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Materialien zur Vorlesung Biologische Psychologie I
Nervensystem Motorik
Sinnesorgane Integrative Funktionen des Zentralnervensystems
(WS)
Jörg Berndt
2002
WS 02 Die folgenden Seiten enthalten Materialien, die in der Vorlesung "Biologische Psychologie I" verwendet werden. Dabei handelt es sich um Abbildungen und Texte, die üblicherweise wohl als "Tafeltexte" und "Tafelbilder" die Vorlesung begleiten würden. Meine Fähigkeiten, leserlich auf einer Tafel zu schreiben oder zu zeichnen, sind aber sehr begrenzt; deshalb habe ich solche Tafeltexte als Folien vorbereitet, die während der Vorlesung projiziert werden. Ein solches Verfahren hat mehrere Nachteile: Es entstehen auf diese Weise sehr viel mehr Texte und Abbildungen, als sie von Hand während der Vorlesung herzustellen wären. Und die Studierenden sind der Meinung, es sei notwendig, alle diese Inschriften abzuzeichnen oder zu notieren; sie sind deshalb mit dem Abschreiben der Folien beschäftigt, wo sie eigentlich zuhören und sich auf den Fortgang der Veranstaltung konzentrieren sollten. Ich habe mich deshalb entschlossen, den Inhalt der meisten Folien als "Materialsammlung" herauszugeben; diese Materialsammlung halten Sie jetzt gerade in der Hand. Auf den Druckseiten wurde soviel Platz gelassen, daß Sie dort zusätzliche Notizen machen können; das Abschreiben soltte sich damit erübrigen.
Aber:
Diese Materialsammlung ist kein Skript und ersetzt auch kein Lehrbuch der Biologischen Psychologie. Sie ist eigentlich nur ein erweiterter Fahrplan durch die Vorlesung und sollte auch so benutzt werden! Für diese Veranstaltung erscheint in jedem Jahr neu eine Literaturliste, auf der Bücher zusammengestellt sind, die Themen der Veranstaltung behandeln. Die Literaturliste gibt es in der Veranstaltung. Als Lehrbücher der Biologischen Psychologie empfehle ich Birbaumer, N., und R. F. Schmidt: Biologische Psychologie Berlin etc., Springer, 4. Aufl. 1999 Pinel, P.J.: Biopsychologie Heidelberg etc., Spectrum Akademischer Verlag 1997
Vorbemerkungen WS 03
Zentrale Fragestellungen der Biologischen Psychologie
Das Leib-Seele-Problem
Das Anlage-Umwelt-Problem
Das Problem der psycho-somatischen Beziehungen
Der Zusammenhang von Struktur und Funktion
Vorbemerkungen WS 04
Zentrale Fragestellungen der Biologischen Psychologie
I
Auf welche Weise ist der menschliche Organismus an psychischen Prozessen beteiligt?
Anmerkung: Psychische Ereignisse finden nicht nur auf der immateriellen Ebene von Wahrnehmen, Denken und Fühlen statt, sondern auch auf der Ebene physischer (biologischer) Prozesse. Lebewesen existieren und funktionieren als "psychophysische Einheiten" ohne klare Trennung der beiden Bereiche.
II
Auf welche Weise sind psychische Prozesse, um stattfinden zu können, auf körperliche oder "biologische" Strukturen und Funktionen angewiesen? Anmerkung: Psychische Prozesse spielen sich in der "Matrix" des biologischen Organismus ab, deshalb werden sie von den Eigenschaften dieser Matrix beeinflusst. Manche "psychischen" Merkmale und Verhaltensweisen von Menschen sind deshalb nur verständlich, wenn Strukturen und Funktionen der organischen Matrix bekannt sind.
Vorbemerkungen WS 05
Themen des Wintersemesters: Biologische Psychologie I Seite 1. Das Nervensystem: Übersicht 7 - 11 2. Elementare Neurophysiologie 12 - 27 Das Neuron, Erregungsbildung, Erregungsleitung Struktur und Funktion von Synapsen, Erregungsübertragung Funktionen kleiner Neuronenverbände 3. Motorik 28 - 30 Struktur und Funktion quergestreifter Muskeln 4. Spinale Motorik 31 - 36 Eigenreflexe, Fremdreflexe 5. Zentrale Motorik 37 - 42 Corticale Projektionsfelder, Basalganglien, Kleinhirn 6. Allgemeine Sinnesphysiologie 43 - 52 Dimensionen von Sinnesprozessen, Rezeptorphysiologie 7. Spezielle Sinnesphysiologie 53 - 73 Gesichtssinn, Gehör 8. Integrative Funktionen des ZNS: Gedächtnis 74 - 94 9. Integrative Funktionen des ZNS: Bewußtsein 95 - 103 10. Zerebrale Asymmetrie 104 - 118 11. EEG / Schlaf 119 - 132 12. Methoden der Neuropsychologie 133 - 138 13. Schmerz 139 - 145
Vorbemerkungen WS 06
Lernziele der Veranstaltung "Biologische Psychologie I"
1. Struktur und Funktionsweise des Nervensystems, der Motorik und der Sinnesorgane im Grundsatz kennen und verstehen.
2. Strukturelle und funktionelle Merkmale auch von in der Veranstaltung nicht
behandelten, zentralnervös gesteuerten Funktionssystemen selbständig erarbeiten können.
3. Zusammenhänge zwischen physischen (zentralnervösen) und psychischen
(kognitiven, emotionalen) Prozessen erkennen und einordnen können. 4. Zentrale neuropsychologische Konstrukte (z.B: "Plastizität", "Gedächtnis",
"Bewußtsein", "Sensomotorik") kennen und auf psychologische Problem-stellungen anwenden können.
5. Grundkenntnisse von den wichtigsten Methoden der Neuropsychologie (z.B.
EMG, Reiz- und Ableitmethoden, EEG, bildgebende Verfahren) auf neuropsychologische Problemstellungen anwenden können.
1 Nervensystem: Übersicht WS 07 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 20, 453-482 PINEL KAP. 3, 52-82
Neurobiologie
Struktur Funktionen
des Nervensystems der Sinnesorgane
der Motorik usw.
Struktur
der Gestalt oder Form: Anatomische oder morphologische Struktur
der Verknüpfung/Kombination von Funktionen: Funktionelle Struktur
1 Nervensystem: Übersicht WS 08 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565-601 PINEL KAP. 15, 396-428
Entwicklung der morphologischen und funktionellen Struktur
Plan?
Genetischer Bauplan?
Motor der Entwicklung?
Externe Einflüsse?
Konsequenzen?
Der Rosenzweig-Krech-Bennet-Versuch (1962)
Ratten
"durchschnittliche" "verarmte"
"angereicherte"
Entwicklungsbedingungen
Strukturausbau von Großhirnarealen durch angereicherte Entwicklungsbedingungen
KRECH/CRUCHFIELD U.A.: BD.3, KAP. 4
1 Nervensystem: Übersicht WS 09 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565-601 PINEL KAP. 15, 396-428
"Neuronale Aktivität"
als Motor der Entwicklung des Nervensystems
"Plastizität"
"Superplastizität" in frühen Lebensphasen
"Kritische" oder "sensible" Perioden
Beispiele:
Spracherwerb/Sprachenlernen Entwicklung motorischer Fertigkeiten
Materielle Voraussetzungen für die Strukturentwicklung
Aminosäuren-Vorrat
Proteinmangel?
Ernährung?
1 Nervensystem: Übersicht WS 10 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565-601 PINEL KAP. 15, 396-428
Grundlagen der Entwicklung des Nervensystems
Genetischer Bauplan
Entwicklungsbedingungen (Stimulation neuronaler Aktivität)
Nutzung der sensiblen Perioden
Deckung des Proteinbedarfs durch die Ernährung
1 Nervensystem: Übersicht WS 11 BIRBAUMER/SCHMIDT PINEL
"Organisation" des Nervensystems
Erregung (Aktivitätsausbreitung)
Exkurs: Klassische Konditionierung
Beispiel 1.: "Katastrophale" Erregungsausbreitung bei Krampfanfällen
Beispiel 2.:
Entwicklung einer motorischen Fertigkeit (Laufen) bei Kleinkindern
Hemmung (Erregungsbegrenzung)
Ökonomie der funktionellen Nutzung des Nervensystems
Kapazität
Parallelprozesse
Dual - Task - Methode
2 Elementare Neurophysiologie I WS 12 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 - 120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Fragestellungen der elementaren Neurobiologie
Struktur und Funktionen von Nervenzellen und Synapsen
Erregung, Erregungsleitung, Erregungsübertragung
Hemmung
Funktionen von Nervenzellverbänden
2 Elementare Neurophysiologie WS 13 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 - 120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Das Neuron
Nervenzelle („Soma“):
Zellkörper Zellkern
Zellorganellen
Nervenfaser („Neurit“)
Axon-Hügel Axon
Markscheide Endverzweigungen
Endknöpfchen
Kurze Zellfortsätze („Dendriten“)
Nervenzelle (Soma) +Nervenfaser (Neurit)
+Kurze Fortsätze (Dendriten)
= „Neuron“
2 Elementare Neurophysiologie WS 14 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 - 120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Elementarfunktionen des Nervensystems
Nachrichtentransport: Nervenfaser (Neurit, Axon) Informationsverarbeitung: Soma, Dendriten, Nervenzellverbände Nachrichtenspeicherung: Struktur des Neuronennetzes Umbau von Soma, Dendriten, Endknöpfchen
2 Elementare Neurophysiologie WS 15 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 - 120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Das elektrische "Ruhe - Membran - Potential" ("Ruhepotential")
mV
+
--90
Ruhepotential
msec
2 Elementare Neurophysiologie WS 16 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 - 120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Elektrische Phänomene an Nervenzellen
1. Dissoziation von Salzen
z.B. NaCl (Kochsalz) + Wasser
> Na+ + Cl-
>Lösung von Salzen in Wasser erzeugt (elektrisch positiv geladene) Kationen + (elektrisch negativ geladene) Anionen.
2. Ionenarten, die in lebenden Geweben in bedeutsamen Mengen vorkommen:
Anionen: Prot-, Cl-
Kationen: Na+, K+
Ionenverteilung im Extrazellulärraum und im Intrazellulärraum von Nervenzellen:
intrazellulär extrazellulär
Prot- 155 mMol/l Prot- 0 mMol/l Cl- 4 mMol/l Cl- 120 mMol/l Na+ 12 mMol/l Na+ 145 mMol/l K+ 155mMol/l K+ 4 mMol/l
2 Elementare Neurophysiologie WS 17 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 - 120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Elektrische Phänomene an Nervenzellen
Elektrische Ladung der Nervenzellmembran im Ruhezustand
intrazellulär extrazellulär
Prot-
K+
Prot- K+
Prot-
K+
Prot-
K+
Prot- K+
Prot-
K+
Weil die Zellmembran für K+ - Ionen sehr durchlässig ist, wandern einige K+ - Ionen, dem Konzentrationsgefälle folgend, nach außen. Die viel größeren Protein-Anionen können ihnen nicht folgen und bleiben auf der Innenseite: Die selektive Ionenwanderung erzeugt wegen der elektrischen Ladung der Ionen ein elektrisches "Potential" (eine Spannung), das die Innenseite der Zelle elektrisch negativ gegenüber der Außenseite erscheinen läßt: Das Ruhepotential.
2 Elementare Neurophysiologie WS 18 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 - 120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Elektrische Phänomene an Nervenzellen
Hyperpolarisation und Depolarisation
msec
mV+
-
Schwelle
Hyperpolarisation-90
msec
mV+
-
Schwelle
Depolarisation-90
2 Elementare Neurophysiologie WS 19 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 -120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Elektrische Phänomene an Nervenzellen
Lokale Antwort und Aktionspotential
msec
mV+
--90
lokale Antwort
Reizstärke
mV+
--90
Reizstärke
Schwelle
Aktionspotential
2 Elementare Neurophysiologie WS 20 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 -120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Ruhepotential 1. Ungleichverteilung von Ionen zwischen Innen- und Außenseite einer Nervenzelle; 2. unterschiedliche („selektive“) Durchlässigkeit der Zellmembran (hohe Durchlässigkeit für K+ - Ionen)
Aktionspotential
1. Ungleichverteilung von Ionen 2. Vorübergehend (ca. 1msec) hohe Durchlässigkeit der Zellmembran für Na+Ionen (Öffnung von Na+„Poren“); keine Durchlässigkeit für K+Ionen
Wiederherstellung des Ruhe-Potentials 1. Herausbefördern der eingedrungenen Na+Ionen und 2. Hereinbefördern der nach außen verlorenen K+Ionen durch eine (energiebedürftige) „Ionenpumpe“.
