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Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie / Carl von Linde-Akademie
Interdisziplinarität und Innovationsdynamik
Prof. Dr. Klaus Mainzer
Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie
Carl von Linde-Akademie
Technische Universität München
Zur Konvergenz von Forschung, Technik,
Wirtschaft und Gesellschaft
Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie / Carl von Linde-Akademie
1. Von der Grundlagenforschung zur Innovation
2. Konvergenz und Interdisziplinarität von Forschung
3. Kreativität und
Schlüsselqualifikation
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Von der Grundlagenforschung
zur Innovation1.
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Die erste Akademie Europas wurde 385
v.Chr. von dem Philosophen Platon im
Nordwesten Athens gegründet. Dort lehrten
zeitweise die bedeutendsten Gelehrten der
Antike. Neben den mathematischen
Disziplinen aus pythagoreischer Tradition
wie Geometrie, Arithmetik, Astronomie und
Harmonielehre betrieb man Logik, Physik,
Metaphysik und Ethik. Nach fast
tausendjähriger Tradition wurde die
Akademie 525 n.Chr. durch Justinian
geschlossen.
Die Platonische Akademie
Juristisch war die Akademie als privater Kultverein (Thiasos) zu Ehren der Musen
organisiert. Der Vorsteher war den staatlichen Behörden verantwortlich. Die Gebäude
(Vorlesungs- und Diskussionsräume, Bibliothek, Wohnung) und Parkanlagen wurden
zunächst durch Platons Vermögen, später durch Spenden finanziert.
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Die Schule von Athen
Im Bild von Raffael (Vatikan) wird die Schule von Athen als Urbild von Philosophie und Wissenschaft
verklärt: Der Idealist Platon weist zum Himmel als Symbol seiner Ideenlehre und Kosmologie, der Realist
Aristoteles, sein Schüler, deutet auf die irdische Welt, in der Physik und Ethik ihre Aufgabe finden. Rechts
Vertreter der mathematischen Disziplinen, links der Sprache, Grammatik und Rhetorik.
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Archimedes (287-212 v. Chr.)
war ein genialer angewandter
Mathematiker und Ingenieur, der
die Statik einfacher Maschinen
(z.B. Hebel, Flaschenzug) und
Hydrostatik begründete.
Heron von Alexandria (1.Jh. n. Chr.) wurde
bekannt mit seiner Theorie und Konstruktion von
Automaten.
In Antike und Mittelalter waren allerdings
Mechanik und die Konstruktion von Maschinen
von der akademischen Ausbildung in
Platonischer Tradition ausgeschlossen.
Ingenieure der Antike
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Ingenieure der RenaissanceIn der Renaissance war man von neuen
Entdeckungen und Erfindungen fasziniert. Geniale
Künstler versuchten Wissenschaft, Kunst und
Technik zu vereinigen, um Leben und Organismen
zu simulieren wie z.B. mechanische „Automobile“
(Leonardo da Vinci) – Leonardos Welt der Bionik.
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Leibnizens Computerphilosophie
G.W. Leibniz (1646-1716) baute nicht nur
Rechenmaschinen für Dezimal- und
Binärzahlen. In seiner Computerphilosophie
verkündete er, dass Gott die Welt aus „Alles
(1) und Nichts (0)“ geschaffen hat – die
Leibniz-Welt der Digitalisierung.
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Newtons mathematische
NaturphilosophieDie klassische Physik wurde durch
Newtons „Mathematische Prinzipien der
Naturalphilosophie“ (Philosophiae naturalis
principia mathematica) von 1686 begründet.
Nach Newton muss sich die
Naturalphilosophie mathematischer
Prinzipien der Erfahrung bedienen, um die
Natur erklären und Prognosen ableiten zu
können.
Als Naturphilosoph war Newton durch
erkenntnistheoretisches Interessen
motiviert, um Naturgesetze als Ausdruck
„göttlicher Ordnung“ zu erkennen.
