Post on 05-Apr-2015
transcript
Leistungsbewertung + Lernmotivation
Bezugsnormorientierung I
Die “kleine Beurteilungsaufgabe”
Eine durchschnittliche Schulklasse macht in monatlichen Abständen Schulleistungstests, in denen jeweils der Unterrichtsstoffs des letzten Monats abgefragt wird. In jedem Test kann man max. 100 Punkte erreichen. Die Test sind so aufgebaut, dass der Klassendurchschnitt bei 50 Punkten liegt. 9 Schüler erreichen bei den letzten drei Tests die aufgeführten Punkte.
Ihre Aufgabe besteht darin, bei jedem der 9 Schüler das letzte Testergebnis zu beurteilen. Wenn sie das Ergebnis eines Schülers für eine gute Leistung halten, so können Sie 1-5 Pluspunkte (++…) geben, halten Sie dieses Ergebnis für eine schlechte Leistung, so können Sie 1-5 Minuspunkte (--…) geben. Bitte geben Sie pro Ergebnis nur Plus- oder Minuspunkte! Halten Sie das Ergebnis weder für eine gute noch für eine schlechte Leistung, lassen Sie diese Zeile frei.
Beurteilungsunterschiede bei Lehrern
Soziale Bezugsnorm
Leistung eines Schülers wird mit Leistungen einer sozialen Bezugsgruppe verglichen.
= Interindividuelle Vergleiche
= Querschnittliche Betrachtung von Schülerleistungen
Individuelle Bezugsnorm
Leistungen eines Schülers werden mit seinen vorangegangenen Leistungen verglichen
= Intraindividuelle Vergleiche
= Längsschnittliche Betrachtung von Schülerleistungen
Idealtypische Urteile zur “kleinen Beurteilungsaufgabe”
Beurteilungen
Schüler soziale Bezugsnorm individuelle Bezugsnorm
1 85 80 75 +++++ - - - - -
2 75 75 75 +++++
3 65 70 75 +++++ +++++
4 60 55 50 - - - - -
5 50 50 50
6 40 45 50 +++++
7 35 30 25 - - - - - - - - - -
8 25 25 25 - - - - -
9 15 20 25 - - - - - +++++
Beurteilungstypen
“Reine” Typen:
Lehrer, die sich an einer der beiden Bezugsnormen (individuell/sozial) orientieren
“Mischtypen”
- ohne Dominanz”:Lehrer, die sich an beiden Bezugsnormen orientieren, ohne dass eine überwiegt.
- mit Dominanz”:Lehrer, die sich an beiden Bezugsnormen orientieren wobei eine überwiegt
Die naive Psychologie
Geht von “naiven” Theorien aus
Naive Theorien = nicht streng nach wissenschaftlichen Regeln gebildete Theorien
( basierend auf Alltagbeobachtung)
Ohne naiv-psychologische Annahmen zu Verhaltensursachen wäre ein miteinander Umgehen kaum denkbar
Kausalattribution
Ursachenerklärung für Erfolg und Misserfolg
Vorhersage des Verhaltens in Leistungssituationen
Motivation hängt neben Personenmerkmalen von eventuellem Erfolg ab.
Motivation ist bei Aussicht auf Erfolg am größten
Aber: Erfolg muß subjektiven Wert besitzen
Kausalitätsattribution
Worauf führt man Erfolg und Misserfolg zurück?
Personenfaktoren Umgebungsfaktoren
zeitstabil Fähigkeit Aufgabenschwierigkeit
zeitvariabel Anstrengung Zufall (Glück, Pech)
Beziehung ”naiv”- psychologischer Ursachenbeschreibung und
Erfolgserwartung:
Schüler schreibt Erfolg den Anstrengungen zu
Erfolg :große Zufriedenheit.
Misserfolg:nächstes Mal mehr lernen
Schüler schrieibt erfolg den Fähigkeiten zu
Erfolg:
große Zufriedenheit und Hoffung später genauso gut abzuschneiden
Misserfolg:“Ich bin zu dumm” keine Chance auf Verbesserung
Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Schüler auch die Ursachenzuschreibungen von ihren Lehrern wahrnehmen können und von ihnen beeinflußt werden.
Deshalb ist es im Fall eines Leistungsschwächeren Schüler motivational ungünstig, wenn sich dem Lehrer unter sozialer Bezugsnorm ständig Fähigkeitsattribuierungen aufdrängen.
