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Je Woche 10. Jahrgang ISSN 1862 - 1996
Kulturexpress unabhängiges Magazin
Ausgabe 08
16. – 22. Februar 2014
Zeitschrift für Kunst, Kultur, Philosophie, Wissenschaft und Wirtschaft
Kulturexpress verpflichtet sich unabhängig über wirtschaftliche, politische und kulturelle Ereignisse zu berichten.
Kulturexpress ist deshalb ein unabhängiges Magazin, das sich mit Themen zwischen den Welten aus Wirtschaft und
Kultur aber auch aus anderen Bereichen auseinandersetzt. Das Magazin bemüht sich darin um eine aktive und
aktuelle Berichterstattung, lehnt jedoch gleichzeitig jeden Anspruch auf Vollständigkeit ab.
Inhalt
Oscar Tuazon. Alone in an empty room Museum Ludwig Köln bis 13. Juli 2014
vom 22. Februar 2014
125 Jahre Eiffelturm – die eiserne Dame feiert Geburtstag vom 22. Februar 2014
Das Unbewusste: Eine Brücke zwischen Psychoanalyse und Kognitionswissenschaften vom 18. Februar 2014
Degressiver Zweitwohnungsteuertarif bedarf hinreichend gewichtiger Sachgründe vom 18. Februar 2014
Impressum
Herausgeber und Redaktion Rolf E.Maass
Adresse
Postfach 90 06 08 60446 Frankfurt am Main
mobil +49 (0)179 8767690 Voice-Mail +49 (0)3221 134725
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Kulturexpress in gedruckter Form
erscheint wöchentlich
ISSN 1862-1996
Finanzamt IV Frankfurt a/M
St-Nr.: 148404880 USt-idNr.: DE249774430
E-Mail:redaktion@kulturexpress.de
'A room with a view' or 'A Room of One's Own'
Oscar Tuazon. Alone in an empty room. Museum Ludwig KölnMeldung: Museum Ludwig, Köln, den 28. Januar 2014
Holz, Metall, Stein und Beton sind die Werkstoffe von Oscar Tuazon. Inspiriertvon der Do-it-Yourself-Ästhetik wie von der Kunst- und Baugeschichte, bewegensich seine Konstruktionen zwischen Skulptur und Architektur. Sie entstehen imAußen- oder Innenraum und erscheinen auf den ersten Blick sperrig und„nutzlos“. Manche sind aber auch bespielbar, können umfunktioniert, benutztwerden.
Wie gebaute Eisschollen wirken die Skulpturen Tuazons, die entstehen,sperrig und nutzlos ihr Wesen treiben und wieder vergehen.
Der 1975 in den USA geborene Künstler interessiert sich für Entstehungsprozesse: Diekollektive körperliche Arbeit, Anstrengung und Kommunikation sieht er als Teil seinesWerks. Dieses ist auch durch Tuazons Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichtegeprägt. Seine Arbeiten bringen Ideen der Land Art mit der Minimal Art in Berührung;inhaltliche Verknüpfungen mit Carl Andre, Bruce Nauman, Robert Smithson oder GordonMatta-Clark geben dem Diskurs um Raum, Material und Arbeit in der zeitgenössischenKunst eine neue Wendung.
Das ortsspezifische Projekt im Museum Ludwig greift in das große Treppenhaus desMuseum Ludwig ein. Aus Beton, Glas, Metall und anderen Baumaterialien errichtet Tuazon
dort architektonische Versatzstücke eines Privathauses. Begonnen hat er mit seiner Arbeitbereits im Rahmen der Sammlungsneupräsentation Not Yet Titled im Untergeschoss des
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Museums. Er benutzt aber auch die Architektur des Museums, wenn er beispielsweise eineDrehtür auf der Terrasse des Museums nachbaut.
