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VL Methodenlehre I WS13/14 Schäfer
DAS THEMA: DATENERHEBUNG II • Methoden der Datenerhebung 3:
Experimente – der „Königsweg“ der Wissenschaft
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Methoden der Datenerhebung 3: Experimente • Kausalität • die Idee des Experimentes • Störvariablen • experimentelle Designs • Probleme beim Experimentieren • Gütekriterien bei Experimenten
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• wichtigstes Anliegen der Wissenschaft ist die Erklärung, also das
Aufdecken von kausalen Ursache-Wirkungs-Beziehungen
• Kriterien für das Vorliegen von Kausalität:
1. A tritt zeitlich vor B auf
2. A und B kovariieren (eine Veränderung von A führt zu einer
Veränderung in B)
3. es gibt keine Alternativ-Erklärungen für diese Kovariation
• „die“ Methode um Kausalität zu untersuchen: das Experiment
DAS A UND O BEIM EXPERIMENT: KAUSALITÄT
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Experimente
• sind künstliche Eingriffe in die natürliche Welt
• Ziel: systematische Veränderungen (Treatment/Manipulation) in einer
unabhängigen Variable (UV) herstellen, die ursächlich zu einer
Veränderung in einer abhängigen Variable (AV) führen
• Alternativ-Erklärungen werden dabei ausgeschlossen
Störvariablen
• Alternativ-Erklärungen beziehen sich auf Störvariablen
(Moderatorvariablen/Kovariate)
• das sind Merkmale der Person oder der Situation, die eventuell
ebenfalls die AV beeinflussen und daher den Effekt der UV auf die AV
stören à experimentelle Kontrolle von Störvariablen
DIE IDEE DES EXPERIMENTES
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potenzielle Störvariablen bei Versuchsteilnehmern:
• Alter
• Geschlecht
• Intelligenz
• Voreinstellungen, Vorwissen, Erwartungen (z.B. Placebo-Effekte)
potenzielle Störvariablen in der Untersuchungssituation
• Eigenheiten der Versuchsleitung (Geschlecht, Dialekt, Aussehen,
Erwartungen...)
• Eigenheiten des Untersuchungsortes oder –zeitpunktes (Temperatur,
Beleuchtung, Tageszeit...)
• Eigenheiten der Operationalisierung (Testaufgaben,
Fragenreihenfolge...)
STÖRVARIABLEN
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Wie kann man den Einfluss von Störvariablen ausschalten oder
kontrollieren?
bei Versuchspersonen
• Parallelisieren (matching): in allen Versuchsbedingungen bzw. Gruppen
die Ausprägungen der potenziellen Störvariablen gleich verteilen
• Randomisierung (!!!): zufällige Zuteilung der Personen zu den
Versuchsbedingungen à hier sorgt der Zufall für das gleichmäßige
Verteilen von – auch unbekannten – Störvariablen
(z.B. durch Lose, Würfeln, Zufallszahlen)
STÖRVARIABLEN
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Wie kann man den Einfluss von Störvariablen ausschalten oder
kontrollieren?
bei Untersuchungssituationen
• Konstanthalten: von Umgebungsbedingungen und
Operationalisierungen
• Elimination: Ausschalten der Störvariablen (z.B. Schalldämmung)
• Doppelblindstudien: weder Versuchsleiter noch Versuchsperson wissen,
in welcher Bedingung sie sind
STÖRVARIABLEN
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Beispiel für einen Versuchsplan mit Randomisierung und 2 Gruppen:
STÖRVARIABLEN
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• bei Experimenten gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, was
den so genannten Versuchsplan oder das Design angeht
• das Design hängt ab von:
– der Anzahl der UVs
– der Anzahl der AVs
– dem Ort, wo das Experiment stattfindet
– der Randomisierung der Versuchspersonen
– der Häufigkeit, mit der der Effekt gemessen wird
– welche Personen verglichen werden sollen
– dem Vorhandensein einer Kontrollgruppe
EXPERIMENTELLE DESIGNS
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die Frage: wie viele UVs gibt es?