Fähigkeitszuschreibung Leistungserwartungen verschiedener Lehrer
Es gibt Unterschiede zwischen Lehrern in Bezug auf ihre Erwartungen an Schülerleistungen
Diese Unterschiede sind am Unterrichtsverhalten des Lehrers wahrnehmbar
Die Erwartungsunterschiede können sich verschieden auf die Motivation von Schülern auswirken = Erwartungseffekte
Erwartungseffekte
Pygmalion-Effekt:
Lehrererwartungen (warnehmbar an Unterrichtsverhalten)
Schülerleistungen fallen nach einiger Zeit so aus, wie der Lehrer es erwartet
Lehrererwartungen= Vorhersagen, die die Kraft haben, sich selbst zu erfüllen
Self-fulfilling-prophecies: ein Schüler ist so gut oder schlecht, wie es sein Lehrer von ihm erwartet
! Aber: Sollte es dann nicht eine Leichtigkeit sein, durch positive
Leistungserwartungen an den Schüler, dessen Schulleistung zu verbessern ???
Erwartungseffekte
Differenziertere Betrachtung:
- Lehrer unterscheiden sich in ihrem Unterrichtsverhalten dadurch, inwieweit sie sich von überdauernden Erwartungen leiten lassen
Unterscheidung von sozialer / individueller Bezugsnormorientierung
- Außerdem: Lehrererwartungen sind abhängig davon, wie sich der Lehrer die Schulleistung ursächlich erklärt (Kausalattribuierung)
Erwartungseffekte
Soziale Bezugsnormorientierung:
- Langfristige Erwartungen an den Schüler
ausgerichtet am generellen Leistungsniveau des Schülers
- Lehrer sieht Schulleistungen als relativ zeitstabil + längerfristig vorhersagbar
Individuelle Bezugsnormorientierung:
- Kurzfristige Erwartungen an den Schüler
ausgerichtet an aktuellen Leistungen des Schülers
- Lehrer sieht Schulleistungen als weniger zeitstabil + längerfristig kaum vorhersagbar
Auswirkungen der verschiedenen Erwartungshaltungen auf die Motivation von Schülern:
Soziale Bezugsnormorientierung:
- Schulleistung längerfristig vorhersagbar
starre Erwartungshaltung
hier am ehsten
Pygmalion-Effekt nachweisbar, also förderliche / hinderliche Auswirkung der Lehrererwartung auf die Lernmotivation
Individuelle Bezugsnormorientierung:
- Schulleistung nicht langfristig vorhersagbar
richten ihre Erwartungen stets neu aus
kein Pygmalion- Effekt
Auswirkungen der verschiedenen Erwartungshaltungen auf die Motivation von Schülern:
Vorsicht:
Schülerfaktoren spielen auch eine erhebliche Rolle in Bezug darauf, wie sich pos./ neg. Lehrererwartungen auswirken
z.B. “Selbstkonzept der eigenen Begabung” des Schülers:
Was hält der Schüler von seiner eigenen Begabung?
positive Lehrererwartung + negatives Selbstkonzept:
- kann Schüler ermutigen, oder
-Befürchtungen+ Ängste beim Schüler hervorrufen, den Lehrer zu enttäuschen
starre negative Lehrererwartungen wirken sich aber auf lange Sicht insgesamt negativ auf die Lernmotivation des Schülers aus !
Lob und Tadel
Anerkennung und Mißbilligung sind die Instrumentarien des Lehrers, dem man besondere Wirksamkeit zutraut.
Lob und Tadel Anlaß, Zeitpunkt und Situation kann verschiedene Bedeutungen und Folgen für den Schüler haben.
Sanktion kann auch als Informationsquelle für die Güte des Handlungsresultats aufgefaßt werden Anlaß zur Selbstbekräftigung des Schülersbesonders dann wenn Leistungsrückmeldung fehlen
Lob und Tadel <> Bezugsnormen
Hat ein Schüler nach weitere Rückmeldung, kann er daraus schließen, was dem Lehrer als Anlaß zu positiver
und negativer Bekräftigung dienen.
es wird deutlich an welcher Bezugsnorm der Lehrer sich orientiert
Soziale Bezugsnorm:
Überdurchschnittliche Leistungen werden gelobt, unterdurchschnittliche mißbilligt.(Vergleich mit anderen)
Individuelle Bezugsnorm:
Über- und unter-durchschnittliche Leistungen werden gleichermaßen sanktioniert, je nachdem ob sie über oder unter dem bisher erreichten liegen
Motivationale Bedeutung der Sanktionsunterschiede
Von der Lehrersanktion gehen motivational bedeutende Hinweise für den Schüler aus
Schüler erfahren - je nach Lehrer unterschiedlich, was aus Fremdperspektive belohnt wird und was nicht
Vergleich der Bezugsnormen
Soziale Bezugsnorm:
Schüler erfahren, daß sie nur belohnt werden, wenn man besser als die meisten anderen ist.