Laufzeit der Ausstellung: 15.2. - 13.7. 2014
OscarTuazon_MuseumLudwig A Prosthesis, 2014 Leichtbeton, Mörtel, Eichenholz, Glas, Farbe / Aeratedconcrete blocks, mortar, oak, glass, paint
OscarTuazon_MuseumLudwig A Person, 2014 Stahl, Beton, Glas, Ziegel, Lampen,Farbe / Steel, concrete, glass, brick, lamps, paint
OscarTuazon_MuseumLudwig Doors On The Floor, 2014 (2-teilig / two parts) Gips,Stahl, Glas, Eichenholz, Farbe / Plaster, steel, glass,oak, paint
OscarTuazon_MuseumLudwigIt's Beyond Me, 2014 Verzinkter Stahl, Rigipsplatte, Pinienholz, Eichenholz, Glas, Lampe, Farbe / Galvanizedsteel, sheetrock, pine, oak, glass, lamp, paint
OscarTuazon_MuseumLudwig Piece By Piece, 2013 Betonblöcke, Mörtel,Douglastanne, Stahl/ Cinderblocks, mortar, douglas fir,steel
OscarTuazon_MuseumLudwig A Hinge, 2014 Pinienholz, Stahl / Pine, steelFoto: Michael van den Boogard, Courtesy of the artistand Galerie Eva Presenhuber, Zürich
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Oscar Tuazons raumgreifende Konstruktionen beziehen sich sowohl auf den Außen- alsauch auf den Innenraum, sie treten mit der vorgefundenen Architektur in einen Dialog,sprengen architektonische Strukturen, kreieren neue Räume – sichtbar wie unsichtbar. DerFokus seines Schaffens liegt u.a. auf dem Aspekt der körperlichen Arbeit bzw. desEntstehungsprozesses eines Kunstwerks. Dies zeigt sich unmittelbar in seinen Arbeiten, diesich zwischen Skulptur und Architektur bewegen, sowie in der Wahl der verwendetenMaterialien, oftmals Holz, Metall, Stein und Beton. Tuazons Werke verbinden Ideen derLand Art mit Prinzipien der Minimal und der Post-Minimal Art und verknüpfen so dieVorstellung von etwas Abstraktem mit einer tatsächlichen Konstruktion; diese ist durchextreme physische Herausforderungen während der Installation sowie durch sich immer neugestaltende räumliche Bedingungen geprägt.
Die Präsentation der Werke Oscar Tuazons im Museum Ludwig findet nicht in denAusstellungsräumen statt, sondern erstreckt sich über das gesamte Treppenhaus. Auf allenvier Ebenen werden architektonische Versatzstücke eines privaten Wohnhauses zu sehensein; im Untergeschoss wurde der untere Treppenabsatz zu einer Art Garagentor erweitert,ein Eingriff, der bereits im Rahmen der Neupräsentation der Sammlung Not Yet Titledrealisiert wurde und die jetzige Ausstellung ankündigte. Die im Treppenhaus verteilten Fragmente stellen ein Gegenargument zur bestehendenMuseumsarchitektur dar: Privater und öffentlich institutioneller Raum treten in einen direktenDialog, werden sich gegenüber gestellt. Oscar Tuazon, geboren in Seattle, lebt und arbeitet seit 2007 in Paris, wo er die von einemKünstlerkollektiv geführte Galerie castillo/corrales mitbegründete. Seit 2013 lebt Tuazon
zudem in Los Angeles. Er studierte an der Cooper Union School of Art und absolvierte dasWhitney Independent Study Program in New York. 2011 war Tuazon auf der 54. Biennalevon Venedig vertreten. 2013 war er mit Einzelausstellungen im Schinkel Pavillon in Berlinund im Boijmans van Beuningen Museum in Rotterdam präsentiert.
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125 Jahre Eiffelturm – die eiserne Dame feiert Geburtstag Meldung: MAIRDUMONT - Karl Baedeker Verlag, in Ostfildern, den 20. Februar 2014
1889 erhielt der Eiffelturm einen Lackanstrich in Venedig-Rot.Nach Gelb-Orange in 1899 wurde der Turm in den 1960er Jahrenin die Farbe Eiffel-Braun getaucht. Alle sieben Jahre erhält „ladame de fer“ ein neues Kleid, welches in der Dunkelheit – mit20.000 Glühbirnen und Lichterketten bestückt – funkelt und glitzert.Vor 125 Jahren, am 31. März 1889, wurde das Bauwerk vonAlexandre Gustave Eiffel anlässlich der Weltausstellung in Pariseingeweiht. Ein Grund zu feiern!
Wen es zum Eiffelturm-Geburtstag in die französische Hauptstadtzieht, erhält mit der im Baedeker Paris enthaltenen Infografik eine
anschauliche Einführung in die Geheimnisse der eigenwilligen Eisenkonstruktion.