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Boyles ExperimentalphilosophieRobert Boyle (1627 – 1691), Physiker,
Chemiker und Begründer der Royal
Society, forderte experimentelle
Methoden als Teil der Naturphilosophie.
In seinem Hauptwerk „The Skeptical
Chemist“ (1661) zweifelte er an
„Hypothesen“ und trat für eine neue Art
der „Experimentalphilosophie“
(experimental philosophy) ein.
Als Naturphilosoph war Boyle
erkenntnistheoretisch interessiert, um
Naturgesetze als Ausdruck „göttlicher
Ordnung“ zu erkennen.
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Der Bildungsprozess der europäischen bürgerlichen
Gesellschaft wird unter das Motto gestellt: „Aufklärung
durch wissenschaftliche Bildung!“
Eine beispielhafte Manifestation ist die von dem
Philosophen D. Diderot und dem Physiker D‘Alembert
herausgegebene „Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné
des sciences, des arts et des métiers“ (I – XXXV,
Paris/Neuchâtel/Amsterdam 1751 – 1780), die das gesamte
philosophische, naturwissenschaftliche, medizinische,
technische, künstlerische und berufliche Wissen der
damaligen Zeit umfaßt.
Die Autoren der Enzyklopädieartikel („Enzyklopädisten“)
sind berühmte Wissenschaftler und Schriftsteller, die
den Kern der europäischen Aufklärung bilden (Voltaire,
d‘Holbach, Condoret, d‘Alembert, Diderot u.a.).
Wissenschaft und Technik im Zeitalter der Aufklärung
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Im Zeitalter der Industrialisierung wurden
Technische Hochschulen immer dringender
und nach dem Vorbild der Pariser École
Polytechnique (1794) im deutsch-sprachigen
Raum in Prag (1806), Wien (1815) und
Karlsruhe (1825) gegründet.
In Bayern folgten zunächst Polytechnische
Schulen in Augsburg, München und Nürnberg.
1868 wurde die Polytechnische Schule
München gegründet und später der Universität
gleichgestellt.
Sie umfasste 1) die allgemeine Abteilung für Mathematik, Physik, Nationalökonomieund Geisteswissenschaften, 2) Ingenieurabteilung, 3) Hochbauabteilung, 4) Mechanisch-technische Abteilung und 5) Chemisch-technische Abteilung.
Industrialisierung und Technische Hochschulen
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Carl von Linde (1842 – 1934) war Erfinder („Eismaschine“), Unternehmer (spätere Linde AG) und Professor für theoretische Maschinenlehre der damaligen Polytechnischen Schule, dem es gelang, Brücken zu schlagen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, bahnbrechender Forschungund markterfolgreicher Innovation mit ausgeprägter Verantwortung für das gesellschaftliche Ganze.
Der Augsburger Rudolf Diesel (1858 – 1913), Schüler von Linde, bester damaliger
Absolvent der Hochschule, war genialer Erfinder („Diesel-Motor“), Unternehmer (MAN u.a.) und sensibler Gesellschaftstheoretiker,
der 1903 ein Werk über „Solidarismus“ jenseits von Kapitalismus und Sozialismus
verfasste.
Erfinder, Unternehmer und Professoren
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Entdeckungs- und Erfindungsdynamik in der Neuzeit
Jährliche Anzahl von
Entdeckungen, Erfindungen
und anderer kultureller
Errungenschaften der
Naturwissenschaften und
Technik nach der Brockhaus-
Enzyklopädie (10-
Jahresmittelwerte)
Jährliche Anzahl von wichtigen Basiserfindungen (Punklinie)
mit Kettenreaktionen von nachfolgenden Erfindungen nach der
Van-Duijn-Liste (10-Jahresmittelwerte)
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Korrelation von Endeckungs-, Erfindungs- und Innovationsdynamik
Erfindungen sind kreative
technische Neuheiten, die
patentierbar sind.
Innovationen sind Erfindungen,
die in ökonomische Produkte auf
Märkten umgesetzt werden
können.
