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DIPLOMARBEIT
Nutzenpotentiale von mobilen Endgeräten in Krankenhäusern der Maximalversorgung
von
Asarnusch Rashid
eingereicht am 30.06.2004 beim Institut für Angewandte Informatik
und Formale Beschreibungsverfahren (AIFB) der Universität Karlsruhe (TH)
Referent: Prof. Dr. W. Stucky Betreuer: Dr. D. Hertweck
Heimatanschrift: Studienanschrift: Finkenweg 47 Karl-Wilhelm-Str. 26 79312 Emmendingen rashid@fzi.de
76131 Karlsruhe
II
I
DANKSAGUNG
Ich bedanke mich herzlich bei
☺ meinem Referenten, Prof. Dr. Stucky,
☺ Dr. Dieter Hertweck für die Betreuung der Arbeit am FZI,
☺ Dr. Jürgen Schöchlin für die Betreuung der Arbeit am Klinikum,
☺ Ferhat Cakmak für die Koordination am Klinikum,
☺ allen beteiligten Mitarbeitern des Klinikums für ihr offenes Entgegenkommen,
☺ Werner Thiemann, Tim Romberg und Ines Alves de Queiroz für Kommentare,
☺ meiner Freundin Birte für Kommentare, Geduld und Anteilnahme,
☺ und bei meinen Eltern für ihre Unterstützung!
III
ZUSAMMENFASSUNG
Im Zuge der Einführung der Fallkostenpauschalen (DRG) in Kliniken der öffentlichen
Hand sind erbrachte Leistungen am Patienten zu erfassen, zu dokumentieren und kos-
tendeckend abzurechnen. Die Herausforderung für Kliniken besteht darin, geeignete
Prozesse und Werkzeuge zur Verbesserung und Kontrolle der Effizienz und Kosten-
strukturen zur Verfügung zu stellen. Dabei geraten in letzter Zeit verstärkt Versor-
gungsprozesse ins Zentrum von Optimierungsinitiativen. Ziele ihrer Optimierung sind
die Verminderung von Lagerzeiten und Fehllieferungen und die damit einhergehende
Senkung von Material- bzw. Transaktionskosten, sowie die messbare Steigerung der
Versorgungsqualität beim Patienten bei verminderten Verwaltungskosten.
Im Rahmen dieser Diplomarbeit untersuchte der Forschungsbereich „Business Process
Engineering and Management“ (BPEM) des Forschungszentrum Informatik (FZI) im
Auftrag des Städtischen Klinikums Karlsruhe mögliche Nutzenpotentiale durch den
Einsatz mobiler Endgeräte auf einer Krankenhaus-Station. Als Fallbeispiele dienten die
Unterstützungsprozesse der Arzneimittel- und Essensversorgung. Die Rentabilität eines
mobilen Systems in einem Krankenhaus der Maximalversorgung, wie dem Städtischen
Klinikum Karlsruhe, stand als zentraler Forschungsgegenstand im Zentrum der Unter-
suchung.
Das mobile System bietet die Möglichkeit Bestellungen auf den Stationen mittels PDA
zu erfassen und über eine Docking-Station an die Apotheke bzw. an die Küche zu ü-
bermitteln. In der Apotheke erfolgt die Bearbeitung der Arzneimittelbestellungen mit
Hilfe von PDA, die Küche verarbeitet die Bestellungen automatisiert und druckt diese
in Form eines Produktions-Plan aus. Zur Beschriftung der Essen-Tabletts werden Tab-
lett-Kärtchen fabriziert. Als Alternative wurde zudem eine Scanner-Variante in Betracht
gezogen, bei der auf den Stationen anstelle der PDA einfache Barcode-Scanner zur Ein-
satz kommen sollen.
Mit Hilfe der in dieser Arbeit vorgestellten Methodik wurden die Ist- bzw. Soll-
Prozesse des heutigen sowie des mobilen System bzw. der Scanner-Variante erfasst und
IV
dokumentiert, deren Kosten und Nutzen im Sinne der Prozesskostenrechnung ermittelt
und in einer Wirtschaftlichkeitsanalyse einander gegenüber gestellt.
Zur Unterstützung der Investitionsentscheidung in Form eines betriebswirtschaftlichen
Entscheidungsproblems wurde eine Empfehlung zu Gunsten des mobilen Systems aus-
gesprochen. Die Investition in das mobile System bzw. in die Scanner-Variante rentiert
sich bereits innerhalb eines Jahres, was sich durch die starke Senkung der Betriebskos-
ten und der Eingrenzung der Risiken begründet erklären lässt, Die starken Senkungen
der Kosten sind auf die Integration autonomer Teilsysteme durch die mobilen Endgeräte
sowie auf die dadurch erzielte Beseitigung von Medienbrüchen zurück zu führen. Zu-
dem kann durch die Vielseitigkeit der mobilen Geräte eine deutliche Einsparung an Ar-
beitszeit durch Parallelisierung von Abläufen erreicht werden. Des Weiteren stehen der
Controlling-Abteilung durch die patientenbezogene Arzneimittel- und Essensbestellung
mehr Möglichkeiten zur Verfügung, die Leistungen und deren Kosten zu messen und zu
beurteilen.
Aus dem Vergleich zwischen dem mobilen System und der Scanner-Variante kristalli-
siert sich schließlich das mobile System als empfehlenswert heraus. Die Scanner-
Variante weist in der Benutzbarkeit und in der Erweiterbarkeit große Schwächen, wel-
che letztendlich den Erfolg der Integration in die Krankenhaus-Arbeitsprozesse stark
beeinflussen.
V
Ich versichere hiermit, dass ich diese Arbeit selbst und ohne unzulässige Hilfsmittel
angefertigt habe. Die verwendeten Quellen sind im Literaturverzeichnis angegeben.
Asarnusch Rashid Karlsruhe, den 30. Juni 2004
VII
INHALTSVERZEICHNIS
DANKSAGUNG...............................................................................................................I
ZUSAMMENFASSUNG ............................................................................................. III
INHALTSVERZEICHNIS......................................................................................... VII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ..................................................................................IX
TABELLENVERZEICHNIS.......................................................................................XI
FORMELVERZEICHNIS ....................................................................................... XIII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .............................................................................. XV
1 EINLEITUNG ......................................................................................................... 1
1.1 HINTERGRUND ................................................................................................... 1 1.2 ZIELSETZUNG DER ARBEIT UND ZENTRALE FORSCHUNGSFRAGEN ..................... 2 1.3 AUFBAU DER ARBEIT ......................................................................................... 3
2 BEGRIFFLICHKEITEN UND GRUNDLAGEN................................................ 5
2.1 ZUM BEGRIFF „KRANKENHAUS DER MAXIMALVERSORGUNG“.......................... 5 2.1.1 Finanzierungssystem eines deutschen Krankenhauses ............................. 5 2.1.2 Wirtschaftlichkeitsprinzip eines Krankenhauses....................................... 7 2.1.3 Prozessorientierung im Krankenhaus ....................................................... 8 2.1.4 Relevante gesetzliche Bestimmungen für ein deutsches Krankenhaus ..... 9
2.2 METHODEN DER WIRTSCHAFTLICHKEITSRECHNUNG ....................................... 14 2.2.1 Prozesskostenrechnung ........................................................................... 14 2.2.2 Rechenverfahren zur monetären Wirtschaftlichkeit................................ 14 2.2.3 Die Nutzwertanalyse ............................................................................... 17
2.3 GRUNDLAGEN DER PROZESSOPTIMIERUNG ...................................................... 19 2.3.1 Zum Begriff „Prozess“............................................................................ 19 2.3.2 Zum Begriff „Prozessoptimierung“ ........................................................ 21 2.3.3 Zum Begriff „Datenerhebung“ ............................................................... 23 2.3.4 Zum Begriff „Prozess-Modellierung“ .................................................... 23 2.3.5 Zum Begriff „Prozessanalyse“ ............................................................... 29
2.4 METHODEN ZUR DATENERHEBUNG.................................................................. 30 2.4.1 Mündliche Befragung.............................................................................. 31 2.4.2 Schriftliche Befragung ............................................................................ 32 2.4.3 Teilnehmende Beobachtung .................................................................... 32 2.4.4 Inventur ................................................................................................... 33
2.5 INFORMATIONSSYSTEME UND MOBILE ENDGERÄTE ......................................... 34 2.5.1 Zum Begriff „Informationssystem“......................................................... 34
VIII
Inhaltsverzeichnis
2.5.2 Zum Begriff „Krankenhausinformationssystem“.................................... 35 2.5.3 Mobile Endgeräte.................................................................................... 37 2.5.4 Mobile Endgeräte in Krankenhausinformationssystemen ...................... 37 2.5.5 Nutzen von mobilen Endgeräten in Krankenhausinformationssystemen 39
3 FORSCHUNGSSTRATEGIE UND METHODEN ........................................... 41
3.1 BEWERTUNG DER NUTZENPOTENTIALE MOBILER ENDGERÄTE VON KRANKENHÄUSERN DER MAXIMALVERSORGUNG........................................................ 42
3.1.1 Die Datenerhebung ................................................................................. 42 3.1.2 Die Prozessmodellierung ........................................................................ 45 3.1.3 Die Prozessanalyse ................................................................................. 46
3.2 ABSCHLIEßENDE METHODENREFLEXION.......................................................... 50
4 FALLSTUDIE: STÄDTISCHES KLINIKUM KARLSRUHE........................ 51
4.1 AUSGANGSSITUATION...................................................................................... 51 4.2 PROJEKTVERLAUF ............................................................................................ 52 4.3 ERGEBNISSE DER BEWERTUNG DER NUTZENPOTENTIALE IN DER ARZNEIMITTEL- UND ESSENSVERSORGUNG ................................................................. 53
4.3.1 Ausgangssituation in der Arzneimittelversorgung.................................. 54 4.3.2 Szenario: Arzneimittelversorgung mit mobilen Endgeräten................... 60 4.3.3 Ausgangssituation in der Essensversorgung........................................... 66 4.3.4 Szenario: Essensversorgung mit mobilen Endgeräten............................ 71 4.3.5 Realisierungsplan.................................................................................... 76 4.3.6 Wirtschaftlichkeitsrechnung.................................................................... 77 4.3.7 Zusammenfassung der Ergebnisse der Fallstudie .................................. 81
4.4 REFLEXION DER VORGEHENSWEISE ................................................................. 82
5 ZUSAMMENFASSUNG & AUSBLICK............................................................ 83
5.1 ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE ............................................................ 83 5.2 AUSBLICK ........................................................................................................ 84
5.2.1 Einbindung weiterer Arbeitsbereiche in das mobilen Systems ............... 85 5.2.2 Ausbau des Krankenhausinformationssystems ....................................... 85 5.2.3 Auslagerung ganzer Dienstleistungsbereiche......................................... 86 5.2.4 Ausbau ganzer Dienstleistungsbereiche für externe Kunden ................. 86 5.2.5 Abschließende Bemerkungen .................................................................. 87
6 ANHANG............................................................................................................... 89