2 Elementare Neurophysiologie WS 21 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 -120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Aktionspotential:
Schwelle unterschwelliger Reiz („lokale Antwort“) überschwelliger Reiz (fortgeleitetes Aktionspotential) Alles- oder - Nichts-Regel Depolarisation: Erregbarkeitssteigerung Hyperpolarisation: Erregbarkeitssenkung Na+-“Poren“ Na+-Einstrom Na+/K+-“Pumpe“ Refraktärzeit Impulsfrequenz (AP-Häufigkeit) ca. 1-40 /sec
2 Elementare Neurophysiologie WS 22 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 7. 101 -120 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Erregungsleitung
"marklose" NervenfaserNLG: 0,5 - 20 m/sec
"markhaltige" Nervenfaser"saltatorische" Erregungsleitung
NLG: 10 - 120 m/sec
2 Elementare Neurophysiologie WS 23 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 8. 121 -143 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Synapsen:
AXON
PräsynaptischeEndigung
SynaptischeBläschen
SynaptischerSpalt
SubsynaptischeMembranPostsynaptische
Seite
2 Elementare Neurophysiologie WS 24 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 8. 121 -143 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Erregbarkeit von Neuronen:
Depolarisation: Steigerung der Erregbarkeit
Hyperpolarisation: Verminderung der Erregbarkeit
Bestandteile von Synapsen:
Präsynaptisch: Endknöpfchen
Vesikel (Bläschen)
Transmitter (Überträgerstoff)
Synaptischer Spalt
Postsynaptisch: Subsynaptische Membran
Rezeptormoleküle
Elektrische Erscheinungen an Synapsen:
„Postsynaptische Potentiale“
a) depolarisierend, erregend („exzitatorisch“)
Exzitatorisches, postsynaptisches Potential (EPSP)
b) hyperpolarisierend, hemmend („inhibitorisch“)
Inhibitorisches, postsynaptisches Potential (IPSP)
Elementare Verarbeitungsfunktionen:
Zeitliche Summation/Integration
Räumliche Summation/Integration
2 Elementare Neurophysiologie WS 25 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 8. 121 -143 PINEL KAP. 4, 83 - 109
H
IPSP
PostsynaptischeHemmung
EPSP
PräsynaptischeHemmung
E
H
2 Elementare Neurophysiologie WS 26 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 8. 121 -143 PINEL KAP. 4, 83 - 109
E E
H H
AntagonistischeHemmung
E
H
RekurrenteHemmung
E E E
H H
Laterale Hemmung
2 Elementare Neurophysiologie WS 27 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 8. 121 -143 PINEL KAP. 4, 83 - 109
Divergenz
Konvergenz
3 Motorik WS 28 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 253 PINEL KAP. 9, 234 - 236 Skelettmuskel Muskel - Faserbündel - Faser (Muskelzelle) Faser - Fibrille - Filament Aktin - Myosin "Kanälchen" Motorische Endplatte (neuro-muskluläre Synapse) Muskelspindel - Sehnenspindel
3 Motorik WS 29 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 253 PINEL KAP. 9, 234 - 236
Elektromechanische Koppelung:
Nerven-Aktionspotential ⇓
Motorische Endplatte ⇓
Azetyl-Cholin ⇓
Muskel-Aktionspotential ⇓
Ausbreitung über „Kanälchen“ ⇓
Freisetzung von Ca++ ⇓
Aktivierung von ATP-ase ⇓
Kontraktion
Muskelkontraktion:
Aktin
Myosin
Theorie der gleitenden Filamente
3 Motorik WS 30 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 253 PINEL KAP. 9, 234 - 236
Das Elektromyogramm (EMG)
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
+ + + + + + + + + + + + + + + - - - - - + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + - - - - - + + + + + + + + + + + + + + + + + + +
+
0
_
+
0
_
+
0
_
- - - - - - - - - - - - - - - - + + + +- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - + + + + - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
4 Spinale Motorik WS 31 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 256 PINEL KAP. 9, 234 - 241
Motorische Steuerung:
Spinale Motorik (Rückenmark) Motorisches („efferentes“) Neuron Sensorisches („afferentes“) Neuron Muskelspindel: Muskel-Länge Kontraktionskraft Kontraktionsgeschwindigkeit Motorischer Eigenreflex Spinaler Reflex „Monosynaptischer“ Reflex Rekurrente („rückwärts-“) Hemmung Neuro-muskuläre Synapse („motorische Endplatte“) Motorische Einheit Kontraktile Eiweisse (Aktin, Myosin) Theorie der „gleitenden Filamente“
4 Spinale Motorik WS 32 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 256 PINEL KAP. 9, 234 - 241
StreckerBeuger Rückenmark
H
Recurrente Hemmung
("Rückwärts-Hemmung")
4 Spinale Motorik WS 33 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 256 PINEL KAP. 9, 234 - 241
BeugerStrecker
Muskelspindelafferentes Neuron
sensorisches NeuronRückenmarkHinterwurzelVorderhorn
motorisches Neuronefferentes Neuron
Vorderwurzel
4 Spinale Motorik WS 34 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244
B B
B
S
S
S
S
Reiz
Schmerzrezeptor
B
4 Spinale Motorik WS 35 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244
B B
B
S
S
S
S
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B
H
S SH
B B
S
B H
H
B
S
Hinterwurzel
Vorderwurzel
sensorische(afferente)
Nervenfaser
vorne (ventral)
hinten (dorsal)
Rückenmark (schematisch)
motorische(efferente)
Nervenfaser
4 Spinale Motorik WS 36 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244 "Mono-"synaptischer Eigenreflex: Stabilisierung von Muskellänge und Muskelkraft. Einfacher Regelmechanismus. →→→→→→→→→→→→ Automatische Verarbeitung von Störungen. Polysynaptischer Fremdreflex: Lokomotionsreflexe Nutritionsreflexe Fluchtreflexe Schutzreflexe →→→→→→→→→→→→ Einfache, automatisierte Verhaltensprogramme Bedingter Reflex (Pawlow) „Gelernter“ Fremdreflex Operante Konditionierung (Skinner) Durch „Verstärkung“ gelerntes Verhalten
5 Zentrale Motorik WS 37 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244
Zentrale motorische Systeme:
Rückenmark: Regulation von Muskellänge und Muskelspannung durch Reflexe Hirnstamm: Halte- und Stellreflexe Kleinhirn: Räumliche und zeitliche Bewegungskoordination Thalamus: Abstimmung von Motorik und Sensorik Basalganglien: Feinabstimmung (genaue räumliche und zeitliche Dosierung) von Bewegungen Großhirnrinde (Somatotopische Repräsentation) Bewegungsausführung
5 Zentrale Motorik WS 38 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244
Motorische Funktionen der Basalganglien
Bewegungs-Gestaltung:
Defektsymptome (z.B: bei Morbus Parkinson) lassen sich unterteilen in:
„Minus-“Symptome: Akinese mimische Starre kleine Schritte kleine Schrift Bradykinese „Freezing“
„Plus-“Symptome: Zitterbewegungen (Tremor) erhöhter Muskeltonus (Rigor) gebückte Haltung
5 Zentrale Motorik WS 39 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244
Motorische Funktionen des Kleinhirns
Bewegungskoordination
> Abstimmung von Körper- und Augenbewegungen Defektsymptom: z.B: Doppelbilder
> Abstimmung von Körperbewegungen (insbesondere Gehbewegungen), Halte- und Stützmotorik (Gleichgewichtssinn) Defektsymptom: z.B: Ataxie
> Räumliche Koordination (Zielbewegungen) Defektsymptom: z.B: Intentionstremor
> Zeitliche Koordination Defektsymptom: z.B: Adiakochokinese
5 Zentrale Motorik WS 40 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244
Kleinhirn Großhirn
Efferenz-Kopie
Re-Afferenz Efferenz Efferenz-Korrektur
Das Reafferenz-Prinzip:
(MEP=Motorische Endplatte)
Muskelspindel MEP
5 Zentrale Motorik WS 41 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244
"Plan"
"Programm"
"Ausführung"
Subcorticale undcorticale
Motivationsareale
Assoziations-Cortex
Basal-ganglien
Kleinhirn
Thalamus
Motorische Hirnrinde
Hirnstamm
Spinale Motoneurone
Motorische Einheiten
Handlungsantrieb
Bewegungsentwurf
Zielmotorik
Stützmotorik
Mono- und polysynapt.Reflexe
Muskel-spannung-längeKontraktions-geschwindigkeit-beschleunigung
5 Zentrale Motorik WS 42 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 13, 242 - 280 PINEL KAP. 9, 219 - 244
Thalamus
S. Nigra N. Subthal
Striatum
Pallidum
Pyra
mid
enba
hn
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 43 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Sinnesphysiologie
Auf zwei Arten steht der Mensch mit der Welt, in der er lebt, in Beziehung: •••• er nimmt sie wahr, erwirbt also und ergänzt fortlaufend sein Wissen, seine Annahmen und sein Bild von der und über die Welt, und •••• er wirkt informatorisch und materiell auf die Welt ein, d.h. er verändert sie (und wird von ihr verändert).
Sinnesphysiologie handelt von den Wahrnehmungsprozessen, von den strukturellen und funktionellen Voraussetzungen dafür, von den Dimensionen der Wahrnehmung und ihren Grenzen.
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 44 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Wiese mit Blumen
em Wellen mitunterschiedl.
Wellenlängen ingeometr. Anordnung
Umweltphänomen
Physikalische undchemische Signale
("Reizmuster")
Auge(Stäbchen, Zapfen)
Sehnerv
Erregung vonRegionen im ZNS
(z.B. primäre Sehrinde)
"Grün, gelb, rot"Intensitätsmuster
Räumliche Anordnung
Wiese mit Blumen
SinnesorganRezeptoren imSinnesorgan
Folge von AP aufNervenfasern
Verarbeitung
Empfindung
Wahrnehmung
"Erfahrung"(Gedächtnis)
Anm.: em Wellen = elektromagnetische Wellen (Lichtwellen)
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 45 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Sensorische Strukturen und Funktionen lassen sich anhand bestimmter Merkmale erfassen und beschreiben und gehorchen gewissen Regeln.
Solche Merkmale und Regeln haben sich durch die Evolution entwickelt. Sie sind die Grundlage dafür, daß menschliche Wahrnehmung weitgehend auf das Bedürfnis der Menschen, sich in der vorgefundenen Welt zu orientieren und an sie zu adaptieren abgestimmt ist. Sie kann aber nur innerhalb gewisser Grenzen präzise und objektive Information zur Verfügung stellen kann.
Mit anderen Worten: Sinnesprozesse verschaffen uns unzuverlässige, ungenaue, bruchstückhafte und nur begrenzt objektive „Bilder von der Welt“, aber dieser scheinbare Mangel hat sich in der Entwicklungsgeschichte der Menschen bewährt und damit auch zum Überleben der Menschen beigetragen.
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 46 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Schlüsselbegriffe der Sinnesphysiologie
1. Dimensionen von Sinnesprozessen sind: Modalität Qualität Intensität Zeitlichkeit Räumlichkeit
2. Strukturelle und funktionelle Elemente von Organen der Sinneswahrnehmung sind: Rezeptor (primärer R., sekundärer R.) adäquater Reiz Rezeptorpotential rezeptiver Mechanismus zentrale (afferente Bahn) zentraler Verarbeitungsmechanismus
3. Elemente der Organisation von Sinnesprozessen sind: Rezeptorempfindlichkeit Reizschwelle Rezeptorcharakteristik Auflösungsvermögen für Reizmerkmale (Qualität, Intensität, zeitlich, räumlich)
4. Besonderheiten der zentralen Verarbeitung von Sinnesprozessen sind: Konvergenz- und Divergenzschaltungen Kontrastverstärkung („laterale Hemmung“) Prinzip der „rezeptiven Felder“
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 47 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Rezeptoren: Chemo-Rezeptoren Mechano-Rezeptoren Photo-Rezeptoren Thermo-Rezeptoren
Modalitäten:
Gesichts-Sinn Gehör-Sinn Gleichgewichts-Sinn Tast-Sinn Berührungs-Sinn Geschmacks-Sinn Geruchs-Sinn Temperatur-Sinn Schmerz-Sinn
Qualitäten
Gesichts-Sinn: Gehör-Sinn: Farben Tonhöhen Schmerz-Sinn: Berührungs-Sinn: Dumpfer Schmerz Druck Spitzer Schmerz Vibration Jucken Oberflächenschmerz Temperatursinn Tiefenschmerz warm kalt Geschmacks-Sinn: Geruchs-Sinn: süß brenzlig sauer aromatisch bitter faulig salzig
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 48 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Reiz
↓↓↓↓ Transduktion
↓↓↓↓
Rezeptorpotential
↓↓↓↓ Aktionspotential
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 49 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218 Rezeptor-Potential und Aktionspotential
Rezeptor-Potential Aktionspotential verschiedene Auslöser ein Auslöser (Transduktionsmechanismen) (Depolarisation) lokale Antwort fortgeleitete Antwort abgestufte Antwort Alles-oder-Nichts-Regel keine Schwelle Schwelle
Primärer/sekundärer Rezeptor Rezeptor-Potential
Rezeptor-Charakteristik: Proportional-/Differential-/Integral-Rezeptor
Adaptation On-/Off-Rezeptoren
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 50 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Reiz
Proportional-Rezeptor, Off-Typ
Differential-Rezeptor
Proportional-Rezeptor, On-Typ
Proportional-Differential-Rezeptor
Integral-Rezeptor
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 51 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Akt
ions
pote
ntia
l-Fre
quen
z
Reiz
Proportional-Rezeptor, On-Typ
Proportional-Rezeptor, Off-Typ
Differential-Rezeptor
Proportional-Differential-Rezeptor
Integral-Rezeptor
6 Allgemeine Sinnesphysiologie WS 52 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 15, 301 - 325 PINEL KAP. 8, 187 - 218
Unterschiedsschwelle S
Reizstärke S
Reiz
Aktionspotential-Frequenz
Webersche Regel:
S/S = konst.
80 g →→→→ 83 g
800 g →→→→ 830 g
8000 g →→→→ 8300 g
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 53 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
108 106 104 102 100 10-2 10-4 10-6 10-8 10-10 10-12 10-14
Gamma-Strahlung
Röntgen-StrahlungRadar Infrarot-
StrahlungUltra-violett
RunkfunkwellenKurzwelle
FMFernsehen
Netz-Span-nung
400500600700 nmWellenlänge
Sichtbares Licht
Wellenlänge in Metern
Rot Orange Gelb Grün Blaugrün Blau Violett
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 54 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750 2000
Sonnenlicht
Durchlässigkeitder optischen
Medien
Empfindlichkeit derZapfen
Empfindlichkeitder Stäbchen
Wellenlänge (nm)
Relative Strahlungsenergie/Durchlässigkeit/Empfindlichkeit
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 55 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
10-610-510-410-310-210-1100101102103104105106
Relative Lichtstärke
Mittagssonneim
Hochsommer
angenehm
klarerHimmel
Schreibtisch-beleuchtung
zum Lesennoch
ausreichend
Vollmond
sternklarerHimmel
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 56 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196 Optische Eigenschaften des Auges:
1. Abbildung des im Gesichtsfeld liegenden Umweltausschnittes auf der Rezeptorenschicht der Netzhaut; 2. mit möglichst hoher, räumlicher Auflösung (bis ca. 1 Bogenminute); 3. mit möglichst hoher, zeitlicher Auflösung (bis ca. 1/30 sec); 4. unter Erzeugung möglichst hoher Helligkeits- und Farbkontraste (Scharfeinstellung).
