Post on 06-Apr-2015
transcript
„Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes.“ (Römer 15,7)
WORT DES LEBENS Februar 2015WORT DES LEBENS Februar 2015
Weil Paulus sich auf den Weg nach Rom machen will, um von dort nach Spanien weiterzureisen,
schickt er einen Brief an die christlichen Gemeinden in der Stadt.
Auch wenn die Gläubigen dort bald schon in großer Zahl
ihr Festhalten am Evangelium mit dem Martyrium bezeugen werden, gibt es unter ihnen – wie anderswo auch – Spannungen,
Missverständnisse und Rivalitäten. In Rom sind eben auch die
Christen ein Spiegelbild der dort
herrschenden sozialen, kulturellen und
religiösen Vielfalt:
Einige kommen aus dem Judentum, andere aus der hellenistischen oder der altrömischen Glaubenswelt, aus dem Stoizismus oder anderen philosophischen
Strömungen und bringen dementsprechend bestimmte Denkmuster oder Moralvorstellungen mit.
Manche gelten als „schwach im Glauben“, weil sie bestimmte Speisevorschriften beachten (und zum
Beispiel kein Fleisch essen) oder spezielle Fasttage einhalten. Die „Starken“, das sind all jene, die sich aufgrund ihrer inneren Festigkeit keinen äußeren
Ritualen verpflichtet fühlen.
An alle richtet Paulus eine dringliche Einladung:
„Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes.“
Schon im vorangegangenen
Kapitel ist Paulus auf dieses Thema eingegangen.
Zunächst hat er die „Starken“ eingeladen,
die „Schwachen“ anzunehmen, ohne mit
ihnen über ihre Überzeugungen zu
streiten. Dann hat er die „Schwachen“
aufgefordert, ihrerseits die
„Starken“ anzunehmen, ohne sie
wegen ihrer freien Gesinnung zu
verurteilen, – weil auch sie von Gott
angenommen sind.
Paulus ist davon überzeugt, dass bei aller Unterschiedlichkeit in den Meinungen und Umgangsweisen jeder aus Liebe zum Herrn
handelt.
Deshalb gibt es keine Veranlassung, die zu verurteilen, die anders denken, oder sie von oben herab zu
behandeln. Vielmehr soll man das Wohl aller im Auge haben und einander – beziehungsweise die Gemeinde –
„aufbauen“.
Auch in diesem Punkt geht es also darum,
die alles überragende Norm des christlichen
Lebens zu erfüllen, von der Paulus kurz
zuvor gesprochen hat: „Die Liebe ist die
Erfüllung des Gesetzes“1). Gerade weil sie nicht mehr
„nach dem Gebot der Liebe“2) gehandelt hatten, hatte unter den Christen in Rom auch der Geist der Geschwisterlichkeit abgenommen, von
dem jedes Miteinander unter
Christen geprägt sein sollte.
Als Vorbild der gegenseitige Annahme stellt der Apostel den
Römern Jesus vor Augen, der im
Angesicht des Todes nicht für sich selbst gelebt hat, sondern
unsere Schwächen auf sich nahm. Am Kreuz erhöht hat er alle an
sich gezogen: den Juden Johannes
genauso wie den römischen Hauptmann,
Maria aus Magdala ebenso wie den mit ihm
zusammen gekreuzigten Verbrecher.
„Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes.“
Wie bei den römischen Christen von damals, so gibt es auch in unseren christlichen Gemeinden und
Gemeinschaften Missklänge und Unstimmigkeiten, ausgelöst durch verschiedene Sichtweisen oder
Einstellungen.
Oft stehen – um es auf eine einfache Formel zu bringen – Bewahrer und Erneuerer einander gegenüber, offenere und verschlossene Typen, eher sozial ausgerichtete und
eher fromme Christen.
Die Unterschiede werden verstärkt durch politische Überzeugungen oder soziale Herkunft. Und die aktuelle
Flüchtlingsproblematik lässt in unseren gottesdienstlichen Versammlungen oder anderen
Gemeinschaftsformen zusätzliche kulturelle Unterschiede aufbrechen.
