtschaftssubjekte deutlich abgenommen.
10.2.2 Deutschland als Mitglied des Euro-Raums
Anfang Mai 1998 beschloB der EU-Rat einvemehmlich, daB 11 Mitgliedstaaten, namlich Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Osterreich, Portugal und Finnland die fUr die EinfUhrung der gemeinsamen Wahrung am 1. Januar 1999 notwendigen Voraussetzungen erfiiIlten. Einen Monat spater wurde die Europaische Zentralbank (EZB) errichtet, welche die Aufgaben des Europaischen Wahrungsinstituts (EWI) iibemahm. Der Sitz der EZB war durch einen BeschluB der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten aus 1993 mit Frankfurt am Main festgelegt worden. Zentrale rechtliche Regeln fUr die Europaische Zentralbank und fUr das Eurosystem insgesamt finden sich in den Artikeln 105-115 des EG-Vertrags sowie im Protokoll iiber die Satzung des Europaischen Systems der Zentralbanken und der Europaischen Zentralbank aus dem Jahr 1992.
Die institutionellen Gegebenheiten des Euro-Raums sind mehrschichtig, zumal der Euro als gemeinsame europaische Wahrung nicht in allen Mitgliedstaaten der EU gleichzeitig eingefUhrt wurde. Soweit die Europaische Union insgesamt angesprochen wird, ist im EG-Vertrag yom Europaiscben System der Zentralbanken (ESZB) die Rede. Zum Europaischen System der Zentralbanken (ESZB) zahlen die Europaische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken aller bisherigen 15 Mitgliedstaaten (Art. 107, Abs. I EG-Vertrag).
234
Neben dem ESZB existiert seit 1999 das Eurosystem. Dem Eurosystem gehoren die Lander an, die den Euro bereits eingefiihrt haben. AuBer den oben erwahnten elf Mitgliedstaaten, die seit 1999 zum Eurosystem zahlen, ist seit Anfang 2001 auch Griechenland Mitglied des Eurosystems. Die EU-Lander Danemark, GroBbritannien und Schweden sind im Jahr 2002 noch keine Teilnehmer des Eurosystems. Fur sie gelten zwar auch einige Verpflichtungen des ESZB. Ihre Zentralbanken unterliegen aber nicht den Weisungen der EZB und deren Geldpolitik.
Kernstiick des Eurosystems und des ESZB ist die Europaische Zentralbank (EZB). Sie hat eine Leitungsstruktur, die derjenigen der Bundesbank entlehnt ist. Sie wird geleitet vom EZB-Prasidenten und dem EZB-Vizeprasidenten, die zusarnmen mit vier weiteren Mitgliedern das Direktorium bilden. Die Mitglieder des Direktoriurns werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs auf Empfehlung des Rates, der hierzu das Europaische Parlament und den EZB-Rat anhort, aus dem Kreis der in Wahrungs- und Bankfragen anerkannten und erfahrenen Personlichkeiten einvemehmlich ausgewiihlt und emannt. Ihre Amtszeit betragt acht Jahre; Wiederemennung ist nicht zulassig (Vgl. Art 112, Abs. 2 EG-Vertrag). Das Direktorium fiihrt die laufenden Geschiifte der EZB. Es filhrt insbesondere die Geldpolitik gemiiB den Leitlinien und Entscheidungen des EZB-Rates aus und erteilt hierzu den nationalen Zentralbanken die erforderlichen Weisungen.
Das oberste Beschlu130rgan der EZB ist der EZB-Rat. Er besteht aus den Mitgliedem des Direktoriurns der EZB und den Prasidenten der nationalen Zentralbanken des Euro-Raums. Jedes Mitglied des EZB-Rates hat eine Stimme. Der EZB-Rat erliiJ3t die Leitlinien und Entscheidungen, die notwendig sind, urn die ErfilIlung der dem ESZB ubertragenen Aufgaben zu gewahrleisten. Der EZB-Rat legt die Geldpolitik der Gemeinschaft fest.
"Bei der Wahrnehmung der ihnen ... iibertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied der Beschluftorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschluftorgane der EZB oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. " (Art. 108 EG-Vertrag).
Die vom EG-Vertrag vorgesehenen wiihrungspolitischen Aufgaben richten sich zwar an das ESZB insgesamt. Solange jedoch noch nicht aIle Mitgliedstaaten der EU dem Eurosystem beigetreten sind, beziehen sich die Aufgabenstellungen in erster Linie auf die EZB und das Eurosystem. "Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilitat zu gewahrleisten. Soweit dies ohne Beeintrachtigung des Ziels der Preisstabilitat moglich ist, unterstiitzt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft ... Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbe-
235
werb, wodurch ein ejJizienter Einsatz der Ressourcen gefordert wird .... " (Art 105, Abs. 1 EG-Vertrag). " Die grundlegenden Aufgaben des ESZB bestehen darin, - die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und auszujUhren, - Devisengeschafte im Einklang mit Artikel 111 durchzujUhren, - die offlZiellen Wahrungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten, - das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fordern. " (Art. 105, Abs.2 EG-Vertrag). "Die EZB hat das ausschlieftliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen. Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Die von der EZB und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Gemeinschaft als gesetzliches Zahlungsmittel gelten. " (Art. 106, Abs. 1 EG-Vertrag). "Die Mitgliedstaaten haben das Recht zur Ausgabe von Munzen, wobei der Umfang dieser Ausgabe der Genehmigung durch die EZB bedarf ... "(Art. 106, Abs. 2 EG-Vertrag).
So lange es in der EU noch einen Unterschied zwischen Teilnehmem und Nichtteilnehmem am Eurosystem gibt, stellt sich wegen der vom EG-Vertrag vorgesehen Zielgruppe (allen Mitgliedstaaten) ein Abstimmungsproblem. Dieses wird dadurch angegangen, daB ein Erweiterter Rat installiert wurde. Der Erweiterte Rat besteht aus dem Prasidenten und dem Vizeprasidenten der EZB sowie aus den Prasidenten der nationalen Zentralbanken aller Mitgliedstaaten der EU. Der Erweiterte Rat trim keine geldpolitischen Beschliisse. Er hat im wesentlichen eine Informationsfunktion und solI die noch ausstehenden Kandidaten in der EU fUr den Beitritt zum Eurosystem vorbereiten.
Aus der Satzung des ESZB und der EZB ergibt sich, daB das Kapital der EZB bei der Aufuahme ihrer Tatigkeit 5 Milliarden ECU betragt. Die nationalen Zentralbanken sind alleinige Zeichner und Inhaber des Kapitals der EZB. Die Hl>he der Anteile wird aus einem Schliissel bestimmt, in den je zur Hiilfte die Bevolkerungszahl des Mitgliedstaates und sein Bruttoinlandsprodukt eingehen. Entsprechend den Anteilen am Kapital der EZB iibertragen die nationalen Zentralbanken der EZB Betriige aus ihren Wiihrungsreserven. SchlieBlich enthalt die Satzung auch eine Verteilungsregelung fUr den Gewinn bzw. Verlust der EZB. Die Deutsche Bundesbank halt einen Anteil von 24,5 % des Kapitals der EZB.
10.2.3 Die Geschiftsbanken in Deutschland
Die Geschaftsbanken nehmen Einlagen vom allgemeinen Publikurn (den Nichtbanken) an, urn damit Kredite zu vergeben. 1m iibrigen sind sie im Wertpapiergeschaft tatig. Diese allgemeine Definition der Geschaftsbanken wird von der Europaischen Zentralbank zwischenzeitlich mit einem anderen Begriff inhaltlich gefUllt, wobei die traditionelle Definition einer Bank nicht vollig mit der neuen Abgrenzung iibereinstimmt. In diesem Zusammenhang haben wir bereits mehrfach die Gruppe der Monetaren Finanzinstitute (MFIs) erwahnt.
236
Die EZB verwendet die Bezeichnung MFI fUr drei Arten von geldschOpfenden Kredit- und Finanzinstituten (zur GeldschOpfung siehe lOA unten): • Zurn einen werden die Zentralbanken zur Gruppe der MFIs gerechnet. Die
Zentralbanken sind aber keine Geschiiftsbanken, da sie nicht mit dem allgemeinen Publikum in Kreditbeziehungen treten.
• Zweitens zahlen zu den MFIs die gebietsansassigen Kreditinstitute im Sinne des Gemeinschaftsrechts. Diese sind definiert als Untemehmen, deren Tatigkeit darin besteht, Einlagen oder andere ruckzahlbare Gelder des Publikums einschlieBlich der ErlOse aus dem Verkauf von Bankschuldverschreibungen an das Publikum entgegenzunehmen und Kredite auf eigene Rechnung zu gewahren. Hierzu zahlen die Universalbanken, die Sparkassen, die Postbank, Genossenschaftsbanken, Kreditgenossenschaften, Privatbanken, Spezialbanken wie u.a. Bausparkassen oder Hypothekenbanken.
• Die dritte Gruppe besteht aus allen sonstigen gebietsansassigen Finanzinstituten, deren wirtschaftliche Tatigkeit darin besteht, Einlagen bzw. Einlagensubstitute im engeren Sinne von anderen Wirtschaftssubjekten als MFIs entgegenzunehmen und auf eigene Rechnung Kredite zu gewahren undloder in Wertpapieren zu investieren. Zu dieser Gruppe gehoren hauptsachlich die Geldmarktfonds.
In Deutschland besteht das Geschiiftsbankensystem vorwiegend aus Universalbanken, die grundsatzlich jede Art von Bankgeschaft betreiben konnen, also Einlagen annehmen, Kredite gewahren und sich im Wertpapiergeschiift betatigen. Das Geschiiftsbankensystem in Deutschland wird gepragt von drei gro6en Institutsgruppen: • KreditbaDkeD bzw. private BankeD. Dies sind privatrechtlich organisierte
Institute beispielsweise in der Gesellschaftsform der AG. Ihre Betatigungsfelder liegen vor allem im Kredit- und Wertpapiergeschaft sowie in der Vermogensverwaltung. Innerhalb dieser Gruppe wird noch unterschieden in GroBbanken, Regionalbanken und sonstige Kreditbanken (wie z.B. die Privatbankiers) und die Zweigstellen auslandischer Banken.
• Sparkassensektor. Zu diesem Sektor zahlen zunachst die Sparkassen, die iiberwiegend Anstaiten des offentlichen Rechts in der Tragerschaft von Gebietskorperschaften sind. Als Korperschaften des offentlichen Rechts wollen sie einen offentlichen Aufirag realisieren, der insbesondere in der Forderung des Sparens und in der ErfUllung des Kreditbedarfs der Arbeitnehmer, des Mittelstandes, der gewerblichen Wirtschaft und der offentlichen Hand gesehen wird. FUr Sparkassen gilt derzeit (noch) die Anstaitslast und die Gewahrtragerhaftung. Diese Prinzipien verptlichten den Trager, im Innenverhaltnis die Funktionsflihigkeit der Anstalt zu gewahrleisten und im AuBenverhaltnis subsidiar fUr die Verbindlichkeiten des Instituts einzustehen. Daruber hinaus gilt fUr Sparkassen das Regionalprinzip. Dadurch gibt es in der Regel keine iiberschneidenden Geschiiftsgebiete und keinen direkten Wettbewerb zwischen den Sparkassen untereinander. Auf der Ebene eines Verbandsbereichs verfUgen die
237
Sparkassen tiber zentrale Kreditinstitute in Fonn der Landesbanken oder Girozentralen.
• Genossenschaftssektor. Dieser Sektor umfaBt die nach dem Regionalprinzip arbeitenden Kreditgenossenschaften. Diese zielen mit ihren Bankaktivitaten urspriinglich auf die Betriebe der Landwirtschaft (Raiffeisen-Banken) und des Handwerks (Volksbanken) abo AuBerdem existieren genossenschaftliche Zentralbanken.
Dariiber hinaus besteht das Geschaftsbankensystem in Deutschland aus Spezialbanken, die nicht aIle Bankgeschafte wahrnehmen. Dazu zahlen die Realkreditinstitute oder Hypothekenbanken, die Bausparkassen und die Banken mit Sonderaufgaben.
Gemessen an der Bilanzsumme in 2001 ist der Sparkassensektor mit tiber 35 Prozent der groBte Teilsektor der Geschaftsbanken in Deutschland. Die Kreditbanken oder privaten Banken erreichen etwa 28 %. Der Genossenschaftssektor, der die meisten Institute umfaBt, erreicht 12 % der Bilanzsumme aller Bankengruppen.
10.3 Die Nachfrage nach Geld
10.3.1 Der Nutzen der Geldhaltung
Mit der Nachfrage nach Geld sollen okonomische Eintltisse erfaBt werden, die Umfang und Veranderung der Geldhaltung oder der Kassenhaltung der Wirtschaftssubjekte bestimmen. Es wird mithin nach den Bestimmungsgriinden gefragt, die z.B. private Haushalte und Untemehmen bewegen, Geld in barer Fonn oder in Fonn von Sichteinlagen zu halten, die kaum eine Verzinsung aufweisen. Hierbei stellt sich die primare Frage, wieso Wirtschaftssubjekte tiberhaupt Geld halten, denn Geld ist zumindest in den Fonnen des direkten Tauschmittels nahezu ertragslos. Bargeld oder Sichteinlagen stiften mit anderen Worten keinen unmittelbaren Nutzen, wenn davon abgesehen wird, daB sich einige wenige Personen an aus ihrer Sicht schonen Mtinzen oder Scheinen erfreuen konnen und sie aus diesem Grund MUnzen oder Scheine nachfragen.
LaBt man diesen Sammler-Aspekt aus einer speziellen Liebhaberei auBer Betracht, so wird ein ertragsloses Aktivum wie Geld nur dann nachgefragt, wenn es sonstige okonomische Vorteile verspricht, aus denen sich fUr die Halter des Geldes ein Nutzen ergibt. Die Vorteile der Geldhaltung bestehen in der jederzeitigen Tauschbereitschaft, die Geld ennoglicht und die nur mit Geld als dem liquidesten Vennogensbestandteil gegeben ist. Nur die Verfiigung tiber Geld verschafft jederzeit eine sofortige Tauschmoglichkeit und laBt dam it auch bei nicht geplanten oder unvorhergesehenen Tauschgelegenheiten oder unvorhergesehenen Tauschwiinschen die tatsachliche problem lose Ausfuhrung der Tauschvorgange zu. Geld erOffnet insoweit einen Freiheitsgrad fUr Tauschmoglichkeiten tiber die Zeit hin, den kein anderes Gut gibt. Diese Freiheit, ungeplante Transaktionen ausfiihren, bzw. unerwartete, gUnstige Tauschmoglichkeiten wahmehmen zu konnen,
238
stiften aus der Sicht der Wirtschaftssubjekte einen Nutzen, der zumindest so groB oder groBer sein muB als der mogliche Ertrag, einer zu Geld altemativen, beispielsweise zinsbringenden, Anlage.
