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Vorlesung Pharmakologie und Toxikologie einschließlich Pathophysiologie/Pathobiochemie – Wintersemester 2016/2017 1
Pharmakologie und Toxikologie
einschließlich Pathophysiologie/Pathobiochemie
Prof. Dr. Dr. Achim Schmidtko
Pharmakologisches Institut für Naturwissenschaftler
02.02.2017
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Therapie des Reizdarmsyndroms
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Reizdarmsyndrom (RDS)
Ein Reizdarmsyndrom liegt vor, wenn folgende Punkte erfüllt sind:
1. Es bestehen chronische Darm-Beschwerden (> 3 Monate anhaltend), die in
der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
2. Durch die Beschwerden wird die Lebensqualität relevant beeinträchtigt.
3. Es liegen keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen
vor, welche wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind.
• = Colon irritabile, englisch „Irritable Bowel Syndrome“ (IBS)
• bei ca. 50 % aller Patienten mit Magen-Darm-Beschwerden
abdominale Schmerzen (krampfartig, brennend, stechend)
Druckgefühl im Unterbauch
Obstipation
Diarrhö
Völlegfühl
hörbare Darmgeräusche
Blähungen
evtl. Schlaf- / Angststörungen
• Symptome:
• Definition (gemäß S3-Leitlinie 2009):
www.pharmazeutische-zeitung.de
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Therapie des Reizdarmsyndroms
Obstipation:
• Eine wirksame Standardtherapie ist bisher nicht verfügbar.
• Psychotherapie und dietätische Maßnahmen sind oft wirksam.
• Die Pharmakotherapie erfolgt je nach Symptomatik.
Beispiele:
Ballaststoffe, z.B. Flohsamenschalen
osmotische Laxanzien, z.B. Macrogole, Lactulose
5-HT4-Rezeptoragonisten: Prucaloprid
Diarrhö:
Antidiarrhoika, z.B. Loperamid
Blähungen:
nichtresorbierbare Antibiotika, z.B. Rifaximin
Entschäumer, z.B. Simeticon
Phytopharmaka, Probiotika
Abdominalschmerzen:
Spasmolytika, z.B. Metamizol, Butylscopolaminiumbromid
SSRI, z.B. Citalopram
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Therapie des Reizdarmsyndroms
Linaclotid
Peptid aus 14 Aminosäuren
Lacy et al., Ther Adv Gastroenterol 2012
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Therapie des ReizdarmsyndromsLinaclotid
• Markteinführung 05/2013
• Agonist am Guanylatcyclase-C (GC-C) Rezeptor => cGMP ↑
=> Aktivierung des Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulators (CFTR)
=> Sekretion von Cl- und HCO3- ins Darmlumen ↑
=> beschleunigte Darmpassage
IND • Reizdarmsyndrom mit Obstipation
• lokale Wirkung im Darm, keine relevante Resorption
• Wirksamkeit bei RDS in klinischen Studien belegt
UAW • häufig Diarrhö
• zusätzliche analgetische Wirkung, vermutlich auch über GC-C / cGMP vermittelt
• Rücknahme vom deutschen Markt 04/2014 durch den Hersteller
(laut Gemeinsamem Bundesausschuss kein Zusatznutzen, Preisverhandlungen
mit GKV-Spitzenverband gescheitert)
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AMNOG-Verfahren: Frühe Nutzenbewertung nach § 35 a SGB V
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Prokinetika
= Pharmaka zur Beschleunigung der Magenentleerung und Dünndarmpassage
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Prokinetika
Metoclopramid
• ursprünglich als Antipsychotikum entwickelt
• gut ZNS-gängig
• Wirkungsmechanismus:
Blockade von D2- und 5-HT3-Rezeptoren
Stimulation von 5-HT4-Rezeptoren
=> antiemetisch und prokinetisch wirksam
IND • Vorbeugung von Übelkeit und Erbrechen bei Chemo- / Strahlentherapie
• symptomatische Behandlung von Übelkeit und Erbrechen
• Motilitätsstörungen des oberen Magen-Darm-Traktes
• diabetische Gastroparese (= Lähmung der Magenperistaltik als Folge eines
länger bestehenden Diabetes mellitus)
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Exkurs: Entstehungswege von Übelkeit und Erbrechen
Erbrechen kann generell ausgelöst werden durch emetogene Stimuli
• im vestibulären System
• in der Chemorezeptor-Triggerzone der Area postrema
• in höheren Zentren des ZNS
• im oberen Gastrointestinaltrakt und Herz
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Prokinetika
Metoclopramid
UAW • sehr häufig Somnolenz, Sedierung
• Depression
• Asthenie (= Kraftlosigkeit, Schwäche)
• Hypotonie
• Diarrhö
• hormonelle Störungen bei längerer Anwendung
• extrapyramidal-motorische Symptome
Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet
Beim Auftreten extrapyramidal-motorischer Symptome sofort absetzen!