6.1 ERGEBNISSE DER DATENERHEBUNG ................................................................ 89 6.1.1 Materialkosten ........................................................................................ 89 6.1.2 Personalkosten ........................................................................................ 92
6.2 EVALUIERUNG VON GEEIGNETEN PDA UND SCANNER..................................... 99 6.2.1 Anforderungen ........................................................................................ 99 6.2.2 Hardware .............................................................................................. 100 6.2.3 Software ................................................................................................ 101 6.2.4 Alternative Lösungen ............................................................................ 102 6.2.5 Fazit ...................................................................................................... 102
LITERATURVERZEICHNIS................................................................................... 107
STICHWORTVERZEICHNIS ................................................................................. 113
IX
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNG 2-1: PROZESSSTRUKTUR EINES KRANKENHAUSES NACH [ELBE03]................9
ABBILDUNG 2-2: BEISPIEL EINES MÖGLICHEN ROI-KURVENVERLAUFES.........................16
ABBILDUNG 2-3: BEISPIEL EINES MÖGLICHEN NPV-KURVENVERLAUFES........................17
ABBILDUNG 2-4: SCHRITTE DER NUTZWERTANALYSE .....................................................18
ABBILDUNG 2-5: GRUNDSTRUKTUR EINES PROZESSES NACH [SCFI98]............................20
ABBILDUNG 2-6: ZIELDREIECK DER PROZESSOPTIMIERUNG AUS [GRHO02]....................22
ABBILDUNG 2-7: VORGEHENSWEISE BEI DER PROZESSOPTIMIERUNG ..............................22
ABBILDUNG 2-8: VORGEHENSWEISE BEI DER DATENERHEBUNG......................................23
ABBILDUNG 2-9: VORGEHENSWEISE ZUR RECHNERUNTERSTÜTZTEN
PROZESSOPTIMIERUNG.............................................................................................24
ABBILDUNG 2-10: GRUNDELEMENTE DES INCOME PROCESS DESIGNER........................26
ABBILDUNG 2-11: BEISPIEL FÜR DAS VERHALTEN EINES EINFACHEN PETRINETZES.........26
ABBILDUNG 2-12: AND-/OR-SPLITS UND AND-/OR-JOINS IM INCOME PROCESS
DESIGNER ................................................................................................................27
ABBILDUNG 2-13: AUSSCHNITT AUS EINEM BEISPIEL-ABLAUFMODELL DES INCOME
PROCESS DESIGNER .................................................................................................28
ABBILDUNG 2-14: VORGEHENSWEISE BEI EINER PROZESSANALYSE ................................29
ABBILDUNG 2-15: KOMPONENTEN EINES INFORMATIONSSYSTEMS IN EINER
ORGANISATION NACH [BOTT04] ..............................................................................35
ABBILDUNG 2-16: AUFGABEN DER INFORMATIONSVERARBEITUNG IM KRANKENHAUS
NACH [HAAB01]......................................................................................................36
ABBILDUNG 3-1: VORGEHENSSCHEMA ZUR BEWERTUNG DER NUTZENPOTENTIALE........44
ABBILDUNG 3-2: VORGEHENSSCHEMA DER PROZESSMODELLIERUNG .............................45
ABBILDUNG 3-3: VORGEHENSSCHEMA DER PROZESSANALYSE........................................46
ABBILDUNG 4-1: ORGANIGRAMM STÄDTISCHES KLINIKUM KARLSRUHE NACH [STAE04]
.................................................................................................................................51
ABBILDUNG 4-2: UNTERSTÜTZUNGSPROZESS „PATIENT VERSORGEN" IM KRANKENHAUS
.................................................................................................................................53
X
Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 4-3: AUSSCHNITT AUS DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG IM KLINIKUM
(HEUTIGES SYSTEM) ................................................................................................ 54
ABBILDUNG 4-4: ARZNEIMITTEL BESTELLEN (HEUTIGES SYSTEM).................................. 55
ABBILDUNG 4-5: ARZNEIMITTEL LIEFERN (HEUTIGES SYSTEM) ...................................... 56
ABBILDUNG 4-6: AUSSCHNITT AUS DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG IM KLINIKUM
(MOBILES SYSTEM).................................................................................................. 60
ABBILDUNG 4-7: ARZNEIMITTEL BESTELLEN (MOBILES SYSTEM) ................................... 61
ABBILDUNG 4-8: ARZNEIMITTEL LIEFERN (MOBILES SYSTEM)........................................ 62
ABBILDUNG 4-9: AUSSCHNITT AUS DER ESSENSVERSORGUNG IM KLINIKUM (HEUTIGES
SYSTEM) .................................................................................................................. 66
ABBILDUNG 4-10: ESSEN BESTELLEN (HEUTIGES SYSTEM)............................................. 67
ABBILDUNG 4-11: ESSEN LIEFERN (HEUTIGES SYSTEM) .................................................. 68
ABBILDUNG 4-12: AUSSCHNITT AUS DER ESSENSVERSORGUNG IM KLINIKUM (MOBILES
SYSTEM) .................................................................................................................. 71
ABBILDUNG 4-13: ESSEN BESTELLEN (MOBILES SYSTEM)............................................... 72
ABBILDUNG 4-14: ESSEN LIEFERN (MOBILES SYSTEM)................................................... 73
ABBILDUNG 4-15: GROBER REALISIERUNGSPLAN ........................................................... 77
ABBILDUNG 4-16: KOSTEN-, NUTZEN, ROI-KURVENVERLAUF (MOBILES SYSTEM)........ 80
ABBILDUNG 4-17: KOSTEN-, NUTZEN, ROI-KURVENVERLAUF (SCANNER-VARIANTE)... 80
XI
TABELLENVERZEICHNIS
TABELLE 4-1: MATERIALKOSTEN DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG (HEUTIGES SYSTEM)
.................................................................................................................................58
TABELLE 4-2: PERSONALKOSTEN DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG (HEUTIGES SYSTEM)
.................................................................................................................................59
TABELLE 4-3: MATERIALKOSTEN DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG (MOBILES SYSTEM)64
TABELLE 4-4: PERSONALKOSTEN DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG (MOBILES SYSTEM)65
TABELLE 4-5: PERSONALKOSTEN DER ESSENSVERSORGUNG (HEUTIGES SYSTEM) ..........70
TABELLE 4-6: MATERIALKOSTEN DER ESSENSVERSORGUNG (HEUTIGES SYSTEM)..........71
TABELLE 4-7: MATERIALKOSTEN DER ESSENSVERSORGUNG (MOBILES SYSTEM) ...........75
TABELLE 4-8: PERSONALKOSTEN DER ESSENSVERSORGUNG (MOBILES SYSTEM) ...........76
TABELLE 4-9: WIRTSCHAFTLICHKEITSRECHNUNG MITTELS ROI- UND NPV-METHODE .78
TABELLE 6-1: QUELLENVERZEICHNIS ..............................................................................89
TABELLE 6-2: ERHOBENE DATEN.....................................................................................90
TABELLE 6-3: DETAILS DER MATERIALKOSTEN (HEUTIGES SYSTEM)..............................90
TABELLE 6-4: DETAILS DER MATERIALKOSTEN (MOBILES SYSTEM/SCANNER)...............91
TABELLE 6-5: DETAILS DER LOHNKOSTEN.......................................................................92
TABELLE 6-6: PERSONALKOSTEN DER ESSENSVERSORGUNG (HEUTIGES SYSTEM) ..........93
TABELLE 6-7: PERSONALKOSTEN DER ESSENSVERSORGUNG (MOBILES SYSTEM/SCANNER)
.................................................................................................................................94
TABELLE 6-8: PERSONALKOSTEN DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG (HEUTIGES SYSTEM)
.................................................................................................................................95
TABELLE 6-9: PERSONALKOSTEN DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG (MOBILES
SYSTEM/SCANNER) ..................................................................................................96
TABELLE 6-10: ZUSAMMENFASSUNG DER PROZESSKOSTEN.............................................97
TABELLE 6-11: 1D-SCANNER OHNE KABEL ...................................................................104
TABELLE 6-12: RUGGERIZED PDA MIT SCANNER UND PALMOS....................................104
TABELLE 6-13: RUGGERIZED PDA MIT SCANNER UND POCKETPC/WINDOWSCE..........104
XIII
FORMELVERZEICHNIS
FORMEL 2-1: ROI-KOEFFIZIENT ......................................................................................15
FORMEL 2-2: NPV-KOEFFIZIENT .....................................................................................16
FORMEL 2-3: ZUSTANDRAUM Z .......................................................................................19
FORMEL 4-1: ROI-KOEFFIZIENT DES MOBILEN SYSTEMS (T=3, ZINSFUß=10%)...............79
FORMEL 4-2: ROI-KOEFFIZIENT DER SCANNER-VARIANTE (T=3, ZINSFUß=10%)...........79
FORMEL 4-3: NPV-KOEFFIZIENT DES MOBILEN SYSTEMS (T=3, ZINSFUß=10%)..............79
FORMEL 4-4: NPV-KOEFFIZIENT DER SCANNER-VARIANTE (T=3, ZINSFUß=10%)..........79
XV
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AM Arzneimittel ApBetrO Apothekenbetriebsordnung ApoG Apothekengesetz AMK Arzneimittelkommission BDSG Bundesdatenschutzgesetz BPEM Business Process Engineering and Management BTM Betäubungsmittel BtMVV Betäubungsmittelverschreibungsverordnung DRG Diagnosis Related Groups EPK Ereignisgesteuerte Prozessketten FZI Forschungszentrum Informatik Karlsruhe G-DRG German Diagnosis Related Groups HC3 Health Care Competence Center IDEF ICAM Definition IS Informationssystem IT Informationstechnologie KHG Krankenhausfinanzierungsgesetz KIS Krankenhausinformationssystem LKHG Landeskrankenhausgesetze MIT Medizinische Informationstechnik NPV net present value
XVI
AbkürzungsverzeichnisEinleitung
OMT Object Modelling Technique PC Personal Computer PDA Personal Digital Assistant PKA Pharmazeutisch-kaufmännische Assistenten PTA Pharmazeutisch-technische Assistenten RIS Rechnergestütztes Informationssystem ROI return on investment VVA Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel WLAN Wireless Local Area Network
1
1 EINLEITUNG
Tagtäglich sind Pflegekräfte und Ärzte in einem Krankenhaus im Einsatz um ihren Pati-
enten die bestmögliche Gesundung zu ermöglichen. In der Regel erstrecken sich die
dafür notwendigen Tätigkeiten über alle Räume der Stationen und häufig sogar über die
der gesamten Klinik hinweg. Neben einem hohen Maß an Mobilität erfordert der Kran-
kenhausalltag daher einen regen Informationsaustausch mit Kollegen auf der Station
aber auch in anderen Abteilungen, mit Vorgesetzten, Patienten und Besuchern. Dabei
wird auch eine ausführliche Dokumentation dieser Informationen unumgänglich. Für
diese Anforderungen wird vielerorts traditionell auf Papierformulare, Notizzettel und
Telefone zurückgegriffen, obwohl von Herstellern eine Vielzahl an leistungsfähigen,
mobilen Kleinstcomputern angeboten wird. Mit diesen Geräten könnte dem Personal
einfache, vielseitige und komfortable Werkzeuge zur Unterstützung der informations-
technischen, ubiquitären Aufgaben zur Verfügung gestellt werden.
Doch lediglich eine geringe Anzahl von Funktionsbereichen wie Apotheken und Mate-
riallager [Buch98] sowie auch vereinzelt Stationen1 werden scheinbar zögerlich mit mo-
bilen, reinen Datenerfassungsgeräten (z.B. Barcode-Scanner) ausgestattet um reine Wa-
reneingänge und -ausgänge zu erfassen. Buchauer vermutet, dass diese zögerliche Hal-
tung auf die noch unerprobte Vorgehensweise zur Integration der mobilen Geräte in das
heterogene Informationssystem eines Krankenhauses zurückzuführen ist.