Eine Voraussetzung flir diese Uberlegung besteht darin, daB die GeldzuflUsse zu einem Wirtschaftssubjekt, z.B. in Form von Einkommenszahlungen, nicht kontinuierlich erfolgen und in jedem Fall nicht jederzeit in der Hohe vorkommen wie bei den Wirtschaftssubjekten TauschwUnsche entstehen oder sich gUnstige Tauschgelegenheiten erofihen, die mit entsprechenden Geldabflussen verbunden sind. Die Zufliisse und Abfliisse an Geldmitteln fallen zeitlich und der Hohe nach auseinander oder die Zahlungsvorgange sind nicht himeichend synchronisiert. FUr die UberbrUckung der Zahlungstermine ist die Geldhaltung ein geeignetes Mittel. Das Halten von Geld und damit auch die Nachfrage nach Geld erfolgt wegen der unvollstandigen Synchronisation der Zahlungsvorgange. WUrden mit anderen Worten die Zu- und AbflUsse von Geld bei den Wirtschaftssubjekten zeitlich und der Hohe nach zusammenfallen, gabe es mithin eine vollstandige Synchronisation der Zahlungsvorgange, so ware keine Geldhaltung notwendig, da es dann den aufgezeigten Nutzen nicht besaBe. Das Auseinanderfallen der Zahlungsvorgange selbst beruht auf institutionellen Regeln (z.B. feste Gehaltszahlungstermine oder Steuertermine), ergibt sich daneben aber auch durch die bei allen Wirtschaftssubjekten immer bestehenden Unsicherheiten und Zufalligkeiten von Tauschvorgangen, die nur mit Hilfe der Geldhaltung aufgefangen werden konnen.
10.3.2 Transaktionskassenhaltung
Woran orientiert sich nun die Geldhaltung der Hohe nach? Die Geldhaltung oder Nachfrage nach Geld wird abhangig sein von den WUnschen und Moglichkeiten der Wirtschaftssubjekte, Tauschhandlungen oder Transaktionen Uber die Zeit hin mit Geld durchzuflihren. Das AusmaB der Tauschhandlungen ist seinerseits davon abhangig, welche okonomischen Moglichkeiten oder Ressourcen die Wirtschaftssubjekte zur Verfiigung haben oder erwarten. Die Nachfrage nach Geld wird sich daher am Einkommen als der flir die meisten Wirtschaftssubjekte entscheidenden GroBe ausrichten, die ihre okonomischen Verfiigungs- oder Tauschmoglichkeiten beschrankt.
Mit LT sei der Teil der Geldnachfrage bezeichnet, der aus dem Transaktionsmotiv resultiert. LT erfaBt damit die Liquiditatsnachfrage aus dem Wunsch, Tauschvorgange abwickeln zu konnen. Benutzt man wiederum das Symbol Y fUr das gesamtwirtschaftliche Einkommen, so kann die Geldnachfrage LT als eine Funktion des Einkommens Y gesehen werden, unter der Voraussetzung, daB andere okonomische EinflUsse konstant gehalten werden:
LT = LT(Y) .
Die GroBen LT und Y sind hier wiederum als reale GroBen zu verstehen. Die Abhangigkeit der Geldnachfrage yom Einkommen wird als positiv zu unterstellen
239
sein, so daB mit steigendem gesamtwirtschaftlichen Einkommen auch die nachgefragte Menge an Geld zunimmt und damit die Transaktionskassenhaltung steigt. Abb. 60 zeigt den Verlauf der einkommensabhangigen Geldnachfrage auf, wenn andere okonomische Einfliisse als konstant angenommen werden.
Der positive Zusammenhang zwischen Geldnachfrage und Einkommen wird in seinem AusmaB, d.h. in der Steigung der LrFunktion in Abb. 60, von den Zahlungsrhythmen und den Zahlungsgewohnheiten bestimmt. Solche Gewohnheiten sind bei kurzfristiger Betrachtung weitestgehend gegeben und konnen als konstant unterstellt werden. Die gegebenen Zahlungsgewohnheiten fuhren demnach zu einem im Verhaltnis zum Einkommen proportionalen Geldbedarf.
y
Lr
Lr
Abb. 60: Einkommensabhangige Geldnachfrage
In Hingerfristiger Betrachtung sind allerdings allmahliche Veranderungen der Zahlungsgewohnheiten zu beobachten, die den Zusammenhang zwischen Einkommen und Volumen an Geldnachfrage modifizieren. Hierbei liegen beispielsweise zwei gegenHiufige Tendenzen vor. Zum einen fiihrt die intensivere Nutzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dazu, daB bei steigendem Einkommen weniger Geld in Form von Bargeld benotigt wird (Bargeld ist ein nicht unwesentIicher BestandteiI von Lr; siehe Tab. 5 oben). Zum anderen kann auch festgestellt werden, daB fur den Bereich der expandierenden Schattenwirtschaft, in der die Transaktionen anonym und daher mit Bargeld abgewickelt werden, eine verstarkte Bargeldnachfrage ausgeiibt wird.
Das Motiv der Geldhaltung, urn Transaktionen damit abzuwickeln, steht in den wirtschaftstheoretischen Uberlegungen der Klassik an erster bzw. ausschlieBlicher Stelle. In der kiirzerfristigen Analyse von Keynes wird das Transaktionsmotiv ebenfalls hervorgehoben. Keynes erweitert aber das Transaktionsmotiv urn das Vorsichtsmotiv, was seinerseits zwei Aspekte umfaBt. Zum einen wird es eine Geldnachfrage geben, urn unvorhergesehene Transaktionen abwickeln zu konnen. Diese Erganzung wirkt sich okonomisch wie eine VergroBerung des Volumens der Geldnachfrage aus dem Transaktionsmotiv aus, da unvorhergesehene
240
Ausgaben in ihrer GroBenordnung mit den geplanten Transaktionen in einem Zusammenhang stehen dlirften. Zum anderen umfaBt das Vorsichtsmotiv bei Keynes die Geldhaltung aus der Oberiegung, daB Geld eine Sicherheit fiber seinen Barwert bietet. 1m Unterschied zu festverzinslichen Wertpapieren, deren Kurse auch fallen konnen, behalt Bargeld seinen Nennwert oder Barwert, so daB eine Kassenhaltung aus dem Vorsichtsmotiv naheliegt, wenn Unsicherheiten fiber Kursentwicklungen oder Wertentwicklungen alternativer Anlageformen zu Geld bestehen. Mit diesem zweiten Tei!aspekt des Vorsichtsmotivs wird allerdings die Kassenhaltung aus dem Transaktionsmotiv veriassen, da insoweit Geld als Wertaufbewahrungsmittel gesehen wird.
10.3.3 Zinsabhangige Geldnachfrage
Geld als Wertaufbewahrungsmittel ist aus Sicht der Halter von Geld ein Aktivum oder ein Vermogensbestandteil. Als VermogensgroBe ohne direkten monetaren Ertrag steht Geld immer in einem Substitutionsverhaltnis zu anderen ertragbringenden Vermogensanlageformen, wie z.B. Wertpapieren, die einen Ertrag in Form von Zinsen abwerfen und zum Teil nur ein geringes Kursrisiko aufweisen. Ein Wirtschaftssubjekt, das Geld fUr seine Transaktionen und wegen der Unsicherheit fiber Zeitpunkt und Hohe der Transaktionen nachfragt, wird seine Geldhaltung nicht nur am erwarteten Transaktionsvolumen ausrichten, sondern auch in Betracht ziehen, daB es Alternativen zum ertragslosen Geld gibt, die sich im Zweifel fiber aile Geldsubstitute und damit aile zinsbringenden Aktiva oder nutzenstiftenden Vermogensbestandtei!e erstrecken konnen. Von groBter Bedeutung werden vielfach die geldnahen, zinsbringenden Anlageformen sein. Weisen die geldnahen Anlageformen einen hohen Zins auf, wird das Halten von Geld oder die Liquiditatspraferenz yom Volumen her geringer sein, wei! die Alternative besonders ertragbringend ist und somit mehr Nutzen stiftet als die jederzeit vorhandene Tauschbereitschaft. Sind die Zinsen der geldnahen Anlageformen dagegen gering, so ist der Nutzen der verzinslichen Anlage vergleichsweise klein im Verhaltnis zum Nutzen der Tauschbereitschaft. Entsprechend wird bei einem hOheren Zins weniger Geld gehalten werden und bei einem geringeren Zins wird die nachgefragte Menge nach Geld groBer sein.
Dieser oben zunachst vernachlassigte okonomische EinfluB auf die Geldnachfrage kommt durch eine zinsabhangige Komponente der Geldnachfrage zum Ausdruck, die mit Ls bezeichnet sein soil:
Ls = LsCi)
Diese zinsabhangige Geldnachfrage ist in Abb. 61 grafisch veranschaulicht. Die zinsabhangige Geldnachfrage wurde von Keynes als wesentlicher Be
standteil der Geldnachfrage hervorgehoben und von ibm mit der Bezeichnung Spekulationskasse belegt. Diese Bezeichnung wurde von ihm vorrangig deshalb gewahlt, weil diese Geldnachfragekomponente nicht nur auf alternative Ertrage bei
241
Geldsubstituten reagiert, sondern tiber ihre Erwartungsabhangigkeit spekulative Momente umfaBt. Die Erwartungen beziehen sich hierbei auf Zinsanderungen, die von den Wirtschaftssubjekten bei vornehmlich extremen Zinsniveaus (sehr hohen oder sehr geringen) erwartet und fUr eigene spekulative Uberlegungen genutzt werden.
Ls Abb. 61: Zinsabhiingige Geldnachfrage
So erwarten einerseits bei einem vergleichsweise hohen Zins viele Wirtschaftssubjekte keine weitere Zinssteigerung mehr, sondern aIlenfaIls konstante, eher aber fallende Zinsen. FUr die von Keynes als einzige Alternative zur Geldhaltung unterstellte Anlage in festverzinslichen Wertpapieren gilt aber bei hohen Marktzinsen, daB ihr Kurswert (oder ihr aktueller Marktwert) gering ist. Zugleich wird der Kurswert der Wertpapiere bei fallenden Zinsen ansteigen. Erwirbt ein Vermogensbesitzer bei hohen Zinsen Wertpapiere, so hat er vielfach mit drei Vorteilen dieser Art der Vermogensanlage im Verhiiltnis zu dem ertragslosen Geld zu rechnen: (1) die Anlage in Wertpapieren fUhrt zu einem hohen laufenden Zinsertrag, der an den fixen Nennwert der Wertpapiere gekoppelt ist; (2) falls die wahrscheinliche Entwicklung eintritt und die Erwartung auf fallende Zinsen sich emIlt, ergibt sich bei den Wertpapieren eine Steigerung im Kurswert oder Marktwert und dam it ein Kursgewinn; (3) schlieBlich ist bei vergleichsweise hohen Zinsen die Wahrscheinlichkeit gering, daB die Wertpapieranlage ein nennenswertes Risiko besitzt, d.h. ein Kursrisiko aufweist, weil ein weiteres Steigen des Zinses und damit ein Kursverlust nach den auf Erfahrungen begriindeten Erwartungen nicht oder in keinem bedeutsamem Umfang mehr auftreten kann. Vermogensbesitzer werden daher insgesamt den Teil ihrer Geldnachfrage, der zinsreagibel ist, bei hohen Zinsen so gering wie moglich halten und eine Vermogensanlage in Wertpapieren vorziehen.
Rei einem vergleichsweise geringen Zins erwarten andererseits viele Wirtschaftssubjekte keine weitere Zinssenkung mehr, sondern rechnen mit konstanten, eher aber wieder steigenden Zinsen. Festverzinsliche Wertpapiere haben bei gerin-
242
gen Zinsen einen hohen Kurswert. Wiirde ein Vennogensbesitzer bei den vergleichsweise geringen Zinsen Wertpapiere kaufen, so hatte er nur einen geringen, laufenden Zinsertrag und im iibrigen das Risiko, daB mit steigenden Zinsen der Kurswert der Wertpapiere fallt, so daB bei einem Verkauf der Wertpapiere vor deren Fiilligkeit ein Wertverlust eintreten wiirde. Bei dem geringen Zins spricht mithin vieles dafiir, keine festverzinslichen Wertpapiere als Vermogensanlageform zu wahlen, sondern Geld zu halten und dieses erst dann anzulegen, wenn die Zinsen wieder gestiegen sind. Bei einem geringen Zinsniveau wird daher das Volumen der zinsabhangigen Geldnachfrage groB sein.
In der keynesianischen Literatur findet man in diesem Zusammenhang zumeist liingere Ausfiihrungen zu einem Phanomen, das noch niemand beobachtet hat und das auch der angebliche Vater des Konzepts, 1.M. Keynes, in seiner konkreten wirtschaftlichen Umwelt nicht beobachten konnte. Es ist die Rede von der sogenannten Liquiditatsfalle, die bei einem geringen Zins grafisch zu einem horizontalen Verlauf der Ls-Funktion in Abb. 61 fUhren wiirde. Gedanklich konnte man die Liquiditiitsfalle damit begriinden, daB bei einem geringen Zinsniveau Wertpapieranlagen vollig unrentabel bzw. zu risikoreich wiirden, so daB die Wirtschaftssubjekte nur noch Geld als Vennogensanlage hielten. Diese gedankliche Konstruktion ist unter anderem deshalb nicht beobachtbar, weil es zu Geld auBer den von Keynes als einzige Alternative unterstellten festverzinslichen Wertpapieren weitere ertragbringende Substitute gibt, auf die selbst bei geringen Zinsen immer noch ausgewichen werden wird. 1m iibrigen widerspricht es ganz generell dem beobachtbaren menschlichen Verhalten, das sich immer in Abwiigungsprozessen und Substitutionsprozessen niederschliigt, daB Nachfragebeziehungen zu einem unendlich starren oder unendlich elastischen Verhalten fiihren. Die von der keynesianischen Literatur unterstellte Liquiditiitsfalle ist gleichbedeutend mit einer unendlichen Elastizitat der Geldnachfrage. Dies mag als gedankliche Hilfe fUr eine Extremposition dienlich sein, sollte jedoch von vornherein nicht Erwiigung gezogen werden, wenn es urn beobachtbare wirtschaftliche Gegebenheiten oder urn wirtschaftspolitische Empfehlungen geht. Gleichwohl sind in der keynesianischen Literatur viele wirtschaftspolitische SchluBfolgerungen anzutreffen, die ausschlieBlich auf der Annahme einer Liquiditatsfalle beruhen. Ihnen ist von vornherein jeglicher Bezug zu beobachtbaren wirtschaftlichen Gegebenheiten abzusprechen.
