Post on 01-Jan-2021
transcript
Mag. Juliane Neureiter
Fachpsychologin für Klinische Psychologie BDP
Sozialpädiatrisches Zentrum Traunstein
1. Allgemeines zum Störungsbild
2. Hausaufgabenroutine
3. Elterngespräche
4. Förderung konzentrierten Arbeitens
5. Soziale Integration
6. Stärken und Ressourcen
7. Anregungen zur Unterrichtsgestaltung
SPZ AUF EINEN BLICK
Überweisung durch
einen Kinderarzt,
Neurologen oder
Psychiater
Anmeldung
im
Sekretariat
Ersttermin beim
Arzt (und
Psychologen)
Ergotherapie
Logopädie
Physiotherapie/
Bewegungstherapie
Sozialpädagogik
Heilpädagogik
Psychologische Diagnostik
Psychologische Behandlung
PSO
T-PSO
Psychologische Themen im SPZ
Emotionale
Schwierigkeiten:
• Ängste
• Zwänge
• Somatisierung
• Depressionen
Verhaltensauffälligkeiten:
• Aggressivität
• Ticstörungen
• AD(H)S
• Störungen des Sozial-
verhaltens
Entwicklungsstörungen:
• Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten
• Rechenstörungen
• Autismus
Weitere Themen:
• Fragen zur kindlichen
Entwicklung
• Hilfe bei belastenden
Lebensereignissen
• Essstörungen
Chronische Krankheiten:
• Kopfschmerzen
• Diabetes, Asthma
• Anfallsleiden
Was geschieht beim Psychologen?
Klärung der vorgestellten Problematik:
• Gespräche
• Testungen
• Spiel-/Interaktionsbeobachtungen
Hilfe und Unterstützung durch:
Beratungsgespräche Einzeltherapie Gruppentherapie
1. Ist häufig unaufmerksam gegenüber Details oder macht Sorgfaltsfehler bei Schularbeiten oder anderen Arbeiten/Tätigkeiten
2. Kann die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spiel häufig nicht aufrecht erhalten
3. Scheint häufig nicht zu hören, was gesagt wird
4. Führt häufig Aufträge nicht durch oder erfüllt häufig Schularbeiten oder andere Pflichten oder Aufgaben am Arbeitsplatz nicht (nicht wegen oppositionellem Verhalten oder weil Erklärungen nicht verstanden werden)
5. Kann Aufgaben nicht organisieren oder strukturieren
6. Vermeidet häufig oder hat einen starken Widerwillen gegen Aufgaben, die geistiges Durchhaltevermögen erfordern (z. B. Hausaufgaben)
7. Wird häufig durch äußere Reize abgelenkt
8. Verliert häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Aktivitäten notwendig sind (z. B. Schulaufgaben, Bleistifte, Spielzeuge oder Werkzeuge)
9. Vergisst häufig Dinge im täglichen Ablauf
1. Zappelt mit Händen oder Füßen oder windet sich auf seinem Sitz
2. Verlässt seinen Platz während des Unterrichts oder in anderen Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird
3. Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist (bei Jugendlichen oder Erwachsenen ist nur ein Gefühl innerer Unruhe vorhanden)
4. Ist häufig beim Spiel übermäßig laut oder hat Schwierigkeiten, sich leise zu beschäftigen
5. Zeigt ein anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivität, das durch die soziale Umgebung oder durch Aufforderungen nicht durchgreifend beeinflussbar ist
1. Platzt häufig mit Antworten heraus bevor Fragen zu Ende gestellt sind
2. Kann häufig nicht in einer Reihe warten oder bei Spielen oder Gruppensituationen warten, bis er/sie an der Reihe ist
3. Unterbricht oder stört andere häufig (z. B. platzt in die Unterhaltung oder Spiele anderer hinein)
4. Redet häufig übermäßig viel, ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren
Aufmerksamkeitsstörung
Hyperaktivität Impulsivität
ADHS
In den letzten Jahrzehnten hat sich einiges verändert, was Kindern mit AD(H)S Schwierigkeiten macht:
Längere Schultage
Gruppenarbeiten
Moderne, bunte und abwechslungsreiche Schulbücher
Kürzere Schulwege, weniger Bewegung
Hohe Anforderungen in den Bereichen Organisation und Planung (Stichwort Wochenplan)
Unterschiedliche Lehrkräfte
Viele Fächer und mehr Lehrstoff als Herausforderung für die Merkfähigkeiten
Neue Medien und deren ständig einströmende Informationsflut
Zu wenig Schlaf
Reizoffenheit ist nur ein Problem, wenn Fokussierung verlangt wird,
Hyperaktivität ist nur ein Problem, wenn Stillsitzen verlangt wird.