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 57 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
Optische Eigenschaften des Auges: Gesamtbrechkraft: 58.9 Dpt Brechkraft der Hornhaut: 43.0 Dpt Brechkraft der Linse: 19.5 Dpt Variabilität der Linsen-Brechkraft 14 Dpt (Akkomodationsbreite) (entspr. Scharfeinstellung von 7cm - 1m).
Netzhautabstand zu groß; Bildentstehung vor der Netzhaut; Ursache: „Langbau“ des Auges oder zu hohe Brechkraft des opt. Apparates:
„Kurzsichtigkeit“
nur auf nahe Objekte kann scharf eingestellt werden! Abhilfe: Zerstreuungslinse („Minus-Dioptrien“)
Netzhautabstand zu klein; Bildentstehung hinter der Netzhaut; Ursache: „Kurzbau“ des Auges oder geringe Brechkraft:
„Weitsichtigkeit“
nur auf ferne Objekte kann scharf eingestellt werden! Abhilfe: Sammellinse („Plus-Dioptrien“)
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 58 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
Merkmale des Sehvorgangs I
Duplizitätstheorie: 2 Rezeptor-Typen: Zapfen (farb- und hell-/dunkel-empflindlich) Stäbchen (nur hell-/dunkel-empfindlich) 2 Sehvorgänge, die sich nach Qualitäten und Intensitätsbereichen unterscheiden: Zapfen-Sehen (photopisches Sehen, Tagessehen) ist ein anderer Vorgang als Stäbchen-Sehen (scotopisches Sehen, Dämmerungssehen). Im Zwielicht-Sehen gehen beide Sehvorgänge bruchlos ineinander über. Der Duplizitätsprozeß ist im allgemeinen nicht „bewußt“, obwohl er mit der Alltagserfahrung übereinstimmt („Nachts sind alle Katzen grau“):
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 59 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
Merkmale des Sehvorgangs II
Sehen als „aktiver“ Prozeß: • Der Sehvorgang kann aktiviert und unterbrochen werden (Öffnen und Schließen der Augen); • er ist im Raum „gerichtet“ (Blicken, Fixieren); • er kann Bewegungen unabhängig von Kopf- und Körperstellungen folgen (Konvergenz und Akkomodation). Der Gesichtssinn ist in diesen Merkmalen dem Tastsinn ähnlich, unähnlich ist er z.B. dem Gehörsinn, dem Temperatur- oder dem Geruchsinn.
Der Gesichtssinn kennt zwei Entfernungsbereiche: nah (bis ca. 6m) fern (jenseits 6m) nah: Scharfeinstellung durch Akkomodation der Linse; Ausgleich von Entfernungen durch Körperbewegungen; fern: Fixfocus-Einstellung des dioptrischen Apparates; Körperbewegungen weitgehend ohne Einfluß
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 60 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
Farbsehen:
Additive Farbmischung: Mischung von Licht von zwei Wellenlängen ergibt ein Licht einer neuen „Farbe“, die spektral zwischen den gemischten „reinen“ Farben liegt: z.B. Mischung von rot und grün ergibt orange/gelb. 2 Farben, die additiv gemischt „weiß“ ergeben, heißen „Komplementärfarben“. Es gibt Kombinationen von je drei Spektralfarben, die durch geeignete Mischung jeden anderen Farbton des Spektrums und jede spektrale Mischfarbe ergeben können, z.B. rot/grün/blau (Farbfernsehen, PC-Monitore). Liegen die Ausgangsfarben einer additiven Mischung jenseits 660 nm bzw. 430 nm, entstehen durch additive Mischung die Purpurtöne (die es als spektrale Mischfarben gar nicht gibt).
Die Mischung von Mal- oder Anstrich-Farben ist keine additive, sondern eine subtraktive Mischung. Eine Malfarbe wirkt wie ein Farbfilter, der aus dem weißen Licht bestimmte Wellen-längen ausklammert, die von der gefärbten Fläche nicht mehr reflektiert werden (sonst würde diese Fläche weiß erscheinen). Füge ich eine weitere Malfarbe hinzu, so ist dies ein weiterer Filter, und weitere Wellenlängen werden ausgeklammert. Malfarben (und alle anderen "Farben") lassen Anteile des weißen Lichtes verschwinden, "subtrahieren" sie also vom weißen Licht.
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 61 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
Ganglienzellen
Amakrinen
Bipolarzellen
Horizontalzellen
Rezeptoren
Sehnerv
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 62 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
Laterale Hemmung
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 63 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 64 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
Rezeptive Felder:
Ein rezeptives Feld ist die Summe aller Rezeptoren, deren Reizzustand sich auf die Aktivität einer nachgeschalteten Ganglienzelle erregend oder hemmend auswirkt.
Es gibt rezeptive Felder z.B. für rot/grün bzw. grün/rot für blau/gelb bzw. gelb/blau für hell/dunkel bzw. dunkel/hell für Bewegungen für Konturen für Ecken und Winkel
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 65 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 17, 372 - 410 PINEL KAP. 7, 157 - 186, UND 8, 190 - 196
Rezeptive Felder:
PeripherieZentrumrot
Peripheriegrün
Roter Lichtreiz
im Zentrum: Erregung der zugehörigen Ganglienzelle in der Peripherie: Hemmung. der zugehörigen Ganglienzelle Grüner Lichtreiz im Zentrum: Hemmung der zugehörigen Ganglienzelle in der Peripherie: Erregung der zugehörigen Ganglienzelle
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 66 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 18, 411 - 434 PINEL KAP. 8, 196 - 201 Position des Hörorgans im Schädel
O = Ohrmuschel G = Gehörgang P = Paukenhöhle E = Eustachsche Röhre B = Bogengangsystem S = Schnecke H = Hörnerv Cortisches Organ SV = Scala Vestibuli SM = Scala media ST = Scala tympani B = Basilarmembran H = Haarzellen
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 67 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 18, 411 - 434 PINEL KAP. 8, 196 - 201
Merkmale des menschlichen Hörvermögens
•••• Hörbarer Frequenzbereich: 20 - 16000 Hz; •••• Schalldruckbereich: 20 µµµµPa bis 100 Pa entsprechend 2x10-7 mbar bis 1 mbar •••• besonders gute Intensitäts- und Frequenzauflösung für Frequenzen um 1000 - 4000 Hz; •••• mit zunehmendem Alter nachlassende Empfindlichkeit für hohe Frequenzen.
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 68 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 18, 411 - 434 PINEL KAP. 8, 196 - 201
Dimensionen des Schalls
Ton: Schall, der nur aus einer einzigen Frequenz besteht Klang: Überlagerung einiger weniger Frequenzen; die meisten von Musikinstrumenten produzierten „Töne“ sind in Wirklichkeit Klänge Geräusch: Gemisch vieler Frequenzen; die meisten akustischen Ereignisse des Alltags sind tatsächlich Geräusche.
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 69 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 18, 411 - 434 PINEL KAP. 8, 196 - 201
Physik und Psychophysik des Schalls I Schalldruck ist der von den Schallschwingungen (genauer: von den schwingenden Luftmolekülen) ausgeübte, effektive Druck. Er wird wie jeder Druck in N/m2
angegeben: 1 N/m2 = 1 Pa = 10-5 bar = 10-2 mbar = 10 µµµµbar Für das Ohr hörbare Schallereignisse haben einen Intensitätsbereich von ca. 20 µPa bis 100 Pa, also von ca. 10 000 000 oder 107. Schalldruckpegel Um diese riesige Spannweite beschreiben zu können, hat man den Begriff des „Schalldruckpegels“ (SPL = sound pressure level) eingeführt. Er vergleicht einen gemessenen Schalldruck mit einem willkürlich gesetzten „Basis-Schalldruck“ (von 20 µPa) und gibt an, um wieviel intensiver oder weniger intensiv der gemessene Schall ist. Die Skala ist die logarithmische Dezibel-Skala. Ein Ton von Standard-Pegel hat dann immer einen Schalldruck von 0 dB, jeder leisere Ton wird in negativen, jeder lautere Ton in positiven dB-Werten angegeben. Dabei bedeuten -20 dB eine Abschwächung und +20 dB eine Verstärkung um den Faktor 10.
Schalldruckpegel Vergleichswert∗∗∗∗
(dB SPL∗∗∗∗ )
Schalldruck eines beliebigen
Geräusches im Verhältnis zum Vergleichswert
Schalldruckpegel
(dB SPL)
0 0 0 0 0 0 0 0 0
1/100 1/10
1 10
100 1000
10 000 100 000
1 000 000
-40 -20 0
20 40 60 80
100 120
∗ Vergleichswert: 20 µPa ∗ SPL = „Sound Pressure Level“
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 70 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 18, 411 - 434 PINEL KAP. 8, 196 - 201
Physik und Psychophysik des Schalls II
Lautstärke bezeichnet die psychophysikalische Intensität des Schalls; die zugehörige Dimension ist Phon (phon). Es ist vereinbart, daß Töne von 1000 Hz mit einem Schalldruckpegel von (20, 40, 60...) dB SPL die Lautstärkewerte von (20, 40, 60...) phon erhalten, d.h. für Töne von 1000 Hz sind die dB-Skala und die Phon-Skala identisch. Mit Prüftönen von 1000 Hz werden nun Töne anderer Frequenz verglichen. Wenn sie subjektiv als „gleich laut“ empfunden werden, erhalten sie denselben Phon-Wert wie der Prüfton zugeordnet. Nachteil der Phon-Skala ist, daß sie nur mit Probanden in psychophysikalischen Skalierungsversuchen gewonnen werden kann. Setzt man allerdings vor ein Schallpegel-Meßgerät ein Filter („A“), das den Schall ähnlich der Empfindlichkeitsverteilung menschlicher Ohren abschwächt, so können Schallintensitätsmessungen durchgeführt werden, deren Ergebnisse sich an die Phonskala durchschnittlich hörfähiger Menschen annähern:
dB(A) ≈≈≈≈ phon
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 71 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 18, 411 - 434 PINEL KAP. 8, 196 - 201
Dimensionen des Schalls Ton: Schall, der nur aus einer einzigen Frequenz besteht Klang: Überlagerung einiger weniger Frequenzen; die meisten von Musikinstrumenten produzierten „Töne“ sind in Wirklichkeit Klänge Geräusch: Gemisch vieler Frequenzen; die meisten akustischen Ereignisse des Alltags sind tatsächlich Geräusche.
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 72 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 18, 411 - 434 PINEL KAP. 8, 196 - 201
Steinzeitliche Umwelt
Häufigkeit Schallquelle
Schallintens
itäts-bereich
Industrielle Umwelt
Schallquelle Häufigkeit
regelmäßig
Freie Landschaft strömender Fluß Blätterrauschen
Wald Wüste
leise
0-40 dB
Parklandschaft oder ruhiges
Wohngebiet bei Nacht; Flüstern, sehr leise Musik
sehr selten bis
gelegentlich
sehr häufig
Geringer Wind
Tierrufe ruhige Brandung menschl. Stimme Arbeitsgeräusche
mäßig laut 40-60 dB
menschl.
Konversation; Alltagsgeräusche in Wohnungen;
Büroarbeitsplätze
selten bis regelmäßig
gelegentlich bis regelmäßig
Sturm
starke Brandung Gewitter
Tierschreie Wasserfall
laut
60-90 dB
Belebte Straßen
Fabrikhallen PKW-Innenräume
regelmäßig bis sehr
häufig
sehr selten
Lawine
Vulkanausbruch Orkan
sehr laut
über 90 dB
LKW, Motorräder,
metallverarb. Maschinen, Sägen,
Flugzeuge
gelegentlich bis
regelmäßig
7 Spezielle Sinnesphysiologie WS 73 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 18, 411 - 434 PINEL KAP. 8, 196 - 201
Auswirkung von Störgeräuschen auf die menschliche Kommunikation
Störgeräuschpegel
(dBA)
Sprachinterferenz-
Level (dB)
Stimmlage
Abstand (m)
Verständigung
54
45
normal
3
gut, ohne
Anstrengung
64
55
normal
angehoben laut
1 2 4
gut gut gut
74
65
angehoben
laut schreiend
0.7 1.5 3
mit Unterbre-chungen und Informations
-verlusten
84
75
laut
schreiend
0.3 1
schlecht schlecht
94
85
schreiend
0.3
schlecht
8 Gedächtnis WS 74 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis I
Gedächtnis ist die „Spur“ der Vergangenheit im Menschen. Erst diese Spur ermöglicht ein Verständnis der Gegenwart und ein Vorausdenken der Zukunft. Ohne sie erlebt ein Mensch die Welt wie ein neugeborenes Kind: Ohne zu begreifen, verständnislos, immer von neuem überwältigt, ohne erkennbare, innere Zusammenhänge.
Ohne Gedächtnis ist nur eine reduzierte Kommunikation möglich: Der Aufbau einer gemeinsamen Sprache gelingt nicht; es gibt keinen gemeinsamen „Stoff“; Personen und die Beziehungen zu ihnen sind unbekannt und müssen sich bei jeder Begegnung neu entwickeln.