• die UVs bei Experimenten werden auch Faktoren genannt
• bei einer UV à einfaktorielles Design
• bei zwei UVs à zweifaktorielles Design, usw. (bzw. mehrfaktorielles D.)
• die Ausprägungen der UVs werden Faktorstufen genannt
• Designs werden meist nach ihren Faktoren und Faktorstufen benannt:
z.B.: 2x2-Design (sprich: zwei-mal-zwei-Design) à 2 Faktoren mit je 2
Stufen; 2x3x3-Design à 3 Faktoren mit 2, 3 und 3 Stufen
• das Produkt ergibt die Anzahl der Bedingungen (z.B.: 2x3 = 6)
FAKTORIELLE DESIGNS
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Beispiel für ein 2x2x2-Design (Pingitore, R., Dugoni, B. L., Tindale, R. S., & Spring, B. (1994). Journal of Applied
Psychology, 79, 909-917)
FAKTORIELLE DESIGNS
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die Frage: wie viele AVs gibt es?
• meist wird nur eine AV untersucht – man spricht von univariaten
Designs
• natürlich können auch mehrere AVs untersucht werden
• solche Designs werden multivariate Designs genannt
• sie verlangen ausgefeiltere Analysemethoden
UNI- UND MULTIVARIATE DESIGNS
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die Frage: wo findet das Experiment statt?
• Labor-Experimente: höchste Kontrollierbarkeit
• Feld-Experimente: gute ökologische Validität
Beispiel für
Laborexperiment Feldexperiment (Aronson & Mills, 1959) (North, Hargreaves & McKendrick, 1999)
LABOR- UND FELDEXPERIMENTE
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die Frage: sind die Versuchspersonen zufällig aufgeteilt?
• „echte“ Experimente setzen das randomisierte Zuteilen von Personen
auf die Bedingungen voraus
• ist die Gruppeneinteilung von Natur aus vorgegeben und daher keine
Randomisierung möglich, spricht man von Quasi-Experimenten
• Beispiele: Geschlecht, Raucher/Nichtraucher, Gesunde vs. Patienten mit
dem Krankheitsbild XY, Jüngere vs. ältere Altersklassen,
Ländervergleiche, Psychologie- vs. SeKo-Studierende
• hier spielt das Parallelisieren und Konstanthalten eine zentrale Rolle
• dennoch ist die experimentelle Kontrolle eingeschränkt, manchmal
auch unmöglich
• Störvariablen können aber später auch statistisch kontrolliert werden
ECHTE UND QUASI-EXPERIMENTE
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die Frage: wie oft wird der Effekt gemessen?
• normalerweise wird der Effekt der UV auf die AV nur einmal gemessen
• interessiert aber die Stabilität des Effektes (ob er über die Zeit anhält),
kann er mehrfach gemessen werden à Messwiederholung
• Messwiederholungen werden auch bei Vorher-Nachher-Vergleichen
verwendet: hier werden Manipulationen geprüft, ohne dass unbedingt
verschiedene Gruppen gebraucht werden
MESSWIEDERHOLUNGS-DESIGNS
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die Frage: welche Personen werden verglichen?
• in den experimentellen Bedingungen befinden sich verschiedene
Personen à between-subjects Design
• in den experimentellen Bedingungen befinden sich dieselben Personen
à within-subjects Design (z.B. auch ABAB-Designs)
WITHIN- UND BETWEEN-DESIGNS
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Vorteile von within-Designs (und Nachteile von between-Designs)
• geringere Anzahl von Versuchsteilnehmern nötig
• Wegfall personenbezogener Störvariablen à perfekte Parallelisierung
• einige Effekte sind nur so untersuchbar (z.B. Veränderungen von
Merkmalen, Einstellungen, Urteilen usw. über die Zeit)
Nachteile von within-Designs (und Vorteile von between-Designs)
• Positionseffekte
– Übungseffekte: die Vertrautheit mit dem Untersuchungsmaterial hat
einen systematischen Einfluss auf das Ergebnis
– Ermüdungseffekte: bei lang andauernden Untersuchungen
• carry-over-Effekte: Manipulationen einer Versuchsbedingung
beeinflussen andere Versuchsbedingungen (z.B. Stimmungsinduktion)
! within- und between-Manipulationen können bei verschiedenen Faktoren
in ein und derselben Studie auftreten (gemischte Designs)
WITHIN UND BETWEEN-DESIGNS
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KONTROLLIERTE DESIGNS
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die Frage: gibt es eine Kontrollgruppe?