10.3.4 Die gesamtwirtschaftliche Geldnachfrage
Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Geld ist nach aHem positiv einkommensabhiingig und negativ mit dem Zinsniveau verbunden. Diese beiden gewichtigsten Einfliisse sind hier unabhiingig voneinander beleuchtet und erortert worden, wobei zum Teil der Vorgehensweise von Keynes gefolgt wurde, der die Geldnachfrage drei separaten Teilmotiven zuordnet: dem Transaktionsmotiv, dem Vorsichtsmotiv und dem Spekulationsmotiv. Eine soleh strikte Trennung der Motive fUr die Geldnachfrage ist zwar hilfreich, urn unterschiedliche wirtschaftliche
243
Einfltisse zu erfassen, darf jedoch nicht davon ablenken, daB die Einfltisse auf die Geldnachfrage tatsachlich gleichzeitig wirken und insoweit eine jeweils gegenseitige Abhangigkeit der Geldnachfragemotive vorliegt.
Die gesamtwirtschaftliche Geldnachfrage L solI nun in Abb. 62 zusammengefaBt werden, wobei sie vereinfachend als Summe der beiden Nachfragekomponenten LT und Ls dargestellt wird, d.h.:
L = LT + Ls ,bzw.
L = L(Y, i) .
Die gesamtwirtschaftliche Geldnachfrage weist nach unseren Uberlegungen eine durchgangig negative Zinsabhangigkeit auf und verschiebt sich mit steigenden Einkommenswerten in der Abbildung nach rechts, womit die mit steigendem Einkommen hoheren Nachfragemengen zur Abwicklung der laufenden Transaktionen oder Umsatze zum Ausdruck kommen. Mit den beiden Nachfragefunktionen Lo und LJ sind die gesamtwirtschaftlichen Geldnachfragen beim geringeren Einkommensniveau Yo und beim hoheren Einkommensniveau Y J veranschaulicht.
L
Abb. 62: Gesamtwirtschaftliche Geldnachfragefunktion
AbschlieBend sei noch der Hinweis gegeben, daB tiber die seit vielen Jahren festzustellenden Neuerungen bei den Anlageformen fUr geldnahe Forderungen und durch die weitgehende Offenheit der internationalen Kapitalmarkte die Substitutionsprozesse zwischen Geld und geldnahen Aktiva generell zugenommen haben. Dies beeinfluOt vomehmlich die Neigung oder die Elastizitat der gesamtwirtschaftIichen Geldnachfrage und hat tiber dies en Weg auch Einfluf3 auf die Wirksamkeit geldpolitischer Maf3nahmen, ohne diese jedoch prinzipiell in Frage zu stellen.
244
10.4 Das Angebot an Geld
10.4.1 Entstehung von Zentralbankgeld
In unserem Geldsystem gibt es nicht nur eine Geldart und einen Geldanbieter. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Geldes werden vielmehr von unterschiedlichen Geldanbietern fUr ihre Angebotsprozesse genutzt. Mit der von der Rechtsordnung bewirkten Hervorhebung und der Sonderstellung der Zentralbank als Anbieterin des gesetzlichen Zahlungsmittels, des Basisgeldes, kommt es aber zu Abhiingigkeiten aller Geldangebotsprozesse von der Geldbasis und somit allgemein der Angebotsprozesse untereinander. Es ist deshalb von besonderer Bedeutung, wie Zentralbankgeld in Umlauf kommt, bzw. wie es angeboten wird und nach welchen Kriterien und wirtschaftlichen Abhangigkeiten sich Umfang und Veranderung der angebotenen Zentralbankgeldmenge ergeben.
Die Entstehung von Zentralbankgeld oder die Ausgabe von Zentralbankgeld durch die dafiir zustandige Institution, fiiiher die Deutsche Bundesbank und heute der Europaische Zentralbank, kann prinzipiell auf dreierlei Weisen erfolgen. Aile drei Vorgehensweisen waren und sind beobachtbar: (1) Die einfachste Moglichkeit der Geldausgabe besteht darin, das Zentral
bankgeld den Wirtschaftssubjekten als Geschenk zur Verfiigung zu stell en, ihnen mithin bestimmte Mengen an Nominalwert von Papiergeld zu iibergeben. Diese Ausgabeart kann durch Verwendung spezieller Kriterien gleichmaBig oder nachprufbar gestaltet werden. So wurde beispielsweise im Jahr 1948 die Deutsche Mark unter anderem dadurch eingefiihrt, daB jeder Bewohner der damaJigen drei Westzonen ein Kopfgeld von zunachst 40,-- DM (am 20. Juni 1948) und von weiteren 20,-- DM (im August/September 1948) ausgehandigt bekam. 1m iibrigen erhielten Offentliche Kassen, Bahn und Post sowie aile Arbeitgeber ebenfalls eine Erstausstattung als DM-Guthaben bei ihren Banken, so z.B. die Arbeitgeber 60,-- DM je Beschaftigten. Selbst wenn fUr das Kopfgeld in DM im gleichen Nominalwert Reichsmark abzuliefem waren, handelte es sich okonomisch nicht urn einen Tausch, sondem urn ein einseitiges Geschenk' da die Reichsmark mit der Wahrungsurnstellung auf DM weitgehend wertlos geworden war.
Eine okonomisch entsprechend zu bewertende Geldausgabe erfolgte im Zusammenhang mit der deutschen Wahrungsunion zum 1. Juli 1990 und der Einfiihrung der DM im Gebiet der damaligen DDR. Den Wirtschaftssubjekten in der DDR wurden die auf Mark der DDR lautenden Guthaben auf Konten bei Geldinstituten in Deutsche Mark umgetauscht (Barbestande waren zuvor einzuzahlen). Der allgemeine Umstellungssatz betrug 1 DM fUr 2 Mark der DDR. Natiirlichen Personen wurde ein bevorzugter Umstellungssatz von 1 : 1 bis zu bestimmten Hochstgrenzen eingeraurnt. Dieser Umtausch ist wiederum als Ausgabe von Zentralbankgeld auf dem Wege als Geschenk zu werten, da die Kontenbestande in Mark der DDR lediglich den MaBstab fUr die zuzuteilenden
245
DM-Betrage abgaben und ansonsten mit der Wahrungsunion wertlos geworden waren.
Bei der Ausgabe von Zentralbankgeld als Geschenk ergibt sich allerdings kein festgelegtes Verfahren, wie im Rahmen der Zentralbankbilanz die Gegenbuchung zu gestalten ist. Eine Ausgabe von Zentralbankgeld stellt in der Zentralbankbilanz einen Passivposten, d.h. eine Verbindlichkeit dar. In gleicher Hohe miissen buchungstechnisch Aktivposten, Vermogensbestande oder Forderungen entstehen. In der Zentralbankbilanz muB der GeldschOpfungsvorgang in jedem Fall doppelt gebucht werden:
Zentralbankbilanz Aktiva
Zunahme der Aktiva = Wert des als Geschenk ausgege
benen Zentralbankgeldes
Passiva Zunahme der Pass iva
aus der Ausgabe von Zentralbankgeld
1m Zusammenhang mit der Wahrungsreform 1948 wurden dabei sogenannte Ausgleichsforderungen gebildet, die zum Teil als Aktivposten in der Bundesbankbilanz in Erscheinung treten. Die mit der Wahrungsunion 1990 rechentechnisch entstandenen Ausgleichsforderungen sind in der Bundesbankbilanz nicht direkt erkennbar. Schuldner der Umstellungsdifferenz aus dem Umtauschvorgang von Mark der DDR in DM ist vielmehr der Kreditabwicklungsfond geworden, dessen Schuldtitel die Banken in Form marktmaJ3ig verzinster Wertpapiere iibemommen haben.
Obwohl die Ausgabe von Geld in Form eines Geschenkes eine relativ einfache Moglichkeit darstellt, die Volkswirtschaft mit Basisgeld oder Zentralbankgeld zu versorgen, wird diese Methode nicht allzu haufig angewandt, weil sie wohl mit nachfolgenden kritischen Einwanden zu rechnen hat, die eine dauerhafte Geldversorgung einer Volkswirtschaft auf diesem Weg erschweren. Die Ausgabe von Zentralbankgeld als Geschenk macht jedermann offenkundig, daD ein heutiges Papiergeldsystem keine irgendwie geartete Deckung benotigt und daB damit die Werthaltigkeit des Geldes nicht aus dem System selbst folgt. Die jederzeit bestehende beliebige Gestaltungsfreiheit in einem Papiergeldsystem kann und mu/3 nicht immer nur am Ziel der Aufrechterhaltung der Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes orientiert sein. Ein Papiergeldsystem laBt sich prinzipiell fUr jedes andere politische oder wirtschaftspolitische Ziel einsetzen, auch wenn es unter Umstanden hierzu nur kurzfristig dienen kann. Ein Geldsystem, das auf dem Weg der Ausgabe als Geschenk zustande kommt, wird es von vornherein besonders schwer haben, das Vertrauen zu erwerben, das fUr ein allgemein anerkanntes Tauschmittel erforderlich ist, welches zugleich auch als Wertaufbewahrungsmittel dienen solI. Dies liegt nicht nur daran, daB den buchungstechnischen Gegenpositionen die Werthaltigkeit fehlt, sondem auch daran, daB diese Entstehungsart des Geldes nicht dem entspricht, was sich viele Wirtschaftssubjekte unter seriosem Bank-
246
geschiift vorstellen. Es fehlen mithin die banktechnischen Voraussetzungen dafiir, daB dieser Weg das Vertrauen in eine Wahrung sicherstellt. Daher beschrankt sich die Ausgabe von Geld als Geschenk auf Ausnahmesituationen.
(2) Eine zweite Moglichkeit der Schaffung und Ausgabe von Zentralbankgeld besteht darin, daB die Zentralbank Guter ankauft und diese mit ihrem selbstgeschaffenen Papiergeld bezahlt. Dies setzt allerdings ein bereits vorhandenes Vertrauen in die Geldeigenschaften des von der Zentralbank als Tauschmittel benutzten Geldes voraus. Yom Grundsatz her gibt es dabei keine Einschrankung auf spezifische Gilter, die die Zentralbank gegen ihr eigenes Geld erwirbt. Es hat sich aber vielfach als ublich erwiesen, daB Zentralbanken in erster Linie Aktiva, d.h. Vermogensbestandteile in Form von Gold, Devisen oder entsprechende Rechte (z.B. Sonderziehungsrechte) gegen nationales Zentralbankgeld ankaufen.
Soweit sich die jeweiligen Tauschpartner zu dem Verkauf von Gold und Devisen gegen das Papiergeld der Zentralbank bereit finden, sind damit wesentliche offene Fragen der Geldmengenschopfung und deren banktechnische Abwicklung geklart. Die Bereitschaft zum Verkauf von Gold oder Devisen gegen das Papiergeld einer Zentralbank wird in aller Regel eine Begrenzung aufweisen, wei! Gold und Devisen sieh in anderen, auch intemationalen Tauschhandlungen als werthaItig erweisen. Die Tauschpartner der Zentralbank werden daher nur solches Zentralbankgeld und nur in solchen Mengen akzeptieren, soweit sie sich dadurch wirtschaftlich nieht schlechter stellen. Eine Zentralbank, die Gold und Devisen gegen von ihr geschaffenes Papiergeld erwirbt, muB daher Sorge dafiir tragen, daB das von ihr ausgegebene Zentralbankgeld ebenso werthaltig ist wie die angekauften Aktiva. Daraus ergibt sich zwar keine absolute wohl aber eine relative Begrenzung fUr die Schaffung von Zentralbankgeld durch eine Zentralbank.
1m ilbrigen fallt beim Erwerb von Giltem und der damit verbundenen Ausgabe von Zentralbankgeld gewissermaBen automatisch und leicht nachvollziehbar die bank- und buchungstechnische Abwicklung in der Zentralbankbi!anz an. Die Zentralbank erwirbt Aktiva und gibt im Gegenzug Passiva in Form von Zentralbankgeld aus. Die Zentralbankbilanz verlangert sich entsprechend:
Zentralbankbilanz Aktiva Passiva
Zunahme der Aktiva aus dem Er- Zunahme der Passiva aus der werb von Gold und Devisen Ausgabe von Zentralbankgeld
Der Vorgang der Ausgabe oder Schaffung von Zentralbankgeld durch den Erwerb von Aktiva kann selbstverstandlich auch leicht umgekehrt werden. Durch den Verkauf von Gold oder Devisen seitens der Zentralbank gegen eigene Wiihrung flieBt an sie Zentralbankgeld zurUck. Es ist dem volkswirtschaftlichen ProzeB entzogen, weshalb man auch von Zentralbankgeldvernichtung spricht.
247
Ein dem Tausch vergleichbarer Modus fiir die Entstehung von Zentralbankgeld ist auch bei der EinfUhrung des Euro im VerhaItnis zu den fiiiheren nationalen Wahrungen des Euro-Raums angewandt worden. Aus Sieht der Wirtschaftssubjekte ist es allerdings ein reiner Umtausch, und auch die nationalen Zentralbanken haben den UmtauschprozeB nieht rur eine Schaffung von zusatzlichem Zentralbankgeld vorgesehen.
(3) Die dritte Moglichkeit der Zentralbankgeldschaffung liegt in der Vergabe von Krediten durch die Zentralbank. Hierbei raumt die Zentralbank einem Kreditnehmer einen Kredit ein und stellt die Kreditsumme in Form ihres eigenen Zentralbankgeldes zur Verrugung. Die Zentralbanken gewahren die Kredite meist nicht dem allgemeinen Publikum. Sie beschranken sich vielmehr auf die Geschaftsbanken als Kreditnehmer.