Beispiel für einen Menschen, der im Erwachsenenalter aufgrund eines hirnchirurgischen Eingriffs eine vollständige „anterograde Amnesie“ entwickelt hat, d.h. seinem Gedächtnis nichts mehr hinzufügen kann (in der Literatur bekannt als "HM"): „Jeder Tag steht für sich allein, welche Freude oder welchen Kummer auch immer ich erlebe. Sehen Sie: Im Moment erscheint mir alles ganz klar, aber was ist gerade vorher geschehen? Es ist, als ob man aus einem Traum aufwacht. Ich kann mich einfach nicht erinnern.“
8 Gedächtnis WS 75 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis II
Beispiel für eine Gedächtnisstörung: Patient nach Autounfall mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus; nach Aufwachen aus der Bewusstlosigkeit; erstes Gespräch mit einem Menschen vom ärztlichen oder Pflege-Personal:
„Wo bin ich hier?“ „Was ist eigentlich passiert?“
„Wer sind Sie?“ „Wo bin ich hier?“ „Wer sind Sie?“
„Was ist passiert?“
Die Gedächtnisstörung (Amnesie) ist retrograd: Der Patient kann sich an das Ereignis, das ihn ins Krankenhaus geführt hat, nicht erinnern. Die Amnesie ist aber auch anterograd: Der Patient kann die Antworten, die er auf seine Fragen erhält nicht in seinen Wissensbestand einbauen. Im Laufe der Genesung wird die retrograde Gedächtnislücke weitgehend, die anterograde Amnesie vollständig wieder verschwinden.
8 Gedächtnis WS 76 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis III
Information ist ein flüchtiges Phänomen: Die dem Menschen zugeführten Signale dauern meist deutlich kürzer als 1 sec. „Gedächtnis“ heißt (u.a.), Informationen zeitlich zu konservieren, um sie verarbeitbar zu machen; „Verarbeiten“ bedeutet z.B.:
Lernen, Systematisieren,
Kombinieren, Schlussfolgern, Kommunizieren,
planmäßig Handeln, kontrolliert Verhalten usw.
Beispiel: In einem Spielfilm (Bildfolge 24-72 pro Sekunde) entstehen „Bewegung“ und „Handlung“ durch Vergleich des aktuell gesehenen Bildes mit den vorangegangenen Bildern. Besonders anschaulich macht diesen Sachverhalt das Prinzip des „Daumenkinos“.
8 Gedächtnis WS 77 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis IV
Allgemeine Vorkenntnisse: Lernen kurze Inhalte werden leichter gelernt als umfangreiche (Gegenbeispiel: Magnetband-Speicher) nicht nur Details, sondern auch Konzepte werden gespeichert
Beispiel: Das Haus ist die Wohnung des neuzeitlichen Menschen; Die Höhle ist die Wohnung des Cro-Magnon-Menschen; Zelt →Nomaden Iglu →Innuit Schiff →Seefahrer Abruf vom Magnetbandspeicher? Abruf beim Menschen?
8 Gedächtnis WS 78 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis V
Speichern erfolgt in (mindestens) 2 Stufen: Kurzzeitgedächtnis ↔ Langzeitgedächtnis
Erinnern es gibt Gedächtnisinhalte, an die man sich leicht, und andere, an die man sich schwer erinnert
leicht: eigener Name, Beruf, Anschrift schwer: historische Daten, selten benutzte Telefonnummern sehr schwer: z.B: Muster der Tapete in dem früher einmal bewohnten Kinderzimmer Gegenbeispiel: Magnetbandspeicher
8 Gedächtnis WS 79 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis VI Dauer des Gedächtnisses
Das Gedächtnis speichert Sachverhalte für unterschiedlich lange Zeiten
kurz: Anzahl von Uhrschlägen nachgeschlagene Telefonnummern länger: häufig benutzte Telefonnummern lange / sehr lange: Sprache, Schwimmen, Radfahren Vergessen
aus dem Speicher löschen Abruf aus dem Speicher blockieren
Verblassen/Überschreiben/Auslöschen (automatisch im sensorischen Gedächtnis) Ersetzen gespeicherter Information durch neue Information (Kurzzeitgedächtnis) retroaktive und proaktive Hemmung (Langzeitgedächtnis)
8 Gedächtnis WS 80 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis VII
Retroaktive Hemmung Beispiel: Lehrerin unterrichtet in einer neuen Schulklasse; nach einiger Zeit hat sie viele der neuen Namen gelernt. Bald darauf muss sie erneut eine neue Klasse übernehmen und lernt nun die neuen Namen; dabei gehen viele der zuvor gelernten Namen wieder verloren.
Proaktive Hemmung Beispiel: Der richtige Weg durch ein Bolzen-Labyrinth wird gelernt. Danach wird das Labyrinth verändert; der neue Weg muss ermittelt werden. Nach einer Zwangspause ist der früher gelernte Weg besser reproduzierbar.
Die Bedeutung der proaktiven Hemmung ist vermutlich größer; andernfalls wäre die Bildung von „Wissensvorräten“ kaum denkbar.
8 Gedächtnis WS 81 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis VIII
Amnesie retrograd anterograd hysterisch
retrograd: zurückliegende Ereignisse nicht erinnerbar Gehirnerschütterung Elektroschock (betrifft oft nur einen begrenzten Zeitraum) anterograd: keine Speicherung neuer Inhalte z.B. Korsakoff-Syndrom hysterisch: isolierter Verlust persönlicher Daten (z.B. Name, Anschrift, Beruf, Angehörige etc.) Schlüsselreize bleiben wirkungslos keine anterograde Amnesie
8 Gedächtnis WS 82 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis IX
„Deklaratives“ und „prozedurales“ Gedächtnis:
Beispiel: Der Patient NA hatte einen Unfall beim Fechten. Die dabei erlittene Hirnverletzung verursachte eine anterograde Amnesie. Er lernte eines Tages, in Spiegelschrift geschriebene Texte zu lesen; das fiel ihm anfangs schwer; später waren seine Leistungen von denen Gesunder kaum noch zu unterscheiden. Nach einem Tag hatte er keinerlei Erinnerung mehr daran, jemals so etwas gemacht zu haben; die am Vortag erzielte Leistungsfähigkeit war jedoch in vollem Umfang noch vorhanden.
Manche Gedächtnisinhalte können in Form einer „sprachlichen Erklärung“ wiedergegeben werden: „Wir wissen, daß wir etwas wissen“
(deklaratives Gedächtnis).
Andere Gedächtnisinhalte bestehen in der Beherrschung von Regeln und Prozeduren: „Wir können etwas (tun)"
(prozedurales Gedächtnis).
8 Gedächtnis WS 83 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis X
„Code“ und „Mechanismus“
„Mechanismus“ ist das materielle oder energetische Prinzip (chemisch, physikalisch), nach dem Gedächtnis-Spuren (Engramme) angelegt werden: z.B.: gedruckte Buchstaben in einem Buch, magnetische Signale auf einem Tonband.
„Code“ ist das Prinzip der „Verschlüsselung“ bzw. der „Übersetzungsregeln“ von Gedächtnis-Inhalten mit Hilfe solcher Signale: z.B.: die deutsche (englische, französiche etc.) Sprache als Code für den Inhalt von Texten.
Wichtig: Ohne Kenntnis des Code kann ein Inhalt nicht entschlüsselt werden, selbst wenn der Mechanismus der Speicherung bekannt ist: . .. ... (e i s) ... . . (see)
8 Gedächtnis WS 84 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Fantasmas,Fantasmas.He visto leshorribiles
fantasmas,lividos y
siniestros quihan tratado
destrozarme!
Was hater
gesagt?
Fantasmas,Fantasmas. He
visto leshorribiles
fantasmas,lividos y
siniestros quihan tratado
destrozarme!Und was
heißt das?
Weiß ichnicht. Ichkann keinSpanisch!
8 Gedächtnis WS 85 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis XI
„Recall“, „recognition“ und „savings“:
Beispiel: Ein Mensch lernt eine Liste deutscher Wörter und die Swahili-Übersetzung dazu. Nach einer Stunde werden die deutschen Wörter erneut präsentiert: Für manche Wörter kann die Übersetzung noch angegeben werden:
(„Recall“-Gedächtnis, „Wiederaufruf“) Nach einem Monat verläuft ein erneuter „Recall“-Versuch erfolglos; alle Wörter scheinen „vergessen“. Wenn allerdings die Liste noch einmal präsentiert wird und dazu Übersetzungsvorschläge, die z.T. richtig, z.T. falsch sind, werden sie häufig durchaus zutreffend als „richtig“ oder „falsch“ erkannt:
(„Recognition“-Gedächtnis, „Wiedererkennen“). Nach einem Jahr ist auch der „Recognition“-Versuch meist erfolglos. Das Neulernen der Wörterliste erfolgt aber oft leichter als beim ersten Mal:
(„Savings“-Gedächtnis, „Spuren“-Gedächtnis).
8 Gedächtnis WS 86 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Gedächtnis XII
Auf der Suche nach dem „Ort“ des Gedächtnisses trainierte Lashley (1929) Ratten darauf, unterschiedlich komplizierte Labyrinthe möglichst fehlerfrei zu durchlaufen. Anschließend entfernte er bei seinen Versuchstieren das 1., 2., oder 3. Drittel der visuellen Hirnrinde. Im „einfachen“ Labyrinth war die Fehlerquote trotz Abtragung irgendeines der drei Drittel nicht erhöht. Im „schwierigsten“ Labyrinth war die Fehlerquote erhöht in Abhängigkeit von der Menge der entfernten Gehirnabschnitte, nicht von ihrem Ort.
Lashley: Die Menge des verbleibenden Gehirns bestimmt die Menge des verbleibenden Gedächtnisses.
Das bedeutet auch, dadd jeder Gedächtnisinhalt auf eine im Detail nicht genauer analysierbare Weise über große Abschnitte des Gehirns verteilt gespeichert wird.
8 Gedächtnis WS 87 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Umfang und Selektivität des Gedächtnisses (Eine Schätzung)
1. Umfang der Informationsaufnahme: Bewußter Informationsfluß (Durchschnitt): 20 bit/sec sec pro Std: 3600 Std. pro Tag: 16 Tage pro Jahr: 365 Lebensdauer in Jahren: 70 Informationsfluß im Leben: ≅ 3x1010 bit
2. Informationsgehalt einer auf muttersprachlichem Niveau beherrschten Sprache: 4-5x107 bit 3. Anzahl der dafür verfügbaren Neurone im Temporallappen: 3x108 4. Speicherdichte: ≅≅≅≅ 10 Neurone/bit
5. Anzahl der Neurone in der Großhirnrinde: 3x109 6. Umfang der speicherbaren Information: 3x108 bit
= ca. 1% des bewußten Informationsflusses!
8 Gedächtnis WS 88 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Eine „statistische“ Theorie der Gedächtnis-Codierung I Ein „statistisches“ Konzept der Gedächtnis-Codierung geht von der Annahme aus, daß jedes Neuron an vielen „Gedächtnissen“ mit jeweils einem kleinen Anteil beteiligt ist. Die Situation könnte auch gedeutet werden als eine große Anzahl von Neuronen, die ihre Stimme abgeben, anstelle einer kleinen Zahl, die kommandieren. Wenn Gedächtnis-Codierung ein statistischer Prozess ist, sollte er sich deshalb in einer großen Zahl von Neuronen ereignen.
8 Gedächtnis WS 89 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Eine „statistische“ Theorie der Gedächtnis-Codierung II E.R. John (1967, 1973) Untersuchungen mit Katzen; Prinzip: Konditionierung mit Flickerlicht-Reizen; Suche nach synchroner Aktivität in Strukturen des ZNS
1. Unkonditionierte Bedingung Bei Flickerlichtreizen von 6 Hz findet sich sychrone Impulsaktivität nur im Corpus geniculatum laterale (seitlicher Kniekörper; eine Station der „Sehbahn“).
2. Konditionierte Bedingung (Druck auf eine Taste fördert nur bei eingeschaltetem Flickerlicht eine . . Belohnung herbei): Synchrone Impulsaktivität in visueller Cortex; lateraler Kniekörper; Mittelhirn, Retikular-Formation; Thalamus; vorderer Hippocampus (Schläfenlappen) ventraler Hippocampus GHR oberhalb der seitlichen Furche (zw. Temporal-, Parietal- und Schläfenlappen).
8 Gedächtnis WS 90 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Engrammbildung:
1. „Elektrische“ Engramme: Prinzip der „kreisenden Erregung“: Aktionspotentialserien sind an sich flüchtige Phänomene. Durch „im Kreis“ geschaltete Neuronenverbände könnten sie jedoch für eine gewisse Zeit stabilisiert werden. Elektroschock oder el. Unfälle machen allen neuronalen Strukturen "refraktär" und löschen deshalb Gedächtnisleistungen, die auf solchen "kreisendenAktions-potentialserien beruhen. Denkbar als Beitrag zum Kurzzeitgedächtnis (das Langzeitgedächtnis entgeht der „elektrischen Löschung“). Stichwort: "Reverberatorisches Kreisen", Hebb
2. Strukturelle Engramme (Synapsen): Die Variabilität von Struktur und Funktion ist bei Synapsen besonders groß: Plastizität: Dendritensprossung; Sprossung von Axonkollateralen; Entstehung oder Abbau von Synapsen; Zu- oder Abnahme des Transmitter-Vorrates; Zu- oder Abnahme der Transmitter-Freisetzung je AP; Zunahme/Abnahme der subsynaptischen Rezeptoren; Veränderung der Enzymmenge für den Transmitter-Abbau. Alle diese Veränderungen beruhen auf Stoffwechselleistungen der beteiligten präsynaptischen und postsynaptischen Neurone. Stichwort: "Hebb"-Synapsen
8 Gedächtnis WS 91 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Aminosäuren
Transfer-RNA(tRNA)
Ribosomen
Eiweiß
Messenger-RNA(mRNA)Zellkern (DNA)
Zellplasma
8 Gedächtnis WS 92 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Mama Papa Eltern Milch angenehm unangen. angenehm - Mama Mama angenehm Mama kalt
warm Eltern Papa süß satt Hunger Milch - Milch warm süß bitter Eltern angenehm satt warm - Milch - Papa Mama Milch - Mama weich - Papa - unangen.