Verschiedene Bausteine:
Testverfahren (Intelligenztest, Konzentrationstests)
Fragebögen für Eltern und Lehrkräfte
Verhaltensbeobachtungen
Komorbiditäten beachten
Angaben der Eltern über die Entwicklung des Kindes
Fachärztlicher Befund, der ausschließt, dass sich die Auffälligkeiten besser durch körperliche Ursachen (Hör- und Sehprobleme, Schilddrüsendysfunktion etc.) erklären lassen
… ist nicht wie Masern oder Mumps kategorial
… sondern wie Bluthochdruck oder Übergewicht dimensional
Es kann mehr oder weniger ausgeprägt sein, die Grenzen sind fließend!
„ein Kontinuum“
Aus: Rietzler & Grolimund (2016). Erfolgreich lernen mit ADHS. Der praktische Ratgeber für
Eltern. Göttingen: Hogrefe
Aus: Rietzler & Grolimund (2016). Erfolgreich lernen mit ADHS. Der praktische Ratgeber für
Eltern. Göttingen: Hogrefe
Verständnis für Beeinträchtigungen, Defizite und Verhaltenssteuerungsschwächen
Die Not des Kindes sehen Kinder leiden auch selbst darunter, so anders zu sein
Sich auf die Wechselhaftigkeit des Verhaltens, der Laune, der Leistungen einstellen
Ressourcen suchen und nutzen
Die letzten 10 Minuten der Schulzeit für Vorbereiten, Einschreiben und Einpacken der Hausaufgaben Kontrollieren
Hausaufgaben immer in derselben Anordnung an derselben Stelle an die Tafel und vorlesen lassen
Täglich kontrollieren und bewerten und jegliche Anstrengung honorieren
Nach einer vereinbarten Zeitspanne Abbruch der Hausaufgaben erlauben, wenn konzentriert gearbeitet wurde (man darf nur so lange machen!)
Konsequenzen für das Fehlen der Hausaufgaben vorher mit Eltern und Kind genau besprechen
Kontakt zu den Eltern halten, u. a. durch Rückmeldungen im Aufgabenheft von den Eltern bzgl. benötigter Zeit/Schwierigkeiten bei Bedarf Umfang und Qualität der Hausaufgaben anpassen
Schönreden bringt nichts Gefühle des Kindes ernst nehmen Den Kindern zugestehen, dass es manchmal viel, schwierig und unangenehm ist, aber sie
es trotzdem schaffen
5 Minuten „Motzzeit“ vor den Hausaufgaben einrichten (gerne auch mit Wecker)
Eigene Bedürfnisse nicht vergessen nur bei den Hausaufgaben helfen, wenn das Kind auch mitarbeitet
„Sprösslinge regelmäßig gießen“ auch kleine Fortschritte loben
Verträge machen mit Wahlmöglichkeiten für die Kinder (Reihenfolge, Zeitpunkt, Raum)
Bildschirmmedien erst, wenn die Hausaufgaben erledigt sind
Hausaufgaben auslagern (Hausaufgabenbetreuung etc.) oder an ein bis zwei Tagen in der Woche gemeinsam mit einem Freund zuhause bzw. bei einem Freund
Fressen Sie dem Kind die Süßigkeiten weg
Ein bestimmtes, erreichbares Ziel vereinbaren, z. B.: Du konzentrierst dich auf deine Aufgabe und lässt dich nicht ablenken.
Zeit vereinbaren (und im Laufe der Tage verlängern)
Papierstreifen mit 10 Feldern und Gummibärchen
Lässt sich das Kind ablenken? 1 Gummibärchen essen
Übriggebliebene Gummibärchen nach Ablauf der Zeit sind für das Kind
Training von Selbstkontrollfähigkeiten
Direktes, häufiges Feedback ohne negativen Tonfall
Gummibärchen gegen Frust für die Eltern oder auch Lehrer ;-)
Aus: Rietzler & Grolimund (2016). Erfolgreich lernen mit ADHS. Der praktische Ratgeber für
Eltern. Göttingen: Hogrefe
Häufiger Informationsaustausch
Gegenseitige Unterstützung
Vermeidung von Schuldzuweisung
Organisation und Beratung für die Hausaufgaben
Erziehungsberatung
Eltern zuerst vom Kind erzählen lassen
Welche Sorgen haben sie?
Wie erleben sie ihr Kind zuhause?