Gewabrt die Zentralbank einen Kredit, so schlagt sich dies in ihrer Bilanz als Bilanzverlangerung nieder:
Zentralbankbilanz Aktiva Passiva
Zunahme an F orderungen Zunahme an Zentralbankgeld
Die Europaische Zentralbank benutzt wie friiher die Bundesbank und auch andere Zentralbanken fUr die Kreditvergabe an Geschaftsbanken spezifische banktechnische Vorgehensweisen und Instrumente, die im Abschnitt 10.6 noch naher erlautert werden. Ein Zentralbankkredit an Geschaftsbanken ist beispielsweise kein Blankokredit, und er wird zudem nur auf relativ begrenzte Zeit eingeraumt. Die mit der Kreditvergabe geschaffene Zentralbankgeldmenge steht somit dem Kreditnehmer nur fiir die begrenzte Kreditlaufzeit zur Verrugung. Bei Falligkeit des Kredits kommt es automatisch zu einer Zentralbankgeldvemichtung und einer Bilanzverkiirzung der Zentralbank. Der Geldschopfungsproze6 mittels Krediten der Zentralbank ist insoweit immer an einen Geldvernichtungsproze8 gekoppelt. Damit hat die Zentralbank eine flexible Moglichkeit, auf das Volumen der umlaufenden Zentralbankgeldmenge einzuwirken.
10.4.2 Die Geldschopfung der Geschaftsbanken
Der Geldangebotsproze6 in einer Volkswirtschaft wird nun aber nicht ausschlie61ich von der Zentralbank beeinflu6t. Die Zentralbank bestimmt zwar weitestgehend das Volumen der von ihr ausgegebenen Zentralbankgeldmenge. Die Geschiiftsbanken und die Nichtbanken (private und offentliche Haushalte, Untemehmen und das Ausland) wirken aber mit ihren Zahlungsgewohnheiten und ihrem zins- und erwartungsabhangigen Anlageverhalten zusatzlich auf den Geldangebotsproze8 ein. Aus einer jeweiligen Zentralbankgeldmenge entsteht somit nicht mechanisch bzw. automatisch die gleiche volkswirtschaftliehe Geldmenge, die beispielsweise mit den GroBen M 1 bis M3 erfafibar ist. Geschaftsbanken und
248
Nichtbanken werden vielmehr zwischen Geld und den Geldsubstituten jeweils die Kombination wahlen, die ihnen in Abhangigkeit von Ertragen und Tauschmittelbedarf am gUnstigsten erscheint. Gleichwohl existiert ein enger, nicht vollig beliebiger Zusammenhang zwischen der in einer Volkswirtschaft vorhandenen Zentralbankgeldmenge und den weiteren Geldmengengro6en.
Der Zusammenhang zwischen der Zentralbankgeldmenge und den volkswirtschaftlichen GeldmengengroBen MI bis M3 ist durch wenige, ausgewahlte wirtschaftliche Einflusse erfaBbar. Er stellt sich durch eine multiplikative Beziehung dar und wird durch den GeldschOpfungsmultiplikator bzw. erweiterte Geldmultiplikatoren beschrieben. Der Geldschopfungsmultiplikator ist der numerische Wert, urn den das Bankensystem eine jeweilige Zentralbankgeldmenge urn Gescbaftsbankengeld vergroBem kann. Das von den Geschaftsbanken geschaffene Buchgeld ist mit anderen Worten ein multiplikatives Vielfaches des Zentralbankgeldes oder Basisgeldes.
Wenn eine Gescbaftsbank A beispielsweise durch eine Bareinzahlung eines Kunden 1.000 Euro in Banknoten oder Zentralbankgeld erhalten hat, so wird sie nach ihrer Erfahrung des Kundenverhaltens davon ausgehen konnen, daB eine Einzahlung nur dann erfolgt, wenn der Kunde den Betrag nicht umgehend und vollstandig wieder abhebt, sondem rur einige Zeit bei der Bank belaBt. Er wird allerdings nach einiger Zeit uber Teile des eingezahlten Betrages verrugen, z.B. durch Schecks oder Uberweisungen oder durch Barabhebungen. Dem muB die Bank Rechnung tragen, dadurch daB sie von dem eingezahlten Betrag eine Reserve bildet, mit der die Verrugungen des Kunden abgewickelt werden konnen. Die Reserve wird aber nicht in vollstandiger Rohe des eingezahlten Betrages erforderlich sein, sondern lediglich einen Bruchteil davon ausmachen, wei I die Bank uber die Zeit hin auch mit weiteren Einzahlungen anderer Kunden rechnen kann.
Den als Reserve zu haltenden Bruchteil der ersten Einzahlung wird die Bank nach ihrer Erfahrung des Kundenverhaltens einschatzen konnen. Wir unterstellen der Einfachheit halber einen Reservesatz von 25 %, den die Bank fur die Verfugungen zurUckbehalt. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis angebracht, daB die MFIs verpflichtet sind, bei der Europaischen Zentralbank eine Mindestreserve auf ihre liquiden Einlagen zu unterhalten. Die bankubliche Reservehaltung zur Aufrechterhaltung der Liquiditat der Bank und die geldpolitische Verpflichtung uberschneiden sich ins owe it.
Die Ausgangssituation laBt sich anhand der Bilanz der Geschaftsbank A darstellen:
Aktiva Zentralbankgeld (UberschuBreserve) Reserve (u.a.
Mindestreserve)
Geschaftsbank A Passiva
750 Verbindlichkeiten 1000
250
249
Der Teil des eingezahlten Betrages an Zentralbankgeld, den die Bank A nieht fUr ihre Reservehaltung benOtigt, hier 75% von 1.000 Euro oder 750 Euro, wird als UberschuOreserve bezeichnet. Er steht ihr fiir eine verzinsliehe Anlage zur Verrugung. Die Bank A wird mithin in Hohe von 750 Euro einen Kredit vergeben. In Hohe des Kreditbetrages wird Geschiftsbankengeld neu geschaffen. Wenn der Kreditbetrag dem Kreditnehmer sofort ins SolI gestellt wird, d.h. im AusmaB des Kredits gleieh eine Verbindliehkeit ausgewiesen wird, sehliigt sieh der V organg in einer Bilanzverlingerung der Geschaftsbank A urn folgende Positionen nieder:
Geschiftsbank A Aktiva Passiva
Kredit = Forderungen 750 Verbindliehkeiten 750
Der Kreditnehmer bei der Bank A nimmt in aller Regel den Kredit nur auf, wenn er damit eine Forderung bezahlen moB. Es wird daher unterstellt, daB der Kreditnehmer bei der Bank A den Kreditbetrag von 750 Euro auf ein Konto bei der Bank B tiberweist oder einzahlt, weil sein Glaubiger dort eine Kontoverbindung unterhiilt. FUr die Bank B bedeutet dies in jedem Fall einen ZufluB an Zentralbankgeld und einen Zuwaehs an Kundeneinlagen oder, aus Sieht der Bank B, an Verbindliehkeiten. Die Bank B sieht sieh nun wiederum in der Situation, daB sie fUr die erhOhte Einlage eine Reserve unterhalten moB, die aueh bei ihr mit 25 % angenommen sei. Die Bank B wird daher 25 % von 750 Euro oder 187,50 Euro als Reserve (u.a. in Form der Mindestreserve) unterhalten. Der Rest der Einlage, hier 75 % von 750 Euro oder 562,50 Euro stehen ihr als OberschoBreserve emeut fUr die Vergabe eines Kredits zur VerfUgung.
Aus Sieht der Bank B ergibt sieh somit als Ausgangssituation folgende Bilanz:
Aktiva Zentralbankgeld
(ObersehoBreserve) Reserve (u.a.
Mindestreserve)
Gescbaftsbank B Passiva
562,50 Verbindlichkeiten 750
187,50
Auf dieser Grundlage kann die Geschaftsbank B einen Kredit vergeben. Sie sehOpft dabei die ObersehuBreserve vollstandig aus und schafft damit ihrerseits Geschaftsbankengeld. Dies sehlagt sieh in einer Bilanzverlangerung nieder:
Geschiftsbank B Aktiva Passiva
Kredit = Forderungen 562,50 Verbindliehkeiten 562,50
250
Der Kredit der Bank B wird ebenfalls zur Begleichung einer Forderung aufgenommen, wobei unterstellt sein solI, daB der Kreditnehmer bei der Bank B den Kreditbetrag zur Bank C iiberweist, weil dort eine Kontoverbindung seines GUiubigers besteht. Hierdurch beginnt eine weitere Runde in dem ProzeB der Buchgeldscbiipfung durch das Geschiiftsbankensystem. Die Bank Chat durch die Uberweisung des Betrages von 526,50 Euro auf einer ihrer Kundenkonten eine erMhte Einlage in Form von Zentralbankgeld. Sie wird wie die anderen Banken die hier unterstellten 25 % als Reserve halten, d.h. sie halt 25 % von 526,50 Euro oder 131,63 Euro als Reserve. Der Restbetrag von 394,87 Euro steht ihr als OberschuBreserve zur Kreditvergabe und damit zur Schaffimg von Geschiiftsbankengeld zur VerfUgung. Der ProzeO der muItiplen Geldscbiipfung durch die Geschiiftsbanken wird so lange fortgesetzt, bis die gesamte erstmals entstandene UberschuOreserve zu tatsiichlicher Reserve geworden ist.
Dies liiBt sich allgemein wie folgt fassen. Die Entstehung von Geschiiftsbankengeld entspricht beim hier unterstellten allgemeinen Reservesatz r von 25 % oder
von r = ! einer Summe, die ausgehend von der erstmaligen Entstehung der Uber-4
schuBreserve OR durch eine Summe der GeschaftsbankengeldscMpfung, d.h. :E D, dargestellt werden kann:
Summe der GeschiiftsbankengeldscMpfung = Summe der zusiitzlichen durch die Geschaftsbanken vergebenen Kredite oder
:E D = OR + (1 - r)OR + (1 - r)(1 - r)OR + ... + (1 - r)nOR + ... + (1 - r)"'UR,
oder mit den konkreten Zahlenwerten:
1 1 1 1 ." :E D = 750 + (1 -- )750 + (1-- )(1 -- )750 + ... + (1--) 750
4 4 4 4
= 750 + 526,50 + 394,87 + .... + 0 .
Der Wert dieser unendlichen geometrischen Reihe ist:
1: D = :E (1 - r)n OR = 1 OR = 4· OR = 4· 750 = 3.000. 1-(1-r)
Die Schaffimg von Geschiiftsbankengeld entspricht bei dem hier angenommenen Reservesatz r von 25 % oder einem Viertel dem Vierfachen der zuniichst entstandenen OberschuBreserve. Der GeldscMpfungsmultiplikator fUr das auf der Basis von Zentralbankgeld geschaffene Geschiiftsbankengeld betriigt mithin 4.
Das AusmaB, in dem die Geschiiftsbanken Buchgeld schaff en konnen und damit der Wert des GeldscbiipfungsmuItiplikators, ist von der Reservehaltung abhiingig, wobei die Reservehaltung sich zuniichst (als Prozentsatz r) auf die Einlagen bezieht, die den Banken zuflieBen. Die Hohe der ReservehaItung als
251
Prozentsatz wird nun ihrerseits davon beeinflu8t, wie die Zahlungsgewohnheiten der Nichtbanken aussehen. Dabei spielt es eine Rolle, in welchem Umfang die Nichtbanken in barer Form tiber die Einlagen verfUgen, welche Zeitraume sie verstreichen lassen, ehe sie solche VerfUgung treffen, d.h. wie lange das eingezahlte Geld den Banken zur "freien" VerfUgung steht, und schliel3lich welche Form der Einlage die Nichtbanken wahlen, wobei die Rohe der Zinsen und die allgemeinen wirtschaftlichen Erwartungen die Anlageform und die Neigung beeinflussen, zwischen unterschiedlichen Anlagearten zu substituieren. Damit ergibt sich insgesamt, daB das VerhaIten der Nichtbanken fiber ihre Gelddispositionen von den Geschaftsbanken zu beachten ist und einen wesentlichen Einflu8 auf die Rohe der Reservehaltung und die empirische GroBe von r austibt.
Die ReservehaItung hangt daneben davon ab, wie leicht es den Banken im Zweifel fallt, sich im gesamten System der Geschaftsbanken mit Zentralbankgeld, das sie nicht selbst schaffen konnen, zu versorgen, urn bei Geldabfltissen liquide zu bleiben. Auf dem Geldmarkt findet dieser Ausgleich zwischen den Geschaftsbanken start, d.h. dort werden die Liquiditatsengpasse und Liquiditatsspitzen zwischen den Geschaftsbanken tiber den Geldhandel im wesentlichen ausgeglichen. Der Geldmarkt ist nun aber keinesfalls gleichmaBig in der Lage, diesen Saldenausgleich herbeizufUhren, sondem er weist saisonale und konjunkturelle Ausschlage auf, was sich unter anderem in der Rohe des Geldmarktzinses niederschlagt. Die Geschaftsbanken werden deshalb bei ihrer Reservehaltung auf die Geldmarktkonditionen achten, so daB sie in Abhangigkeit von den Zins- und Liquiditatsbedingungen auf dem Geldmarkt ihre ReservehaItung festsetzen oder anpassen mtissen.
Die Reservehaltung der Geschaftsbanken fUr ihre Einlagen Mnnte auch eine Abhangigkeit von der Rohe der bei der Europaischen Zentralbank zu unterhaltenden Mindestreserven haben. Der EinfluB der Mindestreserven war beispielsweise in friiheren Jahren im Rahmen der Geldpolitik der Bundesbank bis Ende der 70er Jahre von Bedeutung. Zwischenzeitlich sind die Mindestreserven aber eher von geringem Einflu8, da die Europaische Zentralbank die Reservesatze auf ein geringes Niveau festgesetzt hat. 1m tibrigen beabsichtigt sie nicht, Anderungen des Mindestreservesatzes als wesentliches geldpolitisches Instrument einzusetzen.