8 Gedächtnis WS 93 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Der Temporallappen Beschädigungen des Temporallappens gehen regelmäßig mit schweren Gedächtnisstörungen einher; dafür werden vor allem Beschädigungen des >Hippocampus und der >Amygdala verantwortlich gemacht. Temporallappenveränderungen treten auf bei bestimmten Schädel-Hirn-Traumen, bei Ischämien, bei Epilepsien bei temporaler Lobektomie beim Morbus Alzheimer. Die Amygdala werden oft mit emotionalen Funktionen in Verbindung gebracht; sie könnten für die „Affektive Komponente“ von Gedächtnisvorgängen eine Rolle spielen
8 Gedächtnis WS 94 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 24, 565 - 601 PINEL KAP. 14, 368 - 395
Das Diencephalon (Zwischenhirn) Defekte im Gebiet des Thalamus können, müssen aber nicht mit Gedächtnisfunktionsstörungen einhergehen. Sie tun es meistens in Verbindung mit chronischem Alkohol-Mißbrauch (Korsakow-Syndrom), treten aber auch aus anderen Ursachen auf. Bekannt wurde der Patient NA (Degenverletzung), dessen Schädigung vermutlich ausgedehnter ist, als ursprünglich angenommen wurde. Seine Gedächtnisausfälle sind besonders gut dokumentiert.
Basales Vorderhirn Frontalhirnläsionen werden aus verschiedenen Anlässen beobachtet, u.a. Durchblutungsstörungen im Bereich der Vorderhirnarterie und bei der Alzheimerschen Krankheit. In den meisten dieser Fälle treten amnestische Syndrome auf, auch nach der operativen Behandlung von Aneurismen der Frontalhirnarterie. Welche Struktur diese Gedächtnisstörungen verursacht, ist weitgehend unbekannt.
9 Bewußtsein WS 95 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
Das Bewußtsein ist kein Ding, sondern ein Prozeß
(William James, 1842 - 1910)
9 Bewußtsein WS 96 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
Bewußtsein Ebene des Verhaltens: Eigenbewegung Ansprechbarkeit Orientierung (räumlich, zeitlich, situativ) Sprechfähigkeit Handlungsfähigkeit Wachheit Vigilanz Medizinisch - biologische Ebene: Reiz - Reaktions - Verhalten Reflexe Vitalfunktionen EEG - Muster Juristische Ebene: Selbst - Verantwortlichkeit Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit Stellvertretungsbedarf und -recht Neurophysiologische Ebene: Funktionelles Erregungsniveau Vegetativer Tonus Hirnstrom-Muster Neuropsychologische Ebene: Planen Pläne ausführen/überwachen Langzeitgedächtnis benutzen Aufmerksamkeit ausrichten Intrapsychische Ebene
Inneres Erleben des Zusammenhangs von Personen, Intention und Handeln
9 Bewußtsein WS 97 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
Bewußtsein
„Das Gefühl, daß Wahrnehmen und Denken zu subjektiven Erlebnissen führen“ (Bridgeman)
„Das unwiderstehliche Gefühl, daß da jemand in uns ist, der durch unsere Augen schaut und mit unseren Ohren hört“ (Bridgeman)
Funktionen die Bewußtsein nicht erforderlich machen: Eigenreflexe, Fremdreflexe
Funktionen, die als routinierte Verhaltensweisen wenig Bewußtsein erfordern: z.B. Gehen, Kauen
Funktionen, die ohne Bewußtsein nicht vorstellbar sind: Planen
Ausführen von Plänen Ausrichten der Aufmerksamkeit
Auffinden im Langzeitgedächtnis
9 Bewußtsein WS 98 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
„The ability to organize events in a meaningful whole would seem to be central to the information-processing abilities that support consciousness.“ „Die Fähigkeit, Ereignisse so zu organisieren, daß sie ein sinnvolles Ganzes ergeben, erscheint als zentral für diejenigen Prozesse der Informationsverarbeitung, die das Bewußtsein ausmachen.“ Bruce Bridgeman: The Biology of Behavior and Mind; John Wiley & Sons, New York etc. 1988
9 Bewußtsein WS 99 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
Planen: Globalziel: „Erfülltes Leben“ 1. Unterziel: Befriedigender Beruf 2. Unterziel: Diplom in Psychologie 3. Unterziel: Psychologie-Studium 4. Unterziel: Vordiplom 5. Unterziel: Prüfung in Physiologie 6. Unterziel: Kenntnisse verschaffen 7. Unterziel: Vorlesung besuchen 8. Unterziel: Fr 8.00 Uhr im Hörsaal
Es wird behauptet, daß ohne „Bewußtsein“ niemand zu der Schlußfolgerung gelangen könne, sie (oder er) müsse sich, um ein erfülltes Leben führen zu können, Freitags um 8 Uhr im Hörsaal einfinden.
9 Bewußtsein WS 100 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
Das „aufsteigende reticuläre Aktivierungssystem“ (ARAS)
Willkürhandlungen ← Großhirn ↑ vegetative Veränderungen ← Zwischenhirn ↑ elektrische Reize → Substantia reticularis (Hirnstamm) Willkürhandlungen ← Großhirn ↑ vegetative Veränderungen ← Zwischenhirn ↑ Sensorische Signal → Substantia reticularis (Körper, Umwelt) (Hirnstamm) Willkürhandlungen ← Großhirn ↑ vegetative Veränderungen ← Zwischenhirn ↑ motivationale und → Limbisches System emotionale Einflüsse
9 Bewußtsein WS 101 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
Automatisierte Aufmerksamkeit Sensorische Information Langzeitgedächtnis (gespeicherte Reiz-Reaktions-Muster) ⇓ ⇓
Übereinstimmung? Falls ja:
⇓
automatiserte Reaktion ohne Bewußtsein
ohne Interferenz mit anderen Prozessen
9 Bewußtsein WS 102 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
Sensorische Information
Langzeitgedächtnis
gespeicherteReiz-Reaktions-Muster
automatisierte Reaktionohne Bewußtseinohne Interferenz
mit anderen Prozessen
kontrollierte (selektive)Zuwendung oderAufmerksamkeit
bewußt erlebtgesteuert vom LCCS*
Vergleich
Überein-stimmung
Information neukomplex
nicht eindeutig
*LCCS = limited capacity control system
Aufmerksamkeit
9 Bewußtsein WS 103 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 22, 512 - 536 PINEL : THEMA NICHT EXPLIZIT BEHANDELT
Selektive Aufmerksamkeit/Bewußtes Erleben
Physiologische Korrelate von bewußtem Erleben und selektiver Aufmerksamkeit sind 1.: lokale DC-Verschiebungen im EEG 2.: lokale Durchblutungsänderungen in der PET Die Verteilung der Aufmerksamkeitsressourcen wird vom LCCS gesteuert. Die ausgedehntesten „Bewußtseinssysteme“ sind die beiden Großhirnhemispären: Linke Hemispäre: „syntaktisch-verbales Erleben“ Rechte Hemisphäre: „räumlich-gestalthaftes Erleben“
10 Zerebrale Asymmetrie WS 104 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie I
Broca und Dax beobachteten, daß Menschen mit linksseitigen Hirnverletzungen häufiger unter Sprachstörungen litten als Patienten mit rechtsseitigen Schäden. Seitdem gilt als sicher, daß das Gehirn mit seinen beiden Hemisphären nicht streng symmetrisch orgnisiert ist. Später wurde beobachtet, daß auch die Bewegungskontrolle eher in der linken als der rechten Hemisphäre lokalisiert ist. Schließlich stellte sich heraus, daß die Analyse der räulich-visuellen Dimensionen der Welt vor allem von der rechten Hemisphäre vorgenommen wird. Dennoch ist das mit „Asymmetrie des Gehirns“ umschriebene Phänomen keineswegs so einfach und übersichtlich, wie es auf den ersten Blick schien:
1. Asymmetrie kann sowohl durch genetische Faktoren (Geschlecht, Händigkeit) als auch durch Umgebungseinflüsse modifiziert werden. Bei Frauen und Linkshändern scheint ein geringere funktionelle Asymmetrie vorzuliegen als bei Männern und Rechtshändern.
2. Asymmetrie ist ein relatives, kein absolutes Maß, da beide Hemisphären an der Kontrolle fast aller Funktionen (auch der Sprache) gemeinsam beteiligt sind.
Das Kapitel 10 ( Zerebrale Asymmetrie) leht sich weitgehend an folgendes Buch an:
Kolb, B., und I. Q. Wishaw: Neuropsychologie, Kap. 9 Heidelberg etc., Spectrum Akademischer Verlag 1990
Das Buch ist in der Bibliothek des Biomedizinischen Labors vorhanden.
Am gleichen Standort finden Sie auch
Springer, S.P., und G. Deutsch: Linkes - Rechtes Gehirn Heidelberg etc., Spectrum Akademischer Verlag 1987
10 Zerebrale Asymmetrie WS 105 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie II (Anatomische Asymmetrie)
Jedem funktionellen Phänomen liegt in der Regel ein strukturelles Phänomen zugrunde (oder: jedes funktionelle Merkmal ruft ein strukturelle Merkmal hervor). Asymmetrien zugunsten der linken Hemisphäre: höheres spezifisches Gewicht längere Fissura lateralis größere Inselrinde Verdoppelung des Gyrus cinguli größeres Planum temporale größere Nucleus lateralis posterior des Thalamus größerer inferiorer Parietallappen breiterer Occipitallappen längeres occpitale Horn des Seitenventrikels größeres Broca-Areal Asymmetrien zugunsten der rechten Hemispäre größeres Gewicht längeres Schädelinnenmaß größere Nuceus geniculatum mediale größeres Areal des konvexen frontalen Operculum breiterer Frontallappen
10 Zerebrale Asymmetrie WS 106 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie III
Die beschriebenen anatomischen Asymmetrien konzentrieren sich auf die Sprachareale (Broca-Zentrum, Wernicke-Zentrum). Sie finden sich bei Feten bereits im 3. Trimenon. Genetische Prädisposition für Sprachentwicklung? Aber: Die Gehirne von Australopithecus-Exemplaren weisen ähnliche Asymmetrien auf. Bestimmte Asymmetrien werden auch bei zahlreichen Säugetieren gefunden.
Asymmetrie IV
Der Nachweis von funktioneller Lateralisation durch „doppelte Dissoziation“: Grundlage: Patienten mit einseitigen Läsionen (Schlaganfall, Tumor, Verletzung, Operation). Wenn eine Läsion zur Beeinträchtigung einer Funktion führt und andere Funktionen unverändert läßt, wenn andererseits eine entsprechende Läsion auf der Gegenseite eine ganz andere funktionelle Behinderung erzeugt und dafür die gegenüber betroffene Funktion unverändert läß, ist das Kriterium der „doppelten Dissoziation“ erfüllt. Beispiel: Linksseitige temporale Lobotomie führt zu verminderten Leistungen in Sprachtests und zu unveränderten Leistungen in nonverbalen Tests; bei rechtsseitiger temporaler Lobotomie sind die Leistungen in Sprachtests unverändert, in nonverbalen Tests vermindert. Dasselbe Prinzip ist auch für die Lokalisation von Funktionen innerhalb einer Hemisphäre anwendbar.
10 Zerebrale Asymmetrie WS 107 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie V
Nachweis der funktionellen Asymmetrie bei „split brain“ Patienten: Nach einer „Commissurotomie“ arbeiten die beiden Hemisphären unabhängig voneinander. Jede Hemisphäre erhält sensorische Signale und kann motorische Aktionen steuern, aber keine Hemishäre hat Zugriff auf die Informationen und Gedanken der anderen Hälfte. Man kann diesen Zustand analysieren, indem den verschiedenen Gehirnhälften unterschiedliche visuelle Informationen angeboten werden. Die wichtigsten Unterschiede zeigen sich in der Fähigkeit, Wahrnehmungen und andere Informationen zu „versprachlichen“. Das ist in der Regel nur möglich, wenn ein visueller Reiz so dargeboten wird, daß er die linke Hemisphäre erreicht. Ein in die rechte Hemisphäre projizierter Reiz kann nicht (sprachlich) beschrieben werden; daß er erkannt worden ist, läßt sich durch den „Tastversuch“ belegen. Von unterschiedlichen Gesichtshälften, die in die beiden Hemisphären projiziert werden, wird leichter das nach rechts projizierte Gesicht wiedererkannt.
Asymmetrie VI
Nachweis funktioneller Asymmetrien durch „Cortex-Reizung“:
Elektrische Reizungenj des Cortex werden an wachen, nur lokalanästhesierten Patienten im Verlauf von Gehirn-Operationen vorgenommen. Reizung in primären akustischen, visuellen, sensorischen und motorischen Arealen löst überwiegend symmetrische visuelle und akustische Wahrnehmungen, umschriebene motorische Aktionen und „Dysästhesien“ aus. „Interpretatorische“ und „erfahrungsbedingte“ Reaktionen: déja vu-Erlebnisse, Traumzustände, Furcht, visuelle und akustische Merkmale früherer Erlebnisse: solche Reaktionen treten bei Reizung des rechten Temporallappens häufiger auf. Reizung des linken frontalen Temporallappens kann die Sprachproduktion beschleunigen, aber auch hemmen. Reizung des rechten temporoparietalen Cortex kann Funktionen der räumlichen Orientierung, des Wiedererkennens von Gesichtern blockieren.