Jährliche Anzahl von Basisinnovationen und korrelierte
Basiserfindungen (Punktlinie) mit 10-Jahresmittelwerten. Die
Innovationskurve erscheint wie in einem „Echoeffekt“ zeitlich
versetzt zur Kurve der Erfindungen.
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Innovationsdynamik und Wirtschaftszyklen
J. A. Schumpeter (1883-1950)
unterscheidet langreichende
Kondratieff-Zyklen
(ca. 54 Jahre), Juglar Zyklen
(7–11 Jahre) und Kitchin
Zyklen (3-5 Jahre).
Korrelationen und
Superpositionen von Zyklen
lassen sich z.B. durch
Fourieranalyse
unterscheiden.
Basiserfindungen (z.B. Dampfmaschine, Automobile) treten nicht stetig und
zufällig auf, sondern konzentrieren sich in „schwarmartigen“ Clustern an
Instabilitätspunkten und lösen „langwellige Kondratieff-Zyklen“ aus. Heute
wird Nicht-Gleichgewichtsdynamik durch nichtlineare Zeitreihenanalyse
untersucht.
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Konvergenz und Interdisziplinarität
von Forschung2.
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Von der transdisziplinären Forschung zur
Innovation
Innovationen entstehen heute
häufig aus problemorientierter
(„transdisziplinärer“) Forschung,
die traditionelle Disziplingrenzen
übersteigt (z.B. Material-, Energie-,
Umwelt-, Medizinforschung). Daher
bedarf es interdisziplinärer Dialoge
und Kooperationen, um
transdisziplinäre Probleme
auszuwählen und neue Portfolios
von Technologien zu clustern.
Interdisziplinäre Dialoge
von Disziplinen
Transdisziplinäre Forschung
(problemorientierte, statt
disziplinäre Forschung)
Neue Portfolios von
Technologien (Clustering)
Innovation
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Von der Grundlagenforschung zur
integrierten Technologie
Das integrierte Nutzen biologischer Prinzipien, physikalischer
Gesetze und chemischer Eigenschaften führt zu neuen
Forschungsclustern und Technologieportfolios.
Grundlagendisziplinen wie
Physik, Chemie und Biologie
konvergieren, da sich die
Skalen ihrer gemeinsamen
Forschungsobjekte
annähern.
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Konvergierende TechnologienDie vier großen Forschungsgebiete
von „Nano“ (Nano- und
Materialwissenschaft), „Bio“ (Bio-
und Lebenswissenschaft), „Info“
(Informationstechnik, Informatik)
und „Kogno“ (Kognitions- und
Gehirnforschung) konvergieren in
Clustern neuer Technologien.
Im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten wird die Konvergenz
von Disziplinen und Emergenz von neuen Forschungsclustern
nicht allein durch erkenntnistheoretische Interessen
angetrieben, sondern vor allem durch die Nachfrage neuer
Produkte und den Wettbewerb globaler Märkte.
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Komplexe Strukturen der Nanoforschung
Viele Atome können sich unter
geeigneten Bedingungen als
komplexe Makromoleküle
selbstständig arrangieren (self-
assemblies). Nanotechnologie
nutzt diese Selbstorganisation,
um z.B. neue Materialien und
künstliches organisches Gewebe
zu erzeugen.
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Eine Zelle ist ein komplexes System
aus vier molekularen Bausteinen:
Proteine, Nukleinsäuren, Lipide,
Polysachharide.
Sie ermöglichen die Produktion von
Energie, Informationsverarbeitung,
Selbstreplikation, Selbstreparation
und Bewegung.
Komplexe Biomoleküle
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Ein Ribosom lässt
sich als Modell einer
zellulären
Nanomaschine
verstehen, die
Information eines
RNA-Bandes (lila) als
Input verarbeitet, um
die Aminosäuren
eines Proteins als
Output zu erzeugen.
Fließbandarbeit einer Nanobiomaschine
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NanobioinfotechnologienDie Interaktion lebender Zellen und
Nanomaterialien führt zur Züchtung von
künstlichen Gewebe (tissue
engineering), d.h. Zellen auf Nanofasern
synthetischen Materials (links) oder auf
nanostrukturierter Oberfläche als
Implantationsmaterial.
