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Offshoring und eine neue Phase der Internationalisierung von Arbeit
Folie 1
Offshoring, Global Engineering & Co: Eine neue Phase der Globalisierung und die Folgen für die Beschäftigten
Engineering Tagung der IG Metall, Workshop: „Global Engineering“Sindelfingen, 23. September 2010
Tobias Kämpf
Folie 2Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Agenda
Eine neue Phase der Globalisierung – Die Globalisierung erreicht die Büros
Zeitenwende für Hochqualifizierte – Auf dem Weg zu einer echten Lohnarbeit
Arbeitsbeziehungen am Scheideweg – Neue Formen von Arbeitnehmerbewusstsein zwischen Ohnmacht und Solidarität
Folie 3Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Offshoring – ein Thema mit großer Brisanz
Im Zentrum der Internationalisierung von Arbeit standen bisher die industrielle Fertigung und Produktion – Verlagerung von gering qualifizierten Industriearbeitsplätzen ist zur Normalität geworden
Diskussion um „Offshoring“ deutet eine Trendwende an – auch hochqualifizierte Angestelltenarbeit gerät nun unter Globalisierungsdruck Startschuss: Studie von Forrester Research (Nov. 2002) prognostiziert
Abwanderung von 3,3 Mio. Dienstleistungsjobs aus USA in Niedriglohnländer Vorstandsbeschlüsse in großen Unternehmen in 2003 machen Offshoring auch in
Deutschland zum strategischen Thema: Siemens, SAP, DaimlerChrysler ... Aussicht auf Kostensenkungen und drohende Arbeitsplatzverluste forcieren das
öffentliche Interesse – neue Standortdebatte
Im Zentrum steht der Angestelltenbereich, insbesondere … Software & IT-Dienstleistungen, bestimmte Verwaltungstätigkeiten Forschung & Entwicklung „Global Engineering“
Folie 4Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Offshoring ist nur sichtbarer Ausdruck eines tiefgreifenden Strukturwandels
Eine neue Entwicklungsphase beginnt. Sie ist geprägt durch Neue Phase der Globalisierung Standardisierung und neuen Typ
der Industrialisierung von Kopfarbeit
Neue Qualität der Entsicherung auch bei Angestellten und Hochqualifizierten
Offshoring und „global engineering“ sind nur die Spitze des Eisberges ...
Folie 5Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Eine neue Phase der Globalisierung:Produktivkraftsprung als Basis
Basis der Globalisierung 2.0 ist der Informationsraum: Informations- und Kommunikationsnetze bilden Basis für einen neuen globalen Handlungsraum
Arbeit: Im Umgang mit digitalen Informationen ist global verteilte Arbeit möglich – Kopfarbeit gerät in den Sog der Globalisierung
So entsteht eine neue Geographie der Wirtschaft:
Weltunternehmen agieren global aus einem „Guss“
Digitalisierbare Dienstleistungen können global erbracht werden
Neue globale Produktionsmodelle für Kopfarbeit
Folie 6Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Beispiel IT: „Global Delivery Model“ eines indischen IT-Dienstleisters
India: Head Quarter + Factory
Western Europe: „Face to the Customer“
Eastern Europe:Nearshore Delivery Center
Integration über den Informationsraum Arbeitsmittel und
Arbeitsgegenstände im Netz Produktionsbegleitende
Kommunikationssysteme Controlling und Steuerung über
komplexe Informationssysteme
Folie 7Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Beispiel Shared Services: Verlagerung und Globalisierung von Verwaltungsfunktionen
Ausgangssituation: Business Units mit jeweiligen unterstützenden Funktionen und unterschiedlichen Prozessen
BUBU
HR
Acc
HR
Acc
Folie 8Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Beispiel Shared Services: Verlagerung und Globalisierung von Verwaltungsfunktionen
Verlagerung von Teilen des Shared Service Center ins Ausland
Bündelung an einem Standort – Homogenisierung der Prozesse
HR Acc
Acc
BUBU BU
IT als Treiber Standardisierung der
Prozesse Kostensenkung als zentrales
Motiv
Folie 9Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Beispiel Forschung & Entwicklung: Auf dem Weg zum Global Engineering ?!
Internationalisierung im Bereich F&E gewinnt seit Mitte der 90er Jahre erheblich an Dynamik … Starker Anstieg der ausländischen F&E-Budgets: z.B. USA
23,2% (1995) 31,7% (2001) (Reger 2002)
Ausländische F&E Aufwendungen deutscher Unternehmen: Anstieg von 5,1 Mrd € (1995) auf 11,9 Mrd. € (2001) (DIW)
24,5% des F&E-Budgets deutscher Unternehmen werden im Ausland investiert (Stand 2007, Stifterverband d. dt. Wirtschaft 2010)
Aufstieg China als neuer Technologiestandort
Globalisierung der F&E-Netzwerke großer Technologiekonzerne
Folie 10Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Beispiel Forschung & Entwicklung: Auf dem Weg zum Global Engineering ?!