Die zentralen Einfliisse auf die ReservehaItung gehen daher aus yom VerhaIten der Nichtbanken und yom VerhaIten der Geschaftsbanken in Verbindung mit den Geldmarktbedingungen. Es bleibt allerdings noch der Hinweis, daB die Banken ihre Reservehaltung in aller Regel nicht in Form von Bargeldbestanden vomehmen, sondem ihrerseits die Reserve selbst wieder in verzinslicher, aber liquider oder disponibler Form unterhalten werden.
Das hier betrachtete Geldangebot wird mithin einerseits gepragt von der Zentralbank und deren geldpolitischen Vorstellungen. Den GeldangebotsprozeB fUr Zentralbankgeld steuert sie hierbei vomehmlich tiber die geldpolitischen Instrumente, die im Abschnirt 10.6 erlautert werden. Andererseits wirken die Nichtbanken und das Geschaftsbankensystem mit ihren Zahlungsgewohnheiten und ihrem
252
Anlageverhalten auf die GeldscMpfungsmultiplikatoren ein, mit denen der Zusammenhang zwischen volkswirtschaftlichen GeldmengengroBen und der Zentralbankgeldmenge zum Ausdruck kommt. Die Zentralbank entscheidet daher nicht vollig autonom tiber das Geldangebot. AIle anderen Marktteilnehmer sind durch ihr okonomisches Verhalten ebenfalls am GeldangebotsprozeB beteiligt, auch wenn sie dabei im Unterschied zur Zentralbank nur in geringerem MaBe durch bewuBte Einzelaktionen auf die Entwicklung der GeldgroBen EinfluB nehmen konnen.
10.5 Das Geldmarktgleichgewicht
10.5.1 Zusammentreffen von Geldnachfrage und Geldangebot auf dem Geldmarkt
Auf dem Geldmarkt treffen Nachfrage nach und Angebot an Geld zusammen. Dabei ergibt sich im Fall eines exogen festliegenden Geldangebots das in Abb. 63 dargestellte Bild.
io
M
P L,M
Abb. 63: Geldmarktgleichgewicht bei exogenem Geldangebot
Die in Abb. 63 enthaltene Geldnachfragefunktion L(y, i) entspricht einer gesamtwirtschaftlichen Geldnachfragefunktion, wie sie beispielsweise in Abb. 62 enthalten ist. Die Geldnachfrage driickt aus, welche unterschiedlichen realen Geldmengen die Wirtschaftssubjekte bei altemativen realen Zinsen zu halten wUnschen. Die Verlaufsform der Geldnachfragefunktion ist durch die Liquiditatspraferenz geprligt, wonach bei einem hoheren realen Zins die reale Geldnachfrage u.a. wegen der Mheren Opportunitatskosten der Geldnachhaltung geringer ausfiiIlt und bei einem niedrigen Zins dem Volumen nach ausgeweitet wird.
Die Geldangebotsfunktion ist in Abb. 63 als exogen unterstellt worden. Damit solI zum Ausdruck gebracht werden, daB die volkswirtschaftliche Geld-
253
menge M, die immer eine nominale GroBe darstellt und daher zunachst durch eine Preisbereinigung zur realen Geldangebotsmenge zu transformieren ist, dadurch daB M durch das Preisniveau P dividiert wird, zunaehst unabhangig vom realen Zinsniveau sein konnte. Unter dieser Annahme verlauft die Geldangebotsfunktion beim
Realwert der nominalen Geldmenge M, d.h. bei M, vertikal nach oben. p
Der SChnittpunkt von Geldnachfrage und Geldangebot legt das reale Zinsniveau io fest, bei dem der Geldmarkt im Gleiehgewieht ist.
Diese Betrachtung des Geldmarktgleiehgewichts in Abb. 63 beruht auf Uberaus groben Vereinfaehungen. Zumindest zwei dieser Vereinfaehungen sind bewuBt in Frage zu stellen. (I) Das Geldangebot in einer Volkswirtsehaft ergibt sieh, wie oben in 10.4 ausge
fiihrt wurde, nicht nur dureh eine exogene Festlegung der nomine lien Geldmenge M beispielsweise seitens der Zentralbank. Das Geldangebot wird in seiner Dimension als Tauschmittel immer bestimmt durch das Verhalten der Wirtsehaftssubjekte, das sich in ihren Zahlungsgewohnheiten und in ihrer Substitutionsbereitschaft zwischen den Geldarten und den Geldsubstituten niederschlagt. Die GroBe des Geldsehiipfungsmultiplikators und damit der Umfang des Buchgelds ist von dem Verhalten der Wirtsehaftssubjekte abhiingig und unterIiegt seinerseits vielfaltigsten EinflUssen, die insbesondere von Erwartungen Uber die Entwieklung der kUnftigen Wirtschaftstatigkeit im allgemeinen und der Zinssatze fur alternative Anlagen im besonderen abhangen. Dieses Verhalten kann im Zusammenwirken mit den Gesehaftsbanken dazu fuhren, daB bei steigenden Zinssatzen eine gegebene Zentralbankgeldmenge intensiver zur Buchgeldsehaffung benutzt wird. Die Geldangebotsfunktion in Abb. 63 wlirde dann nicht vertikal, sondern nach rechts ansteigend verIaufen.
(2) Die Annahme des exogenen Geldangebots in Abb. 63 ist daruber hinaus insoweit unzutreffend als die reale Geldmenge in der Volkswirtschaft nieht einzig und allein dureh die Zentralbank und das Bankensystem bestimmt wird, sondern sich wiederum in Abhangigkeit yom wirtsehaftlichen Verhalten der Teilnehmer der Volkswirtschaft auf allen Markten, insbesondere denen fur GUter ergibt. Denn auf den GUtermarkten bilden sich die Preise heraus, die ihrerseits erst Grundlage fur das Errechnen eines Preisniveaus P sind. Ein exogenes reales Geldangebot laBt sieh nur bei einem engen Rahmen an okonomischen Verhaltensweisen unterstellen, die man nieht genereII untersteIIen kann. Es dUrfte am ehesten fur eine Vergangenheitsperiode feststellbar sein und sich keinesfalls als in der kurzen Frist einfach zu realisierende Planungs- oder ZielgroBe erweisen.
Diese grundsatzlichen Anmerkungen machen die Darstellung eines Geldmarktgleichgewichts nicht unmoglieh, sollten aber gleichwohl zeigen, daB es im makrookonomischen Zusammenhang immer schwer fallt, ein isoliertes Gleiehgewicht ohne dessen Einbindung in die Interdependenz anderer gesamtwirtschaftlieher Markte konsistent zu beschreiben.
254
10.5.2 Die LM-Kurve
Das Geldmarktgleichgewicht hat sich in Abb. 63 in einem Schnittpunkt zwischen Geldnachfrage und Geldangebot veranschaulichen lassen. Es wurden dafUr nicht nur ein gegebenes Geldangebot in Form einer gegebenen nominellen Geldmenge M zusammen mit einem gegebenen Anlage- und Substitutionsverhalten zwischen den Geldarten untersteIlt, sondern auch mit der gegebenen Geldnachfrage L ein bestimmtes Einkommensniveau Y angenommen, das zu der damit verbundenen realen Geldnachfrage fiihrt.
In Analogie zur IS-Kurve als der Giitermarktgleichgewichtsbeziehung bei alternativen Einkommens- und Zinsniveaus (siehe 8.3 oben) ist es in der Makrookonomik seit Hicks (1937) ublich, auch fUr den Geldmarkt ahnliche Zusammenhange abzuleiten. Als Ausgangspunkt hierfUr eignet sich die Abb. 64.
io
M p
Abb. 64: Alternative Geldmarktgleichgewichte
L,M
In Abb. 64 sind zwei Geldmarktgleichgewichte dargesteIlt, die sich bei einer
gegebenen real en Geldmenge M und alternativen Geldnachfragefunktionen erge-p
ben. Die beiden Geldnachfragefunktionen sollen sich nur dadurch unterscheiden, daB sie die Liquiditatsnachfrage bei einem geringeren Realeinkommensniveau Yo und bei einem hoheren Einkommensniveau Y I aufzeigen. Bei einem hoheren Einkommensniveau fallt die Geldnachfrage in ihrem Volumen groBer aus, weil fUr die Transaktionszwecke mehr liquide Mittel benotigt werden. So lange das reale Geldangebot aber konstant bleibt, fUhrt dies dazu, daB der Geldmarkt bei steigendem Einkommen nur dann im Gleichgewicht ist, wenn zugleich der reale Zins i ansteigt. Dies wird in Abb. 64 dadurch deutlich, daB bei dem geringeren Einkommensniveau Yo das Zinsniveau io gilt und bei dem hoheren Einkommensniveau Y I der Geldmark beim Zinsniveau i l im Gleichgewicht ist.
255
Ubertragt man die derart abgeleiteten Resultate der alternativen Geldmarktgleichgewichte in ein Diagramm, das die unterschiedlichen Zins- und Realeinkommensniveaus verbindet, fur die Geldmarktgleichgewicht herrscht, so resultiert daraus die LM-Kurve, wie sie in Abb. 65 enthalten ist.
y
Abb. 65: LM-Kurve
Die LM-Kurve zeigt, daB bei einem gegebenen realen Geldangebot auf dem Geldmarkt nur dann Gleichgewichte eintreten, wenn steigende reale Einkommensniveaus mit steigenden realen Zinsniveaus einhergehen.
In der Literatur findet man im Zusammenhang mit der LM-Kurve eine FUlle von Uberlegungen, die sich damit beschiiftigen, wie die LM-Kurve durch die Geldpolitik, d.h. eine Zentralbank, in ihrer Lage beeinfluBt, bzw. verschoben werden kann, urn damit beispielsweise expansiv zu wirken und durch ein geringeres Zinsniveau zu einem hOheren Einkommenswert zu gelangen. Dies konnte u.a. dann erreicht werden, wenn sich die LM-Kurve in Abb. 65 nach rechts verschieben lieBe und zudem in einem gemeinsamen Gleichgewicht von Geld- und GUtermarkt eine unveranderte IS-Kurve (s. 8.3) unterstellt wird.
Diese Uberlegungen, die sich vielfach auf das Modell von Hicks (1937) beziehen, der ein gemeinsames Gleichgewicht von Geldmarkt und GUtermarkt in einer Volkswirtschaft mit dem gemeinsamen Schnittpunkt von LM-Kurve und ISKurve veranschaulicht hat, kranken an wesentlichen okonomischen Mangeln. Diese sind vorrangig den beiden nachfolgenden Problembereichen zuzuordnen. (1) Die LM-Kurve ist von der Geldpolitik nicht beliebig in ihrer Lage zu be
einflussen. Denn die Geldpolitik hat keine Verfiigung Uber ein wesentliches Konstruktionselement der LM-Kurve, namlich die reale Geldmenge. Die Geldpolitik kann die nomine lIe Geldmenge beeinflussen, sie ist aber nicht in der Lage, die reale Geldmenge beispielsweise nach ausschlieBlich eigenen Vorstellungen zu vermehren oder zu verringern. Die reale Geldmenge hiingt vielmehr yom Verhalten aller Wirtschaftssubjekte innerhalb und auBerhalb der Volkswirtschaft ab und entsteht durch die Vielzahl der Reaktionen und Verhaltensweisen dieser Wirtschaftssubjekte auf allen gesamtwirtschaftlichen Markten. Vereinfacht ausgedruckt heiBt dies auch, daB die Geldpolitik nicht
256
(beliebig) reales Vermogen in der Volkswirtschaft schaff en oder vemichten kann, dadurch daB sie das Volumen der Geldzeichen, eine simple nomine lIe GroBe, verandert. Verschiebungen der LM-Kurve sind daher nicht mit einfachen geldpolitischen MaBnahmen einer Zentralbank erreichbar.
(2) Das Zusammenffihren der LM-Kurve mit der IS-Kurve in einem gemeinsamen Diagramm mit dem Realeinkommen auf der Abszisse und dem realen Zinsniveau auf der Ordinate ist zwar in vielen Texten seit Hicks iiblich, vernachUissigt aber zumindest den wesentlichen Unterschied bei den fUr den Giitermarkt und den Geldmarkt relevanten ZinsgroOen. Auf dem Geldmarkt werden Entscheidungen vorwiegend von der kurzfristigen GeldmarktzinsgroBe okonomisch beeinfluBt. Auf dem Giitermarkt sind hingegen eher langerfristige Zinsen oder reale Ertragsraten von Bedeutung. Dies sind zwar jeweils Zinsen oder Ertragsraten, aber sie betreffen grundsatzlich andere okonomische Zusammenhange. Die Geldpolitik ist insoweit beispielsweise auch nicht in der Lage, durch Veranderungen der von ihr festzulegenden kurzfristigen Zinsen einen eindeutigen oder vorhersehbaren EinfluB auf die realen Ertragsraten zu erreichen, die fUr das Verhalten der Wirtschaftssubjekte auf dem Giitermarkt entscheidend sind.
Die LM-Kurve ist nach all em nicht mehr als ein mogliches Zwischenergebnis zur Beschreibung der gesamtwirtschaftlichen Geldmarktverhiiltnisse bei ganz spezifischen Ausgangsverhaltnissen, wie einem gegebenen realen Geldangebot. Sie sollte nicht unbedacht mit anderen makrookonomischen Markten verbunden Werden unter der Voraussetzung, daB die anderen Markte wie z.B. der Giitermarkt jeweils isoliert und unabhangig yom Geldmarktgeschehen betrachtet werden konnen. Dies gilt insbesondere auch umgekehrt, denn das Giitermarktgeschehen beeinfluBt unmittelbar die reale Geldnachfrage und das Geldschopfungsverhalten der Geschaftsbanken. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, daB die Zentralbank in der Lage ist, die LM-Kurve durch geldpolitische MaBnahmen in einer feststehenden, voraussehbaren Weise zu verschieben. Soweit eine derartige Annahme in der Literatur dennoch getroffen wird, sind die daraus abgeleiteten wirtschaftspolitischen SchluBfolgerungen in aller Regel von geringer Relevanz.