Gegenstand dieser Arbeit wird es sein, die Vorgehensweise zur Integration mobiler Ge-
räte im informationstechnischen und betriebswirtschaftlichen Sinne zu untersuchen und
Aussagen über deren Nutzenpotentiale zu machen. Im Weiteren bezeichnet der Begriff
„Mobiles System“ ein Informationssystem, in dem mobile Endgeräte integriert sind.
1.1 HINTERGRUND
Das Städtische Klinikum Karlruhe hatte Monate vor Beginn dieser Diplomarbeit bereits
ein Pilot-Projekt mit dem Namen „Mobile Computing“ ins Leben gerufen. Dieses diente
____________ 1 Uni-Klinik Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Uni-Klinik Erlangen, das Katharinen-Hospital Stuttgart
und das Klinikum Mainz.
2
Einleitung
der Optimierung der Arzneimittel-Bestellung auf Station und in der Apotheke mit Hilfe
eines mobilen Systems und umfasste die Apotheke und die zwei Pilotstationen B25 und
D20. Ein Softwareberatungsunternehmen hat im Auftrag der Klinik eine Beratung der
Apotheke durchgeführt, ein Grob- und ein Feinkonzept ausgearbeitet und die entspre-
chende Software entwickelt. Das Softwareberatungsunternehmen brachte zudem Erfah-
rungen aus abgeschlossenen Projekten in der Uni-Klinik Erlangen und in der Uni-Klinik
Schleswig-Holstein Campus Lübeck mit ein. Das Projekt befand sich bei Abgabe dieser
Arbeit in der produktiven Test-Phase. Ziel dieses Projekts war es, die Funktionsweise
eines mobilen Systems zu testen und dieses bei erfolgreichem Abschluss auf alle Statio-
nen auszuweiten. Außerdem sollten anderen Abteilungen, wie Küche, Wäscherei, Labor
und besonders der Geschäftsführung die Machbarkeit und die Vorzüge des mobilen
Systems präsentiert werden.
Unabhängig vom Klinikum gründete das FZI zeitgleich das Kompetenzzentrum „Health
Care Competence Center HC3“ (HC3), in welchem neben dem Forschungsbereich
BPEM fünf weitere Forschungsbereiche des FZI zusammenwirken. Als Ziel verfolgt
das HC3 ein Angebot an ganzheitliche Lösungen in der Medizintechnik als Schnittstelle
zwischen Praxis und Forschung.
1.2 ZIELSETZUNG DER ARBEIT UND ZENTRALE FORSCHUNGSFRAGEN
Im Auftrag des Städtischen Klinikums Karlsruhe sollten im Rahmen dieser Diplomar-
beit die Nutzenpotentiale von mobilen Endgeräten im Klinikum untersucht werden. Die
Schwerpunkte wurden aufgrund des Umfangs auf die Versorgungsprozesse der Arznei-
mittel- und Essensversorgung gesetzt.
Darüber hinaus verfolgt diese Arbeit das Ziel, eine Methodik zur Bewertung solcher
Nutzenpotentiale durch die Integration mobiler Endgeräte in die Arbeitsabläufe zu ent-
wickeln und deren Eignung in einer Fallstudie zu erproben.
Die Vorgehensweise und Rentabilität der Integration mobiler Geräte in den Versor-
gungsprozessen eines Krankenhauses der Maximalversorgung stehen als zentrale For-
schungsfragen im Vordergrund. Daraus können folgende Fragen abgeleitet werden:
1.3 - Aufbau der Arbeit
3
• Welche Rahmenbedingungen sind für den Einsatz von mobilen Geräten in
Krankenhäusern zu beachten?
• Wo und wie können mobile Endgeräte in Krankenhausprozesse integriert wer-
den?
• Welche mobilen Endgeräte sind für die Anwendung im Krankenhaus geeignet?
• Wie können Kosten und Leistungen der Versorgungsprozesse mit und ohne un-
terstützende mobile Geräte erfasst werden?
• Welche Nutzen und Risiken sind bei einer Inbetriebnahme mobiler Systeme zu
erwarten?
Eine weitere Aufgabe dieser Arbeit bestand in der Vorstellung der Ergebnisse der Fall-
studie in Form eines Berichts sowie einer anschließenden Präsentation. Unterstützung
leistete hierbei der Forschungsbereich Medizinische Informationstechnik (MIT) des FZI
mit der Durchführung einer PDA/Scanner-Marktanalyse und der Beratung in Fragen zu
mobilen Endgeräten. Die Ergebnisse der Arbeit wurden in Form einer Top-
Management-Präsentation den Entscheidern im Klinikum vorgestellt und als Unterstüt-
zung zur Entscheidungsfindung hinzugezogen.
1.3 AUFBAU DER ARBEIT
Kapitel 2 vermittelt die wirtschaftlichen und gesetzlichen Hintergründe in einer Kran-
kenhaus-Umgebung, die Verfahren der Wirtschaftlichkeitsrechnungen, die Begriffe, die
im Zusammenhang mit einer Prozessoptimierung verwendet werden, sowie Erläuterun-
gen zu mobilen Geräten und deren Nutzen in Informationssystemen.
Die Forschungsstrategie und die entsprechenden Methoden werden in Kapitel 3 vorge-
stellt. Die Erläuterungen zu dieser Strategie befassen sich mit der Bewertung der Nut-
zenpotentiale und beschreiben die eingesetzten Methoden. Anmerkungen zu den Me-
thoden finden sich am Ende des Kapitels in den Schlussbemerkungen.
Die Anwendung der vorgestellten Forschungsstrategie erfolgt in der Fallstudie in Kapi-
tel 4, die sich vollständig auf die Arzneimittel- und Essensversorgung konzentriert. Die
Schlussbemerkung beinhaltet abschließende Hinweise und Kommentare zum Verlauf
der Analyse.
4
Einleitung
Kapitel 5 liefert neben der Zusammenfassung der relevanten Ergebnisse einen Ausblick
auf noch offen stehende Fragen und Diskussionsansätze.
5
2 BEGRIFFLICHKEITEN UND GRUNDLAGEN
2.1 ZUM BEGRIFF „KRANKENHAUS DER MAXIMALVERSORGUNG“
Krankenhäuser in Deutschland werden klassifiziert nach ärztlicher/pflegerischer Ziel-
setzung, nach ärztlicher Besetzung, nach der Trägerschaft und nach ihrer Versorgungs-
stufe [Bott03]. Letztere gibt an, über wie viele Betten das Krankenhaus verfügt. In ei-
nem Krankenhaus der Maximalversorgung stehen demnach mehr als 1.000 Betten zur
Verfügung.
Im Allgemeinen beschränkt sich diese Arbeit aus zeitlichen Gründen auf Krankenhäuser
mit öffentlicher Trägerschaft. Allerdings werden in Kapitel 5 die Unterschiede zu pri-
vatwirtschaftlich geführten Krankenhäusern kurz diskutiert und die Übertragbarkeiten
der Ergebnisse erörtert.
Im Folgenden werden nun das grobe Finanzierungssystem deutscher Krankenhäuser, die
Prozessstruktur und Besonderheiten der Krankenhausleistungen sowie die relevanten
gesetzlichen Rahmenbedingungen, auf die im Verlauf dieser Arbeit Bezug genommen
wird, vorgestellt.
2.1.1 Finanzierungssystem eines deutschen Krankenhauses
1972 wurde aufgrund der damals defizitären Lage vieler Krankenhäuser mit dem Kran-
kenhausfinanzierungsgesetz (KHG) [KHG99] erstmals eine dualistische Finanzierung
eingeführt [Guth80]. Seither werden Investitionskosten durch Steuermittel aus öffentli-
cher Hand gedeckt. Die Betriebskosten finanzieren sich über die Pflegesätze der Sozial-
leistungsträger (Krankenkassen). Laut [KHG99] müssen dabei die Fördermittel und die
Erlöse die Selbstkosten eines wirtschaftlichen und leistungsfähigen Krankenhaus-
Betriebs decken. Man spricht hier auch vom Kostendeckungsprinzip. Das Ziel des Ge-
6
Begrifflichkeiten und Grundlagen
setzgebers lag darin, dass Krankenhäuser nicht langfristig durch Zahlungsunfähigkeit
und Überschuldung ihrer Existenz beraubt werden [Guth80]. Bei Schließung eines
Krankenhauses könnte evtl. die bedarfsgerechte Versorgung nicht mehr garantiert wer-
den.
2.1.1.1 Zum Begriff „Investitionskosten“
Die Investitionskosten werden, wie oben beschrieben, durch Fördermittel vom Land
übernommen und setzen sich laut [KHG99] aus allen Kosten zusammen, die mit Maß-
nahmen zur Erhöhung des Anlagevermögens eines Krankenhauses verbunden sind.
Durch diese Fördermittel erhält der Staat ein Steuerungsinstrument, mit dessen Hilfe die
Ziele des Landes bezüglich der Krankenhäuser besser verfolgt werden können. An För-
dermittel sind Bedingungen bzw. Erwartungen geknüpft, die das Krankenhaus mit der
geplanten Investition erreichen soll. Eine Bedingung ist dabei stets die Gesamtwirt-
schaftlichkeit des Krankenhauses und somit auch die Senkung bzw. Beibehaltung der
Betriebskosten.
2.1.1.2 Zum Begriff „Betriebskosten“
Die Betriebskosten setzen sich nach [KHG99] aus Kosten für die Instandhaltung des
Krankenhauses sowie für die Anschaffung bzw. Herstellung von Verbrauchsgütern zu-
sammen. Betriebskosten werden auch als pflegesatzfähige Kosten bezeichnet und dem-
zufolge über die Pflegesätze der Kostenträger (Krankenkassen) vergütet.
2.1.1.3 Zum Begriff „Diagnosis Related Groups (DRG)“
Die Abkürzung DRG steht hierbei für „Diagnosis Related Groups“ (Fallpauschalen). In
DRG-Systemen werden Behandlungsfälle in Akut-Krankenhäusern2 in definierte Grup-
pen mit möglichst ähnlichen Behandlungskosten eingeteilt. Für jeden Krankheitsfall
wird somit eine gewisse Pauschale zur Vergütung erstattet. Liegen die tatsächlichen
Betriebskosten über dieser Pauschale, entstehen dem Krankenhaus Verluste. Können die
Betriebskosten unter diese Pauschale gesenkt werden, kann das Krankenhaus sogar Ge-
____________ 2 Ein Akutkrankenhaus ist ein Krankenhaus, bei dem für Akutfälle Tag- und Nachtaufnahmebereitschaft
besteht und ein breites Spektrum akuter Behandlungsfälle vorliegt.
2.1 - Zum Begriff „Krankenhaus der Maximalversorgung“
7
winne aufweisen, mit denen Verluste durch andere Leistungen kompensiert werden
können.
Die Fallpauschalen-Regelung wurde an der Universität Yale (USA) [GrHo02] entwi-
ckelt und erstmals im Jahr 1983 als Krankenhaus-Finanzierungssystem eingeführt. An-
dere Staaten griffen diese Idee auf und generierten sich aufbauend auf den DRG-
Systemen ihr eigenes länderspezifisches DRG-System. Im Jahr 1999 wurde auch in
Deutschland beschlossen, ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes
Entgeltsystem zur Krankenhausvergütung in Anlehnung an das DRG-System auf den
Weg zu bringen [KHG99; §17b]. Hierbei sollten Erfahrungen anderer Länder mit DRG-
Systemen in das deutsche DRG-System einfließen. Das deutsche DRG-System ist auch
unter dem Begriff G-DRG (German-DRG) [GrHo02] bekannt.