Neben der Infografik liefert der Reiseführer auch ausführliche Wissensspecials zum PariserChic, zu Brasserien und Bistros oder zu „Pariser Augenblicken“, die Robert Doisneau mitseiner Kamera einfühlsam festgehalten hat. Darüber hinaus erfährt der Reisende aufinsgesamt 390 Seiten alles Wissenswerte von A – Z, mit dem Kapitel „Erleben undGenießen“ die neuesten Trends, empfehlenswerte Hotels und Restaurants, Infos zu Museensowie Shoppingtipps und Ideen, wie und wo man in Paris die Nacht zum Tage macht. DerCityplan in der Einschiebetasche sorgt für schnelle Orientierung.
Den Baedeker Paris gibt es auch als E-Book in den Formaten EPUB und PDF.
Baedeker Paris390 Seiten inklusive Reisekarte in der Einschiebetasche
Format: 12,5 x 19 cm
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Kulturexpress ISSN 1862-1996 Ausgabe 08 - 2014
ISBN 978-3-8297-1436-5
www.baedeker.com
www.mairdumont.com
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Das Unbewusste: Eine Brücke zwischen Psychoanalyse undKognitionswissenschaftenForscher und Praktiker im Dialog bei der Joseph Sandler Conference inFrankfurtMeldung: Goethe-Uni, Frankfurt a/M, den 18. Februar 2014
Die Psychoanalyse ist seit Freuds Zeiten die „Wissenschaft des Unbewussten“. Dochinzwischen beschäftigen sich auch die Kognitions- und Neurowissenschaften intensiv mitnicht bewussten Prozessen in der Informationsverarbeitung des Gehirns. Bei derinternationalen Joseph Sandler Conference, die vom 28. Februar bis 2. März in Frankfurtstattfindet, werden sich über 250 Forscher und Praktiker aus 15 Ländern mit dem Thema„Das Unbewusste: Eine Brücke zwischen Psychoanalyse und Cognitive Science“
beschäftigen.
Im Dialog der unterschiedlichen Disziplinen sollen u.a. folgende Fragen diskutiert werden:Verstehen Forscher das Gleiche unter „dem Unbewussten“? Kann die Kernthese derPsychoanalyse angesichts neuerer Forschungen aus dem Bereich der Kognitions- undNeurowissenschaften noch aufrecht erhalten werden, dass es ein „dynamischesUnbewusstes“ gibt, in das Tabuisiertes, seelisch nicht Erträgliches verbannt wird und das oftunerkannt aktuelles Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst? Ist dieses Verständnis des Unbewussten für Veränderungsprozess in Psychoanalysen undPsychotherapien noch immer unverzichtbar? Die Tagung findet zum siebten Mal inFrankfurt statt und wird vom Sigmund-Freud-Institut, dem Frankfurter LOEWE-ZentrumIDea (Center for Research on Individual Development and Adaptive Education for Children-at-Risk) sowie den Universitäten Frankfurt und Kassel in Kooperation mit InternationalResearch Board der International Psychoanalytical Association organisiert.Veranstaltungsort der Festsaal im Casino auf dem Campus Westend der Goethe-Universität.
Das „Unbewusste“ galt in der Psychologie lange als nicht direkt empirisch untersuchbar undwurde daher eher als Gegenstand für mythologische oder religiöse Betrachtungenangesehen. Doch das hat sich seit einigen Jahren grundlegend geändert, wie die Direktorindes Sigmund-Freud-Instituts, Prof. Marianne Leuzinger-Bohleber, erläutert: „Vor allemdurch die Möglichkeit, das lebende Gehirn dank bildgebender Verfahren wissenschaftlich zuuntersuchen, ist es heute für die meisten Wissenschaftlern unstrittig, dass der Austauschzwischen der Psychoanalyse und den Neurowissenschaften für alle Beteiligtenvielversprechend ist. Die Neurowissenschaften verfügen inzwischen über die objektivierenden und exaktenMethoden zur Prüfung anspruchsvoller Hypothesen über menschliches Verhalten, währenddie Psychoanalyse aufgrund ihrer reichen Erfahrung mit Patienten die notwendigeKonkretion und das Anschauungsmaterial in Bezug auf menschliches Verhalten beizutragenund dadurch genaue Fragen an die Biowissenschaften zu stellen vermag.“