10.6 Geldpolitik
10.6.1 Zwischenziele und Indikatoren der Geldpolitik
Fiir die Europaische Zentralbank ist das Ziel der Preisstabilitiit ihre erste und zentrale Aufgabe. Insoweit wird die EZB zu priifen haben, wie sie sich diesem Ziel nahem kann, welche Instrumente sie einsetzt und wie sie die Wirkungsweise und das AusmaB eines Instruments zu beurteilen hat, mit dem sie das Ziel anstrebt. Hierbei besteht zunachst die Problematik darin, daB eine direkte EinfluOnahme der Europaischen Zentralbank auf das Ziel Preisstabilitat gar nicht moglich ist. Preise sind bei individuellen Kaufvorgangen vereinbarte Tauschverhaltnisse, die
257
von den Tauschpartnem festgelegt werden und tiber die ausschlieBlich die Tauschpartner im Rahmen offener Markte selbst entscheiden. Es kommt hinzu, daB die Zahl der Tauschvorgange bereits an einem einzigen Tag im Euro-Raum tiberaus groB ist. Selbst die Einflihrung von Kontrollen oder die Durchfiihrung von OberwachungsmaBnahmen konnte nie ltickenlos und vollstandig sein. AuBerdem waren solche Kontrollen viel zu aufwendig und teuer und in jedem Fall mit der marktwirtschaftlichen Grundvorstellung freier und offener Markte unvereinbar.
Fur die Zentralbank gibt es daher nur indirekte Wege, das Ziel der Preisstabilitat anzustreben. Es sind deshalb Zwischenziele herauszufinden, die durch die Instrumente der EZB beeinflu6bar sind. Aber selbst mit der Formulierung eines Zwischenziels, wie z.B. der Geldmenge oder des Geldmengenwachstums, liegen noch nicht unmittelbar die erforderlichen Mittel zur Steuerung des Zwischenziels vor. Die tatsachlich verfligbaren Instrumente, wie die Festsetzung kurzfristiger, nomineller Zinsen muB keinen systematischen Zusammenhang mit irgendeiner ebenfalls noch auszuwahlenden volkswirtschaftlichen Geldmenge haben.
Damit stellt sich das Indikatoren-Problem, d.h. die weitere Frage nach der Auswahl des Indikators, der einen systematischen Zusammenhang mit dem Mitteleinsatz aufweist. Wie wirken sich beispielsweise steigende kurzfristige Zinsen auf das Geldmengenwachstum aus? 1st dieser Zusammenhang stabil und vorhersehbar? Eignet er sich im gUnstigsten Fall immer zur unmittelbaren oder berechenbaren Erreichung des angestrebten Ziels der Preisstabilitat? Indikatoren sollen daher zunachst dazu dienen, Art und Ausma13 der Wirkung des Einsatzes eines geldpolitischen Instruments empirisch erfassen zu konnen. Indikatoren sind noch nicht das Ziel. Gute Indikatoren haben allerdings Zwischenziel-Eigenschaft und stehen in keinem vollig beliebigen Verhaltnis zum angestrebten Ziel. Gute Indikatoren sollten mit me13baren Indikatorenwerten ein feststehendes AusmaB der Zielerreichung erkennen lassen.
Die hier angesprochenen Zusammenhange zwischen geldpolitischem Mittel oder Instrument, dem Indikator (der Ma13groBe flir die feststellbare Wirkung des Instruments), dem Zwischenziel (einer durch Instrumenteneinsatz steuerbaren GroBe) und dem geldpolitischen Ziel (Preisstabilitat) lassen sich durch die fundierte makrookonomische Theorie zumindest ansprechen. Die Wirtschaftstheorie hat aber aktuell kein abgeschlossenes System der Wirkungsweise geldpolitischer Instrumente anzubieten. Welche Zinsfestsetzung der Zentralbank bei welchem weltwirtschaftlichen Umfeld flir welche kurz- oder mittelfristig zu erwartende Inflationsrate die richtige ware, kann insoweit gegenwartig kein wirtschaftstheoretisches Modell zuverlassig beantworten. Einen traditionellen wirtschaftstheoretischen Ansatz, der sich in aller Regel gleichwohl flir langerfristige Zusammenhange als hilfreich erweist und erwiesen hat, wollen wir nachfolgend skizzieren.
10.6.2 Die Quantitatstheorie
In der klassischen NationalOkonomie fmden sich bereits Aussagen tiber grundlegenden Zusammenhange, die fur das Preisniveau bzw. die Preisstabilitat in einer
258
Volkswirtschaft von Bedeutung sind. Diese okonomischen Abhangigkeiten haben danach insbesondere Fisher (19 II), Don Patinkin (1965) und Friedman (1968) niiher untersucht bzw. erIautert.
Ausgangspunkt hierbei ist die mikrookonomische GrundfeststeIIung, daB bei Tauschvorgangen, die mit Geld abgewickelt werden, der Zahlungsbetrag oder Geldbetrag m gleich dem vereinbarten Wert des Tausches oder dem Kaufpreis ist, wobei der Wert des Tausches aus der getauschten Giitermenge x multipliziert mit dem Preis p besteht.
Bei einem konkreten Kauf von einem Kilo Bananen zum Preis von 1,50 Euro gilt daher:
Geldbetrag (1,50 Euro) = Wert des Tausches 1,50 € = 1 Kilo· 1,50 Euro pro Kilo Bananen
oder aIIgemein: m = x·p
Bei einem Einkauf mehrerer Giiter, z.B. im Supermarkt, gilt dieser Zusammenhang weiterhin. Die Gleichheit existiert dabei fUr eine Summe von Geldbetragen und Werten mit der Folge, daB die Zahlungssumme an der Kasse der Wertsumme (dem wirtschaftlichen Wert des Inhalts des Einkaufswagens) gleich ist, d.h. es gilt fUr die Tauschvorgiinge mit insgesamt n GUtem, die von i = 1 bis n reichen:
ml = XI·PI
+ m2 = X2·P2 + m3 = X3·P3
+ mn = xn·Pn oder
L mi = LXi· Pi oder
Zahlungssumme = Wertsumme .
Die Zahlungssumme setzt sich aus den Geldbetriigen fUr die einzelnen zu tauschenden Giiter zusammen. Die Wertsumme ergibt ihrerseits sich aus den Produkten von Mengen und Preisen der i Giiter Ibis n.
Diese bei einer einzelwirtschaftlichen Transaktion zu verzeichnende Ubereinstimmung von Zahlungssumme und Wertsumme laBt sich nun auch auf aIle Transaktionen in einer gesamten Volkswirtschaft Ubertragen, sofem hierbei der Ubergang von der mikrookonomischen auf die makrookonomische Ebene hinreichend beachtet wird. Bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung kann namlich nicht auf eine einzelne Transaktion zu einem Zeitpunkt abgestellt werden, sondem
259
es mUssen aIle Transaktionen betrachtet werden, die fiber einen Zeitraum hin erfolgen. Zahlungs- und Wertsummen ergeben sich dementsprechend z.B. fUr ein Kalenderjahr.
Will man fur einen derartigen Zeitraum eine Zahlungssumme anhand bereits bekannter gesamtwirtschaftlicher GeldgroBen konstruieren, so liegt es einerseits nahe, eine gesamtwirtschaftliche Geldmenge als AusgangsgroBe zu wahlen. Geldmengen sind jedoch Bestandsgrofien, die zu einem Zeitpunkt gelten und ermittelt werden. Urn den zeitlichen Verlauf Uber eine Periode hin zu erfassen, muB daher die BestandsgroBe multipliziert werden mit dem Uber den Zeitraum hin erfolgenden Umschlag oder mit der Umlaufsgeschwindigkeit, mit der sich eine Geldmenge wahrend eines Jahres umschlagt. Eine gesamtwirtschaftliche Geldmenge kann im Verlaufe eines J ahres mehrfach fUr Transaktionen eingesetzt werden. Die gesamtwirtschaftliche Zahlungssumme kann infolgedessen als Produkt aus gesamtwirtschaftlicher Geldmenge M und Umlaufsgeschwindigkeit dieser Geldmenge V angesehen werden, d.h. makrookonomisch gilt:
Zahlungssumme = M· V
Welches konkrete Geldmengenaggregat M hierbei benutzt wird, ist unten noch zu erortem.
Die mit den Zahlungen umgesetzten Werte setzen sich in einer Volkswirtschaft aus einer Vielzahl von Giitermengen und dazugeMrenden Preisen zusammen. Sie entsprechen dem Handelsvolumen, das Uber eine Periode hin umgesetzt und das mit den dazu gehorenden Preisen multipliziert wird. Dieses Handelsvolumen, bzw. das Volumen der Tauschwerte ist nun aber keine statistisch ermittelte GroBe. FUr praktische Zwecke mu/3 daher auf eine Naherungsgro8e zuriickgegriffen werden. Hierfur bieten sich gesamtwirtschaftliche GroBen an wie das Bruttoinlandsprodukt oder - wenn auf kUnftige Perioden abgesteIlt wird - das erwartete Produktionsvolumen. Mit dem Bruttoinlandsprodukt oder dem Produktionsvolumen ist vorrangig ein MaB fUr die quantitativ erfaBbaren GUtermengen gefunden; es sei wiederum mit der NaherungsgroBe Y (als realer GroBe) bezeichnet. Urn zu einer WertgroBe zu gelangen, muB das GUtermaB noch mit einem gesamtwirtschaftlichen Preisniveau P multipliziert werden. Insoweit ergibt sich die gesamtwirtschaftliche Wertsumme wie folgt:
Wertsumme = y. P
Es ist hierbei ein empirisches Problem, welches Preisniveau P von der statistischen Ermittlung und der wirtschaftspolitischen Bedeutung her zur Bildung des Produkts in der Wertsumme Verwendung findet.
Die Gleichheit von Zahlungssumme und Wertsumme wird wie dargelegt auch gesamtwirtschaftlich gelten, so daB sich folgende Beziehung ergibt:
M·V = y.p
260
Diese Gleichung geht auf die Fisher'sche Verkehrsgleichung zuriick. In der Fisher'schen Verkehrsgleichung wird das Handelsvolumen als gesamtwirtschaftliche MengengroBe benutzt. Wir konnen sie in Analogie dazu als Quantitiitsgleichung bezeichnen, wobei mit dem Begriff Quantitatsgleichung die Beziehung zur Geldmenge zum Ausdruck kommen solI.
Die Verkehrsgleicbung kann nun zur Kliirung der Frage herangezogen werden, welche Abhangigkeiten zwischen der Geldmenge M und dem Preisniveau P existieren. Insbesondere wenn die GroBen V und Y zunachst als gegeben unterstellt werden, ergibt sich ein direkter Zusammenhang zwischen M und P. In der Quantitiitstheorie wird dieser Zusammenhang kausal und in einer Richtung verlaufend dargestellt. Danach fiihrt eine steigende Geldmenge M zu einem Anstieg des Preisniveaus P in dem durch die Quantitatsgleichung beschriebenen AusmaB. Wird daneben angenommen, daB gleichzeitig die reale Gtiterproduktion Y zunimmt, wird die steigende Geldmenge auch fiir die Abwicklung der vermehrten Transaktionen herangezogen und kann sich dementsprechend nicht in Preissteigerungen niederschlagen. SchlieBlich kann sich die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes V tiber die Zeit hin verandem, so daB hierdurch der EinfluB der Geldmengenanderung auf das Preisniveau modifiziert wird.
In der neueren Quantitiitstheorie stehen volkswirtschaftliche Gegebenheiten im Vordergrund, die von einem Wachstum der realen Giiterproduktion ausgehen und insoweit fiir die Erhaltung der Preisniveaustabilitat immer auch ein Wachstum der nominellen Geldmenge als erforderlich ansehen. Die Quantitatsgleichung wird daher nach einer Umformung in Wachstumsraten geschrieben, so daB sich aus den mathematischen Produkten auf jeder Gleichungsseite Summen ergeben. Formal geschieht dies durch Logarithmieren der Quantitatsgleichung mit Hilfe des narurlichen Logarithmus:
WR(M) + WR(V) = WR(Y) + WR(P) ,
wobei WR fiir die Wachstumsrate steht, die fiir die GroBe in der dazugehorenden Klammer gebildet wird. Nach dieser Formulierung besagt die Quantitatsgleichung, daB die Summe aus den Wachstumsraten der Geldmenge M und der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes V der Summe aus den Wachstumsraten der realen Gtiterproduktion Y und des Preisniveaus P gleich ist. Durch Umformung dieser Beziehung ergibt sich:
WR(M) = WR(Y) + WR(P) - WR(V)
Diese Umformung macht auf besonders anschauliche Weise deutlich, welcher Zusammenhang zwischen Geldmengenveranderungen und Veranderungen des Preisniveaus besteht. Das Wachstum der Geldmenge WR(M) dient entweder zur Finanzierung des Wachstums der realen Gliterproduktion und der dafiir erforderlichen Transaktionen WR(Y) oder fiir das Wachstum des Preisniveaus WR(P), wo-
261
bei noch die Veranderung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes WR(V) zu berUcksichtigen ist.
Unterstellt man hierbei zunachst eine in der kurzen Frist gegebene, weitgehende Konstanz der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes und der ihr zugrunde liegenden Zahlungsgewohnheiten, so zeigt die zuletzt angeschriebene Umformulierung der Verkehrsgleichung, daB die Wachstumsrate des Geldes nur insoweit mit stabilen Preisen vereinbar ist, als sie die Wachstumsrate der realen Giiterproduktion nicht iibersteigt. Das Geldangebot in einer Volkswirtschaft hat sich demnach an den Erfordemissen auszurichten, die sich aus der realen Giiterproduktion und den damit verbunden Umsatzprozessen ergeben. Fur die Wertbestandigkeit des Geldes in einer Volkswirtschaft ist insoweit eine enge Beziehung zum Gutervolumen in der Volkswirtschaft ausschlaggebend. Wachst die Geldmenge schneller als das Giitervolumen, so kann bei Konstanz von V mit steigenden Preisen oder Inflation gerechnet werden. Bleibt die Geldmenge in ihrem Wachstum unterhalb des Wachstums des gesamtwirtschaftlichen GUtervolumens, so werden die Preise der Tendenz nach absinken.
