Post on 06-Apr-2015
transcript
„Licht am Ende des Tunnels?Afrikas Entwicklung fünf Jahrzehnte nach
der Unabhängigkeit“
Vortrag im Haus der
Stiftung Demokratie Saarland
19. November 2007, Saarbrücken
Prof. Dr. Cord Jakobeit
Gliederung:
1) Einleitung: Nichts Neues vom Kontinent der “8 Ks”?1) Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Situation in Afrika2) Entwicklungspolitische Strategien in Afrika3) Gründe für Afrika andauernde wirtschaftliche Misere4) Wie nachhaltig ist das gegenwärtige Wachstum in Afrika?5) Zum Stand der Entwicklungszusammenarbeit6) Die Millenniumsziele7) Der aktuelle Streit - Sachs vs. Easterly8) Fünf Gründe für einen neuen “Wettlauf um Afrika“9) Kriege und bewaffnete Konflikte in Afrika10) UN-Friedensmissionen 2007 weltweit11) Entwicklung der Demokratisierung in Afrika12) Fazit: Wie weiter mit Afrika im Jahr 2015?
Afrika - Bilanz: 1
Prof. Dr. Cord Jakobeit
2) Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Situation in Afrika
Korruptionsperzeptionsindex, 158 Staaten, 2005(10 = Keine Korruption; 0 = Hochgradig korrupt)
1) Island: 9,7 43) Tunesien: 4,92) Finnland: 9,6 46) Südafrika: 4,54) Dänemark: 9,5 47) Namibia: 4,36) Schweden: 9,1 144) Kenia: 2,110) Österreich: 8,7 152) Nigeria: 1,916) Deutschland: 8,2 158) Tschad: 1,7
Quelle: Transparency International
Afrika - Bilanz: 2
Prof. Dr. Cord Jakobeit
2) Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Situation in Afrika
• Wachstumsschwäche (BIP zu selten über Anstieg der Bevölkerung)
• Schrumpfende Anteile am Weltmarkt• Hohe Verschuldung• Wenig verarbeitende Industrien – hohe
Rohstoffabhängigkeit• Geringe FDI (bzw. fast ausschließlich in Rohstoff-
erschließung und –entwicklung)• Veraltete bzw. fehlende Infrastruktur• Hohe Abhängigkeit von Mitteln aus der EZ (ODA)• Geringe Bruttoinvestitionsquote (20 vs. 30 %)
Afrika - Bilanz: 3
Prof. Dr. Cord Jakobeit
3) Entwicklungspolitische Strategien: Projekte, Programme, Budgethilfe, PRSP und Millen-niumsziele
Seit 1960 ca. 700 Mrd. US-Dollar für:• Projekte (Straßen, Brunnen, Brücken, Schulen etc.)• Programme (z.B. Strukturanpassung)• Budgethilfe (Direktzuweisungen nach Absprache)• PRSP (Armutsreduzierungsstrategien mit armen
und hochverschuldeten Staaten• Millenniumsziele (Halbierung der Armut bis 2015)Probleme: „Projektitis“, „weiße Elefanten“, fehlende Zielerreichung,
fehlende unabh. Evaluierung, Lieferbindung, „viel hilft viel?“ etc.
Afrika - Bilanz: 4
Prof. Dr. Cord Jakobeit
4) Gründe für Afrikas andauernde wirtschaft-liche Misere
1. Exogen: Die vorkoloniale und koloniale Vergangenheit und die asymmetrische Einbindung Afrikas in den Weltmarkt
2. Strukturell: Geographisch-klimatische Hemmnisse und die Bedrohung durch HIV/Aids
3. Endogen: Fehlende Entwicklungsorientierung, Rent-Seeking der „big men“, Neopatrimonialismus und schwache bzw. fehlende Institutionen
4. Kulturell: Irrationalität, ‚Voodoo‘, Hexerei und Aberglaube sowie schwaches Unternehmertum („okkulte Ökonomie“)
Afrika - Bilanz: 5
Prof. Dr. Cord Jakobeit
5) Wie nachhaltig ist das gegenwärtigeWachstum in Afrika?