Bei längerer Anwendung können irreversible Spätdyskinesien auftreten
(in allen Altersgruppen)
=> maximal 3 Monate anwenden!
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Prokinetika
Domperidon
• nur wenig ZNS-gängig
• Wirkungsmechanismus:
Blockade peripherer D2-Rezeptoren
(auch in der Chemorezeptoren-Triggerzone der Area postrema, da
außerhalb der Blut-Hirn-Schranke!)
=> antiemetisch und schwach prokinetisch wirksam
IND • Besserung der Symptome Übelkeit und Erbrechen
• Motilitätsstörungen des oberen Magen-Darm-Traktes
UAW • häufig Mundtrockenheit
• sonstige UAW wie bei Metoclopramid, jedoch deutlich seltener
• extrapyramidal-motorische Symptome
INT • Metabolisierung v.a. über CYP3A4 => Interaktionspotenzial
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Prokinetika
Erythromycin
• Makrolid-Antibiotikum => Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese
• zusätzlich Stimulation von Motilin-Rezeptoren
Wichtige Lokalisationen
gastrointestinaler Hormone
Murphy and Bloom, Nature 2006
• Anwendung von Erythromycin
als Prokinetikum ist kritisch zu
betrachten, da das Risiko der
Resistenzbildung von Bakterien
besteht.
=> Auslösen von Kontraktionen von Antrum und Duodenum
=> prokinetisch wirksam
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Antiadiposita
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• Von den US-Amerikanern mit BMI > 29 leiden 61 % an Typ-2-Diabetes,
17 % an KHK / Hypertonie und 21 % an Gallenblasenerkrankungen
• Durch Adipositas verursachte Kosten in den USA: 137 Mrd. US-$ / Jahr
• Übergewicht: BMI > 25
Adipositas: BMI > 30
• ca. 50 % der deutschen Bevölkerung gelten als
adipös und 20 % als stark adipös
Adipositas
www.reinercalmund.de
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Adipositas
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• erste Maßnahme zur Gewichtsreduktion:
Ernährungsumstellung und vermehrte Bewegung!
• zusätzliche Pharmakotherapie ist nur sinnvoll, wenn
mit Basisprogramm nach 3 - 6 Monaten keine Gewichtsabnahme von
mind. 5 % erzielt wurde
ein BMI ≥ 30 kg/m2 oder
ein BMI ≥ 28 kg/m2 mit Risikofaktoren vorliegt
Adipositas
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• Inhibition gastrointestinaler Lipasen (Wirkstoff wird nicht resorbiert)
=> Hemmung der Fettresorption
• Einnahme zu fetthaltigen Hauptmahlzeiten
• Supplementierung fettlöslicher Vitamine (v.a. Vitamin E und Betacarotin) sinnvoll
• max. Behandlungsdauer: 2 Jahre (gemäß der Dauer der Klinischer Studien)
Antiadiposita
Orlistat
IND
UAW • gastrointestinal (Fettstühle, Flatulenz, Stuhlinkontinenz)
• ZNS (Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit)
• Menstruationsbeschwerden
• Infektionen der Harn- und Atemwege
• Behandlung adipöser Patienten mit BMI ≥ 30 kg/m2 oder
von übergewichtigen Patienten mit BMI ≥ 28 kg/m2 mit Risikofaktoren
• > 90 % der Patienten setzen Orlistat innerhalb eines Jahres aufgrund von
Unverträglichkeit und/oder nicht ausreichender Wirksamkeit ab!