10 Zerebrale Asymmetrie WS 108 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie VII
Nachweis funktioneller Asymmetrien durch Natrium-Amobarbital-Injektion: Die Injektion der Substanz Natrium-Amobarbital in einer der beiden Halsschlagadern (bzw. in einen bis dorthin vorgeschobenen Katheter in der Arteria femoralis) führt zu einer mehrminütigen Anästhesie der gleichseitigen Hemisphäre. Auf diese Weise läßt sich z.B. anhand der vorübergehenden Sprachlähmung zeigen, daß bei manchen (überwiegend linkshändigen) Menschen die dominanten Sprachfunktionen in der rechten Hemisphäre lokalisiert sind. Zusammenhänge zwischen Sprachlateralisierung und Händigkeit: Sprachrepräsentation (%) Händigkeit Anzahl der Fälle links bilateral rechts rechts 140 96 0 4 links 122 70 15 15
Asymmetrie VIII
Asymmetrie des gesunden Gehirns: Visuelles System Die Struktur der zentralen Sehbahn (Sehnerven-Kreuzung) macht es möglich, visuelle Reize so zu präsentieren, daß sie entweder in der linken oder der rechten Hemisphäre abgebildet werden. Auf einem Bildschirm mit zentralem Fixationspunkt erzeugt man zu diesem Zweck Reize, die für 50 msec entweder in der rechten Gesichtsfeldhälfte (linke Hemi-sphäre) oder analog auf der anderen Seite sichtbar sind. 50 msec sind lang genug, daß der Reiz verarbeitet werden und kurz genug, daß er nicht durch eine Blickbewegung auf die „falsche“ Seite geraten kann. Es zeigt sich, daß die linke Hemisphäre Wörter genauer und rascher verarbeiten kann; die rechte Hemisphäre Gesichter und andere visuell-räumliche Reize besser verarbeitet. Im wesentlichen stimmen also die Informationen über Lateralisation, die an beschädigten Gehirnen gewonnen werden, mit den Befunden intakter Gehirne in diesem Bereich überein.
10 Zerebrale Asymmetrie WS 109 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie IX
Asymmetrie des gesunden Gehirns: Auditorisches System
Die zentrale Hörbahn ist zwar nicht vollständig überkreuzt, offenbar sind aber die überkreuzten Verbindungen besser entwickelt. Dieser Umstand wird beim Verfahren des dichotischen Hörens genutzt: Akustische Signale werden über Kopfhörer so dargeboten, daß das rechte Ohr (linke Hemisphäre) ein anderes Signal aufnimmt als das linke Ohr (rechten Hemisphäre). Überlegenheit eines Ohres bei dichotischen Reizen: >rechtes Ohr (linke Hemisphäre): Zahlen, Wörter, sinnfreie Silben, rückwärts Gesprochenes, Morsezeichen, schwierige Rhythmen, prosodische Entscheidungen, Ordnen zeitlicher Information, bewegungsabhängige Töne. >linkes Ohr (rechte Hemisphäre): Melodien, Akkorde, Umweltlaute, emotionale Lautgebung, Summen von Melodien, Prosodie unabhängig vom sprachlichen Inhalt, komplexe Tonhöhenwahrnehmung. Prosodie: Variation in Geschwindigkeit, Tonhöhe und Rhythmus der Sprache.
10 Zerebrale Asymmetrie WS 110 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie X
Somatosensorische Asymmetrie: Somatosensorische und motorische Bahnen kreuzen fast vollständig zur gegenseitigen Hemisphäre. Es ist deshalb auch beim intakten Gehirn möglich, sensorische Reize nur der rechten oder nur der linken Hemisphäre zuzuführen. Formen, Winkel und Muster werden von Rechtshändern mit der linken Hand besser erkannt; Blinde und Sehende können Braille-Schrift mit der linken Hand besser entziffern. Beim dichaptischen Tasten und Fühlen werden - analog zum dichotischen Hören - der rechten und der linken Hand unterschiedliche Reize angeboten. Die rechte Hand ist überlegen, wenn es um das Identifizieren von Buchstaben geht; die linke Hand ist bei der Identifizierung nichtsprachlicher Formen im Vorteil. Sequentielle Reizmuster werden fehlerhafter beantwortet, wenn sie der linken Hand dargeboten werden; bei räumlichen Reizmustern macht die andere Seite mehr Fehler.
Asymmetrie XI
Motorische Asymmetrie: Die Analyse ist schwierig, weil möglicherweise durch Asymmetrie des Informationsflusses auf der Eingangsseite überlagert. Rechtshänder bevorzugen die rechte Hand, wenn sie Buchstabenwürfel nach Art eines Kreuzworträtsels anordnen sollen, und die linke Hand, wenn ähnliche Bausteine zu einem Puzzle zusammengesetzt werden sollen. Bei emotionalen Bewegungen des Gesichtes („Gesichts-Ausdruck“) setzt die Bewegung auf der linken Seite (rechte Hemisphäre) früher und deutlicher ein. Eine Interferenz der Sprache mit komplexen motorischen Aufgaben erfolgt besonders dann, wenn die Bewegungen mit der rechten Hand gemacht werden müssen.
10 Zerebrale Asymmetrie WS 111 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie XII
Postulierte Dichotomien im 19. Jahrhundert: Linke Hemisphäre Rechte Hemisphäre Menschlich Tierisch Motorische Aktivität Sensorische Aktivität Intelligenz Emotion/Sensibilität „Leben in Beziehungen“ „Organisches“ Leben Verstand Irrsinn Männlich Weiblich Überlegenheit Unterlegenheit der weißen Rasse von Farbigen Waches Bewußtsein Subliminales, Unbewußtes Objektiv Subjektiv Beobachtete Dichotomien des 20. Jahrhunderts Linke Hemisphäre Rechte Hemisphäre Verbal Nicht verbal, vsuell-räumlich Seriell Simultan Digital Analog Rational Intuitiv Westliches Denken Östliches Denken Abstrakt Konkret Objektiv Subjektiv Realistisch Impulsiv Intellektuell Gefühlvoll
10 Zerebrale Asymmetrie WS 112 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie XIV
Holistische (rechts) versus analytische (links) Informationsverarbeitung: Aus bestimmten Experimenten wird geschlossen, >daß die linke Hemisphäre Informationen bevorzugt sequentiell, analytisch, kausal, >die rechte Hemisphäre eher ganzheitlich-holistisch, parallel, intuitiv verarbeitet. „Man sollte mit dieser funktionellen Zuordnung äußerst zurückhaltend sein, da sie nur aus den Eigenschaften der psychologischen Aufgaben erschlossen werden und bisher kein physiologisches Substrat für diese unterschiedlichen Verarbeitungsweisen gefunden wurde.“ (Birbaumer/Schmidt S. 689)
10 Zerebrale Asymmetrie WS 113 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie XV
Ontogenetische Entwicklung von Lateralität: Neugeborene reagieren beim dichotischen Hören von Sprachlauten mit „akustischen“ EKP, die über der linken Hemisphäre ausgeprägter sind als rechts. Das deckt sich mit dem Befund, daß das Planum temporale (im Bereich des Wernicke´schen Areals) ab dem 3. Trimenon links größer ist als rechts. Andererseits können noch bis zum 10. Lebensjahr nach linksseitigen Läsionen Sprachfunktionen von der rechten Hemisphäre übernommen werden. Bilinguale, die die zweite Sprache erst nach dem 10. Lebensjahr (ganzheitlich, nicht „schulisch-sequenitiell“) lernen, weisen erhöhte rechtshemispärische Beteiligung bei der Analyse von Sprachinhalten der zweiten Sprache auf. Sprachdeprivierte und taubgeborene Kinder zeigen eine geringere Links-Lateralisation im dichotischen Hörtest.
Asymmetrie XVI
Zur Entstehung von Asymmetrie: Während der intrauterinen Entwicklung liegen die meisten Feten mit der rechten Gesichtshälfte nach außen, Es wird angenommen, daß deshalb durch das Sprechen der Mutter das rechte Ohr (linke Hemisphäre) öfter und stärker gereizt wird. Die könnte zur dominanten Ausprägung der linkshemisphärischen Sprachregionen führen. Aber: Auch Taubgeborene, die die Gestensprache erlernen, lateralisieren diese auf der linken Seite!
10 Zerebrale Asymmetrie WS 114 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie XVII
Funktion linke Hemisphäre rechte Hemisphäre Visuelles System Buchstaben, Wörter komplexe geometrische Muster Gesichter
Auditorisches System sprachverwandte Laute nichtsprachliche Umweltgeräusche Musik
Somatosensorisches ? taktiles Wiedererkennen System komplexer Reizmuster Blindenschrift
Bewegung komplexe Bewegung im Raum Willkürbewegungen Gedächtnis verbales Gedächtnis nichtverbales Gedächtnis Sprache Sprechen, Lesen Prosodie(?) Schreiben, Rechnen
räumliche Prozesse Geometrie, Richtungssinn, mentale Rotation von Formen
10 Zerebrale Asymmetrie WS 115 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie XVIII
Unilaterale Spezialisierungsmodelle I Diese Modelle unterstellen, das bestimmte psychische Prozesse nur in einer Hemisphäre stattfinden. z.B.: „Die Sprache ist links“. Seit Liepmann (Jahrhundertwende) hält man es auch für möglich, daß es nicht speziell die Sprache ist, sondern überhaupt die feinauflösende sensorische und motorische Kontrolle, wie sie für das Verstehen und die Produktion von Sprache vorausgesetzt werden muß, die die eigentliche Spezialität der linken Hemisphäre sei. Kimura nimmt weiter an, daß die Lautsprache nur die Weiterentwicklung einer vorausgegangenen Kommunikation mittels sehr differenzierte Gestikulation sei, so daß die Sprechmotorik sich aus der manuellen Motorik entwickelt habe. Andere Autoren nehmen an, daß nicht Motorik per se, sondern die Fähigkeit zu feinster zeitlicher sensorischer und motorischer Differenzierung die Grundlage der linksseitigen Dominanz bezüglich aller Sprachfunktionen sei. Alle diese Theorien lassen weitgehend außer acht, welche Spezialität der rechten Hemisphäre zukomme. Meist wird angenommen, daß rechts vor allem visuell-räumliche Funktionen lokalisiert seien.
10 Zerebrale Asymmetrie WS 116 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie XIX
Unilaterale Spezialisierungsmodelle II Umschriebene Läsionen der linken Hemisphäre führen zu abgegrenzten Funktionsstörungen; auf der rechten Hemisphäre bleiben sie oft folgenlos. Semmes schloß aus solchen Befunden an WKI-Veteranen, daß die Informationsverarbeitung rechts grundsätzlich anders organisiert sei als links: Links seien umschriebene Areale mit abgrenzbaren Funktionen verknüpft; die rechte Hemisphäre arbeite eher diffus. Einer solchen Überlegung widerspricht nicht, daß groß-räumigere Läsionen in beiden Hemisphären etwa gleich-artige Auswirkungen hatten: Links war dies die Summe der Einzelwirkungen, rechts wurden bei großen Läsionen ausgedehnte Areale außer Funktion gesetzt. Semmes glaubte, daß diese unterschiedlichen Funktionsweisen nützlich seien: Räumliche Fähigkeiten erforderten die Integration vieler Funktionen, um zu einer einheitlichen Wahrnehmung zu gelangen; die Analyse sprachlicher Information erfodere eine solche integrative Leistung nicht.
Asymmetrie XX
Unilaterale Spezialisierungsmodelle III Die linke Hemisphäre arbeitet eher logisch und analytisch, ähnlich einem Computer. Sie analysiert die eingehenden Informationen squentiell und abstrahiert daraus die relevanten Details, die sie mit einer sprach-lichen Bezeichnung versieht. Die rechte Hemisphäre synthetisiert hauptsächlich. Sie befaßt sich mit ganzheitlichen Reizkonfigurationen und organsisiert und verarbeitet Informationen als Gestalt (Harris 1978). Obgleich diese Ideen das Interesse von Philosophen und der allgemeinen Öffentlichkeit geweckt haben, ist es wichtig, festzuhalten, daß sie auf bloßen Gedankenkonstruktionen beruhen und von den vorliegenden Daten, wie den in „Asymmetrie XVII“ zusamengefaßten, zum Teil weit entfernt sind (Kolb/Wishaw S 172).
10 Zerebrale Asymmetrie WS 117 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrie XXI
Interaktionsmodelle Allen „Interaktionsmodellen“ liegt die folgende Hypothese zugrunde: „Beide Hemisphären verfügen über die Kapazität, bestimmte Funktionen allein auszuüben; dieser Fall tritt aber in der Regel nicht ein.“ Diese allgemeine Regel wird durch Zusatzannahmen erweitert: 1. Beide Hemisphären arbeiten simultan, konzentrieren sich aber auf
unterschiedliche Aspekte der Informations-verarbeitung. 2. Jede Hemisphäre „unterdrückt“ bestimmte Aktivitäten der jeweils anderen
Seite, so unterdrückt z.b. die linke Hemisphäre die Sprachverarbeitung rechts und die rechte Hemisphäre hemmt die Verarbeitung von Musik links.