Ein Zukunftstrend sind biohybride
elektronische Schaltkreise und
biologische Funktionen, um die
Wechselwirkung von Gehirn und
Maschine zu verbessern (z.B. Neuronen
eines Rattengehirns auf einem
Silikonchip).
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Systembiologie integriert die
molekularen, zellulären, organischen,
humanen und ökologischen Stufen des
Lebens in Modellen komplexer Systeme.
Sie werden durch nichtlineare
Differentialgleichungen erfasst, die ihre
vielfältigen Wechselwirkungen
repräsentieren.
In Biomathematik, Biophysik und
Bioinformatik wachsen Mathematik,
Physik und Informatik mit der Biologie
zusammen, um die Komplexität des
Lebens zu erklären und vorauszusagen.
Konvergenz in der Systembiologie
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Komplexe Netzmodelle der Systembiologie
Das Ziel der Systembiologie
sind Modelle einer gesamten
Zelle, eines ganzen Organs oder
Organismus, um zelluläre
Dynamik zu verstehen und
vorauszusagen. Das
Genomprojekt war noch ein
reduktionistisches Programm,
um (nur) die Elemente von DNA-
Sequenzen zu entschlüsseln.
Der Paradigmenwechsel von der Mikroebene molekularer Elemente zur
Makroebene der Systembiologie ganzer Systeme erfordert die Rekonstruktion
komplexer Netzwerke, um die Funktionen des Stoffwechsels, genetischer
Regulation, Kontrolle, Adaptation, and Evolution zu verstehen (z.B. metabolisches
Netzwerk von E. Coli mit Potenzgesetzverteilung der Netzverbindungen und Skaleninvarianz.)
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Systembiologie ist analytische
Biologie, die komplexe Schaltpläne
des Lebens mit Methoden der
mathematischen Analysis (z.B.
Differentialgleichungen)
rekonstruiert.
Synthetische Biologie ist
Ingenieursbiologie, um biologische
Systeme (z.B. Bakterien) zu
bestimmten Zwecken zu
konstruieren.
Konvergenz in der synthetischen Biologie
Dazu werden zunächst standardisierte Bauteile (Biobricks) erzeugt. In einem Bottom
up Ansatz werden daraus neue Mikroorganismen erstellt. In einem Top down Ansatz
werden die Eigenschaften eines Mikroorganismus der Evolution auf ein
lebensnotwendiges Minimum reduziert. Diese „Chassis“ können dann wie bei einem
Auto für beliebige Zwecke ausgebaut werden.
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Konvergenz in der Bionik: Top Down Approach
Beim Top Down Approach stimulieren technische Aufgaben (z.B. Autoreifen)
eine gezielte Suche nach Lösungen aus der Natur (z.B. optimale
Kraftübertragung durch die Pfoten einer Großkatze), die zur
Problembehandlung bzw. Entwicklung neuartiger Produkte beitragen. Die
ursprüngliche Gestalt des Naturvorbildes spielt dabei in der bionischen
Umsetzung keine Rolle.
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Konvergenz in der Bionik: Bottom Up Approach
Beim Bottom Up Approach werden biologische Erkenntnisse (z.B.
funktionelle Anatomie eines Pflanzenhalms) in ein neuartiges technisches
Produkt (z.B. technische Röhren hoher spezifischer Festigkeit) übertragen.
In Abstraktionsschritten fließen zusätzliche z.B. material- und
fertigungstechnische Aspekte ein.
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Technik der Bionik: Bionic CarIn einem Bottom Up
Approach stand der
Kofferfisch Pate für eine
gute Raumausnutzung
mit strömungsgünstiger
Form .
Das hochbelastbare Leichtbauskelett wurde mit den
bionischen Methoden der Computer Aided Optimization
(CAO) und Soft Kill Option (SKO) der Daimler Chrysler
AG optimiert.
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Technik der Bionik:
Intelligente Bionische Materialien
Beim Gleitflug einer
Raubmöve ermöglicht
eine Profilaufdickung
einen energie-
sparenden Flug.