Globales Entwicklungs-Netzwerk eines großen Technologiekonzerns
Lern- und Suchprozesse in Richtung globaler Forschung & Entwicklung
Produktion als strategischer „Taktgeber“: Entwicklung „folgt“ der Produktion „Gekapselte“ Internationalisierungsmuster statt kollaborativer Netzwerke Globalisierung wird (bisher) nicht vom Leitbild Offshoring bestimmt: Wachstum
und Markterschließung statt Verlagerung
Folie 11Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Agenda
Eine neue Phase der Globalisierung – Die Globalisierung erreicht die Büros
Zeitenwende für Hochqualifizierte – Auf dem Weg zu einer echten Lohnarbeit
Arbeitsbeziehungen am Scheideweg – Neue Formen von Arbeitnehmerbewusstsein zwischen Ohnmacht und Solidarität
Folie 12Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
„Neue Zeiten“ für Hochqualifizierte und Angestellte…
Zentrales Forschungsergebnis: In allen Untersuchungsfeldern nehmen die Beschäftigten einen Bruch in der Entwicklung ihrer Arbeitssituation wahr
Globalisierung wird für Hochqualifizierte und Angestellte zur neuen Kontextbedingung Arbeit in globalen Verweissystemen und Handlungsräumen „Weltmarkt für Arbeitskraft“ und die Drohkulisse „Globalisierung“ werden in
neuer Qualität spürbar
… und komplementär erfahren sie grundlegende Veränderungen der Arbeit selbst Standardisierung von Arbeitsinhalten und –prozessen … … bis hin zu einer „Industrialisierung neuen Typs“, die jenseits tayloristischer
Konzepte die Kopfarbeit adressiert
Verlust der bisherigen privilegierten Position im Unternehmen: Neuer Umgang der Unternehmen mit den Hochqualifizierten und Angestellten
Tiefgreifende Erfahrung von Entwertung
Folie 13Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Neue Lohnarbeitserfahrungen
Neue Unsicherheit – Sorge um den Arbeitsplatz, statt zuversichtlicher Blick in die Zukunft Personalabbau, permanente Reorganisation und Verlagerungen sichtbarer Ausdruck
der „neuen Zeiten“ Erfahrung von Austauschbarkeit als Kern der neuen Unsicherheit Zukunftsgewissheit geht verloren – „Prekarität ist überall“ (Bourdieu)
Kulturwandel in den Unternehmen & verschobene Anerkennungsordnungen: „… alles wird irgendwie kälter und instrumenteller…“ Ökonomisierung der Unternehmenskulturen: „Zahlen statt Menschen“ Bruch der impliziten Verträge Sinnverluste und Frustration auf Seiten der Beschäftigten
Von der „Beschaulichkeit“ der „verantwortlichen Autonomie“ zum „System permanenter Bewährung“ (Boes, Bultemeier) Zugehörigkeit zum Unternehmen wird optional gestellt Veränderte Aufstiegs- und Karrieremuster: Von der Seniorität zu Performance und
Zielerreichung Arbeit als permanente Bewährungsprobe: Täglich gilt es neu zu zeigen, dass man es
‚verdient‘ hat, dazuzugehören
„Austauschbarkeit“ wird zur neuen Handlungsgrundlage
Folie 14Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Agenda
Eine neue Phase der Globalisierung – Die Globalisierung erreicht die Büros
Zeitenwende für Hochqualifizierte – Auf dem Weg zu einer echten Lohnarbeit
Arbeitsbeziehungen am Scheideweg– Neue Formen von Arbeitnehmerbewusstsein zwischen Ohnmacht und Solidarität
Folie 15Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Historischer Bruch in der Entwicklung der Interessenidentitäten der Hochqualifizierten
In weiten Teilen der Angestelltenarbeit traditionell hegemonial „Beitragsorientierung“ (Kotthoff) Sinnperspektive der Beschäftigten: als Hochqualifizierte Beitrag leisten zum Erfolg des
Unternehmens Das soziale Gefüge des Unternehmens erscheint als Interesseneinheit bzw. Partnerschaft
Befund 1: Erosion der Beitragsorientierung Beitragsorientierung nicht mehr hegemoniale Interessenidentität Einseitige Kündigung des „impliziten Vertrags“ : Identifikation, Commitment und Loyalität
werden von den Beschäftigten auf den Prüfstand gestellt
Erfahrung von Personalabbau, Kostensenkung und die Durchsetzung eines neuen Kontrollmodus untergraben die Vorstellung einer Partnerschaft von Hochqualifizierten und Unternehmen/Management
Neue Qualität der Lohnarbeitserfahrung prägt die Orientierungen der Hochqualifizierten
Befund 2: Ende der Beitragsorientierung führt zu Neuorientierungsprozessen bei den Hochqualifizierten veränderte Szenerie in den Unternehmen Beitragsorientierung fast nur noch bei Führungskräften zu finden Historischer Bruch in der Entwicklung der Interessenidentitäten von Hochqualifizierten: Neue
Formen von Arbeitnehmerbewusstsein zwischen Ohnmacht und Solidarität
Folie 16Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Hochqualifizierte quo vadis?