Aber auch in den Beziehungen unter verschiedenen Kirchen, in unseren Familien, in der Arbeitswelt oder im politischen Leben können solche Spannungen zum
Tragen kommen. Da passiert es leicht, dass man diejenigen, die anders denken, verurteilt und sich
selbst überlegen fühlt und einander in schier unvereinbarer Widersprüchlichkeit gegenübersteht.
Das Lösungsmodell, das Paulus uns vorschlägt, ist keine Gleichmacherei, sondern ein sich gegenseitig
bereicherndes Miteinander in Verschiedenheit. Nicht von ungefähr hat er zwei Kapitel zuvor von der Einheit des Leibes und der Verschiedenheit der Glieder gesprochen und die Vielfalt der Gnadengaben beschrieben, die eine
Gemeinde bereichern und beseelen.3)
Il modello non è, per usare un’immagine di papa Francesco,
la sfera dove ogni punto si trova equidistante dal centrosenza che vi siano differenze tra un punto e l’altro.
Il modello è il poliedro che ha superfici diverse tra loroe una composizione asimmetrica, dove tutte le parzialità
mantengono la loro originalità.
„Sogar die Menschen, die wegen ihrer Fehler kritisiert werden können, haben etwas beizutragen, das nicht verloren gehen darf. Es ist der Zusammenschluss der
Völker, die in der Weltordnung ihre Besonderheit bewahren; es ist die Gesamtheit der Menschen in einer
Gesellschaft, die ein Gemeinwohl sucht, das wirklich alle einschließt“.4)
„Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes.“
Das „Wort des Lebens“ ist eine
dringliche Einladung, das
Positive im anderen zu erkennen, und sei es nur, weil
Christus sein Leben auch für jene Person gegeben hat, die ich
eigentlich verurteilen möchte.
Es ist eine Einladung zuzuhören, ohne sich zu verteidigen, für Veränderungen offen zu bleiben,
Andersartigkeit mit Respekt und Liebe anzunehmen und so eine vielstimmige und zugleich geeinte Gemeinschaft
aufzubauen.
Dieses Wort aus der Schrift ist die vor allem in der evangelischen Welt beachtete Jahreslosung der
Herrnhuter Brüdergemeine für das Jahr 2015. Selbst wenn wir es nur in diesem Monat miteinander teilten,
wäre das schon ein Zeichen der gegenseitigen Annahme.
So könnten wir Gott „einträchtig und mit einem Munde“5) preisen. Denn, wie Chiara Lubich in der
reformierten Kathedrale St. Pierre in Genf gesagt hat:
„Unsere Zeit ... verlangt von jedem Liebe, Einheit, Gemeinschaft, Solidarität.
Sie ruft vor allem die Kirchen dazu auf, die seit Jahrhunderten zerbrochene Einheit wieder
herzustellen. Das ist die Reformation schlechthin, die der Himmel von uns verlangt. Es ist der erste und
zwingend notwendige Schritt hin zu einer weltweiten Geschwisterlichkeit unter allen Menschen. Denn die
Welt wird glauben, wenn wir geeint sind.“
„Wort des Lebens“, Monatliche Veröffentlichung der Fokolar-BewegungText von Fabio Ciardi
Grafik von Anna Lollo in Zusammenarbeit mit Don Placido D‘Omina(Sizilien - Italien)
© Alle Rechte an der deutschen Übersetzung beim Verlag Neue Stadt, MünchenDieser Kommentar zum Wort des Lebens wird in 96 Sprachen übersetzt
und erreicht mehrere Millionen Menschen in aller Welt über Druck,Radio, Fernsehen und über Internet - für Auskünfte www.focolare.org
Der PPS wird in verschiedene Sprachen übersetztund veröffentlicht unter www.santuariosancalogero.org
„Wort des Lebens“, Monatliche Veröffentlichung der Fokolar-BewegungText von Fabio Ciardi
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und erreicht mehrere Millionen Menschen in aller Welt über Druck,Radio, Fernsehen und über Internet - für Auskünfte www.focolare.org
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„Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur
Ehre Gottes.“
1) Römer 13,102) Römer 14,153) vgl. Römer 12,3-134) Evangelii Gaudium, Nr. 2365) Römer 15,6