Die Formulierung der Quantitatsgleichung hat bislang nur einen allgemeinen Zusammenhang zwischen den vier gesamtwirtschaftlichen GroBen M, Y, P und V aufgezeigt. Eine Zentralbank muD sich jedoch im Rahmen ihrer AufgabenerfUllung und geldpolitischen Moglichkeiten an beobachtbaren und beeinfluBbaren GroBen orientieren. Eine Konkretisierung besteht zunachst darin, fUr das Giitervolumen in einer Volkswirtschaft Y das erwartete reale Bruttoinlandsprodukt zu benutzen. Der Preisindex P konnte sich zum einen auf grofiere Aggregate der Verwendungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts beziehen. Zwn anderen ist jedoch zu beachten, daB ein Preisindex gewahlt wird, der im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik von besonderer Bedeutung ist. Die Europaische Zentralbank konzentriert sich hierbei auf den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) fUr den Euro-Raum. Damit werden die Preise oder deren Veranderungen erfafit, die fur die meisten der privaten Haushalte wesentlich sind. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex besteht aus Bestandteilen der nationalen Preisindizes fUr private Haushalte, die nach harmonisierten Verfahren abgegrenzt werden. Der HVPI ist die ZielgroBe der EZB fUr die Messung der Preisstabilitat im Euro-Raum.
Es verbleiben die Konkretisierungen fur M und V. In diesem Zusammenhang hat die Europaische Zentralbank fUr die Verbaltnisse im Euro-Raum eine recht stabile Beziehung zwischen der GeldmengengroBe M3 und dem MaB fUr P, dem HVPI ermittelt, so daB sie fUr ihre Uberlegungen zwn Geldangebot die GeldmengengroOe aus der Verkehrsgleichung mit der GroBe M3 annahert. Damit ergibt sich - gewissermaBen als RestgroBe - aus dem definitorischen Zusammenhang der Verkehrsgleichung die Umlaufsgeschwindigkeit V, die sich nun auf den Umschlag der Geldmenge M3 bezieht.
Die Deutsche Bundesbank benutzte fruher fUr ihr Geldangebot die Uberlegungen, die sich aus der Verkehrsgleichung ergeben. Sie legte seit 1974 jahrlich fUr das folgende Jahr ein Wachstumsziel der Geldmenge fest, wn ihr Verhalten
262
offenkundig zu machen und fur andere Entscheidungstrager der Wirtschaftspolitik einen Orientierungsrahmen bereitzustellen. Zunachst harte sie als ZielgroBe der Geldpolitik die Zentralbankgeldmenge gewahlt. Sie ist jedoch seit 1988 auf die Geldmenge M3 iibergegangen, da in der Zentralbankgeldmenge der Anteil des Bargeldumlaufs relativ groB ist, und dessen Bedeutung andererseits insoweit sinkt, als das von der Bundesbank ausgegebene Bargeld seit geraumer Zeit nicht mehr nur ausschlieBlich fUr Umsatzprozesse in der deutschen Volkswirtschaft benutzt wurde, sondem in steigendem MaBe auch im Ausland als Transaktions- und Wertaufbewahrungsmirtel Verwendung gefunden hat.
Die Europaische Zentralbank verwendet als eine Saule ihrer geldpolitischen Strategie ebenfalls die Wachstumsratenformulierung der Quantitatsgleichung und strebt danach einen Referenzwert fUr die Geldmenge M3 im Eurosystem an. Der Referenzwert selbst wird mit einer Wachstumsrate der Geldmenge M3 von 4,5% pro Jahr angesetzt. Damit ist beabsichtigt, daB ein reales Giiterwachstum von 2 bis 2,5 % finanziert werden kann. Der dariiber hinaus gehende Betrag der Geldmengensteigerung soli eine geringfUgige Preissteigerung bis maximal 2 % zulassen und im iibrigen dafUr zur Verfiigung stehen, daB Wirtschaftssubjekte auBerhalb des Euro-Raums sich mit Eurobestanden als Anlage- und Transaktionswahrung ausstarten. Die Bestandteile der auf Euro lautenden Geldmenge, die sich auBerhalb des Euro-Raums befinden, konnen selbstverstandlich im Euro-Raurn nicht inflationar wirken. Das AbflieBen von auf Euro lautenden Geldbestanden aus dem Euro-Raum fUhrt vielmehr zu der Konsequenz, daB die Umlaufsgeschwindigkeit V der Geldmenge M3 im Euro-Raum selbst absinkt.
10.6.3 Geldpolitische Instrumente der EZB
Die Europaische Zentralbank verfiigt iiber eine Reihe von geldpolitischen Instrumenten, urn ihre Ziele, insbesondere das Ziel der Preisstabilitat fur den Euro, zu erreichen. Die Instrumente besitzen dabei Ahnlichkeiten mit den friiher von der Bundesbank eingesetzten Mirteln, worauf nachfolgend bei den jeweiligen Einzelfallen hingewiesen wird. Sie erscheinen jedoch zumindest insoweit als andersartig, weil sie mit neuen und teilweise banktechnisch gepragten Begriffen belegt sind.
Offenmarktgeschafte spielen die wichtigste Rolle in der Geldpolitik der EZB. Sie werden eingesetzt, urn die Zinssatze und die Liquiditat auf den Geldmarkten zu steuem und Signale zum geldpolitischen Kurs zu geben. Offenmarktgeschafie bestehen im Ankauf und Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank auf eigene Rechnung. Die Initiative fUr den AbschluB von Offenmarktgeschafien und das Volumen der Transaktionen liegen hierbei in der Hand der Zentralbank. Mit einem Kauf von Wertpapieren schafft die Zentralbank zusatzliches Zentralbankgeld, wie es oben in 1004.1 allgemein dargestellt ist. Die dam it eintretende Geldmengenvermehrung konnte expansiv wirken. Ein Verkauf von Wertpapieren fiihrt zur Zentralbankgeldvemichtung, was einen kontraktiven EinfluB haben kann. Offenmarktpolitik laBt sich im iibrigen in Form eines definitiven Ankaufs oder Verkaufs durchfiihren, was sich in einer zeitlich unbefristeten
263
Schopfung oder Vemichtung von Zentralbankgeld niederschlagt. Daneben existieren Offenmarktgeschafte mit Riickkaufsvereinbarung. Sie werden auch als Pensionsgeschafte bezeichnet, da die Zentralbank hierbei Wertpapiere nur unter der Bedingung ankauft, daB die verkaufenden MFIs sie zu einem festgelegten Termin wieder zurUckkaufen. Die Wertpapiere werden insoweit nur fUr eine beschrankte Zeit in Pension genommen. Die ZentralbankgeldschOpfung erfolgt damit befristet und geht am Ende der Frist mit einer Zentralbankgeldvemichtung einher.
Die Offenmarktpolitik der Europaischen Zentralbank erfolgt zum groBten Teil in Form des Hauptrefinanzierungsinstruments. Damit werden regelmaI3ig stattfindende liquiditatszufiihrende befristete Transaktionen in wochentlichem Abstand mit einer Laufzeit von zwei W ochen verstanden. Diese Transaktionen werden von den nationalen Zentralbanken im Rahmen von Standardtendern durchgefUhrt. Der Begriff "Standardtender" bezieht sich darauf, daB die Transaktionen innerhalb von 24 Stunden von der Tenderankfindigung bis zur Bestatigung des Zuteilungsergebnisses abgewickelt werden. Die Tender ihrerseits konnen als Festsatztender (Mengentender) oder Tender mit variablem Zinssatz (Zinstender) gestaltet werden. Bei einem Mengentender gibt die EZB den Zinssatz vor und die Teilnehmer geben Gebote fiber den Betrag ab, den sie bereit sind, zu diesem Festsatz zu verkaufen. Gegebenenfalls werden die von den MFIs genannten Betrage nicht vollstandig aufgenommen, sondem durch die EZB nur mir einem Anteilswert bedient. Bei einem Zinstender geben die Teilnehmer Gebote fiber die Betrage und die Zinssatze ab, zu denen sie Geschafte mit den nationalen Zentralbanken abschlieBen wollen. Hierbei hat die EZB allerdings einen Mindestzins vorgegeben. Der Mindestzins oder der Festzins ist der Hauptrefinanzierungszinssatz HRI. Er ist einer der Leitzinsen im Eurosystem.
Die langerfristigen Refinanzierungsgeschiifte sind liquiditatszufUhrende befristete Transaktionen in monatlichem Abstand und mit einer Laufzeit von drei Monaten. Uber diese Geschafte sollen den Geschaftspartnem zusatzliche langerfristige Refinanzierungsmittel zur VerfUgung gestellt werden. Sie werden von den nationalen Zentralbanken im Wege von Standardtendem durchgefUhrt. 1m allgemeinen betreibt die EZB dieses Instrument in Form des Zinstenders, tritt also als Preisnehmer auf. Der Zinssatz der langerfristigen Refinanzierungsgeschiifte LRG hat in Deutschland eine besondere Bedeutung, weil er nach der Basiszinssatz-BezugsgroBen-Verordnung vom 10.2.1999 und dem Diskontsatz-Uberleitungsgesetz vom 9.6.1998 an die Stelle des Diskontsatzes getreten ist.
Feinsteuerungsoperationen werden von Fall zu Fall zur Steuerung der Marktliquiditat und der Zinssatze durchgefUhrt, und zwar insbesondere, urn die Auswirkungen unerwarteter marktmaBiger Liquiditatsschwankungen auf die Zinssatze auszugleichen. Die Feinsteuerung erfolgt in erster Linie fiber befristete Transaktionen, kann aber auch in Form von definitiven Kaufen bzw. Verkaufen, Devisenswapgeschaften und der Hereinnahme von Termineinlagen bestehen. Feinsteuerungsoperationen werden fiblicherweise von den nationalen Zentralbanken fiber Schnelltender oder bilaterale Geschafte durchgefiihrt. Die EZB hat beispielsweise am 12. und 13. September 2001 solche Feinsteuerungsoperationen veranlaBt.
264
Dariiber hinaus kann die EZB strukturelle Operation en tiber die Emission von Schuldverschreibungen, befristete Transaktionen und definitive Kaufe bzw. Verkaufe durchfiihren. Diese Operationen stehen zur Verfiigung, wenn die EZB die strukturelle Liquiditatsposition des Finanzsektors gegenuber dem ESZB anpassen will. Bisher wurden solche strukturellen Operationen noch nicht eingesetzt.
Die standigen Fazilitaten dienen dazu, Ubernachtliquiditat bereitzustellen oder zu absorbieren. Sie setzen Signale zum allgemeinen Kurs der Geldpolitik und stecken Ober- und Untergrenzen der Geldmarktsatze fUr Tagesgelder abo Die EZB sieht in den Zinsen fUr die standigen Fazilitaten ebenfalls Leitzinsen, die neben dem HR! fUr die Geldmarkte von Bedeutung sind. Mit den standigen Fazilitaten oder Moglichkeiten wird den Geschaftsbanken die Gelegenheit gegeben, fUr kurze Fristen, d.h. uber Nacht, Zentralbankgeld zu beschaffen oder Einlagen bei der Zentralbank anzulegen. Die InItiative geht hierbei von den Geschaftsbanken aus.
1m Rahmen der Spitzenrefinanzierungsfazilitat konnen Geschaftsbanken von den nationalen Zentralbanken Ubernachtliquiditat zu einem vorgegebenen Zinssatz gegen refinanzierungsfahige Sicherheiten beschaffen. In der Regel gibt es keine Kredithochstgrenzen mit der Ausnahme, daB ausreichende Sicherheiten zur Verfiigung stehen mtissen. Der Zinssatz fUr die Spitzenrefinanzierungsfazilitat, der SFR-Satz, bildet im allgemeinen die Obergrenze des Tagesgeldsatzes. Er lag zumeist einen Prozentpunkt uber dem HR!, dem Zinssatz fUr das Hauptrefinanzierungs instrument. Fur deutsche Verhaltnisse ist von Bedeutung, daB der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilitat aufgrund der Lombardsatz-Uberleitungs-Verordnung vom 18.12.1998 an die Stelle des Lombardsatzes getreten ist.
Die standigen Fazilitaten bestehen daneben in der Einlagefazilitat. Die Geschaftsbanken konnen die Einlagefazilitat nutzen, urn bei den nationalen Zentralbanken Guthaben fiber Nacht bis zum nachsten Geschaftstag anzulegen. In der Regel gibt es keine Betragsbegrenzung fUr die entsprechenden Einlagekonten. Der Zinssatz fUr die Einlagefazilitat bildet im allgemeinen die Untergrenze des Tagesgeldsatzes. Er lag durchweg einen Prozentpunkt unter dem HR!.
Beide Erscheinungsformen der standigen Fazilitaten sind seit Bestehen der EZB in verhaltnismaBig geringem Umfang genutzt worden. FUr die Zinsbildung auf dem Geldmarkt mogen sie allerdings eine Rolle gespielt haben.
Die Europaische Zentralbank benutzt schlieBlich das Instrument der Mindestreservepflicht. Die Geschaftsbanken haben danach einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einlagen bei den nationalen Zentralbanken zu unterhalten. Der Mindestreservesatz betragt 2 %. Es ist derzeit nicht beabsichtigt, ihn als kurzfristiges geldpolitisches Steuerungsinstrument einzusetzen, d.h. zu variieren, gleichwohl behalt sich die EZB jederzeitige Anderungen der Reservesatze vor. Die Einlagen, fUr die Mindestreserven zu unterhalten sind, bestehen gegenwartig aus den taglich falligen und den mit vereinbarter Laufzeit und Kundigungsfrist von bis zu 2 Jahren, den Schuldverschreibungen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu 2 Jahren und den Geldmarktpapieren. Langerfristige Einlagen mit Laufzeiten von uber 2 Jahren sind mit einem Reservesatz von 0 % belegt und insoweit nicht tatsachlich mindestreservepflichtig. Der Mindestreservepflicht ist unter Zugrundelegung einer einmonati-
265
gen Erfiillungsperiode nachzukornmen. Die Mindestreserven werden verzinst und zwar mit dem Durchschnitt des EZB-Satzes fur die Hauptrefinanzierungsgeschafte des Eurosystems wahrend der Mindestreserve-Erfiillungsperiode.