Zum 1. Januar 2003 ersetzte dieses neue Vergütungssystem die bisher abgerechneten
Entgelte nach §17 KHG [KHG99] und wurde budgetneutral - parallel zum herkömmli-
chen Pflegesatz-System - umgesetzt. Seit Januar 2004 werden die Betriebskosten der
Krankenhäuser nun ausschließlich über die Fallpauschalen finanziert. Die Höhe der
Fallpauschalen wurde bei Einführung des Systems krankenhausindividuell festgelegt
und soll nun in einer Übergangsphase von 3 Jahren bundesweit vereinheitlicht werden.
Seit der Einführung der Fallpauschalen-Finanzierung ist jedes Krankenhaus verpflichtet,
sein Kosten-Leistungs-Verhältnisse zu bestimmen und bei Verlusten rechtzeitig zu rea-
gieren. Bei der Frage, wie Kosten bei gleicher bzw. besserer Leistung zu senken sind, ist
die Geschäftsführung im Zugzwang. Das neue Entgeltsystem zwingt das Management
eines Krankenhauses dazu, wie in einem mittelständischem Unternehmen zu agieren,
mit dem Unterschied, dass in einem Krankenhaus weiterhin krankenhausspezifische,
soziale und gesetzliche Rahmenbedingungen bindend sind. Zur Senkung der Kosten
bzw. zur Steigerung der Qualität der angebotenen Dienstleistungen wird es in Kranken-
häusern künftig notwendig sein, klinische Behandlungspfade zu entwickeln und syste-
matische, kontinuierliche Optimierungsprozesse einzuführen. Ohne diese Kostentrans-
parenz läuft ein Krankenhaus Gefahr, in den Konkurs zu wirtschaften und von Mitbe-
werbern aufgekauft zu werden.
2.1.2 Wirtschaftlichkeitsprinzip eines Krankenhauses
Nach [Woeh90] besitzt das Prinzip der Wirtschaftlichkeit, dem jeder wirtschaftliche
Betrieb folgt, zwei Varianten:
8
Begrifflichkeiten und Grundlagen
• Das Maximalprinzip: Mit vorhandenen Mitteln wird die größtmögliche Leistung
erbracht.
• Das Minimalprinzip: Mit dem geringst möglichen Mitteleinsatz wird eine be-
stimmte Leistung erbracht.
Assad [Assa00] geht sehr ausführlich auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte der
Krankenhäuser in Deutschland ein. Demnach greift in Krankenhäusern in der Regel das
Minimalprinzip. Assad begründet dies damit, dass „die Ziele der Leistungserbringung
festgelegt sind, aber die Mittel variiert werden können“ [Assa00; S. 32]. Eine Bestäti-
gung dieser These findet sich in der ebenso ausführlichen Diskussion in [Pflu01; S. 24] .
2.1.3 Prozessorientierung im Krankenhaus
Abbildung 2-1 stellt in Anlehnung an [ElBe03; S. 3] die typischen Leistungsprozesse in
einem im Sinne der Prozessorientierung idealen Krankenhaus dar. Die Arbeitsabläufe
erfolgen hier prozess- und, wie in der Abbildung 2-1 erkennbar, auch patientenorien-
tiert. Der Patientenorientierung zu Folge ist nach [Assa00] ein Krankenhaus in Anleh-
nung an [HoIn88; S. 7] als „kundenpräsenzbedingter Dienstleistungsbetrieb“ einzustu-
fen. Somit gehören Krankenhausleistungen zu den personengebundenen Leistungen.
[Assa00; S. 30f] erarbeitet anschließend die Besonderheiten der Krankenhausleistungen
im Vergleich zu gewöhnlichen Dienstleistungen. Das Wesentliche ist im Folgenden
zusammengefasst:
• „Krankenhausleistungen sind weder lager- noch transportfähig. Sie müssen zum
Zeitpunkt und am Ort der Erstellung der Nachfrage produziert werden.“
• „Nachfragespitzen müssen absorbiert werden können. Dadurch steigt der Anteil
der Bereithaltungskosten an den Gesamtkosten des Krankenhauses.“
• „Leistungserbringung im Krankenhaus bedingt die Mitwirkung des Patienten.
[...] Dies führt zum Problem, dass die Krankenhausleistung nicht ohne weiteres
von der Patientenleistung getrennt werden kann.“
• „Beschränkte Substitutionalität der Produktionsfaktoren“: „Die Kundenpräsenz
und die Unmöglichkeit, immaterielle Bestandteile der Krankenhausleistung
durch Maschinen zu ersetzen, eröffnen der Krankenhausführung nur beschränkte
Rationalisierungspotentiale.“
2.1 - Zum Begriff „Krankenhaus der Maximalversorgung“
9
• „Geringe Angebotselastizität“: „Bei kurzfristiger Änderung der Nachfrage er-
folgt die Kapazitätsanpassung erst mit großer Verzögerung.“
Assad stützt sich bei oben genannten Thesen auf zahlreiche, zwischen 1975 und 1998
erschienene Literatur.
Abbildung 2-1: Prozessstruktur eines Krankenhauses nach [ElBe03]
2.1.4 Relevante gesetzliche Bestimmungen für ein deutsches Kranken-haus
Die Mitarbeiter wie auch das Krankenhaus selbst sind zur Einhaltung zahlreicher ge-
setzlicher Bestimmungen verpflichtet, damit Gefahren vermieden und die Verantwort-
lichkeiten festgelegt werden können. An dieser Stelle sind vor allem diejenigen Vor-
schriften von Interesse, die die Arbeitsabläufe in der Apotheke und auf den Stationen
besonders tangieren und die mit einem Informationssystem unterstützt werden könnten.
Kernprozesse Unterstützungsprozesse Lenkungsprozesse
Strategien festlegen und überwachen
Finanzierung gewährleisten
Controlling sicherstellen
Kommunizieren
Management- system pflegen
Einkaufen
Beschwerden bearbeiten
Material handeln
Personal betreuen
Fakturieren / Abrechnen
Archivieren
Verpflegen
Energie bereitstellen
Patient wünscht
Patient erhält
Aufnehmen / Entlassen
Behandeln
Pflegen
Diagnostizieren
10
Begrifflichkeiten und Grundlagen
Datenschutz muss krankenhausweit berücksichtigt werden und beinhaltet sowohl die
Daten des Personals als auch die Patientenakten. Eine Apotheke richtet sich in Bezug
auf Aufbewahrungsfristen amtlicher Unterlagen nach der Apotheken-Verordnung und in
Bezug auf den Umgang mit Arzneimitteln nach dem Arzneimittelgesetz und der Betäu-
bungsmittelverschreibungsverordnung.
2.1.4.1 Datenschutz
Die Anforderungen des Datenschutzes an ein Krankenhaus entsprechen der Ärzte-
schweigepflicht und der Einhaltung des Datenschutzrechtes [Geis98] und werden durch
die Landeskrankenhausgesetze (LKHG) in den jeweiligen Ländern festgelegt. “Patien-
tendaten dürfen erhoben, gespeichert, verändert und genutzt werden, soweit dies erfor-
derlich ist“ [LKHG00] lautet die zentrale Aussage dieser Gesetze. Neben der ärztlichen
Schweigepflicht, die das unbefugte Offenbaren der Patientendaten untersagt, müssen
das Krankenhaus und somit auch dessen Mitarbeiten auch die Übermittlung und die
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Patientendaten intern und extern im Sinne
des Datenschutzes handhaben. Die Übermittlung, Erhebung, Verarbeitung und Nutzung
von Patientendaten ist nur in zweckdienlichen Ausnahmen, bei Einwilligung des Betrof-
fenen oder durch gesetzliche Regelungen erlaubt.
Bei Archivierung, Mikroverfilmung und Scannen von Patientenakten in externen
Dienstleistungsunternehmen gelten besondere Regelungen, die in den Ländern unter-
schiedlich festgelegt sind. In einigen Bundesländern ist die externe Datenverarbeitung
erlaubt, in anderen ist dies ohne Einwilligung des Patienten nicht zugelassen [Geis98].
Auch die Zugriffsrechte auf die Patientendaten sind stark reglementiert. „Ein Zugriff auf
personenbezogene Daten ist jeweils nur in dem Umfang zulässig, in dem die personen-
bezogenen Daten tatsächlich zur Erfüllung der jeweiligen konkreten Aufgabe der Be-
schäftigten erforderlich sind. So darf eine Fachabteilung, die einen Patienten nicht be-
handelt, von dessen detaillierten medizinischen Daten grundsätzlich keine Kenntnis
erhalten, es sei denn, sie übernimmt die Mit- oder Nachbehandlung“ [Geis98].
Der Schutz der Personaldaten in einem Krankenhaus erfordert ebenfalls große Auf-
merksamkeit. Personaldaten sind grundsätzlich wie personenbezogene Daten zu behan-
deln und somit nach dem Bundesdatenschutz (BDSG) zu schützen. „Zweck dieses Ge-
setzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen
2.1 - Zum Begriff „Krankenhaus der Maximalversorgung“
11
personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.“
[BDSG01; §1].
2.1.4.2 Arzneimittel
Auch der Umgang mit Arzneimitteln in der Apotheke und auf der Station unterliegt
zahlreichen gesetzlichen Vorschriften. Die folgend genannten Bestimmungen sind im
Apothekengesetz (ApoG), in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), in der Betäu-
bungsmittel-Verschreibungsverordnung – (BtMVV) und in der Verordnung über ver-
schreibungspflichtige Arzneimittel (VVA) festgelegt.
2.1.4.2.1 Räumliche Trennung der Apotheke
Nach dem Apothekengesetz (ApoG) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO)
muss die Apotheke den Zugang zu den Arzneimitteln kontrollieren und nur Zugangsbe-
rechtigten Zugang gewähren können. Die Konsequenz daraus ist die räumliche Ge-
schlossenheit der Apotheke. Dies bedeutet, dass innerhalb der Apotheke nur Arbeiten in
Bezug auf die Apotheke durchzuführen sind und auch die Lagerung von Arzneimitteln
nur innerhalb der Apothekenräume und nicht in ausgelagerten Räumen erfolgen darf.
2.1.4.2.2 Chargen-Pflicht und Rückrufe von Arzneimitteln
Eine Charge einer Arzneimittelproduktion ist eine Ladung von Arzneimitteln, die im
gleichen Produktionszyklus unter gleichen Bedingungen hergestellt wurden. Einen be-
stimmten Teil dieser Charge behält der Arzneimittelhersteller ein, um spätere Reklama-
tionen prüfen zu können. Sind bei einer eventuellen Reklamation auch die einbehaltenen
Packungen zu beanstanden, so ist vermutlich die ganze Charge von dem Fehler betrof-
fen. Daraufhin werden Rückrufe dieser Charge über die pharmazeutische Fachpresse
und über Schnellinformationen von Großhändlern verbreitet.
Nach § 22 ApBetrO sind Apotheker dazu verpflichtet alle Mitteilungen der AMK zu
lesen und als gelesen abzuzeichnen. Im Falle eines Rückrufes ist es dann Aufgabe des
Apothekers, sicherzustellen, dass die zurückgerufenen Arzneimittel im Krankenhaus
eingesammelt und entsorgt bzw. an den Hersteller zurückgeschickt werden.