Leuzinger-Bohleber gehörte zu den ersten Psychoanalytikerinnen, die sich in Deutschlandaktiv im Dialog mit den Neurowissenschaften engagiert haben. Inzwischen wurde eineeigene wissenschaftliche Disziplin gegründet: die Neuro-Psychoanalyse. Freud hätte demübrigens sehr positiv gegenüber gestanden. Dazu die Forscherin: „Die neuenBeobachtungsinstrumente in den Neurowissenschaften scheinen einen Traum von Freud indie Wirklichkeit umzusetzen: Komplexe unbewusste psychische Prozesse werden dank der
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bildgebenden Verfahren einer objektiven Beobachtung zugänglich, eine enorme Chance fürdie Psychoanalyse, wie auch der Nobelpreisträger Eric Kandel immer und immer wiederbetont.“
Die Neuro-Psychoanalyse führt insbesondere in der Schlaf- und Traumforschung, wie sieauch am Sigmund-Freud-Institut betrieben wird, zu ganz neuen Einblicken. Die FrankfurterWissenschaftlerin nennt ein Beispiel: Ein Teil der chronisch depressiven Patienten, die z. Zt.in einer großen Therapiewirksamkeitsstudie zur Wirkung psychoanalytischer Therapienverglichen mit kognitiv-behavioralen untersucht werden, haben sich bereit erklärt, evtl.Veränderungen während der Behandlungen auch im Schlaflabor und in der funktionellenMagnetresonanztomographie (fMRI) zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser „objektiven“Messungen werden den Veränderungen des Sinnerlebens der einzelnen Patienten inPsychoanalysen gegenübergestellt, wie dies am Sonntag von der Forschergruppe desSigmund-Freud-Instituts wird.
Während für die Tagung eine Anmeldung (inkl. Gebühr) erforderlich ist, hält Prof. Mark
Solms aus Kapstadt am Freitag (28. Februar) um 20 Uhr im Casino, Campus Westend,einen öffentlichen Vortrag über den internationalen Stand der Forschung. Er ist einer derBegründer der Society for Neuro-Psychoanalysis und Initiator des Dialogs zwischenPsychoanalyse und Neurowissenschaften, außerdem kennt er Freuds neurologischeSchriften bestens. Weitere Themen der Tagung sind u.a.: Lernstörungen und frühe Bildung; unbewusstePhantasien bei Menschen mit gravierenden seelischen Problemen; neue Erkenntnisse ausder Suizidalforschung; Funktionelle Magnetresonanztomographie-Studien mit Kindern undJugendlichen mit Diagnose ADHS, Autismus, Tourette Syndrom, emotionalerFrühverwahrlosung.
Die Joseph Sandler Research Conference wird im nächsten Jahr in Yale (USA) und 2016in Buenos Aires (Argentinien) veranstaltet. Sandler und seine Frau hatten diePsychoanalyse in den 1990er Jahren stärker für den Dialog mit den anderenWissenschaften geöffnet und deshalb diese einmal im Jahr ausgerichtete Conference insLeben gerufen. Siehe auch: Wie das Gehirn verdeckte Objekte erkennt
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degressiv - abnehmend, sinkend
Degressiver Zweitwohnungsteuertarif bedarf hinreichendgewichtiger SachgründeMeldung: Bundesverfassungsgericht, in Karlsruhe, den 14. Februar 2014
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 14. Februar derVerfassungsbeschwerde gegen einen Zweitwohnungsteuerbescheid der Stadt Konstanz
stattgegeben und die zugrundeliegenden Satzungen der Jahre 1989, 2002 und 2006 fürnichtig erklärt. Wenn ein degressiver Zweitwohnungsteuertarif - wie im vorliegenden Fall - nicht durchhinreichend gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt ist, verletzt er das aus Art. 3 Abs. 1
GG abzuleitende Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Sachverhalt und VerfahrensgangDie Stadt Konstanz, die Beklagte des Ausgangsverfahrens, zog den Beschwerdeführer fürdie Jahre 2002 bis 2006 aufgrund einer Satzung zur Zweitwohnungsteuer heran. 1. Die Steuertarife orientieren sich am jährlichen Mietaufwand als steuerlicherBemessungsgrundlage und pauschalieren den Steuerbetrag durch Bildung von fünf(Zweitwohnungsteuersatzung 1989) beziehungsweise acht Mietaufwandsgruppen(Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006). Die konkrete Ausgestaltung der Steuertarife führt insgesamt zu einem - in Relation zum
Mietaufwand - degressiven Steuerverlauf.