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• Markteinführung 1999
• ursprünglich als Antidepressivum entwickelt
• Inhibition der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin
• zusätzliche Wirkung: Appetithemmung
• => als Antiadipositum vermarktet
• (geringfügige) Gewichtsreduktion in klinischen Studien belegt
• UAW:
Antiadiposita
Sibutramin
kardiovaskulär (Tachykardie, Hypertonie, Flush)
gastrointestinal (Obstipation, Übelkeit)
ZNS (Mundtrockenheit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel)
• 2010: EMA empfiehlt Ruhen der Zulassung -> Marktrücknahme
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Antiadiposita
Rimonabant
• Markteinführung 2006
• Antagonist am CB1-Cannabinoid-Rezeptor
(u.a. in ZNS und Adipozyten)
• Stimulation von CB1-Cannabinoid-Rezeptoren durch
Endocannabinoide / Cannabis bewirkt
Hemmung der Neurotransmitter-Ausschüttung
gesteigertes Hungergefühl
• UAW:
• Marktrücknahme 2008 aufgrund häufiger Depressionen und anderer psychischer Störungen
psychische Störungen: Depression, Angstzustäde, Suizid (!)
Übelkeit
Schwindel
• => Rimonabant wurde als Antiadipositum vermarktet
• (geringfügige) Gewichtsreduktion in klinischen Studien belegt
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Behandlung von Gallensteinen
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Gallensteine (Cholelithiasis)
• Prävalenz ca. 15 % (♀) bzw. 7,5 % (♂)
• Prävalenz bei Morbus Crohn und Leberzirrhose ca. 30 %
• Steinarten:
a) zu 80 % Cholesterin-Steine und
gemischte Steine mit > 70 % Cholesterin
b) zu 20 % Bilirubin- (Pigment-) Steine
• Symptome:
zu 75 % asymptomatisch (= stumme Gallensteine)
zu 25 % symptomatisch:
Gallenkoliken mit Schmerzen im rechten und mittleren Oberbauch, oft in
den Rücken und die rechte Schulter ausstrahlend
unspezifische Oberbauchbeschwerden, z.B. Völlegefühl, Meteorismus,
Unverträglichkeit von fetten Speisen
http://www.med.umich.edu
a) b)
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Therapie der Cholelithiasis
• Asymptomatische Gallensteine: keine Behandlungsnotwendigkeit
(nur 25 % der Betroffenen entwickeln im Laufe von 25 Jahren Beschwerden)
• Symptomatische Gallensteine:
1) Behandlung von Gallenkoliken:
Butylscopolaminiumbromid
• Parasympatholytikum, Muskarinrezeptor-Antagonist
• nicht ZNS-gängige quartäre Ammoniumverbindung
• bei parenteraler Applikation gute Wirksamkeit
• nach oraler oder rektaler Applikation fragliche Wirksamkeit, da geringe
Resorption (3 bzw. 8 %)
• häufig anticholinerge UAW
Metamizol
• analgetisch, antipyretisch und spasmolytisch wirksam
• Möglicher Wirkmechanismus: Antagonist an TRPA1-Rezeptoren
• schwerste UAW: Agranulozytose (jedoch sehr selten)
• bei zu schneller i.v. Injektion Schock möglich => i.v. nur als Kurzinfusion
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Therapie der Cholelithiasis
• Symptomatische Gallensteine:
2) Beseitigung der Gallensteine
Cholecystektomie = chirurgische
Entfernung der Gallenblase
(wird meist laparoskopisch durchgeführt)
extrakorporale Stoßwellenlithotripsie
(= ESWL) mit Schallwellen aus einem
„Nierensteinzertrümmerer“
systemische Litholyse z.B. mit Ursodeoxycholsäure
Laparoskopische Entfernung
der Gallenblase
Hemmung der biliären Cholesterinsekretion und der
intestinalen Cholesterinresorption
nur Auflösung von Cholesterinsteinen möglich
UAW: häufig Diarrhö
bei ca. 60 % der behandelten Patienten innerhalb
von 6 – 24 Monaten erfolgreich
Nachteil: bei ca. 40 % der behandelten Patienten
treten innerhalb von 5 Jahren Rezidive auf
Nierensteinzertrümmerer
https://de.wikipedia.org