In einem Bottom Up Approach lässt sich derselbe Effekt
(„Spoilerbump“) für einen Flugzeugflügel entwickeln. Sensoren
registrieren ständig Strömungsdaten und veranlassen Materialien
mit Formgedächtnislegierung, sich optimalen
Strömungsbedingungen von selbst anzupassen.
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Kognition und Gehirn
Das Gehirn ist ein komplexes System von Neuronen, die sich selbständig in makroskopischen
Mustern verschalten können. Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken und Bewusstsein sind
solchen Mustern korreliert.
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Neuronale Netze und Lernalgorithmen
Neuronale Netze orientieren sich mit geeigneten
Netzwerktopologien und Lernalgorithmen an der
Informationsverarbeitung von Gehirnen (‚Synaptische Plastizität‘):
Feedforward mit einer
Synapsenschicht
Feedforward mit zwei Synapsen-
schichten (Hidden Units)Feedback
Lernalgorithmen:
• überwacht
• nicht überwachtz.B. Back-Propagation
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Neuronale Selbstorganisation in einem Roboter Nachbarschaft
LichtKollision
Rad
Motor-Aktion
Kollisions-schicht
Nachbarschafts-schicht
Volle Verbindung
Hindernis
Ein einfacher Roboter mit verschiedenen Sensoren (z.B. Nachbarschaft, Licht, Kollision) und motorischer Ausstattungkann komplexes Verhalten durch ein sich selbst organisierendes neuronales Netzwerk erzeugen:
Bei einer Kollision werden diesynaptischen Verbindungen zwischen den aktiven Neuronen der Nachbarschaft und Kollision durch Hebbsche Lernregeln verstärkt: Ein Verhaltensmuster entsteht!
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Kognition in technischen
SystemenIm dem Forschungsprojekt
„Cognition in Technical
Systems“ (COTESYS) arbeiten
Kognitions-, Neuro- und
Humanwissenschaften,
Informationstechnik,
Informatik und Mathematik mit
den Ingenieurswissenschaften
systematisch zusammen, um
Kognition in technischen
Systemen (z.B. Roboter) zu
realisieren.
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Handelnde Roboter in komplexer Umgebung
Roboter und Agenten können nicht vollständig für jede mögliche
Änderung einer Umgebung (z.B. Küche) programmiert werden. Ein
Programm muss aus Erfahrung lernen, wo man steht, um ein Glas aus
dem Schrank zu nehmen, wie unterschiedliche Gegenstände und
Materialien mit der Hand zu erfassen sind etc. Das erfordert ein
Kontrollsystem, um die Parameter von Handlungsroutinen und von
Modellen der Umgebung aufeinander abzustimmen.
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Konvergenz, Autonomie und Eigendynamik von
kognitiven Systemen
Steigende Komplexität der Aufgaben
erfordert steigende Adaptivität,
Autonomie und Selbstorganisation
technischer Systeme, die durch
konvergierende Technologien möglich
werden (z.B. kognitive Roboter).
Damit werden Eigendynamik und
Spontaneität, aber auch
Unkontrollierbarkeit von technischen
Systemen wie bei Menschen denkbar.
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Innovation eines globalen Supergehirns ?
Die Netzstruktur des World Wide Web erinnert an die Vernetzung von Nervenzellen und
Arealen des Gehirns. Intelligente Informationssuche und Selektion orientiert sich daher
an Logik, Lern-, Kognitions- und Gehirnforschung, um geeignete Algorithmen nach
dem Vorbild menschlicher Informationsbewältigung (‚Soft Computing‘) zu entwickeln.
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Konvergenz von Datensuche und KI
Wer im heutigen Internet
sucht, muss ca. 1 Milliarde
Webseiten mit
unstrukturierten Inhalten
durchforsten (links).
Zukünftig werden die
Webseiten Markierungen
(Tags) mit
Bedeutungselementen
enthalten, die von
Softwareagenten
automatisch erstellt, gelesen
und verstanden werden
(rechts).