10.6.4 Transmissionsmechanismen
Die geldpolitischen Instrumente der Europaischen Zentralbank aber auch die anderer Zentralbanken werden eingesetzt, urn Ziele der Wirtschaftspolitik im allgemeinen und Ziele der Geldpolitik im besonderen zu erreichen. Fur die EZB steht das Ziel der Preisstabilitat im Vordergrund. Es gibt aber auch geldpolitische Instanzen oder Wirtschaftspolitiker, die mit dem Einsatz der geldpolitischen Instrumente die generelle Wirtschaftsentwicklung glauben steuem zu konnen. Die entsprechenden Vorstellungen gehen dabei so weit, daB die Geldpolitik nicht nur zur Stabilisierung von Konjunkturentwicklungen, sondem auch zur Beeinflussung der langerfristigen Wachstumstrends in einer Volkswirtschaft eingesetzt werden konnte. Injedem Fall sind hierfiir Hypothesen erforderlich, wie sich durch einen Einsatz eines geldpolitischen Instruments auf dem Geldmarkt eine Konsequenz auf dem Giitermarkt und bei der Preisbildung der Guter ergibt. Die dabei zu unterstellende Wirkungskette muf3 einen Ubertragungsweg erkennen lassen. Dieser Ubertragungsweg oder Transmissionsmechanismus solI aufzeigen wie sich beispielsweise durch eine Anderung des nominellen Geldmarktzinses AnstOf3e fur die reale Giiterproduktion und das Preisniveau der Giiter ergeben.
Der Transmissionsmechanismus als makrookonomisches Phanomen laBt sich durch wirtschaftstheoretische Hypothesen strukturieren und nachvollziehen. 1m Idealfall ist dafiir ein geschlossenes makrookonomisches Modell heranzuziehen, das den Ubertragungsweg in seinen zwingenden okonomischen Ablaufen aufzeigt. Solche Modelle existieren aber derzeit nicht. Vielmehr sind die meisten makrookonomischen Modelle grundsatzlich nicht in der Lage, den Ubertragungsproze8 plausibel darzustellen, da sie entweder mit fixen Preisen oder mit einem gegebenen gesamtwirtschaftlichen Einkornmen operieren und geldpolitische Impulse dahingegen Auswirkungen sowohl auf das Preisniveau als auch moglicherweise auf die reale Giiterproduktion haben. Insoweit sind Geldpolitiker auf einige der nachstehend erlauterten Hypothesen iiber die Transmissionsmechanismen angewiesen, die keineswegs in vollstandigen makrookonomischen Modellen bestehen. Es ist daher auch nieht iiberraschend, daB Geldpolitiker von ihrer Aufgabe als einer Kunst der Geldpolitik sprechen und weniger auf die "einfache" Anwendung wirtschaftstheoretischer Erkenntnisse bauen. Es kornmt hinzu, daB die Hypothesen iiber Transmissionsmechanismen keinesfalls gleichartige Ablaufe und Resultate nahelegen und es damber hinaus im jeweiligen Entscheidungsfall zu unterschiedlichen Ergebnissen in den Ablaufen kornmen kann, wei! die gesamtwirtschaftlichen Gegebenheiten iiber die Zeit hin variieren und von daher den Transmissionsmechanismus modifizieren.
Die Ubertragung geldpolitischer Impulse vollzieht sich nach Ansicht der EZB (Monatsberieht Juli 2000) generell in zwei Phasen. In der ersten Phase wir-
266
ken sich Veranderungen der Leitzinsen oder des Basisgelds auf die Lage am Finanzmarkt aus. Dies schlagt sich in den Marktzinsen, den Preisen fUr Vermogenswerte, dem Wechselkurs und den allgemeinen Liquiditatsbedingungen und Kreditkonditionen der Wirtschaft nieder. In der zweiten Phase greifen diese A.nderungen der Finanzmarktlage auf die nominalen Ausgaben der privaten Haushalte und der Unternehmen fUr Giiter iiber. Auf langere Sicht wirken sich solche nomine lIen Veranderungen nicht auf den Giitersektor der Volkswirtschaft aus, sondern bee influs sen nur das Preisniveau. Kurzfristig konnte es jedoch zu Veranderungen der realen Giiterproduktion kommen. In welchem MaB dies geschieht, hangt von der Reaktionsweise der Preise auf den Markten flir Giiter und Produktionsfaktoren und damit von der Flexibilitat der Volkswirtschaft abo Zudem gibt es noch direktere Transmissionskanale, insbesondere den EinfluB geldpolitischer MaBnahmen auf die Inflationserwartungen, die sich direkt auf die Preisgestaltung auswirken konnen. Die Transmissionsmechanismen hangen selbstverstandlich auch von den sich andernden institutionellen Gegebenheiten beispielsweise im Euro-Raum ab und unterliegen zudem jeweiligen okonomischen und auBerokonomischen Einfliissen aus den nationalen Volkswirtschaften und aus dem weltwirtschaftlichen Geflige. Dies bedingt insgesamt eine erhebliche Unsicherheit iiber die Wirkungsweise monetarer Impulse der Zentralbank.
In der Geldtheorie werden mehrere Transmissionskaniile unterschieden (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 2001). So betont der Zinskanal, daB hOhere Zinsen tendenziell die Attraktivitat von Investitionen verringern und den Anreiz zur Bildung von Ersparnissen erhOhen. Beides wirkt dampfend auf die laufenden Giiterausgaben. Daher wirken ZinserhOhungen kontraktiv auf die Wirtschaftsentwicklung, Zinssenkungen hingegen bedeuten einen expansiven Impuls.
Der Wechselkurskanal berllcksichtigt, daB eine mit Zinserhohungen verbundene Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen zu einer Aufwertungstendenz flir die heimische Wahrung fiihrt, was auslandische Waren und Dienstleistungen fUr Inlander verbilligt und inlandische Giiter flir Auslander verteuert. Dies dampft die Exportmoglichkeiten und reduziert die Nachfrage nach im Inland produzierten Giitern. Entsprechend umgekehrt wird sich eine Zinssenkung der Zentralbank auswirken und insoweit einen expansiven Effekt haben.
Der Bankkreditkanal setzt im Unterschied zu den bereits genannten Transmissionswegen nicht am Verhalten der Nichtbanken an, sondern am Angebot an Bankkrediten. Danach reduziert eine Zinserhohung, die im allgemeinen als restriktive oder kontraktive geldpolitische MaBnahme dargestellt wird, tendenziell die bei Banken gehaltenen Einlagen, da die Nichtbanken im Zuge der ZinserhOhung auf alternative Anlageformen ausweichen. Prinzipiell konnte die Hohe der Bankkredite hiervon unbeeinfluBt bleiben, wenn die Bank in ausreichendem MaB zusatzliche Mittel aufnimmt. Sind jedoch fUr die Bank einerseits die abgezogenen Einlagen und die anderen Formen der Mittelaufnahme sowie andererseits die Kredite und die anderen Aktive nicht vollstandig substituierbar, dann flihrt die geldpolitisch ausgelOste Reduktion der Einlagen zu einem Riickgang des Kreditangebots. Dies wirkt dampfend auf die Ausgaben fUr Giiter, wenn der Reduktion der Kredite keine entsprechende Ausweitung alternativer Finanzierungsformen gegeniibersteht. Da-
267
mit muB keineswegs gerechnet werden, da auf den Finanzmarkten unvolIstandige Substitutionsbeziehungen bestehen, die sich durch ungleiche Informationen zwischen den Kapitalnehmem und unterschiedlichen Kapitalgebem ergeben.
Der Bilanzkanal basiert auf der FeststelIung, daB Aktiva von Kreditnehmem im Rahmen der Bonitatsprufung und als Sicherheiten eine wichtige Rolle bei der Kreditvergabe spielen. Steigt durch geldpolitische Entscheidungen das Zinsniveau, sinkt aufgrund des damit verbundenen Anstiegs des Diskontierungsfaktors der Gegenwartswert zukunftiger Zahlungsstrome. Wenn sich darliber hinaus das hOhere Zinsniveau uber den Zins- und Wechselkurskanal auch negativ auf die Hohe der Zahlungsstrome selbst auswirkt, reduziert dies den Wert der davon betroffenen Aktiva. Dieser RUckgang kann zur Foige haben, daB die Banken ihre Kreditvergabe risikoreicher einschatzen und ihr Kreditangebot reduzieren. Wie beim Bankkreditkanal wirkt also die Geldpolitik uber eine Anderung des Bankkreditangebots. AlIerdings ist der Bilanzkanal nicht auf Bankkredite beschrankt, sondem liiJ3t sich auch auf andere Finanzierungsformen wie Wertpapieremissionen Ubertragen.
Sowohl der Bankkreditkanal als auch der Bilanzkanal zeigen Moglichkeiten auf, wie Anderungen der Geldmarktzinsen durch die Zentralbank zu Reaktionen im Verhalten der Banken bei ihrer Kreditvergabe fUhren konnen. Diese Reaktionsweisen sind jedoch ausschliel3lich mikrookonomisch begrlindet. Wie sich hieraus Preis- und Mengeneffekte auf dem gesamtwirtschaftlichen GUtermarkt und mit welcher Reaktionszeit ergeben, laBt sich anhand der beiden Kanale nicht zwingend erkennen. Damit bleibt aber der Ubertragungsweg von Impulsen der Geldpolitik zu den Preis- und Mengenresultaten fUr die gesamte V olkswirtschaft weiterhin im unklaren. Dies gilt im Ubrigen insbesondere fUr keynesianische und neukeynesianische Ansatze In alIer Regel bedienen sie sich einer Zusammenfiihrung von ISKurve und LM-Kurve in einem gemeinsamen GUter-Geldmarkt-Gleichgewicht, deren Sinnhaftigkeit oben mehrfach hinterfragt wurde.
Es bleibt noch, auf einen monetaristischen Ansatz hinzuweisen, der vornehmlich von Brunner (1970) vorgelegt wurde. Danach verandert ein geld politischer Impuls in Form einer Veranderung der Zentralbankgeldmenge und der daraus resultierenden Zinsanderung die Effektivverzinsung von Aktiva bzw. deren Ertragsraten. Bei einer Zinssenkung aufgrund einer GeldbasisvergroBerung der Zentralbank ergibt sich damit ein Anreiz, von finanzielIen Aktiva auf reale Vermogensgegenstande auszuweichen, was zu einer verstarkten Investitionstatigkeit fUhrt. Zusammen mit einer wegen der falIenden Zinsen vermehrten KonsumgUtemachfrage resultieren hieraus steigende Preise fUr die GUter und schliel3lich werden auch die Zinsen im Geldbereich wieder ansteigen. Der monetiire Impuls hat daher nur einen vorubergehenden Effekt auf die reale GUtemachfrage. Die Geldmengenzunahme schlagt sich deshalb dauerhaft lediglich in einer Preisniveausteigerung nieder.
Der monetaristische Ansatz will ganz bewuBt den Zusammenhang zwischen geldpolitischem Impuls, der realwirtschaftlichen Auswirkung auf dem GUtermarkt und dem letztlich verbleibenden Effekt beim Preisniveau herausarbeiten. Er benutzt hierfUr mikrookonomische Verhaltensannahmen Uber die prinzipielI unbegrenzte Substituierbarkeit zwischen Aktiva, was ihm von manchen okonomisch
268
weniger geschulten Kritikern auch vorgeworfen wird. Dies ist daher kein ernst zu nehmender Einwand. Wesentlicher erscheinen die Probleme des Ubergangs von der Mikroebene auf gesamtwirtschaftlich wesentliche Zusammenhange sowie die von Vertretern der Neuklassik hervorgehobenen rationalen Erwartungen, die unterstellen, daB die Wirtschaftssubjekte sich von geldpolitischen Aktivitaten insoweit nicht tauschen lassen, als sie deren letztendliche Auswirkung bereits erwarten und sich deshalb von vornherein auf das Endergebnis - hier die steigenden Preise -einstellen. Die vorubergehende EinfluBnahme auf die reale Giiterproduktion durch den geldpolitischen Impuls entfallt daher von vornherein und es kommt nur zum Preisniveaueffekt. Selbst wenn sicherlich nicht aile Beobachter eines geldpolitischen Impulses die gleichen "rational en" Erwartungen haben, kann sich der UbertragungsprozeB eines Impulses hierdurch verkiirzen oder er entfallt vollig. Geldpolitische Instrumente, die sich auf nomine lie Zinsen oder die Zahl der Geldzeichen in der Volkswirtschaft auswirken, konnen mit dem ersten Impuls, d.h. der bloBen Anderung der Zinsen oder der Menge an Geldzeichen, schon das Ende ihres Einflusses erreicht haben. Realwirtschaftliche Konsequenzen miissen mit dem Einsatz der Instrumente nicht verbunden sein.
Die Frage nach dem Transmissionsmechanismus der Geldpolitik ist nach allem wesentlich flir die Einschatzung deren okonomischer Wirkungsmoglichkeiten. Da die Transmissionsmechanismen und ihre Ergebnisse aber nicht feststehen, bleibt auch die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Geldpolitik undeutlich. Die Europaische Zentralbank hat sich unter Umstanden auch deshalb fUr eine sogenannte Zwei-Saulen-Strategie entschieden. Ein Saule besteht aus der langerfristigen Beziehung zwischen volkswirtschaftlicher Geldmenge und dem Preisniveau. Diese Beziehung wird als langerfristig geltend anerkannt und daher wird auch ein Referenzwert flir die Wachstumsrate der Geldmenge M3 angestrebt. Die zweite Saule will die eher kiirzerfristig wirksamen Einfliisse auf die Preise erfassen und berucksichtigt daher die Nominalzinsen und die Zinsstruktur, das reale BIPWachstum im Euro-Raum, das auBenwirtschaftliche Umfeld des Euro-Raums, den Wechselkurs des Euro, die Verbraucherpreise und die Inflationserwartungen, die Tarifabschliisse und die offentlichen Finanzen. We1che Gewichtigkeiten hierbei existieren bzw. we1che zeitlichen Ablaufe zwischen geldpolitischem Mitteleinsatz und letztlicher Wirkung iiber aile diese Bestandteile der zweiten Saule fUr das Preisniveau vorliegen, bleibt hier von vornherein undeutlich oder unerklart, was nichts anderes reflektiert als die weitgehende Unkenntnis fiber tatsachliche Ablaufe von Transmissionsmechanismen.
Aile Uberlegungen zur EinfluBnahme der Geldpolitik auf die reale Wirtschaftsentwicklung - sei es auf den kiirzerfristigen Konjunkturverlauf oder auf das langerfristige Wachstum der Giiterproduktion - sind nach allem hOchst spekulativ. Beobachtbar und immer wieder nachvollziehbar bleiben die langerfristigen Konsequenzen von Geldmengenzuwachsen, die, sofern sie das giiterwirtschaftliche Wachstum iiberschreiten, sich schlieBlich in Preissteigerungen niederschlagen.