12
Begrifflichkeiten und Grundlagen
2.1.4.2.3 Verschreiben, Abgabe und Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmit-teln
Die Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs
von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung - BtMVV)
[BtmV03] sieht vor, dass „Betäubungsmittel (BTM) für den Stationsbedarf nur nach
Vorlage eines ausgefertigten Betäubungsmittelanforderungsscheins (Stationsverschrei-
bung) abgegeben werden“ dürfen. Die Stationsverschreibung darf nur der Arzt unter-
schreiben, „der ein Krankenhaus oder eine Teileinheit eines Krankenhauses leitet“. In
der Regel sind dies Chef- und Oberärzte. Die Vorlagen solcher Stationsverschreibungen
müssen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bezogen werden. Ein
Telefonat mit der Bundesopiumstelle ergab, dass in nächster Zeit keine Regelungen für
die elektronische Verarbeitung der Stationsverschreibung geplant sind. Somit besitzt
eine mögliche, elektronische Verarbeitung zur Verschreibung und Abgabe von Betäu-
bungsmitteln keine gesetzliche Gültigkeit.
Des Weiteren müssen der Verbleib und der Bestand der Betäubungsmittel in der Kran-
kenhausapotheke und auf den Stationen nach [BtmV03] jederzeit lückenlos nachweisbar
sein. Dieser Nachweis kann mit Karteikarten oder mit Betäubungsmittelbüchern geführt
werden. Hier wäre eine elektronische Verarbeitung allerdings möglich, da als Nachweis
ein Ausdruck mit den erforderlichen Angaben ausreicht.
2.1.4.2.4 Stichprobenkontrollen in der Apotheke
Die verwendeten Fertigarzneimittel in der Apotheke müssen gemäß § 12 ApBetrO re-
gelmäßig stichprobenartig auf Farbe, Klarheit, Unversehrtheit der Primärbehältnisse,
Verfallsdatum bzw. Aufbrauchfrist und Partikelfreiheit der Lösung geprüft werden. Die
Ergebnisse der Prüfungen müssen ausführlich dokumentiert werden.
2.1.4.2.5 Unterschriften
Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen nach der Verordnung über verschrei-
bungspflichtige Arzneimittel [VVA99] nur „nach Vorlage einer ärztlichen Verschrei-
bung“ abgegeben werden. Verschreibungen für den Stationsbedarf bedürfen somit, wie
bereits erwähnt wurde, grundsätzlich einer Unterschrift des Stationsarztes. Bei Son-
deranforderungen ist die Unterschrift eines Oberarztes oder eines Chefarztes notwendig.
[VVA99, §2] klärt hierzu die rechtliche Grundlage für die elektronische Verschreibung
in einem Krankenhaus:
2.1 - Zum Begriff „Krankenhaus der Maximalversorgung“
13
„Ist die Anforderung eines Arzneimittels für ein Krankenhaus bestimmt, in dem zur
Übermittlung derselben ein System zur Datenübertragung vorhanden ist, welches die
Anforderung durch einen befugten Arzt sicherstellt, so genügt statt der eigenhändigen
Unterschrift nach Absatz 1 Nr. 8 die Namenswiedergabe dieses Arztes.“
Somit ist eine Verschreibung von Arzneimitteln in einem Krankenhaus mittels EDV
grundsätzlich rechtsgültig. Eine Ausnahme stellt, wie bereits erwähnt wurde, die Ver-
schreibung von BTM dar.
2.1.4.2.6 Aufbewahrung von amtlichen Unterlagen in Apotheken
Die Aufbewahrung von amtlichen Unterlagen ist streng nach ApBetrO reglementiert.
Als amtliche Unterlagen werden Prüf- und Herstellungsprotokolle, Rezepte, Karteien,
Lieferscheine, Rechnungen und Warenbegleitscheine bezeichnet. Mit Hilfe dieser Do-
kumente können die Produktions- und Lieferwege der Arzneimittel nachvollzogen und
im Falle einer Fahrlässigkeit der Verantwortliche ermittelt werden. Zu den Archiven der
Unterlagen dürfen nur authentisierte Personen Zugang besitzen.
Der größte Teil der Unterlagen unterliegt einer Aufbewahrungsfrist von ein bis drei Jah-
ren. Unterlagen, die dem Transfusionsgesetz zuzuordnen sind, müssen mindestens 15
Jahre aufbewahrt werden.
14
Begrifflichkeiten und Grundlagen
2.2 METHODEN DER WIRTSCHAFTLICHKEITSRECHNUNG
Mit Verfahren der Wirtschaftlichkeitsrechnung stehen Werkzeuge zur Verfügung, mit
denen die monetäre Rentabilität der im Kapitel 2.1.2 genannten „Variationen der Mittel
bei gleicher Leistung“ und der „Steigerung der Leistungsqualität mit gleichen Mitteln“
bestimmt werden kann. Im Folgenden wird das Prinzip der Prozesskostenrechnung zur
Bestimmung der Prozesskosten vorgestellt. Anschließend wird ein Einblick in die Re-
chenverfahren zur Wirtschaftlichkeit gegeben. Den Abschluss bildet die Nutzwertanaly-
se, mit der Kosten und Nutzen bewertet werden können, die nicht monetär erfassbar
sind.
2.2.1 Prozesskostenrechnung
Einzelkosten beinhalten diejenigen Kosten, die bei einem betrieblichen Produkt bzw.
einer betrieblichen Dienstleistung direkt verursacht werden (z.B. Materialverbrauch).
Fallen hingegen indirekte Kosten an, wie beispielsweise Verwaltungskosten, werden
diese als Gemeinkosten bezeichnet.
Im Gegensatz zur traditionellen Vollkostenrechnung werden nach [Herm02] in der Pro-
zesskostenrechnung die Gemeinkosten den Kostenträgern nicht über Zuschlagsätze zu-
geordnet, sondern über Prozesskosten. Dadurch können den Kostenstellen die tatsäch-
lich verursachten Kosten zugerechnet werden. Zur Ermittlung der Kosten werden für die
Prozesse quantitative Messgrößen (z.B. Produktionsmenge, Anzahl der Buchungen,
u.ä.) festgelegt. Diese Messgrößen werden in der Literatur [Herm02, GrHo02] auch als
Kostentreiber (cost driver) bezeichnet. Eine ausführliche Beschreibung der Prozesskos-
tenrechnung ist in [Herm02, S. 344ff] zu finden.
2.2.2 Rechenverfahren zur monetären Wirtschaftlichkeit
Die Rechenverfahren zur Wirtschaftlichkeit unterscheidet [Eich00] in Kennzahlen-,
Prognose-, Optimierungs-, Statische- und Dynamische-Rechnungen.
Kennzahlenrechnungen arbeiten mit einem Kennzahlensystem und eignen sich für Ver-
gleichszwecke. Von Nachteil ist hierbei die „Simplifikation durch Reduktion von Kom-
2.2 - Methoden der Wirtschaftlichkeitsrechnung
15
plexität“ [Eich00; S. 243], mit der komplexe Sachverhalte in einfache operationale Grö-
ßen überführt werden. Das Problem hierbei ist der Verlust von Informationen über Qua-
lität und Details.
Optimierungsrechnungen liegen Zielfunktion mit so genannten Restriktionen zu Grun-
de. Sie sollen zur Ermittlung der bestmöglichen Lösung beitragen. Dabei führen sie je-
doch „eine rein quantitative Modellierung unter Ausgrenzung qualitativer Aspekte“
durch [Eich00; S. 255].
Prognoserechnungen stützen sich auf Statistiken. Sie setzen allerdings eine zeitaufwen-
dige Analyse der Vergangenheit und der statischen Umweltbedingungen voraus.
Verfahren, die Zeitmomente durch Zinseszinsregelungen einbeziehen, bezeichnet man
als dynamischen Rechnungen. Im Gegensatz dazu stehen die statischen Rechnungen,
bei denen „das Zeitmoment ausgeklammert wird“ [Eich00; S. 244]. Der Vorteil der sta-
tischen Methoden ist ihre Einfachheit. In statischen Verfahren werden jedoch Änderun-
gen der Kosten und Erträge während der Investitionsdauer nicht berücksichtigt.
Für eine möglichst genaue Vorhersage der Rentabilität ist daher ein dynamisches Re-
chenverfahren zu wählen. Besonders ausführlich werden im Folgenden die Methoden
„return on investment“ (ROI) [Korn88] und „net present value“ (NPV) [Grob99] be-
handelt.
2.2.2.1 „return on investment“ (ROI)
Für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit hat sich in der Investitionsrechnung die For-
mel des „return on investment“ (ROI) [Korn88] bewährt. Der ROI-Koeffizient aus
Formel 2-1 beantwortet die Frage, wie viel Prozent der investierten Summe nach einer
gegebenen Periode n zu erwarten ist. In die Rechnung gehen die Investitionskosten, die
Betriebskosten und der zu erwartende Nutzen über die zu ermittelnde Periode t und ein
geschätzter Zinsfuß ein. Beträgt der Koeffizient mehr als 100% ist die Investition inner-
halb der Periode t rentabel.
Formel 2-1: ROI-Koeffizient
)(
ROI1
nskostenInvestitioZinsfuß
stenBetriebskoNutzent t
tt∑ =−
=
16
Begrifflichkeiten und Grundlagen
Durch Einbeziehung des Zinsfußes berücksichtigt diese moderne Form des ROI nach
[Grob99]. Wertunterschiede des Kapitals zu verschiedenen Zeitpunkten. In der klassi-
schen, statischen Variante des ROI ist der Parameter Zinsfuß nicht enthalten (vgl.
[Korn88]; S. 263). Der Zinsfuß nimmt zudem die Rolle der Risikobewertung ein. Je
höher er gewählt wird, desto niedriger fällt die Rentabilität aus. Üblicherweise beträgt
der Zinsfuss zwischen 6 % und 10 % und orientiert sich am aktuellen Kapitalzins. Die
Zeitperiode sollte allerdings nicht mehr als 5 Jahre betragen, da die Prognose über ei-
nem zu langen Zeitraum ungenau und somit unbrauchbar wird.
Das Beispiel in Abbildung 2-2 für ein mögliches ROI-Ergebnis veranschaulicht die
Aussage des ROI. Eine Investition erlangt den „Break Even“-Punkt bei einem ROI-
Koeffizienten von 100%. Damit sind die getätigten Investitionen zurück gewonnen.
Steigt der ROI-Koeffizient über 100%, ist mit einem Gewinn zu rechnen.
Abbildung 2-2: Beispiel eines möglichen ROI-Kurvenverlaufes
2.2.2.2 „net present value“ (NPV)
Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit einer Investition ist
die „net present value“-Methode (NPV) [Grob99]. Im Deutschen wird der NPV auch als
Nettogegenwartswert bezeichnet. Der NPV berechnet sich durch Formel 2-2.
Formel 2-2: NPV-Koeffizient
∑ = −=n
1t)( NPV nskostenInvestitio
ZinsfußnNettonutze
tt
Break Even bei ROI(t=1,2Jahre)
= 100%
ROI (t = 3Jahre) = 200%
Nutzen
Kosten
Kosten / Nutzen
Zeit
2.2 - Methoden der Wirtschaftlichkeitsrechnung
17
Der Nettogegenwartswert ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Gegenwartswert
der Nutzen und dem der Kosten. Erreicht der Nettogegenwartswert nach einer bestimm-
ten Periode einen Wert von 0 €, ist der „Break-Even“-Punkt erreicht. Besitzt der NPV-
Koeffizient einen positiven Wert, können durch die Investition vermutlich Gewinne
verzeichnet werden (vgl. Abbildung 2-3).
