Palliativmedizin – Symptomkontrolle – Ethische ... · • Ethische Entscheidungskompetenz •...

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(C) Dr. Barbara Schubert, Geriatrie, Palliativmedizin

Palliativmedizin – Symptomkontrolle –

Ethische Herausforderungen

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Palliativmedizin und Hospizarbeit – für wen?

• unabhängig von Lebensalter, Grunderkrankung und Setting

Palliative Care für unterversorgte Gruppen • Ethnische Minderheiten

• Migranten, Asylsuchende • Menschen mit geistiger Behinderung

• Steigende Lebenserwartung, gleiche Erkrankungen wie Nicht-Behinderte

• Gefangene • Spannung zwischen Haft und

Palliativbegleitung

• Obdachlose • Entscheidungen am Lebensende

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Palliative Care ... ist ein Ansatz zur Verbesserung der

Lebensqualität von Patienten und ihren Angehörigen, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen - und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, untadelige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art. WHO 2002

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Palliative care

• Haltung zum sterbenskranken Menschen, die in der Akzeptanz des unweigerlich Sterben Müssens das Optimale an Therapie und Zuwendung sucht und die Bedürfnisse des Kranken partnerschaftlich anerkennt.

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Betreuungsphasen in der Medizin:

• Präventiv – Kurativ - Palliativ Rehabilitationsphase Präterminalphase Terminalphase Zustand „in extremis“ Gesundheit – Heilung - Tod Trauerarbeit

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Verläufe am Ende des Lebens (Murray, S., BMJ 2008)

Hoch

Funk

tion

Zeit

niedrig

Onkologie

Chronische Organerkrankung Geriatrie

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Aufgaben

• Symptomkontrolle multiprofessionell • Psychosoziale Unterstützung • Spirituelle Begleitung • Ethische Entscheidungskompetenz • Angehörigenarbeit • Trauerbegleitung

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Hirndrucksymptomatik

• Steroide: Dexamethason 4-8-16-32-64 mg / die (keine validen Daten), keine Ultrahochdosis (Vecht et al; 1989, Neurology)

• Osmotherapeutika (keine validen Daten) • Indikation zur Strahlen- / Chemotherapie?

(meist erschöpft) • Indikation zur OP (Pat. meist zu erschöpft) • Cave: Immunsuppression! Antiinfektive

Prophylaxen!

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Epilepsie in pc • Konvulsiver Anfall mit tonisch-klonischer

Komponente: Grand-mal, Hemi-Grand-mal, fokal-motorische Anfälle

• Nicht konvulsiver Anfall: einfach fokale Anfälle mit sensiblen Störungen, Kribbelparästhesien, Geruchsmissempfindungen, visuellen Phänomenen

• Levetiracetam s.c. mgl.

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Bitte des Palliativmediziners an den Neuroonkologen:

• Frühzeitig an die terminale Bewusstseinsstörung und die damit verbundene Notwendigkeit von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht denken!

• Kortikosteroide als Stosstherapie

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Einfluss einer guten Palliativbetreuung auf die Sterbesituation (S. Block, JAMA, 2008)

Äng

ste

Zeit Tod

ohne Prognose-gespräch

mit Prognose-gespräch

Symptome bei Aufnahme der Palliativbetreuung

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Wenn das Therapieziel Sterben heißt

• Lebensverlängernde Maßnahmen nicht beginnen

• Lebensverlängernde Maßnahmen beenden

• Leid lindern, auch unter potentieller Lebensverkürzung

• Palliative Sedierung

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„Der Arzt ….

… repräsentiert dem Patienten gegenüber die Bejahung seiner Existenz durch die Solidargemeinschaft der Lebenden, auch, wenn er ihn nicht zum Leben zwingt.“ (Spaemann, 2006)

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Sterben zu müssen ist… • Zumutung • Herausforderung • Strafe • Kampf • Gewinn • Chance zum Neubeginn • Verlust • Schicksal • …

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Sterbewünsche im Coping-Prozess (nach E. Kübler-Ross „Sterbephasen“)

Verneinung und Isolierung (-) Aggressivität (+) Verhandeln (-) Depression (+)

Zustimmung (+) (+) eher ja (-) eher nein

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„Jeder geht seinen Weg in den Tod. Der eine aktiv und bewusst, der andere hat nicht die Kraft, dem Tod mit offenem Visier ins Auge zu schauen.“ (N. R.)

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Sterbewunsch des Patienten • Verunsicherung über das, was kommt • Verstärkung von erlebten

Leidensbildern, Befürchtungen • Suche nach Sicherheit • Angst vor Verlust von Autonomie

und Kontrolle • Kontrolle über den Zeitpunkt des

Sterbens haben

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Sterbewunsch des Patienten • bestmögliche ganzheitliche

Symptomkontrolle schließt Sterbewünsche nicht aus

• Ich will nicht mehr leben! – Ich will so nicht mehr leben!