Ontologien definieren die Bedeutungen der Tags, mit denen Datenbanken ausgestattet
werden. Ein Such-Agent muss dann nur noch in diese Metadaten-Verzeichnisse schauen.
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Konvergenz von Informations- und Energienetzen: Smart Grids
Viele dezentrale Stromversorger aus fossilen Primärenergien und erneuerbaren Energien (z.B. Photovoltaik, Windkraft, Biogas) führen zu komplexen Netzen. Um die Steuerung, Lastenverteilung, Speicherung und Erzeugung elektrischer Energie ganzheitlich zu organisieren, bedarf es intelligenter Informationssysteme.
Bei Smart Grids gehen Energiesystem und Informations- und Kommunikationssysteme eine Symbiose ein. Wohn- und Bürohäuser sind zugleich Verbraucher und Produzenten von Energie (z.B. kleine Sonnenkraftwerke). Große Solaranlagen (z.B. Desertec) oder Windräderparks sind ohne Smart Grids nicht denkbar.
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Konvergenz von digitalen und physischen Netzen: Cyberphysical Systems
Klassische Computersysteme trennen physische und virtuelle Welt. Cyber-physicalSystems (CPS) erkennen mit Sensoren ihre physische Umgebung, verarbeiten diese Informationen und können die physischeUmwelt mit Aktoren auch koordiniertbeeinflussen.
CPS bestehen aus vielen vernetzten Komponenten, die sich selbstständig untereinander koordinieren. Nur so wird sich die komplexe Infrastruktur von z.B. Energieversorgung, Logistik, Gesundheitsfürsorge, Medizintechnik, Verkehr, Transport, Luftfahrt bewältigen lassen.
Medizinisches Netzwerk:
Wie vermeiden wir Irrtümer?
Wie koordinieren wir alles?
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Kreativität und
Schlüsselqualifikationen für
interdisziplinäres Handeln
3.
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Kreativität und interdisziplinäre Fähigkeiten
Das menschliche Gehirn zeichnet sich durch eine interdisziplinäre Fähigkeiten aus, die
bewusst und unbewusst neue und originelle Einsichten, Darstellungen und Lösungen
erzeugen.
Sprachliche Kreativität(z.B. Dichter, Journalisten)
Logisch-mathematischKreativität
(z.B. Mathematiker, Informatiker)
Musikalische Kreativität(z.B. Komponisten)
Räumliche Kreativität(z.B. Architekt, Künstler)
Körperlich-kinästhetische Kreativität
(z.B. Tänzer, Sportler)
Soziale Kreativität(z.B. Politiker, Lehrer)
Experimentell-beobachtende Kreativität
(z.B.Naturforscher)
Technische Kreativität(z.B. Ingenieure, Techniker)
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Fallbeispiel: Technische Universität München
Die Technische Universität München
(TUM) ist eine traditionsreiche Hochschule
(seit 1868), die heute zu den deutschen
Exzellenz-Universitäten („Leuchtturm“)
gehört.
In der Tradition der Ecole polytechnique begriff sie sich frühzeitig als Innovationsunternehmen für
wissenschaftlich-technische Eliten, um im europäischen und internationalen Wissenswettbewerb zu
bestehen.
Sie umfasst das Zentrum mathematischer Wissenschaften, Physik- und Chemie Department, Fakultäten für
Ingenieurswissenschaften, Architektur, Maschinenbau, Elektrotechnik und Informationstechnologie,
Informatik, Lebenswissenschaften, Medizin, Sport und Ökonomie.
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In einer komplexen und globalen Welt reicht eine hoch
spezialisierte Fachausbildung mit regionaler Orientierung nicht
aus. Interdisziplinäres und interkulturelles Denken sind daher die
strategische Voraussetzung, um verantwortungsvoll entscheiden
und handeln zu können.
Daher ergänzt die Carl von Linde-Akademie ein interdisziplinäres
und interkulturelles Bildungsprogramm, das in den
Studiengängen der Universität im Rahmen der Bologna-Kriterien
verankert ist. Der Kern dieses Bildungsprogramms wird vom
Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie angeboten
und durch externe Dozenten/Dozentinnen ergänzt.