Abbildung 2-3: Beispiel eines möglichen NPV-Kurvenverlaufes
2.2.2.3 Weitere dynamische Rechenverfahren
Neben der ROI- und der NPV-Methode stehen an dynamischen Verfahren bei [Eich00]
die Barwertmethode, Endwertmethode, Zinsfußmethode sowie die Annuitätenmethode
zur Verfügung. Diese Methoden bauen jedoch sehr stark aufeinander auf und setzen
sich, die Endwertmethode ausgenommen, jeweils aus Umformungen der anderen zu-
sammen. Die Endwertmethode hingegen stellt lediglich eine Variante der Barwertme-
thode dar.
2.2.3 Die Nutzwertanalyse
Sollen neben der monetären Bewertung auch die nicht monetären Aspekte anstehender
Investitionsmöglichkeiten miteinbezogen werden, wird hierzu in der Praxis häufig die
Nutzwertanalyse [BMF95] hinzugezogen. Sie ist in drei Schritte (vgl. Abbildung 2-3)
unterteilt.
Break Even bei NPV(t=1,2Jahre)
= 0 €
NPV (t = 3Jahre) = 100.000 €
Nutzen
Kosten
Kosten / Nutzen
Zeit
18
Begrifflichkeiten und Grundlagen
Abbildung 2-4: Schritte der Nutzwertanalyse
In ersten Schritt werden die Bewertungskriterien in Form von Zielen formuliert und
entsprechend ihrer Priorität und Bedeutung gewichtet. Die Summe aller Gewichte ergibt
dabei ergeben. Bei der Beurteilung der Maßnahmen soll anschließend den jeweiligen
Alternativen zu den aufgestellten Bewertungskriterien Punkte zwischen 0 und 10 zuge-
wiesen werden. Ist zu erwarten, dass die Maßnahme das Kriterium zur vollkommenen
Zufriedenheit erfüllt, sollten 10 Punkte vergeben werden. 0 Punkte bedeuten, dass das
Kriterium von der Maßnahme überhaupt nicht erfüllt wird. Werden Kriterien nur teil-
weise erfüllt, können diese mit Punkten von 1 bis 9 je nach Grad des Zutreffens bewer-
tet werden. Im letzten Schritt wird für jedes Kriterium dessen Gewichtung mit den zu-
gewiesenen Punkten multipliziert. Die Addition dieser Produkte ergibt den Nutzwert
einer Maßnahme.
Festlegung der Bewertungskriterien
Beurteilung der Maßnahmen
Berechnung des Ergebnisses
Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3
2.3 - Grundlagen der Prozessoptimierung
19
2.3 GRUNDLAGEN DER PROZESSOPTIMIERUNG
In den letzten 30 Jahren hat sich in der Unternehmenswelt ein Wandel von funktionalen
Organisationsmodellen nach Taylor [Tayl77] zu prozessorientierten Ablauforganisati-
onsmodellen vollzogen, wie es [GSVR94] propagiert. Damit erhalten in diesem Zuge
anstelle der klassischen Aufbauorganisation die Arbeitsabläufe den höchsten Stellen-
wert bei der Organisation der Leistungserstellung. Im Folgenden soll die Grundlage für
die spätere prozessorientierte Vorgehensweise vorgestellt werden.
2.3.1 Zum Begriff „Prozess“
Die Begrifflichkeit des Prozesses bzw. des Geschäftsprozesses findet seinen Ursprung
in dem aus der Informatik bekannten formalen Prozessbegriff [ScFi98]. Formal wird ein
Prozess laut [Dude93] als Folge von Aktionen in einem Zustandsraum beschrieben.
Ein solcher Zustandsraum fasst die Menge der möglichen Zustände (x1, … xn) zusam-
men. Ein Zustand wird durch ein Tupel von Zustandsvariablen xi beschrieben. Eine Zu-
standvariable xi ist eine elementare Größte und nimmt einen konkreten Wert an. Der
Zustandsraum Z kann somit schlussfolgernd mit Formel 2-3 beschrieben werden.
Z = {(x1, … , xn)| xi,n є N, i=(1,…,n)}
Formel 2-3: Zustandraum Z
Eine Aktion in einem Zustandsraum enthält eine Menge von Wertzuweisungen an Zu-
standsvariablen. Die Anwendung einer Aktion auf einen Zustand liefert einen neuen
Zustand. Ein Prozess kann somit als Tripel P = (Z, a, s) mit Zustandsraum Z, Aktion a
und neuem Zustand s formal definiert werden.
In Bezug auf eine aus der formellen Definition abgeleiteten informellen Definition be-
mängelt [ScFi98], dass keine der in der Literatur zahlreich vorhandenen Definitionen
die Gesamtheit des Geschäftsprozesses erfasst und hat darauf aufbauend folgende De-
finition erarbeitet:
20
Begrifflichkeiten und Grundlagen
„Der Prozess ist eine logische zusammenhängende Kette von Teilprozessen, die auf das
Erreichen eines bestimmten Zieles ausgerichtet sind. Ausgelöst durch ein definiertes
Ereignis wird ein Input durch den Einsatz materieller und immaterieller Güter unter
Beachtung bestimmter Regeln und der verschiedenen unternehmensinternen und –
externen Faktoren zu einem Output transformiert. Der Prozess ist in ein System von
umliegenden Prozessen eingegliedert, kann jedoch als eine selbstständige, von anderen
Prozessen isolierte Einheit, die unabhängig von Abteilungs- und Funktionsgrenzen ist,
betrachtet werden.“
Der Input ist als Kombination von bestimmten sowohl materiellen als immateriellen
Einsatzgütern beschrieben, als Output werden Leistungen und Arbeitsergebnisse be-
zeichnet. Unternehmensinterne Faktoren können vom Unternehmen selbst beeinflusst
werden und umfassen die Bedingungen für die mögliche Leistungsfähigkeit des Unter-
nehmens. Unternehmensexterne Faktoren sind Umweltbedingungen bzw. -einflüsse, die
von außen auf das Unternehmen wirken, wie beispielsweise gesetzliche Vorschriften.
Diese Faktoren können vom Unternehmen nicht beeinflusst werden.
Abbildung 2-5: Grundstruktur eines Prozesses nach [ScFi98]
Die Grundstruktur eines Prozesses stellt Abbildung 2-5 dar. Diese Definition des Ge-
schäftsprozess bildet eine Unterklasse des formalen Prozesses. Der Input bildet den An-
fangszustand, die Ablauflogik übernimmt die Aufgabe der Aktionen und als Zustands-
raum sind die unternehmensinternen und –externen Faktoren zu verstehen. Als Anwen-
Input
Ablauflogik
Output p1 p2
p3p4 p5
Organisations-einheiten
Arbeitsmittel
Unternehmensinterene und –externe Faktoren
2.3 - Grundlagen der Prozessoptimierung
21
dung der Aktionen erfolgen Teilprozesse. Mit dem Output wird schließlich der Endzu-
stand erreicht.
Laut [Netl04] ist ein „Geschäftsprozess eine Folge von geschäftlichen Aktivitäten, die
ein bestimmtes Ergebnis anstrebt“. „Geschäftsprozesse in ihrer Gesamtheit setzen dem-
nach die Geschäftsaufgabe um. Dazu werden die Geschäftsprozesse in die drei Hauptka-
tegorien Kernprozesse, Führungsprozesse und Unterstützungsprozesse unterteilt. Der
Kernprozess in den Wirtschaftswissenschaften ist der Prozess in dem die Wertschöp-
fung eines Unternehmens erfolgt. Der Führungsprozess ist der geplante Ablauf von ver-
schiedenen aufeinander abgestimmten Tätigkeiten um effizient sein Führungsziel zu
erreichen. Führungsprozesse sind in der Regel unterstützende Prozesse, mit deren Hilfe
Geschäftsprozesse wirtschaftlich und erfolgreich abgearbeitet werden können.“ Unter-
stützungsprozesse wirken als Unterstützung der Kernprozesse indirekt auf die Unter-
nehmensziele und stellen die Ausführung der Kernprozesse sicher, etwa durch Lager-
haltung, Instandhaltung oder Abfallmanagement [LoMe98]. Sie sind somit so genannte
wertsichernde Prozesse.
Diese sich ergänzenden Definitionen des formalen Prozesses und des Geschäftsprozes-
ses von [ScFi98] und von [Netl04] bilden die Basis für das Verständnis eines Ge-
schäftsprozesses und der damit eng verbundenen Prozessoptimierung.
2.3.2 Zum Begriff „Prozessoptimierung“
[GrHo02; S. 32f] untersuchte deutsch- und englischsprachige Literatur im Zusammen-
hang mit dem Thema Prozessoptimierung und erarbeitet in Anlehnung an [HaEs97],
[ScVr94], [Graf99] und [Dave93] folgende Arbeitsdefinition:
„Prozessoptimierung ist eine zielgerichtete, von einem Prozessteam durchgeführte Me-
thode mit Prozesscharakter, die zur Optimierung bzw. Verbesserung von Geschäftspro-
zessen anhand der Parameter Qualität, Kosten und Zeit dient.“
Hierbei beziehen sich die Parameter Kosten bzw. Prozesskosten und Zeit bzw. Durch-
laufzeit auf den Input (vgl. Kapitel 2.3.1) und der Parameter Qualität auf den Output
(vgl. Kapitel 2.3.1) eines Prozesses. Das Zieldreieck aus [GrHo02] verdeutlicht die Her-
ausforderung der Prozessoptimierung.
22
Begrifflichkeiten und Grundlagen
Abbildung 2-6: Zieldreieck der Prozessoptimierung aus [GrHo02]
Die Durchlaufzeit umfasst laut [GSVR94] die gesamte Zeitspanne von der Eingangs-
schnittstelle bis zur Ausgangsschnittstelle eines Prozesses und beinhaltet sowohl Bear-
beitungs- als auch Liegezeiten. „Der Parameter Qualität wird gemessen an der Konfor-
mität des Outputs eines Prozesses mit definierten Vorgaben externer oder interner Kun-
den bzw. nachgelagerter Prozesse“. Prozesskosten beziffern die Kosten aller an der
Leistungserstellung beteiligten organisationsübergreifenden Kostenstellen.
Prozessoptimierung („Process Engineering“) darf an dieser Stelle allerdings nicht mit
„Process Reengineering“ verwechselt werden. „Process Reengineering“ bedeutet eine
radikale Erneuerung von Prozessabläufen und das Aufbrechen alter Strukturen. In der
Prozessoptimierung sind „die Änderungen nicht so einschneidend und erfolgen schritt-
weise“ [Inco01]. Dies verbessert die Akzeptanz von Seiten des Personals und minimiert
die Risiken, die bei einer Umgestaltung zu erwarten sind. Die Vorgehensweise bei die-
ser als „evolutionär“ [GrHo02] klassifizierten Prozessoptimierung ist in Abbildung 2-7
dargestellt.
Abbildung 2-7: Vorgehensweise bei der Prozessoptimierung
Auf die Datenerhebung, die Prozessmodellierung und die Prozessanalyse wird im Fol-
genden näher eingegangen. Die Implementierung und die Prozessevaluation gewinnen
erst im Ausblick dieser Arbeit in Kapitel 5 an Bedeutung und werden an dieser Stelle
nicht weiter erläutert.