• Suche nach einer Behandlungsalternative

• oft fehlen Gesprächspartner

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„Was ist bloß mit den Ärzten los? Warum begreifen sie nicht die Bedeutung ihrer schieren Gegenwart? Warum können sie nicht erkennen, das gerade der Augenblick, in dem sie sonst nichts mehr zu bieten haben, der Augenblick ist, in dem man sie am nötigsten hat? Irvin D. Yalom: „Die Reise mit Paula“, 2000

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„Gesichter“ des Sterbewunsches

• Verzweiflung, existenzielles Leid • Ausdruck einer Depression (ca. 30%) • tief empfundene Lebensmüdigkeit • Kokettieren mit dem Tod • Ich will darüber reden! • „Testfrage“ an den Arzt: „Wie steht

es um mich?“

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FAZ 27.08.2014 Tolmein

„… Das heißt nicht, dass das Gespräch über Suizidwünsche tabuisiert werden soll. Aber Ärzte können sich auch heute schon offen für ein Gespräch zeigen, ohne dass die Verschreibung des tödlich wirkenden

Natriumpentobarbitals in das ärztliche Behandlungsangebot als eine Art Leistung

letzter Hand integriert wäre.“

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Entwicklung von Tötung auf Verlangen und assistiertem Suizid (intern. Vergleich)

Häufigkeit und Assoziation (Stiel S, Elsner F, Pestinger M, Radbruch L A wish to hasten

death – What is behind it? Schmerz, 2010)

• bei 10 % stabil • bei 44.5% temporär - Ambivalenz • Wunsch, die Krankheit möge rasch

fortschreiten und zum „natürlichen Ende“ führen

• Planung und Umsetzung eines Suizids: jeder 100. Sterbefall, mit dem Alter steigende Rate, ca. 2% PM

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Sterbewunsch – die Optionen

• Therapieziel prüfen (Perspektive des Arztes und des Patienten) und abgleichen

• Ist eine bestmögliche Symptomkontrolle erreicht?

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Sterbewunsch – die Optionen

• Patientenwille und –einverständnis • Beendigung von mit dem

Patientenwillen nun nicht mehr gedeckter Behandlung – Sterben zulassen, auch Behandlungsabbruch

• Palliative Sedierung als Option der Symptomkontrolle

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Perspektive des Arztes • Behandlungsideale in Frage gestellt • bisherige Behandlung als sinnlos

dargestellt • Gesprächsaufforderung • Wichtigkeit dieses Gespräches verbal

und nonverbal signalisieren • Suche nach dem Leid hinter dem

Leid, nach dem Motiv

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Umgang des Arztes • Offenheit und Respekt im Umgang

mit dem Patienten setzt Auseinandersetzung mit den eigenen Vorstellungen vom Sterben voraus!

• Wie kann umfassende Hilfe ausschauen?

• Therapieziel: Sterben dürfen

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Umgang des Arztes • Todeswunsch im Team kennen • Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit

akzeptiert? • palliative Sedierung angezeigt und

akzeptiert? • Der Sterbewunsch kann so stark sein,

dass unsere Betreuungsangebote als nicht ausreichend erlebt werden.

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Aktuelle Diskussion • „Selbstbestimmung im Sterben –

Fürsorge zum Leben“ Ein Gesetzesvorschlag zur Regelung des Assistierten Suizids (08/2014)

J. D. Borasio, R. J. Jox, J. Taupitz, U. Wiesing • Thesen: Assistierter Suizid reduziert Wunsch nach

Aktiver Sterbehilfe • Angehörige und Ärzte straf- und standesrechtlich

unangreifbar

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Die aktuelle Diskussion reicht von...

• Sterbehilfeorganisationen als gemeinnützige Vereine

• Legalisierung aktiver Sterbehilfe • keine standesrechtliche Strafen für

Suizidhilfe durch Ärzte • Wir brauchen keine andere rechtliche

Absicherung, sondern mehr Courage. (C) Dr. Barbara Schubert, Geriatrie,

Palliativmedizin

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Patienten am Lebensende

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• … sind vorwiegend betagt • … sterben am häufigsten im

Pflegeheim • … sind multimorbid • … leiden häufig auch an Demenz

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Charta zur Betreuung

schwerstkranker und sterbender Menschen

in Deutschland

Herausgeber Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V.

Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V.

Bundesärztekammer

www.dgpalliativmedizin.de

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„…Die Szenarien in der Nähe des Todes benötigen nicht Menschenwürde durch mehr Selbstbestim-mung, sondern Menschenwürde in Schwäche.“ (Sass, Kielstein, 2003)