Afrika - Bilanz: 6
Prof. Dr. Cord Jakobeit
Jährliche Wachstumsrate des BIP zu konstanten Preisen (in %)1980 1985 1990 1995 2000 2005
Welt 2,2 3,8 3,0 3,7 4,9 4,9 4,9 Industriestaaten 0,9 3,7 3,1 2,8 3,9 2,6 2,7 Eurozone - - - 2,6 3,9 1,3 2,0 G7-Staaten 0,5 3,8 2,8 2,3 3,6 2,4 2,5 Asiatische Schwellenländer 3,9 4,8 7,3 7,6 7,9 4,5 4,4
3,3 4,4 4,4 5,5 5,9 3,7 3,7 Europäische Union 0,4 2,5 2,6 2,9 3,9 1,8 2,4 Weitere Schwellen- und Entwicklungsländer 4,2 4,1 2,8 5,1 6,1 7,4 7,2 Afrika 3,5 2,6 2,3 2,9 3,1 5,4 5,9 Sub-Saharisches Afrika 4,7 1,7 2,1 3,6 3,4 5,8 6,3 Mittel- und Osteuropa 0,1 2,4 -1,5 5,7 5,1 5,4 5,0 GUS-Staaten und die Mongolei 3,9 1,7 1,1 -5,7 9,0 6,5 6,5 Asiatische Entwicklungsländer 5,9 7,4 5,3 9,1 7,0 9,0 8,6 ASEAN-4 7,3 0,2 7,6 8,1 5,8 5,1 5,6 Naher Osten -2,3 2,7 8,2 3,0 5,3 5,7 5,4 Lateinamerika 6,6 3,0 0,2 1,5 3,9 4,3 4,2
2007 b
Andere Industriestaaten a
6) Zum Stand der Entwicklungszusammen-arbeit
Afrika - Bilanz: 7
Prof. Dr. Cord Jakobeit
7) Die Millenniumsziele
UNO-Generalversammlung September 2000: Die acht Millenniumsziele (MDGs) – Halbierung der Armut bis 2015
1. Den Anteil der Weltbevölkerung unter extremer Armut halbieren
2. Grundschulausbildung für alle Kinder ermöglichen3. Gleichstellung der Geschlechter fördern und die Rechte
von Frauen stärken4. Kindersterblichkeit verringern5. Gesundheit der Mütter verbessern6. HIV-Aids, Malaria und andere übertragbare Krankheiten
bekämpfen7. Schutz der Umwelt verbessern (Nachhaltigkeit)8. Weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen18 konkrete Teilziele und 48 konkrete Indikatoren
Afrika - Bilanz: 8
Prof. Dr. Cord Jakobeit
7) Die Millenniumsziele
Afrika - Bilanz: 9
Prof. Dr. Cord Jakobeit
Sub-Sahara Südasien LateinamrikaAfrika und Karibik
Halbierung derextremen Armut 0Halbierung desHungers 0Reduzierung der Kindersterblichkeitbei unter 5-jähringenum zwei Drittel 0Immunisierunggegen Masern 0Stopp und Umkehrder Ausbreitungvon HIV/Aids 0Halbierung undUmkehr der Aus-breitung der Ma-laria 0
Kein Fortschritt oder Rückschritt oder UmkehrZiel wird bis 2015 nicht erreicht, wenn bisheriger Trend sich fortsetztZiel wird bis 2015 erreicht, wenn bisheriger Trend sich fortsetztZiel bereits erreicht oder kurz davor
Quelle: UN, Stand bis September 2005
8) Der aktuelle Streit - Sachs vs. Easterly
Afrika - Bilanz: 10
Prof. Dr. Cord Jakobeit
8) Der aktuelle Streit – Sachs vs. Easterly
Jeffrey Sachs: Afrika braucht einen 'big push', weil die bisherige Hilfe zu
gering war und zu leicht versickert ist In „Millenniumsdörfern“ soll gezeigt werden, dass mit
massiven Investitionen auch in Afrika die Millenniumsziele erreicht werden können – massive Hilfe bei Bildung, Gesundheit, Agrarproduktion, Infrastruktur etc.