Kosten senken
Durchlaufzeiten optimieren
Qualität steigern
Ziel-Dreieck
Prozess- analyse
Daten-erhebung
Implemen- tierung
Prozess-evaluation
Prozess- modellierung
2.3 - Grundlagen der Prozessoptimierung
23
2.3.3 Zum Begriff „Datenerhebung“
Die Datenerhebung ermittelt die Datenbasis für eine Prozessoptimierung. Neben der
Datenbasis für die Ist-Prozesse soll auch eine Datenbasis für die Soll-Prozesse aufge-
stellt werden. Im Vordergrund steht die Dokumentation der den Dienstleistungen
zugrunde liegenden organisationsübergreifenden Prozessabläufe sowie deren „logische
bzw. zeitliche Sequenzen“ [GrHo02; S. 46f]. Von Interesse sind zudem organisatorische
Informationen über die Prozess-Beteiligten. Weitere Erhebungsdaten sind Informatio-
nen über die eingesetzten Arbeitsmittel sowie quantitative Daten wie Kosten, Durch-
laufzeit und Qualität.
Abbildung 2-8: Vorgehensweise bei der Datenerhebung
Solche Daten können zum einen durch Beobachten der Arbeitsabläufe und Befragen der
Prozess-Beteiligten (vgl. Kapitel 2.4) und zum anderen durch die Analyse von Berich-
ten wie Statistiken, Erfahrungsberichte, Protokolle, u.ä. erhoben werden.
2.3.4 Zum Begriff „Prozess-Modellierung“
Liegen ausreichende Informationen über die zu untersuchenden Prozesse vor, werden
diese Daten mithilfe der Prozess-Modellierung aufgearbeitet und in übersichtlicher
Form dargestellt. Die Modellierung der Daten erweist sich hierbei als „Illustration von
Prozessen mit Hilfe von grafischen Symbolen und sprachlichen Modellelementen, um
Abläufe und Zusammenhänge transparent zu machen“ [GrHo02].
Seit vielen Jahren steht zu diesem Zweck eine Vielzahl an computerbasierten Modellie-
rungswerkzeugen zur Verfügung. Die Vorgehensweise bei einer so genannten rechner-
Datenerhebung
Befragen (Interviews)
Analyse von Berichten
Prozess- modellierung
Beobachten
24
Begrifflichkeiten und Grundlagen
unterstützen Prozessoptimierung ist in Anlehnung an [Reich98] in Abbildung 2-9 dar-
gestellt.
Abbildung 2-9: Vorgehensweise zur rechnerunterstützten Prozessoptimierung
Mit Hilfe dieser Werkzeuge werden die Prozessmodelle aufgebaut und anschließend
durch den Vergleich mit der Realwelt verifiziert. Ist ein Modell noch fehlerhaft oder
unvollständig, wird es entsprechend angepasst. Manche Werkzeuge bieten neben der
Darstellung der Prozesse zudem die Möglichkeit der Prozess-Simulation, um deren dy-
namisches Verhalten zu simulieren und somit Veränderungen an Prozessen besser ein-
schätzen zu können. Die Ergebnisse werden protokolliert und als Entscheidungsgrund-
lage bereitgestellt.
Die zahlreichen Software-Werkzeuge unterscheiden sich wie bei anderen Software-
Segmenten auch, in ihrer Architektur, in der Darstellung, in ihrer Leistungsfähigkeit und
in ihrer Verbreitung. Im Folgenden wird das Modellierwerkzeug INCOME Process De-
signer der get process AG aufgrund des Einsatzes in dieser Arbeit besonders hervorge-
hoben. Zur Vollständigkeit werden zusätzlich weitere Werkzeuge anschließend kurz
behandelt.
Prozessmodellierung
Prozessmodell aufbauen
Modell verifizieren
Dynamisches Verhalten protokollieren
Entscheidungsgrundlagen bereitstellen
Prozess- analyse
Daten-erhebung
2.3 - Grundlagen der Prozessoptimierung
25
2.3.4.1 INCOME Process Designer der get process AG
Der INCOME Process Designer basiert auf der Petri-Netz-Technologie und speichert
seine Daten in einer Oracle-Datenbank. Seine Ursprünge sind auf die an der Universität
Karlsruhe von 1985 bis 1990 entwickelten Konzepte von INCOME (Interactive Netba-
sed Conceptual Modelling Environment) [StOS93] zurückzuführen. Die Anwendung
bietet drei Modellarten an: Prozesse (Ablaufmodelle), Rollen (Organisationsmodelle)
und Ressourcen (Objektmodelle). Die Ablauflogik der Geschäftsprozesse wird in den
Ablaufmodellen abgebildet. Organisationsmodelle bilden die Aufbauorganisation mit
Details über die einzelnen Organisationseinheiten ab. Strukturen und Zusammenhänge
von Objekten werden mit den Objektmodellen berücksichtigt. Diese Modellarten kön-
nen miteinander verknüpft werden. Mithilfe der hinterlegten Daten und der Simulati-
onsmöglichkeiten des INCOME Process Designer können zudem die modellierten Ge-
schäftsprozesse auf ihre Funktionalität und Effizienz hin geprüft werden. Das Prozess-
management eines Unternehmens kann dank Schnittstellen zu CASE- und Workflow-
Systemen und Möglichkeiten zur Einbindung von betriebswirtschaftlicher Standard-
software unterstützt werden.
2.3.4.1.1 Petrinetze
Zielsetzung der Petrinetze ist eine präzise, formale Beschreibung von dynamischen,
zeitkritischen Systemen [Lore92; S.78]. Petri-Netze bestehen aus Objektspeichern, Ver-
bindungen und Aktivitäten. Deren Kombinationen ergibt die gewünschten Ablaufmo-
delle (vgl. Abbildung 2-10). Die Kapazität der Objektspeicher gibt dabei die maximale
Anzahl der Objekte an, die sich gleichzeitig im Objektspeicher befinden können. Die
Varianten „optionale Verbindung“, „verfeinerte Aktivität“ und „Aktivität mit optionalen
Verbindungen“ sind Elemente, die vom INCOME Process Designer hinzugefügt wur-
den.
26
Begrifflichkeiten und Grundlagen
Abbildung 2-10: Grundelemente des INCOME Process Designer
„Einfach ausgedrückt geschieht in den Ablaufmodellen nichts anderes, als dass Objekte
von einer Aktivität zur nächsten wandern. Dabei zeigen die Ablaufmodelle die mögli-
chen Wege, die die Objekte durchlaufen können“ [Inco01]. Die Aktivitäten nehmen
Objekte aus ihren Eingangsobjektspeichern heraus und legen sie in ihren Ausgangsob-
jektspeicher ab (vgl. Abbildung 2-11). Als Voraussetzung dafür muss in allen Eingangs-
speichern der Aktivität die notwendige Anzahl an Objekten vorhanden sein. Außerdem
muss die erforderliche Anzahl an Objekten in allen Ausgangsspeichern abgelegt werden
können.
Abbildung 2-11: Beispiel für das Verhalten eines einfachen Petrinetzes
Objektspeicher
Verbindung
Aktivität
Ablaufmodell
verfeinerte Aktivität
Aktivität mit optionalen Verbindungen (OR)
optionale Verbindung
v
Zeitpunkt t0
Objekt
Zeitpunkt t1
Zeitpunkt t2
2.3 - Grundlagen der Prozessoptimierung
27
Petri-Netze verfügen darüber hinaus über so genannte AND-Splits und –Joins, mit de-
nen logische Bedingungen modelliert werden können.
2.3.4.1.2 Funktionsweise des INCOME Process Designer
Der INCOME Process Designer bietet neben den genannten Struktur der Petri-Netze
zusätzlich OR-Splits und –Joins, mit denen einzelne Objektzustände mit Wahrschein-
lichkeiten versehen und somit Entscheidungsabläufe modelliert werden können. Die
Funktionsweise der AND- und OR-Splits sowie AND- und OR-Joins ist in Abbildung
2-12 veranschaulicht. Darüber hinaus bietet der Process Designer die Möglichkeit an,
Aktivitäten zu verfeinern und in diesen Verfeinerungen weitere Ablaufdiagramme in-
nerhalb der verfeinerten Aktivitäten zu hinterlegen.
Abbildung 2-12: AND-/OR-Splits und AND-/OR-Joins im INCOME Process Designer
Ein AND-Split legt nach Durchführung der Aktivität auf allen Ausgangsspeichern Ob-
jekte ab. Beim OR-Split kann nur eine der nachfolgenden Aktivitäten ein Objekt aus
dem Eingangsspeicher entnehmen. Das AND-Join hingegen erlaubt der Aktivität erst
dann die Ausführung, wenn alle Eingangsspeicher der Aktivität mit Objekten ausrei-
chend belegt sind. Schließlich werden mit einem OR-Join zwei parallel laufende Aktivi-
täten wieder verbunden. Hierbei können beide Aktivitäten Objekte auf ihren gemeinsa-
men Ausgangsspeicher ablegen bis dessen Kapazität erschöpft ist.
Im INCOME Process Designer können in den Aktivitäten bei Bedarf die Ausgangs-
wahrscheinlichkeiten der Objekte bestimmt werden. Die Verbindung zwischen einer
solchen Aktivität und dessen Ausgangsobjektspeicher wird als optional bezeichnet, was
bedeutet, dass der Ausgangsobjektspeicher einer solchen Aktivität wahrscheinlichkeits-
verteilt und nicht deterministisch belegt wird.
OR-Join AND-Join OR-Split AND-Split
28
Begrifflichkeiten und Grundlagen
Die Art und Weise der Modellierung mit Hilfe des INCOME Process Designer wird in
Abbildung 2-13 mit einem Ausschnitt aus der Arzneimittelbestellung auf einer Kran-
kenhausstation veranschaulicht.
Abbildung 2-13: Ausschnitt aus einem Beispiel-Ablaufmodell des INCOME Process Designer
Sind die Geschäftsprozesse vollständig modelliert, können die Prozessmodelle sowohl
statisch als auch dynamisch mit dem Zusatzmodul „Simulation“ des INCOME Process
Designer ausgewertet werden. Die statische Auswertung dient der Dokumentation der
Modelle, der Transparenz bei Vermittlung der Prozesse sowie der Qualitätssicherung
der Prozessanalyse. Die Simulation beschreibt die Arbeitsabläufe auf eine dynamische
Weise. Die Erstellung von Auswertungen mit dem INCOME Process Designer setzt die
vollständige Eingabe aller relevanten Daten voraus und übersteigt den Umfang dieser
Diplomarbeit bei weitem. Aus diesem Grund werden die Auswertungsmöglichkeiten an
dieser Stelle nicht weiter vertieft.
2.3.4.2 Weitere auf dem Markt befindliche Modellierungstechniken
Eine Untersuchung der auf dem Markt befindlichen computergestützten Modellierwerk-
zeuge würde aufgrund von deren enormen Vielzahl den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Stattdessen ist auf die Arbeit von Frauchiger [Frau01; S.56ff] zu verweisen, in der die
unterschiedlichen Basistechniken untersucht wurden, auf denen die meist verbreiteten
Modellierwerkzeuge aufbauen. Frauchinger stellt hierzu aktivitätsorientierte Methoden
wie Petrinetze aus Kapitel 2.3.4.1.1, ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK), IDEF,
Objektspeicher Aktivität
2.3 - Grundlagen der Prozessoptimierung
29
Flussdiagramme sowie objektorientierte Methoden wie der Object Modelling Technique
(OMT) vor.