Aufgaben und Ziele der Carl von Linde-Akademie
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Department for Philosophy
of Science and Technology
Logik und Grundlagen
Erkenntnistheorie/Neurophilosophie
Wissenschaftstheorie
Technikphilosophie
Kulturphilosophie
Sozial-/Rechts-/Wirtschaftsphilosophie
Ethik
Leonardo da Vinci
Newton Kant
Leibniz
Arendt
GödelEinstein
Weber
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Kompetenzmodule der Carl von Linde-Akademie
Interdisziplinarität
Innovation und Risiko
Information und Kommunikation
Ethik und Verantwortung
Kulturelle Kompetenz
Persönlichkeit und Selbstmanagement
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Interdisziplinäres Denken
ecosystem
network
metabolites
human
cell assembly
proteins
messenger RNA
cell
In einer Welt wachsender Komplexität, stellen
sich die Probleme nicht in den Grenzen
traditioneller Fakultäten, sondern quer (cross-
over) zu wissenschaftlichen Disziplinen (z.B.
Umwelt, Energie, Life Science).
Bionik, Synergetik und Systemwissenschaften
liefern den methodischen Rahmen für
interdisziplinäre Forschung.
Studierende müssen darauf vorbereitet werden,
ihre disziplinären Grenzen zu überschreiten und
in Modellen anderer Disziplinen zu denken.
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Innovation und Risiko
Im Zeitalter der Globalisierung
werden die Lebensbedingungen
der Menschen immer komplexer,
risikoreicher und
undurchschaubarer.
Innovationskompetenz bedeutet
nicht nur Kreativität und
Erfindung, sondern auch die
Fähigkeit, mit Chancen und
Risiken im Wettbewerb umgehen
zu können.
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Information und Kommunikation
Globalisierung wird erst durch
weltweite Informations- und
Kommunikationssysteme (z.B. www)
möglich. So entstehen neue
Netzkulturen und Netzorganisationen
(z.B. Ubiquitous Computing).
Studierende müssen aber nicht nur
fit in allen Formen des E-Learning
und der Bildungstechnologien sein.
Team- und Führungsqualifikationen
hängen entscheidend von der
gewählten Kommunikationsform ab.
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Ethik und Verantwortung
In einer Welt wachsender Komplexität
werden die kausalen
Zusammenhänge von Handeln und
Verantwortung zunehmend
undurchschaubarer.
Moderne Forschung und Technologie
sind eine große Herausforderung für
angewandte Ethik in
Ingenieurwissenschaften, Medizin,
Biowissenschaften,
Umweltforschung,
Medienwissenschaft und Informatik.
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Kulturelle Kompetenz
In globalen Wissensgesellschaften
treffen sich Studierende aller Länder,
Kulturen und religiöser Prägungen.
Als zukünftige Ingenieure,
Wissenschaftler und Geschäftsleute
müssen sie darauf durch kulturelle
Studien vorbereitet werden. Sie
müssen für Motivationen und
Absichten ihrer Partner und
Konkurrenten sensibilisiert zu
werden.
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Persönlichkeit und Selbstmanagement
Selbstmanagement bedeutet
praktische Fähigkeiten der
Selbstpräsentation, des
Stressmanagements und der
teamorientierten Arbeit in
Projekten.
Damit sollen professionelle
Problemlösungen in Studium,
Beruf und Alltag unterstützt
werden.
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Interdisziplinäres Ausbildungsprofil in
einer komplexen Welt
Die Innovationsdynamik der Natur- und
Ingenieurwissenschaften, Medizin und
Wirtschaftswissenschaften führt heute
zu fächerübergreifenden
Forschungsclustern, die inter- und
transdisziplinäre Ausbildung,
internationale Vernetzung,
interkulturelle Erfahrung,
unternehmerisches Know-how,
Teamfähigkeit und
Persönlichkeitsbildung erfordern.