Eine Kombination aus Wachstums- und Modernisierungstheorie sowie Grundbedürfnisorientierung
Afrika - Bilanz: 11
Prof. Dr. Cord Jakobeit
8) Der aktuelle Streit – Sachs vs. Easterly
William Easterly: Große Skepsis gegenüber den bisherigen Ergebnissen
der rund 500 Mrd. US-Dollar, die in den letzten Jahrzehnten nach Afrika geflossen sind
Der Ansatz von Sachs steht in der Tradition der „Planer“ wie in der Vergangenheit – gebraucht würde aber eine Unterstützung der „Sucher“, der eigenen Initiative, die gegegebenenfalls gezielt von außen unterstützt werden könnte
Marktorientierte Skepsis mit einigen Reformvorschlägen (unabhängige Evaluierung, größere Bescheidenheit, Stärkung individueller Initiative, Voucher-Systeme etc.)
Afrika - Bilanz: 12
Prof. Dr. Cord Jakobeit
9) Fünf Gründe für einen neuen „Wettlauf um Afrika“
1) Neue Bedrohungwahrnehmungen (NSS, ESS, Europäische Afrika-Strategie; Armut = Terrorismus?)
2) Probleme der Trias aus Staatsversagen, Staatsverfall und Staatszerfall
3) Das neue geostrategische Interesse (USA und VR China – Washington vs. Beijing Consensus)
4) Die Herausforderung für Werte- und Normeninteressen des Westens (Millenniumsziele)
5) Die afrikanische Ansturm auf die ‚Festung Europa‘
Afrika - Bilanz: 13
Prof. Dr. Cord Jakobeit
10) Kriege und bewaffnete Konflikte in Afrika 2005
• 1) Einleitung• 2)
Afrika - Bilanz: 14
Prof. Dr. Cord Jakobeit
11) UN-Friedensmissionen 2007 weltweit
Afrika - Bilanz: 15
Prof. Dr. Cord Jakobeit
12) Entwicklung der Demokratisierung
Afrika - Bilanz: 16
Prof. Dr. Cord Jakobeit
Entwicklung der politischen und bürgerlichen Frei-heitsrechte, Anzahl der Länder
85/86 80/91 95/96 99/00 2003 2004 2005 2006
Frei 2 4 9 8 11 11 11 11
Teilw. Frei 13 15 19 24 22 21 23 22
Unfrei 31 28 20 16 15 16 14 15
Quelle: Freedom House Index
12) Entwicklung der Demokratisierung
Afrika - Bilanz: 17
Prof. Dr. Cord Jakobeit
Liberale (oder freie Regime) und elektorale Demokratien
Liberale Demokratien Elektorale DemokratienBenin, Botswana, Ghana , Burundi, Guinea-Bissau,Kap Verde, Lesotho, Mali, Kenia, Komoren, Liberia,Mauritius, Namibia, Sao Madagaskar, Malawi,Tomé, Senegal, Südafrika Niger, Sambia, Seychellen,
Sierra Leone, ZAR= 11 = 13
Quelle: Freedom House Index
12) Entwicklung der Demokratisierung
Afrika - Bilanz: 18
Prof. Dr. Cord Jakobeit
Einstellung zur Demokratie in zwölf afrikanischen Ländern, 2000-2005 (in Prozent)
um 2000 um 2002 um 2003Unterstützung für Demokratie 69 62 61Ablehnung von Militärherrschaft 82 78 73Ablehnung von Ein-Partei-Herrsch. 69 66 70Ablehnung von Ein-Mann-Herrsch. 80 78 78„Wunsch“ nach Demokratie 44 37 46Politische Geduld mit Demokratie 46 56 56Zufriedenheit mit Demokratie 58 52 46
Quelle: Afrobarometer
13) Fazit: Wie weiter mit Afrika im Jahre 2015?
1. Welche Trends haben Bestand, welche könnten sich ändern? Die absehbare Differenzierung
2. Afrika ist an einer Wegscheide – die Bestandsaufnahme der Gegenwart fällt deutlich besser aus als noch vor einigen Jahren
3. Die Nachhaltigkeit der positiven Trends steht gleichwohl in Frage
4. Immerhin gibt es auch markante Verbesserungen (AU, NEPAD und APRM, Demokratisierungsprozesse, Rückgang der Zahl der Konflikte und Kriege)
Afrika - Bilanz: 19
Prof. Dr. Cord Jakobeit
Und wer mehr lesen/wissen will …
Afrika - Bilanz: 20
Prof. Dr. Cord Jakobeit