2.3.5 Zum Begriff „Prozessanalyse“
[GrHo02; S. 49f] untersucht die Aspekte der Prozessanalyse und hält zusammenfassend
die Prozessbewertung als Kern der Prozessanalyse fest. Ziel der Prozessanalyse ist die
Identifikation von Optimierungspotentialen. Anhand der gesammelten Informationen
aus der Datenerhebung werden die Parameter Kosten, Durchlaufzeit und Qualität (vgl.
Kapitel 2.3.2) der Ist- und Soll-Prozesse miteinander verglichen (vgl. Abbildung 2-14).
Abbildung 2-14: Vorgehensweise bei einer Prozessanalyse
Grundsätzlich beginnt eine Prozessanalyse mit der Ermittlung der Prozessparameter
Prozesskosten, Durchlaufzeiten und Qualität. Die vorherige Datenerhebung und die
Prozessmodellierung verschaffen die dafür notwendige Datenbasis. Anhand dieser Da-
ten können die kritischen Prozesse identifiziert und als Kostenverursacher markiert
werden. Kostenverursacher sind solche Prozesse, die besonders hohe Kosten verursa-
chen oder unnötig lange Durchlaufzeiten benötigen. Ziel der anschließenden Verbesse-
rung der Prozesse ist die Beseitigung solcher Kostenverursacher, die Verkürzung der
Durchlaufzeiten und die Erhöhung der Qualität der Dienstleitungen.
Die Vorgehensweise zur Prozessverbesserung ist nach [GrHo02] nicht eindeutig festge-
legt und kann anhand mehrerer Regeln und Hinweisen den betrieblichen Umständen
angepasst werden. Die wichtigsten Regeln aus [GrHo02; S96ff] sind folgende:
Implenen- tierung
Prozess- modellierung
Prozessanalyse
Prozesskosten ermitteln
Kritische Prozesse identifizieren
Durchlaufzeitenermitteln
Qualität ermitteln
Prozesse verbessern
30
Begrifflichkeiten und Grundlagen
• Anforderungen übernehmen
Bei dem bisherigen Prozess müssen dessen notwendige Elemente sowie die An-
forderungen im neuen Prozess beachtet werden
• Ausrichtung auf definierte Ziele
Das Prozessergebnis muss einen in sich abgeschlossenen Wertschöpfungsbeitrag
bilden. Hierzu sollten funktionale Trennungen der Prozesse soweit wie möglich
vermieden werden.
• Prozessvarianten bilden
Bei sehr komplex gestalteten Prozessen schafft die Bildung mehrerer Varianten
der Prozesse eine klare, einfache und besser handhabbare Struktur.
• Schnittstellen reduzieren
Durch Arbeitsteilung und –unterbrechung entstehen Schnittstellen, die zu Quali-
tätseinbußen führen können. Um diesen entgegenzuwirken, müssen möglichst
viele aufeinander folgende Teilprozesse von einer funktionalen Einheit ohne Un-
terbrechung durchgeführt werden können.
• Parallelisierung von Abläufen
Werden Arbeitsschritte parallel gestaltet, können die Durchlaufzeiten verkürzt
werden.
2.4 METHODEN ZUR DATENERHEBUNG
Für die Datenerhebung hat sich nach [ScHE95] die Beobachtung von Arbeitsabläufen
und die Befragung der Arbeitsdurchführenden seit langem bewährt. [ScHE95] differen-
ziert die Befragung in die mündliche und die schriftliche Befragung sowie in das telefo-
nische Interview.
Im Folgenden werden die mündliche und die schriftliche Form der Befragung und die
teilnehmende Beobachtung als Sonderform der Beobachtung näher erläutert.
2.4 - Methoden zur Datenerhebung
31
2.4.1 Mündliche Befragung
Die Form der mündlichen Befragung kann vom Interviewer in einem bestimmten Aus-
maß strukturiert werden. Bei der wenig strukturierten Form nimmt der Interviewer eine
eher passive Rolle ein und orientiert sich an den Antworten und Wünschen des Befrag-
ten (z.B. narrative Interviews). Bei einer teilstrukturierten Befragung liegen die Fragen
vorbereitet und vorformuliert vor (z.B. Leitfadengespräch). Hier wird während der Be-
fragung lediglich noch die Reihenfolge der Fragen an die Interviewsituation angepasst.
Verwendet der Interviewer einen standardisierten Fragebogen, mit dem die Befragung
exakt nach Vorbereitung durchgeführt wird, spricht man von einem stark strukturierten
Interview (z.B. standardisierte Einzelinterviews).
2.4.1.1 Narrative Interviews
Eine Sonderform des Experteninterviews stellt das narrative Interview dar. Es dient dem
besseren Verständnisses der Handlungsweisen und erfolgt in den drei Phasen: „Erzähl-
phase“, „Rückgriffphase“ und „Bilanzierungsphase“. Dem Befragten ist zu Beginn ein
Grobthema vorgeben. Der Interviewer hört in der „Erzählphase“ dem Befragten nur zu
und unterbricht ihn nicht. In der „Rückgriffphase“ können Fragen zur Klärung von Un-
klarheiten und evtl. Widersprüchen gestellt werden. Der Befragte kann anschließend in
der „Bilanzierungsphase“ auf diese Nachfragen eingehen.
2.4.1.2 Leitfadengespräche
Die Grundlage eines Leitfadengesprächs bildet ein Interview-Leitfaden. Ein solcher
Leitfaden enthält Schlüsselfragen und Eventualfragen und setzt keine bestimmte Rei-
henfolge der Fragen voraus. Als Ziele der Leitfadengespräche werden die offene Ge-
sprächsführung und die damit verbundenen freien Antwortmöglichkeiten verfolgt.
Je nach Strukturierungsgrad der Interviewsituation unterscheidet man nach Form der
mündlichen Befragung geringfügig strukturierte Experteninterviews , Leitfadengesprä-
che mit teilweisem Strukturierungsgrad sowie standardisierte Einzelinterviews mit star-
ker Struktur [ScHE95].
32
Begrifflichkeiten und Grundlagen
2.4.2 Schriftliche Befragung
Eine schriftliche Befragung kann persönlich vom Interviewer begleitet oder postalisch
ohne Anwesenheit des Interviewers durchgeführt werden. Fragebögen können hierzu
nach den folgenden Regeln aus [Dill78:S.95ff] und [CoPr86] in Anlehnung an [Payn51]
konstruiert werden:
• Fragen sollten einfache Worte enthalten
• Fragen sollten kurz formuliert werden
• Fragen sollten konkret sein
• Fragen sollten keine bestimmte Beantwortung provozieren
• Fragen sollten neutral formuliert sein
• Fragen sollten nicht hypothetisch formuliert werden
• Fragen sollten sich nur auf einen Sachverhalt beziehen
• Fragen sollten keine doppelten Negationen enthalten
• Fragen sollten den Befragten nicht überfordern
• Fragen sollten formal balanciert sein, d.h. in der Frage sollten alle – negativen
und positiven – Antwortmöglichkeiten enthalten sein
Eine Empfehlung für Design, Format und Layout der Fragebögen gibt [ScHE95; S.336].
Werden schriftliche Befragungen postalisch geführt, benötigt die Konstruktion der Fra-
gebögen einen höheren Aufwand, als wenn der Interviewer bei der Befragung persön-
lich anwesend ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Fragen bei der postalischen
Form bis ins Detail selbsterklärend sein müssen.
2.4.3 Teilnehmende Beobachtung
Werden Beobachtungen lediglich vom Beobachter protokolliert, spricht man von einer
nicht-teilnehmenden Beobachtung [ScHE95]. Bei einer teilnehmenden Beobachtung
nimmt der Beobachter die Rolle eines Interaktionspartners in der zu beobachtenden Si-
tuation ein. Durch die teilnehmende Beobachtung können Handlungsweisen und Eigen-
heiten der Arbeitsschritte und Entscheidungsabläufe besser nachvollzogen werden.
2.4 - Methoden zur Datenerhebung
33
2.4.4 Inventur
Aus dem ursprünglichen Gedanken des Inventars von Le Play [JaLZ75; S. 122ff] und
dessen Weiterentwicklungen von Engel und Wright wurden seit 1855 Verfahren zur
Erhebung und Aufbereitung einer Vielzahl von soziographischen Daten entwickelt und
erprobt, die statistisches Zahlenmaterial mit ergänzenden Datenerhebungen kombinie-
ren. In einer groß angelegten soziographischen Studie [JaLZ75] über Arbeitslose in der
Gemeinde Marienthal in Niederösterreich wurden sowohl statistische Daten als auch
eigene Inventuren zur Vervollständigung der Datenbasis hinzugezogen. Beispielsweise
wurden laut [JaLZ75; S. 44] neben der Analyse der Geschäftbücher des Konsumvereins
im Hinblick auf die Umsatzentwicklung der Essenseinkäufe auch so genannte Essver-
zeichnisse eine Woche lang von den Bewohnern ausgefüllt. Mit diesen Essverzeichnis-
sen führten die Bewohner vom Marienthal im Grunde täglich Inventuren ihrer Speise-
kammern. Somit konnte auch auf das Essverhalten der Bewohner geschlossen werden,
da in den Statistiken nur der Einkauf und nicht der Verbrauch verzeichnet waren.
Die Inventur von Material-Beständen eignet somit dazu, die für die Analyse notwendige
Datenbasis zu vervollständigen. Dies erfolgt durch schriftliche Bestandsaufnahmen vor
Ort.
34
Begrifflichkeiten und Grundlagen
2.5 INFORMATIONSSYSTEME UND MOBILE ENDGERÄTE
In diesem Kapitel soll der Begriff „Informationssystem“ geklärt werden und im An-
schluss auf mobile Endgeräte in einem solchen Informationssystem eines Krankenhaus
eingegangen werden.
2.5.1 Zum Begriff „Informationssystem“
Systeme im Allgemeinen beinhalten Elemente, die in einer bestimmten Form miteinan-
der in Beziehung stehen. Informationssysteme im Speziellen sind nach [Krcm00] als
soziotechnische („Mensch-Maschinen-“) Systeme zu verstehen, bei deren Elementen es
sich um menschliche und maschinelle Teilsysteme handelt. Ziel eines Informationssys-
tems ist die im Sinne der Wirtschaftlichkeit optimale Bereitstellung von Information
und Kommunikation. Die Kommunikation in einem Informationssystem erfolgt hierbei
durch den Austausch von Informationen unter den Elementen des Systems und mit der
Umwelt.
[Bisk94, S. 2] hingegen beachtet in seiner Definition lediglich die technischen Aspekte:
„Ein Informationssystem dient dazu,
• große Mengen von im Allgemeinen strukturierten Daten (structured data)
• dauerhaft (persistent)
• verlässlich (dependable)
• für im Allgemeinen viele und verschiedenartige Benutzer verfügbar (shared)
• effizient zu verwalten (management), d.h. Anfragen (queries) und Änderungen
(updates) zu bearbeiten.“
[Bott00, S. 45] bemängelt diese rein technische Definition und entwickelt aufbauend auf
den soziotechnischen Ansatz folgende Begriffserklärung:
„Ein Informationssystem ist das Teilsystem einer Organisation aller informationsverar-
beitenden Prozesse und der an ihnen beteiligten menschlichen oder maschinellen Hand-
lungsträger in ihrer informationsverarbeitenden Rolle.“
2.5 - Informationssysteme und mobile Endgeräte