Stärken und Schwächen – Liste im Hinblick auf Leistungen und Verhalten
Positive Ansätze des Kindes wertschätzen
Zuerst Leistungsschwächen, dann Verhalten ansprechen
Verhaltensprobleme beschreiben, nicht werten
Hilfeplan für Zuhause und Schule erstellen
Folgetermine vereinbaren
Im Hinterkopf:
Wie viel kann man
den Eltern
zumuten? Auf was
sind sie schon
vorbereitet?
Irrelevantes Bildmaterial/Textstellen etc. abdecken, Arbeitsblätter in kleine Portionen teilen (falten oder zerschneiden)
Am PC schreiben lassen
Bewegung in den Schulalltag integrieren das Zappeln lässt sich nicht abstellen
Z. B. Kreide holen lassen
Sparsamer und sinnvoller Einsatz von Belohnungen (ein Spiel, Lied anhören, Sticker, Stempel etc.)
Zeitdruck, aber Kinder selbst wählen lassen
Spannung erzeugen Fantasie nutzen, in andere Rollen schlüpfen (Theater, Quiz, Verkleidungen)
Kinder mit ADHS geraten leicht in Rage Hänseleien unterbinden und nicht zulassen, dass sich das Kind zum Klassenkasper macht
Faires Miteinander Petzen nicht zulassen
Den anderen Kindern erklären, warum es manchmal Ausnahmen gibt und wie sie Hilfe und Unterstützung leisten können
Erfolgserlebnisse in der Klasse schaffen (Anerkennung durch die anderen Kinder)
Konfliktlösestrategien
Viel Energie möchten anpacken und helfen
Neugierig, begeisterungsfähig
Verständnis für Recht und Unrecht
Spontane und ausgeprägte Hilfsbereitschaft
Bei Motivation und angemessenem Rahmen auch großes Arbeitspensum möglich
Sensibel für Stimmungen und Sympathie
Kreativ und mit viel Phantasie
Risikofreudig und immer einsatzbereit
Humor und unterhalten andere
Nicht nachtragend
Unerschütterlicher Optimismus
Positive Eigenschaften
als „pädagogischen
Hebel“ nutzen,
Begeisterung schaffen
aber auch Grenzen
setzen!
Aus: Rietzler & Grolimund (2016). Erfolgreich lernen mit ADHS. Der praktische Ratgeber für
Eltern. Göttingen: Hogrefe
Unterrichtsablauf kalkulierbar und vorhersehbar machen klar strukturierte, übersichtliche Unterrichtseinheiten
Regeln für den Umgang im Unterricht festlegen und im Klassenzimmer aufhängen (Melden etc.)
10-15 Minuten einer Unterrichtsphase sind zu lange Unterbrechungen/Wechsel einplanen
Farben einsetzen
Keine Strafen während der Pause (Austoben ist notwendig)
Platz in der ersten Reihe, dort wo man als Lehrer gerne steht
Gehörschutz beim stillen Arbeiten
Handeln, statt reden
Nach vorheriger Absprache: am Arm / an der Schulter berühren
Auf die Aufgabe auf dem Arbeitsblatt zeigen
Vor den Tisch des Kindes stellen, Blickkontakt aufnehmen
Konzentriertes Arbeiten rückmelden so kann das Kind ein Konzept bzw. Körpergefühl für Konzentration entwickeln (Wie fühlt sie sich an und wie kann ich den Zustand bewusst herstellen?)
Arbeitsaufträge wiederholen lassen: „Erklär mir kurz, was deine Aufgabe ist!“
Positive Anweisungen („Hör wieder zu!“) mehrmals wiederholen, nicht diskutieren
Kooperatives Verhalten fördern Danke sagen, nicken, auch wenn es erst nach dem dritten Mal funktioniert hat
Hausaufgabenroutine
Proaktiver Umgang mit Hyperaktivität
Sitzkissen mit Luft
Aufgaben im Stehen erledigen lassen
Bewegungspausen
„Bewegungsabmachung“ (Zeichen geben, wenn das Kind zu unruhig wird und für festen Zeitraum auf dem Gang bewegen lassen)
Erfolgreich lernen mit ADHS – Der praktische Ratgeber für Eltern
von Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund
erschienen im Hogrefe Verlag, Bern 2016
Clever lernen
von Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund
erschienen im Hogrefe Verlag, Bern 2018
ADS in der Schule – Handreichungen für Lehrerinnen und Lehrer
von Annette Schröder
erschienen bei Vandenhoeck & Ruprecht 2006