Zwar steigt der absolute Betrag der Zweitwohnungsteuer mit zunehmender Jahresmiete inStufen an. Nicht nur auf den jeweiligen Stufen, sondern auch über die Stufen hinweg sinktjedoch der sich aus dem Mietaufwand und dem zu zahlenden Steuerbetrag ergebendeSteuersatz mit steigendem Mietaufwand ab. 2. Der Beschwerdeführer hatte im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 31. August 2006eine Zweitwohnung im Stadtgebiet von Konstanz inne, die ihm von seinen Eltern überlassenworden war. Die Beklagte zog ihn für diesen Zeitraum zu einer Zweitwohnungsteuer inHöhe von (zuletzt) 2.974,32 € heran. Widerspruch und Klage des Beschwerdeführershiergegen blieben ohne Erfolg. Wesentliche Erwägungen des SenatsDie zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Wesentlichen begründet. Die degressive
Ausgestaltung der Zweitwohnungsteuertarife sowie die Entscheidungen der Beklagtenund der Fachgerichte verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der degressive Steuertarif in den Zweitwohnungsteuersatzungen 1989, 2002 und 2006verletzt das Grundrecht auf Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägungals Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. a) Als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG muss die von derBeklagten erhobene Zweitwohnungsteuer dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatzabgeleiteten Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit genügen. Daswesentliche Merkmal einer Aufwandsteuer besteht darin, die in derEinkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu
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treffen; diese spiegelt der jeweilige Mietaufwand als Bemessungsgröße derZweitwohnungsteuer wider. b) Der degressive Steuertarif bewirkt eine Ungleichbehandlung der Steuerschuldner, weil erweniger leistungsfähige Steuerschuldner prozentual höher belastet als wirtschaftlichleistungsfähigere. Denn aus dem Stufentarif ergibt sich mit steigendem Mietaufwandweitgehend ein sinkender Steuersatz. Diese Ungleichbehandlung lässt sich bereits durchVergleich der jeweiligen mittleren Steuersätze in den Steuerstufen feststellen. Eine weitere Ungleichbehandlung folgt aus den Differenzen in der Steuerbelastung durchdie typisierenden Stufen: So sinkt beispielsweise innerhalb der zweiten Steuerstufe nachder Satzung 1989 die Steuerbelastung von fast 40 Prozent auf rund 26 Prozent und nachden Satzungen 2002/2006 von etwa 34,8 Prozent auf 21,8 Prozent. Am stärksten belastetwerden insgesamt Steuerpflichtige mit Jahresmieten im unteren Bereich der jeweiligenSteuerstufen. Die Mindest- und Höchstbetragsstufen verstärken diesen degressiven Effektzusätzlich. c) Degressive Steuertarife sind nicht generell unzulässig, weil der Normgeber nichtausnahmslos zu einer reinen Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips verpflichtet ist.Bei der Rechtfertigung unterliegt er jedoch über das bloße Willkürverbot hinausgehendenBindungen durch das Leistungsfähigkeitsprinzip als materiellem Gleichheitsmaß. VomBundesverfassungsgericht ist hierbei nur zu untersuchen, ob der Normgeber dieverfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat, nicht ob er diezweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Hinzu treten die Effekte der Degression zwischen den einzelnen Stufen: Zwischen derZweitwohnungsteuer bei einem Mietaufwand von 1.200 € und bei einem Mietaufwand von24.000 € kommt es nach der Satzung 1989 zu einer Differenz von 29 Prozentpunkten(Steuerbelastungen von 34 Prozent bzw. 5 Prozent) und nach den Satzungen 2002/2006 zueiner Differenz von 27 Prozentpunkten (Steuerbelastungen von 33 Prozent bzw. 6 Prozent). Ein zulässiger Lenkungszweck liegt in der Erhöhung des Wohnungsangebots für dieeinheimische Bevölkerung und insbesondere für Studierende der Hochschulen vor Ort. Diesteuerliche Differenzierung durch einen degressiven Tarifverlauf erweist sich jedoch zurErreichung dieser Lenkungszwecke weder als geeignet noch als erforderlich. Zwar mag dieErhebung der Zweitwohnungsteuer insgesamt geeignet sein, Zweitwohnungsinhaber zurAnmeldung des Hauptwohnsitzes zu bewegen; die degressive Ausgestaltung desSteuertarifs selbst fördert diesen Lenkungszweck jedoch nicht. Dieses Lenkungsziel würdein gleicher Weise durch einen linearen oder gar progressiven Steuertarif erreicht, bei demdie hier festgestellte Ungleichbehandlung nicht vorläge. Gleiches gilt für denLenkungszweck, das Halten von Zweitwohnungen einzudämmen.
www.bundesverfassungsgericht.de
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