3. Informationsverarbeitungsmodelle gehen davon aus, daß beide Hemisphären
unterschiedliche Informationen bevorzugt erhalten, oder geradezu nach ihnen „Ausschau halten“ und ggf. in der Lage sind, im Falle der Auslastung Aufgaben an die andere
Seite abzugeben. „Zusammenfassend heißt das, daß es auf die Frage, was eigentlich lateralisiert ist, keine einfache und allgemein akzeptierte Antwort gibt (Kolb/Wishaw S. 173).“
10 Zerebrale Asymmetrie WS 118 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 27, 675 - 722 PINEL KAP. 16, 429 - 457
Asymmetrien XXII
Bevorzugte kognitive Strategien Hypothetisch könnte man durchaus den Versuch unternehmen, Menschen auf der Grundlage des bebachtbaren Verhaltens in „linksdominierte“ und „rechtsdominierte“ einzuteilen. Vom „linksdominierten“ Typ würde man erwarten, daß er „pingelig“ ist, kein Detail ausläßt, jede Einzelheit überblickt und nie die Übersicht verliert, daß er sich präzise ausdrückt und Diskussionen durch schnelles Denken und klare Argumente beherrscht. Texte von ihm sind klar, ohne Abschweifungen und fehlerfrei. Der Arbeitsplatz ist immer aufgeräumt und übersichtlich. Den „rechtsdominierten“ Typ könne man sich so vorstellen, daß er sich über neue Sachverhalte zunächst einen allgemeinen Überblick verschafft, Einzelheiten aber unter den Tisch fallen läßt, daß er Ideen rasch aufgreift und häufig in der Lage ist, unterschiedliche Begriffe zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen. Seine Denkweise erschein aber oft als ungeordnet. Wenn man ihm genug Zeit läßt, dann beeindruckt er oft mit neuen Einsichten in Probleme. Sein Arbeitsplatz ist meist chaotisch-desorganisiert. Aber solche Zuordnungen sind natürlich weitgehend Überinterpretationen der skizzierten neuropsychologischen Befunde, die sich ja auf kontrollierte und sehr stark eingeschränkte Laborsituationen - zum Teil mit schwer hirngeschädigten Patienten - beziehen. Das "wirkliche Leben" spielt sich meist doch noch etwas anders ab.
11 EEG / Schlaf WS 119 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Elektroenzephalogramm (EEG)
Hans Berger (1929) Ableitung vom Schädeldach Einzugsbereich ca. 106 Neurone Amplitude meist kleiner als 100 µV positive Ausschläge (↓ ) durch IPSP in den oberflächlichen und EPSP in den tieferen Schichten der GHR negative Ausschläge (↑ ) durch EPSP in den oberflächlichen und IPSP in den tieferen Schichten der GHR IPSP = inhibitorische (hemmende) postsynaptische Potentiale EPSP = excitatorische (erregende) postsynaptische Potentiale
Elektrocorticogramm (ECoG)
Ableitung von der Gehirnoberfläche beim Menschen nur während Operationen Einzugsbereich ca. 105 Neuronen Amplitude 100 µV und größer
Anwendungsgebiete
Analyse zentralnervöser Verarbeitungsprozesse Analyse von Bewußtseinszutänden frühkindliche Entwicklung des ZNS neurologische Diagnostik von Krampfleiden von Tumorerkrankungen von Durchblutugsstörungen etc.
11 EEG / Schlaf WS 120 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Erscheinungsbild des EEG
11 EEG / Schlaf WS 121 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Auswertung des EEG
Ort: Ableitungsort, Hirnregion Zeit: Dauer und Häufigkeit von EEG - Phänomenen Situation: spontan nach Reizinduktion/Stimulation wachend, dösend, schlafend hoher oder niedriger Blutzucker Hyperventilation Flickerlicht
Frequenz: dominierende Frequenz (α - δ) Frequenzspektrum Amplitude: niedrig-/hochamplitudig Form: regelmäßig / unregelmäßig Sonderformen Schlafspindeln K - Komplexe Spike - Wave Krampfpotentiale
11 EEG / Schlaf WS 122 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Interpretation des EEG Der EEG-Rhythmus wird (u.a.) nach Frequenzen und Amplituden interpretiert. Die unterschiedlichen Rhythmen sind für verschiedene Bewußtseinszustände charakteristisch. Der Zusammenhang zwischen dem Rhythmus des EEG und Bewußtsein wird durch Korrelation der EEG-Verläufe mit Verhaltens-Indikatoren deutlich: β - Rhythmus > 13 Hz wach, aufmerksam α - Rhythmus: 8 - 13 Hz wach, entspannt, geringe visuelle Aufmerksamkeit ϑ - Rhythmus 4 - 8 Hz Einschlafstadium, Leichtschlaf δ - Rhythmus < 4 Hz Tiefschlaf Vorteil des EEG ist die hohe zeitliche, Nachteil seine begrenzte räumliche Auflösung.
11 EEG / Schlaf WS 123 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Interpretation des EEG II
EEG-Potentialschwankungen entstehen vornehmlich durch EPSP`s und IPSP,s in den obersten (apikalen) Dendriten-Schichten der Hirnrinde. Ausgeprägte Rhythmen und größere EEG-Amplituden setzen synchrone Aktivität vieler Nervenzellen voraus; “Schrittmacher“ solcher rhythmischer Aktivität ist z.B. im Falle des α-Rhythmus der Thalamus. Langsame Rhythmen (niedrige Frequenzen) sind mit dem Zustand verminderter Aufmerksamkeitszuwendung korreliert; diese reduzierte Aufmerksamkeitszuwendung wird demnach vom Thalamus kontrolliert und kann durch Impulse aus der Retikularformation („Weckimpulse“) oder aus dem präfrontalen Cortex aufgehoben werden. Beschleunigung der EEG-Frequenz und Abflachung der Amplitude in einem Hirnareal entspricht einem Erregungsanstieg, Verlangsamung der Frequenz und größere Amplituden einem Erregungsabfall. Die Analyse des aktuellen Erregungszustandes in vielen gleichzeitig untersuchten Arealen wird als „Brain mapping“ bezeichnet.
11 EEG / Schlaf WS 124 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Interpretation des EEG III
Neben Frequenz und Amplitude ist auch „Komplexität“ ein Beurteilungskriterium des EEG. Komplexität ist ein (fiktives) mathematisches Maß für die Anzahl der Raumdimensionen, die benötigt werden, um einen EEG-Verlauf in einen „mehrdimensionalen Phasenraum“ einzupassen. Anscheinend steigt die Zahl unabhängig aktiver Zellensembles mit wachsender Komplexität an. Komplexität hängt zusammen mit Verhaltenskorrelaten Entwicklung und Lebensalter Intelligenz, Persönlichkeit kognitiven Prozessen emotionalen Prozessen motorischen Funktionen Einwirkung von Pharmaka neuropsychologischen Funktionsstörungen
11 EEG / Schlaf WS 125 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Ereigniskorrelierte Potentiale (EKP) I EEG-Phänomene, die im Zusammenhang mit sensorischen oder motorischen „Ereignissen“ auftreten, bei einmaliger Aufzeichnung zwischen den Zufallsschwankungen des EEG verschwinden und erst durch wiederholte Registrierung und Summation der Aufzeichnungen sichtbar werden; die Zufallsschwankungen „mitteln sich heraus“. Die frühen oder schnellen Anteile der EKP (bis 300 msec) entsprechen automatisierten Verarbeitungsschritten; die späten Anteile (jenseits 300 msec; sogen. "langsame" Potentiale) spiegeln die Mobilisierung (Bereitstellung, Errregbarkeitsmodulation) zusätzlicher Neuronenensembles wider . Langsame Potentialverschiebungen in negativer Richtung treten stets dann auf, wenn in komplexen Situationen zusätzliche Energiereserven benötigt werden.
11 EEG / Schlaf WS 126 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Ereigniskorrelierte Potentiale (EKP) II
Langsame Hirnpotentiale:
„antizipatorische Negativierung“: Depolarisation der apikalen Dendriten nimmt zu, Entladungsschwellen der Neuronen sinken, Erregbarkeit steigt: „zerebrale Potentialität“. Positivierung: Entladung vieler Pyramidenzellen, Informationsweitergabe des Neuronennetzwerks, „zerebrale Leistung“.
11 EEG / Schlaf WS 127 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Magnet-Enzephalografie (MEG) Mißt die extrem kleinen magnetischen Felder, die von den corticalen Stromquellen hervorgerufen werden. Das Verfahren ist sehr aufwendig; es benutzt helium-gekühlte Sensoren. Aktivitätsquellen lassen sich durch die Kombination von EEG und MEG auf etwa 2 mm genau lokalisieren. Die zeitliche Auflösung entspricht der des EEG.
11 EEG / Schlaf WS 128 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Schlaf I
Merkmale auf der Verhaltensebene auf der sensorischen Ebene reduzierte Aktivität Abschirmung optischer, akustischer, thermischer und kinesthetischer reduzierte Kommunikation Reize verminderte Ansprechbarkeit Reduktion der bewußten
Informationsaufnahme motorische Ruhe reduzierte Reflexaktivität psychophysische Entspannung Merkmale auf der neurophysiologischen Ebene vom Wachzustand abweichendes EEG
Stadium
EEG
Beschreibung
A
α
wach/entspannt
B
ϑ
Einschlafstadium
C
ϑ + Schlafspindeln
Einschlafstadium
D
ϑ + K-Komplexe
Mittelschlaf
E
δ
Tiefschlaf
11 EEG / Schlaf WS 129 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Schlaf II
Komponenten der Schlafregulation 1. "Homöostatischer" Mechanismus regelt das quantitative Verhältnis von
Wachen und Schlafen.
2. Endogene periodische Faktoren regeln die zeitliche Abfolge.
3. Externe Komponenten modifizieren (1) und (2).
11 EEG / Schlaf WS 130 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Schlaf III
"Homöostatische" Schlafregulation
Die homöostatische Komponente entspricht dem "Gedächtnis" des Organismus für die vorausgegangene Wachzeit. Nimmt diese zu, so nimmt auch das Schlafbedürfnis zu; Schlafdauer und -intensität korrelieren mit der Länge der vorausgegangenen Wachzeit. Mechanismen in Diskussion: 1. Körpereigene Schlafmittel (Hypnotoxine);
2. Hormone (insbes. CRF → ACTH → Cortisol)
"Periodische" Schlafregulation
Die periodischen Komponenten der Schlaf - Wach - Regulation führen dazu, daß Einschlafwahrscheinlichkeit und Schlafdauer im Tagesverlauf variieren.
Wichtigster Mechanismus:
"Circadiane" Periodik und die dafür etablierten "endogenen Zeitgeber".
Externe Faktoren:
z.B. Umgebung, Lärm, Ernährung, Wetter.
13 EEG / Schlaf WS 131 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Schlaf IV
• Schlafbedürfnis ist "essentiell", d.h. aus nicht genau bekannten Gründen für physisches und psychisches Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit unbedingt erforderlich.
• EEG, EOG und andere Befunde deuten auf komplexe Gehirnfunktionen im Schlaf, d.h. Schlaf ist nicht "Ruhe" des Gehirns, sondern eine - im Verhältnis zum Wachzustand - alternative Funktionsform.
Theorien zur Entstehung von Schlaf • Chemische Schlaftheorien Dafür: Schlafentzugsexperimente, "Schlafpeptide". Dagegen: Split-brain-Patienten und siamesische Zwillinge mit
gemeinsamem Kreislauf. • "Retikularis"-Theorie Dafür: Wecken funktioniert über Retikularis - Erregung. Dagegen: Auch vom Stammhirn isolierte Gehirne haben einen Schlaf - Wach - Rhythmus. • Transmitter - Theorie "Dopaminerge" Bahnen vom Stammhirn zum Großhirn. Serotonin: Non - REM - Schlaf; Noradrenalin: REM - Schlaf.
11 EEG / Schlaf WS 132 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 487 - 511 UND KAP. 23, 537 - 664 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 12, 309 - 339
Schlaf V
Totaler Schlafentzug
• ab 3. Nacht ohne fremde Hilfe nicht wach.
• Mikro-Schlaf-Attacken mit langsamen Frequenzen im EEG, anfangs spotan beendet, später nur noch durch äußere Reize; Häufigkeit nimmt mit der Dauer des Schlafentzugs zu.
• Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen; motorische Störungen.
• "Durchsickern" von REM-Zuständen führt zu Illusionen und Halluzinationen.
• Nach mehr als 4 Tagen: Wahnideen, paranoid gefärbt; Halluzinationen von Realität nicht mehr zu unterscheiden.
• In schweren Fällen: Autistische Symptome, Realitätsverlust, Identitätsverlust.
• Erholungsschlaf: 8-16 Stunden ohne Bezug zur Entzugsdauer (nur 1/3 bis ¼ der fehlenden Schlafzeit wird nachgeholt).
• SWS wird vorrangig nachgeholt (Gluopeptid?).
• Falls Entzug länger als 4 Tage, wird auch REM - Schlaf nachgeholt.
• In der Regel nach Erholungsschlaf keine Entzugssysmptome mehr.
• In Einzelfällen (psychotische Disposition?) irreversible Komplikationen.
12 Methoden der Neuropsychologie WS 133 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 483 - 511 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 5, 110 - 136 Das "Methoden"-Kapitel nimmt auch Bezug auf Fröscher, W.: Neurologie. Berlin - New York, de Gruyter 1991, Kap. 1 (1 - 124)
Allgemeine Aspekte neuropsychologischer Untersuchungsverfahren
Für alle Diagnoseverfahren gelten folgende Leitfragen: 1. Wie funktioniert es? Das ist die Frage nach den biologischen, physikalischen und chemischen Mechanismen, die dem Verfahren zugunde liegen. 2. Was sagt es aus? Das ist die Frage nach der diagnostischen Validität der Untersuchungsmethode: Welche Informationen können aus ihren Befunden abgleitet werden? 3. Wie genau erlaubt es, Phänomene zu lokalisieren? Diese Frage wird meist unter dem Begriff „räumliches Auflösungsvermögen“ abgehandelt. 4. Wie genaue Zeitbestimmungen erlaubt es? Ob rasche oder nur langsame Ereignisse oder sogar nur stationäre Zustände erfaßt werden können, hängt vom „zeitlichen Auflösungsvermögen“ einer Methode ab.
Die neuropsychologische Untersuchung I
Einführendes Gespräch und Anamnese
• Orientiertheit • Beschwerden • Krankengeschichte der Patientin • körperliche Entwicklung der Patientin • soziale Entwicklung • schulische Entwicklung • berufliche Ausbildung, Berufstätigkeiten • augenblickliche Lebenssituation
Jeder Mensch ist bei seinem Erstkontakt mit einem Arzt verunsichert - gleichgültig, ob er es merken läßt oder nicht....Deshalb ist der erste ärztliche Schritt nicht organisatorischer oder diagnostischer Natur, sondern dient ausschließlich der Vertrauensbildung... (Faust in Fröscher (1991), S. 47)
.