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die Frage: gibt es eine Kontrollgruppe?
• Kontrollgruppen erhalten – im Gegensatz zu Experimentalgruppen –
keine Intervention oder kein Treatment
• wenn die UV nur eine interessierende Ausprägung hat (z.B. eine
bestimmte Intervention), ist eine Kontrollgruppe unerlässlich
• wenn die UV mehrere interessierende Ausprägungen hat, die verglichen
werden sollen, kann auf eine separate Kontrollgruppe verzichtet werden
– das Design ist dann dennoch kontrolliert
Fazit: Experimente sollten randomisiert und kontrolliert sein à oft spricht
man von RCT-Studien (randomized control trials)
KONTROLLIERTE DESIGNS
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Versuchspersonenerwartungen
• Probanden bilden Erwartungen oder Hypothesen über Sinn und Zweck
der Studie und können ihr Verhalten entsprechend beeinflussen
• solche Verzerrungen kann man durch Blindstudien vermeiden, die das
Anliegen der Studie verschleiert oder ein anderes Anliegen vorgibt
(Coverstory)
Versuchsleitereffekte (Rosenthal-Effekt)
• die Erwartungen des Untersuchers beeinflussen unbewusst den
Ausgang der Studie
• kontrollierbar durch Doppelblindstudien
Hawthorne-Effekt
• Personen ändern ihr Verhalten schon durch die
Tatsache, dass sie wissen beobachtet zu werden
• kontrollierbar durch Kontrollgruppen
PROBLEME BEIM EXPERIMENTIEREN
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• Experimente beinhalten in aller Regel Beobachtungen und Befragungen
um den Effekt zu messen
• sind die klassischen Gütekriterien also für diese Instrumente
sichergestellt, ist auch das Experiment an sich objektiv, reliabel und
valide
• allerdings kommen zwei neue Arten von Validität hinzu:
– interne Validität: Veränderungen in der AV können eindeutig auf
Veränderungen in der UV zurückgeführt werden (sichergestellt
durch den Ausschluss von Alternativerklärungen, also durch ein
gutes Design)
– externe Validität: das Ergebnis des Experimentes ist auf die
Population verallgemeinerbar (sichergestellt durch repräsentative
Stichproben von Teilnehmer/innen – am besten durch zufälliges
Ziehen)
GÜTEKRITERIEN BEI EXPERIMENTEN
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• bei Experimenten werden Versuchsbedingungen gezielt hergestellt (manipuliert
bzw. systematisch variiert)
• anschließend wird der Effekt der UV auf die AV gemessen
• ihr Ziel sind Kausalaussagen
• Experimente können im Labor oder im Feld stattfinden
• Störvariablen werden durch Randomisieren und Parallelisieren kontrolliert
• Randomisierung, die Anzahl der Faktoren und das Vorhandensein einer
Kontrollgruppe bestimmen über das Design (Versuchsplan) des Experimentes
• Experimente beinhalten in aller Regel Beobachtungen und Befragungen um den
Effekt zu messen
EXPERIMENTE STECKBRIEF
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LITERATUR
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• Huber, O. (1995). Das psychologische Experiment: Eine Einführung. Bern: Huber.
• Hussy, W., Schreier, M. & Echterhoff, G. (2010). Forschungsmethoden in
Psychologie und Sozialwissenschaften. Heidelberg: Springer.
• Schäfer, T. (2010). Statistik I. Deskriptive und Explorative Datenanalyse.
Wiesbaden: Springer VS.
• Sedlmeier, P. & Renkewitz, F. (2013). Forschungsmethoden und Statistik: Ein
Lehrbuch für Psychologen und Sozialwissenschaftler. München: Pearson.