Lohnarbeitserfahrungen in neuer Qualität führen zu einem neuen Selbstverständnis vieler Hochqualifizierter: Man sieht sich auf dem Weg zu ‚normalen‘ Arbeitnehmern
Aber die empirischen Untersuchungen zeigen deutlich: kein linearer bzw. homogener Entwicklungs“sprung“, sondern offener sozialer Prozess zwischen zwei gegensätzlichen Polen…
Manifeste Arbeitnehmer Strömung, die die neue Identität, Arbeitnehmer zu sein, positiv anerkennt und zum Ausgangspunkt neuer Handlungsstrategien macht Bewusste Reflektion von Interessengegensätzen Häufig „Überzeugungstäter“ auf Grundlage hoher individueller Primärmacht Selbstbewusstsein und Gewinn von Handlungsfähigkeit
Arbeitnehmer wider Willen die Erkenntnis, im Sinne eines kollektiven Abstiegs nun offensichtlich „nur“ Arbeitnehmer zu sein, wird zum Eingeständnis der eigenen Ohnmacht Neue Kräfteverhältnisse Verlust ihrer Sonderstellung als Grundlage der Neubestimmung ihrer
Interessenidentitäten „Romantische“ Blick zurück blockiert neue Handlungsstrategien und führt zu Konformität und
Anpassung Ohnmacht und Verlust von Handlungsfähigkeit
Folie 17Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Arbeitsbeziehungen am Scheideweg
Zwischen den Polen „Arbeitnehmer wider Willen“ und „manifeste Arbeitnehmer“ existiert keine chinesische Mauer künftige Entwicklung ist abhängig von der weiteren Dynamik der sozialen Auseinandersetzungen im Bereich hochqualifizierter Arbeit
Arbeitsbeziehungen am Scheideweg Negativszenario: Neue Ökonomie der Entwertung und Ohnmacht
der Beschäftigten Positivszenario: Kultur der Solidarität - neue Qualität der
Mitbestimmung und Handlungsfähigkeit
Entwicklung einer neuen Kultur der Solidarität hängt von der Ausbildung einer produktiven Beziehung zwischen Gewerkschaften/Betriebsräten und diesen „neuen Arbeitnehmertypen“ ab
Angestellte und Hochqualifizierte als strategische Zielgruppe von Gewerkschaften und Betriebsräten
Folie 18Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Herzlichen Dank für Ihre
AufmerksamkeitWeitere Informationen:
Dr. Tobias KämpfISF München
Jakob-Klar-Str. 9, 80796 Münchentobias.kaempf@isf-muenchen.de
+49 (0) 89 272921-0
Folie 19Kämpf: Neue Phase der GlobalisierungEngineering-Tagung IG Metall, 23.9.2010
Appendix: Hintergrund & empirische Basis
Forschungsprojekt Export IT (BMBF, Laufzeit 2005 - 2008) „Erfolgsfaktoren der Internationalisierung und Exportfähigkeit von IT-
Dienstleistungen“ Ziel: Identifikation und Entwicklung nachhaltiger
Internationalisierungsstrategien 30 Fallstudien in Deutschland, USA, Indien und Osteuropa (insg. 250
Interviews) Forschungsprojekt Offshoring (HBS, Laufzeit 2007-2010)
„Offshoring und eine neue Phase der Internationalisierung von Arbeit“
Untersuchungsfelder: IT-Industrie, Verwaltungstätigkeiten („Shared Services“) & F&E
Empirische Basis: 8 Fallstudien, insg. 102 Interviews Aktuell: Forschungsprojekt Globe-Pro (BMBF, Laufzeit 2008-2011)
„Global erfolgreich durch professionelle Dienstleistungsarbeit“ Folgen der Globalisierung für Qualifikation und Weiterbildung