12 Methoden der Neuropsychologie WS 134 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 483 - 511 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 5, 110 - 136
Die neuropsychologische Untersuchung II Verhalten, Leistung und Persönlichkeit
Wahrnehmung • visuelle Wahrnehmung • auditive Wahrnehmung • taktile Wahrnehmung • intermodaler Vergleich • Rechts-Links-Orientierung • Finger identifizieren • räumliche Orientierung Gedächtnis • unmittelbare Gedächtnisspanne • Kurzzeitgedächtnis • Langzeitgedächtnis Denken Reaktion auf die und Interaktion mit der Umwelt • Sensomotorik • Praxis • sprachliche Funktionen • Reaktivität, Aktivität und Verhaltenskontrolle
12 Methoden der Neuropsychologie WS 135 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 483 - 511 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 5, 110 - 136
Die neuropsychologische Untersuchung III
Verhalten, Leistung und Persönlichkeit II
Persönlichkeit • z.B. Nervosität, spontane und reaktive Aggressivität, Depressivität,
Gelassenheit, Extrovertiertheit, Ängstlichkeit u.s.w.
• z.B. soziale Angepaßtheit, Einfühlungsvermögen, Toleranz, Kooperationsfähigkeit
• z.B. Entscheidungsfähigkeit, Risikoverhalten, praktische und soziale Selbständigkeit
Untersuchung spezieller berufsbezogener Leistungen Beurteilung des Erscheinungsbildes und des generellen Verhaltens Schätzung des intellektuellen Leistungs-niveaus und der sensumotorischen Leistungen vor der Erkrankung Belastbarkeit
12 Methoden der Neuropsychologie WS 136 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 483 - 511 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 5, 110 - 136
Bildgebende Verfahren „Bildgebende Verfahren“ dienen der Analyse von
anatomischen Verhältnissen im Zentralnervensystem und ihren Veränderungen, z.B. als Folge von Durchblutungsstörungen, von Verletzungen oder Tumoren, der regionalen Durchblutung und ihrer Veränderungen im Zusammenhang mit regionalen Aktivitätsänderungen, des regionalen Energiestoffwechsels und seiner Abhängigkeit vom Aktivitätszustand. Nachteile der bildgebenden Verfahren: a) Es können nur langfristige Veränderungen erfaßt werden (z.B. Röntgen-
Computer-Tomografie), b) oder die Erstellung eines Bildes dauert so lange, daß das Verfahren nur
auf quasi-stationäre Prozesse angewandt werden kann (z.B. Durch-blutungsmessung mit radioaktiven Isotopen, Positronen-Emissions-Spektrografie, Magnet-Resonanz-Tomografie).
12 Methoden der Neuropsychologie WS 137 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 21, 483 - 511 PINEL KAP. 5, 114 UND KAP. 5, 110 - 136
Bildgebende Verfahren II Röntgen-Computer-Tomografie (CT, CAT-Scan): Der Kopf des Menschen befindet sich in einem ringförmigen Gehäuse, das an einer Stelle eine Röntgen-Strahlen-Quelle und genau gegenüber einen Strahlensensor enthält. Die Röntgenstrahlung und ihre Veränderung durch die zwischenliegenden Strukturen (des Kopfes) wird genau in der Ebene erfaßt, die durch die Positionen von Strahlungsquelle und Sensor definiert ist. Nach jeder Aufnahme verändern sich diese Positionen (im Verhältnis zum Kopf) um wenige Grad, bis der Kopf aus allen Richtungen „gescannt“ ist. Dann bewegt sich der Kopf des Patienten um einige mm oder cm nach oben oder nach unten, und der Vorgang wird in einer neuen Ebene wiederholt, bis der gesamte interessierende Bereich des Schädels (bzw. des Gehirns) erfaßt ist. Aus den in einem Computer zwischengespeicherten Daten können dann Röntgenschnittbilder in beliebigen Ebenen und Richtungen rekonstruiert werden. Positronen-Emissions-Tomografie (PET) Die PET arbeitet unter Verwendung radiokativer Isotope von Sauerstoff-, Stickstoff- oder Kohlenstoffatomen. Diese radioaktiven Isotope setzen Positronen frei, die wiederum mit Elektronen kollidieren, wodurch γ-Strahlen ausgesandt werden, die mit ringförmig um den Kopf plazierten Photosensoren (Zyklotron) aufgefangen werden. Dadurch und durch systematische Positionsänderungen der Sensoren im Verhältnis zum Kopf entsteht ähnlich wie beim CAT-Scan ein Datenvorrat, aus dem Bilder (der Intensität von Positronen-Emissionen) in beliebigen Schnittebenen rekonstruiert werden können. Die genannten Isotope werden in Wasser-, Aminosäure- oder Glucose-Moleküle eingebaut; die resultierenden Emissionsbilder geben deshalb z.B. Auskunft über die Verteilung der radioaktiven Substanzen und indirekt über die Intensitäten des Stoffwechsels in den untersuchten Gehirnregionen. Räumliche Auflösung: 4-8 mm Zeitliche Auflösung: >1 sec
13 Schmerz WS 138 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 16, 326 - 371 PINEL KAP. 8, 201 - 210
Schmerz I
Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren)
Rezeptoren, die eine so hohe Schwelle aufweisen, daß sie nur durch (potentiell) gewebsschädigende („noxische“) mechanische, thermische oder chemische Reize erregt werden.
Für die Schmerzempfindung kann kein sinnesphysiologisch „adäquater Reiz“ angegeben werden. Nozizeption Aufnahme, Weiterleitung und zentrale Verarbeitung von noxischen Reizen Modalität: Schmerz Qualitäten: somatischer Schmerz Oberflächenschmerz Tiefenschmerz viszeraler Schmerz
Somatischer Schmerz: Oberflächenschmerz 1. Schmerz von „hellem“ Charakter, gut lokalisierbar, klingt nach Beendigung des Reizes
(z.B. Nadelstich) rasch ab.
2. Dumpfer, brennender Schmerz, schlecht lokalisierbar, strahlt in die Umgebung aus, klingt nur langsam ab.
Somatischer Schmerz: Tiefenschmerz
dumpfer Charakter, schlecht lokalisierbar (Schmerzen der Muskeln, Knochen, Gelenke, Kopf-schmerzen)
Viszeraler Schmerz
aus den Eingeweiden dumpfer Charakter, schlecht lokalisierbar durch Überdehnung von Hohlorganen (z.B. Blähungen); durch Kontraktionen der glatten Muskulatur (z.B. Koliken); durch Entzündungen (z.B. Blinddarmentzündung)
13 Schmerz WS 139 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 16, 326 - 371 PINEL KAP. 8, 201 - 210
Schmerz I
Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren)
Rezeptoren, die eine so hohe Schwelle aufweisen, daß sie nur durch (potentiell) gewebsschädigende („noxische“) mechanische, thermische oder chemische Reize erregt werden.
Für die Schmerzempfindung kann kein sinnesphysiologisch „adäquater Reiz“ angegeben werden. Nozizeption Aufnahme, Weiterleitung und zentrale Verarbeitung von noxischen Reizen Modalität: Schmerz Qualitäten: somatischer Schmerz Oberflächenschmerz Tiefenschmerz viszeraler Schmerz
Somatischer Schmerz: Oberflächenschmerz 1. Schmerz von „hellem“ Charakter, gut lokalisierbar, klingt nach Beendigung des Reizes
(z.B. Nadelstich) rasch ab.
2. Dumpfer, brennender Schmerz, schlecht lokalisierbar, strahlt in die Umgebung aus, klingt nur langsam ab.
Somatischer Schmerz: Tiefenschmerz
dumpfer Charakter, schlecht lokalisierbar (Schmerzen der Muskeln, Knochen, Gelenke, Kopf-schmerzen)
Viszeraler Schmerz
aus den Eingeweiden dumpfer Charakter, schlecht lokalisierbar durch Überdehnung von Hohlorganen (z.B. Blähungen); durch Kontraktionen der glatten Muskulatur (z.B. Koliken); durch Entzündungen (z.B. Blinddarmentzündung)
13 Schmerz WS 140 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 16, 326 - 371 PINEL KAP. 8, 201 - 210
Schmerz II
Vegetative Begleitreaktionen Übelkeit Schweißausbruch Blutdruckschwankungen
Affektive Begleitreaktionen starke Unlustgefühle Krankheitsgefühl
„Akuter“ (plötzlich auftretender) Schmerz in der Regel auf den Ort der Schädigung begrenzt; gut lokalisierbar; Intensität hängt direkt von der Intensität des einwirkenden Reizes ab. Klingt nach Beseitigung der Schädigung meist rasch ab.
Chronischer (länger anhaltender oder regelmäßig wiederkehrender) Schmerz (z.B. Rückenschmerzen, Angina pectoris, Migräne, Neuralgien) oft keine eindeutige Beziehung zwischen dem Ausmaß der Organschädigung und der Schmerzintensität; oft Verselbständigung als eigenständiges Krankheitsbild.
13 Schmerz WS 141 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 16, 326 - 371 PINEL KAP. 8, 201 - 210
Schmerz III
Jucken wird vielfach als eine weitere Qualität des Schmerzes eingestuft: Bei bestimmten Juckreizen führt die Zunahme der Reizintensität zu Schmerzeempfindungen; die Verteilung der „Juckpunkte“ in der Haut stimmt gut mit der Verteilung der „Schmerzpunkte“ überein; Unterbrechung der Vorderseitenstrangbahnen (afferente Schmerzbahnen im RM) führt auch zu einem Ausfall der Juckempfindungen; Ausfall der Hinterstrangbahnen (afferente Bahnen für Druck und Berührung) hat keine Beeinträchtigung der Juckempfindung zur Folge. Aber: Daß Jucken eine vom Schmerz unabhängige Modalität ist, läßt sich nicht sicher ausschließen. Für den Juckreiz scheint die Freisetzung von >Histamin aus den Mastzellen von entscheidender Bedeutung zu sein. Das würde das häufige Auftreten von Juckreiz bei entzündlichen und allergischen Hautreaktionen erklären.
13 Schmerz WS 142 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 16, 326 - 371 PINEL KAP. 8, 201 - 210
Schmerz IV
Schmerzintensitäten: Bestimmung im Zusammenhang mit der pharmakologischen Erforschung der Wirkung von Schmerzmitteln (Analgetika) bedeutsam. Gelingt nur bei Oberflächenschmerz. Methoden: Ermittlung der Schwellen- und Maximalreizstärke und der Zahl der Unterschiedsschritte; z.B. Druckreize auf die Stirn: Schmerzschwelle: 600 g/cm2 Maximalreiz: 6600 g/cm2 Unterschiedsschritte: 15 z.B. thermische Reizung der Haut: Schmerzschwelle: 43-47 °C Unterschiedsschritte bis zur maximalen Schmerz-empfindung: 21
13 Schmerz WS 143 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 16, 326 - 371 PINEL KAP. 8, 201 - 210
Schmerz V
Schmerzentstehung: eine „chemische“ Hypothese Beteiligte Substanzen: Kininogene Bradykinin Arachidonsäure Prostaglandine Substanz P Hypothetischer Mechanismus: „Noxische“ Reize > Freisetzung von Kininogenen > bewirkt Bildung von Bradykinin > wandelt Arachidonsäure in Prostaglandine um > depolarisiert freie Nervenendigungen >>>> Analgetica (Salizylate, Azetylsalizylsäure, Pyrazolone, Indomethazin) hemmen die Prostaglandinsynthese. Aber: Prostaglandine lösen allein keinen Schmerz aus! Substanz P: Sensibilisierung freier Nervenendigungen Steigerung der lokalen Durchblutung Förderung der Entzündung Exzitatorischer Überträgerstoff in Schmerzleitungsbahnen des Rückenmarks
13 Schmerz WS 144 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 16, 326 - 371 PINEL KAP. 8, 201 - 210
Schmerz VI
„Analgetisches“ System Die körpereigene Schmerzbekämpfung benutzt neuronale und chemische Mechanismen. Neuronal: Impulse aus bestimmten neuronalen Netzwerken können aufsteigende Schmerzbahnen im Rückenmark blockieren Chemisch: Beteiligte Substanzen: β-Endorphin Methionin-Enkephalin Leuzin-Enkephalin Dynorphin Einige dieser Substanzen dienen der präsynaptischen Hemmung exzitatorischer Synapsen von Schmerzbahnen; sie verhindern die Freisetzung von Substanz P an den entsprechenden Synapsen. Dynorphin ist analgetisch 200 mal wirksamer als Morphin!
13 Schmerz WS 145 BIRBAUMER/SCHMIDT KAP. 16, 326 - 371 PINEL KAP. 8, 201 - 210
Schmerz VII
„Projizierter“ Schmerz entsteht durch (mechanische) Reizung afferenter Schmerzfasern auf ihrem Weg zum Rückenmark.Die entstehenden Schmerzen werden in das Versorgungsgebiet des betreffenden Nerven projiziert; der Ort der Schädigung und die Lokalisation des Schmerzes stimmen also nicht überein. Beispiele: „Karpalunnelsyndrom“; „Hexenschuß“ (Lumbago); „Ischialgie“; Neuralgische Schmerzen als Folge einer Herpes Zoster-Infektion („Gürtelrose“) „Stumpfschmerz“ nach Durchtrennung eines Nerven, Degeneration der peripheren und Auswachsen der zentralen Anteile der Nervenfasern, falls dabei ein „Neurom“ entsteht. „Phantomschmerz“ Schmerzen in durch Amputation fehlenden Gliedmaßen (Verarbeitungsfehler des ZNS) „Übertragener“ Schmerz in Hautregionen, die inneren Organen zugeordnet sind (Head´sche Zonen); „spinale Konvergenz“ viszeraler und somatischer Schmerzinformationen.