Individuelle Bezugsnorm:auch Leistungsschwache werden belohnt, wenn ihnen ein Leistungs-zuwachs gelingt. Leistungsstarke lernen, dass man nicht nur belohnt wird wenn man besser als andere ist.
Aspekt der Fremdeinschätzung
Leistungsstarke Schüler werden unter sozialer Bezugsnorm häufig verstärkt, leistungsschwache selten. nach Lerntheortischen Erkenntnissen sollten unterschiedliche Verstärkungsbedingungen dazu führen, dass erstere häufiger Leistungsbereitschaft zeigen, letztere besonders selten.
Fazit: Gute Schüler werden noch besser, schlechte Schüler noch schlechter.
Bei individueller Bezugsnorm ist es anders, weil nicht nach dem Leistungsniveau des Schülers gerichtet wird.
Selbstbekräftigung
Individuelle Bezugsnorm ist informativer
Soziale Bezugsnorm meist gleichbleibend für den einzelnen Schüler, kann aber dem Schüler seinen jeweiligen Stand in der Klasse zeigen
Rückmeldungen geben Schüler wechselnde Anlässe zufrieden oder unzufrieden zu sein. Die Schul-lernsituation kann das autonome Selbstbekräftigungssystem anregen
Häufigkeit von Lob und Tadel
Das Lernklima hängt großteils davon ab, wie oft Lehrer lobt oder tadelt.
Im naturalistischen Unterricht ist Lob für Tüchtigkeitszuwachs wahrscheinlicher als Tadel für Tüchtigkeitsrückgang, sofern der Unterricht halbwegs erfolgreich war.
Allgemein:Sanktionsbedingungen unter individueller Bezugsnorm sind für die Lernmotivierung günstiger als die soziale Orientierung.
Für welche Bezugsnormorientierung der Lehrer sich in seinem Unterricht entscheidet und wie er die Schüler motiviert bleibt ihm selbst überlassen.
Bezugsnormen und Individualisierung von Unterricht
Individualisierung:
- Gibt der Lehrer allen Schülern die gleiche Aufgabe, oder stellt er je nach Schüler verschieden schwere
Aufgaben mit der Absicht den Schülern einen effizienten Lernzuwachs zu ermöglichen ?
- Paßt der Lehrer seinen Unterricht an die internen Bedingungen des lernenden Individuums an?
Unterschiede der Individualisierung durch Bezugsnormorientierungen
Individuelle Bezugsnormorientierung:
- Schüler wird nicht mit anderen, sondern mit sich selbst verglichen
Wahrnehmung intraindividueller Leistungsveränderungen+ Möglichkeit die Aufgabenschwierigkeit den Veränderungen anzupassen
Prinzip der Passung
Soziale Bezugsnormorientierung:
- Beurteilung von Leistungen im sozialen Vergleich
nur möglich, wenn
alle Schüler gleiche/ gleich schwere Aufgaben bearbeiten
Angebotsgleichheit bevorzugt
Unterschiede der Individualisierung durch Bezugsnormorientierungen
Soziale Bezugsnormorientierung:
- meist Beibehaltung des bisherigen Schwierigkeitsgrads
- es gilt als schwer, was die meisten der Klasse nicht schaffen können, als leicht, was fast jeder kann
Individuelle Bezugsnormorientierung:
- meist Steigerung der Aufgabenschwierigkeit (leichtschwer)
- Lehrer haben den Eindruck, dass die Schüler über die Zeit immer schwierigere Dinge können
Individualisierung und Motivation
Beeinflußt die Individualisierung der Aufgabenstellung die Motivation eines Schülers?
abhängig von situativen Rahmenbedingungen, wie:
- Bezugsnorm für die Aufgabenstellung
- Attribuierungs-/ Zuschreibungshinweise
Individualisierung und Motivation
Bsp. 1: “ Hier ist eine Aufgabe x, die
schafft jeder! A und B, wäre das nichts für euch ?”
- Aufgabenschwierigkeit beschrieben mit sozialer Bezugsnorm (“die schafft jeder”)
- Zuschreibung dieser Aufgabe, “die jeder schafft”, zu Schüler A+B
Motivation: bei schlechtem Leistungsstand ungünstige motivationale Folgen
Bsp. 2: “A und B, hier habe ich eine
Aufgabe, die etwas schwieriger als eure letzte ist. Ich bin gespannt, ob ihr auch die noch schafft!”
- Aufgabenschwierigkeit beschrieben mit individueller Bezugsnorm
(“schwieriger als letzte”)
- implizite Zuschreibung des Lehrers: “Ihr habt die anderen Aufgaben geschafft, dann schafft ihr die auch!
Motivation: längerfristig günstigere motivationale Folgen